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Document 62012CJ0210

    Urteil des Gerichtshofs (Achte Kammer) vom 17. Oktober 2013.
    Sumitomo Chemical Co. Ltd gegen Deutsches Patent- und Markenamt.
    Vorabentscheidungsersuchen des Bundespatentgerichts.
    Patentrecht – Pflanzenschutzmittel – Ergänzendes Schutzzertifikat – Verordnung (EG) Nr. 1610/96 – Richtlinie 91/414/EWG – Notgenehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Art. 8 Abs. 4 dieser Richtlinie.
    Rechtssache C‑210/12.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2013:665

    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

    17. Oktober 2013 ( *1 )

    „Patentrecht — Pflanzenschutzmittel — Ergänzendes Schutzzertifikat — Verordnung (EG) Nr. 1610/96 — Richtlinie 91/414/EWG — Notgenehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Art. 8 Abs. 4 dieser Richtlinie“

    In der Rechtssache C‑210/12

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundespatentgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. Februar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Mai 2012, in dem Verfahren

    Sumitomo Chemical Co. Ltd

    gegen

    Deutsches Patent- und Markenamt

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

    unter Mitwirkung des Präsidenten der Achten Kammer C. G. Fernlund (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter A. Ó Caoimh und E. Jarašiūnas,

    Generalanwältin: E. Sharpston,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Varone, avvocato dello Stato,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch F. W. Bulst und P. Ondrůšek als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel (ABl. L 198, S. 30).

    2

    Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Sumitomo Chemical Co. Ltd (im Folgenden: Sumitomo) und dem Deutschen Patent- und Markenamt über die Gültigkeit der Entscheidung des Amtes vom 20. Januar 2006, Sumitomo die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats zu verweigern.

    Rechtlicher Rahmen

    Richtlinie 91/414/EWG

    3

    Die Erwägungsgründe 9 und 14 der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 230, S. 1) in der durch die Richtlinie 2005/58/EG der Kommission vom 21. September 2005 (ABl. L 246, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/414) lauten:

    „Die Zulassungsbestimmungen müssen ein hohes Schutzniveau gewährleisten, damit insbesondere die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln verhindert wird, die nicht ausreichend auf ihre Gesundheits-, Grundwasser- und Umweltgefährdung untersucht worden sind. Der Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt sind gegenüber dem Ziel der Produktionsverbesserung bei der Pflanzenerzeugung vorrangig.

    Das Gemeinschaftsverfahren sollte einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, für einen begrenzten Zeitraum Pflanzenschutzmittel in seinem Gebiet zuzulassen, die einen noch nicht in die Gemeinschaftsliste aufgenommenen Wirkstoff enthalten, sofern sichergestellt ist, dass der Bewerber den gemeinschaftlichen Auflagen entsprechende Unterlagen vorgelegt und der betreffende Mitgliedstaat zu dem Schluss gelangt ist, dass der Wirkstoff und die Pflanzenschutzmittel den von der Gemeinschaft festgesetzten Anforderungen entsprechen dürften.“

    4

    Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/414 darf ein Pflanzenschutzmittel in einem Mitgliedstaat nur dann in Verkehr gebracht und angewendet werden, wenn die zuständigen Behörden dieses Staates es nach den Bestimmungen der Richtlinie zugelassen haben.

    5

    Art. 4 der Richtlinie sieht vor:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen wird, wenn

    a)

    seine Wirkstoffe in Anhang I aufgeführt und die dort festgelegten Bedingungen erfüllt sind, und wenn bei den nachfolgenden Buchstaben b), c) d) und e) unter Anwendung der einheitlichen Grundsätze gemäß Anhang VI

    b)

    nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse sichergestellt ist und die Prüfung der Unterlagen nach Anhang III ergibt, dass es bei Anwendung gemäß Artikel 3 Absatz 3 und im Hinblick auf alle normalen Verhältnisse, unter denen es angewendet wird, sowie im Hinblick auf die Folgen dieser Anwendung

    i)

    hinreichend wirksam ist,

    ii)

    keine unannehmbaren Auswirkungen auf Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse hat,

    iii)

    bei den zu bekämpfenden Wirbeltieren keine unnötigen Leiden oder Schmerzen verursacht,

    iv)

    keine unmittelbaren oder mittelbaren schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier (z. B. über Trinkwasser, Nahrungs- oder Futtermittel) oder auf das Grundwasser hat,

    v)

    keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt hat, und zwar unter besonderer Berücksichtigung folgender Aspekte:

