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Document 62007TJ0112

    Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 12. Juli 2011.
    Hitachi Ltd, Hitachi Europe Ltd und Japan AE Power Systems Corp. gegen Europäische Kommission.
    Wettbewerb - Kartelle - Markt für Projekte im Bereich gasisolierter Schaltanlagen - Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen festgestellt wird - Aufteilung des Marktes - Verteidigungsrechte - Nachweis der Zuwiderhandlung - einheitliche, dauernde Zuwiderhandlung - Geldbußen - Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung - Abschreckungswirkung - Zusammenarbeit.
    Rechtssache T-112/07.

    Sammlung der Rechtsprechung 2011 II-03871

    ECLI identifier: ECLI:EU:T:2011:342

    Rechtssache T‑112/07

    Hitachi Ltd u. a.

    gegen

    Europäische Kommission

    „Wettbewerb – Kartelle – Markt für Projekte im Bereich gasisolierter Schaltanlagen – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR‑Abkommen festgestellt wird – Aufteilung des Marktes – Verteidigungsrechte – Nachweis der Zuwiderhandlung – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Geldbußen – Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung – Abschreckungswirkung – Zusammenarbeit“

    Leitsätze des Urteils

    1.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Wahrung der Verteidigungsrechte – Akteneinsicht – Umfang – Nichtübermittlung eines Schriftstücks – Folgen

    (Art. 81 Abs. 1 EG; EWR-Abkommen, Art. 53 Abs. 1)

    2.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Wahrung der Verteidigungsrechte – Übermittlung der Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte – Voraussetzungen – Grenzen

    (Art. 81 Abs. 1 EG; EWR-Abkommen, Art. 53 Abs. 1)

    3.      Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Nachweis der Zuwiderhandlung – Schriftliche Aussagen der Mitarbeiter einer an der Zuwiderhandlung beteiligten Gesellschaft – Beweiswert – Beurteilung

    (Art. 81 Abs. 1 EG; Mitteilung 2002/C 45/03 der Kommission)

    4.      Gemeinschaftsrecht – Grundsätze – Grundrechte – Unschuldsvermutung – Verfahren in Wettbewerbssachen

    (Art. 6 Abs. 2 EU; Art. 81 Abs. 1 EG; EWR-Abkommen, Art. 53 Abs. 1)

    5.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Art des Nachweises – Heranziehung eines Indizienbündels

    (Art. 81 Abs. 1 EG)

    6.      Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Nachweis der Zuwiderhandlung – Beurteilung des Beweiswerts der verschiedenen Beweisstücke – Kriterien

    (Art. 81 Abs. 1 EG; EWR-Abkommen, Art. 53)

    7.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Beweislast der Kommission für die Zuwiderhandlung und ihre Dauer

    (Art. 81 Abs. 1 EG; Mitteilung 2002/C 45/03 der Kommission)

    8.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Nichtfestsetzung oder niedrigere Festsetzung der Geldbuße als Gegenleistung für die Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens

    (Art. 81 Abs. 1 EG; Mitteilung 2002/C 45/03 der Kommission, Nr. 21)

    9.      Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Wettbewerbswidriger Zweck – Hinreichende Feststellung

    (Art. 81 Abs. 1 EG; EWR-Abkommen, Art. 53 Abs. 1)

    10.    Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellen – Begriff – Persönliche Verantwortung der Unternehmen, die Mittäter der Zuwiderhandlung sind, für die gesamte Zuwiderhandlung – Voraussetzungen

    (Art. 81 Abs. 1 EG; EWR-Abkommen, Art. 53 Abs. 1)

    11.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung

    (Art. 81 Abs. 1 EG; EWR-Abkommen, Art. 53 Abs. 1; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2)

    12.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Abschreckender Charakter

    (Art. 81 Abs. 1 EG; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 A)

    1.      Als Ausfluss des Grundsatzes der Wahrung der Verteidigungsrechte bedeutet in einem Verwaltungsverfahren zur Anwendung von Wettbewerbsregeln das Recht auf Akteneinsicht, dass die Kommission dem betroffenen Unternehmen die Möglichkeit geben muss, alle Schriftstücke in der Ermittlungsakte zu prüfen, die möglicherweise für seine Verteidigung erheblich sind. Zu ihnen gehören sowohl belastende als auch entlastende Schriftstücke mit Ausnahme von Geschäftsgeheimnissen anderer Unternehmen, internen Schriftstücken der Kommission und anderen vertraulichen Informationen.

    Die Nichtübermittlung eines Schriftstücks, auf das sich die Kommission zur Untermauerung ihres Vorwurfs gegen ein Unternehmen gestützt hat, stellt nur dann eine Verletzung der Verteidigungsrechte dar, wenn das betroffene Unternehmen nachweist, dass das Ergebnis, zu dem die Kommission in ihrer Entscheidung gelangt ist, anders ausgefallen wäre, wenn das nicht übermittelte Schriftstück als belastendes Beweismittel ausgeschlossen werden müsste.

    Wurde ein entlastendes Schriftstück nicht übermittelt, so muss das betroffene Unternehmen nur nachweisen, dass seine Nichtoffenlegung den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung der Kommission zu seinen Ungunsten beeinflussen konnte. Es genügt, dass das Unternehmen dartut, dass es die fraglichen entlastenden Schriftstücke zu seiner Verteidigung hätte einsetzen können, und zwar in dem Sinne, dass es, wenn es sich im Verwaltungsverfahren auf diese Schriftstücke hätte berufen können, Gesichtspunkte hätte geltend machen können, die nicht mit den in diesem Stadium von der Kommission gezogenen Schlüssen übereinstimmten und daher, in welcher Weise auch immer, die von der Kommission in ihrer Entscheidung vorgenommenen Beurteilungen zumindest in Bezug auf die Schwere und die Dauer des ihm zur Last gelegten Verhaltens und damit die Höhe der Geldbuße hätten beeinflussen können.

    (vgl. Randnrn. 31, 36-37)

    2.      In einem wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln eingeleiteten Verfahren wird das betroffene Unternehmen erst zu Beginn des kontradiktorischen Abschnitts des Verwaltungsverfahrens durch die Mitteilung der Beschwerdepunkte über alle wesentlichen Gesichtspunkte informiert, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, und verfügt zur Sicherstellung der wirksamen Ausübung seiner Verteidigungsrechte über ein Recht auf Zugang zu den Akten. Folglich gehört die Antwort anderer Beteiligter auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte grundsätzlich nicht zu den Unterlagen der Ermittlungsakte, die die Beteiligten einsehen können.

    Wenn sich allerdings die Kommission auf eine Passage in einer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte oder auf eine dieser Antwort beigefügte Anlage stützen will, um in einem Verfahren nach Art. 81 Abs. 1 EG das Bestehen einer Zuwiderhandlung nachzuweisen, muss den anderen Beteiligten dieses Verfahrens Gelegenheit gegeben werden, sich zu einem solchen Beweismittel zu äußern. Unter solchen Umständen stellt nämlich die fragliche Passage in einer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte oder die Anlage zu dieser Antwort Material dar, das die verschiedenen an der Zuwiderhandlung angeblich Beteiligten belastet.

    Entsprechend stellt eine Passage in einer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte oder eine Anlage zu dieser Antwort, wenn sie für die Verteidigung eines Unternehmens von Bedeutung sein kann, da sie es diesem Unternehmen ermöglicht, sich auf Beweisstücke zu berufen, die nicht im Einklang mit den Ergebnissen der Kommission in diesem Verfahrensstadium stehen, ein entlastendes Beweismittel dar. In diesem Fall muss dem betroffenen Unternehmen Gelegenheit gegeben werden, die fragliche Passage oder das fragliche Dokument zu prüfen und sich zu ihm zu äußern.

    (vgl. Randnrn. 32-34)

    3.      Die schriftlichen Aussagen der Mitarbeiter einer Gesellschaft, die unter deren Kontrolle verfasst wurden und zu deren Verteidigung im Rahmen des von der Kommission geführten Verwaltungsverfahrens wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln vorgelegt werden, können grundsätzlich nicht als von den eigenen Erklärungen dieser Gesellschaft verschiedene und unabhängige Beweisstücke angesehen werden. Im Allgemeinen beruht nämlich der Standpunkt einer Gesellschaft in Bezug auf das Vorliegen des ihr von der Kommission vorgeworfenen Sachverhalts in erster Linie auf den Kenntnissen und Ansichten ihrer Mitarbeiter und Geschäftsleiter.

    Somit sind die Aussagen der Mitarbeiter einer an einem Kartell beteiligten Gesellschaft keine von deren eigenen Erklärungen getrennte und unabhängige Beweismittel, da sich die Zeugen auf Betreiben dieser Gesellschaft und im Rahmen der Verpflichtung der Letzteren zur Zusammenarbeit nach der Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen gegenüber der Kommission geäußert haben, wobei ein externer Berater der betreffenden Gesellschaft anwesend sein durfte. Diese Aussagen sind daher nicht geeignet, die Erklärungen der Gesellschaft, die sie beschäftigt, zu erhärten. Sie ergänzen diese Erklärungen vielmehr und können ihren Inhalt näher ausführen und konkretisieren. Auch sie müssen daher durch andere Beweise erhärtet werden.

    (vgl. Randnrn. 48, 129)

    4.      Hat das Gericht Zweifel, so muss dies dem Unternehmen zugutekommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG festgestellt wird. Das Gericht kann daher nicht davon ausgehen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn bei ihm noch Zweifel in dieser Hinsicht bestehen, insbesondere dann, wenn es sich um eine Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung zur Verhängung einer Geldbuße handelt.

    Unter den genannten Umständen ist nämlich die Unschuldsvermutung insbesondere nach Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu beachten, die zu den Grundrechten gehört, die allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts darstellen. Angesichts der Art der betreffenden Zuwiderhandlungen sowie der Art und der Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt die Unschuldsvermutung insbesondere in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können.

    (vgl. Randnrn. 58-59)

    5.      Im Wettbewerbsbereich ist es erforderlich, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung nachzuweisen. Jedoch muss nicht jeder von der Kommission erbrachte Beweis notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung diesen Kriterien entsprechen. Es genügt, wenn ein von der Kommission angeführtes Bündel von Indizien im Ganzen betrachtet dem genannten Erfordernis entspricht. Das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung kann folglich aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können.

    Stützt sich die Kommission jedoch für ihre Feststellung des Vorliegens einer Zuwiderhandlung ausschließlich auf das Marktverhalten der Unternehmen, genügt es für diese, das Vorliegen von Umständen nachzuweisen, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen und damit eine andere plausible Erklärung der Tatsachen ermöglichen, aus denen die Kommission auf die Begehung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln geschlossen hat.

    Dies gilt jedoch nicht für alle Fälle, in denen eine Zuwiderhandlung nur aufgrund nichtschriftlicher Nachweise festgestellt wird. Hinsichtlich der Beweismittel, die zum Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG herangezogen werden dürfen, gilt im Gemeinschaftsrecht nämlich der Grundsatz der freien Beweiswürdigung.

    Selbst wenn sich somit das Fehlen schriftlicher Nachweise im Rahmen der Gesamtbeurteilung des von der Kommission angeführten Bündels von Indizien als relevant erweisen kann, kann das betroffene Unternehmen nicht allein seinetwegen die Behauptungen der Kommission durch eine andere Erklärung des Sachverhalts in Frage stellen. Dies ist nur dann der Fall, wenn aufgrund der von der Kommission beigebrachten Beweise das Vorliegen der Zuwiderhandlung nicht eindeutig und nur durch Auslegung dieser Beweise nachgewiesen werden kann.

    Aus diesem Grund ist die Kommission selbst bei Fehlen schriftlicher Nachweise nicht gehalten, unabhängige Untersuchungen zur Überprüfung der Tatsachen durchzuführen.

    (vgl. Randnrn. 60-66)

    6.      In einem Verfahren wegen Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG ist das alleinige Kriterium für die Beurteilung des Beweiswerts der verschiedenen Beweisstücke ihre Glaubhaftigkeit. Nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen hängt die Glaubhaftigkeit eines Schriftstücks und damit sein Beweiswert von seiner Herkunft, den Umständen seiner Entstehung, seinem Adressaten und seinem Inhalt ab.

    Zudem kann Erklärungen von Unternehmen ein besonders hoher Beweiswert beigemessen werden, wenn sie verlässlich sind, im Namen eines Unternehmens abgegeben wurden, von einer Person stammen, die beruflich verpflichtet ist, im Interesse dieses Unternehmens zu handeln, den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, von einem unmittelbaren Zeugen der Vorgänge stammen, auf die sie sich beziehen, und bedacht sowie nach reiflicher Überlegung schriftlich abgegeben werden.

    Hingegen kann eine Erklärung, die ein der Beteiligung an einem Kartell beschuldigtes Unternehmen abgibt und deren Richtigkeit von mehreren anderen betroffenen Unternehmen bestritten wird, nicht als hinreichender Beweis für die Begehung einer Zuwiderhandlung durch diese anderen Unternehmen angesehen werden, wenn sie nicht durch andere Beweise untermauert wird, wobei jedoch der erforderliche Grad der Erhärtung aufgrund der Glaubhaftigkeit der fraglichen Erklärungen geringer ist.

    (vgl. Randnrn. 68-71)

    7.      Auch wenn gegenüber den freiwilligen Angaben der Hauptteilnehmer an einem rechtswidrigen Kartell im Allgemeinen ein gewisses Misstrauen angebracht ist, da die Möglichkeit besteht, dass diese Teilnehmer die Neigung haben, die Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrags als so klein wie möglich und den der anderen als so groß wie möglich darzustellen, so ändert dies nichts daran, dass ein Antrag auf Anwendung der Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen, um einen Erlass oder eine Herabsetzung der Geldbuße zu erreichen, nicht zwangsläufig einen Anreiz schafft, verfälschte Beweise für die Beteiligung der übrigen Kartellmitglieder vorzulegen. Jeder Versuch einer Irreführung der Kommission könnte nämlich die Aufrichtigkeit und Vollständigkeit der Kooperation des Antragstellers in Frage stellen und damit die Möglichkeit gefährden, dass er in den vollen Genuss der Kronzeugenregelung gelangt.

    Was die individuellen Beweggründe der Zeugen betrifft, ist zwar möglich, dass auch die Mitarbeiter eines Unternehmens, das einen Antrag auf Geldbußenerlass gestellt hat, die gehalten sind, in dessen Interesse zu handeln, so viele belastende Umstände wie möglich anführen wollen, da sich ihre Mitarbeit im Rahmen des Verfahrens auch positiv auf ihre berufliche Zukunft auswirken kann. Ist dies der Fall, werden den fraglichen Mitarbeitern jedoch auch die möglichen negativen Folgen unrichtiger Angaben bewusst sein, die durch die Notwendigkeit ihrer Erhärtung durch andere Beweise deutlicher spürbar sind.

    (vgl. Randnrn. 72, 130)

    8.      Eine Ermäßigung der Geldbuße kann nach Randnr. 21 der Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen nur dann gewährt werden, wenn den betreffenden Beweismitteln im Vergleich zu denen, über die die Kommission bereits verfügt, erheblicher Beweiswert zukommt. Daher ist es legitim, dass sich ein Unternehmen, das eine Geldbußenermäßigung erlangen möchte, in einem nach der Versendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte gestellten Antrag auf Geldbußenerlass auf die Umstände konzentriert, die seines Erachtens bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen wurden, um einen erheblichen Mehrwert beizutragen. Dies kann eine Erklärung dafür sein, warum das betreffende Unternehmen die Umstände nicht erwähnt, die seines Erachtens durch bereits zuvor übermittelte Beweisstücke zweifelsfrei nachgewiesen sind.

    Außerdem ist nach dem Wortlaut von Randnr. 21 der Kronzeugenregelung nicht auszuschließen, dass die Vorlage von Beweismitteln, denen zwar ein gewisser Beweiswert zukommt, die jedoch Tatsachen betreffen, die bereits durch andere Beweismittel nachgewiesen wurden, zu keiner Ermäßigung führt.

    (vgl. Randnrn. 178-180)

    9.      Eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) liegt schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten. Die tatsächlichen Auswirkungen einer Vereinbarung brauchen nicht berücksichtigt zu werden, wenn sich ergibt, dass sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt. Das Bestehen einer gegenseitigen Verpflichtung bedeutet zwangsläufig das Vorliegen eines gemeinsamen Willens, selbst wenn für die genaue Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem dieser Wille zum Ausdruck gebracht wurde, oder für eine Formalisierung dieses Ausdrucks keine Anhaltspunkte vorliegen.

    (vgl. Randnrn. 268-269)

    10.    Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ergeben sich notwendigerweise aus einem Zusammenwirken mehrerer Unternehmen, die zwar alle Mittäter der Zuwiderhandlung sind, deren Beteiligung aber insbesondere in Abhängigkeit von den Merkmalen des betroffenen Marktes und der Stellung des einzelnen Unternehmens auf diesem Markt, den verfolgten Zielen und der gewählten oder vorgesehenen Art und Weise der Durchführung verschiedene Formen aufweisen kann. Jedoch kann die Verantwortung des einzelnen Unternehmens für die gesamte Zuwiderhandlung einschließlich des Verhaltens, das zwar von anderen beteiligten Unternehmen an den Tag gelegt wurde, aber dieselbe wettbewerbswidrige Zielsetzung oder Wirkung hat, nicht allein deshalb ausgeschlossen sein, weil jedes Unternehmen sich auf eine ihm eigene Art und Weise an der Zuwiderhandlung beteiligt.

    So ist ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die unter den Begriff der auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG oder Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen fallen und die einen Beitrag zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit leisten sollten, an einer solchen Zuwiderhandlung beteiligt hatte, für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich, das andere Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag legten, wenn das betreffende Unternehmen nachweislich von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und wenn es bereit war, das daraus erwachsende Risiko einzugehen.

    Das ist der Fall, wenn ein Unternehmen eines Drittstaats, das nur eine passive Rolle im Rahmen einer „Übereinkunft“, durch die die Zuteilung konkreter Projekte im EWR europäischen Herstellern vorbehalten wurde, spielt, da es darüber Bescheid wusste und seine passive Rolle nicht auf seine Entscheidung, sondern auf die Form seiner Beteiligung am Abkommen über den Markt im EWR zurückzuführen war, und diese Beteiligung eine Vorbedingung dafür war, dass die Projekte im EWR unter den europäischen Herstellern aufgeteilt werden konnten.

    (vgl. Randnrn. 287-290)

    11.    Wenn eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG durch mehrere Unternehmen begangen wurde, ist nach der Rechtsprechung die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen von ihnen zu prüfen. Dass sich ein Unternehmen nicht an allen Tatbestandsmerkmalen eines Kartells beteiligt oder aber bei seiner Beteiligung eine weniger bedeutende Rolle gespielt hat, ist somit bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen.

    Was insbesondere eine Vereinbarung betrifft, in der sich Unternehmen eines Drittstaats verpflichteten, nicht in den Markt des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) einzudringen, und die europäischen Unternehmen sich die verschiedenen Projekte auf diesem Markt durch aktives kollusives Handeln untereinander aufteilten, ist die Schwere des Verhaltens der Unternehmen der Drittstaaten mit der des Verhaltens der europäischen Unternehmen vergleichbar, da ihre mangelnde Teilnahme an der Zuteilung der Projekte im EWR nicht das Ergebnis ihrer Entscheidung, sondern bloß die Folge der Art ihrer Beteiligung an der betreffenden Vereinbarung war.

    (vgl. Randnrn. 312, 314-316)

    12.    Was die Wiederholungstäterschaft anbelangt, ist die Abschreckung ein Ziel der Geldbuße. Außerdem ist die Notwendigkeit, eine solche Abschreckung zu gewährleisten, ein allgemeines Erfordernis, von dem sich die Kommission bei der gesamten Berechnung der Geldbuße leiten lassen muss; sie bedeutet nicht zwingend, dass die Berechnung einen speziellen Abschnitt umfasst, in dem alle für die Verwirklichung dieses Zwecks relevanten Umstände einer Gesamtbeurteilung unterzogen werden.

    Die Kommission kann diesen Umstand daher, ohne einen Fehler zu begehen, im Rahmen der Beurteilung der erschwerenden Umstände und nicht bei der Festlegung der Abschreckungsfaktoren berücksichtigen.

    (vgl. Randnr. 353)







    URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

    12. Juli 2011(*)

    „Wettbewerb – Kartelle – Markt für Projekte im Bereich gasisolierter Schaltanlagen – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR‑Abkommen festgestellt wird – Aufteilung des Marktes – Verteidigungsrechte – Nachweis der Zuwiderhandlung – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Geldbußen – Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung – Abschreckungswirkung – Zusammenarbeit“

    In der Rechtssache T‑112/07

    Hitachi Ltd mit Sitz in Tokio (Japan),

    Hitachi Europe Ltd mit Sitz in Maidenhead (Vereinigtes Königreich),

    Japan AE Power Systems Corp. mit Sitz in Tokio,

    Prozessbevollmächtigte: M. Reynolds, P. Mansfield und B. Roy, Solicitors, D. Arts, avocat, N. Green, QC, und S. Singla, Barrister,

    Klägerinnen,

    gegen

    Europäische Kommission, vertreten zunächst durch F. Arbault, dann durch X. Lewis, dann durch P. Van Nuffel und J. Bourke sowie schließlich durch P. Van Nuffel, N. Khan und F. Ronkes Agerbeek als Bevollmächtigte im Beistand von J. Holmes, Barrister,

    Beklagte,

    wegen Nichtigerklärung der Entscheidung K (2006) 6762 endg. der Kommission vom 24. Januar 2007 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR‑Abkommens (Sache COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen), soweit sie die Klägerinnen betrifft, und wegen Aufhebung der gegen sie verhängten Geldbußen, hilfsweise, Nichtigerklärung von Art. 2 dieser Entscheidung, soweit sie die Klägerinnen betrifft, und äußerst hilfsweise Aufhebung oder Herabsetzung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbußen

    erlässt

    DAS GERICHT (Zweite Kammer)

    unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová (Berichterstatterin), der Richterin K. Jürimäe und des Richters S. Soldevila Fragoso,

    Kanzler: C. Kantza, Verwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2009

    folgendes

    Urteil

     Vorgeschichte des Rechtsstreits

    A –  Klägerinnen

    1        Die Hitachi Ltd und ihre Tochtergesellschaft, die Hitachi Europe Ltd (im Folgenden gemeinsam: Hitachi), sind in mehreren Industriezweigen tätige Unternehmen, u. a. im Bereich der gasisolierten Schaltanlagen (im Folgenden: GIS). Die Japan AE Power Systems Corp. (im Folgenden: JAEPS) ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Hitachi, der Fuji Electric Systems Co. Ltd und der Meidensha Corp., das am 1. Oktober 2002 von den Konzernen, denen seine Anteilsinhaber angehörten, u. a. die Tätigkeiten im GIS‑Bereich übernahm.

    B –  Betroffene Erzeugnisse

    2        GIS dienen zur Kontrolle des Energieflusses in Stromnetzen. Es handelt sich um schweres elektrisches Gerät, das als Hauptbestandteil von Umspannwerken eingesetzt wird. GIS werden weltweit als integraler Bestandteil eines schlüsselfertigen elektrischen Umspannwerks oder als gesondertes, dort erst einzubauendes Zubehör verkauft.

    C –  Verwaltungsverfahren

    3        Am 3. März 2004 informierte die ABB Ltd die Kommission der Europäischen Gemeinschaften über das Bestehen wettbewerbswidriger Praktiken im GIS‑Sektor und beantragte mündlich einen Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission vom 19. Februar 2002 über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Kronzeugenregelung).

    4        Der Antrag von ABB auf Geldbußenerlass wurde durch mündliche Erklärungen und schriftliche Beweisstücke ergänzt. Die Kommission gewährte daraufhin ABB mit Entscheidung vom 24. April 2004 einen bedingten Geldbußenerlass.

    5        Auf der Grundlage der Erklärungen von ABB leitete die Kommission eine Untersuchung ein und führte am 11. und 12. Mai 2004 Nachprüfungen in den Geschäftsräumen mehrerer im GIS‑Sektor tätiger Gesellschaften durch.

    6        Am 20. April 2006 nahm die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an, die 20 Unternehmen zugestellt wurde, darunter u. a. den Klägerinnen. Am 18. und 19. Juli 2006 führte die Kommission eine Anhörung der Unternehmen durch, an die die Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet war.

    D –  Angefochtene Entscheidung

    7        Am 24. Januar 2007 erließ die Kommission die Entscheidung K (2006) 6762 endg. in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR‑Abkommens (Sache COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

    8        In den Randnrn. 113 bis 123 der angefochtenen Entscheidung führte die Kommission aus, die am Kartell beteiligten Unternehmen hätten die Zuteilung von GIS‑Projekten weltweit mit Ausnahme einiger Märkte nach vereinbarten Regeln koordiniert, um insbesondere Kontingente beizubehalten, die weitgehend ihren geschätzten historischen Marktanteilen entsprochen hätten. Die Zuteilung der GIS‑Projekte sei auf der Grundlage eines gemeinsamen „japanischen“ Gesamtkontingents und eines gemeinsamen „europäischen“ Gesamtkontingents vorgenommen worden, die sodann von den japanischen und den europäischen Herstellern jeweils untereinander aufgeteilt worden seien. Eine in Wien am 15. April 1988 unterzeichnete Vereinbarung (im Folgenden: GQ‑Abkommen) habe die Regeln festgelegt, nach denen die GIS‑Projekte den japanischen oder den europäischen Herstellern zuzuteilen gewesen seien und ihr Wert auf das jeweilige Kontingent anzurechnen gewesen sei. In den Randnrn. 124 bis 132 der angefochtenen Entscheidung führte die Kommission näher aus, die einzelnen am Kartell beteiligten Unternehmen hätten eine nicht schriftlich festgehaltene Vereinbarung (im Folgenden: Übereinkunft) getroffen, nach der die GIS-Projekte in Japan einerseits und in den Ländern der europäischen Kartellmitglieder andererseits, die zusammen als die „Stammländer“ der GIS-Projekte bezeichnet worden seien, den japanischen bzw. den europäischen Kartellmitgliedern vorbehalten gewesen seien. Über die GIS‑Projekte in den „Stammländern“ seien keine Informationen zwischen den beiden Gruppen ausgetauscht worden, und sie seien nicht auf die jeweiligen Kontingente angerechnet worden.

