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Document 62005TJ0345

    Urteil des Gerichts erster Instanz (Siebte Kammer) vom 15. Oktober 2008.
    Ashley Neil Mote gegen Europäisches Parlament.
    Vorrechte und Befreiungen - Mitglied des Europäischen Parlaments - Aufhebung der Immunität.
    Rechtssache T-345/05.

    Sammlung der Rechtsprechung 2008 II-02849

    ECLI identifier: ECLI:EU:T:2008:440

    Rechtssache T-345/05

    Ashley Neil Mote

    gegen

    Europäisches Parlament

    „Vorrechte und Befreiungen – Mitglied des Europäischen Parlaments – Aufhebung der Immunität“

    Leitsätze des Urteils

    1.      Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlungen – Handlungen des Parlaments, die Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfalten sollen

    (Art. 230 Abs. 1 EG; Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften)

    2.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen

    (Art. 230 Abs. 4 EG; Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften, Art. 9 und 10)

    3.      Parlament – Befugnisse – Vorrechte und Befreiungen der Mitglieder des Parlaments

    (Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften, Art. 8 und 10)

    4.      Verfahren – Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens – Voraussetzungen

    (Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1 Buchst. c und Art. 48 § 2)

    1.      Die Entschließung, mit der das Parlament die Immunität eines seiner Mitglieder aufhebt, kann einer Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Gemeinschaftsgerichte gemäß Art. 230 Abs. 1 EG unterzogen werden, da sie eine Handlung darstellt, die Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfaltet oder entfalten soll.

    Diese Entschließung entfaltet nämlich Rechtswirkungen, die über den Rahmen der internen Organisation des Parlaments hinausgehen, da sie es erlaubt, den von dem Antrag auf Aufhebung der Immunität betroffenen Abgeordneten strafrechtlich zu verfolgen.

    Auch wenn die im Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vorgesehenen Vorrechte und Befreiungen ausschließlich im Interesse der Gemeinschaft gewährt worden sind, sind sie jedoch ausdrücklich den Beamten und sonstigen Bediensteten der Organe der Gemeinschaft sowie den Mitgliedern des Parlaments zuerkannt worden. Der Umstand, dass die Vorrechte und Befreiungen den öffentlichen Interessen der Gemeinschaft dienen sollen, rechtfertigt die den Organen verliehene Befugnis, die Immunität gegebenenfalls aufzuheben, bedeutet aber nicht, dass diese Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaft und nicht unmittelbar deren Beamten, sonstigen Bediensteten und Mitgliedern des Parlaments gewährt worden wären. Das Protokoll verleiht mithin den darin bezeichneten Personen ein subjektives Recht, dessen Schutz durch die in Art. 230 EG vorgesehene Klagebefugnis gewährleistet wird.

    (vgl. Randnrn. 28-29, 31)

    2.      Das unmittelbare Betroffensein erfordert, dass die beanstandete Maßnahme der Gemeinschaft sich auf die Rechtsstellung des Einzelnen unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihr Erlass vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne dass weitere Durchführungsvorschriften angewandt werden.

    Da die in den Art. 9 und 10 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften geregelte Immunität die Mitglieder des Parlaments gegen bestimmte Maßnahmen schützt, die die Ausübung ihrer Aufgaben behindern können, ändert eine Entscheidung des Parlaments über die Aufhebung der Immunität eines seiner Mitglieder dessen Rechtsstellung allein durch die Aufhebung dieses Schutzes dadurch, dass sie seine Stellung als dem allgemeinen Recht der Mitgliedstaaten unterworfene Person wiederherstellt und es damit, ohne dass eine Durchführungsvorschrift erforderlich wäre, Maßnahmen, insbesondere solchen des Freiheitsentzugs und der Strafverfolgung, aussetzt, die das allgemeine Recht vorsieht.

    Der Ermessensspielraum, der den nationalen Behörden nach der Aufhebung der Immunität in Bezug auf die Wiederaufnahme oder die Einstellung des gegen das Mitglied des Parlaments eingeleiteten Strafverfahrens belassen wird, wirkt sich darauf, dass dessen Rechtsstellung unmittelbar berührt wird, nicht aus, da die mit der Entscheidung über die Aufhebung der Immunität verbundenen Wirkungen sich auf die Beseitigung des Schutzes beschränken, den es aufgrund seiner Eigenschaft als Parlamentarier genoss, und keine zusätzliche Durchführungsmaßnahme voraussetzen.

    (vgl. Randnrn. 33-35)

    3.      Aus Art. 10 letzter Absatz des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften, wonach die Immunität der Befugnis des Europäischen Parlaments nicht entgegensteht, die Immunität eines ihrer Mitglieder aufzuheben, geht hervor, dass das Parlament dafür zuständig ist, über einen Antrag auf Aufhebung der Immunität eines Europäischen Parlamentariers zu entscheiden. Dagegen gibt es weder im Protokoll noch in der Geschäftsordnung des Parlaments eine Vorschrift, durch die das Parlament als die Stelle eingesetzt wird, die für die Feststellung des Bestehens des in Art. 8 des Protokolls vorgesehenen Vorrechts zuständig ist.

    Die Art. 8 und 10 des Protokolls haben im Übrigen nicht den gleichen Anwendungsbereich. Art. 10 des Protokolls soll die Unabhängigkeit der Mitglieder des Parlaments dadurch sicherstellen, dass er verhindert, dass während der Dauer der Sitzungsperiode des Parlaments auf sie Druck in Form von Drohungen mit Festnahme oder gerichtlicher Verfolgung ausgeübt werden könnte, während Art. 8 des Protokolls die Mitglieder des Parlaments gegen andere als gerichtliche Beschränkungen ihrer Reisefreiheit schützen soll.

    Da das Parlament nicht befugt ist, das durch Art. 8 eingeführte Vorrecht aufzuheben, begeht es keinen Rechtsfehler, wenn es entscheidet, die Immunität eines Abgeordneten aufzuheben, ohne sich zu dem Vorrecht zu äußern, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied des Parlaments verliehen worden war.

    (vgl. Randnrn. 45-47, 50-51, 69)

    4.      Aus Art. 44 § 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts geht hervor, dass die Klageschrift den Streitgegenstand benennen und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und dass neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden können, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

    (vgl. Randnr. 85)







    URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

    15. Oktober 2008(*)

    „Vorrechte und Befreiungen – Mitglied des Europäischen Parlaments – Aufhebung der Immunität“

    In der Rechtssache T‑345/05

    Ashley Neil Mote, Mitglied des Europäischen Parlaments, Prozessbevollmächtigte: J. Lofthouse und C. Hayes, Barristers, und M. Monan, Solicitor,

    Kläger,

    gegen

    Europäisches Parlament, vertreten durch H. Krück, D. Moore und M. Windisch als Bevollmächtigte,

    Beklagter,

    wegen Nichtigerklärung des Beschlusses des Parlaments vom 5. Juli 2005 über die Aufhebung der Immunität des Klägers

    erlässt

    DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

    DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Siebte Kammer)

    unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter D. Šváby und L. Truchot (Berichterstatter), 

    Kanzler: K. Pocheć, Verwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2008

    folgendes

    Urteil

     Rechtlicher Rahmen

    1        Kapitel III des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965, das dem Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission (ABl. 1967, Nr. 152, S. 13) als Anlage beigefügt ist (im Folgenden: Protokoll), sieht vor:

    „Kapitel III

    Mitglieder des Europäischen Parlaments

    Artikel 8

    Die Reise der Mitglieder des Europäischen Parlaments zum und vom Tagungsort des Europäischen Parlaments unterliegt keinen verwaltungsmäßigen oder sonstigen Beschränkungen.

