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Document 32008D0080

2008/80/EG: Entscheidung der Kommission vom 21. Dezember 2007 über von der Republik Österreich notifizierte einzelstaatliche Vorschriften für bestimmte fluorierte Treibhausgase (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2007) 6646) (Text von Bedeutung für den EWR)

OJ L 24, 29.1.2008, p. 45–50 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2008/80(1)/oj

29.1.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 24/45


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 21. Dezember 2007

über von der Republik Österreich notifizierte einzelstaatliche Vorschriften für bestimmte fluorierte Treibhausgase

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2007) 6646)

(Nur der deutsche Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2008/80/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 95 Absatz 6,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 842/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über bestimmte fluorierte Treibhausgase (1), insbesondere auf Artikel 9 Absatz 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I.   SACHVERHALT UND VERFAHREN

(1)

Am 29. Juni 2007 setzte die Republik Österreich die Kommission gemäß Artikel 9 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 842/2006 über bestimmte fluorierte Treibhausgase von einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in Kenntnis, die im Jahr 2002 erlassen (BGBl. II Nr. 447/2002 — Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Verbote und Beschränkungen teilfluorierter und vollfluorierter Kohlenwasserstoffe sowie von Schwefelhexafluorid (HFKW-FKW-SF6-Verordnung), veröffentlicht im Bundesgesetzblatt vom 10. Dezember 2002) und danach durch die Verordnung (BGBl. II Nr. 139/2007) vom 21. Juni 2007 geändert worden waren.

(2)

In ihrem diesbezüglichen Schreiben teilte die österreichische Regierung mit, dass die Republik Österreich beabsichtigte, einzelstaatliche Rechtsvorschriften, die strenger als die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 842/2006 sind, auf der Grundlage von Artikel 9 Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung bis zum 31. Dezember 2012 beizubehalten.

1.   GEMEINSCHAFTSRECHT

1.1.   ARTIKEL 95 ABSÄTZE 4, 5 UND 6 EG-VERTRAG

(3)

Artikel 95 Absatz 4 EGV lautet: „Hält es ein Mitgliedstaat, wenn der Rat oder die Kommission eine Harmonisierungsmaßnahme erlassen hat, für erforderlich, einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten, die durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 30 oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt sind, so teilt er diese Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Beibehaltung der Kommission mit.“

(4)

Artikel 95 Absatz 5 EGV lautet: „Unbeschadet des Absatzes 4 teilt ein Mitgliedstaat, der es nach dem Erlass einer Harmonisierungsmaßnahme durch den Rat oder die Kommission für erforderlich hält, auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse gestützte einzelstaatliche Bestimmungen zum Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen Problems für diesen Mitgliedstaat, das sich nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt, einzuführen, die in Aussicht genommenen Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Einführung der Kommission mit.“

(5)

Artikel 95 Absatz 6 EGV regelt hierzu verfahrensmäßig weiter, dass die Kommission binnen sechs Monaten nach den genannten Mitteilungen die betreffenden einzelstaatlichen Bestimmungen zu billigen oder abzulehnen hat, nachdem sie geprüft hat, ob sie ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung und eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen und ob sie das Funktionieren des Binnenmarktes behindern.

1.2.   VERORDNUNG (EG) NR. 842/2006

(6)

Die Verordnung (EG) Nr. 842/2006 über bestimmte fluorierte Treibhausgase (F-Gase) zielt darauf ab, Emissionen bestimmter unter das Kyoto-Protokoll fallender F-Gase (HFKW, FKW und SF6) zu verhindern oder zu minimieren.

(7)

Sie enthält auch eine begrenzte Anzahl von Verboten der Verwendung und des Inverkehrbringens für den Fall, dass Alternativen auf Gemeinschaftsebene als vorhanden und kosteneffizient und Verbesserungen bei Emissionsminderungen und Rückgewinnung als nicht möglich betrachtet werden.