    Verbleib und Ausbreitung in der Umwelt, insbesondere Kontamination von Wasser einschließlich Trinkwasser und Grundwasser,

    Auswirkung auf Arten, die nicht bekämpft werden sollen;

    c)

    die Art und Menge der in ihm enthaltenen Wirkstoffe und gegebenenfalls die toxikologisch und ökotoxikologisch signifikanten Verunreinigungen und zusätzlichen Bestandteile nach geeigneten Methoden bestimmt werden können, die entsprechend dem Verfahren des Artikels 21 harmonisiert worden sind oder andernfalls von den für die Zulassung zuständigen Behörden anerkannt werden;

    d)

    seine bei zugelassenen Anwendungen entstehenden toxikologisch und ökologisch signifikanten Rückstände nach allgemein gebräuchlichen geeigneten Methoden bestimmt werden können;

    e)

    seine physikalisch-chemischen Eigenschaften ermittelt und für eine angemessene Verwendung und Lagerung dieses Mittels als annehmbar erachtet worden sind;

    f)

    für die von der Anwendung betroffenen und unter die Zulassung fallenden landwirtschaftlichen Erzeugnisse gegebenenfalls Rückstandshöchstgehalte gemäß der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 … festgesetzt oder geändert worden sind.

    (2)   In der Zulassung müssen die Auflagen hinsichtlich des Inverkehrbringens und der Anwendung des Mittels sowie zumindest die Auflagen präzisiert werden, mit denen die Einhaltung von Absatz 1 Buchstabe b) gewährleistet werden soll.

    (3)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass durch amtliche oder amtlich anerkannte Versuche und Analysen sichergestellt wird, dass die in Absatz 1 Buchstaben b) bis f) genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Versuche und Analysen sind unter den für die Anwendung des betreffenden Pflanzenschutzmittels relevanten Bedingungen in Bezug auf Landwirtschaft, Pflanzenschutz und Umwelt durchzuführen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat in dem Gebiet vorherrschen, in dem das Pflanzenschutzmittel angewendet werden soll.

    (4)   Unbeschadet der Absätze 5 und 6 werden diese Zulassungen nur für einen von den Mitgliedstaaten festgelegten Zeitraum von höchstens zehn Jahren erteilt; sie können erneuert werden, wenn geprüft worden ist, dass die Voraussetzungen nach Absatz 1 weiterhin erfüllt sind. Die Zulassungen können auf Antrag für den Zeitraum erneuert werden, den die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten für diese Prüfung benötigen.

    (5)   Die Zulassungen können jederzeit überprüft werden, wenn etwas darauf hindeutet, dass ein in Absatz 1 erwähntes Kriterium nicht mehr erfüllt ist. In diesen Fällen können die Mitgliedstaaten denjenigen, der die Zulassung beantragt hat oder dem gemäß Artikel 9 eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs zugestanden wurde, auffordern, die für die Überprüfung erforderlichen zusätzlichen Informationen vorzulegen. Erforderlichenfalls können die Zulassungen für den zur Überprüfung und den für die Vorlage der zusätzlichen Informationen nötigen Zeitraum weitergelten.

    (6)   Unbeschadet der bereits nach Artikel 10 ergangenen Entscheidungen wird die Zulassung zurückgenommen, wenn sich herausstellt,

    a)

    dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Zulassung nicht oder nicht mehr erfüllt sind,

    b)

    dass falsche oder irreführende Angaben in Bezug auf die Umstände gemacht worden sind, aufgrund derer die Zulassung erteilt worden ist,

    oder die Zulassung wird geändert, falls sich herausstellt,

    c)

    dass nach den neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen die Art der Anwendung und die verwendeten Mengen geändert werden können.

    Die Zulassung kann auch auf begründeten Antrag des Inhabers zurückgenommen oder geändert werden; die Änderungen können nur nach der Feststellung gebilligt werden, dass die Anforderungen von Artikel 4 Absatz 1 weiterhin erfüllt sind.

