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Document 32009D0941

2009/941/EG: Beschluss des Rates vom 30. November 2009 über den Abschluss des Haager Protokolls vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht durch die Europäische Gemeinschaft

OJ L 331, 16.12.2009, p. 17–18 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
Special edition in Croatian: Chapter 19 Volume 010 P. 159 - 160

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2009/941/oj

Related international agreement

16.12.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 331/17


BESCHLUSS DES RATES

vom 30. November 2009

über den Abschluss des Haager Protokolls vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht durch die Europäische Gemeinschaft

(2009/941/EG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 61 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 300 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 2 und Artikel 300 Absatz 3 Unterabsatz 1,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Europäische Gemeinschaft wirkt auf die Errichtung eines gemeinsamen Rechtsraumes hin, der auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen basiert.

(2)

Die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (2) legt fest, dass sich das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht für die Mitgliedstaaten, die durch das Haager Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (nachstehend „das Protokoll“ genannt) gebunden sind, nach jenem Protokoll bestimmt.

(3)

Das Protokoll trägt erheblich dazu bei, dass eine größere Rechtssicherheit und Berechenbarkeit für Unterhaltsberechtigte und Unterhaltspflichtige gewährleistet ist. Die Anwendung einheitlicher Vorschriften zur Bestimmung des anwendbaren Rechts in Unterhaltssachen ermöglicht den freien Verkehr von Entscheidungen über Unterhaltspflichten in der Gemeinschaft ohne jedwede weitere Prüfung durch den Vollstreckungsmitgliedstaat.

(4)

Artikel 24 des Protokolls berechtigt Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration wie die Gemeinschaft, das Protokoll zu unterzeichnen, anzunehmen, zu genehmigen oder ihm beizutreten.

(5)

Die Gemeinschaft besitzt in allen Fragen, die durch das Protokoll geregelt werden, die ausschließliche Zuständigkeit. Dies berührt nicht die Position der Mitgliedstaaten, für die dieser Beschluss gemäß Erwägungsgrund 11 bzw. 12 nicht bindend oder anwendbar ist.

(6)

Die Gemeinschaft sollte das Protokoll daher genehmigen.

(7)

Das Protokoll sollte unter den Mitgliedstaaten spätestens am 18. Juni 2011, dem Datum des Beginns der Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 4/2009, Anwendung finden.

(8)

Da das Protokoll und die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 eng miteinander verknüpft sind, sollten die Bestimmungen des Protokolls in der Gemeinschaft vorläufig zur Anwendung gelangen, sofern das Protokoll dort am 18. Juni 2011, dem Datum des Beginns der Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 4/2009, noch nicht in Kraft getreten ist. Bei Abschluss des Protokolls sollte eine einseitige Erklärung in diesem Sinne abgegeben werden.

(9)

Anhand der Bestimmungen des Protokolls sollte das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht bestimmt werden, wenn eine Entscheidung über diese Pflichten gemäß den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 über die Abschaffung der Exequaturverfahren anzuerkennen und zu vollstrecken ist. Um zu gewährleisten, dass in der Gemeinschaft die gleichen Kollisionsnormen auf Unterhaltsforderungen angewandt werden, die für einen Zeitraum vor dem sowie nach dem Inkrafttreten oder der vorläufigen Anwendung des Protokolls in der Gemeinschaft geltend gemacht werden, sollten die Bestimmungen des Protokolls unbeschadet seines Artikels 22 auch auf Forderungen Anwendung finden, die für einen Zeitraum vor Inkrafttreten oder der vorläufigen Anwendung des Protokolls geltend gemacht werden. Bei Abschluss des Protokolls sollte eine einseitige Erklärung in diesem Sinne abgegeben werden.

(10)

Gemäß Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands beteiligt sich Irland an der Annahme und der Anwendung dieses Beschlusses.

(11)

Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands beteiligt sich das Vereinigte Königreich nicht an der Annahme dieses Beschlusses, und ist weder durch diesen Beschluss gebunden noch zu seiner Anwendung verpflichtet.