    9        Das GQ‑Abkommen habe weiter Regeln über den Austausch der für das Funktionieren des Kartells notwendigen Informationen zwischen den beiden Herstellergruppen enthalten, der insbesondere über die Sekretariate der genannten Gruppen stattgefunden habe, über die Manipulation der betreffenden Ausschreibungen und über die Festsetzung von Preisen für die GIS‑Projekte, die nicht hätten zugeteilt werden können. Nach dem Wortlaut seines Anhangs 2 habe das GQ-Abkommen für die ganze Welt gegolten, ausgenommen die Vereinigten Staaten, Kanada, Japan und siebzehn westeuropäische Länder. Zudem seien nach der Übereinkunft GIS-Projekte in anderen europäischen Ländern als den „Stammländern“ ebenfalls der europäischen Gruppe vorbehalten gewesen, da sich die japanischen Hersteller verpflichtet hätten, für GIS-Projekte in Europa keine Angebote einzureichen.

    10      Nach den Ausführungen der Kommission war die Aufteilung der GIS-Projekte auf die europäischen Hersteller in einer ebenfalls in Wien am 15. April 1988 unterzeichneten Vereinbarung mit der Bezeichnung „E‑Group Operation Agreement for GQ‑Agreement“ (Vereinbarung der E‑Gruppe über die Durchführung des GQ-Abkommens, im Folgenden: EQ-Abkommen) geregelt. Die Zuteilung der GIS-Projekte in Europa sei nach den gleichen Regeln und Verfahren erfolgt wie die Zuteilung der GIS-Projekte in anderen Ländern. Insbesondere hätten auch GIS‑Projekte in Europa gemeldet, in eine Liste eingetragen, zugeteilt und abgesprochen werden sollen, oder es sei ein Mindestpreis vorgesehen worden.

    11      Ausgehend von den Tatsachenfeststellungen und der rechtlichen Würdigung in der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die beteiligten Unternehmen gegen Art. 81 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (im Folgenden: EWR‑Abkommen) verstoßen hatten, und verhängte gegen sie Geldbußen, die nach der Methode berechnet wurden, die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), und in der Kronzeugenregelung vorgesehen ist.

    12      In Art. 1 der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass Hitachi vom 15. April 1988 bis zum 31. Dezember 1999 und vom 2. Juli 2002 bis zum 11. Mai 2004, Hitachi Europe vom 15. April 1988 bis 31. Dezember 1999 und vom 2. Juli bis zum 30. September 2002 und JAEPS vom 1. Oktober 2002 bis 11. Mai 2004 an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen seien.

    13      Für die in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung wurde gegen die Hitachi in Art. 2 der angefochtenen Entscheidung eine Geldbuße in Höhe von 50 400 000 Euro verhängt, wovon 48 375 000 Euro gesamtschuldnerisch mit der Hitachi Europe Ltd zu zahlen waren. Gegen JAEPS wurde, ebenfalls in Art. 2 der angefochtenen Entscheidung, eine gesamtschuldnerisch mit Hitachi sowie mit der Fuji Electric Holdings Co. Ltd und der Fuji Electric Systems (im Folgenden gemeinsam: Fuji) zu zahlende Geldbuße von 1 350 000 Euro verhängt.

     Verfahren und Anträge der Parteien

    14      Mit Klageschrift, die am 17. April 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben. Die Klagebeantwortung ist am 13. August 2007 und die Erwiderung am 21. November 2007 eingegangen. Das schriftliche Verfahren ist mit dem Eingang der Gegenerwiderung am 10. Januar 2008 geschlossen worden.

    15      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Zweite Kammer) am 22. September 2009 beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 seiner Verfahrensordnung hat das Gericht die Kommission aufgefordert, bestimmte Unterlagen vorzulegen, und die Parteien ersucht, sich im Hinblick auf den geltend gemachten Klagegrund einer Verletzung des Rechts auf Aktenzugang zur Erheblichkeit dieser Unterlagen zu äußern. Ferner hat das Gericht der Kommission eine schriftliche Frage gestellt und sie aufgefordert, sie in der mündlichen Verhandlung zu beantworten.

    16      Die Kommission hat auf die Aufforderung des Gerichts die betreffenden Unterlagen am 26. Oktober 2009 vorgelegt. Die Klägerinnen haben sich am 18. November 2009 zu diesen Unterlagen schriftlich geäußert. Die Kommission hat auf diese Äußerung am 3. Dezember 2009 geantwortet.

    17      In der Sitzung vom 8. Dezember 2009 haben die Verfahrensbeteiligten mündlich verhandelt und die schriftlichen und mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

    18      Mit Beschluss vom 26. März 2010 hat das Gericht die mündliche Verhandlung wiedereröffnet. Am 29. März 2010 hat es im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung die Kommission aufgefordert, mehrere Dokumente vorzulegen.

    19      Da die Kommission geltend gemacht hat, dass bestimmte Dokumente wegen des im Rahmen der Kronzeugenregelung gewährten Schutzes nicht vorgelegt werden könnten, hat das Gericht im Rahmen der Beweisaufnahme nach Art. 65 der Verfahrensordnung der Kommission mit Beschluss vom 11. Juni 2010 die Vorlage dieser Unterlagen aufgegeben und die Modalitäten der Einsichtnahme in diese Dokumente durch die Klägerinnen festgelegt. Die Kommission ist dieser Anordnung im Rahmen der Beweisaufnahme innerhalb der eingeräumten Frist nachgekommen.

    20      Die mündliche Verhandlung ist am 27. Juli 2010 geschlossen worden.

    21      Die Klägerinnen beantragen,

    –        die angefochtene Entscheidung, soweit sie sie betrifft, für nichtig zu erklären und daher die gegen sie verhängten Geldbußen aufzuheben;

    –        hilfsweise, Art. 2 der angefochtenen Entscheidung, soweit er sie betrifft, für nichtig zu erklären;

    –        äußerst hilfsweise, die gegen sie verhängten Geldbußen aufzuheben oder herabzusetzen;

    –        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    22      Die Kommission beantragt,

    –        die Klage als unbegründet abzuweisen;

    –        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

     Rechtliche Würdigung

    23      Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf fünf Klagegründe. Der erste ist auf eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte durch die Kommission gestützt. Mit dem zweiten machen sie geltend, die Kommission habe das Bestehen der Übereinkunft sowie die daraus resultierende Zuwiderhandlung nicht nachgewiesen. Mit dem dritten machen sie geltend, die Kommission habe das Vorliegen einer einheitlichen, dauernden Zuwiderhandlung nicht nachgewiesen. Der vierte ist auf einen Fehler der Kommission bei der Berechnung der gegen sie verhängten Geldbußen gestützt. Fünftens machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe die Geldbußen der Klägerinnen nach einer Methode berechnet, die gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verstoße.

    24      Die Kommission hält diese Klagegründe für unbegründet.

    25      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen nicht angegeben haben, auf welche ihrer Klagegründe sie ihre einzelnen Anträge jeweils stützen. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Klägerinnen ihren Hauptantrag auf den ersten, den zweiten und den dritten Klagegrund stützen. Greift nämlich einer dieser Klagegründe durch, werden sowohl Art. 1 als auch Art. 2 der angefochtenen Entscheidung, soweit sie die Klägerinnen betreffen, für nichtig zu erklären sein. Sodann ist anzunehmen, dass die Klägerinnen den vierten und den fünften Klagegrund zur Stützung ihres Hilfsantrags geltend gemacht haben, da diese Klagegründe auf die Festsetzung der Höhe der gegen sie verhängten Geldbußen abzielen. Ihren weiteren Hilfsantrag haben die Klägerinnen schließlich auf keinen eigenständigen Klagegrund gestützt.

    A –  Zum Hauptantrag: Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung, soweit sie die Klägerinnen betrifft

    1.     Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen durch die Kommission

    a)     Vorbringen der Parteien

    26      Nach Ansicht der Klägerinnen hat die Kommission ihre Verteidigungsrechte verletzt, da sie ihnen nicht den gesamten relevanten Akteninhalt übermittelt habe.

    27      Im Rahmen des ersten Teils des ersten Klagegrundes machen sie zu den belastenden Beweismitteln geltend, die Kommission habe ihnen die am 21. November 2006 eingereichte Äußerung von Fuji nicht übermittelt, die angeblich den Grund für den Abschluss der Übereinkunft und die besonderen wirtschaftlichen Gründe von Fuji für ihr Fernbleiben vom europäischen Markt für GIS-Projekte bestätigten. Es sei jedoch höchst wahrscheinlich, dass in Anbetracht des Beweiswerts, den die Kommission den Angaben von Fuji in Bezug auf das Bestehen der Übereinkunft beimesse, das Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können, wenn die fragliche Äußerung den Klägerinnen übermittelt worden wäre.

    28      Im Rahmen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes machen die Klägerinnen geltend, ihre Verteidigungsrechte seien dadurch verletzt worden, dass ihnen folgende entlastenden Beweisstücke nicht übermittelt worden seien:

    –        die Vereinbarung „General Rules for GE Agreement“ (im Folgenden: GE‑Abkommen) sowie die Äußerungen der anderen an dieser Vereinbarung beteiligten Unternehmen; diese Unterlagen seien im Zusammenhang mit dem Nachweis des Bestehens eines europäischen Kartells im Bereich der GIS-Projekte vor dem GQ-Abkommen relevant;

    –        die Äußerungen der anderen am Kartell beteiligten Unternehmen, die die Glaubwürdigkeit der der Kommission von Fuji vorgelegten Aussage von Herrn H. zum Bestehen der Übereinkunft widerlegten und die anderen von Fuji zum Bestehen der Übereinkunft vorgelegten Beweismittel entkräften könnten;

    –        die Aussagen der anderen am Kartell beteiligten Unternehmen zum Nichtbestehen der Übereinkunft und insbesondere die von der Siemens AG am 7. August 2006 vorgelegten Aussagen, die die Plausibilität des Vorbringens der Kommission zum Bestehen dieser Übereinkunft in Frage stellen könnten;

    –        die in Randnr. 164 der angefochtenen Entscheidung angeführten Stellungnahmen der anderen japanischen Unternehmen zu deren behaupteter Beteiligung an den europäischen Projekten, die belegten, dass die japanischen Unternehmen nie an den Gesprächen über diese Projekte teilgenommen hätten;

    –        die von Areva vorgelegte Erklärung von Herrn S. vom 15. September 2006 zum Zerfall des Kartells im Jahr 1999, aus der sich ergebe, dass sich der Aufbau des Kartells ab 2002 von dem des vorherigen Kartells unterschieden habe.

    29      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

    b)     Würdigung durch das Gericht

    30      Die Wahrung der Verteidigungsrechte erfordert es, dem Betroffenen im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen und Umstände sowie zu den Schriftstücken, auf die sie den Vorwurf einer Zuwiderhandlung gegen den Vertrag stützt, sachgerecht Stellung zu nehmen (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2007, I‑123, Randnr. 66).

    31      Als Ausfluss des Grundsatzes der Wahrung der Verteidigungsrechte bedeutet das Recht auf Akteneinsicht, dass die Kommission dem betroffenen Unternehmen die Möglichkeit geben muss, alle Schriftstücke in der Ermittlungsakte zu prüfen, die möglicherweise für seine Verteidigung erheblich sind. Zu ihnen gehören sowohl belastende als auch entlastende Schriftstücke mit Ausnahme von Geschäftsgeheimnissen anderer Unternehmen, internen Schriftstücken der Kommission und anderen vertraulichen Informationen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnr. 68).

    32      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das betroffene Unternehmen erst zu Beginn des kontradiktorischen Abschnitts des Verwaltungsverfahrens durch die Mitteilung der Beschwerdepunkte über alle wesentlichen Gesichtspunkte informiert wird, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, und zur Sicherstellung der wirksamen Ausübung seiner Verteidigungsrechte über ein Recht auf Zugang zu den Akten verfügt. Folglich gehört die Antwort anderer Beteiligter auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte grundsätzlich nicht zu den Unterlagen der Ermittlungsakte, die die Beteiligten einsehen können (Urteil des Gerichts vom 30. September 2009, Hoechst/Kommission, T‑161/05, Slg. 2009, II-0000, Randnr. 163).

    33      Wenn sich allerdings die Kommission auf eine Passage in einer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte oder auf eine dieser Antwort beigefügte Anlage stützen will, um in einem Verfahren nach Art. 81 Abs. 1 EG das Bestehen einer Zuwiderhandlung nachzuweisen, muss den anderen Beteiligten dieses Verfahrens Gelegenheit gegeben werden, sich zu einem solchen Beweismittel zu äußern. Unter solchen Umständen stellt nämlich die fragliche Passage in einer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte oder die Anlage zu dieser Antwort Material dar, das die verschiedenen an der Zuwiderhandlung angeblich Beteiligten belastet (vgl. Urteil Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 32 angeführt, Randnr. 164 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Rechtsprechung ist auf Art. 53 Abs. 1 EWR‑Abkommen übertragbar.

    34      Entsprechend stellt eine Passage in einer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte oder eine Anlage zu dieser Antwort, wenn sie für die Verteidigung eines Unternehmens von Bedeutung sein kann, da sie es diesem Unternehmen ermöglicht, sich auf Beweisstücke zu berufen, die nicht im Einklang mit den Ergebnissen der Kommission in diesem Verfahrensstadium stehen, ein entlastendes Beweismittel dar. In diesem Fall muss dem betroffenen Unternehmen Gelegenheit gegeben werden, die fragliche Passage oder das fragliche Dokument zu prüfen und sich zu ihm zu äußern.

    35      Jedoch wird bloß aufgrund der Tatsache, dass sich andere Unternehmen auf dasselbe Vorbringen wie das betroffene Unternehmen gestützt haben und gegebenenfalls ihre Verteidigung aufwendiger gestalteten, dieses Vorbringen noch nicht zu Entlastungsmaterial (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, Slg. 2006, II‑3435, Randnrn. 353 und 355).

    36      Was die Folgen anbelangt, wenn bei der Gewährung des Aktenzugangs gegen diese Regeln verstoßen wird, so stellt die Nichtübermittlung eines Schriftstücks, auf das sich die Kommission zur Untermauerung ihres Vorwurfs gegen ein Unternehmen gestützt hat, nur dann eine Verletzung der Verteidigungsrechte dar, wenn das betroffene Unternehmen nachweist, dass das Ergebnis, zu dem die Kommission in ihrer Entscheidung gelangt ist, anders ausgefallen wäre, wenn das nicht übermittelte Schriftstück als belastendes Beweismittel ausgeschlossen werden müsste (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnrn. 71 und 73).

    37      Wurde ein entlastendes Schriftstück nicht übermittelt, so muss das betroffene Unternehmen nur nachweisen, dass seine Nichtoffenlegung den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung der Kommission zu seinen Ungunsten beeinflussen konnte. Es genügt, dass das Unternehmen dartut, dass es die fraglichen entlastenden Schriftstücke zu seiner Verteidigung hätte einsetzen können, und zwar in dem Sinne, dass es, wenn es sich im Verwaltungsverfahren auf diese Schriftstücke hätte berufen können, Gesichtspunkte hätte geltend machen können, die nicht mit den in diesem Stadium von der Kommission gezogenen Schlüssen übereinstimmten und daher, in welcher Weise auch immer, die von der Kommission in ihrer Entscheidung vorgenommenen Beurteilungen zumindest in Bezug auf die Schwere und die Dauer des ihm zur Last gelegten Verhaltens und damit die Höhe der Geldbuße hätten beeinflussen können (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnrn. 74 f.).

    38      Dass ein nicht übermitteltes Schriftstück Einfluss auf den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung der Kommission hätte haben können, kann nur nach einer vorläufigen Prüfung bestimmter Beweismittel nachgewiesen werden, die zeigt, dass die nicht übermittelten Schriftstücke eine Bedeutung – für diese Beweismittel – hätten haben können, die nicht hätte unberücksichtigt bleiben dürfen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnr. 76).

    –       Zum ersten Teil: Nichtübermittlung belastender Beweismittel

    39      Die Kommission räumt ein, dass sie ihre in der angefochtenen Entscheidung gegen die Klägerinnen erhobenen Vorwürfe nicht auf die Stellungnahme von Fuji vom 21. November 2006 habe stützen können, bestreitet jedoch, sie tatsächlich als belastendes Beweismittel herangezogen zu haben.

    40      Dennoch hat die Kommission, wie die Klägerinnen geltend machen, in den Randnrn. 125 und 255 der angefochtenen Entscheidung zur Untermauerung des Bestehens der Übereinkunft auf die Stellungnahme von Fuji vom 21. November 2006 Bezug genommen.

    41      Ob der vorliegende Teil des ersten Klagegrundes durchgreift, hängt somit von der Würdigung des Vorbringens der Klägerinnen zum Nachweis des Bestehens der Übereinkunft im Rahmen des ersten Teils des zweiten Klagegrundes ab. Wird nämlich festgestellt, dass das Bestehen dieser Übereinkunft selbst bei Nichtberücksichtigung der Stellungnahme von Fuji vom 21. November 2006 als belastendes Beweismittel rechtlich hinreichend nachgewiesen wurde, wird der vorliegende Teil des vorliegenden Klagegrundes zurückzuweisen sein. Wird hingegen festgestellt, dass diese Stellungnahme zur Stützung der Feststellungen, die in der angefochtenen Entscheidung zum Bestehen der Übereinkunft getroffen wurden, erforderlich ist, wird dieser Klagegrund insoweit durchgreifen.

    –       Zum zweiten Teil: Nichtübermittlung entlastender Beweismittel

    42      Zunächst ist zwischen den Parteien unstreitig, dass das GE-Abkommen den Klägerinnen übermittelt wurde. Die Klägerinnen bringen nämlich nur vor, dass ihnen nur eine sehr kurze Frist zu seiner Prüfung zur Verfügung gestanden habe, führen jedoch nicht näher aus, inwieweit ihre Verteidigung dadurch erschwert wurde. Zudem räumen die Klägerinnen in ihrer Äußerung vom 18. November 2009 ein, dass sie Gelegenheit gehabt hätten, sich zu diesem Abkommen zu äußern, und diese Gelegenheit auch tatsächlich wahrgenommen hätten. Ihr Vorbringen in Bezug auf dieses Abkommen kann daher nicht durchgreifen.

    43      Was sodann die Stellungnahmen der anderen am Kartell beteiligten Unternehmen zum GE-Abkommen betrifft, legen die Klägerinnen in ihrer Äußerung vom 18. November 2009 dar, dass auch die Toshiba Corp. und die Mitsubishi Electric System Corp. (im Folgenden: Melco) aus denselben Gründen wie die, die die Klägerinnen der Kommission genannt hätten, den Wert dieses Abkommens als entlastendes Beweisstück anerkannt hätten. Die Klägerinnen beschränken sich somit auf das Vorbringen, dass sich Toshiba und Melco auf dieselben Argumente wie sie gestützt hätten, so dass die Stellungnahmen von Toshiba und Melco nicht als entlastende Beweismittel angesehen werden können.

    44      Dasselbe gilt weiter für die Äußerungen der anderen am Kartell beteiligten Unternehmen, die die Glaubhaftigkeit der Aussage von Herrn H. zum Bestehen der Übereinkunft widerlegen sollen. In ihrer Äußerung vom 18. November 2009 weisen die Klägerinnen nämlich darauf hin, dass auch Toshiba und Melco den Beweiswert dieser Aussage aus denselben Gründen, wie sie gegenüber der Kommission angeführt worden seien, kritisch beurteilt hätten.

    45      Ferner wird in den Stellungnahmen und Aussagen von Melco und Siemens sowie in den von Fuji vorgelegten Aussagen erwähnt, dass „erhebliche“ Zutrittsschranken zum europäischen Markt bestanden hätten und es sich bei diesem Markt um einen „reifen“ Markt gehandelt habe, was ein Eindringen der japanischen Hersteller schwierig oder sogar unmöglich gemacht habe. Außerdem haben Siemens und Melco sowie ihre Mitarbeiter das Bestehen der Übereinkunft und Gespräche darüber ausdrücklich bestritten; in der von Siemens vorgelegten Aussage von Herrn T. heißt es, dass das auf dem GQ-Abkommen beruhende Kartell auf den Mittleren Osten konzentriert gewesen sei und sich nicht auf Europa erstreckt habe.

    46      Zum einen haben jedoch die Klägerinnen das Vorbringen der Kommission, die Aussagen der Mitarbeiter von Fuji seien ihnen übermittelt worden, nicht bestritten. Daher kann hinsichtlich dieser Beweismittel keine Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht festgestellt werden.

    47      Zum anderen ist das Vorbringen der Klägerinnen in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte dasselbe wie das oben in Randnr. 45 angeführte, so dass die Stellungnahmen von Melco und Siemens nicht als entlastende Beweismittel angesehen werden können, deren Übermittlung den Verfahrensablauf und den Inhalt der angefochtenen Entscheidung hätten beeinflussen können.

    48      Gleiches gilt für die Aussagen der Mitarbeiter von Melco und von Siemens, da die schriftlichen Aussagen der Mitarbeiter einer Gesellschaft, die unter deren Kontrolle verfasst wurden und zu deren Verteidigung im Rahmen des von der Kommission geführten Verwaltungsverfahrens vorgelegt werden, grundsätzlich nicht als von den eigenen Erklärungen dieser Gesellschaft verschiedene und unabhängige Beweisstücke angesehen werden können. Im Allgemeinen beruht nämlich der Standpunkt einer Gesellschaft in Bezug auf das Vorliegen des ihr von der Kommission vorgeworfenen Sachverhalts in erster Linie auf den Kenntnissen und Ansichten ihrer Mitarbeiter und Geschäftsleiter.

    49      Soweit die Klägerinnen die Ansicht vertreten, dass die Aussagen der Mitarbeiter von Siemens die Behauptung der Kommission, die europäischen Hersteller hätten das Bestehen der Übereinkunft nicht bestritten, in Frage stellten, ist darauf hinzuweisen, dass nicht nachgewiesen wurde, dass sich die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte oder in einem späteren Verfahrensstadium auf eine solche allgemeine Behauptung stützte. Die Kommission stellte in Randnr. 125 der angefochtenen Entscheidung bloß fest, dass das Bestehen dieser Übereinkunft von Alstom und Areva nicht bestritten und von dem zur Gruppe um die VA TECH Transmission & Distribution GmbH & Co. KEG (im Folgenden: VA TECH) gehörenden Unternehmen nicht offen bestritten worden sei. Hingegen machte die Kommission zum Standpunkt von Siemens oder der europäischen Hersteller im Allgemeinen keine näheren Angaben. Das Vorbringen der Klägerinnen wird daher nicht durch Tatsachen gestützt. Im Übrigen wird auf den Standpunkt der europäischen Hersteller zum Bestehen der Übereinkunft und auf seine Erheblichkeit unten in den Randnrn. 197 bis 203 eingegangen.

    50      Außerdem hat die Kommission auf Aufforderung des Gerichts im Hinblick auf die in Randnr. 164 der angefochtenen Entscheidung genannten Äußerungen der übrigen japanischen Unternehmen zu deren behaupteter Beteiligung an den GIS-Projekten im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) einen Auszug aus der Antwort von Melco auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgelegt, nach der Melco bestreitet, an der Aufteilung solcher Projekte beteiligt gewesen zu sein.

    51      Melco beschränkte sich jedoch in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte darauf, dieselbe Haltung wie die Klägerinnen einzunehmen, was diese in ihrer Äußerung vom 18. November 2009 einräumen. Folglich ist die Antwort von Melco auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte kein entlastendes Beweismittel, dessen Übermittlung den Verfahrensablauf und den Inhalt der angefochtenen Entscheidung hätte beeinflussen können.

    52      Schließlich geht aus den Erklärungen von Herrn S. vom 15. September 2006 hervor, dass dieser annahm, dass das Kartell zerfallen sei, nachdem Siemens seine Beteiligung an ihm im Jahr 1999 ausgesetzt habe, und dass das ab 2002 bestehende Kartell sich grundlegend von dem bis 1999 bestehenden unterschieden habe.

    53      Die Antwort der Klägerinnen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte enthält jedoch dasselbe Vorbringen, mit dem das Bestehen einer einheitlichen, dauernden Zuwiderhandlung bestritten wird. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Erwägungen in Randnr. 48 oben zur Einstufung der Aussagen von Mitarbeitern einer Gesellschaft ist davon auszugehen, dass auch die Erklärungen von Herrn S. keine entlastenden Beweismittel darstellen, deren Übermittlung den Verfahrensablauf und den Inhalt der angefochtenen Entscheidung hätten beeinflussen können.

    54      Nach alledem ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

    2.     Zum zweiten Klagegrund: Fehlender Nachweis des Bestehens der Übereinkunft oder der daraus resultierenden Zuwiderhandlung

    55      Die Klägerinnen machen im Rahmen des ersten Teils des zweiten Klagegrundes geltend, die Kommission habe das Bestehen der Übereinkunft nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen; sie habe keine Anstrengungen unternommen, die bestehenden Zweifel im Rahmen einer unabhängigen Untersuchung zu beseitigen. Die Kommission hätte im vorliegenden Fall die von den Klägerinnen vorgebrachte andere Erklärung des Sachverhalts akzeptieren müssen. Im Rahmen des zweiten Teils des zweiten Klagegrundes machen sie geltend, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Übereinkunft eine beschränkende Vereinbarung oder eine abgestimmte Verhaltensweise dargestellt habe.

    56      Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

    a)     Zum ersten Teil: Kein Nachweis der Übereinkunft durch die Kommission

    57      Nach der Rechtsprechung obliegt es der Kommission, die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen nachzuweisen und Beweise beizubringen, die geeignet sind, das Vorliegen der Tatsachen, die eine Zuwiderhandlung darstellen, rechtlich hinreichend zu belegen (vgl. Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Dresdner Bank u. a./Kommission, T‑44/02 OP, T‑54/02 OP, T‑56/02 OP, T‑60/02 OP und T‑61/02 OP, Slg. 2006, II‑3567, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    58      Hat das Gericht insoweit Zweifel, so muss dies dem Unternehmen zugutekommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Das Gericht kann daher nicht davon ausgehen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn bei ihm noch Zweifel in dieser Hinsicht bestehen, insbesondere dann, wenn es sich um eine Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung zur Verhängung einer Geldbuße handelt (Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnr. 60).

    59      Unter den genannten Umständen ist nämlich die Unschuldsvermutung insbesondere nach Art. 6 Abs. 2 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu beachten, die zu den Grundrechten gehört, die allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts darstellen. Angesichts der Art der betreffenden Zuwiderhandlungen sowie der Art und der Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt die Unschuldsvermutung insbesondere in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können (vgl. in diesem Sinne Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnr. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    60      Somit ist es erforderlich, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung nachzuweisen. Jedoch muss nicht jeder von der Kommission erbrachte Beweis notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung diesen Kriterien entsprechen. Es genügt, wenn ein von der Kommission angeführtes Bündel von Indizien im Ganzen betrachtet dem genannten Erfordernis entspricht (vgl. Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnrn. 62 f. und die dort angeführte Rechtsprechung).