(8)

Die Verordnung hat zwei Rechtsgrundlagen, und zwar Artikel 175 Absatz 1 EG-Vertrag für alle Bestimmungen der Verordnung sowie Artikel 95 EGV für die Artikel 7, 8 und 9, da diese Auswirkungen für den freien Warenverkehr auf dem Binnenmarkt haben.

(9)

Artikel 9 der Verordnung regelt das Inverkehrbringen und untersagt insbesondere die Vermarktung bestimmter Erzeugnisse und Einrichtungen, die unter die Verordnung fallende F-Gase enthalten oder zu ihrem Funktionieren benötigen. Gemäß Absatz 3 Buchstabe a dieses Artikels können Mitgliedstaaten, die bis zum 31. Dezember 2005 einzelstaatliche Maßnahmen erlassen haben, die strenger als die des vorliegenden Artikels sind und in den Geltungsbereich der Verordnung fallen, diese Maßnahmen bis zum 31. Dezember 2012 beibehalten. Gemäß Absatz 3 Buchstabe b hat der betreffende Mitgliedstaat die einzelstaatlichen Maßnahmen, die mit einer Begründung versehen und mit dem Vertrag vereinbar sein müssen, der Kommission mitzuteilen.

(10)

Die Verordnung gilt seit dem 4. Juli 2007, mit Ausnahme von Artikel 9 und Anhang II, die bereits seit dem 4. Juli 2006 Anwendung finden.

2.   NOTIFIZIERTE EINZELSTAATLICHE VORSCHRIFTEN

(11)

Die von der Republik Österreich notifizierten einzelstaatlichen Vorschriften wurden mit der Verordnung (BGBl. II Nr. 447/2002) vom 10. Dezember 2002 erlassen und mit der Verordnung (BGBl. II Nr. 139/2007) vom 21. Juni 2007 geändert.

(12)

Die Verordnung Nr. 447/2002 in der Fassung der Verordnung Nr. 139/2007 (im Folgenden „die Ministerialverordnung“) betrifft unter das Kyoto-Protokoll fallende Treibhausgase mit zumeist hohem Globalem Erwärmungspotenzial, nämlich teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW), vollfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW) und Schwefelhexafluorid (SF6), und wurde zu dem Zweck erlassen, die Emissionsreduktionsziele Österreichs zu erreichen.

(13)

Die Ministerialverordnung beinhaltet ein Verbot für das Inverkehrsetzen und die Verwendung der vorgenannten Treibhausgase sowie deren Einsatz in bestimmten Geräten, Anlagen und Produkten, sofern diese nicht für Forschungs-, Entwicklungs- und Analysezwecke genutzt werden. Die detaillierten Vorschriften über die Verbote und die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind in den §§ 4 bis 17 der Ministerialverordnung festgelegt.

(14)

Die im Jahr 2007 vorgenommene Änderung der Ministerialverordnung wurde notwendig zur Berücksichtigung von zwei Entscheidungen des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, der mit seinen beiden Erkenntnissen vom 9. Juni 2005 und 1. Dezember 2005 (Kundmachungen des Bundesministers im Bundesgesetzblatt vom 9. August 2005 bzw. 24. Februar 2006) bestimmte Detailregelungen der Ministerialverordnung als gesetzwidrig aufgehoben hatte, und zwar den in § 12 Abs. 2 Ziff. 3 festgelegten Grenzwert von 3 000 für das Treibhauspotenzial (GWP-Wert) von HFKW sowie die in § 12 Abs. 2 Ziff. 3 Buchst. a vorgesehene Ausnahmeklausel.

(15)

Die Änderung aus dem Jahr 2007 brachte in der Ministerialverordnung außerdem bestimmte Lockerungen der Beschränkungen im Bereich Kälte- und Klimaanlagen, um sie mit den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 842/2006 in Einklang zu bringen. Mobile Kälte- und Klimaanlagen fallen nicht mehr unter die geänderte Ministerialverordnung. Was die stationären Anlagen betrifft, so gelten die Verbote nur für kleine Einschubmodule mit einer Kältemittelfüllung von bis zu 150 g und für autonome Anlagen mit einer Kältemittelfüllung ab 20 kg. Für andere Anlagen wurden technische Parameter festgelegt, die gewährleisten, dass keine größere Kältemittelmenge eingesetzt wird als nach dem Stand der Technik erforderlich. Auch bei der Behandlung von HFKW-haltigen Aerosolen und der Verwendung von SF6 sind Änderungen vorgenommen worden, um eine Übereinstimmung mit den EU-Rechtsvorschriften zu erreichen.

