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Document 62013CJ0161

    Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 8. Mai 2014.
    Idrodinamica Spurgo Velox srl u. a. gegen Acquedotto Pugliese SpA.
    Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale per la Puglia.
    Öffentliche Aufträge – Wassersektor – Richtlinie 92/13/EWG – Verfahren einer wirksamen und raschen Nachprüfung – Nachprüfungsfristen – Zeitpunkt, zu dem diese Fristen beginnen.
    Rechtssache C‑161/13.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2014:307

    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

    8. Mai 2014 ( *1 )

    „Öffentliche Aufträge — Wassersektor — Richtlinie 92/13/EWG — Verfahren einer wirksamen und raschen Nachprüfung — Nachprüfungsfristen — Zeitpunkt, zu dem diese Fristen beginnen“

    In der Rechtssache C‑161/13

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Puglia (Italien) mit Entscheidung vom 19. Dezember 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 29. März 2013, in dem Verfahren

    Idrodinamica Spurgo Velox srl,

    Giovanni Putignano e figli srl,

    Cogeir srl,

    Splendor Sud srl,

    Sceap srl

    gegen

    Acquedotto Pugliese SpA,

    Beteiligte:

    Tundo srl,

    Giovanni XXIII Soc. coop. arl,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, des Vizepräsidenten K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Fünften Kammer sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), A. Rosas und D. Šváby,

    Generalanwältin: J. Kokott,

    Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2014,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der Idrodinamica Spurgo Velox srl, vertreten durch L. Quinto und P. Quinto, avvocati,

    der Acquedotto Pugliese SpA, vertreten durch E. Sticchi Damiani, M. Todino und G. Martellino, avvocati,

    der Giovanni XXIII Soc. coop. arl, vertreten durch C. Rella und R. Rella, avvocati,

    der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von C. Colelli, avvocato dello Stato,

    der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Pignataro‑Nolin und A. Tokár als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 1, 2a, 2c und 2f der Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 76, S. 14) in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 (ABl. L 335, S. 31) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 92/13).

    2

    Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Idrodinamica Spurgo Velox srl (im Folgenden: Idrodinamica) und vier weiteren Klägerinnen einerseits und der Auftraggeberin Acquedotto Pugliese SpA (im Folgenden: Acquedotto Pugliese) andererseits über die Rechtmäßigkeit eines Verfahrens zur Vergabe eines Auftrags, den Letztere an die Arbeitsgemeinschaft unter der Führung der Giovanni XXIII Soc. coop. arl (im Folgenden: Cooperativa Giovanni XXIII) vergeben hatte.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    3

    Der im Ausgangsverfahren fragliche Auftrag, der Tätigkeiten im Wassersektor betrifft, unterliegt den Bestimmungen der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. L 134, S. 1), die gemeinhin „Sektorenrichtlinie“ genannt wird.

    4

    In den Erwägungsgründen 3, 5 und 6 der Richtlinie 92/13 heißt es:

    „Der Umstand, dass keine wirksamen oder nur unzulängliche Nachprüfungsverfahren bestehen, könnte die Unternehmen der Gemeinschaft davon abhalten, Angebote abzugeben. Deshalb müssen die Mitgliedstaaten Abhilfe schaffen.

    Die Öffnung des Auftragswesens in den genannten Sektoren für den gemeinschaftsweiten Wettbewerb erfordert Maßnahmen, damit den Lieferanten oder Unternehmen im Falle von Verstößen gegen das einschlägige Gemeinschaftsrecht oder die zur Umsetzung dieses Rechts erlassenen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften angemessene Nachprüfungsverfahren zur Verfügung stehen.

    Es ist notwendig, eine beträchtliche Verstärkung der Garantien im Bereich der Transparenz und der Nichtdiskriminierung vorzunehmen. Um eine spürbare Wirkung zu erzielen, müssen Möglichkeiten einer wirksamen und raschen Nachprüfung bestehen.“

    5

    Art. 1 („Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren“) der Richtlinie 92/13 bestimmt in den Abs. 1 und 3:

    „(1)   Diese Richtlinie gilt für Aufträge im Sinne der Richtlinie [2004/17] …

    Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinie [2004/17] fallenden Aufträge die Entscheidungen der Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der Artikel 2 bis 2f der vorliegenden Richtlinie auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.