    61      Außerdem kann in Anbetracht der Bekanntheit des Verbots wettbewerbswidriger Vereinbarungen von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie Beweisstücke vorlegt, die eine Kontaktaufnahme zwischen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen. Die lückenhaften und vereinzelten Beweise, über die die Kommission gegebenenfalls verfügt, müssen jedenfalls durch Schlussfolgerungen ergänzt werden können, die die Rekonstruktion der relevanten Umstände ermöglichen. Das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung kann folglich aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (vgl. Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnrn. 64 f. und die dort angeführte Rechtsprechung).

    62      Stützt sich die Kommission jedoch für ihre Feststellung des Vorliegens einer Zuwiderhandlung ausschließlich auf das Marktverhalten der Unternehmen, genügt es für diese, das Vorliegen von Umständen nachzuweisen, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen und damit eine andere plausible Erklärung der Tatsachen ermöglichen, aus denen die Kommission auf die Begehung einer Zuwiderhandlung gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln geschlossen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Randnr. 186 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    63      Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen gilt dies jedoch nicht für alle Fälle, in denen eine Zuwiderhandlung nur aufgrund nichtschriftlicher Nachweise festgestellt wird.

    64      Hinsichtlich der Beweismittel, die zum Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG herangezogen werden dürfen, gilt im Gemeinschaftsrecht nämlich der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T‑50/00, Slg. 2004, II‑2395, Randnr. 72). Diese Rechtsprechung ist auf Art. 53 EWR‑Abkommen übertragbar.

    65      Selbst wenn sich somit das Fehlen schriftlicher Nachweise im Rahmen der Gesamtbeurteilung des von der Kommission angeführten Bündels von Indizien als relevant erweisen kann, kann das betroffene Unternehmen nicht allein seinetwegen die Behauptungen der Kommission durch eine andere Erklärung des Sachverhalts in Frage stellen. Dies ist nur dann der Fall, wenn aufgrund der von der Kommission beigebrachten Beweise das Vorliegen der Zuwiderhandlung nicht eindeutig und nur durch Auslegung dieser Beweise nachgewiesen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Coats Holdings und Coats/Kommission, T‑36/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 74).

    66      Aus diesem Grund ist die Kommission selbst bei Fehlen schriftlicher Nachweise nicht gehalten, unabhängige Untersuchungen zur Überprüfung der Tatsachen durchzuführen.

    67      Zudem verbietet keine Bestimmung und kein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts der Kommission, gegen ein Unternehmen die Erklärungen anderer Unternehmen zu verwenden, denen vorgeworfen wird, sie seien am Kartell beteiligt gewesen. Andernfalls wäre die der Kommission obliegende Beweislast für Verhaltensweisen, die Art. 81 EG zuwiderlaufen, untragbar und mit der ihr anvertrauten Aufgabe, die richtige Anwendung dieser Bestimmung zu überwachen, nicht zu vereinbaren (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 192). Diese Rechtsprechung ist auf Art. 53 EWR‑Abkommen übertragbar.

    68      Eine Erklärung, die ein der Beteiligung an einem Kartell beschuldigtes Unternehmen abgibt und deren Richtigkeit von mehreren anderen betroffenen Unternehmen bestritten wird, kann jedoch nicht als hinreichender Beweis für die Begehung einer Zuwiderhandlung durch diese anderen Unternehmen angesehen werden, wenn sie nicht durch andere Beweise untermauert wird, wobei jedoch der erforderliche Grad der Erhärtung aufgrund der Glaubhaftigkeit der fraglichen Erklärungen geringer ist (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnrn. 219 f.).

    69      Was den Beweiswert der verschiedenen Beweisstücke anbelangt, ist das alleinige Kriterium für die Beurteilung der beigebrachten Beweise ihre Glaubhaftigkeit (Urteil Dalmine/Kommission, oben in Randnr. 64 angeführt, Randnr. 72).

    70      Nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen hängt die Glaubhaftigkeit eines Schriftstücks und damit sein Beweiswert von seiner Herkunft, den Umständen seiner Entstehung, seinem Adressaten und seinem Inhalt ab (Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, Randnrn. 1053 und 1838).

    71      Zudem kann Erklärungen ein besonders hoher Beweiswert beigemessen werden, wenn sie verlässlich sind, im Namen eines Unternehmens abgegeben wurden, von einer Person stammen, die beruflich verpflichtet ist, im Interesse dieses Unternehmens zu handeln, den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, von einem unmittelbaren Zeugen der Vorgänge stammen, auf die sie sich beziehen, und bedacht sowie nach reiflicher Überlegung schriftlich abgegeben werden (vgl. in diesem Sinne Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnrn. 205 bis 210).

    72      Auch wenn gegenüber den freiwilligen Angaben der Hauptteilnehmer an einem rechtswidrigen Kartell im Allgemeinen ein gewisses Misstrauen angebracht ist, da die Möglichkeit besteht, wie die Klägerinnen geltend machen, dass diese Teilnehmer die Neigung haben, die Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrags als so klein wie möglich und den der anderen als so groß wie möglich darzustellen, so ändert dies nichts daran, dass ein Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung, um einen Erlass oder eine Herabsetzung der Geldbuße zu erreichen, nicht zwangsläufig einen Anreiz schafft, verfälschte Beweise für die Beteiligung der übrigen Kartellmitglieder vorzulegen. Jeder Versuch einer Irreführung der Kommission könnte nämlich die Aufrichtigkeit und Vollständigkeit der Kooperation des Antragstellers in Frage stellen und damit die Möglichkeit gefährden, dass er in den vollen Genuss der Kronzeugenregelung gelangt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T‑120/04, Slg. 2006, II‑4441, Randnr. 70).

    73      Die Übermittlung unrichtiger Angaben ist möglicherweise insofern folgenreicher, als eine bestrittene Erklärung eines Unternehmens, wie in Randnr. 68 oben ausgeführt, erhärtet werden muss. Dadurch erhöht sich nämlich das Risiko, dass unrichtige Erklärungen sowohl von der Kommission als auch von den anderen beteiligten Unternehmen erkannt werden.

    74      Was die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach den Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung die Übereinkunft eine nichtschriftliche Vereinbarung war, die zunächst die Verpflichtung der japanischen Unternehmen umfasste, nicht in den Markt für GIS‑Projekte im EWR einzudringen, ferner die Verpflichtung der europäischen Unternehmen, nicht in den japanischen Markt für GIS‑Projekte einzudringen, und schließlich die Verpflichtung der europäischen Unternehmen, den japanischen Unternehmen GIS‑Projekte in anderen europäischen Ländern als den Stammländern zu melden und sie auf das gemeinsame „europäische“ Kontingent nach dem GQ-Abkommen anzurechnen. Nach Ansicht der Kommission war das Ziel des Melde- und Anrechnungsmechanismus, den japanischen Unternehmen, die von den europäischen Unternehmen als potenzielle Wettbewerber auf dem EWR-Markt wahrgenommen worden seien, einen Ausgleich anzubieten.

    75      In diesem Zusammenhang ist zunächst das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, dass der Inhalt des Begriffs Übereinkunft in der angefochtenen Entscheidung nicht immer gleich sei. Zwischen den einzelnen Formulierungen, die in der angefochtenen Entscheidung gebraucht werden, sind zwar kleinere Unterschiede feststellbar, diese berühren jedoch nicht die grundlegenden Merkmale dieses Begriffs, wie sie im vorherigen Absatz dargelegt wurden.

    76      Von den verschiedenen oben in Randnr. 74 genannten Bestandteilen der Übereinkunft stellt die Verpflichtung zum Nichteindringen in den EWR-Markt, die die japanischen Unternehmen eingegangen sein sollen, die Grundlage für den Vorwurf dar, den die Kommission den Klägerinnen macht. Daher muss das Bestehen dieser Verpflichtung rechtlich hinreichend nachgewiesen werden. Die anderen Bestandteile der Übereinkunft können sich jedoch im Fall ihres Nachweises als indirekter Beweis für das Bestehen der entsprechenden Verpflichtung der japanischen Unternehmen als relevant erweisen.

    77      Die Klägerinnen bestreiten das Bestehen der Übereinkunft und machen geltend, ihr Fernbleiben vom europäischen Markt für GIS-Projekte sei dadurch erklärbar, dass die japanischen Unternehmen aus verschiedenen Gründen, insbesondere wirtschaftlichen und technischen, nicht als ernsthafte Wettbewerber auf dem europäischen Markt angesehen worden seien. Sie bestreiten den Beweiswert der verschiedenen von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführten Umstände und weisen auf andere hin, die dafür sprächen, dass die Übereinkunft nicht bestanden habe. Sie legen außerdem einen von Beratern erstellten Bericht (im Folgenden: externer Bericht) vor, der ihre andere Erklärung des Sachverhalts stützen soll.

    78      Nach Ansicht der Kommission ist das Bestehen der Übereinkunft und insbesondere die Verpflichtung der japanischen Unternehmen, nicht in den EWR-Markt einzudringen, durch ein Bündel von Beweisen, das schriftliche Beweisstücke, Erklärungen von Unternehmen, Zeugenaussagen und Umstände umfasse, die das tatsächliche Funktionieren des Kartells beträfen, rechtlich hinreichend nachgewiesen.

    79      Somit ist die Verlässlichkeit und der Gehalt der einzelnen betreffenden Beweisstücke zu beurteilen, um zu überprüfen, ob die von der Kommission geltend gemachten Umstände eine feste Überzeugung vom Bestehen der Übereinkunft stützen, die durch die von den Klägerinnen vorgebrachten Umstände nicht in Frage gestellt werden kann.

     Zum GQ-Abkommen und zum EQ-Abkommen

    –       Vorbringen der Parteien

    80      Die Klägerinnen machen zum einen geltend, dass das GQ- und das EQ-Abkommen keine Bezugnahmen auf die Übereinkunft enthielten, obwohl in diesen Abkommen das Kartell detailliert geregelt sei. Insoweit spiegle Anhang 2 des GQ-Abkommens nicht das Bestehen der Übereinkunft, sondern den Ausschluss der westeuropäischen Länder vom Anwendungsbereich dieser Vereinbarung wider.

    81      Zum anderen bestreiten die Klägerinnen das Bestehen eines engen Zusammenhangs zwischen dem GQ-Abkommen und dem EQ-Abkommen. Trotz seiner Detailliertheit nehme das GQ- nicht auf das EQ-Abkommen Bezug. Außerdem seien die japanischen Hersteller nicht Partei des EQ-Abkommens gewesen und hätten über seinen Inhalt nicht Bescheid gewusst.

    82      Das GQ- und das EQ-Abkommen stellten daher keine schriftlichen Nachweise für das Bestehen der Übereinkunft dar. Da in diesen Abkommen die Übereinkunft trotz ihrer behaupteten grundlegenden Bedeutung für das weltweite Kartell nicht erwähnt werde, sei ihr Inhalt sogar Beweis dafür, dass die Übereinkunft nicht bestanden habe.

    83      Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

    –       Würdigung durch das Gericht

    84      Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das GQ-Abkommen den Aufbau eines weltweiten Kartells für GIS-Projekte vorsieht. In diesem Abkommen wird zum einen, wie die Klägerinnen geltend machen, die Übereinkunft nicht erwähnt, und zum anderen sind nach Anhang 2 dieses Abkommens Japan, die damaligen zwölf Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft sowie fünf weitere Länder Westeuropas von seinem Anwendungsbereich ausgeschlossen.

    85      Vor diesem Hintergrund ist das GQ-Abkommen nicht als schriftlicher Nachweis für das Bestehen der Übereinkunft anzusehen. Die Auslegung der Kommission, wonach der Ausschluss der europäischen Länder und Japans auf das Bestehen der Übereinkunft zurückzuführen sei, ist nämlich auf den ersten Blick nicht plausibler als die von den Klägerinnen vertretene gegenteilige Auslegung.

    86      Das EQ-Abkommen ist eine Durchführungsvereinbarung zum GQ-Abkommen, das sich insbesondere auf die Aufteilung des gemeinsamen „europäischen“ Kontingents nach letzterem Abkommen bezieht. Daher besteht zwischen diesen Abkommen eine gewisse Verbindung. Das EQ-Abkommen wurde jedoch ausschließlich von den europäischen Unternehmen geschlossen. Die Klägerinnen gehörten ihm somit nicht an. Außerdem wird in diesem Abkommen die Übereinkunft nicht ausdrücklich erwähnt.

    87      Dazu ist ferner darauf hinzuweisen, dass die europäischen Hersteller nach Punkt 4 des Abschnitts „E (E‑Members)“ des Anhangs 2 des EQ-Abkommens „über die Meldung der europäischen Projekte an [die Gruppe der japanischen Hersteller] entscheiden“. Aus dem Kontext von Anhang 2 geht hervor, dass die Übermittlung der Informationen vor der Zuteilung der betreffenden GIS-Projekte stattfinden musste.

    88      Dieser Umstand widerlegt in gewisser Hinsicht das Vorbringen der Klägerinnen, da er darauf hindeutet, dass nach Ansicht der europäischen Hersteller die japanischen Hersteller am Prozess der Zuteilung zumindest bestimmter GIS-Projekte im EWR interessiert sein konnten und daher potenzielle Wettbewerber in Bezug auf solche Projekte waren.

    89      Jedoch beweist nichts im EQ-Abkommen und auch kein anderer von der Kommission angeführter Umstand, dass der betreffende Mechanismus von den europäischen Herstellern durchgeführt wurde oder die japanischen Hersteller von seinem Bestehen wussten.

    90      Das EQ-Abkommen ist daher nur ein Indiz dafür, dass, wie die Kommission vorbringt, die japanischen Hersteller bei der Durchführung bestimmter GIS-Projekte im EWR als ernsthafte Wettbewerber angesehen wurden.

    91      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Verpflichtung einer Gruppe von Herstellern, nicht in den der anderen Gruppe vorbehaltenen Markt einzudringen, die die Kommission den japanischen Herstellern vorwirft, auf einem einfachen und leicht durchführbaren Konzept beruht. Diese Durchführung erfordert grundsätzlich auch keine Interaktion zwischen den betreffenden Unternehmen. Eine solche Verpflichtung kann daher durchaus in Form einer nichtschriftlichen Vereinbarung bestehen, was auch die Gefahr ihrer Aufdeckung verringert. Die Kommission hat dazu in den Randnrn. 170 bis 176 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass im vorliegenden Fall die am Kartell Beteiligten eine Reihe organisatorischer und technischer Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hätten, um seine Aufdeckung zu verhindern.

    92      Der nach der Aufteilung der betreffenden GIS-Projekte durchgeführte Melde- und Anrechnungsmechanismus erforderte zwar, wie die Kommission vorbringt, bestimmte Durchführungsmaßnahmen, diese waren jedoch nicht besonders kompliziert, da sie im Wesentlichen aus der Übermittlung bestimmter Angaben durch die europäische Gruppe an die japanische Gruppe bestanden, die außerdem parallel zur Übermittlung von Angaben nach dem EQ-Abkommen zu den GIS-Projekten außerhalb des EWR erfolgte. Es ist somit nicht ersichtlich, dass für solche Maßnahmen zwangsläufig schriftliche Regeln erforderlich gewesen wären.

     Zu den Erklärungen von ABB

    –       Vorbringen der Parteien

    93      Die Klägerinnen wiederholen zunächst, dass die von ABB im Rahmen ihres Antrags auf Geldbußenerlass gemachten Angaben und insbesondere ihre Erklärungen nach der Gewährung eines bedingten Erlasses durch die Kommission im Licht des Drucks zu sehen seien, unter dem ABB, die sich den Erlass der Geldbuße habe erhalten wollen, gestanden habe; sie habe daher ihren eigenen Tatbeitrag so klein wie möglich und den der anderen beteiligten Unternehmen so groß wie möglich dargestellt. Im vorliegenden Fall habe sich dieser Druck in bruchstückhaften Erklärungen von ABB bei ihrer Anhörung durch die Kommission und im Rahmen eines parallelen Verfahrens, das die tschechische Wettbewerbsbehörde geführt habe, manifestiert.

    94      Die Erklärungen von ABB stammten nicht aus dem maßgeblichen Zeitraum, enthielten keine hinreichend genauen Angaben zur Übereinkunft und seien später abgeändert worden, was ihren Beweiswert verringere.

    95      In ihrem ursprünglichen Antrag auf Geldbußenerlass vom 3. März 2004 habe ABB nicht auf das Bestehen der Übereinkunft Bezug genommen, sondern ausschließlich in ihrer Äußerung vom 11. März 2004.

    96      Zur Äußerung von ABB vom 11. März 2004 bringen die Klägerinnen zunächst vor, dass sich ABB mit ihrem Hinweis auf die Beteiligung der japanischen Unternehmen an der Übereinkunft auf JAEPS und die TM T & D Corp., ein Gemeinschaftsunternehmen von Toshiba und Melco, das die Tätigkeiten der Letzteren im GIS-Bereich zwischen Oktober 2002 und April 2005 betrieben habe, zu beziehen scheine. In der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission die Erklärungen von ABB jedoch nicht nur dahin ausgelegt, dass sie den gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung seit 1988 erfassten, obwohl damals weder TM T & D noch JAEPS existiert hätten, sondern auch dahin, dass sie über diese zwei Gesellschaften hinaus ebenfalls Hitachi und Hitachi Europe beträfen.

    97      Ferner habe sich ABB in ihrer Äußerung vom 11. März 2004 auf vage Angaben zur Dauer des Kartells beschränkt und sich auf den Zeitraum zwischen 1999 und 2002 konzentriert.

    98      Sodann deute die Unbestimmtheit und Widersprüchlichkeit der Angaben von ABB in ihrer Äußerung vom 11. März 2004 darauf hin, dass es sich bei ihnen eher um eine Annahme ihrer Mitarbeiter zu den Marktbedingungen handele, die das Bestehen eines gemeinsamen Willens fraglich erscheinen lasse, als um einen Nachweis für eine ausdrückliche Vereinbarung.

    99      Außerdem habe ABB in ihrer Äußerung vom 11. März 2004 zunächst bestätigt, dass die betroffenen Unternehmen der Ansicht gewesen seien, ein Eindringen in den europäischen Markt sei aufgrund rechtlicher, technischer und wirtschaftlicher Hindernisse schwierig oder sogar unmöglich. Unter diesen Umständen wäre jede ausdrückliche Vereinbarung, die eine Verpflichtung umfasst hätte, nicht in den fraglichen Markt einzudringen, gegenstandslos gewesen.

    100    Schließlich habe ABB in ihrer Äußerung vom 4. Oktober 2005, die nach den Äußerungen der Klägerinnen und der übrigen japanischen Hersteller eingereicht worden sei, in denen das Bestehen der oben erwähnten Hindernisse dargelegt werde, ihre vorherigen Erklärungen zur Übereinkunft abgeändert, da sie insbesondere vorgetragen habe, dass die Zutrittsschranken zum europäischen Markt hätten überwunden werden können und daher ein Eindringen der japanischen Unternehmen wirtschaftlich möglich gewesen sei. Der Beweiswert einer solchen späteren Erklärung, die die früheren Erklärungen radikal abändere, sei jedoch zweifelhaft.

    101    Die Kommission hält das Vorbringen für unbegründet.

    –       Würdigung durch das Gericht

    102    Was die Glaubhaftigkeit der Erklärungen von ABB im Rahmen ihres Antrags auf Geldbußenerlass betrifft, wurde oben in den Randnrn. 72 f. ausgeführt, dass die Tatsache allein, dass ein Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung gestellt wird, um einen Geldbußenerlass zu erreichen, nicht zwangsläufig einen Anreiz schafft, verfälschte Beweise zur Beteiligung der übrigen Kartellmitglieder vorzulegen.

    103    Die besonderen Umstände, die von dem Druck zeugen, unter dem ABB gestanden haben soll, können an dieser Feststellung nichts ändern. Bei ihrer Anhörung durch die Kommission hat sich ABB nämlich darauf beschränkt, den tatsächlichen Rahmen des Kartells darzulegen, und nur vorgetragen, dass die Beweismittel, die sie der Kommission verschafft habe, es rechtfertigten, ihr einen Geldbußenerlass zu gewähren. Im von der tschechischen Wettbewerbsbehörde geführten Verfahren umfasste das Vorbringen von ABB neben diesen zwei Teilen noch einen der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts gewidmeten Teil sowie Ausführungen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass ABB in diesen beiden Fällen über das hinausgegangen wäre, was von einem Unternehmen erwartet werden kann, das einen Geldbußenerlass beantragt hat und sich den bedingten Erlass, der ihr gewährt wurde, durch volle Zusammenarbeit mit der betreffenden Behörde sichern möchte. Daher ist nicht anzunehmen, dass die Glaubhaftigkeit der Erklärungen von ABB dadurch in Frage gestellt wird, dass sie einen Antrag auf Geldbußenerlass gestellt hat.

    104    Auch dem Argument der Klägerinnen, dass die Erklärungen von ABB nicht aus dem maßgeblichen Zeitraum stammten, kann nicht gefolgt werden. Zum einen können Erklärungen, die ein Unternehmen der Kommission im Rahmen eines Antrags auf Geldbußenerlass vorlegt, definitionsgemäß nicht zur gleichen Zeit wie das gesamte Verhalten entstanden sein, das die Zuwiderhandlung bilden soll, ohne dass sie dadurch ihren Beweiswert verlieren. Zum anderen behauptete ABB im vorliegenden Fall ab 11. März 2004, dass die Übereinkunft bestehe, also vor dem Ende der von der angefochtenen Entscheidung erfassten Zuwiderhandlung.

    105    Was den Inhalt der verschiedenen Erklärungen von ABB betrifft, ist zunächst der Tatsache, dass die Übereinkunft im ursprünglichen Antrag, d. h. dem Antrag auf Geldbußenerlass vom 3. März 2004, nicht erwähnt wurde, keine besondere Bedeutung beizumessen. Bei einer ersten Kontaktaufnahme mit der Kommission im Rahmen eines Antrags auf Geldbußenerlass ist es nämlich normal, dass das fragliche Unternehmen nicht sämtliche Aspekte der Zuwiderhandlung, deren Bestehen es aufdecken möchte, im Einzelnen darlegt.

    106    Außerdem erwähnt ABB im ursprünglichen Antrag die Übereinkunft zwar nicht ausdrücklich, weist jedoch darauf hin, dass JAEPS und TM T & D zu den Beteiligten am Kartell gehört hätten und dieses alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union abgedeckt habe. Diese Behauptung impliziert, dass die beiden betreffenden Gesellschaften nach Ansicht von ABB an der Übereinkunft beteiligt waren.

    107    Ferner nahm ABB in ihrer Äußerung vom 11. März 2004, also noch bevor ihr der bedingte Geldbußenerlass gewährt wurde, ausdrücklich auf das Bestehen einer Vereinbarung Bezug, nach der die beiden japanischen Gesellschaften keine Angebote für die europäischen Projekte und die europäischen Gesellschaften keine Angebote für die japanischen Projekte einreichen würden.

    108    Es ist ganz normal, dass ABB in diesem Zusammenhang auf zwei Gesellschaften, nämlich JAEPS und TM T & D, Bezug genommen hat, da zum Zeitpunkt der Abgabe ihrer Erklärungen in diesen Gemeinschaftsunternehmen die Tätigkeiten von Hitachi, Fuji, Toshiba und Melco im GIS-Bereich zusammengefasst waren. Nichtsdestoweniger durfte die Kommission diese Erklärung zu Recht als Hinweis darauf auslegen, dass die genannten Unternehmen selbst an der Übereinkunft beteiligt waren. Im ursprünglichen Antrag hatte ABB nämlich bereits ausgeführt, dass nach ihrem Wissen das Kartell seit mehr als zehn Jahren bestehe, was bedeutet, dass es lange vor der Gründung von JAEPS und TM T & D gebildet wurde.

    109    Zudem ist das Vorbringen der Klägerinnen, ABB habe zur Dauer des Kartells keine Angaben gemacht, aufgrund der Äußerung von ABB vom 11. März 2004 in Verbindung mit ihrem ursprünglichen Antrag zurückzuweisen. In ihrem ursprünglichen Antrag gab ABB nämlich an, dass das Kartell zumindest seit 1994 bestanden habe, und ihre Äußerung vom 11. März 2004 widerspricht dieser Feststellung nicht.

    110    Außerdem erklärte ABB zwar, Grundlage für die Übereinkunft sei der Umstand gewesen, dass die japanischen Hersteller von den europäischen Kunden nicht richtig akzeptiert worden seien und sich auf dem europäischen Markt bestimmten Hindernissen gegenübergesehen hätten. Aus ihrer Äußerung vom 11. März 2004 geht jedoch eindeutig hervor, dass ihrer Ansicht nach die beteiligten japanischen Unternehmen das Bestehen dieser Hindernisse nicht bloß feststellten, sondern sich gegenüber ihren europäischen Partnern dazu verpflichteten, nicht in den EWR-Markt einzudringen. Somit machten die hinsichtlich dieses Markts bestehenden Zutrittsschranken die Übereinkunft nicht gegenstandslos, sondern stellten einen Umstand dar, der zum Abschluss dieser Übereinkunft führte. Eine solche Feststellung ist auch nicht widersprüchlich, da es für einen Hersteller naheliegt, seinen Wettbewerbern im Rahmen einer Aufteilung von Märkten, wie sie die Kommission hier annimmt, die Märkte zu überlassen, auf denen seine Position schwach ist.

    111    Sodann ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, die Äußerung von ABB vom 4. Oktober 2005 widerspreche ihren vorherigen Erklärungen. In dieser Äußerung hat ABB nämlich das Bestehen der Übereinkunft bestätigt. Sie hat bei dieser Gelegenheit zwar betont, dass die Hindernisse, denen sich die japanischen Hersteller gegenübergesehen hätten, wenn sie in den EWR-Markt hätten eindringen wollen, überwindbar gewesen wären, diese Feststellung steht jedoch nicht im Widerspruch mit den Erklärungen vom 11. März 2004, wonach ein Eindringen in diesen Markt nicht unmöglich, sondern nur schwierig gewesen sei.

    112    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen stellt daher die Äußerung von ABB vom 4. Oktober 2005 eine Klarstellung dar, die mit deren vorherigen Erklärungen im Einklang steht.