(16)

Mit Schreiben vom 1. August 2007 hat die Kommission der österreichischen Regierung den Eingang der Notifikation bestätigt und mitgeteilt, dass die Sechsmonatsfrist für die Prüfung gemäß Artikel 95 Absatz 6 EG-Vertrag am 30. Juni 2007, also am Tag nach dem Eingang der Notifikation, angelaufen ist.

(17)

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2007 setzte die Kommission die anderen Mitgliedstaaten über die Notifikation Österreichs in Kenntnis und räumte ihnen eine Frist von 30 Tagen zur Stellungnahme ein. Die Kommission veröffentlichte außerdem eine Bekanntmachung der Notifizierung im Amtsblatt der Europäischen Union  (2), um betroffene Dritte über die österreichischen Rechtsvorschriften und die Gründe für ihre beabsichtigte Beibehaltung zu informieren.

II.   WÜRDIGUNG

1.   PRÜFUNG DER ZULÄSSIGKEIT

(18)

Die Notifikation ist nach Maßgabe von Artikel 95 Absätze 4 und 5 EG-Vertrag und gemäß der Verordnung (EG) Nr. 842/2006 geprüft worden.

(19)

Artikel 95 Absatz 4 EGV betrifft Fälle, in denen es ein Mitgliedstaat nach dem Erlass einer Harmonisierungsmaßnahme für notwendig hält, einzelstaatliche Rechtsvorschriften, die durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 30 oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt sind, beizubehalten.

(20)

Da die im Jahr 2002 erlassenen Vorschriften dann jedoch im Jahr 2007 geändert worden sind, ist zu prüfen, ob Artikel 95 Absatz 5 EGV auf diejenigen Bestimmungen der Ministerialverordnung Anwendung findet, die nach Annahme der Verordnung (EG) Nr. 842/2006 geändert wurden. Für den Fall, dass die Änderungsvorschriften den wesentlichen Gehalt der vor dem Zeitpunkt des Harmonisierungsrechtsaktes bereits erlassenen Vorschriften ändern, hätten die ändernden Bestimmungen vor ihrem Erlass der Kommission notifiziert und mit einem spezifischen Problem für diesen Mitgliedstaat, das sich nach Annahme der Harmonisierungsmaßnahme ergibt, anhand von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen gerechtfertigt werden müssen.

(21)

Die Prüfung des ändernden Rechtsaktes hat zu dem Schluss geführt, dass die 2007 vorgenommenen Änderungen dazu dienen, entweder Bestimmungen zu streichen (Nrn. 10 und 12 der ändernden Ministerialverordnung), den Anwendungsbereich von Bestimmungen auf speziellere Produkte und Verwendungen ohne neue Zusatzanforderungen einzugrenzen (Nrn. 1, 3 und 10 der ändernden Ministerialverordnung) oder aber zusätzliche Möglichkeiten für eine Ausnahmegenehmigung von den durch die Ministerialverordnung von 2002 auferlegten Beschränkungen zu eröffnen (Nrn. 6 und 7 der ändernden Ministerialverordnung). Darüber hinaus wurden Bezugnahmen auf die Verordnung (EG) Nr. 842/2006 sowie Anforderungen aufgenommen, die ausdrücklich den Harmonisierungsmaßnahmen Rechnung tragen (Nrn. 1, 8 und 9 der ändernden Ministerialverordnung).