    Nimmt ein Mitgliedstaat eine Zulassung zurück, so unterrichtet er unverzüglich den Inhaber der Zulassung davon; ferner kann er eine Frist für die Beseitigung, den Absatz bzw. die Anwendung bestehender Lagervorräte einräumen, deren Dauer sich nach der Begründung für die Rücknahme richtet und die Frist unberührt lässt, die gegebenenfalls aufgrund der Richtlinie 79/117/EWG des Rates vom 21. Dezember 1978 über das Verbot des Inverkehrbringens und der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die bestimmte Wirkstoffe enthalten …, zuletzt geändert durch die Richtlinie 90/533/EWG …, oder gemäß Artikel 6 oder Artikel 8 Absatz 1 oder 2 der vorliegenden Richtlinie festgelegt worden ist.“

    6

    Art. 5 der Richtlinie 91/414 bestimmt:

    „(1)   Ein Wirkstoff wird nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse für einen anfänglichen Zeitraum von höchstens zehn Jahren in Anhang I aufgenommen, wenn angenommen werden kann, dass die diesen Wirkstoff enthaltenden Pflanzenschutzmittel folgende Voraussetzungen erfüllen:

    a)

    ihre bei Anwendung gemäß guter Pflanzenschutzpraxis entstandenen Rückstände haben keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf das Grundwasser bzw. keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt und können, soweit toxikologisch oder ökologisch signifikant, mit allgemein gebräuchlichen Methoden gemessen werden,

    b)

    ihre Anwendung gemäß guter Pflanzenschutzpraxis hat keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b) Ziffern iv) und v).

    (2)   Für die Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I ist in ganz besonderem Maße Folgendes zu berücksichtigen:

    a)

    wo dies relevant ist, eine für den Menschen annehmbare Tagesdosis (ADI‑Wert);

    b)

    falls erforderlich, eine annehmbare Anwenderexposition;

    c)

    wo dies relevant ist, Einschätzung des Verbleibs und der Verbreitung in der Umwelt sowie der Auswirkung auf Arten, die nicht bekämpft werden sollen.

    (3)   Bei der ersten Aufnahme eines Wirkstoffes, der zwei Jahre nach der Bekanntgabe dieser Richtlinie noch nicht im Handel war, gelten die Anforderungen als erfüllt, wenn dies für mindestens eine Zubereitung, die diesen Wirkstoff enthält, festgestellt worden ist.

    (4)   Die Aufnahme eines Wirkstoffes in Anhang I kann an Bedingungen geknüpft sein, wie etwa

    den Mindestreinheitsgrad des Wirkstoffs,

    die Art und den Höchstgehalt bestimmter Verunreinigungen,

    Beschränkungen aufgrund der Beurteilung der Informationen nach Artikel 6 unter Berücksichtigung der jeweiligen Bedingungen in Bezug auf die Landwirtschaft, den Pflanzenschutz und die Umwelt, einschließlich Witterungsverhältnisse,

    die Art der Zubereitung,

    die Art und Weise der Anwendung.

    (5)   Die Aufnahme eines Wirkstoffes in Anhang I kann auf Antrag einmal oder mehrmals jeweils für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren erneuert werden; sie kann jederzeit überprüft werden, wenn etwas darauf hindeutet, dass die Kriterien der Absätze 1 und 2 nicht mehr erfüllt sind. Die Aufnahme des Wirkstoffs in Anhang I wird für den Zeitraum, der für die Überprüfung erforderlich ist, erneuert, sofern rechtzeitig, mindestens aber zwei Jahre vor Ablauf des Aufnahmezeitraums, ein entsprechender Antrag gestellt wurde; sie wird in jedem Fall für den Zeitraum erneuert, der erforderlich ist, um die gemäß Artikel 6 Absatz 4 verlangten Informationen vorzulegen.“

    7

    In Art. 8 der Richtlinie 91/414, der Übergangs- und Ausnahmeregelungen betrifft, heißt es:

    „(1)   Abweichend von Artikel 4 kann ein Mitgliedstaat mit dem Ziel, eine schrittweise Beurteilung der Eigenschaften neuer Wirkstoffe zu ermöglichen und den Zugang der Landwirte zu neuen Zubereitungen zu erleichtern, für einen vorläufigen Zeitraum von höchstens drei Jahren das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln zulassen, die einen nicht in Anhang I aufgeführten Wirkstoff enthalten und sich zwei Jahre nach der Bekanntgabe dieser Richtlinie noch nicht im Handel befinden, sofern

    a)

    bei der Anwendung der Bestimmungen von Artikel 6 Absätze 2 und 3 festgestellt wurde, dass die Unterlagen für diesen Wirkstoff die Anforderungen der Anhänge II und III nach Maßgabe des geplanten Anwendungszwecks erfüllen;

    b)

    der Mitgliedstaat festgestellt hat, dass der Wirkstoff den Bedingungen des Artikels 5 Absatz 1 gerecht werden kann und dass angenommen werden kann, dass das Pflanzenschutzmittel den Bedingungen des Artikels 4 Absatz 1 Buchstaben b) bis f) entspricht.

