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Document 62007TJ0025

    Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 11. Februar 2009.
    Iride SpA und Iride Energia SpA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
    Staatliche Beihilfen - Energiesektor - Erstattung der verlorenen Kosten - Entscheidung, mit der die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird - Verpflichtung des begünstigten Unternehmens, zuvor eine frühere Beihilfe, die für rechtswidrig erklärt worden ist, zurückzuzahlen - Staatliche Mittel - Vorteil - Begründungspflicht.
    Rechtssache T-25/07.

    Sammlung der Rechtsprechung 2009 II-00245

    ECLI identifier: ECLI:EU:T:2009:33

    Parteien
    Entscheidungsgründe
    Tenor

    Parteien

    In der Rechtssache T‑25/07

    Iride SpA mit Sitz in Turin (Italien),

    Iride Energia SpA mit Sitz in Turin,

    Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L. Radicati di Brozolo, M. Merola und C. Bazoli,

    Klägerinnen,

    gegen

    Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Righini und G. Conte als Bevollmächtigte,

    Beklagte,

    wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2006/941/EG der Kommission vom 8. November 2006 über die staatliche Beihilfe C 11/06 (ex N 127/05), die die Italienische Republik AEM Torino in Form von Zuschüssen gewähren will, die dazu bestimmt sind, verlorene Kosten im Energiesektor zu erstatten (ABl. L 366, S. 62), soweit mit ihr zum einen festgestellt wird, dass es sich um eine staatliche Beihilfe handelt, und zum anderen die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt davon abhängig gemacht wird, dass AEM Torino die früheren rechtswidrigen Beihilfen im Rahmen der Regelung zugunsten der „kommunalisierten“ Unternehmen („aziende municipalizzate“) zurückzahlt,

    erlässt

    DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

    unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová (Berichterstatterin) sowie der Richter K. Jürimäe und S. Soldevila Fragoso,

    Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juli 2008

    folgendes

    Urteil

    Entscheidungsgründe

    Vorgeschichte des Rechtsstreits

    1. Die Klägerinnen, die Iride SpA und die Iride Energia SpA, sind die Holdinggesellschaft der Iride‑Gruppe bzw. deren Tochtergesellschaft im Sektor elektrische und thermische Energie. Diese Gruppe ist aus dem am 31. Oktober 2005 vollzogenen Zusammenschluss der AEM Torino SpA und der AMGA SpA hervorgegangen. Den Klägerinnen kamen die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Maßnahmen über die Werte zugute, die AEM Torino, der die Anlagen gehörten, auf die sich diese Maßnahmen bezogen, bei dem Zusammenschluss eingebracht hatte.

    Frühere Beihilfen

    2. Aufgrund einer 1997 eingereichten Beschwerde erließ die Kommission am 5. Juni 2002 die Entscheidung 2003/193/EG betreffend von Italien gewährte Steuerbefreiungen und Vorzugsdarlehen für Unternehmen der Daseinsvorsorge mit öffentlicher Mehrheitsbeteiligung (ABl. L 77, S. 21, im Folgenden: Steuerbefreiungsentscheidung). In dieser Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die von der Italienischen Republik zugunsten der „kommunalisierten“ Unternehmen gewährten Steuerbefreiungen und Darlehen rechtswidrig und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien, und ordnete die Rückforderung dieser Beihilfen von den begünstigten Unternehmen an. Mit Urteil vom 1. Juni 2006, Kommission/Italien (C‑207/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Italienische Republik dadurch, dass sie die Steuerbefreiungsentscheidung nicht durchgeführt hat, gegen ihre Verpflichtungen verstoßen hat.

    3. Am 18. Juli 2000 meldeten die italienischen Behörden bei der Kommission gemäß Art. 88 Abs. 2 EG eine staatliche Beihilfe zur Erstattung von infolge der Umsetzung der Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 1997, L 27, S. 20) verlorenen Kosten zugunsten der ENEL‑Gruppe und weiterer Gesellschaften an, denen ehemalige ENEL‑Anlagen übertragen worden waren. AEM Torino war am Gesellschaftskapital einer dieser Gesellschaften, der Edipower SpA, mit 8 % beteiligt. Mit Entscheidung vom 1. Dezember 2004 (im Folgenden: ENEL‑Entscheidung) erklärte die Kommission diese Beihilfe in Anwendung ihrer Mitteilung über die Methode für die Analyse staatlicher Beihilfen in Verbindung mit verlorenen Kosten für im Sinne von Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

    Streitige Maßnahme

    4. Am 21. März 2005 meldeten die italienischen Behörden bei der Kommission gemäß Art. 88 Abs. 2 EG eine neue staatliche Beihilfe zur Erstattung der verlorenen Kosten zugunsten von AEM Torino (im Folgenden: streitige Maßnahme) an.

    5. Die streitige Maßnahme war durch eine Reihe nationaler Bestimmungen definiert. So bestimmt das Dekret des Ministers für Industrie, Handel und Handwerk vom 26. Januar 2000 über allgemeine Kosten des Elektrizitätsnetzes (GURI Nr. 27 vom 3. Februar 2000) in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, dass zu diesen allgemeinen Kosten „die Erstattung verlorener Kosten an Produktions- und Vertriebsunternehmen“ gehöre.

    6. Zur Finanzierung der wegen der verlorenen Kosten gewährten Erstattung richtete die Autorità per l’energia elettrica e il gas (Behörde für Strom und Gas, im Folgenden: AEEG) mit Entscheidung Nr. 238/00 vom 28. Dezember 2000 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 4 vom 5. Januar 2001) bei der Ausgleichskasse für den Elektrizitätssektor (im Folgenden: CCSE) ein Sonderkonto ein, auf das der Ertrag der Anwendung eines bestimmten Stromtarifbestandteils („A 6“) floss, mit dem sämtliche Endkunden belastet wurden.

    7. Schließlich wurden durch Dekret des Ministers der Finanzen vom 10. März 2005 die verlorenen Kosten für AEM Torino auf 16 338 000 Euro festgesetzt.

    Vorverfahren

    8. In den Monaten nach der Notifizierung der streitigen Maßnahmen richtete die Kommission eine Reihe von Anfragen an die italienischen Behörden, um zu prüfen, ob AEM Torino in den Genuss rechtswidriger und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbarer staatlicher Beihilfen gekommen sei und ob, wenn dies der Fall sei, AEM Torino ihrer Rückzahlungspflicht nachgekommen sei. Diese Anfragen bezogen sich insbesondere auf die Beihilfen, die Gegenstand der Steuerbefreiungsentscheidung gewesen waren.

    9. Weil eine aus ihrer Sicht zufriedenstellende Antwort ausblieb, eröffnete die Kommission mit Entscheidung vom 4. April 2006 (im Folgenden: Eröffnungsentscheidung) das in Art. 88 Abs. 2 EG vorgesehene Verfahren. In dieser Entscheidung führte die Kommission erstens aus, dass die streitige Maßnahme ihrer Ansicht nach eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG sei, zweitens, dass diese Beihilfe den in der Mitteilung über die verlorenen Kosten angegebenen Kriterien entspreche, dass aber, drittens, unter den gegebenen Umständen diese Beihilfe nicht für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden könne, da AEM Torino wahrscheinlich in den Genuss von rechtswidrigen und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren staatlichen Beihilfen gekommen sei, die noch nicht zurückgezahlt worden seien.

    10. Die Eröffnungsentscheidung wurde im Amtsblatt der Europäischen Union vom 17. Mai 2006 (ABl. C 116, S. 2) veröffentlicht. In dieser Entscheidung forderte die Kommission die Beteiligten auf, innerhalb einer Frist von einem Monat ab dieser Veröffentlichung Stellung zu nehmen. Allerdings gingen bei der Kommission keine Stellungnahmen ein, weder solche der italienischen Behörden noch von AEM Torino, noch von dritten Beteiligten.

    11. Mit der Entscheidung 2006/941/EG vom 8. November 2006 über die staatliche Beihilfe C 11/06 (ex N 127/05), die die Italienische Republik AEM Torino gewähren will (ABl. L 366, S. 62, im Folgenden: angefochtene Entscheidung), schloss die Kommission das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG ab. In dieser Entscheidung vertrat sie im Wesentlichen die Auffassung, dass die streitige Maßnahme eine mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Beihilfe sei, dass die Beihilfe aber dennoch nicht gewährt werden könne, bevor die Italienische Republik der Kommission nachgewiesen habe, dass AEM Torino keine in der Steuerbefreiungsentscheidung enthaltenen Beihilfen empfangen habe oder dass gegebenenfalls AEM Torino die genannten Beihilfen einschließlich Verzugszinsen zurückgezahlt habe.

    Verfahren und Anträge der Parteien

    12. Mit am 30. Januar 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

    13. Die Klägerinnen beantragen,

    – die Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung festzustellen, soweit mit ihr die streitige Maßnahme als staatliche Beihilfe qualifiziert wird und soweit mit ihr die „Auszahlung der Beihilfe ausgesetzt wird“, bis die Italienische Republik den Nachweis dafür erbracht hat, dass AEM Torino die Beihilfen zurückgezahlt hat, die Gegenstand der Steuerbefreiungsentscheidung sind;

    – der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    14. Die Kommission beantragt,

    – die Klage abzuweisen;

    – den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

    Rechtliche Würdigung

    15. Die Klägerinnen machen zwei Klagegründe geltend, die sie zum einen aus einem Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 EG und zum anderen aus der Rechtswidrigkeit der „Aussetzung der Auszahlung der Beihilfe“ herleiten.

    Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 EG

    16. Der erste Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Die Klägerinnen treten der Einstufung der streitigen Maßnahme als staatliche Beihilfe entgegen, da die Voraussetzung der Finanzierung aus staatlichen Mitteln und die Voraussetzung der Vorteilsgewährung an die Empfänger nicht erfüllt seien.

    17. Außerdem erheben die Klägerinnen im Rahmen ihres ersten Klagegrundes zwei weitere Rügen, mit denen sie das Fehlen von Ermittlungen und das Fehlen einer Begründung der angefochtenen Entscheidung beanstanden. Da diese Rügen allerdings in Wirklichkeit nicht an einen Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 EG anknüpfen, werden sie getrennt als dritter bzw. vierter Klagegrund geprüft.

    Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes, der die Voraussetzung der Finanzierung aus staatlichen Mitteln betrifft

    – Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    18. Die Klägerinnen tragen im Kern vor, dass mit der streitigen Maßnahme keine staatlichen Mittel eingesetzt würden, sondern dass sie lediglich Übertragungen zwischen Akteuren der Privatwirtschaft, nämlich den Stromendverbrauchern zum einen und den Elektrizitätsvertriebsunternehmen zum anderen, zur Folge habe.

    19. Das italienische System zur Deckung der verlorenen Kosten stelle sich rechtlich so dar, dass der Staat einer Gruppe von Privatrechtssubjekten, den Stromendverbrauchern, eine Verpflichtung zur Übertragung bestimmter Beträge auf eine andere Gruppe von Privatrechtssubjekten, den Unternehmen, auferlege, denen die Erstattung der verlorenen Kosten zugute komme. Die Klägerinnen betonen, dass sich das fragliche System, aus diesem Blickwinkel betrachtet, nicht von einer Verpflichtung zum Kauf zu vorher festgelegten Mindestpreisen unterscheide, die außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 87 EG liege, selbst wenn die Übertragung der finanziellen Mittel zwischen Privatrechtssubjekten im vorliegenden Fall zwingend über ein bei der CCSE eingerichtetes Konto – und nicht unmittelbar – erfolge.

    20. Die CCSE übe lediglich eine buchhalterische Mittlerfunktion zwischen den Privatrechtssubjekten, die eine auf Zahlung von Geld gerichtete Verpflichtung treffe, und den Empfängern der entsprechenden Beträge aus, was es ihr nicht – auch nicht für einen kurzen Zeitraum – erlaube, über die eingezahlten Beträge zu verfügen.

    21. Die Kommission trägt vor, dass die transferierten Beträge staatliche Mittel seien, da die CCSE, die diese Mittel vereinnahme und ihre Verteilung sicherstelle, eine öffentliche Einrichtung sei und der Staat über die so gesammelten Beträge verfügen könne.

    – Würdigung durch das Gericht

    22. Art. 87 Abs. 1 EG erklärt staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

    23. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind jedoch erstens nur Vorteile, die unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden, als Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG anzusehen. Die in dieser Bestimmung vorgenommene Unterscheidung zwischen „staatlichen“ und „aus staatlichen Mitteln gewährten“ Beihilfen bedeutet nämlich nicht, dass alle von einem Staat gewährten Vorteile unabhängig davon Beihilfen darstellen, ob sie aus staatlichen Mitteln finanziert werden, sondern dient nur dazu, in den Beihilfebegriff die unmittelbar vom Staat gewährten Vorteile sowie diejenigen, die über eine vom Staat benannte oder errichtete öffentliche oder private Einrichtung gewährt werden, einzubeziehen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 13. März 2001, PreussenElektra, C‑379/98, Slg. 2001, I‑2099, Randnr. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    24. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die fraglichen Beträge im Rahmen der streitigen Maßnahme zunächst bei Privatrechtssubjekten, nämlich sämtlichen Energieverbrauchern, erhoben und dann auf ein bei der CCSE eingerichtetes Konto eingezahlt wurden, bevor sie später an AEM Torino, ein privates Unternehmen, flossen. Unbestritten ist auch, dass die CCSE eine öffentliche Einrichtung ist, die der italienische Staat dazu bestimmt hat, den Empfängerunternehmen die Erstattung der verlorenen Kosten zukommen zu lassen.

    25. Zweitens ist zum Begriff der staatlichen Mittel daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Art. 87 Abs. 1 EG sämtliche Geldmittel erfasst, die die öffentlichen Stellen tatsächlich zur Unterstützung der Unternehmen verwenden können, ohne dass es darauf ankommt, dass diese Mittel dauerhaft zum Vermögen des Staates gehören. Auch wenn die der fraglichen Maßnahme entsprechenden Beträge nicht dauerhaft im Besitz der öffentlichen Stellen sind, genügt folglich der Umstand, dass sie unter ständiger öffentlicher Kontrolle und somit den zuständigen nationalen Stellen zur Verfügung stehen, um sie als staatliche Mittel einzustufen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 16. Mai 2000, Frankreich/Ladbroke Racing und Kommission, C‑83/98 P, Slg. 2000, I‑3271, Randnr. 50, und vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C‑482/99, Slg. 2002, I‑4397, Randnr. 37).

    26. Im vorliegenden Fall tragen die Klägerinnen vor, dass die streitige Maßnahme derjenigen gleiche, um die es in der Rechtssache PreussenElektra gegangen sei, in der der Gerichtshof entschieden habe, dass die Verpflichtung privater Elektrizitätsversorgungsunternehmen zur Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu festgelegten Mindestpreisen nicht zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Übertragung staatlicher Mittel auf die Unternehmen führe, die diesen St rom erzeugten (Randnr. 59).

    27. Dazu ist festzustellen, dass in der Rechtssache PreussenElektra der Staat – über die Schaffung der gesetzlichen Verpflichtung zur Abnahme zu einem Mindestpreis hinaus – keine Rolle bei der Sammlung und/oder der Verteilung der fraglichen Mittel spielte: Die dem Abnahmepreis entsprechenden Beträge wurden unmittelbar zwischen Akteuren der Privatwirtschaft transferiert, nämlich den Elektrizitätsversorgungsunternehmen auf der einen und den Erzeugern von Strom aus erneuerbaren Energiequellen auf der anderen Seite. Im vorliegenden Fall jedoch wird der Ertrag der Anwendung des Stromtarifbestandteils A 6 von der CCSE, einer öffentlichen Einrichtung, erhoben und auf einem Sonderkonto verwaltet, bevor er an den Empfänger, d. h. AEM Torino, verteilt wird.

    28. Daher sind in Anbetracht der oben in Randnr. 25 angeführten Rechtsprechung die fraglichen Beträge als staatliche Mittel zu qualifizieren, weil sie nicht nur unter ständiger öffentlicher Kontrolle, sondern sogar im Eigentum des Staates stehen.

    29. Was nämlich erstens die öffentliche Kontrolle angeht, hat die Kommission, von den Klägerinnen unwidersprochen, darauf hingewiesen, dass die CCSE die auf ihrem A‑6‑Konto befindlichen Beträge verwenden konnte, um negative Salden auf anderen Konten zeitweilig auszugleichen. Außerdem führt die Kommission einen Fall an, in dem die italienischen Behörden durch ministerielles Dekret einen Teil der auf dem genannten Konto verfügbaren Beträge anderen Zwecken als demjenigen zuordneten, für den sie eingezahlt worden waren. Damit ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, dass die CCSE lediglich eine buchhalterische Mittlerfunktion ausübe und die Einzahlung der fraglichen Beträge auf das Konto der CCSE dieser nicht einmal zeitweilig erlaube, darüber zu verfügen. Zwar machen die Klägerinnen geltend, dass der italienische Staat in diesem Fall nicht aus eigenem Antrieb gehandelt habe, sondern mit dem Ziel, den Gemeinschaftsvorschriften nachzukommen, und dass die Änderung der Verwendung dieser Beträge gegenüber ihrer ursprünglichen Bestimmung lediglich Folge des Umstands gewesen sei, dass sie denjenigen, die sie rechtsgrundlos entrichtet hätten, nicht hätten erstattet werden können. Dies stellt jedoch die Schlussfolgerung der Kommission nicht in Frage, wonach der italienische Staat, wenn sich dies als erforderlich oder angebracht erweist, die Möglichkeit hat, über die auf dem A‑6‑Konto bei der CCSE verfügbaren Beträge insbesondere dadurch zu verfügen, dass er sie einer anderen Bestimmung zuführt.

    30. Was zweitens die Frage betrifft, wer Eigentümer der auf das A‑6‑Konto bei der CCSE eingezahlten Beträge ist, haben die Klägerinnen, obwohl sie verneinen, dass diese Beträge der CCSE selbst gehörten, in ihren Schriftsätzen nicht erläutert, wem diese denn dann gehörten, da die Schriftsätze sich auf das Vorbringen beschränken, die fraglichen Beträge stünden immer im Eigentum des „Elektrizitätssystems“. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen auf eine Frage des Gerichts angegeben, dass die Stromendverbraucher Eigentümer der genannten Beträge blieben.