(22)

Es wurden keine Änderungsvorschriften angetroffen, durch die die vor Annahme des Harmonisierungsrechtsaktes bereits erlassenen Vorschriften ihrem wesentlichen Gehalt nach so geändert werden, dass dies zusätzliche Beschränkungen mit sich bringt. Die vorstehende Änderung umfasste somit keine neuen Maßnahmen, die gegenüber der Verordnung (EG) Nr. 842/2006 als strenger zu betrachten sind, sondern es wurden die Auswirkungen der einzelstaatlichen Maßnahmen auf den Binnenmarkt verringert. Folglich ist es angezeigt, für die Beurteilung aller Bestimmungen der Ministerialverordnung, einschließlich der im Jahr 2007 geänderten, Artikel 95 Absatz 4 EG-Vertrag zugrunde zu legen.

(23)

Die österreichische Ministerialverordnung enthält allerdings weiterhin strengere Vorschriften als die Verordnung (EG) Nr. 842/2006, denn sie sieht nach dem 1. Januar 2006 ein Einfuhr-, Verkaufs- und Verwendungsverbot für F-Gase enthaltende neue Erzeugnisse sowie ebenfalls nach dem 1. Januar 2006 ein Einfuhr-, Verkaufs- und Verwendungsverbot für neue und rückgewonnene F-Gase vor, während die EG-Verordnung ein weniger restriktives Vermarktungsverbot enthält, insofern als dieses sich nur auf die in ihrem Anhang II genannten Erzeugnisse bezieht. Ferner sieht die EG-Verordnung Verwendungsbeschränkungen nur für SF6 vor, wohingegen die österreichische Maßnahme auch die Verwendung von HFKW und FKW einschränkt. Insofern als die Ministerialverordnung in Bezug auf das Inverkehrsetzen und die Verwendungsbeschränkungen weiter geht, ist sie strenger als die derzeit auf Gemeinschaftsebene bestehenden Rechtsvorschriften.

(24)

Die Republik Österreich argumentiert, dass ihre strengeren Rechtsvorschriften unerlässlich sind, damit das Land seine Verpflichtungen gemäß dem Kyoto-Protokoll erfüllen kann, nämlich die Reduzierung seiner gesamten Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2012 um 13 % im Vergleich zum Stand von 1990, was offenkundig konzertierte Bemühungen erfordert, um jede Quelle von Treibhausgasemissionen angehen zu können.

(25)

Für die Prüfung der Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag werden dessen Artikel 95 Absätze 4 und 6 zugrunde gelegt und die Verordnung (EG) Nr. 842/2006 herangezogen. Gemäß Artikel 95 Absatz 4 EGV müssen die notifizierten einzelstaatlichen Vorschriften zusammen mit einer Darlegung der Begründung für ihre Beibehaltung übermittelt werden, die sich auf ein oder mehrere wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 30 oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz zu stützen hat.

(26)

Angesichts der vorstehenden Anforderungen ist die Kommission der Auffassung, dass der von der Republik Österreich gestellte Antrag auf Genehmigung der Beibehaltung seiner einzelstaatlichen Vorschriften für bestimmte industrielle Treibhausgase gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG-Vertrag zulässig ist.

2.   SACHLICHE BEURTEILUNG

(27)

Gemäß Artikel 95 Absatz 4 und Absatz 6 Unterabsatz 1 EG-Vertrag muss die Kommission sicherstellen, dass alle in diesem Artikel vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind, die es einem Mitgliedstaat ermöglichen, seine einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in Abweichung von einer Harmonisierungsmaßnahme der Gemeinschaft beizubehalten. Die einzelstaatlichen Vorschriften müssen insbesondere durch wichtige Erfordernisse im Sinne von Artikel 30 EG-Vertrag oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt sein, dürfen nicht ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen Mitgliedstaaten darstellen oder das Funktionieren des Binnenmarktes auf unangemessene oder unnötige Weise behindern.