(12)

Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieses Beschlusses, und ist weder durch diesen Beschluss gebunden noch zu seiner Anwendung verpflichtet —

BESCHLIESST:

Artikel 1

Das Haager Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht wird hiermit im Namen der Europäischen Gemeinschaft gebilligt.

Der Wortlaut des Protokolls ist diesem Beschluss beigefügt.

Artikel 2

Der Präsident des Rates wird ermächtigt, die Person(en) zu bestellen, die befugt ist (sind), das Protokoll rechtsverbindlich für die Gemeinschaft zu unterzeichnen.

Artikel 3

Bei Abschluss des Protokolls gibt die Gemeinschaft im Einklang mit dessen Artikel 24 folgende Erklärung ab:

„Die Europäische Gemeinschaft erklärt gemäß Artikel 24 des Protokolls, dass sie für alle in diesem Protokoll geregelten Angelegenheiten zuständig ist. Das Protokoll ist bei Abschluss durch die Europäische Gemeinschaft für ihre Mitgliedstaaten bindend.

Für die Zwecke dieser Erklärung versteht sich der Begriff ‚Europäische Gemeinschaft‘ ohne Dänemark nach Maßgabe der Artikel 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks sowie ohne das Vereinigte Königreich nach Maßgabe der Artikel 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands.“

Artikel 4

(1)   Innerhalb der Gemeinschaft finden die Bestimmungen des Protokolls unbeschadet des Artikels 5 dieses Beschlusses ab dem 18. Juni 2011, dem Datum des Beginns der Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 4/2009, vorläufig Anwendung, sofern das Protokoll zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten ist.

(2)   Bei Abschluss des Protokolls gibt die Gemeinschaft folgende Erklärung ab, um der möglichen vorläufigen Anwendung gemäß Absatz 1 Rechnung zu tragen:

„Die Europäische Gemeinschaft erklärt, dass sie die Bestimmungen des Protokolls ab dem 18. Juni 2011, dem Datum des Beginns der Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2009 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (3), vorläufig anwenden wird, sofern das Protokoll bis dahin nicht gemäß dessen Artikel 25 Absatz 1 in Kraft getreten ist.“

Artikel 5

(1)   Ungeachtet des Artikels 22 des Protokolls wird anhand der Bestimmungen des Protokolls auch das auf Unterhaltsforderungen anzuwendende Recht bestimmt, die in einem Mitgliedstaat für einen Zeitraum vor dem Inkrafttreten oder der vorläufigen Anwendung des Protokolls in der Gemeinschaft geltend gemacht werden, sofern aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 die Einleitung des Verfahrens, die Billigung oder der Abschluss des gerichtlichen Vergleichs oder die Ausstellung der öffentlichen Urkunde ab dem 18. Juni 2011, dem Datum des Beginns der Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 4/2009, erfolgt ist.

(2)   Bei Abschluss des Protokolls gibt die Gemeinschaft folgende Erklärung ab:

„Die Europäische Gemeinschaft erklärt, dass sie die Bestimmungen des Protokolls auch auf Unterhaltsforderungen anwenden wird, die in einem ihrer Mitgliedstaaten für einen Zeitraum vor dem Inkrafttreten oder der vorläufigen Anwendung des Protokolls in der Gemeinschaft geltend gemacht werden, sofern aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2009 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (3) die Einleitung des Verfahrens, die Billigung oder der Abschluss des gerichtlichen Vergleichs oder die Ausstellung der öffentlichen Urkunde ab dem 18. Juni 2011, dem Datum des Beginns der Anwendbarkeit der genannten Verordnung, erfolgt ist.“

Geschehen zu Brüssel am 30. November 2009.

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

B. ASK


(1)  Stellungnahme vom 24. November 2009 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(2)  ABl. L 7 vom 10.1.2009, S. 1.

(3)  ABl. L 7 vom 10.1.2009, S. 1.