    In diesem Fall unterrichtet der Mitgliedstaat die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission unverzüglich von dem Ergebnis seiner Überprüfung der Unterlagen und den Bedingungen für die Zulassung; er macht dabei mindestens die in Artikel 12 Absatz 1 vorgesehenen Angaben.

    Nach Prüfung der Unterlagen gemäß Artikel 6 Absatz 3 kann nach dem Verfahren des Artikels 19 entschieden werden, dass der Wirkstoff die Anforderungen von Artikel 5 Absatz 1 nicht erfüllt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in diesen Fällen die Zulassung widerrufen wird.

    Ist nach Ablauf der Dreijahresfrist kein Beschluss über die Aufnahme eines Wirkstoffes in Anhang I ergangen, so kann abweichend von Artikel 6 nach dem Verfahren des Artikels 19 eine Zusatzfrist für die vollständige Prüfung der Unterlagen und der gegebenenfalls gemäß Artikel 6 Absätze 3 und 4 eingeholten ergänzenden Angaben beschlossen werden.

    Die Bestimmungen von Artikel 4 Absätze 2, 3, 5 und 6 finden unbeschadet der vorstehenden Unterabsätze dieses Absatzes auf die nach diesem Absatz erteilten Zulassungen Anwendung.

    (4)   Abweichend von Artikel 4 kann ein Mitgliedstaat unter besonderen Umständen für eine Dauer von höchstens 120 Tagen das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, die den Bestimmungen von Artikel 4 nicht entsprechen, für eine beschränkte und kontrollierte Verwendung zulassen, wenn dies aufgrund einer unvorhersehbaren Gefahr notwendig ist, die mit anderen Mitteln nicht eingedämmt werden kann. In diesem Fall unterrichtet der betreffende Mitgliedstaat die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission unverzüglich von seiner Maßnahme. Nach dem Verfahren des Artikels 19 wird unverzüglich darüber entschieden, ob und unter welchen Voraussetzungen die von dem Mitgliedstaat getroffene Maßnahme um einen festzulegenden Zeitraum verlängert, wiederholt oder widerrufen werden kann.“

    Verordnung Nr. 1610/96

    8

    Aus den Erwägungsgründen 5 und 6 der Verordnung Nr. 1610/96 geht hervor, dass vor ihrem Erlass die Dauer des tatsächlichen Patentschutzes für die Amortisierung der in der Pflanzenschutzforschung vorgenommenen Investitionen und für die Aufbringung der nötigen Mittel für den Fortbestand einer leistungsfähigen Forschung als unzureichend angesehen wurde, mit der Folge nachteiliger Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit dieses Wirtschaftsbereichs. Die Verordnung soll diese Unzulänglichkeit durch die Schaffung des ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel beheben.

    9

    Die Erwägungsgründe 11 und 16 der Verordnung Nr. 1610/96 lauten:

    „(11)

    Die Dauer des durch das Zertifikat gewährten Schutzes muss so festgelegt werden, dass dadurch ein ausreichender tatsächlicher Schutz erreicht wird. Hierzu müssen demjenigen, der gleichzeitig Inhaber eines Patents und eines Zertifikats ist, insgesamt höchstens fünfzehn Jahre Ausschließlichkeit ab der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Pflanzenschutzmittels in der Gemeinschaft eingeräumt werden.

    (16)

    Nur durch ein Eingreifen auf Gemeinschaftsebene kann das angestrebte Ziel wirksam erreicht werden, nämlich einen ausreichenden Schutz der Innovation in der Pflanzenschutzindustrie sicherzustellen und zugleich ein angemessenes Funktionieren des Binnenmarktes für Pflanzenschutzmittel zu gewährleisten.“

    10

    In Art. 1 der Verordnung Nr. 1610/96 heißt es:

    „Im Sinne dieser Verordnung sind:

    10.