2.1.   BEWEISLAST

(28)

Bei der Prüfung, ob die gemäß Artikel 95 Absatz 4 EGV notifizierten einzelstaatlichen Vorschriften gerechtfertigt sind, stützt sich die Kommission auf die von dem betreffenden Mitgliedstaat zugeleitete Begründung; d. h. der Nachweis für die Rechtfertigung der einzelstaatlichen Vorschriften obliegt nach den Bestimmungen des EG-Vertrags dem Mitgliedstaat, der die Beibehaltung dieser Vorschriften beantragt.

2.2.   RECHTFERTIGUNG DURCH WICHTIGE ERFORDERNISSE GEMÄSS ARTIKEL 30 EG-VERTRAG ODER DURCH GRÜNDE IM ZUSAMMENHANG MIT DEM SCHUTZ DER UMWELT ODER DER ARBEITSUMWELT

2.2.1.   Standpunkt Österreichs

(29)

Als Begründung für die Beibehaltung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften verweisen die österreichischen Behörden auf die Verpflichtungen der Republik Österreich im Rahmen des Kyoto-Protokolls. Der Erlass der Verordnung war ein Beitrag zur Erfüllung der Verpflichtung, bis zum Jahr 2012 die Treibhausgasemissionen Österreichs gegenüber dem Stand von 1990 um 13 % zu senken, was einer Höchstemissionsmenge von 67 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent entspricht.

(30)

Österreich hat eine vom Mai 2006 stammende Review-Studie „Überprüfung des Standes der Technik in ausgewählten Anwendungsbereichen fluorierter treibhauswirksamer Gase“ vorgelegt. Aus der Studie geht hervor, dass die unter die Ministerialverordnung fallenden F-Gase im Jahr 2003 mehr als 2 % der Treibhausgasemissionen Österreichs ausmachten und dass bis etwa 2010 eine Verdopplung erwartet wird. Die Ministerialverordnung bildet daher einen integralen Bestandteil der nationalen Klimaschutzstrategie.

(31)

Die österreichische Regierung vertritt die Ansicht, dass der Sinn der Ministerialverordnung darin liegt, die Umwelt zu schützen, und dass sie zur Vermeidung und Reduzierung von Emissionen fluorierter Gase notwendig und angemessen ist. Daher sei sie mit dem Vertrag vereinbar.

2.2.2.   Beurteilung des Standpunkts Österreichs

(32)

Nach Prüfung der von Österreich übermittelten Informationen gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass der Antrag auf Beibehaltung von einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, die strenger sind als die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 842/2006, aus den nachstehend dargelegten Gründen — und zwar insbesondere weil die einzelstaatlichen Vorschriften inzwischen stärker an die genannte Verordnung angeglichen worden sind — als mit dem EG-Vertrag vereinbar angesehen werden kann.

(33)

Gegen die Ministerialverordnung Nr. 447/2002 hatte die Kommission bereits im Jahr 2004, d. h. noch vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 842/2006, ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. In ihrem Aufforderungsschreiben an Österreich wies die Kommission darauf hin, dass das Verbot der Verwendung von HFKW in Kälte- und Klimaanlagen als unverhältnismäßig angesehen werden könnte, da es sich hierbei um geschlossene Systeme handelt und es daher möglich ist, die Freisetzung von HFKW auf ein Minimum zu beschränken, solange ordnungsgemäßes Funktionieren, Instandhaltung und Recycling sichergestellt sind.

(34)

Das Vertragsverletzungsverfahren stützte sich auf die Artikel 28 bis 30 des EG-Vertrags. Nach Erlass der Verordnung (EG) Nr. 842/2006 und nachdem Österreich gemäß deren Artikel 9 Absatz 3 strengere einzelstaatliche Vorschriften notifiziert hatte, wurde das genannte Verfahren eingestellt.