    31. Die Corte suprema di cassazione (italienischer Kassationshof) hat im Urteil (der Vereinigten Zivilkammern) Nr. 11632/03 vom 3. April 2003 entschieden, dass die CCSE keine vom italienischen Staat verschiedene Rechtspersönlichkeit habe und dass dieser als Eigentümer der an die CCSE geflossenen Beträge anzusehen sei. In den Nrn. 4.3 bis 4.7 des genannten Urteils nimmt die Corte suprema di cassazione eine gründliche Untersuchung der Frage der Rechtspersönlichkeit der CCSE vor, die sich auf eine Prüfung der auf diesem Gebiet geltenden Rechtsvorschriften und auf die Rechtsprechung zu ähnlichen Fällen im italienischen Recht stützt. Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass die CCSE ein staatliches Organ sei und dass die an sie geflossenen Beträge, obgleich diese von Privatrechtssubjekten stammten und für private Unternehmen bestimmt seien, Staatseigentum seien.

    32. Die von den Klägerinnen in der Gegenerwiderung vorgebrachten Argumente gegen die Richtigkeit dieses Urteils und dessen Relevanz für die vorliegende Rechtssache vermögen nicht zu überzeugen.

    33. Erstens machen die Klägerinnen geltend, dass die Corte suprema di cassazione in der Rechtssache, in der das genannte Urteil ergangen ist, sich zu Rechtsfragen zu äußern gehabt habe, die sich von denjenigen im vorliegenden Fall unterschieden. Denn die Corte suprema di cassazione habe über die Natur einer Zuwiderhandlung befunden, mit der die Mitglieder des italienischen interministeriellen Preiskomitees (CIP) in Ausübung ihrer Aufgaben die öffentlichen Einnahmen angetastet hätten, die von der CCSE gehalten würden. In diesem Zusammenhang habe sie sich von dem Willen leiten lassen, die fraglichen Personen unter allen Umständen zu bestrafen. Die von der Corte suprema di cassazione aufgestellten Grundsätze könnten somit nicht abstrakt für andere Fallkonstellationen gelten, ohne den Zusammenhang zu berücksichtigen, in dem sie aufgestellt worden seien.

    34. Unabhängig davon, ob die Vermutungen der Klägerinnen hinsichtlich der Beweggründe, auf denen das fragliche Urteil beruht, zutreffen, kann jedoch einer Übertragung der dort getroffenen Feststellungen zur staatlichen Natur der fraglichen Mittel nicht entgegenstehen, dass die Corte suprema di cassazione sich in einer strafrechtlichen und nicht in einer zivilrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Sache geäußert hat. Denn da das Strafrecht und insbesondere die Bestimmungen über betrügerische Buchführung, um die es in dem genannten Urteil ging, den Schutz der Rechte bezwecken, die natürliche und juristische Personen aus dem Zivilrecht oder dem Verwaltungsrecht herleiten, müssen die Inhaber der fraglichen Konten jedenfalls auf zivilrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Grundlage bestimmt werden. Somit gelten die Feststellungen des Urteils der Corte suprema di cassazione zur fehlenden Rechtspersönlichkeit der CCSE und zum Eigentum an den Mitteln, die sich auf den von ihr verwalteten Konten befinden, allgemein und auch außerhalb des Strafrechts.

    35. Zweitens tragen die Klägerinnen vor, dass sich zwischenzeitlich der rechtliche Rahmen vollständig gewandelt habe, der für die Rechtssache gegolten habe, in der das Urteil der Corte suprema di cassazione ergangen sei. Hierbei weisen sie insbesondere darauf hin, dass mit einem Gesetz von 1995 die AEEG errichtet worden sei, der Zuständigkeiten übertragen worden seien, die zuvor das CIP wahrgenommen habe, und verweisen auf den Beschluss Nr. 70/97 der AEEG, mit dem diese erstmals deutlich zwischen dem Stromtarif einschließlich seiner Zuschläge und Einnahmen des Staates unterschieden habe. Vor der Liberalisierung des Sektors, die die letztgenannte Änderung nach sich gezogen habe, hätten die verschiedenen Bestandteile des Stromtarifs zur Deckung des Budgets von ENEL als öffentlicher Einrichtung gedient, so dass sie als öffentliche Mittel angesehen worden seien, während gemäß den Rechtsvorschriften aus dem Jahr 1992 ENEL zwischenzeitlich in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden sei.

    36. Das Gericht ist der Ansicht, dass dieses Vorbringen durch das Vorbringen der Kommission widerlegt wird. Denn hinsichtlich der Übernahme der Aufgaben des CIP durch die AEEG erscheint es offenkundig, dass es, da sich die wahrgenommenen Zuständigkeiten nicht geändert haben, nicht darauf ankommt, ob die Festlegung, die Verwaltung und die Verwendung der Zuschläge des Stromtarifs einer unabhängigen Verwaltungsstelle wie der AEEG obliegen oder einem interministeriellen Komitee wie dem CIP. In Bezug auf die Tatsache, dass ENEL als bestimmungsmäßiger Empfänger der Zuschläge zum Stromtarif, die Gegenstand des Urteils der Corte suprema di cassazione waren, keine öffentliche Einrichtung mehr ist, wie die Kommission zutreffend ausführt, ist festzustellen, dass das höchste italienische Gericht betont hat, dass der Umstand, dass die fraglichen Beträge zur Entschädigung von Unternehmen bestimmt seien, ihrer Zugehörigkeit zum Staat keinen Abbruch tue. Ebenso geht aus dem genannten Urteil hervor, dass die Tatsache, dass die AEEG zum einen zwischen den Zuschlägen, die dazu bestimmt sind, dem allgemeinen Staatshaushalt zugeordnet zu werden, und zum anderen denjenigen unterscheidet, die auf ein bei der CCSE errichtetes Sperrkonto gezahlt werden und dazu bestimmt sind, Unternehmen zu entschädigen, nicht ausschließt, dass die Zweitgenannten Staatseigentum werden, wenn sie einmal an die CCSE geflossen sind.

    37. Schließlich meinen die Klägerinnen, entgegen der von der Corte suprema di cassazione vertretenen Ansicht könnten die auf dem bei der CCSE geführten A‑6‑Konto verfügbaren Mittel nicht deshalb als öffentliche Mittel bezeichnet werden, weil die CCSE dem Buchführungsregelwerk des Staates unterliege. Denn die Rechtsnatur der Mittel hänge nicht davon ab, ob die Einrichtung, bei der sie eingezahlt würden, öffentlicher oder privater Natur sei. Jedenfalls habe die AEEG, die die Bank, der sie die Verwaltung des Sonderkontos anvertraue, habe frei wählen können, die CCSE aus reinen Zweckmäßigkeitserwägungen gewählt.

    38. Hierzu genügt der Hinweis, dass das Gericht nicht dafür zuständig ist, die von der Corte suprema di cassazione vorgenommene Auslegung des innerstaatlichen italienischen Rechts in Frage zu stellen.

    39. Daraus folgt, dass die auf das bei der CCSE geführte A‑6‑Konto eingezahlten Beträge dem italienischen Staat gehören und dieser über sie verfügen kann. Daher müssen sie gemäß den Grundsätzen, die in der oben in Randnr. 25 angeführten Rechtsprechung entwickelt worden sind, als staatliche Mittel eingestuft werden.

    40. Folglich ist der erste Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

    Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes, der sich auf die Voraussetzung der Gewährung eines Vorteils bezieht

    – Vorbringen der Parteien

    41. Die Klägerinnen tragen vor, die streitige Maßnahme erfülle nicht die Voraussetzung, dass dem begünstigten Unternehmen ein Vorteil gewährt werde; insoweit enthalte die angefochtene Entscheidung keinerlei Erläuterung.

    42. Die streitige Maßnahme erlaube den begünstigten Unternehmen, Kosten erstattet zu erhalten, bei denen es sich um feste Kosten für Investitionen handele, die gemäß Verpflichtungen durchgeführt worden seien, die der Staat vor der Liberalisierung des Marktes auferlegt habe, und die diese Unternehmen nicht allein mit ihren Einnahmen aus dem Verkauf von Strom auf dem liberalisierten Markt decken könnten. Daher handele es sich hier nicht um eine wirtschaftliche Vergünstigung, sondern um eine Maßnahme, mit der verhindert werden solle, dass die Unternehmen dafür bestraft würden, dass sie sich vor der Liberalisierung des Marktes an die strategischen Vorgaben der Behörden gehalten hätten, denn dies würde der Gewährung eines Vorteils an Konkurrenzunternehmen gleichkommen, die derartige nicht rentable Investitionen nicht hätten tragen müssen.

    43. Bei den verlorenen Kosten handele es sich nicht um Kosten, die normalerweise, im Sinne der Gemeinschaftsrechtsprechung zu den staatlichen Beihilfen, das Unternehmensbudget belasteten, da in einer normalen Situation eines dem Wettbewerb geöffneten Marktes kein Unternehmen die Investitionen durchgeführt hätte, die zu den verlorenen Kosten geführt hätten. Von einem sich aus der streitigen Maßnahme ergebenden Vorteil könne somit keine Rede sein, sondern eher von der Beseitigung eines Wettbewerbsnachteils, der sich aus der Anwendung des früheren Systems ergeben habe.

    44. Die Klägerinnen machen somit geltend, dass die Kommission hätte dartun müssen, dass die streitige Maßnahme über eine bloße Deckung der verlorenen Kosten hinausgehe und einen zusätzlichen Vorteil für die Empfänger darstelle. Dies sei aber im vorliegenden Fall ausgeschlossen, weil die ihnen zugedachten Beträge auf der Grundlage der Differenz zwischen den festen Kosten für die Einrichtung und den Einnahmen berechnet worden seien, die aus dem Verkauf von Strom erzielt werden könnten.