ANHANG

ÜBERSETZUNG

PROTOKOLL

über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Die Unterzeichnerstaaten dieses Protokolls,

in dem Wunsch, gemeinsame Bestimmungen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht festzulegen,

in dem Wunsch, das Haager Übereinkommen vom 24. Oktober 1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht und das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht zu modernisieren,

in dem Wunsch, allgemeine Regeln in Bezug auf das anzuwendende Recht zu entwickeln, die das Haager Übereinkommen vom 23. November 2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen ergänzen können,

haben beschlossen, zu diesem Zweck ein Protokoll zu schließen, und die folgenden Bestimmungen vereinbart:

Artikel 1

Anwendungsbereich

(1)   Dieses Protokoll bestimmt das auf solche Unterhaltspflichten anzuwendende Recht, die sich aus Beziehungen der Familie, Verwandtschaft, Ehe oder Schwägerschaft ergeben, einschließlich der Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind, ungeachtet des Familienstands seiner Eltern.

(2)   Die in Anwendung dieses Protokolls ergangenen Entscheidungen lassen die Frage des Bestehens einer der in Absatz 1 genannten Beziehungen unberührt.

Artikel 2

Universelle Anwendung

Dieses Protokoll ist auch dann anzuwenden, wenn das darin bezeichnete Recht dasjenige eines Nichtvertragsstaats ist.

Artikel 3

Allgemeine Regel in Bezug auf das anzuwendende Recht

(1)   Sofern in diesem Protokoll nichts anderes bestimmt ist, ist für Unterhaltspflichten das Recht des Staates maßgebend, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(2)   Wechselt die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt, so ist vom Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels an das Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts anzuwenden.

Artikel 4

Besondere Regeln zugunsten bestimmter berechtigter Personen

(1)   Die folgenden Bestimmungen sind anzuwenden in Bezug auf Unterhaltspflichten

a)

der Eltern gegenüber ihren Kindern;

b)

anderer Personen als der Eltern gegenüber Personen, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, mit Ausnahme der Unterhaltspflichten aus in Artikel 5 genannten Beziehungen; und

c)

der Kinder gegenüber ihren Eltern.

(2)   Kann die berechtigte Person nach dem in Artikel 3 vorgesehenen Recht von der verpflichteten Person keinen Unterhalt erhalten, so ist das am Ort des angerufenen Gerichts geltende Recht anzuwenden.

(3)   Hat die berechtigte Person die zuständige Behörde des Staates angerufen, in dem die verpflichtete Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, so ist ungeachtet des Artikels 3 das am Ort des angerufenen Gerichts geltende Recht anzuwenden. Kann die berechtigte Person jedoch nach diesem Recht von der verpflichteten Person keinen Unterhalt erhalten, so ist das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts der berechtigten Person anzuwenden.

(4)   Kann die berechtigte Person nach dem in Artikel 3 und in den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels vorgesehenen Recht von der verpflichteten Person keinen Unterhalt erhalten, so ist gegebenenfalls das Recht des Staates anzuwenden, dem die berechtigte und die verpflichtete Person gemeinsam angehören.

Artikel 5

Besondere Regel in Bezug auf Ehegatten und frühere Ehegatten

In Bezug auf Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten, früheren Ehegatten oder Personen, deren Ehe für ungültig erklärt wurde, findet Artikel 3 keine Anwendung, wenn eine der Parteien sich dagegen wendet und das Recht eines anderen Staates, insbesondere des Staates ihres letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, zu der betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist. In diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.

Artikel 6

Besondere Mittel zur Verteidigung

Außer bei Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind, die sich aus einer Eltern-Kind-Beziehung ergeben, und den in Artikel 5 vorgesehenen Unterhaltspflichten kann die verpflichtete Person dem Anspruch der berechtigten Person entgegenhalten, dass für sie weder nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts der verpflichteten Person noch gegebenenfalls nach dem Recht des Staates, dem die Parteien gemeinsam angehören, eine solche Pflicht besteht.

Artikel 7

Wahl des anzuwenden Rechts für die Zwecke eines einzelnen Verfahrens

(1)   Ungeachtet der Artikel 3 bis 6 können die berechtigte und die verpflichtete Person allein für die Zwecke eines einzelnen Verfahrens in einem bestimmten Staat ausdrücklich das Recht dieses Staates als das auf eine Unterhaltspflicht anzuwendende Recht bestimmen.