    113    Nach alledem ist festzustellen, dass die Erklärungen von ABB zum Nachweis der Übereinkunft geeignet sind, da das Bestehen dieser Übereinkunft angeführt und ihr wesentlicher Inhalt beschrieben wird und Angaben zu ihrer Dauer sowie zu ihren Beteiligten gemacht werden.

    114    Die Erklärungen von ABB sind zudem kohärent, wurden im Namen eines Unternehmens abgegeben und beruhen, wie ihr Inhalt zeigt, auf internen Untersuchungen und Gesprächen mit Mitarbeitern dieses Unternehmens. Ihnen ist daher ein gewisser Beweiswert zuzuerkennen. Nach der oben in Randnr. 68 dargelegten Rechtsprechung muss ihr Inhalt jedoch auf jeden Fall durch andere Umstände erhärtet werden.

     Zu den Aussagen der Mitarbeiter sowie eines ehemaligen Mitarbeiters von ABB

    –       Vorbringen der Parteien

    115    Die Klägerinnen wiederholen zunächst ihr Vorbringen, dass der Beweiswert der Angaben von ABB deshalb gering sei, weil sie einen Antrag auf Geldbußenerlass gestellt habe.

    116    Die Aussagen der Mitarbeiter sowie eines ehemaligen Mitarbeiters von ABB seien bei Befragungen im September 2005, somit 18 Monate nach dem ersten Antrag auf Geldbußenerlass, auf Wunsch der Kommission und im Beisein ihrer Bediensteten sowie des Rechtsberaters von ABB, der sich sogar aktiv am Gespräch mit Herrn M. beteiligt habe, gemacht worden.

    117    Einige der Äußerungen während dieser Befragungen zeigten, dass zuvor vorbereitende Sitzungen stattgefunden hätten und zumindest ein schriftlicher Bericht erstellt worden sei. Insbesondere die Erklärungen von Herrn M. schienen auf ein vorbereitendes Gespräch mit dem externen Berater von ABB zurückzugehen, das am Tag der Anhörung stattgefunden habe. Ungeachtet dessen bestünden zwischen den verschiedenen Aussagen Widersprüche.

    118    Zudem seien die Zeugen auf die Bedeutung der Befragungen für das Schicksal des Antrags von ABB auf Geldbußenerlass hingewiesen worden. Folglich hätten diese Zeugen ein persönliches Interesse daran gehabt, der Kommission Umstände mitzuteilen, die das Bestehen der Übereinkunft erhärtet hätten. Insbesondere habe sich Herr M. am Verfahren nur beteiligt, um sich die Leistungen zu erhalten, die ihm ABB während seines Ruhestands gewährt habe.

    119    Hingegen habe keine Gefahr bestanden, ABB durch die Aussagen zu schaden, da diese im Rahmen der Beurteilung ihres Antrags auf Geldbußenerlass zu ihren Gunsten zu berücksichtigen gewesen seien.

    120    Außerdem seien die Erklärungen der Zeugen weder schriftlich abgefasst noch von diesen nochmals auf ihre Richtigkeit überprüft worden. Sie seien daher nicht nach gründlicher Überlegung abgegeben worden. Die Zeugen hätten sich in ihrer Eigenschaft als Mitarbeiter bzw. ehemaliger Mitarbeiter und nicht als offizielle Vertreter von ABB geäußert.

    121    In vielen Fällen seien die befragten Personen keine unmittelbaren Zeugen der von ihnen wiedergegebenen Ereignisse gewesen. Insbesondere Herr M. habe hinsichtlich des Ursprungs der Übereinkunft keine Aussage als unmittelbarer Zeuge machen können, nicht einmal hinsichtlich ihres angeblichen Abschlusses am 15. April 1988, da er angegeben habe, dass die Vereinbarung möglicherweise bereits bestanden habe, als er noch nicht einmal geboren gewesen sei.

    122    Zudem widerspreche die Aussage von Herrn M. vom September 2005 mehrfach der älteren Äußerung von ABB, die ihrerseits auf ihren vorherigen Erklärungen beruht habe, und seine Worte seien ungenau und von der Kommission oder dem externen Berater von ABB suggeriert worden. Außerdem mache die Tatsache, dass er sich an das Bestehen des GE-Abkommens vor November 2006 nicht erinnert habe, die Verlässlichkeit seiner Aussage noch zweifelhafter.

    123    Die Kommission habe den geringen Beweiswert der Aussage von Herrn M. selbst erkannt, da sie nur ausgewählte Teile von ihr verwendet habe.

    124    Was den Inhalt der Aussagen betrifft, sei keiner der Zeugen in der Lage gewesen, die Dauer der Übereinkunft zu bestätigen, zumal nach Ansicht von Herrn M. der Mechanismus des GQ-Abkommens und damit implizit die Übereinkunft selbst 2002 zu existieren aufgehört hätten, während die übrigen Zeugen behauptet hätten, die Übereinkunft sei in verschiedenen Zeiträumen zwischen 2002 und 2004 in Kraft gewesen. Ferner habe kein Zeuge den Begriff Übereinkunft verwendet, und die Hinweise auf das Bestehen eines Kartells seien nicht aus freien Stücken, sondern auf Betreiben der Kommission erfolgt.

    125    Die Klägerinnen weisen insoweit darauf hin, dass sich Herr Wi., obwohl die Kommission bei seiner Befragung das Konzept der Übereinkunft dargelegt habe, sich nur zum Zeitraum Juli 2002 bis Januar 2004 habe äußern können. Auch die Angaben von Herrn P. zur Übereinkunft seien vage gewesen, weshalb die Kommission versucht habe, ihn dazu zu bewegen, anstelle seiner ungenauen Worte explizitere Formulierungen zu gebrauchen, die ihren Standpunkt bestätigten. Herr V.-A. habe bei seiner Befragung durch die Kommission zunächst angegeben, dass Europa und Nordamerika vom Kartell ausgenommen gewesen seien. Wie im Fall von Herrn P. habe die Kommission erst zu einem späteren Zeitpunkt der Befragung das Konzept der Übereinkunft zur Sprache gebracht. Die drei fraglichen Aussagen seien daher ungenau, inkohärent und somit nicht das Ergebnis gründlicher Überlegung.

    126    Was die Aussage von Herrn M. betreffe, beziehe sich seine ursprüngliche Erklärung zum gegenseitigen Schutz der angestammten Märkte auf das Konzept der „Stammländer“ und nicht auf die Übereinkunft, wie sie die Kommission definiere. Auch seine Erklärungen zum Thema der Übereinkunft seien vage.

    127    Auch habe Herr M. nicht bestätigt, dass die japanischen Hersteller in der Lage gewesen seien, GIS-Produkte auf dem europäischen Markt zu verkaufen. Selbst nach Eingreifen des externen Beraters von ABB, der versucht habe, den Zeugen in eine andere Richtung zu lenken, habe Herr M. daran festgehalten, dass ein Auftreten der japanischen Hersteller auf dem europäischen Markt sehr selten gewesen sei.

    128    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

    –       Würdigung durch das Gericht

    129    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Aussagen der Mitarbeiter und des ehemaligen Mitarbeiters von ABB keine von deren eigenen Erklärungen getrennte und unabhängige Beweismittel sind, da sich die Zeugen auf Betreiben von ABB und im Rahmen der Verpflichtung der Letzteren zur Zusammenarbeit nach der Kronzeugenregelung gegenüber der Kommission geäußert haben, wobei ein externer Berater von ABB anwesend sein durfte. Die betreffenden Aussagen sind daher im Sinne der oben in Randnr. 68 angeführten Rechtsprechung nicht geeignet, die Erklärungen von ABB zu erhärten. Sie ergänzen diese Erklärungen vielmehr und können ihren Inhalt näher ausführen und konkretisieren. Auch sie müssen daher durch andere Beweise erhärtet werden.

    130    Soweit die Klägerinnen die Frage der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Mitarbeiter und des ehemaligen Mitarbeiters eines Unternehmens aufwerfen, das einen Antrag auf Geldbußenerlass gestellt hat, sind solche Angaben, wie oben in den Randnrn. 72 f. ausgeführt, nicht automatisch mit Vorsicht zu behandeln. Was die individuellen Beweggründe der Zeugen betrifft, ist zwar möglich, dass auch die Mitarbeiter eines solchen Unternehmens, die gehalten sind, in dessen Interesse zu handeln, so viele belastende Umstände wie möglich anführen wollen, da sich ihre Mitarbeit im Rahmen des Verfahrens auch positiv auf ihre berufliche Zukunft auswirken kann. Ist dies der Fall, werden den fraglichen Mitarbeitern jedoch auch die möglichen negativen Folgen unrichtiger Angaben bewusst sein, die durch die Notwendigkeit ihrer Erhärtung deutlicher spürbar sind.

    131    Was die freiwillige Mitarbeit von Herrn M., einem ehemaligen Mitarbeiter von ABB, im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens betrifft, so ist er grundsätzlich nicht mehr gehalten, im Interesse seines ehemaligen Arbeitgebers zu handeln. Das bedeutet jedoch auch, dass er grundsätzlich kein Interesse daran hat, in diesem Zusammenhang unrichtige Angaben zu machen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich Herr M. zum Zeitpunkt seiner Aussage bereits im Ruhestand befand. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass es für ihn ungünstige Folgen gehabt hätte, insbesondere im Hinblick auf die Leistungen, die ihm ABB gewährt haben soll, wenn er im Verwaltungsverfahren nicht kooperiert hätte.

    132    Auch die Tatsache, dass zwischen der Einreichung des Antrags auf Geldbußenerlass und der Befragung der Zeugen eine bestimmte Zeit vergangen ist, stellt an sich den Beweiswert der Aussagen nicht in Frage. Es ist nämlich gerechtfertigt, dass sich die Kommission im Laufe ihrer Untersuchung zusätzliche Beweise verschafft, um über alle für die Beurteilung des Vorliegens einer Zuwiderhandlung relevanten Angaben zu verfügen, insbesondere im Licht der Äußerungen der betroffenen Unternehmen.

    133    Hingegen kann die Zeit, die zwischen einer Zeugenaussage und dem Sachverhalt, auf den sie sich bezieht, vergangen ist, bei der Beurteilung ihrer Glaubhaftigkeit eine Rolle spielen, da Zeugen im Allgemeinen zu jüngeren Ereignissen detailliertere und verlässlichere Aussagen machen können. Im vorliegenden Fall ist jedoch die Zeit, die zwischen dem Ende der Beteiligung der einzelnen Zeugen am Kartell, d. h. zwischen Mai 2004 im Fall von Herrn V.‑A., Herrn W. und Herrn P. sowie Juni 2002 im Fall von Herrn M., und den Aussagen im September 2005 vergangen ist, nicht lange genug, um Einfluss auf ihre Glaubwürdigkeit zu haben.

    134    Die allgemeine Glaubhaftigkeit der Aussagen wird auch nicht durch die Anwesenheit des externen Beraters von ABB bei den Gesprächen beeinträchtigt, da die Aussagen im Rahmen der Zusammenarbeit von ABB nach der Kronzeugenregelung erfolgten und die Zeugen zu Beginn ihrer jeweiligen Befragung ausdrücklich erklärten, sich von diesem Berater unterstützen lassen zu wollen.

    135    Der externe Berater von ABB griff zwar zu einem bestimmten Zeitpunkt während der Befragung von Herrn M. ein und suggerierte ihm, dass es für die japanischen Hersteller hätte rentabel sein können, in den europäischen Markt einzudringen, wovon Herr M. nicht überzeugt zu sein schien. Daher ist davon auszugehen, dass Herr M. Zweifel am wirtschaftlichen Interesse an einem solchen Schritt äußerte, was bei der Beurteilung des Inhalts seiner Aussage zu berücksichtigen ist. Die Klägerinnen legen jedoch nicht dar, in welchem Umfang dieses Eingreifen des externen Beraters die Glaubhaftigkeit der Aussage von Herrn M. in sonstiger Hinsicht berührt.

    136    Was die vorherige Abfassung eines Berichts und die vorbereitenden Gespräche betrifft, ist es nicht überraschend, dass ein Unternehmen, das einen Antrag auf Geldbußenerlass stellt, zuvor die für seinen Antrag relevanten Tatsachen und die Zeugen, die sich zu ihnen äußern können, ermittelt und mit ihnen analysiert hat, wie weit ihre Kenntnisse reichen.

    137    Außerdem lässt sich nicht sagen, dass die betreffenden Aussagen keine nachteiligen Folgen für ABB hätten haben können. Soweit nämlich die Befragungen vor der Zustellung der Mitteilung der Beschwerdepunkte durchgeführt wurden, konnten weder ABB noch ihre Mitarbeiter bzw. ihr ehemaliger Mitarbeiter sicher sein, welchen Umfang und welchen genauen Inhalt die Vorwürfe gegen ABB haben würden.

    138    Das Vorbringen der Klägerinnen, dass die betreffenden Aussagen nicht das Ergebnis gründlicher Überlegung zu sein scheinen und auch nicht nach nochmaliger Überlegung und zusätzlichen Überprüfungen revidiert wurden, trifft hingegen zu. Die Aussagen erfolgten nämlich mündlich, und es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kommission den Zeugen zuvor schriftliche Fragen gestellt hätte oder die Zeugen ihre Erklärungen zur Übereinkunft und zu den Zutrittsschranken zum EWR-Markt nochmals überprüft und revidiert hätten.

    139    Ebenso ist nicht ersichtlich, dass sich die Zeugen als offizielle Vertreter von ABB geäußert hätten. Zunächst scheinen diese Rolle im Wesentlichen die externen Berater von ABB übernommen zu haben, von denen die oben in den Randnrn. 102 bis 114 behandelten Erklärungen stammen. Sodann war Herr M., worauf oben in Randnr. 131 hingewiesen wurde, zum Zeitpunkt seiner Aussage grundsätzlich nicht mehr gehalten, im Interesse seines ehemaligen Arbeitgebers zu handeln, und es liegt auch kein Hinweis dafür vor, dass er selbst oder ein anderer Zeuge sich durch Gespräche mit anderen Mitarbeitern von ABB und durch Einsichtnahme in deren Unterlagen systematisch auf die Befragung vorbereitet hätte. Schließlich betrafen die dabei von der Kommission gestellten Fragen nicht den Standpunkt von ABB zu den angesprochenen Themen, sondern vielmehr die persönlichen Kenntnisse der einzelnen Zeugen.

    140    Das Vorbringen der Klägerinnen, dass die befragten Personen oft keine unmittelbaren Zeugen der betreffenden Ereignisse gewesen seien, ist zurückzuweisen. Ihren Aussagen zufolge waren die vier Zeugen persönlich an den Vorgängen im Rahmen des Kartells beteiligt. Insbesondere Herr M. war im Kartell zwischen 1988 und 2002 einer der Vertreter von ABB, also fast während der gesamten Dauer seines Bestehens, während ABB selbst eine der Hauptakteurinnen war. Herr M. ist somit ein unmittelbarer und besonders geeigneter Zeuge der von ihm dargelegten Umstände gewesen.

    141    Herr M. hat in seiner Aussage in der Tat bestätigt, dass er beim Abschluss der Übereinkunft, die vor der Unterzeichnung des GQ- und des EQ-Abkommens erfolgt sei, nicht dabei gewesen sei. Dazu befragt, ob bei den Gesprächen, an denen er teilgenommen habe, das Thema der Übereinkunft angesprochen worden sei, hat Herr M. geantwortet, dass dies nicht erforderlich gewesen sei, da die Übereinkunft sich von selbst verstanden habe. Diese Umstände stellen jedoch den Beweiswert der Aussage von Herrn M. nicht in Frage. Zum einen kann ein andauernder Vorgang durchaus selbst dann durch einen Zeugen bewiesen werden, wenn dieser dem Beginn dieses Vorgangs nicht beigewohnt hat. Zum anderen hat Herr M. zwar erklärt, dass die Frage der Übereinkunft bei den Treffen, an denen er teilgenommen habe, nicht ausdrücklich erörtert worden sei, doch sei dies deshalb so gewesen, weil den Kartellmitgliedern diese Übereinkunft klar gewesen sei und sie sie akzeptiert und durchgeführt hätten, ohne dass eine ausdrückliche Erörterung erforderlich gewesen wäre. Da die von der Kommission angeführte Verpflichtung der japanischen Unternehmen bloß in einer Unterlassung und nicht in einem positiven Tun bestand, ist dies durchaus möglich.

    142    Die Klägerinnen legen die Unstimmigkeiten, mit denen die verschiedenen Aussagen behaftet sein sollen, nicht im Einzelnen dar. Außerdem zeigen sich bei einem Vergleich der Aussagen, sowohl untereinander als auch mit den anderen Angaben von ABB, keine Unstimmigkeiten, die die Glaubhaftigkeit der Erklärungen zum Bestehen der Übereinkunft berührten. Die einzige nennenswerte Abweichung betrifft das Bestehen eines wirtschaftlichen Interesses der japanischen Unternehmen an einem Eindringen in den europäischen Markt. Wie jedoch unten in den Randnrn. 156 bis 158 dargelegt, berührt der Standpunkt bestimmter Zeugen zu dieser Frage nicht ihre Erklärungen zum Bestehen der Übereinkunft.

    143    Zur angeblichen Unvollständigkeit der Aussage von Herrn M. ist zu bemerken, dass es nicht überrascht, dass sich ein Zeuge bei einer Befragung nicht an alle ein Kartell betreffende Schriftstücke erinnern kann. Außerdem hat Herr M. zwar bei seiner Befragung nicht ausdrücklich auf das GE-Abkommen Bezug genommen, er hat sich jedoch zur Zuteilung von GIS-Projekten im EWR geäußert, die gemäß den Vereinbarungen erfolgt sei, die vor dem GQ-Abkommen geschlossen worden seien und zu denen insbesondere das GE-Abkommen gehört habe.

    144    Auch die Tatsache, dass die Kommission nicht alle Teile einer Aussage verwertet hat, bedeutet nicht, dass diese geringen Beweiswert hat. Es ist normal, dass manche dieser Teile irrelevant sind oder bestimmte Umstände überzeugender durch andere Beweismittel untermauert werden können.

    145    Was den Inhalt der Aussagen betrifft, stehen die Erklärungen zur Dauer des Kartells entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen sowohl untereinander als auch mit dem Vorbringen der Kommission in Einklang.

    146    Herr M. hat nämlich klar angegeben, dass die Regel, nach der die angestammten Märkte von den europäischen und den japanischen Herstellern jeweils zu respektieren gewesen seien, schon lange bestanden habe und sogar älter als das GQ-Abkommen gewesen sei.

    147    Die Erklärung von Herrn M., dass der Mechanismus des GQ-Abkommens im Jahr 2002 nicht mehr bestanden habe, bedeutet an sich nicht, dass dies auch für die Übereinkunft galt. Zum einen veränderten sich in diesem Zeitraum die Arbeitsmethoden des Kartells ein wenig, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass Siemens und Hitachi sich wieder an diesem Kartell beteiligten und Herr M. daher annehmen konnte, dass das 1988 unterzeichnete und in der Folge geänderte GQ-Abkommen nicht mehr durchgeführt werde. Dieser Umstand ändert jedoch nichts daran, dass auch die ab Juli 2002 angewandten Arbeitsmethoden auf der Übereinkunft oder einer entsprechenden Vereinbarung beruhen konnten. Die Zeugen von ABB, ausgenommen Herr M., haben ausdrücklich bestätigt, dass dies im vorliegenden Fall so war, da nach ihren Erklärungen die Übereinkunft zwischen den europäischen und den japanischen Herstellern über das Respektieren der jeweils angestammten Märkte in der Zeit, in der sie an den Kartellaktivitäten beteiligt gewesen seien, d. h. von Juli 2002 bis 2004, bestanden habe.

    148    Zum anderen wurde Herr M. im Juni 2002 vorzeitig in den Ruhestand versetzt, nachdem sein neuer Vorgesetzter wettbewerbswidrige Aktivitäten aufgedeckt hatte. Dieser Umstand erklärt, dass Herr M. über die ab Juli 2002 angewandten Arbeitsmethoden des Kartells nicht genau Bescheid gewusst hat.

    149    Es kann auch nicht behauptet werden, dass die Zeugen vage und nicht von sich aus auf die Übereinkunft Bezug genommen hätten. Jeder der Zeugen beschrieb mit eigenen Worten eine besondere Situation auf dem europäischen und dem japanischen Markt, die der von der Kommission angeführten Übereinkunft entspricht.

    150    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen hat Herr Wi. erklärt, das Fernbleiben der japanischen Unternehmen vom europäischen Markt sei das Ergebnis eines Systems zum Schutz des japanischen und des europäischen Marktes gewesen, weil keine der beiden Herstellergruppen ein Tätigwerden der jeweils anderen auf ihrem angestammten Markt gewollt habe. Nach der Befragung kam der Vertreter der Kommission zwar auf dieses Thema zurück und verwendete tatsächlich den Begriff Übereinkunft, beschränkte sich jedoch darauf, den von Herrn Wi. spontan eingeführten Begriff klarzustellen.

    151    Herr P. hat von sich aus auf eine Übereinkunft mit den japanischen Unternehmen Bezug genommen, nach der diese nicht auf dem europäischen Markt und die europäischen Unternehmen nicht auf dem japanischen Markt auftreten würden. Auch in diesem Fall kam der Vertreter der Kommission in der Folge auf diese Frage zurück, jedoch nur um zu kontrollieren, ob er die vorangegangenen spontanen Erklärungen richtig verstanden hatte.

    152    Im Fall von Herrn V.-A. hat die Kommission den Begriff Übereinkunft nicht verwendet, sondern den Zeugen nur gefragt, ob er von irgendeiner Vereinbarung zwischen den europäischen und den japanischen Herstellern wisse. In Beantwortung dieser Frage hat Herr V.-A. das Bestehen eines Abkommens zwischen den japanischen und den europäischen Herstellern angeführt, nach dem die europäischen Hersteller die japanischen Unternehmen auf dem japanischen Markt nicht „angreifen“ würden und umgekehrt. Darüber hinaus hat Herr V.-A. erklärt, er habe an einem Gespräch zwischen den europäischen Unternehmen und dem Vertreter eines japanischen Unternehmens teilgenommen, das ausdrücklich die Einhaltung dieser Vereinbarung zum Gegenstand gehabt habe, weil es Versuche der japanischen Unternehmen gegeben habe, in den europäischen Markt einzudringen.

    153    Was außerdem die behauptete Ausklammerung bestimmter Gebiete aus dem Geltungsbereich des weltweiten Kartells betrifft, hat Herr V.‑A. zum einen erklärt, dass Nordamerika aus einem speziellen Grund ausgenommen worden sei, nämlich wegen der Sanktionen, die bei einer Aufdeckung des Kartells gedroht hätten. Zum anderen habe die Ausklammerung der westeuropäischen Länder zur Folge gehabt, dass die betreffenden GIS-Projekte von den europäischen Herstellern nicht bei den Treffen, bei denen er dabei gewesen sei, nämlich denen des zuvor durch das GQ- und das EQ-Abkommen geregelten weltweiten Kartells, sondern bei anderer Gelegenheit besprochen worden seien. Diese Erklärungen stehen jedoch voll mit diesen Vereinbarungen und mit den Behauptungen der Kommission in Einklang.

    154    Herr M. schließlich hat im Rahmen seiner Aussage erklärt, dass zwischen den japanischen und den europäischen Herstellern vor dem GQ-Abkommen eine Vereinbarung über den gegenseitigen Schutz der angestammten Märkte bestanden habe, diese Vereinbarung eine notwendige Voraussetzung für den Abschluss der Vereinbarungen über andere Regionen gewesen sei und nach ihren Regeln die japanischen Hersteller nicht in den angestammten Markt der europäischen Hersteller eindringen würden, obwohl sie dazu technisch in der Lage gewesen seien. Herr M. erläuterte in diesem Zusammenhang auch den Melde- und Anrechnungsmechanismus sowie die Tatsache, dass die GIS-Projekte in den Stammländern nicht Gegenstand der Gespräche zwischen den beiden Herstellergruppen gewesen und nicht auf die Kontingente nach dem GQ-Abkommen angerechnet worden seien.

    155    Die Erklärungen von Herrn M. bestätigen somit das Bestehen der von der Kommission angeführten Übereinkunft und sind nicht als vage zu qualifizieren, da sie zur Dauer der Übereinkunft, zu ihrem Inhalt und zu ihren Teilnehmern klare Aussagen enthalten. Dass Angaben zur Durchführung dieser Vereinbarung fehlen, überrascht kaum, da die wesentliche Verpflichtung der Parteien darin bestand, auf bestimmten Märkten nicht tätig zu werden. Im Übrigen hat Herr M. den Teil der Übereinkunft, der Durchführungsmaßnahmen erforderte, nämlich den Melde- und Anrechnungsmechanismus, beschrieben.

    156    Wie jedoch oben in Randnr. 135 ausgeführt, ist Herr M. nicht davon überzeugt gewesen, dass die japanischen Unternehmen ein wirtschaftliches Interesse an einem Eindringen in den europäischen Markt hatten. Herr P., nach dessen Einschätzung die japanischen Hersteller wahrscheinlich annahmen, dass sich dies in wirtschaftlicher Hinsicht nicht lohne, hat diese Auffassung geteilt. Nach den beiden anderen Zeugen, Herrn Wi. und Herrn V.-A., war ein wirtschaftliches Interesse an einem solchen Schritt gegeben.

    157    Die Ansichten von Herrn M. und Herrn P. ändern nichts daran, dass die vier Zeugen erklärt haben, die japanischen Unternehmen hätten sich verpflichtet, nicht in den EWR-Markt einzudringen, obwohl sie dazu technisch in der Lage gewesen wären, unbeschadet der Tatsache, dass es für eine solche Verpflichtung möglicherweise keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Grund gab.

    158    Zudem macht entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen das mögliche Fehlen eines wirtschaftlichen Interesses der japanischen Hersteller an einem Eindringen in den EWR-Markt zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Vereinbarung wie die Übereinkunft nicht überflüssig. Eine solche Vereinbarung kann nämlich das verbleibende Risiko eines zukünftigen Eindringens in die betreffenden Märkte bei einer Veränderung der Wettbewerbssituation ausschalten und so den beiden Herstellergruppen durch die Festigung ihrer jeweils privilegierten Stellung langfristige Sicherheit garantieren. Ferner kann sie die Grundlage gegenseitigen Vertrauens zwischen den beiden Gruppen bilden. Nach den Erklärungen von Herrn M. war dieses Vertrauen notwendig, um das Kartell weltweit durchführen zu können.