    Artikel 9

    Wegen einer in Ausübung ihres Amtes erfolgten Äußerung oder Abstimmung dürfen Mitglieder des Europäischen Parlaments weder in ein Ermittlungsverfahren verwickelt noch festgenommen oder verfolgt werden.

    Artikel 10

    Während der Dauer der Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments

    a)      steht seinen Mitgliedern im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zu,

    b)      können seine Mitglieder im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaats weder festgehalten noch gerichtlich verfolgt werden.

    Die Unverletzlichkeit besteht auch während der Reise zum und vom Tagungsort des Europäischen Parlaments.

    Bei Ergreifung auf frischer Tat kann die Unverletzlichkeit nicht geltend gemacht werden; sie steht auch nicht der Befugnis des Europäischen Parlaments entgegen, die Unverletzlichkeit eines seiner Mitglieder aufzuheben.“

     Vorgeschichte des Rechtsstreits

    2        Der Kläger, der Staatsbürger des Vereinigten Königreichs ist, erhielt zwischen 1996 und 2002 verschiedene staatliche Beihilfen. Im November 2003 wurde gegen ihn ein Strafverfahren mit der Begründung eingeleitet, dass diese Beihilfen auf der Grundlage unwahrer Erklärungen bezogen worden seien. Im Januar 2004 wurde er gerichtlich vorgeladen, am 27. April 2004 wurde Anklage gegen ihn erhoben, und am 10. Juni 2004 wurde ihm die Anklageschrift mit einer Zusammenfassung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe zugestellt.

    3        Nach seiner Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2004 beantragte der Kläger die Aussetzung des laufenden Strafverfahrens unter Berufung auf die Vorrechte und Befreiungen, die er in seiner Eigenschaft als Europäischer Parlamentarier genießt. Die Aussetzung des Verfahrens wurde vom Chichester Crown Court am 25. November 2004 ausgesprochen. Dieses Gericht war der Auffassung, dass die Rechtsstellung der Freilassung gegen Sicherheitsleistung, die dem Kläger zugewiesen worden war, ein Hindernis für die Reisefreiheit der Mitglieder des Parlaments darstelle und folglich gegen Art. 8 des Protokolls verstoße.

    4        Mit Antragsschrift vom 3. Februar 2005 beantragte der Attorney General (Generalstaatsanwalt von England und Wales) beim Parlament,

    –        zu bestätigen, dass das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren nicht gegen das Protokoll, insbesondere Art. 8, verstoße;

    –        falls der Kläger aufgrund des Protokolls über ein Vorrecht oder eine Befreiung verfügen sollte, dieses Vorrecht oder diese Befreiung aufzuheben.

    5        Der Antrag wurde an den Rechtsausschuss des Parlaments (im Folgenden: Rechtsausschuss) verwiesen und in diesem Ausschuss am 21. April, 24. Mai und 20. Juni 2005 erörtert. Der Kläger war bei der vom Rechtsausschuss am 24. Mai 2005 veranstalteten Anhörung durch ein anderes Mitglied des Parlaments vertreten. In einem diesem Ausschuss an demselben Tag übergebenen Schriftsatz (im Folgenden: Schriftsatz) ersuchte er um Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung der Immunität.

    6        Am 20. Juni 2005 verabschiedete der Rechtsausschuss einstimmig einen Bericht, mit dem dem Parlament empfohlen wurde, die Immunität des Klägers aufzuheben (im Folgenden: Bericht). Dieser Bericht umfasst eine Begründung und einen Vorschlag für eine Entschließung des Europäischen Parlaments.

    7        Mit Entschließung vom 5. Juli 2005 hob das Plenum des Parlaments die Immunität auf und ordnete die Übermittlung der Entschließung und des Berichts an die zuständige Stelle des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland an (im Folgenden: angefochtene Entschließung).

    8        Gestützt auf die vom Parlament ausgesprochene Aufhebung der Immunität des Klägers beantragte die Strafverfolgungsbehörde des Vereinigten Königreichs beim High Court of Justice (England & Wales) die Aufhebung der Aussetzung des Strafverfahrens. Mit Entscheidung vom 17. Oktober 2006 ordnete dieses Gericht die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den Kläger an.

    9        Am 4. Mai 2007 stellte der Kläger einen Antrag auf Verteidigung seiner Immunität und seiner Vorrechte, der vom Parlament mit Entschließung vom 10. Juli 2007 zurückgewiesen wurde.

    10      Mit Urteil vom 17. August 2007 erklärte der Portsmouth Crown Court den Kläger für schuldig und verurteilte ihn mit Urteil vom 4. September 2007 zu einer Haftstrafe von neun Monaten. Mit Urteil vom 21. Dezember 2007 wies der Court of Appeal (England & Wales) das gegen das Urteil vom 17. August gerichtete Vorbringen mit Ausnahme eines einzigen Punktes zurück. Der Kläger stellte am 18. Januar 2008 einen Antrag auf Zulassung eines Rechtsmittels.

     Verfahren und Anträge der Parteien

    11      Mit Klageschrift, die am 5. September 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

    12      Am 3. November 2005 hat der Kläger den Schutz seiner Anonymität im Hauptverfahren beantragt; dieser ist ihm am 14. November 2005 gewährt worden. In der Sitzung vom 21. Februar 2008 hat der Präsident der Siebten Kammer die Erklärungen der Parteien entgegengenommen und die Anonymität aufgehoben.

    13      Mit Antrag auf einstweilige Anordnung, bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen am 28. Dezember 2006, hat der Kläger die Aussetzung der Durchführung der angefochtenen Entschließung gemäß den Art. 225 Abs. 1 EG, 242 EG und 243 EG beantragt. Mit Beschluss vom 16. März 2007 hat der Präsident des Gerichts den Antrag zurückgewiesen.

    14      Mit am 8. Mai 2007 eingereichtem Antrag auf einstweilige Anordnung hat der Kläger erneut die Aussetzung der Durchführung der angefochtenen Entschließung beantragt. Dieser Antrag ist mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 27. Juni 2007 zurückgewiesen worden.

    15      Am 29. August 2007 hat der Kläger einen dritten Antrag auf einstweilige Anordnung auf denselben Grundlagen gestellt, der mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 22. November 2007 zurückgewiesen worden ist.