    ‚Zertifikat‘ das ergänzende Schutzzertifikat.“

    11

    Art. 2 („Anwendungsbereich“) der Verordnung Nr. 1610/96 bestimmt:

    „Für jedes im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats durch ein Patent geschützte Erzeugnis, das vor seinem Inverkehrbringen als Pflanzenschutzmittel Gegenstand eines verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemäß Artikel 4 der Richtlinie [91/414] oder – wenn es sich um ein Pflanzenschutzmittel handelt, für das der Genehmigungsantrag vor der Umsetzung der Richtlinie [91/414] durch diesen Mitgliedstaat eingereicht wurde – gemäß einer gleichwertigen einzelstaatlichen Rechtsvorschrift war, kann nach den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen und Modalitäten ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden.“

    12

    Art. 3 („Bedingungen für die Erteilung des Zertifikats“) der Verordnung sieht vor:

    „(1)   Das Zertifikat wird erteilt, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem die Anmeldung nach Artikel 7 eingereicht wird, zum Zeitpunkt dieser Anmeldung

    a)

    das Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist;

    b)

    für das Erzeugnis als Pflanzenschutzmittel eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 4 der Richtlinie [91/414] oder gemäß einer gleichwertigen einzelstaatlichen Rechtsvorschrift erteilt wurde;

    c)

    für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde;

    d)

    die unter Buchstabe b) erwähnte Genehmigung die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Pflanzenschutzmittel ist.

    …“

    13

    Art. 5 („Wirkungen des Zertifikats“) der Verordnung bestimmt:

    „Vorbehaltlich des Artikels 4 gewährt das Zertifikat die gleichen Rechte wie das Grundpatent und unterliegt den gleichen Beschränkungen und Verpflichtungen.“

    14

    Art. 7 („Anmeldung des Zertifikats“) der Verordnung lautet:

    „(1)   Die Anmeldung des Zertifikats muss innerhalb einer Frist von sechs Monaten, gerechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem für das Erzeugnis als Pflanzenschutzmittel die Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) erteilt wurde, eingereicht werden.

    (2)   Ungeachtet des Absatzes 1 muss die Anmeldung des Zertifikats dann, wenn die Genehmigung für das Inverkehrbringen vor der Erteilung des Grundpatents erfolgt, innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Patents eingereicht werden.“

    15

    Art. 13 („Laufzeit des Zertifikats“) der Verordnung Nr. 1610/96 lautet:

    „(1)   Das Zertifikat gilt ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents für eine Dauer, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft entspricht, abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren.

    (2)   Ungeachtet des Absatzes 1 beträgt die Laufzeit des Zertifikats höchstens fünf Jahre vom Zeitpunkt seines Wirksamwerdens an.

    (3)   Bei der Berechnung der Laufzeit des Zertifikats wird eine erste vorläufige Genehmigung für das Inverkehrbringen nur dann berücksichtigt, wenn sich eine endgültige Genehmigung für dasselbe Erzeugnis unmittelbar anschließt.“

    16

    In Art. 15 der Verordnung heißt es:

    „(1)   Das Zertifikat ist nichtig:

    a)

    wenn es entgegen den Vorschriften des Artikels 3 erteilt wurde;

    (2)   Jedermann kann bei der nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für die Nichtigerklärung des entsprechenden Grundpatents zuständigen Stelle einen Antrag auf Nichtigerklärung des Zertifikats stellen oder Klage auf Nichtigkeit des Zertifikats erheben.“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    17

    Sumitomo ist Inhaberin des für Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 376 279, DE 689 06 668, das u. a. den für Insektizide verwendeten Wirkstoff Clothianidin umfasst.

    18

    Am 19. Februar 2003 erteilten die Behörden des Vereinigten Königreichs einer Gesellschaft des Bayer-Konzerns gemäß Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 91/414 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Erzeugnisses, das Clothianidin enthält. Diese sogenannte vorläufige Genehmigung war die erste in der Europäischen Union erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Erzeugnisses, das diesen Wirkstoff enthält.

    19

    Am 2. Dezember 2003 erteilten die deutschen Behörden gemäß den nationalen Bestimmungen zur Umsetzung von Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/414 einer Gesellschaft des Bayer-Konzerns eine Notgenehmigung für das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels, das den Wirkstoff Clothianidin enthält. Diese Notgenehmigung war für eine Dauer von 120 Tagen gültig, vom 15. Januar bis zum 13. Mai 2004.

    20

    Am 14. Mai 2004 stellte Sumitomo beim Deutschen Patent- und Markenamt einen Antrag auf Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel. In ihrem Antrag bezog sich Sumitomo zum einen auf die am 19. Februar 2003 im Vereinigten Königreich erteilte vorläufige Genehmigung für das Inverkehrbringen – als erste in der Union erteilte Genehmigung – und zum anderen auf die am 2. Dezember 2003 in Deutschland erteilte Notgenehmigung.