    45. Die Kommission macht geltend, da die streitige Maßnahme darin bestehe, dass AEM Torino ein Betrag von 16 338 000 Euro übertragen werde, der nicht die Gegenleistung für dem Staat oder der Gemeinschaft erbrachte Leistungen darstelle, sondern dazu bestimmt sei, Kosten zu decken, die normalerweise das genannte Unternehmen tragen müsse, handele es sich um einen Vorteil im Sinne des gemeinschaftlichen Beihilfenrechts.

    – Würdigung durch das Gericht

    46. Um zu beurteilen, ob eine staatliche Maßnahme eine Beihilfe darstellt, ist nach ständiger Rechtsprechung zu ermitteln, ob das begünstigte Unternehmen eine wirtschaftliche Vergünstigung erhält, die es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte (Urteile des Gerichtshofs vom 11. Juli 1996, SFEI u. a., C‑39/94, Slg. 1996, I‑3547, Randnr. 60, und vom 29. Juni 1999, DM Transport, C‑256/97, Slg. 1999, I‑3913, Randnr. 22; Urteil des Gerichts vom 13. Juni 2000, EPAC/Kommission, T‑204/97 und T‑270/97, Slg. 2000, II‑2267, Randnr. 66).

    47. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die streitige Maßnahme die Übertragung eines Betrags von 16 338 000 Euro an AEM Torino vorsieht. Es stellt sich somit die Frage, ob diese Übertragung eine wirtschaftliche Vergünstigung ist, die dieses Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte, wie die Kommission meint, oder ob es sich lediglich darum handelt, dass für AEM Torino im Vergleich zu Konkurrenzunternehmen, die die verlorenen Kosten nicht zu tragen hatten, normale Marktbedingungen wiederhergestellt werden, wie dies die Klägerinnen geltend machen.

    48. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, wie der Begriff „normale Marktbedingungen“ im Zusammenhang mit der Liberalisierung des Marktes der Stromerzeugung ausgelegt wird. Nach Ansicht der Kommission sind die in diesem Zusammenhang eingetretenen Änderungen Teil der Entwicklungen, mit denen die Wirtschaftsteilnehmer unter normalen Marktbedingungen rechnen mussten; zumindest hätten sie hinsichtlich der Beibehaltung des bestehenden Regelungsrahmens kein berechtigtes Vertrauen haben können. Demgegenüber tragen die Klägerinnen im Kern vor, dass normale Marktbedingungen die Beständigkeit des Regelungsrahmens oder wenigstens den Schutz ihres Vertrauens in diese implizierten, zumal wenn Unternehmen, wie im vorliegenden Fall geschehen, vom Staat dazu verleitet, wenn nicht gar verpflichtet worden seien, bestimmte Investitionen zu tätigen.

    49. Das Gericht ist der Ansicht, dass der Auffassung der Kommission zu folgen ist.

    50. Der Regelungsrahmen kann sich nämlich in einem demokratischen Staat ebenso wie in einer Marktwirtschaft jederzeit ändern. In Anbetracht der allgemeinen Orientierung der Wirtschaftspolitik der Europäischen Gemeinschaft im Sinn einer Öffnung der nationalen Märkte und der Förderung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten gilt dies umso mehr für Fälle, in denen wie hier der frühere Regelungsrahmen eine nationale und/oder regionale Abschottung vorsah, die zur Schaffung von Monopolsituationen führte. Daraus folgt, dass die Öffnung eines früher abgeschotteten Marktes, wie sie im Rahmen der Richtlinie 96/92 vorgenommen wird, gegenüber normalen Marktbedingungen nicht als Anomalie eingestuft werden kann.

    51. Somit ist festzustellen, dass sich die Änderung des Regelungsrahmens im Elektrizitätssektor, die infolge der Richtlinie 96/92 vorgenommen wurde, im Rahmen der normalen Marktbedingungen hält und dass AEM Torino, als sie die Investitionen getätigt hat, die Anlass zu den fraglichen verlorenen Kosten gegeben haben, die üblichen Risiken eingegangen ist, die mit eventuellen Änderungen der Rechtsvorschriften verbunden sind, wie die Kommission geltend gemacht hat.

    52. Zwar trifft es zu, dass Unternehmen – wie auch jeder Einzelne – in einem rechtsstaatlichen System Anspruch auf Schutz ihres berechtigten Vertrauens haben. Im vorliegenden Fall braucht jedoch nicht geprüft zu werden, ob die Klägerinnen Anspruch auf den Schutz des Vertrauens hatten, das sie in die Beständigkeit des Regelungsrahmens im Elektrizitätssektor gesetzt hatten.

    53. Erstens haben die Klägerinnen nämlich, wie die Kommission zutreffend ausgeführt hat, nichts vorgebracht, was ihre Behauptung stützen könnte, dass die italienischen Stellen sie verpflichtet hätten, die Investitionen zu tätigen, die zu den verlorenen Kosten geführt haben, auf die die streitige Maßnahme abzielt.

    54. Zweitens war ein Schutz des Vertrauens, das die Klägerinnen in die Beständigkeit des Regelungsrahmens im Elektrizitätssektor setzten, im vorliegenden Fall tatsächlich dadurch sichergestellt, dass die Kommission die streitige Maßnahme in der angefochtenen Entscheidung als eine staatliche Beihilfe einstufte, die grundsätzlich, nur unter dem Vorbehalt der vorherigen Rückzahlung der von der Steuerbefreiungsentscheidung erfassten Beihilfen, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei. Diese Einstufung der streitigen Maßnahme entspricht der Verhaltensrichtschnur, die die Kommission in ihrer Mitteilung über die Methode für die Analyse staatlicher Beihilfen in Verbindung mit verlorenen Kosten verlautbart hat, in der sie darauf hinweist, dass sie „die genannten Beihilfen insofern positiv beurteilen [kann], als die Wettbewerbsverfälschung durch den Beitrag der Beihilfen zur Verwirklichung eines Gemeinschaftsziels, das die Marktkräfte nicht erreichen können, ausgeglichen wird“, und dass ihrer der Ansicht nach „die als Ausgleich für verlorene Kosten bestimmten Beihilfen grundsätzlich die Ausnahmebestimmung des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c) [EG] für sich in Anspruch nehmen [können]“.

    55. Den Klägerinnen ist somit ein effektiver Schutz des Vertrauens zugute gekommen, das sie in die Beständigkeit des Regelungsrahmens im Elektrizitätssektor gesetzt hatten; sie haben jedoch keinen Anspruch darauf, dass ihnen dieser Schutz auf eine bestimmte Weise gewährt wird, nämlich dadurch, dass die streitige Maßnahme vom Beihilfebegriff im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG ausgenommen wird, statt sie gemäß Art. 87 Abs. 3 Buchstabe c EG für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären.

    56. Daraus folgt, dass auch der zweite Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen ist.

    Zum dritten Klagegrund: Fehlen von Ermittlungen

    Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    57. Die Klägerinnen bemängeln, dass hinsichtlich der Einstufung der streitigen Maßnahme als staatliche Beihilfe keine Ermittlungen stattgefunden hätten.

    58. Die Kommission hält den dritten Klagegrund für unzulässig.

    Würdigung durch das Gericht

    59. Nach Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Klageschrift eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Diese Angaben müssen so klar und genau sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht die Entscheidung über die Klage, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, ermöglicht wird. In der Klageschrift ist deshalb darzulegen, worin der Klagegrund besteht, auf den die Klage gestützt wird, so dass seine bloß abstrakte Nennung den Erfordernissen der Verfahrensordnung nicht entspricht (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, T‑224/00, Slg. 2003, II‑2597, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    60. Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen diesen Klagegrund weder in ihren Schriftsätzen noch in der mündlichen Verhandlung weiter ausgeführt, so dass der einzige Hinweis ihrerseits auf den dritten Klagegrund darin besteht, dass er in der Überschrift ihres ersten Klagegrundes abstrakt genannt wird. Wenn sie in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts angegeben haben, dass die Ausführungen zu diesem Klagegrund in ihren Ausführungen zu den anderen Klagegründen zu finden seien, ist daran zu erinnern, dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, sämtliche zur Stützung eines Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte daraufhin zu prüfen, ob sie auch zur Stützung eines zweiten Klagegrundes verwendet werden könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Roquette Frères/Kommission, T‑322/01, Slg. 2006, II‑3137, Rand nr. 209).

    61. Daraus folgt, dass der dritte Klagegrund als unzulässig zurückzuweisen ist.

    Zum vierten Klagegrund: Fehlen einer Begründung

    Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    62. Die Klägerinnen machen geltend, die angefochtene Entscheidung sei rechtswidrig, weil weder in ihr noch in der Eröffnungsentscheidung die Gründe erläutert würden, aus denen die Kommission zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die streitige Maßnahme eine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG sei. Die Begründungsmängel der angefochtenen Entscheidung könnten nicht durch die in ihr enthaltene Bezugnahme auf die ENEL‑Entscheidung ausgeglichen werden. Diese Entscheidung habe nämlich nicht die Maßnahmen zugunsten der „kommunalisierten“ Unternehmen betroffen, um die es im vorliegenden Fall geht.

    63. Selbst wenn man die ENEL‑Entscheidung als Begründung der angefochtenen Entscheidung berücksichtigen wolle, bestünden schwerwiegende Begründungsmängel. Insbesondere werde dort das italienische System zur Deckung der verlorenen Kosten ungenau analysiert, und die Schlussfolgerungen, die die Kommission aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu steuerähnlichen Abgaben herleite, seien unzutreffend.