    16      Der Kläger beantragt,

    –        die angefochtene Entschließung für nichtig zu erklären;

    –        die Entschließung, was die Aufhebung eines Vorrechts wie desjenigen des Art. 8 des Protokolls angeht, in jedem Fall für nichtig zu erklären, da in ihr nur von Immunität die Rede ist;

    –        dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

    17      Das Parlament beantragt,

    –        die Klage als unzulässig abzuweisen;

    –        hilfsweise, die Klage als nicht begründet abzuweisen;

    –        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

     Entscheidungsgründe

     Zur Zulässigkeit

    18      Das Parlament macht geltend, die Klage sei unzulässig, weil der Kläger von der Entschließung über die Aufhebung der Immunität im Sinne von Art. 230 Abs. 4 EG nicht unmittelbar betroffen sei, insbesondere insoweit, als eine solche Entschließung ihren Adressaten einen Ermessensspielraum belasse.

    19      Für die Zulässigkeit seiner Klage trägt der Kläger vor, dass die Vorrechte und Befreiungen zwar mit den Gemeinschaften verbunden seien, die Mitglieder des Parlaments aber gemäß Art. 5 der Geschäftsordnung des Parlaments (ABl. 2005, L 44, S. 1) die durch diese Rechte Begünstigten seien und dass demzufolge jede diese Vorrechte und Befreiungen betreffende Entscheidung das betroffene Mitglied des Parlaments unmittelbar berühre.

    20      Zunächst ist zu prüfen, ob die Entschließung über die Aufhebung der parlamentarischen Immunität vom 5. Juli 2005 eine anfechtbare Entscheidung darstellt.

    21      Nach ständiger Rechtsprechung ist die Europäische Gemeinschaft eine Rechtsgemeinschaft, in der weder ihre Mitgliedstaaten noch ihre Organe der Kontrolle entzogen sind, ob ihre Handlungen mit der Verfassungsurkunde der Gemeinschaft, dem Vertrag, im Einklang stehen; mit diesem Vertrag ist ein umfassendes System von Rechtsbehelfen und Verfahren geschaffen worden, das dem Gerichtshof die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe zuweist (Urteile des Gerichtshofs vom 23. April 1986, Les Verts/Parlament, 294/83, Slg. 1986, 1339, Randnr. 23, und vom 23. März 1993, Weber/Parlament, C‑314/91, Slg. 1993, I‑1093, Randnr. 8; Urteil des Gerichts vom 2. Oktober 2001, Martinez u. a./Parlament, T‑222/99, T‑327/99 und T‑329/99, Slg. 2001, II‑2823, Randnr. 48). Der Gerichtshof hat außerdem für Recht erkannt, dass die Handlungen des Parlaments nicht grundsätzlich einer Nichtigkeitsklage entzogen sind (Urteil Les Verts/Parlament, Randnr. 24).

    22      Gemäß Art. 230 Abs. 1 EG überwacht der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit der Handlungen des Parlaments mit Rechtswirkung gegenüber Dritten und unterscheidet dabei zwei Kategorien von Handlungen.

    23      Handlungen des Parlaments, die nur die interne Organisation seiner Arbeit betreffen, sind nicht mit der Nichtigkeitsklage angreifbar (Beschlüsse des Gerichtshofs vom 4. Juni 1986, Fraktion der Europäischen Rechten/Parlament, 78/85, Slg. 1986, 1753, Randnr. 11, und vom 22. Mai 1990, Blot und Front national/Parlament, C‑68/90, Slg. 1990, I-2101, Randnr. 11, Urteil Weber/Parlament, Randnr. 9).

    24      Zu dieser Kategorie gehören Handlungen des Parlaments, die entweder überhaupt keine Rechtswirkungen oder solche nur innerhalb des Parlaments in Bezug auf die interne Organisation der Arbeit entfalten und in durch die Geschäftsordnung des Parlaments geregelten Verfahren überprüft werden können (Urteile Weber/Parlament, Randnr. 10, und Martinez u. a./Parlament, Randnr. 52).

    25      Dagegen können Handlungen des Parlaments, die Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfalten oder entfalten sollen, also Handlungen, deren Rechtswirkungen über die interne Organisation der Arbeit des Parlaments hinausgehen, bei den Gemeinschaftsgerichten angefochten werden (Urteile Weber/Parlament, Randnr. 11, und Martinez u. a./Parlament, Randnr. 53).

    26      Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass die Mitglieder des Parlaments, die ein Mandat als Vertreter der Völker der in der Gemeinschaft vereinigten Staaten innehaben, gegenüber einer Handlung des Parlaments mit Rechtswirkungen, die die Voraussetzungen für die Ausübung dieses Mandats betreffen, als Dritte im Sinne von Art. 230 Abs. 1 EG anzusehen sind (Urteil Martinez u. a./Parlament, Randnr. 61).

    27      Was insbesondere das Protokoll angeht, besitzen die den Europäischen Gemeinschaften durch dieses eingeräumten Vorrechte und Befreiungen insofern nur funktionalen Charakter, als durch sie eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und der Unabhängigkeit der Gemeinschaften verhindert werden soll (Beschlüsse des Gerichtshofs vom 11. April 1989, Générale de Banque/Kommission, 1/88 SA, Slg. 1989, 857, Randnr. 9, und vom 13. Juli 1990, Zwartveld u. a., C‑2/88 IMM., Slg. 1990, I‑3365, Randnr. 19).

    28      Auch wenn die Vorrechte und Befreiungen ausschließlich im Interesse der Gemeinschaft gewährt worden sind, sind sie jedoch ausdrücklich den Beamten und sonstigen Bediensteten der Organe der Gemeinschaft sowie den Mitgliedern des Parlaments zuerkannt worden. Der Umstand, dass die Vorrechte und Befreiungen den öffentlichen Interessen der Gemeinschaft dienen sollen, rechtfertigt die den Organen verliehene Befugnis, die Immunität gegebenenfalls aufzuheben, bedeutet aber nicht, dass diese Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaft und nicht unmittelbar deren Beamten, sonstigen Bediensteten und Mitgliedern des Parlaments gewährt worden wären. Das Protokoll verleiht mithin den darin bezeichneten Personen ein subjektives Recht, dessen Schutz durch die in Art. 230 EG vorgesehene Klagebefugnis gewährleistet wird (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 16. Dezember 1960, Humblet/Belgischer Staat, 6/60, Slg. 1960, 1165).

    29      Es ist festzustellen, dass die Entschließung, mit der das Parlament die Immunität eines seiner Mitglieder aufhebt, Rechtswirkungen entfaltet, die über den Rahmen der internen Organisation des Parlaments hinausgehen, da sie es erlaubt, das betroffene Mitglied des Parlaments wegen der angegebenen Taten strafrechtlich zu verfolgen.

    30      Eine solche Entschließung berührt die Bedingungen der Ausübung des Mandats des betroffenen Mitglieds des Parlaments, da sie es ermöglicht, dass ein Strafverfahren gegen diesen Parlamentarier eingeleitet oder fortgesetzt und gegebenenfalls mit freiheitsbeschränkenden Maßnahmen verbunden wird, die geeignet sind, die Ausübung des Mandats des Parlamentariers zu behindern. Im vorliegenden Fall hat die angefochtene Entschließung es der Strafverfolgungsbehörde des Vereinigten Königreichs ermöglicht, die Aufhebung der Aussetzung des gegen den Kläger betriebenen Strafverfahrens durch Beschluss des High Court of Justice (England & Wales) vom 17. Oktober 2006 zu erwirken.