(2)   Erfolgt die Rechtswahl vor der Einleitung des Verfahrens, so geschieht dies durch eine von beiden Parteien unterschriebene Vereinbarung in Schriftform oder erfasst auf einem Datenträger, dessen Inhalt für eine spätere Einsichtnahme zugänglich ist.

Artikel 8

Wahl des anzuwendenden Rechts

(1)   Ungeachtet der Artikel 3 bis 6 können die berechtigte und die verpflichtete Person jederzeit eine der folgenden Rechtsordnungen als das auf eine Unterhaltspflicht anzuwendende Recht bestimmen:

a)

das Recht eines Staates, dem eine der Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl angehört;

b)

das Recht des Staates, in dem eine der Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat;

c)

das Recht, das die Parteien als das auf ihren Güterstand anzuwendende Recht bestimmt haben, oder das tatsächlich darauf angewandte Recht;

d)

das Recht, das die Parteien als das auf ihre Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung der Ehe anzuwendende Recht bestimmt haben, oder das tatsächlich auf diese Ehescheidung oder Trennung angewandte Recht.

(2)   Eine solche Vereinbarung ist schriftlich zu erstellen oder auf einem Datenträger zu erfassen, dessen Inhalt für eine spätere Einsichtnahme zugänglich ist, und von beiden Parteien zu unterschreiben.

(3)   Absatz 1 findet keine Anwendung auf Unterhaltspflichten betreffend eine Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, oder einen Erwachsenen, der aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen zu schützen.

(4)   Ungeachtet des von den Parteien nach Absatz 1 bestimmten Rechts ist das Recht des Staates, in dem die berechtigte Person im Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, dafür maßgebend, ob die berechtigte Person auf ihren Unterhaltsanspruch verzichten kann.

(5)   Das von den Parteien bestimmte Recht ist nicht anzuwenden, wenn seine Anwendung für eine der Parteien offensichtlich unbillige oder unangemessene Folgen hätte, es sei denn, dass die Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl umfassend unterrichtet und sich der Folgen ihrer Wahl vollständig bewusst waren.

Artikel 9

„Domicile“ anstelle von „Staatsangehörigkeit“

Ein Staat, der den Begriff des „domicile“ als Anknüpfungspunkt in Familiensachen kennt, kann das Ständige Büro der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht davon unterrichten, dass für die Zwecke der Fälle, die seinen Behörden vorgelegt werden, in Artikel 4 der Satzteil „dem die berechtigte und die verpflichtete Person gemeinsam angehören“ durch „in dem die berechtigte und die verpflichtete Person gemeinsam ihr „domicile“ haben“ und in Artikel 6 der Satzteil „dem die Parteien gemeinsam angehören“ durch „in dem die Parteien gemeinsam ihr „domicile“ haben“ ersetzt wird, wobei „domicile“ so zu verstehen ist, wie es in dem betreffenden Staat definiert wird.

Artikel 10

Öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen

Für das Recht einer öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Einrichtung, die Erstattung einer der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbrachten Leistung zu verlangen, ist das Recht maßgebend, dem diese Einrichtung untersteht.

Artikel 11

Geltungsbereich des anzuwendenden Rechts

Das auf die Unterhaltspflicht anzuwendende Recht bestimmt insbesondere,

a)

ob, in welchem Umfang und von wem der Unterhaltsberechtigte Unterhalt verlangen kann;

b)

in welchem Umfang die berechtigte Person Unterhalt für die Vergangenheit verlangen kann;

c)

die Grundlage für die Berechnung des Unterhaltsbetrags und für die Indexierung;

d)

wer zur Einleitung eines Unterhaltsverfahrens berechtigt ist, unter Ausschluss von Fragen der Prozessfähigkeit und der Vertretung im Verfahren;

e)

die Verjährungsfristen oder die für die Einleitung eines Verfahrens geltenden Fristen;

f)

den Umfang der Erstattungspflicht der verpflichteten Person, wenn eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung die Erstattung der der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbrachten Leistungen verlangt.

Artikel 12

Ausschluss der Rückverweisung

Der Begriff „Recht“ im Sinne dieses Protokolls bedeutet das in einem Staat geltende Recht mit Ausnahme des Kollisionsrechts.

