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Document 62010CA0292

    Rechtssache C-292/10: Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 15. März 2012 (Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Regensburg — Deutschland) — G/Cornelius de Visser (Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen — Öffentliche Zustellung gerichtlicher Schriftstücke — Fehlen eines bekannten Wohnsitzes oder Aufenthaltsorts des Beklagten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats — Zuständigkeit für Klagen aus „unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ — Verletzung der Persönlichkeitsrechte, die möglicherweise durch die Veröffentlichung von Lichtbildern im Internet begangen wurde — Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht)

    ABl. C 133 vom 5.5.2012, p. 5–5 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    5.5.2012   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 133/5


    Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 15. März 2012 (Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Regensburg — Deutschland) — G/Cornelius de Visser

    (Rechtssache C-292/10) (1)

    (Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - Öffentliche Zustellung gerichtlicher Schriftstücke - Fehlen eines bekannten Wohnsitzes oder Aufenthaltsorts des Beklagten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats - Zuständigkeit für Klagen aus „unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ - Verletzung der Persönlichkeitsrechte, die möglicherweise durch die Veröffentlichung von Lichtbildern im Internet begangen wurde - Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht)

    2012/C 133/07

    Verfahrenssprache: Deutsch

    Vorlegendes Gericht

    Landgericht Regensburg

    Parteien des Ausgangsverfahrens

    Kläger: G

    Beklagter: Cornelius de Visser

    Gegenstand

    Vorabentscheidungsersuchen — Landgericht Regensburg — Auslegung von Art. 6 Abs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2007, C 303, S. 1), von Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Nr. 3 und Art. 26 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) und von Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ABl. L 178, S. 1) — Nationale Regelung, die unter bestimmten Umständen eine öffentliche Zustellung von Schriftstücken an den Beklagten vorsieht und den Erlass eines Versäumnisurteils auf der Grundlage einer auf diese Weise zugestellten Klage erlaubt — Anwendbarkeit der Zuständigkeitsregelungen der Verordnung (EG) Nr. 44/2001, wenn kein Wohn- oder Aufenthaltsort des Beklagten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats bekannt ist — Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts hinsichtlich einer Klage wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten, die dadurch begangen worden sein soll, dass Fotografien auf einer Website veröffentlicht wurden, die von einer Person betrieben wird, deren Wohnort unbekannt ist

    Tenor

    1.

    Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens dahin auszulegen, dass er der Anwendung von Art. 5 Nr. 3 dieser Verordnung auf eine Haftungsklage wegen des Betriebs einer Website gegen einen Beklagten, der mutmaßlich Unionsbürger ist, dessen Aufenthaltsort jedoch unbekannt ist, nicht entgegensteht, wenn das angerufene Gericht nicht über beweiskräftige Indizien verfügt, die den Schluss zulassen, dass dieser Beklagte seinen Wohnsitz tatsächlich außerhalb des Gebiets der Europäischen Union hat.

    2.

    Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es dem Erlass eines Versäumnisurteils gegen einen Beklagten nicht entgegensteht, dem mangels Ermittelbarkeit seines Aufenthalts die Klage nach nationalem Recht öffentlich zugestellt wurde, sofern sich das angerufene Gericht vorher vergewissert hat, dass alle Nachforschungen, die der Sorgfaltsgrundsatz und der Grundsatz von Treu und Glauben gebieten, vorgenommen worden sind, um den Beklagten ausfindig zu machen.

    3.

    Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es der Bestätigung eines Versäumnisurteils gegen einen Beklagten, dessen Anschrift unbekannt ist, als Europäischer Vollstreckungstitel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen entgegensteht.

    4.

    Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) findet in einem Fall keine Anwendung, in dem der Ort der Niederlassung des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft unbekannt ist, da diese Bestimmung nur dann anwendbar ist, wenn der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der betreffende Anbieter tatsächlich niedergelassen ist, feststeht.


    (1)  ABl. C 346 vom 18.12.2010.


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