    21

    Am 8. September 2004 erteilten die deutschen Behörden gemäß den nationalen Bestimmungen zur Umsetzung von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 91/414 einer Gesellschaft des Bayer-Konzerns eine vorläufige Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Clothianidinerzeugnisses. Diese vorläufige Genehmigung war vom 8. September 2004 bis zum 7. September 2007 gültig.

    22

    Mit Schreiben vom 25. November 2004 teilte Sumitomo dem Deutschen Patent- und Markenamt das Vorliegen der vorläufigen Genehmigung für das Inverkehrbringen vom 8. September 2004 mit.

    23

    Mit Beschluss vom 20. Januar 2006 wies das Deutsche Patent- und Markenamt den von Sumitomo am 14. Mai 2004 gestellten Antrag auf Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats zurück. Zwar sei der Antrag innerhalb der Frist des Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1610/96 eingereicht worden, doch könne ihm nicht stattgegeben werden, da zum Zeitpunkt der Antragstellung keine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1610/96 vorgelegen habe, weil die Notgenehmigung bereits abgelaufen gewesen sei. Dieser Beschluss wird im Ausgangsverfahren angefochten.

    24

    Das vorlegende Gericht möchte erstens wissen, ob der Beschluss vom 20. Januar 2006 nicht jedenfalls deshalb gerechtfertigt gewesen sei, weil es sich bei der Genehmigung für das Inverkehrbringen, auf die sich Sumitomo gestützt habe, um eine Notgenehmigung gehandelt habe. Es verweist insoweit darauf, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1610/96 zur Bedingung für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats mache, dass eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen „gemäß Artikel 4 der Richtlinie 91/414“ erteilt worden sei. Nach dem Urteil vom 11. November 2010, Hogan Lovells International (C-229/09, Slg. 2010, I-11335), sei Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1610/96 dahin auszulegen, dass er der Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel nicht entgegenstehe, wenn eine vorläufige Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 91/414 erteilt worden sei. Diese Auslegung beruhe auf dem funktionalen Gleichwertigkeitszusammenhang zwischen den endgültigen Genehmigungen nach Art. 4 der Richtlinie 91/414 und den vorläufigen Genehmigungen nach Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie.

    25

    Aufgrund dessen sei zweifelhaft, ob eine Notgenehmigung dieses Kriterium der funktionalen Gleichwertigkeit erfülle. Notgenehmigungen müssten nämlich nicht die in Art. 4 der Richtlinie 91/414 vorgesehenen Kriterien erfüllen. Im Rahmen eines Notgenehmigungsverfahrens werde weder das Pflanzenschutzmittel noch der Wirkstoff Prüfungen unterzogen, die den für die Erteilung einer endgültigen Genehmigung für das Inverkehrbringen erforderlichen Prüfungen gleichwertig seien.

    26

    Außerdem bestehe der Zweck der Notgenehmigungen darin, eine unvorhersehbare Gefahr abzuwenden, die mit anderen Mitteln nicht eingedämmt werden könne.

    27

    Zweitens fragt sich das vorlegende Gericht, welche Konsequenzen für die Anmeldefrist des ergänzenden Schutzzertifikats aus der Antwort auf diese Frage zu ziehen seien.

    28

    Sollte der Gerichtshof der Ansicht sein, dass ein ergänzendes Schutzzertifikat auf eine Notgenehmigung gestützt werden könne, sei fraglich, ob nicht im vorliegenden Fall der Antrag von Sumitomo jedenfalls wegen Verfristung zurückzuweisen sei. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1610/96 verlange nämlich, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zertifikats gültig sei. Im konkreten Fall sei die auf 120 Tage begrenzte Notgenehmigung jedoch am 13. Mai 2004 abgelaufen. Der am folgenden Tag gestellte Antrag von Sumitomo sei daher verspätet.

    29

    Zwar werde im Schrifttum überwiegend diese Auslegung befürwortet, doch könne sie zu einer Verkürzung der in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1610/96 vorgesehenen Sechsmonatsfrist für die Anmeldung von Zertifikaten führen. Im vorliegenden Fall hätten Sumitomo für die Einreichung ihrer Anmeldung nur vier statt sechs Monate zur Verfügung gestanden.