    31      Die angefochtene Entschließung ist daher als eine Handlung anzusehen, die Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfaltet oder entfalten soll. Gemäß den vom Gerichtshof im Urteil Weber/Parlament festgelegten Kriterien muss sie daher einer Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Gemeinschaftsgerichte gemäß Art. 230 Abs. 1 EG unterzogen werden können.

    32      Zu der vom Parlament gemäß Art. 230 Abs. 4 EG erhobenen Einrede der Unzulässigkeit der Klage ist festzustellen, dass das Parlament einräumt, dass der Kläger individuell betroffen ist, aber bestreitet, dass dieser unmittelbar betroffen ist.

    33      Nach ständiger Rechtsprechung erfordert das unmittelbare Betroffensein, dass die beanstandete Maßnahme der Gemeinschaft sich auf die Rechtsstellung des Einzelnen unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihr Erlass vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne dass weitere Durchführungsvorschriften angewandt werden (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 5. Mai 1998, Glencore Grain/Kommission, C‑404/96 P, Slg. 1998, I‑2435, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung, Urteile vom 29. Juni 2004, Front national/Parlament, C‑486/01 P, Slg. 2004, I‑6289, Randnr. 34, und vom 2. Mai 2006, Regione Siciliana/Kommission, C‑417/04 P, Slg. 2006, I‑3881, Randnr. 28).

    34      Im vorliegenden Fall schützt die in den Art. 9 und 10 des Protokolls geregelte Immunität die Mitglieder des Parlaments gegen bestimmte Maßnahmen, die die Ausübung der Aufgaben der Mitglieder behindern können, so dass eine Entscheidung über die Aufhebung der Immunität die Rechtsstellung des Mitglieds des Parlaments allein durch die Aufhebung dieses Schutzes dadurch ändert, dass sie seine Stellung als dem allgemeinen Recht der Mitgliedstaaten unterworfene Person wiederherstellt und es damit, ohne dass eine Durchführungsvorschrift erforderlich wäre, Maßnahmen, insbesondere solchen des Freiheitsentzugs und der Strafverfolgung, aussetzt, die das allgemeine Recht vorsieht. Der Klägerin ist folglich von der angefochtenen Entschließung unmittelbar betroffen.

    35      Der Ermessensspielraum, der den nationalen Behörden nach der Aufhebung der Immunität in Bezug auf die Wiederaufnahme oder die Einstellung des gegen das Mitglied des Parlaments eingeleiteten Strafverfahrens belassen wird, wirkt sich darauf, dass dessen Rechtsstellung unmittelbar berührt wird, nicht aus, da die mit der Entscheidung über die Aufhebung der Immunität verbundenen Wirkungen sich auf die Beseitigung des Schutzes beschränken, den es aufgrund seiner Eigenschaft als Parlamentarier genoss, und keine zusätzliche Durchführungsmaßnahme voraussetzen.

    36      Nach alledem ist die Nichtigkeitsklage für zulässig zu erklären.

     Zur Begründetheit

    37      Für seine Nichtigkeitsklage beruft sich der Kläger auf vier Klagegründe. Mit dem ersten, der auf einen Rechtsfehler gestützt ist, macht er geltend, dass das Parlament hätte feststellen müssen, dass das durch Art. 8 des Protokolls eingeräumte Vorrecht verletzt gewesen sei. Der zweite Klagegrund umfasst zwei Teile. Der erste ist auf einen Verstoß gegen die Geschäftsordnung durch eine Stellungnahme gestützt, die das Parlament zur Zweckmäßigkeit des gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahrens abgegeben habe. Mit dem zweiten Teil macht der Kläger geltend, dass das Parlament die Tatsachen und Argumente, die er vor dem Rechtsausschuss vorgetragen habe, nicht richtig und vollständig berücksichtigt habe. Der dritte Klagegrund ist auf das Fehlen einer vollständigen und angemessenen Begründung der angefochtenen Entscheidung gestützt. Der letzte ist darauf gestützt, dass die Entscheidung nicht angemessen und nicht verhältnismäßig sei. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Argumente, die er geltend gemacht habe, zur Ablehnung der Aufhebung seiner Immunität hätten führen müssen.

     Zum Rechtsfehler

     Vorbringen der Parteien

    38      Der Kläger macht geltend, die angefochtene Entschließung sei rechtsfehlerhaft, weil das Parlament die Verletzung eines Vorrechts hätte feststellen müssen, das er aufgrund von Art. 8 des Protokolls genossen habe. Es sei nämlich zwischen dem durch Art. 8 zuerkannten, die Reisefreiheit der Mitglieder des Parlaments betreffenden Vorrecht und der in Art. 10 niedergelegten Immunität zu unterscheiden, die die Unverletzlichkeit der Parlamentsmitglieder im Falle gerichtlicher Verfolgung betreffe. Im vorliegenden Fall beeinträchtige die Rechtsnatur der Freilassung gegen Sicherheitsleistung nach dem Strafrecht im Vereinigten Königreich das Vorrecht aus Art. 8, da der Beschuldigte sich zur Verfügung des nationalen Gerichts halten müsse. Die Teilnahme an Sitzungen des Parlaments, aber auch an den Arbeiten des Parlaments in Ausschüssen hänge dann vom Ermessen des Gerichts ab, was eine Beschränkung der Reisefreiheit der Mitglieder des Parlaments und eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Parlaments ungeachtet dessen darstelle, wie weit der von den Gerichten des Vereinigten Königreichs zum Ausdruck gebrachte Wille zur Kooperation gehe. Diese Auslegung des Art. 8 habe den Chichester Crown Court dazu veranlasst, das Strafverfahren bis zur Antwort des Parlaments auf den Antrag auf Aufhebung der Immunität auszusetzen. Das Parlament habe dadurch, dass es sich in der Begründung des Berichts eine andere Auslegung zu eigen gemacht und sich nicht zur Aufhebung des Vorrechts geäußert habe, einen Rechtsfehler begangen.

    39      Das Parlament hält diesen Klagegrund für nicht begründet. Es erklärt, dass es sich darauf beschränkt habe, auf einen Antrag auf Aufhebung der Immunität zu antworten. Es führt aus, dass die Begründung nicht notwendigerweise seine Auffassung als Organ widerspiegele, und legt die Auslegung dar, die es den Art. 8 und 10 des Protokolls gibt, wobei es den funktionalen Charakter dieser Vorschriften unterstreicht.

    40      Art. 8 des Protokolls, der zu einer Zeit erlassen worden sei, als Reisen innerhalb der Gemeinschaften noch nicht so leicht wie heute gewesen sei, solle im Wesentlichen alle Behinderungen administrativer, polizeilicher oder zollrechtlicher Art von Reisen eines Mitglieds des Parlaments ausschließen. Als solcher verschaffe er keine Immunität in gerichtlichen Angelegenheiten. Art. 10 des Protokolls seinerseits sehe die Unverletzlichkeit der Mitglieder des Parlaments für die im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates oder im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaats begangenen Handlungen mit Ausnahme der in Ausübung ihres Amtes erfolgten Äußerungen oder Abstimmungen vor, die unter Art. 9 fielen. Darüber hinaus gewähre Art. 10 den Parlamentariern Immunität auch während der Reise zum und vom Tagungsort des Parlaments. Diese Bestimmungen wären gegenstandslos, wenn das durch Art. 8 eingeräumte Vorrecht eine Strafverfolgung verhindern könnte. Außerdem könne kein durch Art. 8 zuerkanntes Vorrecht aufgrund von Art. 10 aufgehoben werden.