Artikel 13

Öffentliche Ordnung (ordre public)

Von der Anwendung des nach diesem Protokoll bestimmten Rechts darf nur abgesehen werden, soweit seine Wirkungen der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich widersprechen.

Artikel 14

Bemessung des Unterhaltsbetrags

Bei der Bemessung des Unterhalts sind die Bedürfnisse der berechtigten Person und die wirtschaftlichen Verhältnisse der verpflichteten Person sowie etwaige der berechtigten Person anstelle einer regelmäßigen Unterhaltszahlung geleistete Entschädigungen zu berücksichtigen, selbst wenn das anzuwendende Recht etwas anderes bestimmt.

Artikel 15

Nichtanwendung des Protokolls auf innerstaatliche Kollisionen

(1)   Ein Vertragsstaat, in dem verschiedene Rechtssysteme oder Regelwerke für Unterhaltspflichten gelten, ist nicht verpflichtet, die Regeln dieses Protokolls auf Kollisionen anzuwenden, die allein zwischen diesen verschiedenen Rechtssystemen oder Regelwerken bestehen.

(2)   Dieser Artikel ist nicht anzuwenden auf Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration.

Artikel 16

In räumlicher Hinsicht nicht einheitliche Rechtssysteme

(1)   Gelten in einem Staat in verschiedenen Gebietseinheiten zwei oder mehr Rechtssysteme oder Regelwerke in Bezug auf in diesem Protokoll geregelte Angelegenheiten, so ist

a)

jede Bezugnahme auf das Recht eines Staates gegebenenfalls als Bezugnahme auf das in der betreffenden Gebietseinheit geltende Recht zu verstehen;

b)

jede Bezugnahme auf die zuständigen Behörden oder die öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Einrichtungen dieses Staates gegebenenfalls als Bezugnahme auf die zuständigen Behörden oder die öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Einrichtungen zu verstehen, die befugt sind, in der betreffenden Gebietseinheit tätig zu werden;

c)

jede Bezugnahme auf den gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat gegebenenfalls als Bezugnahme auf den gewöhnlichen Aufenthalt in der betreffenden Gebietseinheit zu verstehen;

d)

jede Bezugnahme auf den Staat, dem die Parteien gemeinsam angehören, als Bezugnahme auf die vom Recht dieses Staates bestimmte Gebietseinheit oder mangels einschlägiger Vorschriften als Bezugnahme auf die Gebietseinheit zu verstehen, zu der die Unterhaltspflicht die engste Verbindung aufweist,

e)

jede Bezugnahme auf den Staat, dem eine Partei angehört, als Bezugnahme auf die vom Recht dieses Staates bestimmte Gebietseinheit oder mangels einschlägiger Vorschriften als Bezugnahme auf die Gebietseinheit zu verstehen, zu der die Person die engste Verbindung aufweist.

(2)   Hat ein Staat zwei oder mehr Gebietseinheiten mit eigenen Rechtssystemen oder Regelwerken für die in diesem Protokoll geregelten Angelegenheiten, so gilt zur Bestimmung des nach diesem Protokoll anzuwendenden Rechts Folgendes:

a)

Sind in diesem Staat Vorschriften in Kraft, die das Recht einer bestimmten Gebietseinheit für anwendbar erklären, so ist das Recht dieser Einheit anzuwenden;

b)

fehlen solche Vorschriften, so ist das Recht der in Absatz 1 bestimmten Gebietseinheit anzuwenden.

(3)   Dieser Artikel ist nicht anzuwenden auf Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration.

Artikel 17

Hinsichtlich der betroffenen Personengruppen nicht einheitliche Rechtssysteme

Hat ein Staat für in diesem Protokoll geregelte Angelegenheiten zwei oder mehr Rechtssysteme oder Regelwerke, die für verschiedene Personengruppen gelten, so ist zur Bestimmung des nach dem Protokoll anzuwendenden Rechts jede Bezugnahme auf das Recht des betreffenden Staates als Bezugnahme auf das Rechtssystem zu verstehen, das durch die in diesem Staat in Kraft befindlichen Vorschriften bestimmt wird.