    159    Somit sind die Erklärungen der vier genannten Zeugen und insbesondere von Herrn M. glaubhaft, da sie von Zeugen stammen, die an den von ihnen beschriebenen Vorgängen unmittelbar beteiligt waren und die nach den Umständen des vorliegenden Falles keinen Grund hatten, unrichtige Angaben zu machen.

    160    Sodann stehen die vier Aussagen untereinander und mit den anderen Angaben von ABB zum Bestehen und zum grundlegenden Inhalt der Übereinkunft in Einklang. So haben die Zeugen das Bestehen einer Vereinbarung bestätigt, nach der sich die japanischen Unternehmen verpflichtet haben, nicht in den europäischen Markt für GIS-Projekte einzudringen, und die europäischen Unternehmen, nicht in den japanischen Markt für solche Projekte einzudringen. Die vier Zeugen haben ferner angegeben, dass ungeachtet bestimmter Zutrittsschranken ein Eindringen in den europäischen Markt technisch gesehen möglich gewesen sei. Ihre Ansichten in Bezug auf das wirtschaftliche Interesse der japanischen Hersteller an einem Eindringen in den europäischen Markt weichen zwar voneinander ab, dieser Umstand ist jedoch im vorliegenden Fall, wie oben in den Randnrn. 156 bis 158 ausgeführt, im Hinblick auf die Erklärungen zum Bestehen der Übereinkunft ohne Bedeutung.

    161    Schließlich vermitteln die vier Zeugen unter Berücksichtigung ihres jeweils unterschiedlichen Kenntnisstands ein genaues und vollständiges Bild der Übereinkunft. Insbesondere Herr M. hat in seiner Aussage den Inhalt dieser Vereinbarung, den Grund für ihren Abschluss und ihre Funktionsweise im Einzelnen dargelegt.

    162    Nach alledem sind die Aussagen der Mitarbeiter und des ehemaligen Mitarbeiters von ABB sehr beweiskräftige Indizien für das Bestehen der Übereinkunft.

     Zu den Angaben von Fuji

    –       Vorbringen der Parteien

    163    Die Klägerinnen bringen vor, dass die Antwort von Fuji auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte kein hinreichend genaues und detailliertes Beweismittel sei, um die Angaben von ABB und damit die Annahme der Kommission hinsichtlich des Bestehens der Übereinkunft erhärten zu können.

    164    Zunächst habe Fuji nicht näher ausgeführt, wie sie vom Bestehen der Übereinkunft erfahren habe, wann und in welcher Form diese geschlossen worden sei, wer an ihr beteiligt gewesen sei und ob sie durchgeführt worden sei.

    165    Ferner habe Fuji die Gegenseitigkeit der Übereinkunft nicht bestätigt und die Zutrittsschranken zum europäischen Markt für GIS-Projekte erwähnt, denen sie sich gegenübergesehen habe. Damit habe sie den Nutzen dieser Vereinbarung in Frage gestellt. Insoweit könne auch nicht daraus, dass die japanischen Hersteller kein Interesse daran gehabt hätten, eine einseitige Abmachung zu akzeptieren, auf die Gegenseitigkeit der Übereinkunft geschlossen werden. Da der japanische Markt für die europäischen Unternehmen unzugänglich gewesen sei, hätten die japanischen Hersteller kein Interesse am Abschluss einer Vereinbarung gehabt.

    166    Zudem stellten die Widersprüche zwischen der Aussage von Herrn H. und den anderen Aussagen der Mitarbeiter und ehemaligen Mitarbeiter von Fuji zum Bestehen der Übereinkunft sowie zu den technischen und wirtschaftlichen Hindernissen für ein Eindringen in den EWR-Markt den Beweiswert der Angaben von Fuji allgemein in Frage.

    167    Sodann seien die in der Antwort von Fuji auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Behauptungen mit ihrem späteren Antrag auf Geldbußenerlass unvereinbar.

    168    Schließlich habe die Kommission die gegen Fuji verhängte Geldbuße nicht nach der Kronzeugenregelung herabgesetzt, was bedeute, dass die Angaben von Fuji das Bestehen der Übereinkunft nicht erhärtet hätten.

    169    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

    –       Würdigung durch das Gericht

    170    In ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hat Fuji erklärt, sie habe von der Übereinkunft gewusst, nach der die japanischen Hersteller nicht versuchen würden, in den europäischen Markt einzudringen, wobei für Fuji der Hauptgrund für das Fernbleiben vom EWR-Markt gewesen sei, dass sie in Europa kein bedeutender und ernsthafter GIS-Anbieter gewesen sei.

    171    Zunächst ist einzuräumen, dass diese Erklärung ziemlich vage ist, da Fuji nur die Verpflichtung der japanischen Hersteller anführt, nicht in den europäischen Markt einzudringen. Sie hat damit jedoch den wichtigsten Punkt der Angaben von ABB und des Vorwurfs der Kommission gegenüber den japanischen Herstellern erhärtet. Die betreffende Erklärung ist somit im vorliegenden Fall nicht unerheblich. Dies gilt umso mehr, als die begrenzten Kenntnisse von Fuji durch ihre untergeordnete Rolle innerhalb des Kartells und insbesondere durch die Tatsache erklärt werden können, dass Fuji nach Randnr. 150 der angefochtenen Entscheidung das einzige japanische Unternehmen war, das nicht Mitglied des insbesondere für die Koordinierung zwischen den beiden Herstellergruppen im Rahmen des GQ-Abkommens verantwortlichen Ausschusses der Gruppe der japanischen Hersteller war.

    172    Ferner ist im vorliegenden Fall irrelevant, dass Fuji die Gegenseitigkeit der Übereinkunft nicht bestätigt hat. Wie nämlich oben in Randnr. 76 festgestellt, kann zwar das Bestehen der Verpflichtung der europäischen Hersteller, nicht in den japanischen Markt für GIS-Projekte einzudringen, ein mittelbarer Beweis für die Beteiligung der japanischen Unternehmen an einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen sein, doch stellt diese Verpflichtung insoweit kein notwendiges Element dar.

    173    Fuji hat zwar in ihrer Erklärung auf das Bestehen von technischen und wirtschaftlichen Hindernissen für ein Eindringen in den EWR-Markt hingewiesen. Diese Hindernisse wurden jedoch nicht als einziger Grund für ihr Fernbleiben von diesem Markt genannt, sondern nur als wichtigster Grund. Im Übrigen hat Fuji neben diesen verschiedenen Hindernissen auch auf ihren geringen Anteil am Weltmarkt hingewiesen, der sie gegenüber ihren größeren europäischen und japanischen Wettbewerbern benachteiligt habe. Daher kann ihre Argumentation zu dieser Frage nicht auf das Vorbringen der anderen japanischen Hersteller übertragen werden.

    174    Wie oben in den Randnrn. 110 und 158 festgestellt, machen die Zutrittsschranken zum EWR-Markt und die mögliche Folge dieses Umstands, nämlich das behauptete Fehlen eines wirtschaftlichen Interesses der japanischen Hersteller am Eindringen in den EWR-Markt, eine Vereinbarung wie die Übereinkunft nicht gegenstandslos.

    175    Weiter ist unstreitig, dass die Kommission nach der Versendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte die schriftliche Aussage von Herrn H. nicht als neuen Umstand anführte, auf den sie sich zu stützen beabsichtige. Sie darf daher nicht als belastendes Element berücksichtigt werden.

    176    Zur Aussage von Herrn H. als entlastenden Umstand ist festzustellen, dass zwischen dieser und den anderen Aussagen der Mitarbeiter und ehemaligen Mitarbeiter von Fuji keine Widersprüche in der Sache festzustellen sind. Insbesondere haben die übrigen und die ehemaligen Mitarbeiter von Fuji das Bestehen der Übereinkunft nicht bestritten und zu dieser Frage nur geschwiegen. Ebenso hat Herr H. das Bestehen technischer und wirtschaftlicher Hindernisse für ein Eindringen der japanischen Unternehmen in den EWR-Markt nicht bestritten.

    177    Sodann führen die Klägerinnen die Widersprüche, die zwischen der Erklärung von Fuji in der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und in ihrem Antrag auf Geldbußenerlass bestehen sollen, nicht im Einzelnen an. Ihr Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

    178    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine Ermäßigung der Geldbuße nach Randnr. 21 der Kronzeugenregelung nur dann gewährt werden kann, wenn den betreffenden Beweismitteln im Vergleich zu denen, über die die Kommission bereits verfügt, erheblicher Beweiswert zukommt.

    179    Daher ist es legitim, dass sich ein Unternehmen, das eine Geldbußenermäßigung erlangen möchte, in einem nach der Versendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte gestellten Antrag auf Geldbußenerlass auf die Umstände konzentriert, die seines Erachtens bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen wurden, um einen erheblichen Mehrwert beizutragen. Dies kann eine Erklärung dafür sein, warum das betreffende Unternehmen die Umstände nicht erwähnt, die seines Erachtens durch bereits zuvor übermittelte Beweisstücke zweifelsfrei nachgewiesen sind.

    180    Ferner ist nach dem Wortlaut von Randnr. 21 der Kronzeugenregelung nicht auszuschließen, dass die Vorlage von Beweismitteln, denen zwar ein gewisser Beweiswert zukommt, die jedoch Tatsachen betreffen, die bereits durch andere Beweismittel nachgewiesen wurden, zu keiner Ermäßigung führt.

    181    Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die von Fuji in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte abgegebene Erklärung die Erklärungen von ABB sowie die Aussagen der Mitarbeiter und eines ehemaligen Mitarbeiters von ABB zum Bestehen der Übereinkunft tendenziell erhärtet. Aufgrund ihres vagen und allgemeinen Charakters ist ihr Beweiswert jedoch begrenzt.

     Zum Vorschlag von Alstom vom 10. Juli 2002

    –       Vorbringen der Parteien

    182    Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass die Kommission den Vorschlag von Alstom während des Treffens der Kartellmitglieder am 10. Juli 2002, der vom Vertreter von Hitachi beim anschließenden Treffen am 15. Juli 2002 abgelehnt wurde, nicht zutreffend ausgelegt habe. Der Vorschlag habe nicht, wie von der Kommission in den Randnrn. 127 f. der angefochtenen Entscheidung behauptet, darauf abgezielt, die Übereinkunft durch ihre Ausdehnung auf die Länder Mittel- und Osteuropas im Hinblick auf ihren möglichen Beitritt zur Union zu aktualisieren. Es habe sich vielmehr um einen Versuch von Alstom gehandelt, im Rahmen einer Anpassung der Arbeitsmethoden des Kartells ein bis dahin nicht bestehendes Abkommen zu schaffen, nach dem jede der beiden Herstellergruppen verpflichtet gewesen wäre, den angestammten Markt der jeweils anderen Gruppe zu respektieren. Die japanischen Unternehmen hätten dieses Abkommen jedoch abgelehnt, und die europäischen Hersteller hätten die Frage nicht mehr aufgeworfen.

    183    Ferner sei die Behauptung der Kommission weder mit ihrem Vorbringen, die Übereinkunft könne aus Anhang 2 des GQ-Abkommens abgeleitet werden, noch mit der Aussage von Herrn M. vereinbar, der erklärt habe, dass das „System des GQ-Abkommens“ im Juni 2002 eingestellt worden sei.

    184    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

    –       Würdigung durch das Gericht

    185    Nach Randnr. 127 der angefochtenen Entscheidung machte Alstom während des Treffens vom 10. Juli 2002, bei dem die Anpassung der Arbeitsmethoden des Kartells besprochen wurde, da sich Siemens und Hitachi wieder an ihm beteiligten, den Vorschlag, dass die europäischen Hersteller in Europa und die japanischen Hersteller in Japan bleiben und nicht versuchen sollten, in den europäischen Markt einzudringen. In dieser Randnummer wird auch festgestellt, dass der Vertreter von Hitachi beim anschließenden Treffen am 15. Juli 2002 darauf hingewiesen habe, dass sein Unternehmen diesen Vorschlag ablehne, und dass daraufhin die europäischen Hersteller Europa einschließlich Mittel- und Osteuropa zu ihrem Markt erklärt hätten. Des Weiteren hätten sie ihre Absicht bekundet, ihre in Westeuropa verlangten Preise zu halten, und erklärt, dass diese Frage noch einmal behandelt werden solle, was aber nicht geschehen sei.

    186    Es ist einzuräumen, dass diese Zusammenfassung der Treffen vom 10. und 15. Juli 2002, die auf Angaben der Klägerinnen beruht, darauf hindeutet, dass tatsächlich Alstom den Abschluss einer neuen Vereinbarung vorschlug, die von Hitachi abgelehnt und nicht weiter erörtert wurde, was bedeuten würde, dass es zumindest ab Juli 2002 keine Vereinbarung über das Verhalten der japanischen Hersteller auf dem EWR-Markt gab.

    187    Zum einen zeigt jedoch die Zusammenfassung des Treffens vom 15. Juli 2002, dass Hitachi nicht die Idee einer Marktaufteilung an sich ablehnte, sondern nur den konkreten Vorschlag von Alstom. Zum anderen wies Hitachi nach dieser Zusammenfassung darauf hin, dass die Forderungen der europäischen Hersteller Mittel- und Osteuropa einschlossen, woraus abgeleitet werden kann, dass sich der Widerstand von Hitachi auf diesen speziellen Aspekt, nicht aber auf die Situation in Westeuropa bezog.

    188    Ferner ist die Auslegung der Klägerinnen mit ihrem eigenen Vorbringen zur Wettbewerbssituation auf dem EWR-Markt unvereinbar. Wenn die japanischen Hersteller, wie von den Klägerinnen behauptet, wegen unüberwindlicher Zutrittsschranken nicht als ernsthafte Wettbewerber auf dem EWR-Markt wahrgenommen worden wären, wäre nämlich eine Vereinbarung über diesen Markt in der Tat überflüssig gewesen. In diesem Fall hätten die europäischen Hersteller, denen dieser Umstand dank ihrer privilegierten Stellung in Europa bewusst gewesen wäre, keinen Grund gehabt, eine solche Übereinkunft vorzuschlagen. Aus der von den Klägerinnen vorgelegten Zusammenfassung ergibt sich aber, dass der Vorschlag von Alstom den EWR-Markt und den mittel- und osteuropäischen Markt betraf.

    189    Unter diesen Umständen ist der Auslegung in den Erwägungsgründen 127 f. der angefochtenen Entscheidung zu folgen, wonach Alstom die Ausdehnung der Übereinkunft auf die Länder Mittel- und Osteuropas vorschlug, und nicht der von den Klägerinnen vertretenen Auslegung.

    190    Das übrige Vorbringen der Klägerinnen kann an dieser Feststellung nichts ändern. Zum einen machte Alstom den Vorschlag zu dem Zeitpunkt, zu dem die Arbeitsmethoden des Kartells angepasst wurden, da sich Siemens und Hitachi wieder an ihm beteiligten. An der Auslegung der Kommission, dass diese Anpassung auch die Ausdehnung der Übereinkunft über die zuvor nach dem GQ-Abkommen vorgesehenen Grenzen hinaus umfassen sollte, ist daher nichts Widersprüchliches.

    191    Zum anderen bedeutet, wie oben in Randnr. 147 ausgeführt, die Erklärung von Herrn M., dass das „System des GQ-Abkommens“ ab Juni 2002 nicht mehr durchgeführt worden sei, nicht, dass auch die Übereinkunft keinen Bestand mehr gehabt hätte oder diese Vereinbarung in der Folge nicht auf Mittel- und Osteuropa hätte ausgedehnt werden können. Zudem beteiligte sich Herr M. ab Juni 2002 nicht mehr an den Aktivitäten des Kartells und hat daher keine Kenntnis von seinem weiteren Funktionieren.

    192    Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass Alstom bei dem Treffen vom 10. Juli 2002 die Ausdehnung der von der Kommission angeführten Übereinkunft auf die Länder Mittel- und Osteuropas vorschlug. Dieser Umstand ist ein Nachweis dafür, dass diese Übereinkunft zum Zeitpunkt des Treffens bestand.

    193    Außerdem stellt nach dieser Auslegung des Vorschlags von Alstom dessen Ablehnung durch Hitachi keine Ablehnung der Übereinkunft an sich, sondern nur eine Ablehnung ihrer Ausdehnung dar. Dieser Umstand ist daher kein Beweis, dass die Übereinkunft im Juli 2002 aufgegeben wurde.

     Zum Standpunkt der übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte

    –       Vorbringen der Parteien

    194    Die Klägerinnen weisen zum einen darauf hin, dass das Bestehen der Übereinkunft von fünf japanischen Gesellschaften, nämlich Hitachi, JAEPS, Toshiba, Melco und TM T & D, bestritten worden sei.

    195    Zum anderen habe die Kommission den Standpunkt von VA TECH unrichtig dahin ausgelegt, dass diese das Bestehen der Übereinkunft nicht bestritten habe. Die Übereinkunft sei außerdem von Siemens in Frage gestellt worden, die auch eine Aussage eines ihrer Mitarbeiter, Herrn T., vorgelegt habe, der eng in die Kartellaktivitäten eingebunden gewesen sei. Die Kommission habe diese Umstände jedoch nicht berücksichtigt, obwohl sie sich weitgehend auf Aussagen von Mitarbeitern und einem ehemaligen Mitarbeiter von ABB gestützt habe. Der Beweiswert der von Siemens beigebrachten Beweisstücke sei zudem besonders hoch, da ihr Antrag auf Geldbußenerlass zurückgewiesen worden sei, weil sie die von der Kommission angeführten Tatsachen bestritten habe.

    196    Im Übrigen hätten die europäischen Unternehmen allgemein kein Interesse gehabt, die Erklärungen zur Übereinkunft zu bestreiten, da diese für die von der Kommission gegen sie erhobenen Vorwürfe nicht relevant sei. Vielmehr hätten diese Unternehmen wahrscheinlich davon profitiert, dass die Kommission das Bestehen der Übereinkunft festgestellt habe, da das Gewicht ihrer eigenen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen dadurch in gewissem Umfang kleiner geworden sei. Außerdem sei es, wie der Fall von Siemens gezeigt habe, bei der Behandlung der Anträge der europäischen Unternehmen auf Geldbußenerlass von Bedeutung gewesen, dass die von der Kommission angeführten Tatsachen nicht bestritten worden seien.

    –       Würdigung durch das Gericht

    197    Zunächst geht aus dem Akteninhalt hervor, dass VA TECH, wie die Klägerinnen geltend machen, das Bestehen der Übereinkunft ausdrücklich bestritten hat.

    198    Die Kommission hat jedoch keinen Fehler begangen, als sie feststellte, dass den Erklärungen und Aussagen von ABB, den Erklärungen von Fuji zum Bestehen der Übereinkunft und den Erklärungen der Klägerinnen zur Meldung und Anrechnung höherer Beweiswert beizumessen sei als dem Vorbringen von Hitachi, JAEPS, Toshiba, Melco, TM T & D, Siemens und VA TECH, die das Bestehen der Übereinkunft bestritten haben.

    199    Im Unterschied zur ersten Gruppe von Beweisstücken widerspricht nämlich das Vorbringen der Letztgenannten nicht deren Interessen, da es darauf abzielt, das Vorliegen jeder Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR‑Abkommen in Frage zu stellen. Gleiches gilt für die Aussage von Herrn T., bei der dieser sich darauf beschränkt hat, die Entstehung des GQ-Abkommens darzulegen, das Bestehen der Übereinkunft zu bestreiten und auf die Zutrittsschranken sowohl zum EWR-Markt als auch zum japanischen Markt hinzuweisen. Insbesondere zur Übereinkunft enthält die Aussage von Herrn T. im Vergleich zu den Angaben der Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte nichts Neues.

    200    Außerdem ist nicht anzunehmen, dass die europäischen Unternehmen einschließlich Siemens kein Interesse daran gehabt hätten, das Bestehen der Übereinkunft zu bestreiten, da diese von der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte als Kartellabsprache zwischen den europäischen und den japanischen Herstellern über den EWR-Markt angesehen wurde und daher eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR‑Abkommen darstellte. Eine solche Feststellung war jedoch für die europäischen Hersteller nachteilig – zumindest potenziell, wenn nämlich die übrigen gegen sie von der Kommission erhobenen Vorwürfe nicht hätten rechtlich hinreichend nachgewiesen werden können.

    201    Ferner ist die Kommission der Ansicht, sie habe nicht vom Standpunkt der europäischen Unternehmen auf das Bestehen der Übereinkunft geschlossen, sondern sich darauf beschränkt, diesen Standpunkt festzustellen. Diese Auffassung wird zwar durch den Wortlaut von Randnr. 125 der angefochtenen Entscheidung bestätigt, in der den Erklärungen von Fuji keine solche Wirkung beigemessen wird; sie wird jedoch durch Randnr. 255 dieser Entscheidung in Frage gestellt, in der die Kommission auf die implizite Anerkennung des Bestehens der Übereinkunft durch bestimmte europäische Hersteller Bezug nimmt.

    202    Jedenfalls kann der neutrale Standpunkt von Alstom und Areva nicht als Beweis für das Bestehen der Übereinkunft angesehen werden. Da der Kommission im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 81 EG und Art. 53 EWR‑Abkommen die Beweislast obliegt, ist das Nichtbestreiten einer Tatsache durch ein Unternehmen nämlich kein Beweis für ihr Vorliegen.

    203    Nach alledem lassen die von den Klägerinnen angeführten Umstände keine Rückschlüsse auf das Bestehen der Übereinkunft zu.

     Zum Melde- und Anrechnungsmechanismus

    –       Vorbringen der Parteien

    204    Die Klägerinnen vertreten zunächst die Auffassung, dass der Melde- und Anrechnungsmechanismus bezweckt habe, das Kontingent der europäischen Hersteller für GIS-Projekte außerhalb des EWR aufgrund der vergleichsweise starken Wettbewerbsposition der japanischen Hersteller auf Märkten wie Asien und dem Mittleren Osten, auf die das weltweite Kartell in erster Linie abzielte, künstlich zu verringern. Die Anrechnung sei nämlich eine von den europäischen Herstellern als Alternative zu einer pauschalen Kürzung ihres gemeinsamen Kontingents vorgeschlagene Lösung gewesen.

    205    Ferner bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Meldungen obligatorisch gewesen, systematisch oder regelmäßig und vor der Zuteilung der betreffenden Projekte erfolgt und nach 1999 fortgesetzt worden seien.

    206    Ein Anrechnungsmechanismus auf der Grundlage von Meldungen, die im Ermessen der Unternehmen gestanden hätten, nicht systematisch erfolgt und nicht obligatorisch gewesen seien, habe jedoch den japanischen Herstellern keine Sicherheit und keinen Ausgleich verschaffen können. Die von der Kommission vertretene Theorie einer Übereinkunft sei im vorliegenden Fall daher nicht mit den Tatsachen vereinbar.

    207    Was die einzelnen von der Kommission angeführten Umstände betreffe, sei die Tatsache, dass im EQ-Abkommen die Übermittlung von Informationen über GIS-Projekte im EWR an die japanischen Hersteller erwähnt werde, ohne Bedeutung, da den japanischen Herstellern der Inhalt dieses Abkommens nicht bekannt gewesen sei. Außerdem seien nach dem EQ-Abkommen die Informationen über GIS-Projekte im EWR nach ihrer Zuteilung und nach freiem Ermessen übermittelt worden.

    208    Sodann beziehe sich die im Antrag auf Geldbußenerlass der Klägerinnen enthaltene Erklärung, dass Siemens regelmäßig Tabellen in Umlauf gebracht habe, in denen ein Teil der den einzelnen Kartellmitgliedern zugeteilten GIS-Projekte schematisch dargestellt worden sei, eindeutig und ausschließlich auf GIS-Projekte außerhalb des EWR.

    209    Außerdem hätten sich die Klägerinnen in der auf der Aussage von Herrn Wa. beruhenden Erklärung, dass die europäischen Anbieter den japanischen Anbietern die Einzelheiten zu den GIS-Projekten im EWR zu Anrechnungszwecken gemeldet hätten, die in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten gewesen sei, auf gelegentliche und nicht obligatorische oder systematische Meldungen während der gesamten Dauer des Kartells bezogen. Sie hätten von der genauen Aufteilung keine Kenntnis gehabt, sondern nur von den Ergebnissen der Zuteilung. Die übermittelten Angaben seien zusammengefasst und daher nicht vertraulich gewesen, was bedeute, dass die Meldungen den möglichen Wettbewerb zwischen den europäischen und den japanischen Herstellern nicht hätten beeinträchtigen können. Zudem hätten die Mitteilungen jedenfalls 1999 ein Ende genommen.

    210    Die Kommission habe auch die Erklärungen von Fuji zur Übermittlung von Informationen über GIS-Projekte im EWR fehlerhaft ausgelegt. Fuji habe nämlich den systematischen Charakter der Meldungen ausdrücklich bestritten und angegeben, dass ihr der Mechanismus zur Aufteilung dieser Projekte nicht bekannt gewesen sei.

    211    Schließlich habe ABB in ihrer Erklärung vom 3. Februar 2005 über die Meldungen nicht angegeben, ob der fragliche Mechanismus obligatorisch gewesen und regelmäßig angewendet worden sei, und keine Angaben zu seiner Dauer und seinen allfälligen Auswirkungen auf den gemeinsamen Markt gemacht. Hingegen habe ABB bestätigt, dass den japanischen Herstellern nur das Ergebnis der Zuteilung europäischer Projekte bekannt gegeben worden sei.

    212    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

    –       Würdigung durch das Gericht

    213    Zunächst ist die von den Klägerinnen vorgebrachte alternative Erklärung des Melde- und Anrechnungsmechanismus zurückzuweisen. Sie haben nämlich nichts zur Untermauerung ihrer Behauptungen vorgebracht, wonach die japanischen Hersteller eine Änderung der nach dem GQ-Abkommen vorgesehenen Kontingente gefordert hätten, eine solche Änderung von den europäischen Herstellern abgelehnt worden sei und das Melde- und Anrechnungsverfahren für bestimmte GIS-Projekte im EWR als gangbare Alternative vorgeschlagen und angenommen worden sei. Jedenfalls wäre ein von Zufälligkeiten abhängiger Melde- und Anrechnungsmechanismus, wie ihn die Klägerinnen behaupten, erheblich komplexer als eine einfache Anpassung des Kontingents und böte gegenüber der letztgenannten Lösung keine Vorteile.

    214    Was die Einzelheiten im Zusammenhang mit dem Melde- und Anrechnungsmechanismus betrifft, so geht aus Punkt 4 des Abschnitts „E (E‑Members)“ des Anhangs 2 des EQ-Abkommens hervor, dass „die [europäischen Mitglieder] über die Meldung der europäischen Projekte an die [Gruppe der japanischen Hersteller] entscheiden“.