    (3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.“

    6

    Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 92/13 bestimmt:

    „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die in Artikel 1 genannten Nachprüfungsverfahren die erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden, damit

    entweder

    a)

    so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Rechtsverstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern; dazu gehören Maßnahmen, um das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags auszusetzen oder die Aussetzung zu veranlassen;

    b)

    die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich der Streichung diskriminierender technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Spezifikationen in der Vergabebekanntmachung, in der regelmäßigen Bekanntmachung, in der Bekanntmachung eines Qualifikationssystems, in der Aufforderung zur Angebotsabgabe, in den Verdingungsunterlagen oder in jedem sonstigen sich auf das betreffende Vergabeverfahren beziehenden Dokument vorgenommen oder veranlasst werden kann;

    oder

    c)

    so schnell wie möglich – möglichst im Wege der einstweiligen Verfügung oder falls erforderlich im endgültigen Verfahren zur Sache – andere als die unter den Buchstaben a) und b) vorgesehenen Maßnahmen ergriffen werden können, um den festgestellten Rechtsverstoß zu beseitigen und Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern, insbesondere damit eine Aufforderung zur Zahlung eines Geldbetrags in bestimmter Höhe für den Fall ergehen kann, dass der Rechtsverstoß nicht beseitigt oder verhindert wird.

    Die Mitgliedstaaten können diese Wahl entweder für alle Auftraggeber oder anhand von objektiven Kriterien für bestimmte Kategorien von Auftraggebern treffen, wobei in jedem Fall die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Verhinderung einer Schädigung der betreffenden Interessen gewahrt bleiben muss;

    d)

    in beiden vorgenannten Fällen denjenigen, die durch den Rechtsverstoß geschädigt worden sind, Schadenersatz zuerkannt werden kann.

    Die Mitgliedstaaten können vorschreiben, dass bei Schadenersatzansprüchen, die auf die Rechtswidrigkeit einer Entscheidung gestützt werden, diese Entscheidung zunächst aufgehoben oder für rechtswidrig erklärt worden sein muss, sofern ihr innerstaatliches Rechtssystem dies erforderlich macht und über die mit den dafür erforderlichen Befugnissen ausgestatteten Instanzen verfügt.“

    7

    Art. 2a Abs. 2 Unterabs. 4 dieser Richtlinie lautet:

    „Der Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung an jeden betroffenen Bieter und Bewerber wird Folgendes beigefügt:

    eine Zusammenfassung der einschlägigen Gründe gemäß Artikel 49 Absatz 2 der Richtlinie [2004/17] und

    eine genaue Angabe der konkreten Stillhaltefrist, die gemäß den einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieses Absatzes anzuwenden ist.“

    8

    Art. 49 („Unterrichtung der Prüfungsantragsteller, Bewerber und Bieter“) der Richtlinie 2004/17 sieht in den Abs. 1 und 2 vor:

    „(1)   Die Auftraggeber informieren die beteiligten Wirtschaftsteilnehmer schnellstmöglich, auf Antrag auch schriftlich, über ihre Entscheidungen über den Abschluss einer Rahmenvereinbarung, die Zuschlagserteilung oder die Zulassung zur Teilnahme an einem dynamischen Beschaffungssystem, einschließlich der Gründe, aus denen beschlossen wurde, auf den Abschluss einer Rahmenvereinbarung oder die Vergabe eines als Aufruf zum Wettbewerb dienenden Auftrags zu verzichten oder das Verfahren erneut einzuleiten bzw. kein dynamisches Beschaffungssystem einzurichten.

    (2)   Auf Verlangen der betroffenen Partei unterrichtet der Auftraggeber unverzüglich

    jeden nicht erfolgreichen Bewerber über die Gründe für die Ablehnung seiner Bewerbung,

    jeden nicht berücksichtigten Bieter über die Gründe für die Ablehnung seines Angebots; dazu gehört in den Fällen nach Artikel 34 Absätze 4 und 5 auch eine Unterrichtung über die Gründe für seine Entscheidung, dass keine Gleichwertigkeit vorliegt oder dass die Bauarbeiten, Lieferungen oder Dienstleistungen nicht den Leistungs- oder Funktionsanforderungen entsprechen,

    jeden Bieter, der ein ordnungsgemäßes Angebot eingereicht hat, über die Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots sowie über den Namen des Zuschlagsempfängers oder der Parteien der Rahmenvereinbarung.

    Der Beantwortungszeitraum darf eine Frist von 15 Tagen ab Eingang der schriftlichen Anfrage auf keinen Fall überschreiten.