Artikel 18

Koordinierung mit den früheren Haager Übereinkommen über Unterhaltspflichten

Im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten ersetzt dieses Protokoll das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht und das Haager Übereinkommen vom 24. Oktober 1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht.

Artikel 19

Koordinierung mit anderen Übereinkünften

(1)   Dieses Protokoll lässt internationale Übereinkünfte unberührt, denen Vertragsstaaten als Vertragsparteien angehören oder angehören werden und die Bestimmungen über im Protokoll geregelte Angelegenheiten enthalten, sofern die durch eine solche Übereinkunft gebundenen Staaten keine gegenteilige Erklärung abgeben.

(2)   Absatz 1 gilt auch für Einheitsrecht, das auf besonderen Verbindungen insbesondere regionaler Art zwischen den betroffenen Staaten beruht.

Artikel 20

Einheitliche Auslegung

Bei der Auslegung dieses Protokolls ist seinem internationalen Charakter und der Notwendigkeit, seine einheitliche Anwendung zu fördern, Rechnung zu tragen.

Artikel 21

Prüfung der praktischen Durchführung des Protokolls

(1)   Der Generalsekretär der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht beruft erforderlichenfalls eine Spezialkommission zur Prüfung der praktischen Durchführung dieses Protokolls ein.

(2)   Zu diesem Zweck arbeiten die Vertragsstaaten mit dem Ständigen Büro der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht bei der Sammlung der Rechtsprechung zur Anwendung dieses Protokolls zusammen.

Artikel 22

Übergangsbestimmungen

Dieses Protokoll findet keine Anwendung auf Unterhalt, der in einem Vertragsstaat für einen Zeitraum vor Inkrafttreten des Protokolls in diesem Staat verlangt wird.

Artikel 23

Unterzeichnung, Ratifikation und Beitritt

(1)   Dieses Protokoll liegt für alle Staaten zur Unterzeichnung auf.

(2)   Dieses Protokoll bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Unterzeichnerstaaten.

(3)   Dieses Protokoll steht allen Staaten zum Beitritt offen.

(4)   Die Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunden werden beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten des Königreichs der Niederlande, dem Verwahrer dieses Protokolls, hinterlegt.

Artikel 24

Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration

(1)   Eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, die ausschließlich von souveränen Staaten gebildet wird und für einige oder alle in diesem Protokoll geregelten Angelegenheiten zuständig ist, kann das Protokoll ebenfalls unterzeichnen, annehmen, genehmigen oder ihm beitreten. Die Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hat in diesem Fall die Rechte und Pflichten eines Vertragsstaats in dem Umfang, in dem sie für Angelegenheiten zuständig ist, die im Protokoll geregelt sind.

(2)   Die Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration notifiziert dem Depositar bei der Unterzeichnung, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt schriftlich die in diesem Protokoll geregelten Angelegenheiten, für die ihr von ihren Mitgliedstaaten die Zuständigkeit übertragen wurde. Die Organisation notifiziert dem Depositar umgehend schriftlich jede Veränderung ihrer Zuständigkeit gegenüber der letzten Notifikation nach diesem Absatz.

(3)   Eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration kann bei der Unterzeichnung, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt nach Artikel 28 erklären, dass sie für alle in diesem Protokoll geregelten Angelegenheiten zuständig ist und dass die Mitgliedstaaten, die ihre Zuständigkeit in diesem Bereich der Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration übertragen haben, aufgrund der Unterzeichnung, der Annahme, der Genehmigung oder des Beitritts der Organisation durch das Protokoll gebunden sein werden.

(4)   Für das Inkrafttreten dieses Protokolls zählt eine von einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hinterlegte Urkunde nicht, es sei denn, die Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration gibt eine Erklärung nach Absatz 3 ab.

(5)   Jede Bezugnahme in diesem Protokoll auf einen „Vertragsstaat“ oder „Staat“ gilt gegebenenfalls gleichermaßen für eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragspartei des Protokolls ist. Gibt eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration eine Erklärung nach Absatz 3 ab, so gilt jede Bezugnahme im Protokoll auf einen „Vertragsstaat“ oder „Staat“ gegebenenfalls gleichermaßen für die betroffenen Mitgliedstaaten der Organisation.