    64. Die Kommission erinnert erstens daran, dass die italienische Regierung, an die sich die angefochtene Entscheidung richte, die streitige Maßnahme gemäß Art. 88 Abs. 3 EG notifiziert und sie dabei als staatliche Beihilfe eingestuft habe, ebenso wie im Fall der Beihilfen, die Anlass zu der ENEL‑Entscheidung gegeben hätten. In der angefochtenen Entscheidung habe sie sich somit darauf beschränkt, die rechtliche Einstufung der italienischen Regierung zu bestätigen. Zweitens habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung pauschal die in der Eröffnungsentscheidung aufgeführten vorläufigen Schlussfolgerungen bestätigt, zu denen weder die Italienische Republik noch AEM Torino Stellung genommen hätten. Drittens sei der rechtliche Rahmen der streitigen Maßnahme mit dem der ENEL‑Entscheidung identisch, was die Kommission ausdrücklich in der angefochtenen Entscheidung angegeben habe.

    65. Unter diesen Umständen ist die Kommission der Ansicht, dass der sowohl der italienischen Regierung als auch AEM Torino wohlbekannte Zusammenhang, in dessen Licht die Begründung der angefochtenen Entscheidung zu beurteilen sei, nicht nur die Eröffnungsentscheidung, sondern auch die ENEL‑Entscheidung umfasse, deren Begründung es erlaube, den Gedankengang, der zu dem Schluss geführt habe, dass die streitige Maßnahme mit staatlichen Mitteln finanziert würde, klar zu verstehen. Da zudem weder die italienischen Behörden noch AEM Torino zu den in der Eröffnungsentscheidung enthaltenen vorläufigen Schlussfolgerungen Stellung genommen hätten, habe die angefochtene Entscheidung knapp begründet werden können.

    Würdigung durch das Gericht

    66. Die Begründung eines Rechtsakts muss nach ständiger Rechtsprechung dessen Natur angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das ihn erlassen hat, so klar zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen die Grundlage des Rechtsakts erkennen können und der Gemeinschaftsrichter dessen Begründetheit nachprüfen kann; allerdings brauchen in der Begründung nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung Art. 253 EG genügt, unter Berücksichtigung sowohl des Wortlauts des Rechtsakts als auch seines rechtlichen und tatsächlichen Kontextes zu beurteilen ist (vgl. Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Regione autonoma della Sardegna/Kommission, T‑171/02, Slg. 2005, II‑2123, Randnr. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    67. Im vorliegenden Fall begnügt sich zwar die Kommission in der angefochtenen Entscheidung selbst hinsichtlich der Einstufung der streitigen Maßnahme als staatliche Beihilfe mit einem einzigen Satz, wonach sie „festgestellt [hat], dass die zu würdigende Maßnahme als staatliche Beihilfe anzusehen ist“.

    68. Zu beachten ist jedoch, dass die angefochtene Entscheidung in einem sowohl der italienischen Regierung als auch den Klägerinnen wohlbekannten Zusammenhang erlassen wurde und dass sie sich in eine beständige Entscheidungspraxis einfügt.

    69. Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass die italienische Regierung selbst die streitige Maßnahme in ihrer Anmeldung vom 21. März 2005 (siehe oben, Randnr. 4) als staatliche Beihilfe eingestuft hat.

    70. Zweitens ist festzustellen, dass der rechtliche und tatsächliche Zusammenhang der angefochtenen Entscheidung im vorliegenden Fall neben der Eröffnungsentscheidung die ENEL‑Entscheidung umfasst, auf die ausdrücklich in Ziffer 5 der Eröffnungsentscheidung und im fünften Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird. Insbesondere hat die Kommission im fünften Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass sich die streitige Maßnahme „an eine ähnliche, von der Kommission genehmigte Regelung an[lehnt]“, und dabei klargestellt, dass es sich um die Maßnahme handele, die Gegenstand der ENEL‑Entscheidung gewesen sei.

    71. Die ENEL‑Entscheidung enthält in Ziffer 3.1 eine detaillierte Aufstellung der Gründe, aus denen die Kommission der Ansicht war, dass die Maßnahmen, über die entschieden wurde, staatliche Beihilfen seien. Für jede der in Art. 87 Abs. 1 EG aufgeführten Voraussetzungen erläuterte sie, inwieweit sie sie bei der fraglichen Maßnahme für erfüllt halte. Diese Erläuterungen fallen für die Kriterien der Selektivität, der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und der Gewährung eines Vorteils an die Begünstigten eher knapp aus, gehen aber für das Kriterium der Finanzierung aus staatlichen Mitteln mehr in die Tiefe, was die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade bei der Beurteilung jedes dieser Kriterien in Bezug auf die genannte Maßnahme widerspiegelt. Das Gericht ist der Ansicht, dass diese Ausführungen als solche eine im Hinblick auf die oben in Randnr. 66 angeführte Rechtsprechung hinreichende Begründung darstellen.

    72. Da es sich aber nicht um eine Begründung für die streitige Maßnahme, sondern um die für eine andere Maßnahme handelt, die allerdings ähnlich geartet ist, ist auch zu prüfen, ob diese Begründung unter Berücksichtigung der zwischen diesen beiden Maßnahmen bestehenden Unterschiede für die Beurteilung der streitigen Maßnahme einschlägig ist. Denn die Klägerinnen bestreiten, dass die ENEL‑Entscheidung als Begründung der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt werden könne, da sie nicht Maßnahmen zugunsten der „kommunalisierten“ Unternehmen betreffe, um die es im vorliegenden Fall gehe, sondern einzig Maßnahmen zugunsten anderer Unternehmen, nämlich derjenigen der ENEL‑Gruppe und anderer Gesellschaften, die ehemalige ENEL‑Anlagen übernommen hätten (siehe oben, Randnr. 3).

    73. Hierzu ist festzustellen, dass die Maßnahmen, um die es in der Sache ging, in der die ENEL‑Entscheidung erlassen wurde, und diejenigen, zu denen die angefochtene Entscheidung erging, auf denselben Rechtsgrundlagen des italienischen Rechts beruhen, wie aus Ziffer 2.1 der ENEL‑Entscheidung und Ziffer 4 der Eröffnungsentscheidung hervorgeht. Auch ist darauf hinzuweisen, dass die begünstigten Unternehmen demselben Wirtschaftsbereich, nämlich dem der Erzeugung und/oder des Vertriebs von Elektrizität, zugehörig sind, dass die genannten Maßnahmen in beiden Fällen die verlorenen Kosten decken sollen, die mit der Liberalisierung des Strommarktes infolge der Umsetzung der Richtlinie 96/92 zusammenhängen, und dass die Modalitäten der Sammlung und Verteilung der fraglichen Beträge identisch sind, weil in beiden Fällen die genannten Beträge bei sämtlichen Stromendverbrauchern mittels Anwendung des gleichen Stromtarifbestandteils A 6 erhoben und sodann von der CCSE auf einem Sonderkonto verwaltet werden, bevor sie an die von der Maßnahme begünstigten Unternehmen ausgezahlt werden.

    74. Außerdem wird der Zusammenhang zwischen den beiden Maßnahmen auch durch die Tatsache bestätigt, dass die Kommission in Ziffer 2.1 der ENEL‑Entscheidung betont hat, dass die verlorenen Kosten der „kommunalisierten“ Unternehmen, unter denen sie ausdrücklich AEM Torino aufführt, Gegenstand einer besonderen nationalen Regelung sein würden und dass diese Regelung Gegenstand einer späteren Anmeldung und einer späteren Entscheidung sein werde. Ferner bezieht sich die Kommission in Ziffer 5 der Eröffnungsentscheidung ausdrücklich auf die Tatsache, dass die verlorenen Kosten hinsichtlich der „kommunalisierten“ Unternehmen seinerzeit nicht von der ENEL‑Entscheidung erfasst worden seien.

    75. Nach alledem weisen die beiden Maßnahmen einen derart engen Zusammenhang und eine derart ausgeprägte Ähnlichkeit auf, dass die Begründung für die Einstufung der einen Maßnahme als staatliche Beihilfe die von der Kommission in Bezug auf die andere Maßnahme angestellten Erwägungen so klar zum Ausdruck bringt, dass die Klägerinnen die Grundlage der Maßnahme erkennen können und das Gericht deren Begründetheit gemäß der oben in Randnr. 66 angeführten Rechtsprechung nachprüfen kann. Im Übrigen waren die Klägerinnen offenbar in der Lage, ihre Interessen auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung stehenden Unterlagen und Informationen zu verteidigen, da sie in der Klageschrift ausführlich den Gründen der ENEL‑Entscheidung entgegentreten.

    76. Soweit die Klägerinnen geltend machen, selbst wenn man die ENEL‑Entscheidung als Begründung der angefochtenen Entscheidung berücksichtigen wolle, werde dort das italienische System zur Deckung der verlorenen Kosten nur ungenau analysiert, und es würden unzutreffende Schlussfolgerungen gezogen, ist daran zu erinnern, dass die Beanstandung des Fehlens oder der Unzulänglichkeit einer Begründung die Rüge einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften darstellt, die sich als solche von der Rüge der Unrichtigkeit der Gründe der angefochtenen Entscheidung unterscheidet, deren Kontrolle zur Prüfung der Begründetheit dieser Entscheidung gehört (Urteil des Gerichts vom 7. November 1997, Cipeke/Kommission, T‑84/96, Slg. 1997, II‑2081, Randnr. 47). Dieses Argument der Klägerinnen bezieht sich lediglich auf die materielle Richtigkeit der Gründe. Daher vermag es nicht die Tatsache in Frage zu stellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ihrer Pflicht zur Begründung nachgekommen ist.