    30

    Sollte der Gerichtshof dagegen der Ansicht sein, dass eine Notgenehmigung nicht als Grundlage für die Anmeldung eines ergänzenden Schutzzertifikats dienen könne, sei fraglich, ob die Erteilung eines Zertifikats gleichwohl möglich sei, indem sie nicht auf die ungültig gewordene Notgenehmigung, sondern auf eine später erteilte vorläufige Genehmigung für das Inverkehrbringen gestützt werde.

    31

    Als das Deutsche Patent- und Markenamt den Antrag von Sumitomo zurückgewiesen habe, sei ihm bekannt gewesen, dass die deutschen Behörden einer Gesellschaft des Bayer-Konzerns bereits am 8. September 2004 eine vorläufige Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Erzeugnisses mit dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Wirkstoff erteilt hätten. Nach der damaligen Entscheidungspraxis des Amts seien ergänzende Schutzzertifikate auch auf der Grundlage vorläufiger Genehmigungen erteilt worden. In Anbetracht dessen stelle sich die Frage, ob es unter Zugrundelegung des ursprünglichen Antrags von Sumitomo möglich sei, gestützt auf die am 8. September 2004 erteilte vorläufige Genehmigung ein ergänzendes Schutzzertifikat zu erteilen. Damit würde zugelassen, dass eine Anmeldung eines ergänzenden Schutzzertifikats schon vor Beginn der Anmeldefrist erfolgen könne. Sollte eine solche Lösung rechtlich in Betracht kommen, sei ferner fraglich, ob das Schreiben von Sumitomo vom 25. November 2004, mit dem das Deutsche Patent- und Markenamt über das Vorliegen der vorläufigen Genehmigung in Kenntnis gesetzt worden sei, als Zertifikatsanmeldung gewertet werden könne. Dieses Schreiben sei innerhalb der Sechsmonatsfrist von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1610/96 eingereicht worden. Es wäre unbillig, eine nach der Erteilung einer vorläufigen Genehmigung eingereichte Anmeldung eines Zertifikats mit der Begründung zurückzuweisen, dass die vorläufige Genehmigung nicht die erste Genehmigung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1610/96 sei.

    32

    Unter diesen Umständen hat das Bundespatentgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    1.

    Ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1610/96 dahin auszulegen, dass es der Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für ein Pflanzenschutzmittel nicht entgegensteht, wenn eine gültige Genehmigung nach Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/414 erteilt wurde?

    2.

    Falls die Frage 1 bejaht wird:

    Ist es nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1610/96 erforderlich, dass die Genehmigung zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zertifikats noch in Kraft ist?

    3.

    Falls die Frage 1 verneint wird:

    Ist Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1610/96 dahin auszulegen, dass eine Anmeldung bereits vor Beginn der dort genannten Frist eingereicht werden kann?

    Zu den Vorlagefragen

    Zur ersten Frage

    33

    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1610/96 dahin auszulegen ist, dass er der Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für ein Pflanzenschutzmittel entgegensteht, für das auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/414 eine Notgenehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde.

    34

    Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1610/96 nimmt Bezug auf eine Genehmigung für das Inverkehrbringen, die „gemäß Artikel 4 der Richtlinie 91/414“ erteilt wurde. Zwar ist entschieden worden, dass diese Bestimmung der Verordnung Nr. 1610/96 nicht in einer Weise auszulegen ist, die darauf hinausliefe, von seiner Anwendung Erzeugnisse auszuschließen, für die eine vorläufige Genehmigung nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 91/414 erteilt wurde (Urteil Hogan Lovells International, Randnr. 46).

    35

    Diese Auslegung beruht indessen auf dem funktionalen Gleichwertigkeitszusammenhang zwischen den nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 91/414 für Übergangsregelungen bestehenden Kriterien und den in Art. 4 dieser Richtlinie vorgesehenen Kriterien (Urteil Hogan Lovells International, Randnrn. 33 bis 46). Zwischen den Kriterien in Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie und denen in ihrem Art. 4 besteht jedoch kein derartiger Gleichwertigkeitszusammenhang.

    36

    Schon aus der Definition der Notgenehmigung in Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/414 geht nämlich hervor, dass sie nur „Pflanzenschutzmittel, die den Bestimmungen von Artikel 4 nicht entsprechen“, betrifft. Eine derartige Genehmigung soll somit nicht gewährleisten, dass die auf diese Weise genehmigten Pflanzenschutzmittel dieselben wissenschaftlichen Zuverlässigkeitsanforderungen erfüllen wie eine auf der Grundlage von Art. 4 der Richtlinie 91/414 erteilte Genehmigung. So verlangt Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie von den Mitgliedstaaten nicht, dass sie vor Erteilung einer solchen Genehmigung eine wissenschaftliche Prüfung der Risiken durchführen. Diese Ausnahmebestimmung begrenzt die Verwendung einer derartigen Genehmigung jedoch strikt auf „besondere Umstände“, unter denen die Erteilung einer Notgenehmigung für eine Dauer von höchstens 120 Tagen „aufgrund einer unvorhersehbaren Gefahr notwendig ist, die mit anderen Mitteln nicht eingedämmt werden kann“.