    41      In Bezug auf die Möglichkeit der Behinderung der Tätigkeit des Europäischen Parlaments, die dem nationalen Gericht belassen werde, wenn dieses Gericht eine Kontrolle über die Reisen des Klägers ausüben könnte, weist das Parlament darauf hin, dass für die Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsorganen nach Art. 10 EG der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gelte. Die nationalen Gerichte seien gehalten, so weit wie möglich das reibungslose Funktionieren der Gemeinschaftsorgane zu fördern und deren Vorrechte zu beachten, wie es das Gericht des Vereinigten Königreichs getan habe; andernfalls könne ein Mitgliedstaat sich dafür vor den Gerichten der Gemeinschaft zu verantworten haben.

    42      Der Kläger räumt ein, dass die Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaften vor allem funktionalen Charakter hätten, und bestreitet, dass er die Bestimmungen in Art. 8 jemals mit einer absoluten Immunität gegenüber Strafverfolgung gleichgesetzt habe. Jedoch bleibe er dabei, dass dem durch Art. 8 eingeräumten Vorrecht eine sehr allgemeine Auslegung zu geben sei und dass dieses Vorrecht unter besonderen Umständen einer strafrechtlichen Verfolgung entgegenstehen könne, die ihrer Natur nach freiheitsbeschränkende Maßnahmen einschließe. Dieses Vorrecht verhindere Eingriffe in die Aufgaben des Parlamentariers in einer ganz anderen Art und Weise als Art. 10.

    43      Das Parlament ist der Auffassung, dass die Auslegung, die der Kläger Art. 8 gebe, zurückzuweisen sei, denn das Verbot von Beschränkungen der Reisen eines Parlamentariers könne keinen Schutz bewirken, der über die durch Art. 10 gewährte Immunität hinausgehe. In diesem Fall wäre die dem Parlamentarier verliehene Immunität absolut, denn ein Vorrecht könne anders als eine Immunität nicht aufgehoben werden.

     Würdigung durch das Gericht

    44      Der Kläger wirft dem Parlament vor, nicht festgestellt zu haben, dass er durch das durch Art. 8 eingeführte Vorrecht geschützt gewesen sei und dass dieses Vorrecht durch das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren verletzt worden sei, obwohl es Sache des Parlaments und nicht des nationalen Gerichts sei, sich zu diesem Punkt in der Weise zu äußern, dass es über die durch ein gerichtliches Verfahren verursachte Gefahr entscheide, dass ein Mitglied des Parlaments in der Ausübung seiner Aufgaben als Parlamentarier behindert werde.

    45      Aus Art. 10 letzter Absatz des Protokolls, wonach die Immunität der Befugnis des Europäischen Parlaments nicht entgegensteht, die Immunität eines ihrer Mitglieder aufzuheben, geht hervor, dass das Parlament dafür zuständig ist, über einen Antrag auf Aufhebung der Immunität eines Europäischen Parlamentariers zu entscheiden. Die Art. 6 und 7 der Geschäftsordnung des Parlaments ergänzen diese Vorschrift und legen die Regeln fest, denen das Verfahren der Aufhebung der Immunität unterliegt.

    46      Dagegen gibt es weder im Protokoll noch in der Geschäftsordnung des Parlaments eine Vorschrift, durch die das Parlament als die Stelle eingesetzt wird, die für die Feststellung des Bestehens des in Art. 8 des Protokolls vorgesehenen Vorrechts zuständig ist.

    47      Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Art. 8 und 10 des Protokolls nicht den gleichen Anwendungsbereich haben.

    48      Der Gerichtshof hat für Recht erkannt, dass Art. 8 Abs. 1 des Protokolls den Mitgliedstaaten verbietet, u. a. auch durch ihre Besteuerungspraktiken, die Reisefreiheit der Mitglieder des Parlaments verwaltungsmäßigen Beschränkungen zu unterwerfen (Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 1981, Bruce of Donington, 208/80, Slg. 1981, 2205, Randnr. 14). Wie diese Vorschrift bestimmt, soll das Vorrecht gewährleisten, dass die Mitglieder des Parlaments ihre Freiheit, sich zum Tagungsort des Parlaments zu begeben und von dort zurückzukehren, ausüben können.

    49      Es ist jedoch zu unterstreichen, dass diese Beschränkungen, auch wenn sie in Art. 8 Abs. 1 des Protokolls, der sich auf verwaltungsmäßige „oder sonstige“ Beschränkungen bezieht, nicht abschließend aufgeführt sind, die Beschränkungen nicht einschließen, die auf gerichtlichen Verfolgungsmaßnahmen beruhen, da diese in den Anwendungsbereich des Art. 10 fallen, der die rechtliche Regelung der Immunität außerhalb des in Art. 9 geregelten spezifischen Bereichs von Abstimmungen und Äußerungen der Parlamentarier in Ausübung ihres Amtes festlegt. Die gerichtliche Verfolgung ist nämlich in Art. 10 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls ausdrücklich unter den Maßnahmen genannt, von denen das Mitglied des Parlaments im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaats als des eigenen während der Dauer der Sitzungsperiode des Parlaments freigestellt ist. Auch steht dem Mitglied des Parlaments nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls während desselben Zeitraums im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Mitgliedern des Parlaments seines Staates zuerkannte Immunität zu, die die nationalen Parlamentarier gegen strafrechtliche Verfolgung schützt, die gegen sie gerichtet sein könnte. Schließlich sieht Art. 10 Abs. 2 vor, dass die Immunität für die Mitglieder des Parlaments auch während der Reise zum und vom Tagungsort des Parlaments besteht. Das Bestehen dieser Vorschrift, die wie Art. 8 Abs. 1 des Protokolls die Mitglieder des Parlaments gegen Beeinträchtigungen ihrer Reisefreiheit schützt, bestätigt, dass die in der letztgenannten Vorschrift genannten Beschränkungen nicht alle möglichen Beeinträchtigungen der Reisefreiheit der Mitglieder des Parlaments umfassen und dass, wie die vorstehend geprüften Regelungen in Art. 10 zeigen, anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung unter die durch den letztgenannten Artikel geschaffene rechtliche Regelung fällt.

    50      Art. 10 des Protokolls soll somit die Unabhängigkeit der Mitglieder des Parlaments dadurch sicherstellen, dass er verhindert, dass während der Dauer der Sitzungsperiode des Parlaments auf sie Druck in Form von Drohungen mit Festnahme oder gerichtlicher Verfolgung ausgeübt werden könnte (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 2. Mai 2000, Rothley u. a./Parlament, T‑17/00 R, Slg. 2000, II‑2085, Randnr. 90).