    Die Auftraggeber können jedoch beschließen, bestimmte in Absatz 1 genannte Angaben über die Zuschlagserteilung oder den Abschluss von Rahmenvereinbarungen bzw. die Zulassung zur Teilnahme an einem dynamischen Beschaffungssystem nicht mitzuteilen, wenn die Offenlegung dieser Angaben den Gesetzesvollzug behindern, in sonstiger Weise dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen, die berechtigten geschäftlichen Interessen öffentlicher oder privater Wirtschaftsteilnehmer – einschließlich der Interessen des Wirtschaftsteilnehmers, dem der Auftrag erteilt wurde – schädigen oder den lauteren Wettbewerb zwischen ihnen beeinträchtigen würde.“

    Italienisches Recht

    9

    Das Decreto legislativo Nr. 163/2006 vom 12. April 2006 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 100 vom 2. Mai 2006) kodifiziert die auf dem Gebiet der öffentlichen Aufträge geltenden Vorschriften.

    10

    Art. 11 („Phasen der Vergabeverfahren“) dieses Decreto legislativo bestimmt:

    „(1)   Die Verfahren zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen werden unter Einhaltung der Planungsunterlagen der Auftraggeber durchgeführt, soweit sie nach diesem Gesetzbuch oder nach geltendem Recht vorgesehen sind.

    (4)   Mit den Vergabeverfahren wird das beste Angebot nach einem der Kriterien dieses Gesetzbuchs ausgewählt. Nach Abschluss des Verfahrens wird dem günstigsten Bieter der vorläufige Zuschlag erteilt.

    (5)   Nach Überprüfung der vorläufigen Zuschlagsentscheidung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 erteilt der Auftraggeber den endgültigen Zuschlag.

    (8)   Der endgültige Zuschlag wird erst wirksam, wenn festgestellt ist, dass die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

    (9)   Ist der endgültige Zuschlag wirksam geworden, wird – vorbehaltlich der Regelungen betreffend die Befugnis der Verwaltung in den gesetzlich vorgesehenen Fällen [d. h. der Befugnis der Verwaltung, ihre eigenen Handlungen zurückzunehmen, auszusetzen oder zu ändern] – innerhalb einer Frist von 60 Tagen der öffentliche Auftrag vergeben oder der Konzessionsvertrag geschlossen, wenn keine andere Frist der Bekanntmachung oder der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots vorgesehen oder mit dem erfolgreichen Bieter vereinbart worden ist. …

    (10)   Der Vertrag kann frühestens 35 Tage nach dem Versand der letzten Mitteilung der endgültigen Zuschlagsentscheidung im Sinne von Art. 79 geschlossen werden.

    …“

    11

    Die einschlägigen Bestimmungen von Art. 79 des Decreto legislativo fasst das vorlegende Gericht wie folgt zusammen:

    Nach Abs. 5 teilt der Auftraggeber von Amts wegen allen zugelassenen Bewerbern binnen einer Frist von höchstens fünf Tagen die endgültige Zuschlagsentscheidung und den Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem erfolgreichen Bieter mit.

    Gemäß Abs. 5 bis sind dieser Mitteilung die Zuschlagsentscheidung und die entsprechende Begründung beizufügen, die mindestens die Merkmale und die Vorteile des ausgewählten Angebots sowie den Namen des erfolgreichen Bieters enthalten müssen, wobei der Auftraggeber dieser Verpflichtung auch durch die Übermittlung der Vergabeprotokolle an die Bewerber nachkommen kann.

    Nach Abs. 5 quater ist den Bietern der sofortige Zugang zu den Verfahrensunterlagen durch Einsichtnahme oder Übermittlung einer Kopie binnen zehn Tagen ab dem Versand der Mitteilung über das Ergebnis des Vergabeverfahrens zu gewähren, ohne dass es hierfür eines schriftlichen Antrags bedürfte. Hiervon unberührt bleibt die Ausübung der Befugnis des Auftraggebers, in den gesetzlich vorgesehenen Fällen den Zugang zu verweigern oder aufzuschieben.

    12

    Gemäß Art. 120 des Decreto legislativo Nr. 104/2010 vom 2. Juli 2010 zur Einführung des Codice del processo amministrativo [Verwaltungsprozessordnung] (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 156 vom 7. Juli 2010) können Handlungen in Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge nur binnen einer Frist von 30 Tagen ab dem Zugang der Mitteilung nach Art. 79 des Decreto legislativo Nr. 163/2006 angefochten werden.

    13

    Nach Art. 43 des Decreto legislativo Nr. 104/2010 können Entscheidungen, die der Auftraggeber erlässt, nachdem ein Bewerber eine Klage gegen die endgültige Auftragsvergabe erhoben hat, im Rahmen desselben Verfahrens durch Erhebung einer als „Rechtsbehelf aufgrund des Vorbringens neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel“ bezeichneten Klage angefochten werden. Hierfür gilt die in Art. 120 dieses Decreto legislativo vorgesehene Frist von 30 Tagen.