    215    Wie oben in Randnr. 87 ausgeführt, betraf diese Klausel die allfällige Übermittlung von Informationen vor der Aufteilung der betreffenden GIS-Projekte. Hingegen betraf sie nicht die Weiterverfolgung bereits zugeteilter Projekte. Der Inhalt dieser Klausel ist daher zwar ein Indiz dafür, dass die japanischen Hersteller hinsichtlich der Durchführung bestimmter GIS-Projekte im EWR als ernsthafte Wettbewerber angesehen wurden, die von ihr vorgesehenen Maßnahmen sind jedoch nicht Teil des Melde- und Anrechnungsmechanismus, wie er von der Kommission behauptet wird. Anhang 2 des EQ-Abkommens ist daher für den Nachweis dieses Mechanismus nicht einschlägig.

    216    Was die Angaben von ABB betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass Herr M. in seiner Aussage das Bestehen des Melde- und Anrechnungsmechanismus ausdrücklich bestätigt hat. Er hat auch erklärt, dass sich dieser Mechanismus nicht auf die GIS-Projekte in den Stammländern, d. h. in Japan und bestimmten europäischen Ländern, bezogen habe.

    217    Das Bestehen eines Mechanismus, der in der Anrechnung des Werts von GIS-Projekten im EWR auf das weltweite Kontingent nach dem GQ-Abkommen bestand, wurde auch in der am 3. Februar 2005 eingereichten Antwort von ABB auf Fragen der Kommission bestätigt. ABB hat nämlich angegeben, dass bei der Zuteilung von Projekten außerhalb der Union die Ergebnisse der Aufteilung der Projekte innerhalb der Union berücksichtigt worden seien.

    218    Zu den Angaben der Klägerinnen ist anzumerken, dass sich die Erklärung in Punkt 2.10 ihres Antrags auf Geldbußenerlass, dass Siemens regelmäßig Tabellen in Umlauf gebracht habe, in denen ein Teil der den einzelnen Kartellmitgliedern zugeteilten GIS-Projekte schematisch dargestellt worden sei, in Verbindung mit den dieser Erklärung unmittelbar vorangehenden Sätzen auf GIS-Projekte außerhalb des EWR bezieht. Diese Erklärung ist daher für den Nachweis des von der Kommission angeführten Melde- und Anrechnungsmechanismus für GIS-Projekte im EWR nicht relevant.

    219    In ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte haben die Klägerinnen hingegen erklärt, dass die europäischen Hersteller, bevor Hitachi ihre Beteiligung am Kartell 1999 aussetzte, den japanischen Herstellern die Einzelheiten über GIS-Projekte mitgeteilt hätten, die sie in Europa durchführen wollten, damit diese Projekte bei der Ermittlung des nach dem GQ-Abkommen den beiden Herstellergruppen jeweils zugeteilten Kontingents an GIS-Projekten außerhalb des EWR hätten berücksichtigt werden können.

    220    Diese Erklärung bestätigt ausdrücklich das Bestehen des von der Kommission angeführten Melde- und Anrechnungsmechanismus bis 1999. Darüber hinaus ist sie aus zwei Gründen sehr beweiskräftig. Zum einen widerspricht diese Erklärung den Interessen der Klägerinnen, da sie eine Verbindung zwischen den Kartellaktivitäten innerhalb des EWR und den japanischen Herstellern impliziert; sie stellt daher ein belastendes Beweismittel dar. Zum anderen zeigt die betreffende Passage in der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, dass den Klägerinnen die Schlüsse, die aus dieser Erklärung gezogen werden konnten, nicht bewusst waren.

    221    Die Klägerinnen haben bei der Kommission eine ergänzende Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eingereicht. In dieser machen sie jedoch nur geltend, dass diese die in ihrer ersten Antwort enthaltenen Erklärungen zum Melde- und Anrechnungsmechanismus, insbesondere hinsichtlich der Frage der Relevanz dieser Erklärungen als Beweis für die Übereinkunft und eine einheitliche, diese Übereinkunft und das GQ-Abkommen umfassende Zuwiderhandlung, unzutreffend ausgelegt habe. Hingegen haben sich die Klägerinnen zum Inhalt der fraglichen Erklärungen nicht geäußert.

    222    Fuji wiederum hat in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, dass die Angaben über die Aufteilung der GIS-Projekte in den vom Anwendungsbereich des GQ-Abkommens ausgenommenen europäischen Ländern den japanischen Herstellern nicht systematisch übermittelt worden seien und Fuji daher nicht über das Funktionieren des EQ-Abkommens Bescheid gewusst habe.

    223    Die oben in Randnr. 171 angeführte untergeordnete Rolle, die Fuji innerhalb des Kartells zukam, kann die Tatsache erklären, dass Fuji nicht an jedem von der europäischen Herstellergruppe ausgehenden Informationsaustausch beteiligt war. Dieser Umstand stellt auch die Verlässlichkeit der Erklärungen von Fuji hierzu im Vergleich zu den Angaben von ABB und Hitachi in Frage, die Mitglieder der Ausschüsse ihrer jeweiligen Gruppe und aus diesem Grund stärker in die einzelnen Aktivitäten des behaupteten Kartells eingebunden waren.

    224    Insgesamt betrachtet folgt aus den oben untersuchten Umständen entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht, dass der Melde- und Anrechnungsmechanismus gelegentlich und nach freiem Ermessen durchgeführt wurde. In den Erklärungen von ABB, denen der Klägerinnen und der Aussage von Herrn M. wird dieses Thema zwar nicht ausdrücklich angesprochen, doch geht aus den in diesen Schriftstücken verwendeten Formulierungen eindeutig hervor, dass die Meldung ein regelmäßiger Vorgang war, der für alle Beteiligten und alle betreffenden Projekte galt. Wie im vorangehenden Absatz ausgeführt, sind die Erklärungen von Fuji hierzu weniger verlässlich als die Angaben von ABB und den Klägerinnen. Außerdem wurde bereits oben in Randnr. 215 festgestellt, dass Anhang 2 des EQ-Abkommens nicht die Meldung und Anrechnung betrifft, wie sie die Kommission behauptet, und daher insoweit nicht relevant ist.

    225    Was den Zeitraum der Durchführung des Melde- und Anrechnungsmechanismus anbelangt, beziehen sich die Erklärungen von ABB vom 3. Februar 2005 nicht auf einen besonderen Zeitraum und können daher ohne Weiteres dahin verstanden werden, dass sie sich auf die gesamte Zuwiderhandlung beziehen. Die Erklärungen von Herrn M. beziehen sich auf den Zeitraum, in dem er an den Kartellaktivitäten beteiligt war, d. h. zwischen 1988 und Juni 2002. Da jedoch, wie oben in den Randnrn. 68 und 129 ausgeführt, die Angaben von ABB durch andere Umstände erhärtet werden müssen, die Aussage von Herrn M. sie aber nicht zu erhärten vermag, ist davon auszugehen, dass die Erklärungen der Klägerinnen in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte den Zeitraum betreffen, der vor der Unterbrechung der Kartellbeteiligung von Hitachi im Jahr 1999 liegt. Daher ist das Bestehen des Melde- und Anrechnungsmechanismus für den letztgenannten Zeitraum als nachgewiesen anzusehen.

    226    Was die Erheblichkeit des Melde- und Anrechnungsmechanismus für den Nachweis der Übereinkunft betrifft, ist dieser als gewichtiges Indiz anzusehen, dass die japanischen Hersteller von den europäischen Herstellern als ernsthafte Wettbewerber auf dem EWR-Markt wahrgenommen wurden. Wäre nämlich für die japanischen Hersteller ein Eindringen in den europäischen Markt aufgrund von Zutrittsschranken tatsächlich unmöglich gewesen, hätten die europäischen Hersteller keinen Grund gehabt, die Ergebnisse der Zuteilung bestimmter GIS-Projekte im EWR zu melden und, a fortiori, diese auf das gemeinsame „europäische“ Kontingent nach dem GQ-Abkommen anzurechnen, da diese Anrechnung darauf hinauslief, ihnen einen Teil der GIS-Projekte in den vom GQ-Abkommen erfassten Gebieten zu nehmen. Das Bestehen eines solchen Melde- und Anrechnungsmechanismus bedeutet daher, dass die japanischen Hersteller in den europäischen Markt hätten eindringen können. Wenn sie dies nicht taten, so deshalb, weil sie sich dazu verpflichtet hatten, um im Gegenzug einen größeren Anteil an den GIS-Projekten außerhalb des EWR zu erhalten. Der fragliche Mechanismus stellt daher das Bindeglied zwischen den Kartellaktivitäten innerhalb des EWR und den japanischen Unternehmen und somit einen mittelbaren Nachweis für das Bestehen der Übereinkunft dar.

    227    Die Frage, ob der Melde- und Anrechnungsmechanismus Auswirkungen auf den EWR-Markt hatte, ist im vorliegenden Fall nicht von Interesse. Wie oben in Randnr. 76 ausgeführt, beruht der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung gegen die Klägerinnen erhobene Vorwurf auf der mittelbar durch das Bestehen des Melde- und Anrechnungsmechanismus nachgewiesenen Verpflichtung der japanischen Unternehmen, nicht in den EWR-Markt einzudringen. Hingegen ist der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen, dass dieser Mechanismus nach Ansicht der Kommission eine selbständige Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR‑Abkommen darstellt.

    228    Ebenso ist nicht erforderlich, nachzuweisen, dass zum einen der Melde- und Anrechnungsmechanismus nicht die GIS-Projekte in den europäischen Stammländern betraf und zum anderen Japan ein Stammland darstellte, um diesen Mechanismus aufgrund der oben in Randnr. 226 angeführten Erwägungen als ein relevantes Indiz für das Bestehen der Übereinkunft anzusehen. Es bleibt daher ohne Folgen, dass die entsprechende Aussage von Herrn M. möglicherweise nicht erhärtet worden ist.

    229    Da das Vorbringen der Kommission zum Melde- und Anrechnungsmechanismus weder auf der Vertraulichkeit der übermittelten Angaben noch auf der Tatsache beruht, dass die Übermittlung vor der Zuteilung der betreffenden GIS-Projekte erfolgte, sind auch diese Umstände im vorliegenden Fall nicht relevant.

    230    Nach alledem ist durch die Erklärungen von ABB, die der Klägerinnen und die Aussage von Herrn M. nachgewiesen, dass von 1988 bis zur Unterbrechung der Kartellbeteiligung von Hitachi im Jahr 1999 der Gruppe der japanischen Hersteller regelmäßig bestimmte GIS-Projekte im EWR nach ihrer Zuteilung gemeldet und auf das gemeinsame „europäische“ Kontingent nach dem GQ-Abkommen angerechnet wurden. Darüber hinaus stellt der fragliche Mechanismus einen mittelbaren Beweis für die von der Kommission angeführte Übereinkunft dar.

     Zur Zuteilung von GIS-Projekten im EWR

    –       Vorbringen der Parteien

    231    Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass die GIS-Projekte im EWR von den europäischen Kartellmitgliedern bei anderen Treffen als den Treffen nach dem GQ-Abkommen und ohne Beteiligung der japanischen Unternehmen aufgeteilt worden seien.

    232    In diesem Zusammenhang seien die von ABB vorgelegten Listen von Projekten kein plausibler Nachweis dafür, dass den japanischen Herstellern die Informationen über die betreffenden GIS-Projekte vor der Zuteilung dieser Projekte übermittelt und mit ihnen geprüft worden seien.

    233    Gleiches gelte hinsichtlich der Behauptung, dass die japanischen Unternehmen beabsichtigt hätten, Angebote für GIS-Projekte im EWR einzureichen, was zu Spannungen innerhalb des Kartells geführt habe. Die Erklärungen der Zeugen von ABB zu dieser Frage seien nämlich ungenau oder ohne Relevanz für den vorliegenden Fall.

    234    Zudem hätten nur die europäischen Hersteller, vom angeblichen Interesse von Melco an einem GIS-Projekt in Spanien abgesehen, die in der angefochtenen Entscheidung angeführten elf GIS-Projekte im EWR erörtert. Es sei jedoch möglich, dass Melco die Informationen über das betreffende Projekt über andere Quellen als die Projektlisten oder die europäischen Anbieter erhalten habe.

    235    Außerdem sei nicht nachgewiesen worden, dass sich die japanischen Unternehmen an der Festsetzung der Preise für GIS-Projekte im EWR, die keinem bestimmten Anbieter hätten zugeteilt werden können, an der Durchführung der im GQ-Abkommen enthaltenen Klausel über die Beendigung von Lizenzvereinbarungen mit Dritten in Bezug auf das Gebiet des EWR oder am Austausch sensibler Informationen über den europäischen Markt für GIS-Projekte beteiligt hätten.

    236    Ferner seien die älteren Vereinbarungen zwischen den europäischen Anbietern über die Zuteilung von GIS-Projekten im EWR und insbesondere das GE-Abkommen Beweismittel, die das Bestehen der Übereinkunft in Frage stellten. Das GE-Abkommen beschreibe ein komplexes Kartell zwischen den europäischen Herstellern, das vor Abschluss des GQ-Abkommens bestanden habe und von diesem unabhängig gewesen sei. Das fragliche Kartell sei somit ohne den Schutz, den die behauptete Übereinkunft angeblich geboten habe, durchgeführt worden. Dieser Umstand stelle aber das Vorbringen der Kommission zur Bedeutung der Übereinkunft für die Kartellaktivitäten der europäischen Hersteller innerhalb des EWR in Frage.

    –       Würdigung durch das Gericht

    237    Die Akte enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass GIS-Projekte im EWR bei den Treffen gemäß dem GQ-Abkommen, an denen die japanischen Mitglieder des Kartells beteiligt waren, erörtert wurden.

    238    Auch aus den von ABB vorgelegten Listen geht nicht hervor, dass GIS-Projekte im EWR mit den japanischen Herstellern besprochen wurden, abgesehen davon, dass Melco Interesse für das Projekt „MSP via GC“ in Spanien gezeigt haben soll. Angesichts der Länge der betreffenden Projektliste sowie der Tatsache, dass die Kommission keine anderen Fälle angeführt hat, in denen ein japanischer Hersteller sein Interesse für ein GIS-Projekt im EWR bekundet hat, kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass der Hinweis auf das Interesse von Melco an diesem Projekt auf einem Fehler beruht. Jedenfalls wird der Inhalt der betreffenden Projektliste in Bezug auf das Projekt „MSP via GC“ nicht durch andere Umstände erhärtet und kann daher insoweit nicht berücksichtigt werden.

    239    Ferner stützt die Kommission ihren Hinweis in Randnr. 125 der angefochtenen Entscheidung, dass die japanischen Hersteller manchmal in Erwägung gezogen hätten, Angebote für Aufträge aus Europa abzugeben, im Allgemeinen jedoch darauf verzichtet und die betreffenden Projekte den europäischen Herstellern gemeldet hätten, allein auf die Erklärungen von ABB und die Aussagen ihrer Mitarbeiter. Dieses Vorbringen kann daher nicht berücksichtigt werden, da es nicht durch andere Umstände erhärtet wird.

    240    Die Kommission wirft den Klägerinnen außerdem nicht vor, sich an der Festsetzung der Mindestpreise für GIS-Projekte im EWR oder an der Beendigung der mit Drittunternehmen geschlossenen Lizenzverträge für den EWR beteiligt zu haben. Das Vorbringen der Klägerinnen hierzu ist daher im vorliegenden Fall nicht relevant.

    241    Was den Austausch sensibler Daten zu den GIS-Projekten im EWR anbelangt, überschreiten die im vorliegenden Fall festgestellten Meldungen die Grenzen normalen Wettbewerbsverhaltens sowohl hinsichtlich ihrer Dauer und Intensität als auch hinsichtlich der Art der übermittelten Angaben. Es ist jedoch nicht nachgewiesen, dass Gegenstand der Meldungen die Zuteilung von GIS-Projekten im EWR an die japanischen Hersteller war oder die tatsächlich übermittelten Angaben für diesen Zweck verwendet wurden.

    242    Nach alledem ist festzustellen, dass eine Beteiligung der japanischen Hersteller an der Zuteilung der GIS-Projekte im EWR nicht nachgewiesen worden ist.

    243    Das Vorbringen der Klägerinnen zu den älteren europäischen Vereinbarungen vor dem GQ-Abkommen ist weder hinreichend genau noch belegt. Es ist daher zurückzuweisen.

    244    Das GE-Abkommen ist unstreitig vor dem GQ- und dem EQ-Abkommen geschlossen worden. Dies bedeutet entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen jedoch nicht, dass es vom GQ-Abkommen oder von der Übereinkunft unabhängig gewesen wäre.

    245    Das GE-Abkommen sollte nämlich ursprünglich nach seinem Art. 15 eine Übergangslösung bis zum Inkrafttreten des GQ-Abkommens sein und, sollte dieses nicht in Kraft treten, nach dem 31. Dezember 1988 neu verhandelt werden. Somit sahen die Parteien des GE-Abkommens bei seinem Abschluss bereits die Errichtung des weltweiten Kartells und seiner einzelnen Bestandteile, zu denen nach dem Vorbringen der Kommission auch die Übereinkunft gehörte, voraus. Dies wird durch die Aussage von Herrn M. erhärtet, wonach das weltweite Kartell mehrere Jahre vor dem Abschluss des GQ-Abkommens Gegenstand komplexer Verhandlungen gewesen sei.

    246    Laut Herrn M. bestand außerdem die gegenseitige Verpflichtung der beiden Herstellergruppen, nicht in die angestammten Märkte der jeweils anderen Gruppe einzudringen, die den wesentlichen Inhalt der von der Kommission angeführten Übereinkunft ausmacht, schon vor dem Abschluss des GQ-Abkommens. Diese Verpflichtung konnte daher von den europäischen Herstellern beim Abschluss des GE-Abkommens berücksichtigt werden.

    247    Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass das GE-Abkommen das Bestehen der von der Kommission angeführten Übereinkunft in Frage stellt.

     Gesamtbeurteilung

    –       Vorbringen der Parteien

    248    Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass die von der Kommission im Zusammenhang mit der behaupteten Übereinkunft angeführten Umstände auf einer Auswahl beruhten, ohne Beweiswert und nicht untermauert seien und nicht den Tatsachen entsprächen, da sich die Kommission ihre Meinung vor der Prüfung des Sachverhalts gebildet habe.

    249    Die Klägerinnen machen insoweit geltend, dass die von ABB vorgelegten Beweismittel das Bestehen der Übereinkunft sowie insbesondere die Tatsache, dass die japanischen Hersteller die Aufteilung der GIS-Projekte im EWR unter den europäischen Herstellern akzeptiert hätten, die Bedeutung der Übereinkunft für das behauptete weltweite Kartell, das Bestehen eines obligatorischen und systematischen Meldemechanismus und die Tatsache, dass die japanischen Unternehmen an den Kartellaktivitäten der europäischen Hersteller innerhalb des EWR beteiligt gewesen seien, nicht rechtlich hinreichend belegten. Ferner habe die Kommission eine Auswahl getroffen, da sie in der angefochtenen Entscheidung bestimmte von ABB vorgelegte Beweismittel nicht angeführt habe, die mit ihrer Theorie nicht vereinbar seien, so insbesondere das GE-Abkommen.

    250    Da die von ABB angeführten Umstände geringen Beweiswert hätten und zudem von den Klägerinnen, Toshiba, Melco, TM T & D und in manchen Punkten von Fuji, bestritten worden seien, hätten sie nach Ansicht der Klägerinnen durch andere Beweismittel belegt werden müssen, die diese Umstände „in sehr hohem Maße“ hätten „erhärten“ müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen. Die Kommission habe insbesondere Behauptungen zum GQ- und zum EQ-Abkommen aufgestellt, die mit anderen Teilen des Akteninhalts in Widerspruch stünden, und die Erklärungen der Klägerinnen sowie von Fuji zum Melde- und Anrechnungsmechanismus fehlerhaft ausgelegt.

    251    Die japanischen Hersteller seien wegen unüberwindlicher Zutrittsschranken nicht in der Lage gewesen, in den europäischen Markt für GIS-Projekte einzudringen, was ihre Einbeziehung auf europäischer Ebene und damit die Übereinkunft überflüssig gemacht habe. Die Plausibilität dieser alternativen Erklärung sei von allen betroffenen Unternehmen bestätigt worden und gehe auch aus vielen Teilen der Akte hervor, wie insbesondere dem GE-Abkommen, das von den europäischen Herstellern geschlossen worden sei, ohne das es erforderlich gewesen wäre, mit den japanischen Herstellern zu einer Übereinkunft zu gelangen oder sie zu informieren.

    252    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

    –       Würdigung durch das Gericht

    253    Aus der oben in den Randnrn. 84 bis 230 des vorliegenden Urteils durchgeführten Prüfung geht zunächst hervor, dass in den Erklärungen von ABB und den Aussagen ihrer Mitarbeiter sowie ihres ehemaligen Mitarbeiters eine Übereinkunft beschrieben wird, nach der die europäischen und die japanischen Hersteller sich gegenseitig verpflichteten, nicht in die angestammten Märkte der jeweils anderen Gruppe einzudringen. Diese Äußerungen ermöglichen auch die Ermittlung der Parteien dieser Übereinkunft sowie den Schluss, dass sie zwar wahrscheinlich vor, aber spätestens gleichzeitig mit dem GQ-Abkommen geschlossen wurde.

    254    Sodann wird das Bestehen dieser gegenseitigen Übereinkunft durch den Vorschlag erhärtet, den Alstom beim Treffen vom 10. Juli 2002 gemacht hatte. Auch die Erklärungen von Fuji untermauern das Bestehen der Verpflichtung der japanischen Unternehmen, nicht in den europäischen Markt einzudringen.

    255    Nach den Erklärungen und der Aussage von ABB, erhärtet durch die Erklärungen der Klägerinnen, haben schließlich die japanischen Hersteller zumindest für den Zeitraum 1988 bis 1999 die regelmäßige Meldung der Ergebnisse der Zuteilung bestimmter GIS-Projekte im EWR und ihre Anrechnung auf das gemeinsame „europäische“ Kontingent nach dem GQ-Abkommen akzeptiert. Ferner sahen die europäischen Hersteller in Punkt 4 des Teils „E (E-Members)“ des Anhangs 2 des EQ-Abkommens die Möglichkeit vor, den japanischen Herstellern die Einzelheiten zu bestimmten GIS-Projekten im EWR vor ihrer Zuteilung mitzuteilen. Diese beiden Umstände deuten darauf hin, dass die japanischen Hersteller hinsichtlich der Durchführung bestimmter GIS-Projekte im EWR als ernsthafte Wettbewerber angesehen wurden, sich jedoch verpflichteten, nicht in den europäischen Markt einzudringen, um im Gegenzug einen größeren Anteil an den GIS-Projekten in anderen Regionen zu erhalten. Sie stellen daher mittelbare Beweise für das Bestehen des gegenseitigen Übereinkommens zwischen den europäischen und den japanischen Herstellern dar.

    256    Die von der Kommission geltend gemachten Umstände stützen daher ihr oben in Randnr. 74 zusammengefasstes Vorbringen zum Bestehen der Übereinkunft. Hingegen können die Umstände, auf die sich die Klägerinnen berufen, dieses Vorbringen nicht in Frage stellen.

    257    Zum einen ist das GE-Abkommen, wie oben in den Randnrn. 244 bis 247 dargelegt, kein Beweis für ein europäisches Kartell, das durchgeführt wurde, ohne Nutzen aus der Übereinkunft zu ziehen.

    258    Zum anderen ist zwar nicht nachgewiesen worden, dass die japanischen Unternehmen neben den europäischen Herstellern an der Zuteilung der GIS-Projekte im EWR beteiligt waren, doch wäre angesichts der Art ihrer behaupteten Verpflichtung gemäß der Übereinkunft ihre Beteiligung an diesem Verhalten nicht von Nutzen gewesen. Die japanischen Hersteller hätten nämlich kein Interesse daran gehabt, bei der Zuteilung der GIS-Projekte im EWR, zu deren Ablehnung sie sich verpflichtet hatten, tätig zu werden. Ihr einziges Interesse hätte darin bestanden, den Wert der betreffenden Projekte zu kennen und zu wissen, wem sie zugeteilt wurden, um die Anrechnung auf das gemeinsame „europäische“ Kontingent nach dem GQ-Abkommen nachverfolgen zu können. Zumindest im Zeitraum zwischen 1988 und 1999 wurden diese Informationen den japanischen Herstellern aber über den Meldemechanismus mitgeteilt.

    259    Nach alledem ist das Bestehen der Übereinkunft, wie sie oben in Randnr. 74 beschrieben wurde, als rechtlich hinreichend nachgewiesen anzusehen.

    260    Unter diesen Umständen war die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht gehalten, das wirtschaftliche Interesse der betroffenen Unternehmen am Abschluss der Übereinkunft nachzuweisen. Im Übrigen konnte der Abschluss der Übereinkunft, wie oben in den Randnrn. 110 und 158 dargelegt, diesen Unternehmen bestimmte Vorteile verschaffen und war daher ungeachtet des Bestehens von Zutrittsschranken zum EWR-Markt und des möglichen Fehlens eines unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses an einem Eindringen in diesen Markt nicht überflüssig.

    261    Da die Kommission nicht allein aus dem Marktverhalten der fraglichen Unternehmen auf das Vorliegen der vorgeworfenen Zuwiderhandlung geschlossen hat, reicht es nicht aus, wenn die Klägerinnen für den Sachverhalt eine andere plausible Erklärung als die Kommission geben. Daher ist die alternative Erklärung der Klägerinnen für das Vorliegen dieser Zuwiderhandlung nicht relevant. Jedenfalls werden die Umstände, auf denen diese Erklärung beruht, von den Klägerinnen auch im Rahmen des ersten Teils des dritten Klagegrundes angeführt und daher unten in den Randnrn. 317 bis 332 geprüft.