    77. Somit ist der vierte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

    Zum zweiten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der „Aussetzung der Auszahlung der Beihilfe“

    78. Der zweite von den Klägerinnen geltend gemachte Klagegrund besteht aus zwei Teilen, mit denen die fehlende Einschlägigkeit der Urteile des Gerichtshofs vom 15. Mai 1997, TWD/Kommission (C‑355/95 P, Slg. 1997, I‑2549), und des Gerichts vom 13. September 1995, TWD/Kommission (T‑244/93 und T‑486/93, Slg. 1995, II‑2265, im Folgenden: Deggendorf-Rechtsprechung), für die Prüfung des vorliegenden Falles bzw. eine fehlende Bewertung der sich aus der Kumulierung der früheren Beihilfen mit der streitigen Maßnahme ergebenden Wettbewerbsverzerrung gerügt wird.

    Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes: Einschlägigkeit der Deggendorf-Rechtsprechung

    – Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    79. Die Klägerinnen tragen im Wesentlichen vor, dass die „Aussetzung der Auszahlung“ einer staatlichen Beihilfe nach der Deggendorf-Rechtsprechung von drei Voraussetzungen abhänge. Erstens müssten die erhaltenen Beihilfen für rechtswidrig erklärt worden sein, zweitens müsse ihre Rückzahlung angeordnet worden sein, und drittens müsse die begünstigte Gesellschaft dieser Anordnung nicht nachgekommen sein. Im vorliegenden Fall habe die Kommission mit der Steuerbefreiungsentscheidung lediglich eine Beihilferegelung verurteilt, allerdings ohne die begünstigten Unternehmen namhaft zu machen und ohne die genauen Beträge anzugeben, die diese zurückzahlen müssten. Es gebe somit keine Rückzahlungsanordnung, der die Klägerinnen nicht nachgekommen seien.

    80. Zudem könne man sie nicht für eine eventuell nicht gerechtfertigte Verspätung verantwortlich machen, die der Italienischen Republik womöglich bei der Anordnung der Rückzahlung der in der Steuerbefreiungsentscheidung genannten Beihilfen unterlaufen sei. Wenn man hinnehme, dass eine derartige Verspätung die „Aussetzung der Auszahlung“ einer weiteren, nach der Deggendorf-Rechtsprechung nicht zu beanstandenden Beihilfe rechtfertigen könne, liefe dies darauf hinaus, dieser Maßnahme einen klar repressiven Gehalt beizumessen, den die Richter keineswegs beabsichtigt hätten und wofür es keine gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage gebe.

    81. Die Kommission macht geltend, erstens habe sie nicht das Verhalten des begünstigten Unternehmens im Hinblick auf eine Einziehungsanordnung, sondern das des betreffenden Mitgliedstaats zu prüfen, und zweitens sei sie der Ansicht gewesen, dass im vorliegenden Fall AEM Torino in den Genuss rechtswidriger und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbarer Beihilfen gekommen sei, die der italienische Staat habe zurückfordern müssen. Die Kommission erinnert insoweit daran, dass die Italienische Republik vom Gerichtshof verurteilt worden sei, weil sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Fristen die unter die Steuerbefreiungsregelung fallenden Beihilfen zurückgefordert habe (Urteil Kommission/Italien).

    – Würdigung durch das Gericht

    82. Zunächst ist daran zu erinnern, dass Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 1 EG der Kommission die Befugnis überträgt, unter der Kontrolle des Gemeinschaftsrichters ein besonderes Verfahren zur fortlaufenden Überprüfung und zur Überwachung der Beihilfen durchzuführen, die die Mitgliedstaaten einzuführen beabsichtigen (Urteile des Gerichtshofs vom 14. Februar 1990, Frankreich/Kommission, C‑301/87, Slg. 1990, I‑307, Randnr. 16, und vom 4. Februar 1992, British Aerospace und Rover/Kommission, C‑294/90, Slg. 1992, I‑493, Randnr. 10). Insbesondere verfügt die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt gemäß Art. 87 Abs. 3 EG über ein weites Ermessen, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen impliziert, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind (Urteil Frankreich/Kommission, Randnr. 49). Wenn die Kommission die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt prüft, muss sie alle einschlägigen Umstände, gegebenenfalls einschließlich des bereits in einer früheren Entscheidung beurteilten Zusammenhangs sowie der Verpflichtungen, die einem Mitgliedstaat durch diese frühere Entscheidung womöglich auferlegt wurden, prüfen (Urteil des Gerichtshofs vom 3. Oktober 1991, Italien/Kommission, C‑261/89, Slg. 1991, I‑4437, Randnr. 20).

    83. In der Deggendorf-Rechtsprechung hat der Gerichtshof daraus gefolgert, dass die Kommission das ihr zustehende Ermessen nicht überschreitet, wenn sie zu dem Vorhaben einer Beihilfe, die ein Mitgliedstaat einem Unternehmen zu gewähren beabsichtigt, eine Entscheidung erlässt, mit der diese Beihilfe unter dem Vorbehalt für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird, dass zuvor eine frühere rechtswidrige Beihilfe von dem Unternehmen zurückgezahlt wird, und zwar wegen der kumulativen Wirkungen der fraglichen Beihilfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Mai 1997, TWD/Kommission, Randnrn. 25 bis 27).

    84. Das Vorbringen der Klägerinnen beruht auf einer unzutreffenden Auslegung des Urteils vom 15. Mai 1997, TWD/Kommission, und auf einer Verkennung der Merkmale des Verfahrens zur Kontrolle staatlicher Beihilfen, da die Klägerinnen dieses Verfahren unter dem Blickwinkel einer Beziehung zwischen dem begünstigten Unternehmen und der Kommission und nicht unter dem Blickwinkel der – in Wirklichkeit insoweit bestehenden – Beziehung zwischen dem Mitgliedstaat und der Kommission betrachten. Aufgrund dieses unzutreffenden Ansatzes meinen die Klägerinnen, dass nach dieser Rechtsprechung die Entscheidung, mit der die früheren rechtswidrigen Beihilfen für unvereinbar erklärt werden und mit der ihre Rückforderung angeordnet wird, diejenigen Beihilfen zum Gegenstand habe, die die begünstigten Unternehmen tatsächlich erhalten und nicht zurückgezahlt hätten.

    85. Es ist aber daran zu erinnern, dass Adressat der von der Kommission auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen erlassenen Entscheidungen einzig und allein der betroffene Mitgliedstaat ist (vgl. Art. 25 der Verordnung [EG] Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 88 EG [ABl. L 83, S. 1] sowie Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 45). Folglich prüft die Kommission im Rahmen der Berücksichtigung sämtlicher einschlägiger Aspekte, einschließlich des bereits in einer früheren Entscheidung gewürdigten Zusammenhangs und der Verpflichtungen, die sie einem Mitgliedstaat mit dieser früheren Entscheidung möglicherweise auferlegt hat, in Anwendung der oben angeführten Rechtsprechung (Urteil Italien/Kommission, Randnr. 20) ausschließlich die Verpflichtungen des betreffenden Mitgliedstaats, die in einer derartigen Entscheidung enthalten sind, und nicht diejenigen, die sich daraus gegebenenfalls für eine begünstigte Gesellschaft ergeben können. Zudem richtet die Kommission, wie sie zutreffend unterstreicht, auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen niemals Rückforderungsanordnungen an Unternehmen, sondern immer an die Mitgliedstaaten, die ihrerseits von dem begünstigten Unternehmen die Rückzahlung der empfangenen Beträge verlangen müssen.

    86. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt somit nicht von dem des Urteils vom 15. Mai 1997, TWD/Kommission. Insbesondere hat die Kommission in beiden Rechtssachen festgestellt, dass der betroffene Mitgliedstaat mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfen gewährt habe, ohne dass sie zuvor ihre Zustimmung gegeben habe, und hat deren Rückforderung bei den begünstigten Unternehmen angeordnet, eine Anordnung, der die betreffenden Mitgliedstaaten keine Folge geleistet hatten.

    87. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Rechtssachen besteht darin, dass in der mit dem Urteil vom 15. Mai 1997, TWD/Kommission, entschiedenen Rechtssache die frühere rechtswidrige Beihilfe eine individuelle Beihilfe war, die Gegenstand einer an den betroffenen Mitgliedstaat gerichteten Entscheidung war, mit der die Rückforderung genau bezifferter Beihilfen von einem einzigen Empfänger angeordnet wurde, wohingegen die früheren rechtswidrigen Beihilfen im vorliegenden Fall Teil einer Steuerbefreiungsregelung sind, für die wegen der fehlenden Zusammenarbeit der italienischen Stellen in der Steuerbefreiungsentscheidung nicht genau bestimmt und beziffert werden konnte, welchen Vorteil die Empfängerunternehmen daraus gezogen haben.