Artikel 25

Inkrafttreten

(1)   Dieses Protokoll tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der Hinterlegung der zweiten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde nach Artikel 23 folgt.

(2)   Danach tritt das Protokoll wie folgt in Kraft:

a)

für jeden Staat oder jede Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration nach Artikel 24, der oder die es später ratifiziert, annimmt oder genehmigt oder ihm später beitritt, am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung seiner oder ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde folgt;

b)

für die Gebietseinheiten, auf die das Protokoll nach Artikel 26 erstreckt worden ist, am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der in jenem Artikel vorgesehenen Notifikation folgt.

Artikel 26

Erklärungen in Bezug auf nicht einheitliche Rechtssysteme

(1)   Ein Staat, der aus zwei oder mehr Gebietseinheiten besteht, in denen für die in diesem Protokoll geregelten Angelegenheiten unterschiedliche Rechtssysteme gelten, kann bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt nach Artikel 28 erklären, dass das Protokoll auf alle seine Gebietseinheiten oder nur auf eine oder mehrere davon erstreckt wird; er kann diese Erklärung durch Abgabe einer neuen Erklärung jederzeit ändern.

(2)   Jede derartige Erklärung wird dem Verwahrer unter ausdrücklicher Bezeichnung der Gebietseinheiten notifiziert, auf die das Protokoll angewendet wird.

(3)   Gibt ein Staat keine Erklärung nach diesem Artikel ab, so erstreckt sich das Protokoll auf sein gesamtes Hoheitsgebiet.

(4)   Dieser Artikel ist nicht anzuwenden auf Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration.

Artikel 27

Vorbehalte

Vorbehalte zu diesem Protokoll sind nicht zulässig.

Artikel 28

Erklärungen

(1)   Erklärungen nach Artikel 24 Absatz 3 und Artikel 26 Absatz 1 können bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt oder jederzeit danach abgegeben und jederzeit geändert oder zurückgenommen werden.

(2)   Jede Erklärung, Änderung und Rücknahme wird dem Verwahrer notifiziert.

(3)   Eine bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt abgegebene Erklärung wird mit Inkrafttreten dieses Protokolls für den betreffenden Staat wirksam.

(4)   Eine zu einem späteren Zeitpunkt abgegebene Erklärung und jede Änderung oder Rücknahme einer Erklärung werden am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Verwahrer folgt.

Artikel 29

Kündigung

(1)   Jeder Vertragsstaat kann dieses Protokoll durch eine an den Verwahrer gerichtete schriftliche Notifikation kündigen. Die Kündigung kann sich auf bestimmte Gebietseinheiten eines Staates mit nicht einheitlichen Rechtssystemen beschränken, auf die das Protokoll angewendet wird.

(2)   Die Kündigung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von 12 Monaten nach Eingang der Notifikation beim Verwahrer folgt. Ist in der Notifikation für das Wirksamwerden der Kündigung ein längerer Zeitabschnitt angegeben, so wird die Kündigung nach Ablauf des entsprechenden Zeitabschnitts nach Eingang der Notifikation beim Verwahrer wirksam.

Artikel 30

Notifikation

Der Verwahrer notifiziert den Mitgliedern der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht sowie den anderen Staaten und Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die dieses Protokoll nach den Artikeln 23 und 24 unterzeichnet, ratifiziert, angenommen oder genehmigt haben oder ihm beigetreten sind,

a)

jede Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme und Genehmigung sowie jeden Beitritt nach den Artikeln 23 und 24;

b)

den Tag, an dem das Protokoll nach Artikel 25 in Kraft tritt,

c)

jede Erklärung nach Artikel 24 Absatz 3 und Artikel 26 Absatz 1,

d)

jede Kündigung nach Artikel 29.

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.

Geschehen in Den Haag am 23. November 2007 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv der Regierung des Königreichs der Niederlande hinterlegt und von der jedem Staat, der zur Zeit der Einundzwanzigsten Tagung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Mitglied der Konferenz war, sowie jedem anderen Staat, der an dieser Tagung teilgenommen hat, auf diplomatischem Weg eine beglaubigte Abschrift übermittelt wird.


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