    262    Der erste Teil des zweiten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

    263    Da zudem, wie oben in Randnr. 41 dargelegt, das Bestehen der Übereinkunft nachgewiesen werden konnte, ohne die Äußerung von Fuji vom 21. November 2006 als belastenden Umstand zu berücksichtigen, ist der erste Teil des ersten Klagegrundes, mit dem gerügt wird, dass die Klägerinnen keinen Zugang zu bestimmten belastenden Beweismitteln gehabt hätten, endgültig zurückzuweisen. Daher ist der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

    b)     Zum zweiten Teil: Die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Übereinkunft eine beschränkende Vereinbarung oder eine abgestimmte Verhaltensweise gewesen sei

     Vorbringen der Parteien

    264    Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass die Kommission, selbst wenn sie das Bestehen der Übereinkunft nachgewiesen hätte, nicht aufgrund aussagekräftiger und plausibler Beweise dargetan habe, dass diese Übereinkunft dem Ausdruck eines gemeinsamen Willens in der Form einer beschränkenden Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise gleichgesetzt werden könne. Die Akte der Kommission lasse höchstens ein Parallelverhalten der Unternehmen erkennen, das im Einklang mit den normalen Marktbedingungen stehe. Dies werde durch die Aussage von Herrn M. bestätigt, der darauf hingewiesen habe, dass es bei den Treffen, an denen er teilgenommen habe, nicht erforderlich gewesen sei, die Frage der Übereinkunft anzusprechen, da sie sich von selbst verstanden habe.

     Würdigung durch das Gericht

    265    Nach der Rechtsprechung muss die Kommission hinreichend aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringen, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die behauptete Zuwiderhandlung eine Vereinbarung oder eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG darstellt (Urteil des Gerichts vom 21. Januar 1999, Riviera Auto Service u. a./Kommission, T‑185/96, T‑189/96 und T‑190/96, Slg. 1999, II‑93, Randnr. 47). Diese Rechtsprechung ist auf Art. 53 Abs. 1 EWR‑Abkommen übertragbar.

    266    Im vorliegenden Fall hat sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu der Frage, ob das den japanischen Unternehmen vorgeworfene Verhalten eine Vereinbarung oder eine abgestimmte Verhaltensweise darstellt, nicht ausdrücklich geäußert. In Randnr. 248 der angefochtenen Entscheidung hat sie sich auf den Hinweis beschränkt, dass die Zuwiderhandlung mehrere Handlungen umfasst habe, die als Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen eingestuft werden könnten.

    267    Es ist daher in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die Übereinkunft eine Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR‑Abkommen ist.

    268    Insoweit liegt eine Vereinbarung im Sinne dieser Bestimmungen schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (vgl. entsprechend Urteil Cimenteries CBR u. a./Kommission, oben in Randnr. 70 angeführt, Randnr. 958 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die tatsächlichen Auswirkungen einer Vereinbarung brauchen nicht berücksichtigt zu werden, wenn sich ergibt, dass sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt (vgl. Urteil Cimenteries CBR u. a./Kommission, oben in Randnr. 70 angeführt, Randnr. 837 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    269    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den verschiedenen von der Kommission vorgetragenen Umständen sowie insbesondere aus den Erklärungen von ABB und Fuji und den Aussagen von Herrn M. und Herrn V.-A., dass sich die europäischen und die japanischen Hersteller gegenseitig verpflichteten, nicht in die angestammten Märkte der jeweils anderen Gruppe einzudringen. Das Bestehen einer gegenseitigen Verpflichtung bedeutet zwangsläufig das Vorliegen eines gemeinsamen Willens, selbst wenn für die genaue Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem dieser Wille zum Ausdruck gebracht wurde, oder für eine Formalisierung dieses Ausdrucks keine Anhaltspunkte vorliegen. Außerdem war Herr M., wie in Randnr. 141 ausgeführt, der Meinung, dass es bei den Treffen, an denen er teilnahm, nicht erforderlich gewesen sei, auf die Übereinkunft hinzuweisen, da diese Übereinkunft allen Kartellmitgliedern klar gewesen sei und sie sie akzeptiert und durchgeführt hätten, ohne dass eine explizite Erörterung erforderlich gewesen wäre. Darüber hinaus hat Herr V.-A., wie oben in Randnr. 152 dargelegt, erklärt, er habe an Besprechungen zwischen den europäischen Unternehmen und dem Vertreter eines japanischen Unternehmens teilgenommen, deren Thema ausdrücklich die Einhaltung der Übereinkunft gewesen sei.

    270    Auch die durch die Erklärungen und die Aussage von ABB sowie durch die Erklärungen der Klägerinnen belegte Tatsache, dass die japanischen Hersteller viele Jahre lang die Meldung der Ergebnisse der Zuteilung bestimmter GIS-Projekte im EWR akzeptierten und ihre Anrechnung auf das gemeinsame „europäische“ Kontingent gemäß dem GQ-Abkommen nachverfolgten, ist mit einem bloßen Parallelverhalten von Wettbewerbern ohne jegliche Willensübereinstimmung nicht vereinbar.

    271    Darüber hinaus bezweckte die Übereinkunft, das Verhalten der japanischen Unternehmen in Bezug auf den EWR-Markt festzulegen, da sich diese verpflichteten, nicht in diesen Markt einzudringen. Tatsächlich war somit nach dieser Übereinkunft der EWR-Markt den europäischen Herstellern vorbehalten.

    272    Die Kommission hat daher zu Recht festgestellt, dass die Übereinkunft eine Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR‑Abkommen war.

    273    Vor diesem Hintergrund muss nicht mehr geprüft werden, ob die Übereinkunft eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne dieser Bestimmungen darstellte.

    274    Nach alledem ist daher der zweite Teil des zweiten Klagegrundes und somit der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

    3.     Zum dritten Klagegrund: Die Kommission habe das Vorliegen einer einheitlichen, dauernden Zuwiderhandlung nicht nachgewiesen

    275    Im Rahmen des ersten Teils des dritten Klagegrundes vertreten die Klägerinnen die Auffassung, dass, was sie betreffe, die Kommission weder die wesentlichen Aspekte der von den Kartellmitgliedern durchgeführten Maßnahmen noch den Umstand nachgewiesen habe, dass diese Maßnahmen ein einheitliches Ziel verfolgt hätten. Im Rahmen des zweiten Teils bestreiten sie den Dauercharakter des gerügten Kartells sowie insbesondere das Fortdauern des mit ihm verfolgten Ziels.

    276    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

    a)     Zum ersten Teil: Die Kommission habe das Vorliegen einer einheitlichen Zuwiderhandlung, die die Übereinkunft, das weltweite Kartell nach dem GQ-Abkommen und die Kartellaktivitäten der europäischen Hersteller innerhalb des EWR umfasst habe, nicht nachgewiesen

     Vorbringen der Parteien

    277    Die Klägerinnen machen geltend, dass sich im vorliegenden Fall die Produkte, geografischen Märkte und Unternehmen, die einerseits vom Kartell nach dem GQ-Abkommen und andererseits von den Vereinbarungen über die GIS-Projekte im EWR erfasst worden seien, voneinander unterschieden, was bedeute, dass sich das GQ-Abkommen von den europäischen Abkommen unterscheide und daher die Kartellaktivitäten außerhalb des EWR und die Aktivitäten der europäischen Unternehmen innerhalb des EWR nicht als eine einheitliche Zuwiderhandlung anzusehen seien.

    278    Ferner bewiesen die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Tatsachen nicht ohne jeden vernünftigen Zweifel das Vorliegen einer einheitlichen Zuwiderhandlung.

    279    Die Übereinkunft sei nicht nachgewiesen worden, da die von ABB angeführten Umstände keinen Beweiswert hätten und durch keine anderen Beweismittel untermauert worden seien.

    280    Ferner habe die Kommission die Bedeutung der Übereinkunft im Hinblick auf das behauptete weltweite Kartell nicht nachgewiesen, da nach dem Akteninhalt nicht ersichtlich sei, dass eine solche Übereinkunft zur Schaffung gegenseitigen Vertrauens oder zur Förderung der Tätigkeiten der europäischen Kartellmitglieder in Bezug auf das Gebiet des EWR erforderlich gewesen wäre. Die Kommission habe außerdem keine Nachweise dafür beigebracht, dass die japanischen Hersteller das Konzept, dass beiden Seiten ihre jeweiligen Stammländer vorbehalten blieben, gekannt und akzeptiert hätten. Der Begriff „Stammland“ habe nämlich einem Konzept entsprochen, das nur im Rahmen der Abkommen zwischen den europäischen Herstellern angewandt worden und daher den japanischen Unternehmen unbekannt gewesen sei.

    281    Dass die Beteiligung der japanischen Unternehmen am GQ-Abkommen vom Kartellverhalten der europäischen Unternehmen innerhalb des EWR unabhängig gewesen sei, sei darauf zurückzuführen, dass die japanischen Hersteller wegen unüberwindlicher Zutrittsschranken nicht in der Lage gewesen seien, in den europäischen Markt für GIS-Projekte einzudringen.

    282    Das Bestehen zweier voneinander unabhängiger Absprachen werde außerdem durch zahlreiche Aktenstücke bestätigt. Die Klägerinnen erwähnen in diesem Zusammenhang das GE-Abkommen und die anderen älteren Vereinbarungen, die die europäischen Anbieter untereinander geschlossen hätten, die Tatsache, dass die Übereinkunft in den schriftlichen Vereinbarungen nicht erwähnt werde, das Fehlen eines jeden Hinweises auf das Verhalten der europäischen Hersteller innerhalb des EWR im GQ-Abkommen sowie das zwischen ABB, Areva, Siemens und VA TECH geschlossene Geheimhaltungsabkommen, das den Austausch sensibler Informationen zwischen seinen Parteien ohne Wissen der übrigen am Kartell beteiligten Unternehmen habe erleichtern sollen.

    283    Hingegen gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die japanischen Unternehmen an der Aufteilung der GIS-Projekte im EWR und den damit zusammenhängenden Kartellaktivitäten der europäischen Hersteller innerhalb des EWR beteiligt gewesen seien oder von ihnen gewusst hätten.

    284    Zum Melde- und Anrechnungsmechanismus verweisen die Klägerinnen zunächst auf die oben in Randnr. 204 angeführte andere Erklärung der Tatsachen. Darüber hinaus weisen sie nochmals darauf hin, dass die Meldungen nicht systematisch und nach Zuteilung der betreffenden Projekte und ab 1999 gar nicht mehr erfolgt seien und keine vertraulichen Daten betroffen hätten.

    285    Sie bestreiten insbesondere, dass die bloße Kenntnis vom vormaligen Bestehen von Übereinkünften zwischen anderen Unternehmen und der Austausch zusammenfassender historischer Informationen Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR‑Abkommen darstellten.

    286    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

     Würdigung durch das Gericht

    287    Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG ergeben sich notwendigerweise aus einem Zusammenwirken mehrerer Unternehmen, die zwar alle Mittäter der Zuwiderhandlung sind, deren Beteiligung aber insbesondere in Abhängigkeit von den Merkmalen des betroffenen Marktes und der Stellung des einzelnen Unternehmens auf diesem Markt, den verfolgten Zielen und der gewählten oder vorgesehenen Art und Weise der Durchführung verschiedene Formen aufweisen kann. Jedoch kann die Verantwortung des einzelnen Unternehmens für die gesamte Zuwiderhandlung einschließlich des Verhaltens, das zwar von anderen beteiligten Unternehmen an den Tag gelegt wurde, aber dieselbe wettbewerbswidrige Zielsetzung oder Wirkung hat, nicht allein deshalb ausgeschlossen sein, weil jedes Unternehmen sich auf eine ihm eigene Art und Weise an der Zuwiderhandlung beteiligt (Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Randnrn. 79 f.). Diese Rechtsprechung ist auf Art. 53 Abs. 1 EWR‑Abkommen übertragbar.

    288    So ist ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die unter den Begriff der auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG fallen und die einen Beitrag zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit leisten sollten, an einer solchen Zuwiderhandlung beteiligt hatte, für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich, das andere Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag legten, wenn das betreffende Unternehmen nachweislich von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und wenn es bereit war, das daraus erwachsende Risiko einzugehen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 287 angeführt, Randnr. 83). Diese Rechtsprechung ist auf Art. 53 Abs. 1 EWR‑Abkommen übertragbar.

    289    Im vorliegenden Fall waren die japanischen Unternehmen, wie die Prüfung des zweiten Klagegrundes ergeben hat, neben den europäischen Unternehmen an der Übereinkunft beteiligt, die eine Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG und Art. 53 EWR‑Abkommen über den EWR-Markt für GIS-Projekte war. Die Beteiligung an der Übereinkunft impliziert, dass die japanischen Unternehmen darüber Bescheid wussten, dass die GIS-Projekte im EWR den europäischen Herstellern vorbehalten waren.

    290    Insoweit ist der Umstand, dass die Klägerinnen nicht an konkreten Kartellmaßnahmen im EWR beteiligt waren, nicht relevant. Wie nämlich oben in Randnr. 258 ausgeführt, war eine Beteiligung der japanischen Unternehmen an der Zuteilung der GIS-Projekte im EWR-Markt in Anbetracht der Art ihrer Verpflichtung gemäß der Übereinkunft nicht von Nutzen. Die passive Rolle der japanischen Hersteller war somit nicht auf ihre freie Entscheidung, sondern auf die Form ihrer Beteiligung am Abkommen über den Markt im EWR zurückzuführen. Diese Beteiligung war jedoch eine Vorbedingung dafür, dass die GIS-Projekte im EWR entweder nach dem Grundsatz des Schutzes der Stammländer oder nach dem GE-Abkommen unter den europäischen Herstellern aufgeteilt werden konnten.

    291    Ferner deuten die Erklärungen von ABB und die Aussage von Herrn M. darauf hin, dass zwar die Übereinkunft im GQ-Abkommen nicht ausdrücklich erwähnt war, jedoch seiner Durchführung zugrunde lag, da durch sie das für das Funktionieren des weltweiten Kartells erforderliche Vertrauen geschaffen werden konnte. Die Verbindung zwischen der Übereinkunft und dem GQ-Abkommen wird durch die Aussage von Herrn V.-A. bestätigt, nach dem bei einem Treffen gemäß dem GQ-Abkommen zwischen den europäischen Unternehmen und einem Vertreter der japanischen Unternehmen die Notwendigkeit der Einhaltung der Übereinkunft erörtert worden sei.

    292    Sodann stellt der Melde- und Anrechnungsmechanismus ein Bindeglied zwischen den Kartellaktivitäten der europäischen Unternehmen innerhalb des EWR und dem weltweiten Kartell nach dem GQ-Abkommen dar. Über diesen Mechanismus wurden nämlich die Ergebnisse der Zuteilung bestimmter GIS-Projekte im EWR im Rahmen der Zuteilung der GIS-Projekte in anderen Regionen nach dem GQ-Abkommen berücksichtigt. Das Bestehen des betreffenden Mechanismus ist ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen Erwähnung im GQ-Abkommen durch die Erklärungen und Aussagen von ABB und durch die Erklärungen der Klägerinnen nachgewiesen.

    293    Die andere Erklärung des Melde- und Anrechnungsmechanismus durch die Klägerinnen wurde oben in Randnr. 213 zurückgewiesen. Wie zudem oben in den Randnrn. 243 bis 247 ausgeführt wurde, kann zum einen das Gericht das Vorbringen der Klägerinnen zu den anderen europäischen Abkommen als dem GE-Abkommen nicht berücksichtigen und zum anderen stellt letzteres Abkommen keinen Nachweis dafür dar, dass die Kartellaktivitäten der europäischen Hersteller innerhalb des EWR vom weltweiten Kartell nach dem GQ-Abkommen unabhängig waren. Darüber hinaus folgt aus den von den Klägerinnen angeführten Umständen nicht, dass das Geheimhaltungsabkommen zwischen den europäischen Herstellern tatsächlich geschlossen wurde, und erst recht nicht, dass der Informationsaustausch zwischen den beiden Herstellergruppen dadurch beeinträchtigt wurde.

    294    Ferner ist aufgrund der regelmäßigen Meldungen der Ergebnisse der Ausschreibungen zu bestimmten GIS-Projekten im EWR, die zumindest von 1988 bis 1999 erfolgten, davon auszugehen, dass die japanischen Unternehmen vernünftigerweise annehmen konnten, dass die Zuteilung der GIS-Projekte innerhalb des EWR unter den europäischen Herstellern das Ergebnis eines wettbewerbswidrigen Verhaltens war. Dass einer Herstellergruppe mehrere Jahre lang ohne ersichtlichen Grund regelmäßig die Ergebnisse der Ausschreibungen mitgeteilt werden, an denen die Mitglieder einer anderen Herstellergruppe desselben Industriezweigs teilgenommen haben, geht nämlich über ein normales Wettbewerbsverhalten hinaus. Die Meldungen hätten somit Zweifel hinsichtlich der Bedingungen wecken müssen, unter denen die betreffenden GIS-Projekte vergeben wurden. Dies gilt umso mehr, als es sich bei den Ergebnissen einer Ausschreibung nicht zwingend um öffentliche Daten handelt, insbesondere, wenn es um Ausschreibungen privater Unternehmen und Einzelheiten des angenommenen Angebots geht.

    295    Die Kommission hat hierzu in Randnr. 277 der angefochtenen Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass eine eventuelle spätere Unterbrechung der Meldungen an der Kenntnis der japanischen Unternehmen von der Wettbewerbswidrigkeit der Zuteilung der GIS-Projekte im EWR, die sie aufgrund des Meldemechanismus zwischen 1988 und 1999 gehabt hätten, nichts hätte ändern können. Gleiches gilt für JAEPS, obwohl sie erst 2001 gegründet wurde. JAEPS übernahm nämlich die Tätigkeiten ihrer Anteilsinhaber, darunter Hitachi und Fuji, im GIS-Bereich. Vor diesem Hintergrund kann angenommen werden, dass sie in Bezug auf die Zuteilung von GIS-Projekten im EWR über dasselbe Wissen verfügte wie diese Anteilsinhaber.

    296    Außerdem wurden die Übereinkunft, das weltweite Kartell nach dem GQ-Abkommen und die Kartellaktivitäten der europäischen Hersteller innerhalb des EWR nebeneinander durchgeführt, sie betrafen dieselben Produkte, und es waren an ihnen dieselben europäischen Hersteller sowie, was die Übereinkunft und das GQ-Abkommen betrifft, dieselben japanischen Hersteller beteiligt. Die verschiedenen Maßnahmen hatten zudem ein und denselben Zweck, nämlich die Einführung eines Systems zur Aufteilung des Weltmarkts für GIS-Projekte und die Aufteilung dieser Projekte unter den verschiedenen Beteiligten.

    297    Nach alledem ist somit festzustellen, dass die Kommission keinen Fehler begangen hat, als sie feststellte, dass die Übereinkunft, das weltweite Kartell nach dem GQ-Abkommen und die Kartellaktivitäten der europäischen Hersteller innerhalb des EWR eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellten, mit der ein gemeinsamer Zweck verfolgt wurde. Folglich ist der erste Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen.

    b)     Zum zweiten Teil: Fehlender Nachweis des Dauercharakters des Kartells durch die Kommission

     Vorbringen der Parteien

    298    Nach Ansicht der Klägerinnen verfolgte dass Kartell nach dem Treffen vom 10. Juli 2002 nicht mehr dasselbe wirtschaftliche Ziel, da es danach auf den Mittleren Osten und Südostasien ausgerichtet gewesen sei und der Preiserosion in diesen Regionen habe entgegenwirken sollen.

    299    Außerdem hätte die Kommission Änderungen der Struktur und der Funktionsweise des Kartells, die zur gleichen Zeit vorgenommen worden seien, berücksichtigen müssen, die eine Vereinfachung der Arbeitsmethoden, die Einführung eines Systems unmittelbarer Zuteilung von Projektlosen und die Änderung der Codes für die Bezeichnung der Kartellmitglieder umfasst hätten.

    300    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

     Würdigung durch das Gericht

    301    Aus dem Akteninhalt ist nicht ersichtlich, dass das Treffen vom 10. Juli 2002 das wirtschaftliche Ziel des weltweiten Kartells geändert hätte. Sowohl vor als auch nach diesem Zeitpunkt war das wesentliche Ziel dieses Kartells, die Märkte für GIS-Projekte aufzuteilen und die Zuteilung dieser Projekte unter den am weltweiten Kartell beteiligten Unternehmen zu koordinieren. Somit war der Wille der betreffenden Unternehmen, der Erosion der Preise im Mittleren Osten und in Südostasien entgegenzuwirken, nicht das Ergebnis einer Änderung ihrer wesentlichen Ziele, sondern vielmehr der Entwicklung der Wettbewerbssituation auf diesen Märkten.

    302    Außerdem besteht die Weiterentwicklung der Strukturen und Arbeitsabläufe, auf die sich die Klägerinnen berufen, in punktuellen Änderungen, die sich auf einige Aspekte des Funktionierens des Kartells beschränken, die jedoch an seinem wesentlichen Ziel nichts ändern. Diese Änderungen dürften nämlich, wie von der Kommission vorgebracht, mit der Veränderung der Zahl der Kartellmitglieder und den technischen Entwicklungen im Zusammenhang gestanden haben. Zudem haben die Klägerinnen ihre Behauptung, dass die Ausführungen der Kommission in Randnr. 280 der angefochtenen Entscheidung, wonach es in zunehmendem Umfang zu Änderungen gekommen sei, unzutreffend seien, nicht untermauert.

    303    Das Vorbringen der Klägerinnen zum Fortdauern des Kartells und seines Ziels wird daher nicht durch Tatsachen gestützt. Die Kommission hat somit keinen Fehler begangen, als sie feststellte, dass zwischen 15. April 1988 und 11. Mai 2004 eine dauernde Zuwiderhandlung vorlag, die ein einheitliches wirtschaftliches Ziel verfolgte.

    304    Daher ist der zweite Teil des dritten Klagegrundes und folglich der dritte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

    305    Da keiner der Klagegründe, auf die der Hauptantrag gestützt ist, durchgreift, ist dieser somit zurückzuweisen.

    B –  Zum ersten Hilfsantrag: Aufhebung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung, soweit er die Klägerinnen betrifft

    1.     Zum vierten Klagegrund: Fehler der Kommission bei der Berechnung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße

    306    Nach Auffassung der Klägerinnen hat die Kommission bei der Berechnung der gegen sie verhängten Geldbußen Fehler begangen. Im Rahmen des ersten Teils werfen sie der Kommission vor, sie habe gegen ihre Pflicht zur Bestimmung der relativen Bedeutung der vom einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung verstoßen. Im Rahmen des zweiten Teils machen sie geltend, die Kommission habe einen offensichtlichen Fehler bei der Anwendung der Kronzeugenregelung begangen. Im Rahmen des dritten Teils bringen sie vor, dass die Kommission bei der Beurteilung der mit der Dauer des Kartells zusammenhängenden Umstände einen offensichtlichen Fehler begangen habe.

    307    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

    a)     Zum ersten Teil: Fehler bei der Bewertung der relativen Bedeutung der vom einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung

     Vorbringen der Parteien

    308    Nach Auffassung der Klägerinnen hätte die Kommission die untergeordnete Rolle, die die Klägerinnen innerhalb des Kartells gespielt hätten, sowohl hinsichtlich der relativen Schwere ihres Verhaltens als auch hinsichtlich dessen Auswirkungen auf den EWR-Markt berücksichtigen müssen.

    309    Zum einen seien sie nicht am Kartell innerhalb des EWR beteiligt gewesen und hätten nicht an den im Rahmen des EQ-Abkommens veranstalteten Treffen teilgenommen, sondern hätten nur das GQ-Abkommen durchgeführt. Daher könne ihre allfällige Beteiligung am europäischen Kartell nur passiv sein, und ihr Verhalten habe daher in Anbetracht des Bestehens des älteren europäischen Kartells nach dem GE-Abkommen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigt.

    310    Zum anderen habe ihre angebliche Beteiligung an der Übereinkunft keine Auswirkungen auf den EWR-Markt gehabt und habe daher den Wettbewerb auf diesem Markt nicht beeinträchtigen können. Sie nehmen insoweit auf die Beweismittel, die sie der Kommission vorgelegt haben, sowie insbesondere auf den externen Bericht, die Erklärungen der anderen Kartellmitglieder und auf die Tatsache Bezug, dass sie weder von 2000 bis 2002, also in dem Zeitraum, in dem sie nicht am Kartell beteiligt gewesen seien, noch nach seiner Beendigung in Europa GIS verkauft hätten. Die Tatsache, dass sie nicht in der Lage gewesen seien, den Wettbewerb im EWR zu beeinträchtigen, hätte als mildernder Umstand berücksichtigt werden müssen.

    311    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

     Würdigung durch das Gericht

    312    Wenn eine Zuwiderhandlung durch mehrere Unternehmen begangen wurde, ist nach der Rechtsprechung die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen von ihnen zu prüfen (vgl. Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 287 angeführt, Randnr. 150 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dass sich ein Unternehmen nicht an allen Tatbestandsmerkmalen eines Kartells beteiligt oder aber bei seiner Beteiligung eine weniger bedeutende Rolle gespielt hat, ist somit bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 287 angeführt, Randnr. 90).

    313    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die angefochtene Entscheidung nicht die Beteiligung ihrer Adressaten am GQ-Abkommen sanktioniert, das nicht das Gebiet des EWR betraf. Art. 1 der angefochtenen Entscheidung stellt nämlich klar fest, dass der Verstoß gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR‑Abkommen den GIS-Sektor im EWR betrifft.

    314    Wie sich aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes ergeben hat, waren die japanischen Hersteller in anderer Weise als die europäischen Hersteller an den auf den EWR abzielenden Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen beteiligt. Die japanischen Hersteller verpflichteten sich nämlich im Rahmen der Übereinkunft, nicht in den EWR-Markt einzudringen, und ihre Beteiligung bestand daher in einer Unterlassung. Die europäischen Unternehmen hingegen teilten die verschiedenen GIS-Projekte auf diesem Markt durch aktives kollusives Handeln untereinander auf.

    315    In Bezug auf die Schwere dieser beiden Arten von Verhalten besteht jedoch kein wesentlicher Unterschied. Wie nämlich oben in den Randnrn. 258 und 290 festgestellt, ist die Tatsache, dass die Klägerinnen an der Zuteilung von GIS-Projekten im EWR nicht beteiligt waren, angesichts der Art ihrer Verpflichtung nach der Übereinkunft nicht relevant, da ihre Einbeziehung nicht von Nutzen gewesen wäre. Der Umstand, auf den sich die Klägerinnen berufen, war daher nicht das Ergebnis ihrer Entscheidung, sondern bloß die Folge der Art ihrer Beteiligung am Abkommen über den EWR-Markt. Diese Beteiligung war jedoch eine Vorbedingung dafür, dass die Aufteilung der GIS-Projekte im EWR unter den europäischen Herstellern nach den dafür vereinbarten Regeln erfolgen konnte.

    316    Daher ist festzustellen, dass die Schwere des Verhaltens der japanischen Unternehmen mit der des Verhaltens der europäischen Unternehmen vergleichbar ist.