    51      Art. 8 des Protokolls soll die Mitglieder des Parlaments gegen andere als gerichtliche Beschränkungen ihrer Reisefreiheit schützen.

    52      Da nicht geltend gemacht worden ist, dass die Gefahr, dass der Kläger in der Ausübung seiner Aufgaben als Parlamentarier beeinträchtigt wird, durch Beschränkungen anderer Art als die Beschränkungen geschaffen wurde, die auf der von den Gerichten seines Herkunftsstaats eingeleiteten Strafverfolgung beruhen, ist festzustellen, dass das Parlament keinen Rechtsirrtum begangen hat, als es beschloss, die Immunität des Klägers aufzuheben, ohne sich zu dem Vorrecht zu äußern, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied des Parlaments verliehen worden war, und ohne zu beschließen, dass Art. 8 im vorliegenden Fall verletzt worden war.

    53      Nach alledem ist der Klagegrund zurückzuweisen.

     Zur Abgabe einer Stellungnahme des Rechtsausschusses zur Zweckmäßigkeit der Strafverfolgung unter Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Parlaments und zum Fehlen einer angemessenen und vollständigen Berücksichtigung der Tatsachen und Argumente

     Vorbringen der Parteien

    54      Der vom Kläger geltend gemachte Klagegrund gliedert sich in zwei Teile.

    –       Zum ersten Teil: Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Parlaments und Abgabe einer Stellungnahme zur Zweckmäßigkeit der Strafverfolgung

    55      Der Kläger macht geltend, nach Art. 7 Abs. 7 der Geschäftsordnung des Parlaments habe der Rechtsausschuss sich in seinem Bericht nicht zur Zweckmäßigkeit der gegen den Kläger durchgeführten Strafverfolgung äußern dürfen. Der Verstoß gegen diese Vorschrift wirke sich auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung aus. Außerdem sei die vom Parlament in diesem Bericht abgegebene Stellungnahme ohne Bezug zu den Erklärungen, die er in diesem Zusammenhang abgegeben habe.

    56      Das Parlament wendet ein, dass der Klagegrund offensichtlich nicht begründet sei. Die in diesem Bericht enthaltene Begründung sei unter alleiniger Verantwortung des Berichterstatters abgefasst worden, und eine von diesem geäußerte Ansicht könne nicht angeführt werden, um die vom Parlament angenommene Entschließung anzugreifen. Jedenfalls bezögen sich die vom Berichterstatter gebrauchten Worte nicht auf die Begründetheit der Strafverfolgung, sondern auf deren Substantiiertheit.

    –       Zum zweiten Teil: Fehlen einer angemessenen und vollständigen Berücksichtigung der Tatsachen und Argumente

    57      Der Kläger macht geltend, nichts im Bericht des Rechtsausschusses deute darauf hin, dass dieser, und damit das Parlament, die Sachargumente, die er vorgebracht habe, tatsächlich und angemessen geprüft habe. Diese Lücke hindere den Kläger an der Ausübung seines Rechts, zu erfahren, zu welchen Schlussfolgerungen der Rechtsausschuss gelangt sei; dies führe daher zur Nichtigkeit der Entschließung.

    58      Das Parlament hält diesen Klagegrund für unbegründet. Gemäß Art. 7 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Parlaments habe der Kläger Gelegenheit gehabt, vom Rechtsausschuss in der Weise angehört zu werden, dass er sich am 24. Mai 2005 von einem anderen Mitglied des Parlaments habe vertreten lassen. In der Präambel der angefochtenen Entschließung werde diese Anhörung ausdrücklich genannt.

     Würdigung durch das Gericht

    –       Zum ersten Teil des Klagegrundes

    59      Vorab ist festzustellen, dass sich das Parlament dadurch, dass es dem Vorschlag seines Rechtsausschusses gefolgt ist, die Immunität des Klägers aufzuheben, und dass es in der angefochtenen Entschließung den Bericht dieses Ausschusses genannt hat, ohne einen Vorbehalt in Bezug auf den Inhalt der in diesem Dokument enthaltenen Begründung zu äußern, die Begründung des Berichts zu eigen gemacht hat. Die im ersten Teil des vorliegenden Klagegrundes geäußerte Beanstandung ist daher als gegen die Begründung der angefochtenen Entschließung gerichtet anzusehen.

    60      Art. 7 Abs. 7 der Geschäftsordnung des Parlaments bestimmt: „Der [Rechtsausschuss] ... äußert ... sich in keinem Fall zur Schuld oder Nichtschuld des Mitglieds bzw. zur Zweckmäßigkeit einer Strafverfolgung der dem Mitglied zugeschriebenen Äußerungen oder Tätigkeiten, selbst wenn er durch die Prüfung des Antrags umfassende Kenntnis von dem zugrunde liegenden Sachverhalt erlangt.“

    61      Es ist zu untersuchen, ob der Rechtsausschuss in seinem Bericht zu der eingeleiteten Strafverfolgung befürwortend Stellung genommen und eine Stellungnahme zur Schuld des Klägers abgegeben hat. Unter II.2 des Berichts stellt der Berichterstatter zunächst fest, dass die Anschuldigungen „substantiiert“ seien. Diese Beurteilung, in der die Meinung des Berichterstatters in Bezug darauf zum Ausdruck kommt, dass die gegen den Kläger eingeleitete Strafverfolgung hinreichend begründet sei, kann einer Stellungnahme, die zur Schuld des Klägers oder zur Zweckmäßigkeit dieser Strafverfolgung abgegeben würde, nicht gleichgestellt werden. Das Gleiche gilt für die rein objektive Feststellung des Berichterstatters über die Schwere der in Rede stehenden Straftat im Vereinigten Königreich und in den meisten Mitgliedstaaten. Mit der Aussage schließlich in Punkt II.3 des Berichts, dass „die Strafverfolgung tatsächlich eingeleitet zu sein schien“, hat der Berichterstatter lediglich, ohne dem Ausgang des Verfahrens vorzugreifen, festgestellt, dass sie in einem fortgeschrittenen Stadium war und zu einer mündlichen Verhandlung führen müsste.

    62      Nach alledem ist nicht gegen Art. 7 der Geschäftsordnung des Parlaments verstoßen worden, so dass der erste Teil dieses Klagegrundes zurückzuweisen ist.

    –       Zum zweiten Teil des Klagegrundes

    63      Die Sachargumente, die nach dem Vorbringen des Klägers nicht wirklich oder nicht angemessen vom Parlament geprüft worden sind, betreffen Folgendes: verzögerte Durchführung der gegen ihn eingeleiteten Strafverfolgung, die dazu führe, dass das ordnungsgemäße Funktionieren des Parlaments unter Verstoß gegen Art. 10 EG beeinträchtigt werde; die Art und Weise, in der die Behörden des Vereinigten Königreichs den Antrag auf Aufhebung seiner Immunität behandelt hätten; fehlende Klarheit des Antrags auf Aufhebung der Immunität in Bezug auf die Schwere der zur Last gelegten Taten und auf die Zweckmäßigkeit der Strafverfolgung; die für das Parlament bestehende Möglichkeit, ein Vorrecht aufzuheben.