    37

    Daher ist es ausgeschlossen, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1610/96 auf eine Notgenehmigung angewandt werden kann, denn diese ist Erzeugnissen vorbehalten, die den Bestimmungen von Art. 4 der Richtlinie 91/414 nicht entsprechen und für die die Richtlinie keine vorherige wissenschaftliche Prüfung der Risiken vorschreibt.

    38

    Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1610/96 dahin auszulegen ist, dass er der Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für ein Pflanzenschutzmittel entgegensteht, für das auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/414 eine Notgenehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde.

    Zur zweiten Frage

    39

    In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Vorlagefrage nicht zu beantworten.

    Zur dritten Frage

    40

    Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1610/96 dahin auszulegen sind, dass sie der Einreichung einer Anmeldung eines ergänzenden Schutzzertifikats vor dem Zeitpunkt, zu dem für das Pflanzenschutzmittel die Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung erteilt wurde, entgegenstehen.

    41

    Zur Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass mit dem ergänzenden Schutzzertifikat die Wiederherstellung einer ausreichenden Dauer des wirksamen Patentschutzes angestrebt wird, indem seinem Inhaber nach Ablauf des Grundpatents eine zusätzliche Ausschließlichkeitsfrist eingeräumt wird, die zumindest zum Teil den Rückstand in der wirtschaftlichen Verwertung seiner Erfindung ausgleichen soll, der aufgrund der Zeitspanne von der Einreichung der Patentanmeldung bis zur Erteilung der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Union eingetreten ist (Urteil Hogan Lovells International, Randnr. 50).

    42

    Im Einklang mit dieser Zielsetzung wird durch das ergänzende Schutzzertifikat ein Zusammenhang zwischen dem Grundpatent und der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels hergestellt, ab der mit dessen wirtschaftlicher Verwertung begonnen werden kann. Somit müssen für die Erteilung dieses Zertifikats die vier in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1610/96 aufgeführten kumulativen Voraussetzungen vorliegen. Diese Bestimmung sieht im Wesentlichen vor, dass ein ergänzendes Schutzzertifikat nur dann erteilt werden kann, wenn das Pflanzenschutzmittel zum Zeitpunkt der Anmeldung durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist und für dieses Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde. Zudem muss für das Erzeugnis eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen „gemäß Artikel 4 der Richtlinie [91/414] oder gemäß einer gleichwertigen einzelstaatlichen Rechtsvorschrift“ erteilt worden sein, und schließlich muss es sich dabei um die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Pflanzenschutzmittel handeln (Urteil Hogan Lovells International, Randnr. 51).

    43

    Da Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1610/96 ausdrücklich verlangt, dass zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung eines ergänzenden Schutzzertifikats jede dieser Voraussetzungen erfüllt ist, kann eine solche Anmeldung erst dann wirksam eingereicht werden, wenn eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen existiert.

    44

    Diese Auslegung wird durch den Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1610/96 bestätigt, wonach die Frist für die Einreichung einer Anmeldung eines ergänzenden Schutzzertifikats ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem für das Erzeugnis als Pflanzenschutzmittel die Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung erteilt wurde.

    45

    Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1610/96 dahin auszulegen sind, dass sie der Einreichung einer Anmeldung eines ergänzenden Schutzzertifikats vor dem Zeitpunkt, zu dem für das Pflanzenschutzmittel die Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung erteilt wurde, entgegenstehen.

    Kosten

    46

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel ist dahin auszulegen, dass er der Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für ein Pflanzenschutzmittel entgegensteht, für das auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln in der durch die Richtlinie 2005/58/EG der Kommission vom 21. September 2005 geänderten Fassung eine Notgenehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde.

     

    2.

    Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1610/96 sind dahin auszulegen, dass sie der Einreichung einer Anmeldung eines ergänzenden Schutzzertifikats vor dem Zeitpunkt, zu dem für das Pflanzenschutzmittel die Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung erteilt wurde, entgegenstehen.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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