    317    Was die Behauptung der Klägerinnen anbelangt, sie hätten den Wettbewerb im EWR nicht beeinträchtigen können, ist nach Nr. 1 Buchst. a der Leitlinien bei der Festsetzung der Geldbuße zu berücksichtigen, ob die Urheber der Zuwiderhandlung tatsächlich wirtschaftlich dazu in der Lage waren, anderen Wirtschaftsteilnehmern, insbesondere den Verbrauchern, einen erheblichen Schaden zuzufügen.

    318    Die Klägerinnen machen hierzu geltend, dass zum einen ein japanischer Hersteller, der in den Markt für GIS-Projekte im EWR habe eindringen wollen, sich „hohen“ technischen, kommerziellen, kulturellen und wirtschaftlichen Zutrittsschranken gegenübergesehen habe. Zum anderen sei dieser Markt ein „reifer“ Markt gewesen, was bedeute, dass er im Zeitraum der Zuwiderhandlung nur eine geringe Wachstumsrate aufgewiesen habe und von den europäischen Herstellern ausreichend versorgt worden sei.

    319    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Bestehen der Übereinkunft und insbesondere des Melde- und Anrechnungsmechanismus impliziert, dass die japanischen Hersteller von den europäischen Herstellern ungeachtet bestimmter objektiver Zutrittsschranken, deren Bestehen die Kommission im Übrigen nicht bestreitet, als potenziell ernsthafte Wettbewerber wahrgenommen wurden. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätten die europäischen Hersteller die Übereinkunft, die für sie zum Verlust eines Teils der GIS-Projekte außerhalb des EWR führte, nicht geschlossen. Da sich die europäischen Hersteller aufgrund ihrer privilegierten Stellung in Europa in einer besonders guten Lage befanden, um die Situation im EWR zu beurteilen, stellt ihre Annahme der Übereinkunft einen Umstand dar, der die Plausibilität der von den Klägerinnen vertretenen Auffassung ernsthaft in Frage stellt.

    320    Sodann ist darauf hinzuweisen, dass der von den Klägerinnen vorgelegte externe Bericht im Nachhinein für die konkreten Bedürfnisse der Verteidigung der Parteien im Rahmen des Verfahrens erstellt wurde, das zum Erlass der angefochtenen Entscheidung geführt hat. Der Bericht ist, wie von der Kommission geltend gemacht, allgemein gehalten, und ihm ist nicht zu entnehmen, dass die Klägerinnen die Möglichkeit oder wirtschaftliche Zweckmäßigkeit eines Eindringens in den EWR-Markt erörtert hätten. Insbesondere zu den technischen Schranken nimmt der externe Bericht großenteils auf die Erklärung von JAEPS und anderen Adressaten der angefochtenen Entscheidung Bezug, was zugleich bedeutet, dass er keine unabhängige Quelle ist.

    321    Was außerdem die technischen Schranken betrifft, ist ein japanischer Hersteller, der in den EWR-Markt eindringen möchte, tatsächlich gehalten, das betreffende Produkt den geltenden Normen anzupassen, die sich aus den von der Internationalen Elektrotechnischen Kommission definierten Standards ergeben, einige Konformitätstests durchzuführen und die entsprechenden Bescheinigungen einzuholen. Die Klägerinnen bestreiten jedoch nicht, dass die japanischen Hersteller sporadische Verkäufe von GIS-Produkten im EWR sowie zahlreichere Verkäufe in anderen Gebieten getätigt haben, in denen die von der Internationalen Elektrotechnischen Kommission definierten Standards ebenfalls gelten.

    322    Die Klägerinnen nehmen darüber hinaus auf die zusätzlichen technischen Anforderungen und Anwendungen in bestimmten westeuropäischen Ländern Bezug. Solche Anforderungen galten jedoch, zumindest in anderen als den Stammländern, für alle potenziellen Anbieter, europäische wie japanische.

    323    Gleiches gilt hinsichtlich der behaupteten Präferenz für inländische Anbieter, da es nach der angefochtenen Entscheidung gerade in den anderen Ländern des EWR als den Stammländern gerade keine ernsthaften inländischen Anbieter gab. Dies gilt erst recht für die behauptete Präferenz für den Lieferer der bereits eingebauten Ausstattung. Zufriedenstellende ältere Beziehungen zu einem Anbieter benachteiligen tendenziell alle anderen Anbieter, unabhängig davon, ob sie aus Europa oder aus Japan stammen.

    324    Die Klägerinnen machen ferner geltend, dass die Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 199, S. 84) bei der Vergabe öffentlicher Aufträge eine Bevorzugung der europäischen Anbieter vorschreibe. Wie die Klägerinnen jedoch selbst anerkennen, galt zum einen diese Regel ab 1. Januar 1996 nicht mehr für die japanischen Hersteller. Zum anderen galt die Präferenzregel nicht absolut, sondern nach Art. 36 Abs. 3 dieser Richtlinie nur dann, wenn die fraglichen Angebote nach den Zuschlagskriterien gleichwertig waren, was insbesondere bedeutete, dass der Preisunterschied 3 % nicht überschritt.

    325    Das Vorbringen der Klägerinnen zur Notwendigkeit, für den Verkauf, die Leistungen und die Bereitstellung einer Infrastruktur für die Wartung eine Niederlassung in Europa zu errichten, sowie zu den Auswirkungen der Entfernung zwischen Japan und Europa auf die Transport- und Versicherungskosten und auf die Lieferfristen kann angesichts der Verkäufe der japanischen Hersteller im EWR, im übrigen Europa und im Mittelmeerraum, also in geografisch von Japan weit entfernten Gebieten, nicht durchgreifen.

    326    Was die behaupteten Zollschranken anbelangt, haben die Klägerinnen die Zollsätze, die für die Einfuhr von GIS aus Japan in den EWR gelten, nicht im Einzelnen angeführt. Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

    327    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das lange Bestehen der Übereinkunft und damit das Fernbleiben der japanischen Hersteller vom EWR-Markt geeignet waren, bestimmte von den Klägerinnen angeführte Zutrittsschranken, insbesondere hinsichtlich der Akzeptanz, die die japanischen Anbieter von den europäischen Kunden erfuhren, künstlich zu verstärken. Die Klägerinnen können sich jedoch nicht auf die Auswirkungen einer Zuwiderhandlung berufen, an der sie selbst beteiligt waren, um eine Herabsetzung der gegen sie wegen dieser Zuwiderhandlung verhängten Geldbuße zu fordern. Außerdem können die genannten Auswirkungen der langen Dauer der Übereinkunft die Tatsache erklären, dass die Klägerinnen zwischen 1999 und 2002 sowie zwischen 2004 und 2006, also während relativ kurzer Zeiträume im Vergleich zum Zeitraum der Zuwiderhandlung, im EWR keine GIS verkaufen.

    328    Sodann ist darauf hinzuweisen, dass in den von anderen Beteiligten vorgelegten Erklärungen keine anderen als die von den Klägerinnen vorgebrachten Zutrittsschranken angeführt werden. Somit gelten die oben in den Randnrn. 321 bis 327 angestellten Erwägungen auch für sie.

    329    Zudem sind die Angaben zum EWR-Markt im externen Bericht nicht hinreichend detailliert, da sie nur bestimmte Teile des Zeitraums der Zuwiderhandlung abdecken. Darüber hinaus betrifft ein Teil der Angaben die Wachstumsrate des EWR-Markts, enthält aber keine näheren Ausführungen zur Größe dieses Marktes. Ein – absolut gesehen – großer Markt kann aber selbst dann Zutrittsmöglichkeiten bieten, wenn er keine hohe Wachstumsrate aufweist.

    330    Auch die Gegenwart anderer Wettbewerber ist ein Umstand, der zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit in einer Marktwirtschaft zwangsläufig gehört, und ist daher nichts Besonderes, was hätte berücksichtigt werden müssen. Soweit sich die Klägerinnen auf eine Bevorzugung der europäischen Hersteller durch die europäischen Kunden berufen, ist auf die Randnrn. 323 und 327 zu verweisen.

    331    Außerdem geht es bei der Analyse, ob die japanischen Hersteller in der Lage gewesen wären, in den EWR-Markt einzudringen, nicht darum, ob ein solches Eindringen in diesen Markt die attraktivste Möglichkeit für die japanischen Hersteller war, sondern darum, ob es sich dabei um eine realistische Option handelte, durch die ohne die Übereinkunft Druck auf das Verhalten der Hersteller auf dem EWR-Markt hätte ausgeübt werden können. Daher ist die Tatsache, dass sich den japanischen Herstellern möglicherweise auf anderen Märkten Gelegenheiten boten, an sich nicht relevant.

    332    Nach alledem ist festzustellen, dass die Klägerinnen ihr Vorbringen, dass die Besonderheiten des EWR-Markts zur Folge gehabt hätten, dass im vorliegenden Fall das Verhalten der an der Übereinkunft beteiligten japanischen Hersteller den Wettbewerb auf diesem Markt nicht habe beeinträchtigen können, nicht in rechtlich hinreichender Weise untermauert haben. Unter diesen Umständen kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dieses Vorbringen weder bei der Beurteilung der Schwere der von den Klägerinnen begangenen Zuwiderhandlung noch bei der Beurteilung der mildernden Umstände berücksichtigt zu haben.

    333    Der erste Teil des vierten Rechtsmittelgrundes ist daher zurückzuweisen.

    b)     Zum zweiten Teil: Fehler bei der Anwendung der Kronzeugenregelung

     Vorbringen der Parteien

    334    Die Klägerinnen bringen vor, die Kommission habe ihre Feststellung, dass sie an der Übereinkunft und, allgemeiner, an einer einheitlichen, dauernden Zuwiderhandlung beteiligt gewesen seien, auf zwei von ihnen stammende Beweismittel gestützt, nämlich zum einen auf die Erklärungen über das Bestehen des Melde- und Anrechnungsmechanismus und zum anderen auf die Darstellung der Ablehnung des Vorschlags von Alstom vom 10. Juli 2002 betreffend die Übereinkunft über den europäischen Markt. Diese Umstände seien der Kommission damals nicht bekannt gewesen und hätten sich unmittelbar auf den Nachweis einer einheitlichen, dauernden Zuwiderhandlung ausgewirkt.

    335    Die Kommission habe daher feherhaft festgestellt, dass diese Beweismittel keinen Mehrwert darstellten, der eine Ermäßigung der Geldbuße nach der Kronzeugenregelung rechtfertige. Nach Auffassung der Klägerinnen hätte gemäß Randnr. 23 der Kronzeugenregelung keine Geldbuße gegen sie verhängt werden dürfen.

    336    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

     Würdigung durch das Gericht

    337    Die Randnrn. 4, 20, 21 und 23 der Kronzeugenregelung sehen Folgendes vor:

    „4.      Die Kommission ist der Auffassung, dass die Gemeinschaft ein Interesse daran hat, Unternehmen, die mit ihr zusammenarbeiten, Rechtsvorteile zu gewähren. Das Interesse der Verbraucher und Bürger an der Aufdeckung und Ahndung von Kartellen ist größer als das Interesse an der Verhängung von Geldbußen gegen Unternehmen, die es der Kommission ermöglichen, solche Verhaltensweisen aufzudecken und zu untersagen.

    20.      Unternehmen, die die Voraussetzungen in Abschnitt A [für den Erlass der Geldbuße] nicht erfüllen, kann eine Ermäßigung der Geldbuße gewährt werden, die andernfalls verhängt worden wäre.

    21.      Um für eine Ermäßigung der Geldbuße in Betracht zu kommen, muss das Unternehmen der Kommission Beweismittel für die mutmaßliche Zuwiderhandlung vorlegen, die gegenüber den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweismitteln einen erheblichen Mehrwert darstellen, und seine Beteiligung an der mutmaßlich rechtswidrigen Handlung spätestens zum Zeitpunkt der Beweisvorlage einstellen.

    23.      … Falls ein Unternehmen Beweismittel für einen Sachverhalt vorlegt, von denen die Kommission zuvor keine Kenntnis hatte und die die Schwere oder Dauer des mutmaßlichen Kartells unmittelbar beeinflussen, lässt die Kommission diese Faktoren bei der Festsetzung der Geldbuße gegen das Unternehmen, das diese Beweismittel geliefert hat, unberücksichtigt.“

    338    Das Vorbringen der Klägerinnen kann, beurteilt man es nach diesen Kriterien, nicht durchgreifen.

    339    Wie oben in den Randnrn. 192 und 230 ausgeführt, sind die Erklärungen zum Melde- und Anrechnungsmechanismus und zum Vorschlag von Alstom vom Juli 2002 in der Tat Beweismittel, die für den Nachweis des Bestehens der Übereinkunft relevant sind. Im Verwaltungsverfahren brachten die Klägerinnen jedoch vor, dass der Melde- und Anrechnungsmechanismus keinen Nachweis für das Bestehen dieser Übereinkunft darstelle und der Vorschlag von Alstom und ihre Reaktion auf diesen Vorschlag das Bestehen dieser Übereinkunft in Frage stellten. Unter diesen Umständen können die Klägerinnen nicht behaupten, sie hätten in diesem Punkt nach Randnr. 4 der Kronzeugenregelung mit der Kommission zusammengearbeitet. Die Kommission hat daher keinen Fehler begangen, als sie hinsichtlich der Klägerinnen die Anwendung der Randnrn. 20 f. der Kronzeugenregelung ablehnte.

    340    Was die Anwendung von Randnr. 23 der Kronzeugenregelung anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission am 9. September 2004, d. h. zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags der Klägerinnen auf Geldbußenerlass, dem die Darstellung des Vorschlags von Alstom vom 10. Juli 2002 beigefügt war, bereits über das Bestehen und die Natur der Übereinkunft sowie darüber Bescheid wusste, dass diese speziell den Zeitraum von Juli 2002 bis 2004 abdeckte. Diese Tatsachen wurden nämlich in den Erklärungen von ABB vom 11. März 2004 offenbart. Ebenso wusste die Kommission zum Zeitpunkt der Versendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte, d. h., bevor die Klägerinnen ihre Erklärungen zum Melde- und Anrechnungsmechanismus vorlegten, dass dieser Mechanismus zwischen den Kartellmitgliedern zwischen 1988 und 2002 eingeführt worden war, da dieser Sachverhalt sowohl in den Erklärungen von ABB als auch in der Aussage von Herrn M. beschrieben wurde. Daher kann nicht angenommen werden, dass die Erklärungen der Klägerinnen Tatsachen betrafen, von denen die Kommission zuvor keine Kenntnis gehabt hatte, und erst recht nicht, dass sie die Schwere oder Dauer der Zuwiderhandlung beeinflussen konnten. Die Kommission hat daher fehlerfrei die Anwendung von Randnr. 23 der Kronzeugenregelung in Bezug auf die Klägerinnen abgelehnt.

    341    Der zweite Teil des vierten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

    c)     Zum dritten Teil: Fehler bei der Beurteilung von Umständen, die die Dauer der Zuwiderhandlung betreffen

     Vorbringen der Parteien

    342    Die Klägerinnen bekräftigen zum einen ihren Standpunkt, dass die Kommission das Fortdauern des Ziels der Zuwiderhandlung im Zeitraum zwischen 15. April 1988 und 11. Mai 2004 nicht nachgewiesen habe. Zum anderen bringen sie vor, ihre Beteiligung an einer Zuwiderhandlung nach Juli 2002 sei durch Änderungen der Struktur und der Art der Vereinbarungen in dieser Zeit sowie insbesondere durch ihre Ablehnung des Vorschlags von Alstom vom 10. Juli 2002, eine Übereinkunft über den europäischen Markt zu schließen, widerlegt.

    343    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

     Würdigung durch das Gericht

    344    Die Argumente der Klägerinnen im Rahmen dieses Teils sind dieselben wie die bereits im Rahmen des zweiten und des dritten Klagegrundes behandelten. Das Vorbringen zum Fortdauern des Ziels des Kartells und zu den Änderungen, die das Kartell erfahren habe, wurde nämlich oben in den Randnrn. 301 bis 303 geprüft. Ferner wurde oben in den Randnrn. 185 bis 193 geprüft, ob die Ablehnung des Vorschlags von Alstom vom 10. Juli 2002 durch Hitachi von Bedeutung ist.

    345    Nach den dortigen Erwägungen lassen die Umstände, auf die sich die Klägerinnen berufen, nicht den Schluss zu, die Kommission habe einen Fehler begangen, als sie feststellte, dass zwischen 15. April 1988 und 11. Mai 2004 eine dauernde Zuwiderhandlung vorlag, mit der ein einheitliches wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, und dass sich die Übereinkunft und somit die Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung über Juli 2002 hinaus erstreckte.

    346    Unter diesen Umständen sind der dritte Teil des vierten Klagegrundes und damit der vierte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

    2.     Zum fünften Klagegrund: Berechnung der Geldbußen der Klägerinnen nach einer Methode, die gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verstößt

    a)     Vorbringen der Parteien

    347    Nach dem Vorbringen der Klägerinnen hat die Kommission gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verstoßen, indem sie bei Hitachi einen Abschreckungsfaktor von 2,5 angewandt habe, bei ABB hingegen den niedrigsten Multiplikator, nämlich 1,25. Hitachi sei ein in der Branche der GIS-Projekte unbedeutendes Unternehmen, und sein Verhalten habe den Wettbewerb im gemeinsamen Markt nicht spürbar beeinträchtigen können; ABB sei der weltweit größte Anbieter in dieser Branche und in Europa niedergelassen. Außerdem sei Hitachi, anders als ABB, kein Wiederholungstäter gewesen. Da dieser Umstand im Zusammenhang mit der Verhinderung zukünftiger wettbewerbswidriger Verhaltensweisen relevant sei, hätte er bei der Bestimmung der anzuwendenden Abschreckungsfaktoren berücksichtigt werden müssen. Außerdem habe die Anwendung der Abschreckungsfaktoren erheblich stärkere Auswirkungen gehabt als eine Berücksichtigung des geringen Marktanteils der Klägerinnen.

    348    Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für unbegründet.

    b)     Würdigung durch das Gericht

    349    Nach Randnr. 491 der angefochtenen Entscheidung hat es die Kommission als erforderlich angesehen, bei den Unternehmen einen Abschreckungsfaktor anzuwenden, die einen besonders hohen Gesamtumsatz aufweisen. Gestützt auf den weltweiten Gesamtumsatz der betreffenden Unternehmen, hat die Kommission u. a. Abschreckungsfaktoren von 1,25 bei ABB und von 2,5 bei Hitachi angewandt.

    350    Die Klägerinnen rügen, dass diese Berechnung weder die Wirtschaftskraft von ABB auf dem weltweiten und dem europäischen Markt für GIS-Projekte noch die Tatsache widerspiegle, dass ABB in der Vergangenheit wegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG mit einer Sanktion belegt worden sei. Nach Randnr. 491 der angefochtenen Entscheidung sollten jedoch durch die Anwendung eines Abschreckungsfaktors nicht diese beiden Umstände berücksichtigt werden, sondern die Größenunterschiede der einzelnen am Kartell beteiligten Unternehmen. Die Berücksichtigung des letztgenannten Umstands entspricht sowohl Nr. 1 Buchst. a der Leitlinien als auch der Rechtsprechung, wonach die Kommission bei der Berechnung der Geldbuße u. a. die Größe und die Wirtschaftskraft des betreffenden Unternehmens berücksichtigen kann (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 119 bis 121).

    351    Die Verhältnismäßigkeit der bei ABB und Hitachi angewandten Abschreckungsfaktoren in Bezug auf ihre jeweilige Größe lässt sich leicht anhand einer Grafik überprüfen, die sämtliche angewandten Abschreckungsfaktoren in Beziehung zu den jeweiligen Gesamtumsätzen der betreffenden Unternehmen setzt. Auf dieser Grafik befinden sich die Multiplikatoren sämtlicher Unternehmen, ausgenommen Siemens, auf einer Geraden. Das bedeutet, dass der bei Hitachi angewandte Abschreckungsfaktor zu dem bei ABB angewandten proportional ist und daher Hitachi im Verhältnis zu ABB nicht ungleich behandelt wurde.

    352    Was im Übrigen die sonstigen Umstände anbelangt, auf die sich die Klägerinnen berufen, ist darauf hinzuweisen, dass die Wirtschaftskraft von ABB auf dem Markt für GIS-Projekte zwar einen relevanten Umstand darstellt, da sie ein unmittelbarer Indikator dafür ist, in welchem Umfang dieses Unternehmen den Wettbewerb beeinträchtigen kann. Im vorliegenden Fall wurde dieser Umstand jedoch bei der Bestimmung des Ausgangsbetrags berücksichtigt, da ABB gemeinsam mit Siemens aufgrund ihres Anteils an den gesamten weltweiten Verkäufen zur ersten Gruppe gezählt wurde. Der Ausgangsbetrag bei ABB war daher fünfmal höher als der bei Hitachi und bei JAEPS.

    353    Was die Wiederholungstäterschaft anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass die Abschreckung ein Ziel der Geldbuße und die Notwendigkeit, sie zu gewährleisten, ein allgemeines Erfordernis ist, von dem sich die Kommission bei der gesamten Berechnung der Geldbuße leiten lassen muss; sie bedeutet nicht zwingend, dass die Berechnung einen speziellen Abschnitt umfasst, in dem alle für die Verwirklichung dieses Zwecks relevanten Umstände einer Gesamtbeurteilung unterzogen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, Slg. 2006, II‑497, Randnr. 226). Die Kommission konnte diesen Umstand daher, ohne einen Fehler zu begehen, im Rahmen der Beurteilung der erschwerenden Umstände und nicht bei der Festlegung der Abschreckungsfaktoren berücksichtigen. In Randnr. 510 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission daher die Geldbuße von ABB nach Nr. 2 der Leitlinien um 50 % erhöht, während für die Klägerinnen eine Erhöhung aus diesem Grund nicht vorgesehen wurde.

    354    Nach alledem ist der fünfte Klagegrund ebenso wie der erste Hilfsantrag der Klägerinnen auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung, soweit er die Klägerinnen betrifft, zurückzuweisen.

    355    Da die Klägerinnen ihren zweiten Hilfsantrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbußen auf keinen selbständigen Klagegrund gestützt haben, ist die Klage insgesamt abzuweisen.

     Kosten

    356    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    Aus diesen Gründen hat

    DAS GERICHT (Zweite Kammer)

    für Recht erkannt und entschieden:

    1.      Die Klage wird abgewiesen.

    2.      Die Klägerinnen tragen die Kosten.

    Pelikánová

    Jürimäe

    Soldevila Fragoso

    Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Juli 2011.

    Unterschriften

    Inhaltsverzeichnis


    Vorgeschichte des Rechtsstreits

    A –  Klägerinnen

    B –  Betroffene Erzeugnisse

    C –  Verwaltungsverfahren

    D –  Angefochtene Entscheidung

    Verfahren und Anträge der Parteien

    Rechtliche Würdigung

    A –  Zum Hauptantrag: Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung, soweit sie die Klägerinnen betrifft

    1.  Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen durch die Kommission

    a)  Vorbringen der Parteien

    b)  Würdigung durch das Gericht

    –  Zum ersten Teil: Nichtübermittlung belastender Beweismittel

    –  Zum zweiten Teil: Nichtübermittlung entlastender Beweismittel

    2.  Zum zweiten Klagegrund: Fehlender Nachweis des Bestehens der Übereinkunft oder der daraus resultierenden Zuwiderhandlung

    a)  Zum ersten Teil: Kein Nachweis der Übereinkunft durch die Kommission

    Zum GQ-Abkommen und zum EQ-Abkommen

    –  Vorbringen der Parteien

    –  Würdigung durch das Gericht

    Zu den Erklärungen von ABB

    –  Vorbringen der Parteien

    –  Würdigung durch das Gericht

    Zu den Aussagen der Mitarbeiter sowie eines ehemaligen Mitarbeiters von ABB

    –  Vorbringen der Parteien

    –  Würdigung durch das Gericht

    Zu den Angaben von Fuji

    –  Vorbringen der Parteien

    –  Würdigung durch das Gericht

    Zum Vorschlag von Alstom vom 10. Juli 2002

    –  Vorbringen der Parteien

    –  Würdigung durch das Gericht

    Zum Standpunkt der übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte

    –  Vorbringen der Parteien

    –  Würdigung durch das Gericht

    Zum Melde- und Anrechnungsmechanismus

    –  Vorbringen der Parteien

    –  Würdigung durch das Gericht

    Zur Zuteilung von GIS-Projekten im EWR

    –  Vorbringen der Parteien

    –  Würdigung durch das Gericht

    Gesamtbeurteilung

    –  Vorbringen der Parteien

    –  Würdigung durch das Gericht

    b)  Zum zweiten Teil: Die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Übereinkunft eine beschränkende Vereinbarung oder eine abgestimmte Verhaltensweise gewesen sei

    Vorbringen der Parteien

    Würdigung durch das Gericht

    3.  Zum dritten Klagegrund: Die Kommission habe das Vorliegen einer einheitlichen, dauernden Zuwiderhandlung nicht nachgewiesen

    a)  Zum ersten Teil: Die Kommission habe das Vorliegen einer einheitlichen Zuwiderhandlung, die die Übereinkunft, das weltweite Kartell nach dem GQ-Abkommen und die Kartellaktivitäten der europäischen Hersteller innerhalb des EWR umfasst habe, nicht nachgewiesen

    Vorbringen der Parteien

    Würdigung durch das Gericht

    b)  Zum zweiten Teil: Fehlender Nachweis des Dauercharakters des Kartells durch die Kommission

    Vorbringen der Parteien

    Würdigung durch das Gericht

    B –  Zum ersten Hilfsantrag: Aufhebung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung, soweit er die Klägerinnen betrifft

    1.  Zum vierten Klagegrund: Fehler der Kommission bei der Berechnung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße

    a)  Zum ersten Teil: Fehler bei der Bewertung der relativen Bedeutung der vom einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung

    Vorbringen der Parteien

    Würdigung durch das Gericht

    b)  Zum zweiten Teil: Fehler bei der Anwendung der Kronzeugenregelung

    Vorbringen der Parteien

    Würdigung durch das Gericht

    c)  Zum dritten Teil: Fehler bei der Beurteilung von Umständen, die die Dauer der Zuwiderhandlung betreffen

    Vorbringen der Parteien

    Würdigung durch das Gericht

    2.  Zum fünften Klagegrund: Berechnung der Geldbußen der Klägerinnen nach einer Methode, die gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verstößt

    a)  Vorbringen der Parteien

    b)  Würdigung durch das Gericht

    Kosten



    * Verfahrenssprache: Englisch.

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