    64      Was erstens die Nichtberücksichtigung des Klagegrundes angeht, der auf eine Verspätung bei der von den nationalen Gerichten gegen den Kläger durchgeführten Strafverfolgung gestützt ist, so hat diese Verspätung nach Ansicht des Klägers die Ausübung seines parlamentarischen Mandats und damit das Funktionieren des Parlaments behindert, was dazu geführt habe, dass das Vereinigte Königreich gegen den in Art. 10 EG niedergelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoßen habe.

    65      Es ist festzustellen, dass das Parlament mit der Angabe, nichts habe Zweifel an der Versicherung des Attorney General zugelassen, dass die „politischen Meinungen oder Verantwortlichkeiten von Herrn Mote in keiner Weise Einfluss auf die Strafverfolgung hatten und ... die Untersuchung so schnell wie möglich durchgeführt worden war“, und dass der Chichester Crown Court einen Antrag auf Aufhebung der Immunität hätte stellen können, falls er „Zweifel an den Absichten des Staatsanwalts oder irgendeines anderen Beteiligten gehabt hätte (was offensichtlich nicht der Fall ist)“, das auf eine Verspätung gestützte Vorbringen unausgesprochen, aber mit Gewissheit zurückgewiesen hat. Es war der Auffassung, dass der Strafverfolgung keine Absicht, die Ausübung des parlamentarischen Mandats des Klägers zu behindern, zugrunde lag, wobei es sich nicht nur auf die Angaben des Attorney General, sondern auch auf die Untersuchung durch den Chichester Crown Court stützte.

    66      Außerdem ergibt sich aus den vom Kläger vor dem Rechtsausschuss vorgebrachten Argumenten nicht, dass die Dauer der Untersuchung und damit die Verzögerung, die bei seiner Ladung vor das Strafgericht in Strafsachen eingetreten sei, eine Absicht erkennen lassen, seiner Tätigkeit als Europäischer Parlamentarier zu schaden. Die vom Kläger abgegebenen Erklärungen entsprachen nämlich den Ausführungen des Attorney General, wonach die Dauer der Untersuchung auf die Verheimlichung von Informationen seitens des Klägers, insbesondere in Bezug auf ein Bankkonto auf der Isle of Man, und auf unzureichende Kooperation des Klägers zurückzuführen sind. Der Kläger hatte geltend gemacht, dass er bestreite, die Kooperation mit den Untersuchungsbeamten verweigert zu haben, und dass er habe schweigen wollen, wie es die Verteidigungsrechte erlaubten. Darüber hinaus hatte er die Ansicht vertreten, dass die Untersuchungsbeamten die Barclays Bank auf der Isle of Man mit einer nicht zu rechtfertigenden Verspätung befragt hätten. Keiner dieser Umstände war geeignet, eine irgendwie geartete Absicht, seiner Tätigkeit als Parlamentarier zu schaden, zu beweisen.

    67      Was zweitens das Verhalten der Behörden des Vereinigten Königreichs bei der Behandlung des Antrags auf Aufhebung der Immunität angeht, ist festzustellen, dass das Parlament angegeben hat, es bestehe kein Zweifel, dass der Antrag ordnungsgemäß eingereicht worden sei. Damit hat das Parlament die Argumente des Klägers berücksichtigt, die die Art und Weise betrafen, in der der Antrag auf Aufhebung der Immunität behandelt worden war, und hat daraus gefolgert, dass keines dieser Argumente der Prüfung dieses Antrags entgegenstehe.

    68      Drittens ist festzustellen, dass das Parlament zu den Argumenten, die sich auf die fehlende Klarheit, einschließlich betreffend die Zweckmäßigkeit der Strafverfolgung, des Antrags auf Aufhebung der Immunität und die Schwere der zur Last gelegten strafbaren Handlungen beziehen, nicht Stellung genommen hat. Das Parlament hat sich also jeder Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Strafverfolgung enthalten, die die Prüfung dieser Rüge verlangte, und hat sich dadurch an Art. 7 Abs. 7 seiner Geschäftsordnung gehalten.

    69      Was schließlich die Rüge angeht, die darauf gestützt ist, dass das Parlament das durch Art. 8 des Protokolls eingeführte Vorrecht aufheben könne, hat das Parlament, wie oben in den Randnrn. 44 bis 52 dargelegt worden ist, keinen Rechtsfehler begangen, als es über die Immunität des Klägers entschieden hat, ohne sich zu dem Vorrecht zu äußern, das dem Kläger in seiner Eigenschaft als Mitglied des Parlaments verliehen worden war, und ohne zu entscheiden, dass im vorliegenden Fall gegen Art. 8 des Protokolls verstoßen worden war. Da das Parlament nicht befugt ist, das in Art. 8 vorgesehene Vorrecht aufzuheben, kann ihm auch nicht vorgeworfen werden, die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumente nicht berücksichtigt zu haben.

    70      Nach alledem ist nicht nachgewiesen, dass die vom Kläger geltend gemachten Tatsachen und Argumente in der angefochtenen Entscheidung nicht wirklich oder nicht angemessen berücksichtigt worden wären.

    71      Der zweite Teil des Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

     Zum Fehlen einer vollständigen und angemessenen Begründung

     Vorbringen der Parteien

    72      Der Kläger macht geltend, das Parlament sei verpflichtet, seine Entscheidung über die Aufhebung der Immunität zu begründen. Das Fehlen einer Begründung verstoße gegen die Anforderungen der Demokratie, die für das Europäische Parlament aufgrund von Art. 6 EU, aber auch nach dem Grundsatz der Transparenz seiner Tätigkeiten, der sich in seiner Geschäftsordnung finde, bestünden.

    73      Der Bericht des Rechtsausschusses liefere die Begründung für den angefochtenen Beschluss, doch sei diese Begründung nicht vollständig und angemessen, weil nicht alle zugunsten der Aufrechterhaltung seiner Immunität vorgebrachten Argumente geprüft worden seien. Die frühere Entscheidungspraxis des Parlaments zur Immunität hätte zu einer angemessenen Begründung führen müssen, während die Begründung, die vorgelegt worden sei, es weder den Lesern der Entschließung ermögliche, die Gründe zu verstehen, die zu deren Verabschiedung geführt hätten, noch den Parteien, die Gültigkeit der Entschließung zu beurteilen und diese gegebenenfalls anzufechten.

    74      Das Parlament beantragt, den Klagegrund zurückzuweisen.

     Würdigung durch das Gericht

    75      Nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Für die Zulässigkeit einer Klage ist es nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen sie beruht, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich, aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst ergeben. Zwar kann ihr Text zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Abschnitte beigefügter Schriftstücke untermauert und ergänzt werden, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der Rechtsausführungen ausgleichen, die nach den oben genannten Vorschriften in der Klageschrift enthalten sein müssen (Urteil des Gerichtshofs vom 31. März 1992, Kommission/Dänemark, C‑52/90, Slg. 1992, I‑2187, Randnr. 17; Beschlüsse des Gerichts vom 29. November 1993, Koelman/Kommission, T‑56/92, Slg. 1993, II‑1267, Randnr. 21, und vom 21. Mai 1999, Asia Motor France u. a./Kommission, T‑154/98, Slg. 1999, II‑1703, Randnr. 49, Urteil des Gerichts vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, Slg. 2007, II‑3601, Randnr. 94). Folglich ist es nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu identifizieren, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (Urteile des Gerichts vom 7. November 1997, Cipeke/Kommission, T‑84/96, Slg. 1997, II‑2081, Randnr. 34, und Microsoft/Kommission, Randnr. 94).