    14

    Nach ständiger Rechtsprechung der italienischen Verwaltungsgerichte ist die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung nach Art. 79 Abs. 5 des Decreto legislativo Nr. 163/2006 eine hinreichende Voraussetzung, um von einer vollständigen Kenntnis von der belastenden Maßnahme auszugehen, und genügt, um die Ausschlussfrist in Lauf zu setzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob dem betroffenen Unternehmen die internen Dokumente des Vergabeverfahrens ganz oder teilweise unbekannt sind. Diese Mitteilung begründet die Verpflichtung des betroffenen Unternehmens, binnen einer Frist von 30 Tagen unmittelbar das Ergebnis des Vergabeverfahrens anzufechten. Die Möglichkeit für das Unternehmen, später zusätzliche Angriffsmittel im Zusammenhang mit etwaigen Unregelmäßigkeiten, die erst später erkannt werden konnten, geltend zu machen, bleibt hiervon unberührt. Zum selben Schluss kommt die Rechtsprechung in Bezug auf Fälle, in denen der Auftraggeber eine endgültige Zuschlagsentscheidung erlässt und deren Wirksamkeit von der aufschiebenden Bedingung abhängig macht, dass das Unternehmen, das den Auftrag erhält, die allgemeinen und besonderen Anforderungen erfüllt, wobei auch in diesem Fall ergänzende Angriffsmittel zur Begründung der Klage, die binnen der Frist von 30 Tagen zu erheben ist, geltend gemacht werden können.

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    15

    Acquedotto Pugliese ist eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, die vollständig von der Regione Puglia (Region Apulien), der alleinigen Anteilseignerin, kontrolliert wird. Sie stellt den Betrieb des Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsnetzes sowie die integrierte Bewirtschaftung der Wasserressourcen in der Region Apulien und bestimmter Orte der Nachbarregionen sicher. Gemäß Anhang VI‑C des Decreto legislativo Nr. 163/2006 handelt es sich bei Acquedotto Pugliese um einen im Bereich der Trinkwassergewinnung, ‑beförderung und ‑verteilung tätigen Auftraggeber, der verpflichtet ist, die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2004/17 einzuhalten.

    16

    Mit Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 15. März 2011 leitete Acquedotto Pugliese ein offenes Ausschreibungsverfahren im Hinblick auf die Vergabe eines Auftrags für einen Zeitraum von vier Jahren ein, der die Behandlung von Abwasser, planmäßige und außerplanmäßige Wartungsarbeiten an den Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsnetzen sowie Arbeiten zur Verlegung von Wasseranschlüssen und ‑leitungen in Orten eines näher bezeichneten Gebiets betraf. Der Wert des Auftrags, der an den Anbieter mit dem niedrigsten Gebot zu vergeben war, betrug 17615739,07 Euro.

    17

    Nach öffentlichen Sitzungen vom 17. und 30. Mai 2011 stand fest, dass die Arbeitsgemeinschaft unter der Führung der Cooperativa Giovanni XXIII das günstigste Angebot eingereicht hatte, und sie wurde auf den ersten Platz gesetzt. Die Arbeitsgemeinschaft unter der Führung der Tundo srl (im Folgenden: Tundo) wurde auf den zweiten und die Arbeitsgemeinschaft unter der Führung von Idrodinamica wurde auf den dritten Platz gesetzt. Daher erteilte die Auftraggeberin mit Entscheidung vom 7. Juni 2011 der Arbeitsgemeinschaft unter der Führung der Cooperativa Giovanni XXIII den endgültigen Zuschlag. Die Mitteilung dieser Entscheidung erfolgte am 6. Juli 2011.

    18

    Diese Entscheidung sah auch vor, dass bis zum Abschluss des Vertrags die vorzeitige Ausführung des Auftrags erlaubt sei, dass der endgültige Zuschlag erst wirksam werde, wenn überprüft worden sei, ob jedes einzelne der an der erstplatzierten und an der zweitplatzierten Arbeitsgemeinschaft beteiligten Unternehmen die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen erfülle, und dass alle Bieter von der Auftragsvergabe zu unterrichten seien.