(35)

Im Aufforderungsschreiben hatte die Kommission die Einschätzung geäußert, dass die österreichischen Vorschriften einen Verstoß gegen Artikel 28 EGV aus folgenden Gründen darstellen könnten: Erstens erschien das Verwendungsverbot für HFKW als Kälte- und Kühlmittel weder notwendig noch verhältnismäßig, um im Interesse des Umweltschutzes eine angemessene Reduzierung der Freisetzung von Treibhausgasen durch wirksame und vertretbare Mittel zu erreichen. Zweitens war die Kommission hinsichtlich der Verwendung von HFKW als Löschmittel der Ansicht, dass der in der Ministerialverordnung ursprünglich festgelegte GWP-Grenzwert eine willkürliche Diskriminierung von Produkten aus anderen Mitgliedstaaten bilden könnte.

(36)

Diese Bedenken sind mit der Änderungsverordnung Nr. 139/2007 ausgeräumt worden. Dabei hat die im Jahr 2007 vorgenommene Änderung der ursprünglichen Ministerialverordnung zur Aufhebung oder Lockerung einiger Verbote geführt, so dass die notifizierten Vorschriften das Funktionieren des Binnenmarktes im Sinne der Anforderungen von Artikel 95 Absatz 6 EG-Vertrag nicht behindern.

(37)

Bezüglich der Verwendung von HFKW in Kälte- und Klimaanlagen gilt das überarbeitete Verbot nicht mehr für folgende Zwecke: Kühleinrichtungen für Hochleistungs-Computer, unabhängig von der Kältemittel-Füllmenge; Geräte mit einer Kältemittelfüllung zwischen 150 g und höchstens 20 kg; Einzelanlagen mit einer Kältemittelfüllung bis zu 20 kg; Kompakt-Anlagen, bei denen die Kältemittel-Füllmenge einen Wert von 0,5 kg je kW Kälteleistung nicht überschreitet; sowie ortsfeste Anlagen mit verzweigtem Rohrleitungssystem und einer Kältemittel-Füllmenge bis zu 100 kg. Von dem Verbot sind die meisten Kälte- und Klimaanlagen somit ausgenommen. Diese Änderungen berücksichtigen die Ergebnisse der bei der Kommission vorgelegten Review-Studie vom Mai 2006. Im Zuge der Überarbeitung wurde auch das Verwendungsverbot für HFKW als Löschmittel aufgehoben.

2.2.2.1.   Umweltaspekt

(38)

Im Rahmen des Kyoto-Protokolls hat sich die Gemeinschaft verpflichtet, die kumulierten Treibhausgasemissionen der Mitgliedstaaten im Zeitraum 2008—2012 um mindestens 8 % unter den Stand von 1990 zu senken. Bei den anschließenden Diskussionen innerhalb der Gemeinschaft hat die Republik Österreich die Verpflichtung übernommen, ihre Treibhausgasemissionen in diesem Zeitraum um insgesamt 13 % zu verringern (3).

(39)

Die Ministerialverordnung ist Teil einer breiter angelegten Strategie Österreichs, mit der das im Rahmen des Kyoto-Protokolls und der anschließend auf Gemeinschaftsebene getroffenen Lastenteilungsvereinbarung gesteckte Emissionsreduktionsziel erreicht werden soll.

(40)

Diese Klimaschutzstrategie erstreckt sich auf sämtliche Quellen der unter das Kyoto-Protokoll fallenden Treibhausgasemissionen. Maßnahmen für F-Gase sind daher Bestandteil der Gesamtanstrengung zur Erfüllung der genannten Verpflichtungen. Falls keine weitere Regulierung stattfindet, werden sich die F-Gasemissionen angesichts der zunehmenden Verwendung von Kühlsystemen bis 2010 schätzungsweise verdoppeln, u. a. auch infolge des derzeitigen Auslaufens von HFCKW zu Kühlungszwecken im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 2037/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen (4).

(41)

Die Kommission ist daher der Auffassung, dass die von der Republik Österreich angeführten Umweltargumente, die namentlich auf die Reduzierung und Vermeidung von Emissionen fluorierter Gase abheben, stichhaltig sind.