    76      Im vorliegenden Fall beruft der Kläger sich auf das Fehlen einer vollständigen und angemessenen Begründung der angefochtenen Entschließung, ohne anzugeben, in welchen Punkten die Begründung seiner Ansicht nach fehlt. In der Klageschrift wird lediglich auf die für eine moderne demokratische Einrichtung bestehende Notwendigkeit, ihre Entscheidungen vollständig und angemessen zu begründen und alle aufgeworfenen Fragen zu prüfen, sowie auf die Wichtigkeit einer solchen Begründung hingewiesen. Der Kläger gibt nicht an, welche rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte seiner Ansicht nach zusätzliche Ausführungen seitens des Parlaments erfordert hätten. Die einzige konkrete Rüge betrifft die Abgabe einer Stellungnahme unter Verstoß gegen Art. 7 Abs. 7 der Geschäftsordnung des Parlaments; diese Rüge ist Gegenstand des mit dem vorliegenden Urteil zurückgewiesenen ersten Teils des zweiten Klagegrundes.

    77      Nach alledem ist dieser Klagegrund für unzulässig zu erklären.

     Zur Unangemessenheit und Unverhältnismäßigkeit des Beschlusses

     Vorbringen der Parteien

    78      Der Kläger macht geltend, die Argumente, die er gegenüber der Aufhebung der Immunität vorgebracht habe, hätten das Parlament dazu veranlassen müssen, eine angemessene und verhältnismäßige Entscheidung zu erlassen und daher die Aufhebung der Immunität abzulehnen. Er nimmt Bezug auf die Argumente in dem der Klageschrift als Anlage beigefügten Schriftsatz, wobei er angibt, dass diese nicht ausführlich dargelegt würden.

    79      Da es keinen Grund gebe, der die Zurückweisung des die Verspätung betreffenden Arguments rechtfertige, könne kein Entscheidungsorgan vernünftigerweise die Immunität aufheben und das Parlament hätte es ablehnen müssen, das Vorrecht oder die Immunität aufzuheben.

    80      Der Kläger wirft die Frage auf, ob das Parlament eher befugt sei, ein Vorrecht aufzuheben als eine Immunität; die Geschäftsordnung des Parlaments schweige über die Aufhebung eines Vorrechts.

    81      Er trägt vor, dass eine vollständige und durchdachte Prüfung seines Vorbringens das Parlament nicht dazu geführt hätte, seine Immunität aufzuheben, verweist auf den Bericht des Rechtsausschusses in der Sache Sichrowsky und macht geltend, dass das Parlament von einer solchen Vermutung ausgehe, wenn ein fumus persecutionis bestehe.

    82      Der Kläger besteht darauf, dass das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren verspätet sei, was die Tätigkeiten des Parlaments störe und gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zwischen den Gemeinschaftsorganen und den Mitgliedstaaten verstoße. Er erklärt, dass er sich gewünscht hätte, das Ergebnis der Prüfung dieses Punktes durch das Parlament zu erfahren.

    83      Schließlich macht er in der Erwiderung geltend, dass der Rechtsausschuss die in seinem Schriftsatz gestellten Anträge auf zusätzliche Informationen nicht geprüft habe.

    84      Das Parlament hält den Klagegrund für nicht begründet.

     Würdigung durch das Gericht

    85      In Bezug auf den Klagegrund der fehlenden Prüfung der in dem Schriftsatz gestellten Anträge auf zusätzliche Informationen, der im Stadium der Erwiderung vorgebracht worden ist, geht aus Art. 44 § 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung hervor, dass die Klageschrift den Streitgegenstand benennen und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und dass neue Angriffs‑ und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden können, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Jedoch muss ein Vorbringen, das eine Erweiterung eines bereits unmittelbar oder mittelbar in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und das in engem Zusammenhang mit diesem steht, für zulässig erklärt werden (Urteil des Gerichts vom 20. September 1990, Hanning/Parlament, T‑37/89, Slg. 1990, II‑463, Randnr. 38). Das Gleiche gilt für eine zur Stützung eines Klagegrundes vorgebrachte Rüge (Urteil des Gerichts vom 21. März 2002, Joynson/Kommission, T‑231/99, Slg. 2002, II‑2085, Randnr. 156).

    86      Im vorliegenden Fall erhebt der Kläger erstmals in seinem Erwiderungsschriftsatz die Rüge, die darauf gestützt ist, dass der Rechtsausschuss seine auf weitere Informationen gerichteten Anträge oder Fragen nicht geprüft habe. Diese Rüge, die spezifisch die Untersuchung des Antrags auf Aufhebung der Immunität durch den Rechtsausschuss und nicht die Prüfung der Gesichtspunkte betrifft, die vom Parlament bei der Verabschiedung der angefochtenen Entschließung hätten berücksichtigt werden müssen, kann nicht als eine Erweiterung einer in der Klageschrift erhobenen Rügen angesehen werden.

    87      Sie ist daher für unzulässig zu erklären.

    88      Was die Rüge angeht, die darauf gestützt ist, dass die in dem Schriftsatz vorgebrachten Argumente das Parlament dazu hätten veranlassen müssen, eine angemessene und verhältnismäßige Entscheidung zu erlassen und die Aufhebung der Immunität abzulehnen, ist festzustellen, dass diese Argumente in der Klageschrift nicht dargelegt werden und der Kläger insoweit auf diesen Schriftsatz, der im Anhang zur Klageschrift vorgelegt wird, Bezug nimmt. Gemäß der oben in Randnr. 75 angeführten ständigen Rechtsprechung ist es nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu identifizieren.

    89      Diese Rüge ist daher für unzulässig zu erklären, mit Ausnahme des Teils, der sich auf bei den nationalen Gerichten eingetretene Verspätung bezieht. Da das Gericht über das letztgenannte Vorbringen oben in den Randnrn. 64 bis 66 jedoch bereits entschieden hat, ist es als nicht begründet zurückzuweisen.

    90      Nach alledem ist dieser Klagegrund teilweise für unzulässig und teilweise für nicht begründet zu erklären, und die Klage ist abzuweisen.

     Kosten

    91      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    Aus diesen Gründen hat

    DAS GERICHT (Siebte Kammer)

    für Recht erkannt und entschieden:

    1.      Die Klage wird abgewiesen.

    2.      Der Kläger trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten des Europäischen Parlaments.

    Forwood

    Šváby

    Truchot

    Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Oktober 2008.

    Der Kanzler

     

           Der Präsident

    E. Coulon

     

           N. J. Forwood


    * Verfahrenssprache: Englisch.

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