    19

    Noch vor dem Abschluss des Vertrags informierte die inzwischen mit notarieller Urkunde vom 4. Oktober 2011 gegründete erfolgreiche Arbeitsgemeinschaft die Auftraggeberin mit Schreiben vom 28. Februar 2012 darüber, dass eines der ursprünglich an der Arbeitsgemeinschaft beteiligten Unternehmen ausgeschieden sei, dass sie jedoch beabsichtige, den Auftrag auszuführen, und dass sie trotz ihrer kleineren Besetzung, nun bestehend aus dem führenden und zwei weiteren Unternehmen, in der Lage sei, die in der Bekanntmachung der Ausschreibung angegebenen technischen und wirtschaftlichen Anforderungen zu erfüllen.

    20

    Mit Entscheidung vom 28. März 2012 genehmigte Acquedotto Pugliese dieses Ausscheiden. Der Vertrag wurde am 17. April 2012 mit der Arbeitsgemeinschaft unter der Führung der Cooperativa Giovanni XXIII in ihrer neuen, kleineren Besetzung geschlossen.

    21

    Idrodinamica erhob gegen die Handlungen im betreffenden Vergabeverfahren eine Klage, die am 17. Mai 2012 zugestellt wurde. Sie beantragte insbesondere die Aufhebung der Entscheidung vom 28. März 2012, mit der die Änderung der Zusammensetzung der Arbeitsgemeinschaft genehmigt worden war, die Aufhebung des am 17. April 2012 geschlossenen Vertrags und die Aufhebung der endgültigen Zuschlagsentscheidung vom 7. Juni 2011. Sie macht geltend, das Verfahren sei rechtswidrig, weil die Auftraggeberin die Änderung der Zusammensetzung der erfolgreichen Arbeitsgruppe genehmigt und die zweitplatzierte Arbeitsgemeinschaft unter der Führung von Tundo nicht vom Verfahren ausgeschlossen habe, obwohl der gesetzliche Vertreter eines an dieser Arbeitsgruppe beteiligten Unternehmens wahrheitswidrig erklärt habe, er sei noch nie strafrechtlich verurteilt worden.

    22

    Das vorlegende Gericht stellt fest, dass die Klage von Idrodinamica nach nationalem Recht und nationaler Rechtsprechung als unzulässig abgewiesen werden müsste, weil sie deutlich nach Ablauf der Ausschlussfrist von 30 Tagen ab der Mitteilung der Entscheidung über die Vergabe des im Ausgangsverfahren fraglichen Auftrags erhoben worden sei. Der Gerichtshof habe jedoch in Rn. 40 des Urteils Uniplex (UK) (C‑406/08, EU:C:2010:45) entschieden, dass das mit den Vorschriften über den Rechtsschutz bei Vergabeverfahren verfolgte Ziel der zügigen Behandlung es den Mitgliedstaaten nicht erlaube, den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes außer Acht zu lassen, wonach die Anwendungsmodalitäten der nationalen Ausschlussfristen die Ausübung der Rechte, die den Betroffenen vom Unionsrecht verliehen seien, nicht unmöglich machen oder erschweren dürften.

    23

    Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die fraglichen nationalen Rechtsvorschriften mit diesem Effektivitätsgrundsatz vereinbar sind, da die in der Mitteilung der Entscheidung über die endgültige Auftragsvergabe enthaltenen Angaben nicht immer ausreichten, um die abgelehnten Bewerber und Bieter über die Dokumente und die tatsächlichen Umstände in Kenntnis zu setzen, die für die Entscheidung über die Erhebung einer Klage maßgeblich seien. Dies gelte insbesondere dann, wenn nach dem förmlichen Erlass einer endgültigen Zuschlagsentscheidung ein Verfahrensfehler aufgetreten sein sollte.

    24

    Zudem scheine die Verfahrensvorschrift, wonach die Betroffenen die Entscheidung über die Auftragsvergabe binnen einer Ausschlussfrist von 30 Tagen anfechten müssten, auch wenn die Möglichkeit, auf später eingetretene Handlungen und Umstände gestützte ergänzende Angriffsmittel geltend zu machen, unberührt bleibe, mit dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes unvereinbar zu sein. Der Kläger müsse nämlich sowohl bei Klageerhebung als auch bei Geltendmachung neuer Klagegründe Honorare des Anwalts und der von den Parteien beauftragten Sachverständigen sowie den Prozesskostenvorschuss im Voraus bezahlen.

    25

    Das vorlegende Gericht wirft daher die Frage auf, ob die einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts dahin ausgelegt werden können, dass die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehene Ausschlussfrist statt zum Zeitpunkt der Mitteilung der endgültigen Zuschlagsentscheidung erst zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Betroffene von einer Unregelmäßigkeit tatsächlich Kenntnis erlangt oder bei Anwendung gewöhnlicher Sorgfalt hat Kenntnis erlangen können.