2.2.2.2.   Zweckdienlichkeit und Verhältnismäßigkeit der österreichischen Ministerialverordnung, gemessen am Ziel der weiteren Reduzierung fluorierter Treibhausgase

(42)

Zur weiteren Reduzierung und Vermeidung von Emissionen fluorierter Gase hatte Österreich bereits 2002 beschlossen, das Inverkehrbringen neuer Geräte und Anlagen auf der Grundlage von Untersuchungen hinsichtlich der Existenz und Verfügbarkeit F-gasfreier Alternativen selektiv zu verbieten. Die einzelstaatlichen Vorschriften sind sodann im Jahr 2006 überarbeitet worden, um neuen wissenschaftlich-technologischen Erkenntnissen und Entwicklungen ebenso wie den von der Kommission geäußerten Bedenken bezüglich der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen Rechnung zu tragen.

(43)

Außerdem sei darauf hingewiesen, dass Artikel 9 Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 842/2006 die Beibehaltung strengerer einzelstaatlicher Vorschriften nur bis zum 31. Dezember 2012 gestattet. Daraus folgt, dass die Ministerialverordnung, nicht zuletzt weil die Republik Österreich in ihrer Notifikation auf diesen Artikel der EG-Verordnung Bezug genommen hat, von begrenzter Geltungsdauer ist.

(44)

Die Ministerialverordnung ermöglicht, dass ggf. Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, sofern sich erweist, dass für den Einsatz von HFKW in Schaumstoffen und schaumstoffhaltigen Produkten keine Alternativen verfügbar sind. Darüber hinaus sind die möglichen Ausnahmegenehmigungen um die HFKW-Verwendung bei neuartigen Aerosolen, die zur Ausfuhr bestimmt sind, erweitert worden.

(45)

Obgleich sich die Ministerialverordnung auf den freien Warenverkehr in der Gemeinschaft auswirkt, gelangt die Kommission nach der vorstehenden Analyse zu dem Schluss, dass die Ministerialverordnung aus umweltpolitischer Sicht gerechtfertigt ist und zugleich den Auswirkungen der vorgesehenen Verbote auf das Funktionieren des Binnenmarktes Rechnung trägt, insbesondere da sie sich auf eine Untersuchung der Existenz und Verfügbarkeit von Alternativen unter den spezifischen Gegebenheiten in Österreich stützt und zudem die Möglichkeit bietet, in Einzelfällen Ausnahmegenehmigungen zu gewähren.

2.3.   KEINE WILLKÜRLICHE DISKRIMINIERUNG BZW. VERSCHLEIERTE BESCHRÄNKUNG DES HANDELS ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN

(46)

Gemäß Artikel 95 Absatz 6 EG-Vertrag billigt die Kommission die einzelstaatlichen Vorschriften oder lehnt sie ab, nachdem sie geprüft hat, ob sie ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung und eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.

(47)

Es sei daran erinnert, dass Anträge gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG-Vertrag unter den Bedingungen sowohl von Absatz 4 als auch von Absatz 6 dieses Artikels geprüft werden müssen. Ist eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, so ist der Antrag abzulehnen, ohne dass die Erfüllung der anderen Bedingungen überprüft werden muss.

(48)

Die notifizierten einzelstaatlichen Vorschriften sind allgemeiner Art und betreffen sowohl einheimische als auch eingeführte Erzeugnisse. Nachdem die einzelstaatlichen Bestimmungen über die HFKW-Verwendung mit der Verordnung (EG) Nr. 842/2006 in Einklang gebracht worden sind, gibt es kein Anzeichen dafür, dass die notifizierten Vorschriften als Mittel zur willkürlichen Diskriminierung zwischen Wirtschaftsteilnehmern in der Gemeinschaft missbraucht werden könnten.