    88. Dieser Unterschied kann es nicht rechtfertigen, die in der Deggendorf-Rechtsprechung getroffene Entscheidung nicht auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Zunächst entspricht diese Rechtsprechung, wie die Kommission geltend macht, der Notwendigkeit, die kumulative Wirkung der nicht zurückgezahlten und der geplanten Beihilfen zu vermeiden, die dem Unternehmen einen rechtswidrigen Wettbewerbsvorteil verschaffen würde, der den Wettbewerb in einem dem Gemeinschaftsinteresse zuwiderlaufenden Maß verfälschen würde (Urteil vom 13. September 1995, TWD/Kommission, Randnr. 83). Diese Notwendigkeit besteht unabhängig davon, ob es sich um eine individuelle Beihilfe oder um eine Beihilfe handelt, die kraft einer Beihilferegelung gewährt wird.

    89. Insoweit ist außerdem zu betonen, dass das Fehlen genauer Angaben der Kommission zu den Unternehmen, denen eine rechtswidrige Regelung zugute kommt, und zu den genauen Beträgen, die sie erhalten haben, weder die Gültigkeit einer Einziehungsanordnung berührt noch ein Hindernis für deren Durchführung darstellt, da zum einen der betreffende Mitgliedstaat am besten in der Lage ist, diese Angaben zu erlangen, und zum anderen die Kommission, wenn es an der Zusammenarbeit des betreffenden Mitgliedstaats fehlt, befugt ist, auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Informationen eine Entscheidung zu erlassen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Januar 2004, Fleuren Compost/Kommission, T‑109/01, Slg. 2004, II‑127, Randnrn. 48 bis 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    90. Im vorliegenden Fall macht die Kommission, von den Klägerinnen unwidersprochen, geltend, dass in der Sache, in der die Steuerbefreiungsentscheidung ergangen sei, trotz mehrfacher Anfragen weder die Italienische Republik noch AEM Torino die Gelegenheit genutzt hätten, Informationen über die besondere Situation des letztgenannten Unternehmens hinsichtlich der Rückforderung der fraglichen Beihilfen vorzulegen. Insbesondere hätten sie niemals Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass AEM Torino aus ihrem besonderen Fall eigenen Gründen zu einer derartigen Rückzahlung nicht verpflichtet gewesen wäre. Daher habe die Kommission aus den ihr vorliegenden Informationen abgeleitet, dass AEM Torino in den Genuss rechtswidriger und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbarer Beihilfen gelangt sei und dass das Rückzahlungsverfahren begonnen habe, aber noch nicht abgeschlossen sei.

    91. Zudem ist zum Vortrag der Klägerinnen, dass die Analyse ihrer individuellen Lage eine unerlässliche Voraussetzung für die Anordnung der Rückzahlung der früheren Beihilfen sei, festzustellen, dass diese Aufgabe der Italienischen Republik im Rahmen des Rückforderungsverfahrens auf nationaler Ebene oblag. Wie nämlich der Gerichtshof entschieden hat, gehört auf dem Gebiet der Rückforderung kraft einer Beihilferegelung gewährter Beihilfen die Pflicht eines Mitgliedstaats, den genauen Betrag der zurückzufordernden Beihilfen zu berechnen, zumal wenn diese Berechnung von Auskünften abhängt, die der Mitgliedstaat der Kommission nicht übermittelt hat, zu der allgemeineren Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit, die die Kommission und die Mitgliedstaaten einander bei der Durchführung der Bestimmungen des Vertrags über staatliche Beihilfen schulden. Auch kann ein Mitgliedstaat, wenn er in Bezug auf die Identität der Adressaten der Rückforderungsanordnungen Zweifel hat, diese Probleme der Kommission zur Beurteilung unterbreiten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juni 2002, Niederlande/Kommission, C‑382/99, Slg. 2002, I‑5163, Randnrn. 91 und 92). Die Beanstandungen der Klägerinnen wegen fehlender Analyse ihrer individuellen Lage hätten somit an die Italienische Republik und nicht an die Kommission gerichtet werden müssen.

    92. Dagegen kann das rechtswidrige Unterlassen der Italienischen Republik, ihren insoweit bestehenden Verpflichtungen nachzukommen, das im vorliegenden Fall der Gerichtshof im Urteil Kommission/Italien bestätigt hat, die Kommission nicht daran hindern, aus den ihr zur Verfügung stehenden Angaben sämtliche Folgerungen abzuleiten, die im Hinblick auf die Vereinbarkeit der neuen Beihilfen geboten sind, die die Italienische Republik demselben Unternehmen gewähren möchte. Denn jedes andere Ergebnis liefe darauf hinaus, diejenigen Mitgliedstaaten zu belohnen, die, nachdem sie rechtswidrige Beihilfen gewährt haben, darüber hinaus auch ihre Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit nicht beachten, und würde somit das System der Kontrolle staatlicher Beihilfen seiner Wirksamkeit berauben.

    93. Daraus folgt, dass der erste Teil des zweiten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen ist.

    Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes: Fehlen einer Bewertung der wettbewerbsverzerrenden Wirkung infolge der Kumulierung der früheren Beihilfen mit der streitigen Maßnahme

    – Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    94. Die Klägerinnen tragen im Wesentlichen vor, dass die Kommission gegen ihre Pflicht verstoßen habe, die potenziell negativen Auswirkungen einer Kumulierung der früheren rechtswidrigen Beihilfen mit der neuen Beihilfe auf den Wettbewerb darzutun, sowie gegen ihre Pflicht, den Markt zu bestimmen, auf dem es zu diesen Auswirkungen kommen solle.

    95. Es sei Sache der Kommission, zu erklären, aus welchen Gründen die neuen Beihilfen, die selbst mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar seien, deshalb nicht ausgezahlt werden könnten, weil sie eine Wettbewerbsverzerrung auslösen könnten, wenn sie mit den früheren, nicht zurückgezahlten Beihilfen kumuliert würden. Die Klägerinnen verwahren sich gegen jeden Versuch der Kommission, die Beweislast für die kumulative Wirkung der Beihilfen auf sie abzuwälzen und somit die Inanspruchnahme der in Art. 87 Abs. 3 EG aufgeführten Ausnahmen von einer zusätzlichen Voraussetzung abhängig zu machen. Sinn der Deggendorf-Rechtsprechung sei es nämlich nicht, die Genehmigung der Beihilfe von einer weiteren förmlichen Voraussetzung abhängig zu machen, die weder der EG‑Vertrag noch das abgeleitete Recht vorsähen und die somit rechtswidrig sei.

    96. Nach Ansicht der Klägerinnen ist es nicht hinnehmbar, dass die Kommission auf die Durchführung einer derartigen Prüfung unter dem Vorwand verzichte, sie verfüge hierzu nicht über alle erforderlichen Angaben. Dass die Kommission nicht in der Lage sei, den Betrag der vermeintlich rechtswidrigen früheren Beihilfen zu bestimmen, ergebe sich aus ihrer Entscheidung, die individuelle Lage der betroffenen Unternehmen in der Steuerbefreiungsentscheidung nicht zu prüfen und abstrakt eine Entscheidung über eine Beihilferegelung zu erlassen. Etwaige Unzulänglichkeiten bei der Durchführung einer derartigen Entscheidung auf nationaler Ebene berechtigten die Kommission nicht dazu, dies den Begünstigten unter Berufung auf die Deggendorf-Rechtsprechung im Rahmen der Prüfung weiterer Beihilfen vorzuwerfen.

    97. Die Kommission ist der Ansicht, sie habe im vorliegenden Fall die Deggendorf-Rechtsprechung zutreffend herangezogen. Insbesondere habe sie an die in der Eröffnungsentscheidung unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung zum Ausdruck gebrachten Bedenken hinsichtlich der Gefahr der Wettbewerbsverzerrung infolge der Kumulierung der früheren Beihilfen mit der streitigen Maßnahme erinnert, und sie habe festgestellt, dass diese Zweifel weder von der Italienischen Republik noch von AEM Torino zerstreut worden seien. Da die Italienische Republik oder AEM Torino keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorgetragen hätten, sei sie berechtigt, sich auf die ihr beim Erlass der angefochtenen Entscheidung zur Verfügung stehenden Informationen zu stützen, um daraus zu folgern, dass ihre Bedenken hinsichtlich der einer kumulativen Wirkung der fraglichen Beihilfen innewohnenden Gefahr fortbestünden.

    98. Aus Randnr. 26 des Urteils vom 15. Mai 1997, TWD/Kommission, gehe hervor, dass das Fehlen einer kumulativen Wirkung einer neuen Beihilfe mit früheren, rechtswidrigen und nicht zurückgezahlten Beihilfen zu den allgemeinen Voraussetzungen gehöre, die es erlaubten, in den Genuss einer der Ausnahmen zu gelangen, die der Vertrag hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt vorsehe. Daher sei die ständige Rechtsprechung zugrunde zu legen, der zufolge es Sache des betreffenden Mitgliedstaats sei, sämtliche Angaben zu machen, die es der Kommission erlaubten, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die beantragte Ausnahme erfüllt seien.

    99. Außerdem führt die Kommission aus, wenn ein Rückgriff auf die Deggendorf-Rechtsprechung davon abhinge, dass die Mitgliedstaaten die Untersuchungsverfahren beendet und der Kommission die Informationen über den Betrag der an die verschiedenen begünstigten Unternehmen gezahlten Beihilfen übermittelt hätten, würde das System zur Kontrolle der staatlichen Beihilfen seiner Effektivität dadurch beraubt, dass die Mitgliedstaaten, die sich nicht an ihre Pflicht zur Information und zur loyalen Zusammenarbeit hielten, „belohnt“ würden.