    26

    In Anbetracht dieser Erwägungen hat das Tribunal amministrativo regionale per la Puglia beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Sind die Art. 1, 2a, 2c und 2f der Richtlinie 92/13 dahin auszulegen, dass die Frist für einen Nachprüfungsantrag zur Feststellung eines Verstoßes gegen die Bestimmungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge von dem Zeitpunkt an zu laufen beginnt, zu dem der Antragsteller von dem Verstoß Kenntnis erlangt hat oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erlangen müssen?

    2.

    Stehen die Art. 1, 2a, 2c und 2f der Richtlinie 92/13 innerstaatlichen Verfahrensbestimmungen oder Auslegungspraktiken wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegen, nach denen das Gericht einen Nachprüfungsantrag zur Feststellung eines Verstoßes gegen die Bestimmungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge für unzulässig erklären kann, wenn der Antragsteller wegen des Verhaltens des öffentlichen Auftraggebers erst nach der förmlichen Mitteilung der wesentlichen Punkte der Entscheidung über die endgültige Zuschlagserteilung vom Verstoß Kenntnis erlangt hat?

    Zu den Vorlagefragen

    Zur Zulässigkeit

    27

    Die Cooperativa Giovanni XXIII und die italienische Regierung bezweifeln die Zulässigkeit der Fragen, da sich die Rügen von Idrodinamica gegen die Handlung der Auftraggeberin betreffend die Genehmigung der geänderten Zusammensetzung der erfolgreichen Arbeitsgemeinschaft richteten, während die endgültige Zuschlagsentscheidung nicht gerügt werde.

    28

    Eine Aufhebung dieser Handlung hätte daher lediglich zur Folge, dass der mit der erfolgreichen Arbeitsgemeinschaft in ihrer kleineren Besetzung geschlossene Vertrag wegfalle. Ihre Eigenschaft als erfolgreiche Bieterin verlöre die Arbeitsgemeinschaft dadurch aber nicht. Die Fragen des vorlegenden Gerichts stünden somit in keinem konkreten Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens.

    29

    Nach gefestigter Rechtsprechung spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof kann ein Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts nur dann zurückweisen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil Fish Legal und Shirley, C‑279/12, EU:C:2013:853, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    30

    Dies ist vorliegend nicht der Fall, und die von der Cooperativa Giovanni XXIII und der italienischen Regierung geäußerten Zweifel an der Zulässigkeit der Fragen sind unbegründet. Das vorlegende Gericht ersucht nämlich um Auslegung der einschlägigen Vorschriften der Richtlinie 92/13, um die Zulässigkeit der von Idrodinamica erhobenen Klage beurteilen zu können. Wie aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervorgeht, bezieht sich diese Klage im Wesentlichen auf die Aufhebung der Entscheidung der Auftraggeberin, mit der diese die geänderte Zusammensetzung der erfolgreichen Arbeitsgemeinschaft genehmigt hat, und auf die Tatsache, dass die Auftraggeberin einen vor Idrodinamica platzierten Bewerber nicht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen hat.

    31

    Würde der ersten von Idrodinamica im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits geltend gemachten Rüge, die im Wesentlichen darauf gestützt ist, dass die Verringerung der Zahl der an der erfolgreichen Arbeitsgemeinschaft beteiligten Unternehmen von der Auftraggeberin rechtswidrig genehmigt worden sei, stattgegeben, wäre es möglich, dass die Entscheidung über den Vertragsschluss mit der erfolgreichen Arbeitsgemeinschaft aufgehoben wird. Würde der zweiten Rüge, wonach die Auftraggeberin die zweitplatzierte Arbeitsgemeinschaft Tundo hätte ausschließen müssen, weil der gesetzliche Vertreter eines der daran beteiligten Unternehmen wahrheitswidrige Angaben gemacht habe, ebenfalls stattgegeben, würden die Chancen, dass der im Ausgangsverfahren fragliche Auftrag an Idrodinamica vergeben wird, erheblich steigen. Somit kann Idrodinamica zu Recht als eine Person angesehen werden, die im Sinne von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 92/13 „ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht“.

    32

    Folglich sind die Fragen zulässig.

    Zur Begründetheit

    33

    Mit diesen Fragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Frist für eine Anfechtungsklage gegen eine Entscheidung über die Auftragsvergabe erneut beginnen muss, wenn ein Auftraggeber nach Ablauf der Klagefrist eine Entscheidung getroffen hat, die sich auf die Rechtmäßigkeit dieser Zuschlagsentscheidung auswirken kann. Weiter möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Bieter in einer solchen Situation die Entscheidung über die Auftragsvergabe anfechten kann, wenn er Kenntnis von vor dem Erlass der Zuschlagsentscheidung eingetretenen Umständen erlangt hat, die sich auf die Rechtmäßigkeit des fraglichen Vergabeverfahrens auswirken können.