(49)

Hinsichtlich der Beschränkungen für den Bezug aus anderen EWR-Staaten, einschließlich der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, gilt es als klargestellt, dass diese Vorschriften innerhalb des Anwendungsbereichs der Maßnahmen die Gleichbehandlung aller Stoffe oder Produkte unabhängig von ihrem Ursprung gewährleisten sollen, ob sie nun aus einheimischer Herstellung stammen, eingeführt oder auf dem Binnenmarkt erworben wurden. Waren, die von außerhalb des EWR eingeführt werden, unterliegen den Vorschriften über das Inverkehrbringen. Dasselbe gilt auch für Waren, die aus einem EWR-Staat bezogen werden, der kein EU-Mitgliedstaat ist, wobei für diese Waren in den Vorschriften zwei unterschiedliche Regelungselemente zum Tragen kommen, da es sich bei dem Rechtsgeschäft gleichzeitig sowohl um das Inverkehrbringen als auch um den Bezug aus einem EWR-Staat handelt. Dies dürfte jedoch nicht zu einer diskriminierenden Behandlung der betreffenden Waren führen.

(50)

Ziel der Ministerialverordnung ist der Umweltschutz, und es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie von ihrer Zielsetzung her oder im Zuge ihrer Umsetzung einer willkürlichen Diskriminierung und verschleierten Beschränkung des Handels Vorschub leistet.

(51)

Nach Ansicht der Kommission deutet nichts darauf hin, dass die von den österreichischen Behörden notifizierten einzelstaatlichen Vorschriften das Funktionieren des Binnenmarkts in unverhältnismäßiger Weise behindern.

III.   SCHLUSSFOLGERUNG

(52)

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist die Kommission der Auffassung, dass der Antrag der Republik Österreich vom 29. Juni 2007, in Bezug auf das Inverkehrbringen von Erzeugnissen und Einrichtungen, die F-Gase enthalten oder zu ihrem Funktionieren benötigen, einzelstaatliche Rechtsvorschriften, die strenger sind als die Regelung der Verordnung (EG) Nr. 842/2006, bis zum 31. Dezember 2012 beizubehalten, zulässig ist.

(53)

Die Kommission stellt darüber hinaus fest, dass die im Jahr 2002 erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften in ihrer 2007 geänderten Fassung

Umweltschutzerfordernissen gerecht werden,

der Existenz sowie der technischen und wirtschaftlichen Verfügbarkeit von Alternativen zu in Österreich verbotenen Anwendungen Rechnung tragen und wahrscheinlich nur unerhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben,

kein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung darstellen,

keine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen und

folglich mit dem Vertrag vereinbar sind.

Die Kommission ist daher der Auffassung, dass die Vorschriften beibehalten werden können.

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die in § 8 Abs. 2 der Ministerialverordnung vorgesehenen Ausnahmegenehmigungen nach dem 4. Juli 2008 nicht mehr für Einkomponentenschäume gemäß Artikel 9 Absatz 1 und Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 842/2006 gewährt werden dürfen, außer wenn dies zur Einhaltung einzelstaatlicher Sicherheitsnormen erforderlich ist —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die der Kommission von der Republik Österreich mit Schreiben vom 29. Juni 2007 notifizierten einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für bestimmte fluorierte Treibhausgase, die in Bezug auf das Inverkehrbringen von Erzeugnissen und Einrichtungen, die F-Gase enthalten oder zu ihrem Funktionieren benötigen, strenger sind als die diesbezüglichen Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 842/2006, werden hiermit genehmigt. Die Republik Österreich wird ermächtigt, die genannten Vorschriften bis 31. Dezember 2012 beizubehalten.

Artikel 2

Diese Entscheidung ist an die Republik Österreich gerichtet.

Brüssel, den 21. Dezember 2007

Für die Kommission

Stavros DIMAS

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 161 vom 14.6.2006, S. 1.

(2)  ABl. C 245 vom 19.10.2007, S. 4.

(3)  Entscheidung 2002/358/EG des Rates vom 25. April 2002 über die Genehmigung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft sowie die gemeinsame Erfüllung der daraus erwachsenden Verpflichtungen (ABl. L 130 vom 15.5.2002, S. 1).

(4)  ABl. L 244 vom 29.9.2000, S. 1. Verordnung zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 899/2007 der Kommission (ABl. L 196 vom 28.7.2007, S. 24).


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