    – Würdigung durch das Gericht

    100. Zunächst ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung der Mitgliedstaat, der die Ermächtigung zur Gewährung von Beihilfen in Abweichung von den Regeln des Vertrags beantragt, zur Zusammenarbeit mit der Kommission verpflichtet ist; aufgrund dieser Verpflichtung hat er insbesondere alle Angaben zu machen, die dieser die Prüfung erlauben, ob die Voraussetzungen für die beantragte Ausnahme vorliegen (Urteil des Gerichtshofs vom 28. April 1993, Italien/Kommission, C‑364/90, Slg. 1993, I‑2097, Randnr. 20; Urteile des Gerichts vom 15. Dezember 1999, Freistaat Sachsen u. a./Kommission, T‑132/96 und T‑143/96, Slg. 1999, II‑3663, Randnr. 140, und Regione autonoma della Sardegna/Kommission, Randnr. 129).

    101. Diese Verpflichtung ist auf den potenziellen Empfänger einer geplanten Beihilfe erstreckt worden. Es ist nämlich entschieden worden, dass es, wenn die Entscheidung über die Verfahrenseröffnung gemäß Art. 88 Abs. 2 EG eine hinreichende vorläufige Beurteilung der Kommission enthält, in der die Gründe erläutert sind, aus denen sie Zweifel an der Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt hat, Sache des betroffenen Mitgliedstaats und des Beihilfeempfängers ist, die Gesichtspunkte vorzutragen, die die Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt belegen können, sowie eventuell spezielle Umstände, die die Rückzahlung bereits gewährter Beihilfen betreffen, falls die Kommission dies verlangen sollte (Urteil Fleuren Compost/Kommission, Randnr. 45; vgl. auch in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 18. November 2004, Ferriere Nord/Kommission, T‑176/01, Slg. 2004, II‑3931, Randnrn. 93 und 94, und entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 24. September 2002, Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, C‑74/00 P und C‑75/00 P, Slg. 2002, I‑7869, Randnr. 170).

    102. Die Klägerinnen machen geltend, dass die Verpflichtung des Mitgliedstaats und des begünstigten Unternehmens, die Gesichtspunkte vorzutragen, die die Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Beihilfe belegen könnten, nicht auf die kumulative Wirkung der früheren rechtswidrigen Beihilfen und der neuen Beihilfen erstreckt werden könne, da dieses Kriterium nicht zu den Voraussetzungen für die in Art. 87 Abs. 3 EG aufgeführten Ausnahmen zähle.

    103. Diesem Argument kann nicht gefolgt werden. Zunächst kann in Anbetracht des Wortlauts der Urteile vom 15. Mai 1997, TWD/Kommission, und vom 13. September 1995, TWD/Kommission, keine Rede davon sein, dass der Gerichtshof und das Gericht eine weitere Voraussetzung für die Vereinbarkeit der staatlichen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt hätten einführen wollen, die sich von denjenigen unterschiede, die sich aus Art. 87 Abs. 3 EG ergeben. Sie haben im Gegenteil klar ausgeführt, dass das Kriterium der fehlenden kumulativen Wirkung der geprüften neuen Beihilfe und der nicht zurückgezahlten früheren, rechtswidrigen und unvereinbaren Beihilfen zur allgemeinen Prüfung der Vereinbarkeit einer Beihilfe gehört, die die Kommission vorzunehmen hat, und somit nur ein von ihr im Rahmen der Anwendung dieser Bestimmung zu berücksichtigendes Element ist. Das Gericht hat nämlich in Randnr. 56 des Urteils vom 13. September 1995, TWD/Kommission, festgestellt, dass die Kommission, wenn sie die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt prüft, alle einschlägigen Umstände, gegebenenfalls einschließlich des bereits in einer früheren Entscheidung beurteilten Zusammenhangs sowie der Verpflichtungen, die einem Mitgliedstaat mit dieser früheren Entscheidung auferlegt wurden, berücksichtigen muss. Das Gericht hat daraus gefolgert, dass die Kommission befugt war, zum einen die mögliche kumulative Wirkung der früheren und der neuen Beihilfen und zum anderen den Umstand zu berücksichtigen, dass die früheren, für rechtswidrig erklärten Beihilfen nicht zurückgezahlt worden waren. In Randnr. 26 des Urteils vom 15. Mai 1997, TWD/Kommission, hat der Gerichtshof hinzugefügt, dass die Kommission im Rahmen von Art. 87 Abs. 3 EG, der mit den streitigen Entscheidungen Anwendung gefunden hat, über ein weites Ermessen verfügt, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen impliziert, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind.

    104. Daraus folgt, dass die den Mitgliedstaat und das Unternehmen als potenziellen Empfänger neuer Beihilfen treffende Verpflichtung, der Kommission die Gesichtspunkte vorzutragen, die die Vereinbarkeit dieser Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt belegen können (vgl. die oben in Randnr. 100 angeführte Rechtsprechung), sich auf die Notwendigkeit erstreckt, darzutun, dass die neue Beihilfe mit den nicht zurückgezahlten früheren, rechtswidrigen und mit dem Gemeinsamen Markt nicht vereinbaren Beihilfen keine kumulative Wirkung zeitigt.

    105. Es bleibt zu prüfen, ob die in der genannten Rechtsprechung angeführte Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist, indem untersucht wird, ob die Eröffnungsentscheidung eine hinreichende vorläufige Analyse enthält, in der die Gründe dargelegt sind, aus denen die Kommission Zweifel an der Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt hat.

    106. Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission in den Ziffern 31 ff. der Eröffnungsentscheidung im Einzelnen die Gründe erläutert hat, aus denen sie in Anwendung der Deggendorf-Rechtsprechung die Zulässigkeit der streitigen Beihilfe von der vorherigen Rückzahlung der rechtswidrigen Beihilfen abhängig machen wollte, die Teil der Steuerbefreiungsregelung waren.

    107. Sie hat insbesondere in den Ziffern 35 und 37 der genannten Entscheidung darauf hingewiesen, dass die italienischen Stellen nicht in der Lage gewesen seien, den Betrag der von AEM Torino zu erstattenden Beträge oder die Bedingungen und Fristen für ihre Zahlung anzugeben, und dass sie sich unter diesen Umständen nicht in der Lage sehe, die kumulative Wirkung der früheren und der neuen Beihilfen sowie die daraus gegebenenfalls resultierenden Verzerrungen des Gemeinsamen Marktes zu beurteilen.

    108. Daher oblag es der Italienischen Republik und AEM Torino, der Kommission im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens die Angaben zu machen, die belegen können, dass die früheren Beihilfen und die streitige Maßnahme keine kumulative Wirkung entfalten und dass sich hieraus keine Verzerrungen des Gemeinsamen Marktes ergeben. Daher können die Klägerinnen der Kommission nicht zum Vorwurf machen, in der angefochtenen Entscheidung die potenziell negativen Auswirkungen einer Kumulierung der früheren rechtswidrigen Beihilfen und der streitigen Maßnahme auf den Wettbewerb nicht dargetan zu haben, weil es in Ermangelung jeder Zusammenarbeit der Italienischen Republik und der Klägerinnen nicht Sache der Kommission war, Beweise für derartige Auswirkungen zu suchen.

    109. Zu dem von den Klägerinnen erhobenen Vorwurf des Fehlens einer Marktanalyse ist daran zu erinnern, dass es ausreicht, wenn die Kommission dartut, dass die streitigen Beihilfen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, ohne dass es – entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen – erforderlich wäre, den fraglichen Markt abzugrenzen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 17. September 1980, Philip Morris Holland/Kommission, 730/79, Slg. 1980, 2671, Randnrn. 9 bis 12, und Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2000, Alzetta u. a./Kommission, T‑298/97, T‑312/97, T‑313/97, T‑315/97, T‑600/97 bis T‑607/97, T‑1/98, T‑3/98 bis T‑6/98 und T‑23/98, Slg. 2000, II‑2319, Randnr. 95).

    110. Im vorliegenden Fall war die Kommission, wie oben festgestellt, aufgrund der fehlenden Zusammenarbeit der italienischen Stellen und von AEM Torino als potenziellem Begünstigten der streitigen Maßnahme nicht in der Lage, die kumulative Wirkung der rechtswidrigen früheren Beihilfen und der neuen Beihilfe zu ermessen und zu beurteilen, ob hieraus eventuell eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs resultieren könne. Gemäß den Erwägungen, die der oben in den Randnrn. 100 und 101 angeführten Rechtsprechung zugrunde liegen, können die Klägerinnen ihren Vorwurf, die Kommission habe keine Abgrenzung oder Analyse des fraglichen Marktes – wovon eine derartige Beurteilung sie befreit hätte – vorgenommen, nicht darauf stützen, dass die Italienische Republik nicht ihrer Pflicht nachgekommen ist, der Kommission alle Angaben zu unterbreiten, die diese Beurteilung ermöglichen, oder gar darauf, dass sie selbst es an der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet haben fehlen lassen.

    111. Daraus folgt, dass der zweite Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen ist.

    112. Da alle von den Klägerinnen vorgebrachten Klagegründe zurückgewiesen worden sind, ist die Klage insgesamt abzuweisen.

    Kosten

    113. Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen, wie von der Kommission beantragt, die Kosten aufzuerlegen.

    Tenor

    Aus diesen Gründen hat

    DAS GERICHT (Zweite Kammer)

    für Recht erkannt und entschieden:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Iride SpA und die Iride Energia SpA tragen die Kosten.

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