    34

    Die durch die Richtlinie 2007/66 vorgenommene Änderung der Richtlinie 92/13 und Art. 49 der Richtlinie 2004/17 haben wesentlich dazu beigetragen, dass ein erfolgloser Bieter über das Ergebnis des betreffenden Vergabeverfahrens und die dieses Ergebnis tragenden Gründe informiert wird. Gemäß Art. 49 Abs. 2 der Richtlinie 2004/17 kann der Bieter genaue Angaben verlangen.

    35

    Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet, dass die so erlangten Informationen und die Informationen, die hätten erlangt werden können, nach Ablauf der im nationalen Recht vorgesehenen Frist nicht mehr als Grundlage für eine Klage des Bieters dienen können.

    36

    Im Ausgangsverfahren betrifft die Entscheidung, mit der die geänderte Zusammensetzung der erfolgreichen Arbeitsgemeinschaft genehmigt wurde, dagegen Tatsachen, die nach der Auftragsvergabe und nach Ablauf der in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Klagefrist von 30 Tagen eingetreten sind. Daher konnten weder die Mitteilung der Entscheidung über die Auftragsvergabe und ihrer Gründe noch die Antwort der Auftraggeberin auf ein etwaiges vom Bieter an sie gerichtetes Ersuchen um zusätzliche Informationen dem Bieter Kenntnis von diesen Tatsachen verschaffen.

    37

    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können wirksame Nachprüfungsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge nur dann sichergestellt werden, wenn die Fristen, die für die Einleitung der Nachprüfung vorgeschrieben sind, erst zu dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, zu dem der Antragsteller von dem geltend gemachten Verstoß gegen die genannten Vorschriften Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil Uniplex [UK], EU:C:2010:45, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    38

    Außerdem geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Entscheidung über die Genehmigung der geänderten Zusammensetzung der erfolgreichen Arbeitsgemeinschaft, die sich auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Auftragsvergabe auswirken kann, vor dem Abschluss des Vertrags zwischen der Auftraggeberin und der Arbeitsgemeinschaft ergangen ist. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit einem Neubeginn der Frist von 30 Tagen für eine Anfechtungsklage gegen die Entscheidung über die Auftragsvergabe entgegenstünde.

    39

    Insoweit ist anzunehmen, dass die Entscheidung, mit der die geänderte Zusammensetzung der erfolgreichen Arbeitsgemeinschaft genehmigt wurde, zu einer Änderung der Zuschlagsentscheidung führt, die als wesentlich angesehen werden kann, wenn sie im Hinblick auf die Besonderheiten des betreffenden Vergabeverfahrens einen der Aspekte betrifft, der für den Erlass der Zuschlagsentscheidung ausschlaggebend war. In diesem Fall wären die im nationalen Recht zur Behebung dieser Unregelmäßigkeit vorgesehenen einschlägigen Maßnahmen anzuwenden, die bis hin zur Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens gehen können (vgl. entsprechend Urteil Wall, C‑91/08, EU:C:2010:182, Rn. 38, 39, 42 und 43).

    40

    Im Übrigen stellt eine Möglichkeit wie das in Art. 43 des Decreto legislativo Nr. 104/2010 vorgesehene Vorbringen „neuer Angriffsmittel“ im Rahmen einer ursprünglich fristgerecht gegen die Entscheidung über die Auftragsvergabe erhobenen Klage nicht immer eine wirksame Alternative des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes dar. In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens wären die Bieter nämlich gezwungen, die Entscheidung über die Auftragsvergabe abstrakt anzufechten, ohne in diesem Stadium die Gründe für diese Klage zu kennen.

    41

    Demzufolge muss die in den nationalen Rechtsvorschriften für Klagen gegen die Entscheidung über die Auftragsvergabe vorgesehene Frist von 30 Tagen erneut beginnen, um zu ermöglichen, dass die Entscheidung der Auftraggeberin über die Genehmigung der geänderten Zusammensetzung der erfolgreichen Arbeitsgemeinschaft, die sich auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Auftragsvergabe auswirken kann, auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft wird. Diese Frist muss zu dem Zeitpunkt beginnen, zu dem dem Bieter die Mitteilung der Entscheidung über die Genehmigung der geänderten Zusammensetzung der erfolgreichen Arbeitsgemeinschaft zugegangen ist oder er von dieser Entscheidung Kenntnis erlangt hat.

    42

    Zur Rüge von Idrodinamica, die zweitplatzierte Arbeitsgemeinschaft sei nicht vom Verfahren ausgeschlossen worden, obwohl der gesetzliche Vertreter eines der an dieser Arbeitsgruppe beteiligten Unternehmen wahrheitswidrige Angaben gemacht habe, ist festzustellen, dass sich diese vorgebliche Unregelmäßigkeit vor dem Erlass der Entscheidung über die Auftragsvergabe zugetragen haben muss.

    43

    Demnach war der Bieter aufgrund der Informationen, die ihm nach Art. 2a der Richtlinie 92/13 und Art. 49 der Richtlinie 2004/17 mitgeteilt wurden, und aufgrund der Informationen, die er bei Anwendung gewöhnlicher Sorgfalt hätte erlangen können, in der Lage, gegen etwaige Verletzungen des Unionsrechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens Klage zu erheben. Für einen Neubeginn der in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Klagefrist besteht daher kein Anlass.

    44

    In der Situation des Ausgangsverfahrens kann im Fall der Aufhebung der Entscheidung über die Auftragsvergabe an die im Vergabeverfahren erstplatzierte Arbeitsgemeinschaft eine neue Entscheidung über die Vergabe des Auftrags an einen anderen Bieter erneut binnen der in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Frist mit einer Anfechtungsklage angefochten werden.

    45

    Folglich ist in Anwendung des Grundsatzes der Rechtssicherheit davon auszugehen, dass ein Bieter bei Unregelmäßigkeiten, die vor Erlass der Entscheidung über die Auftragsvergabe begangen worden sein sollen, die Zuschlagsentscheidung nur binnen der im nationalen Recht insoweit vorgesehenen spezifischen Frist anfechten kann, sofern das nationale Recht nicht ausdrücklich ein solches Recht auf Nachprüfung im Einklang mit dem Unionsrecht gewährleistet.

    46

    Ein Bieter kann jedoch binnen der im nationalen Recht insoweit vorgesehenen allgemeinen Verjährungsfrist eine Schadensersatzklage erheben.

    47

    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 und 3 sowie Art. 2a Abs. 2 Unterabs. 4 der Richtlinie 92/13 dahin auszulegen sind, dass die Frist für die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens im Hinblick auf die Aufhebung einer Entscheidung über die Vergabe eines Auftrags erneut beginnen muss, wenn der Auftraggeber nach Erlass dieser Zuschlagsentscheidung, aber vor Vertragsunterzeichnung eine neue Entscheidung getroffen hat, die sich auf die Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung auswirken kann. Diese Frist beginnt zum Zeitpunkt der Mitteilung der späteren Entscheidung an die Bieter oder, in Ermangelung einer solchen Mitteilung, zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bieter von dieser Entscheidung Kenntnis erlangt haben.

    48

    Erlangt ein Bieter nach Ablauf der in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Nachprüfungsfrist Kenntnis von einer Unregelmäßigkeit, die vor Erlass der Entscheidung über die Auftragsvergabe begangen worden sein soll, steht ihm das Recht auf Nachprüfung dieser Entscheidung nur binnen dieser Frist zu, sofern das nationale Recht nicht ausdrücklich ein solches Recht im Einklang mit dem Unionsrecht gewährleistet.

    Kosten

    49

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

     

    Art. 1 Abs. 1 und 3 sowie Art. 2a Abs. 2 Unterabs. 4 der Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die Frist für die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens im Hinblick auf die Aufhebung einer Entscheidung über die Vergabe eines Auftrags erneut beginnen muss, wenn der Auftraggeber nach Erlass dieser Zuschlagsentscheidung, aber vor Vertragsunterzeichnung eine neue Entscheidung getroffen hat, die sich auf die Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung auswirken kann. Diese Frist beginnt zum Zeitpunkt der Mitteilung der späteren Entscheidung an die Bieter oder, in Ermangelung einer solchen Mitteilung, zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bieter von dieser Entscheidung Kenntnis erlangt haben.

     

    Erlangt ein Bieter nach Ablauf der in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Nachprüfungsfrist Kenntnis von einer Unregelmäßigkeit, die vor Erlass der Entscheidung über die Auftragsvergabe begangen worden sein soll, steht ihm das Recht auf Nachprüfung dieser Entscheidung nur binnen dieser Frist zu, sofern das nationale Recht nicht ausdrücklich ein solches Recht im Einklang mit dem Unionsrecht gewährleistet.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.

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