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Document 62003CC0021

    Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 11. November 2004.
    Fabricom SA gegen Belgischer Staat.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Conseil d'État - Belgien.
    Öffentliche Aufträge - Bauleistungen, Lieferungen und Dienstleistungen - Bereiche Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Telekommunikationssektor - Ausschluss jener von der Teilnahme an einem Verfahren oder von der Angebotsabgabe, die zur Entwicklung der betroffenen Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen beigetragen haben.
    Verbundene Rechtssachen C-21/03 und C-34/03.

    Sammlung der Rechtsprechung 2005 I-01559

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2004:709

    Conclusions

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
    PHILIPPE LÉGER
    vom 11. November 2004(1)



    Verbundene Rechtssachen C-21/03 und C-34/03



    Fabricom SA
    gegen
    Belgischer Staat


    (Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d'État [Belgien])

    „Öffentliche Aufträge – Teilnahme an einem öffentlichen Auftrag – Ausschluss jener, die zur Entwicklung der vom selben öffentlichen Auftrag betroffenen Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen beigetragen haben“






    1.        Schließt die Mitarbeit einer Person an der Vorbereitung einer Ausschreibung diese Person sowie das mit ihr verbundene Unternehmen von der Teilnahme an dieser Ausschreibung aus? Steht eine solche Regelung, durch die verhindert werden soll, dass eine Person daraus, dass sie an der Vorbereitung einer Ausschreibung beteiligt war, einen Vorteil ziehen kann und im Verfahren zur Vergabe des betreffenden Auftrags der freie Wettbewerb beeinträchtigt wird, im angemessenen Verhältnis zum mit der Regelung verfolgten Ziel? Das sind im Wesentlichen die Fragen, die der belgische Conseil d’État dem Gerichtshof in den vorliegenden verbundenen Rechtssachen vorlegt.

    I – Rechtlicher Rahmen

    A – Gemeinschaftsregelung

    2.        Das positive Gemeinschaftsrecht betreffend die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge besteht aus der Richtlinie 97/52/EG zur Änderung der Richtlinien 92/50/EWG, 93/36/EWG und 93/37/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträge (2) und der Richtlinie 98/4/EG zur Änderung der Richtlinie 93/38/EWG zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (3) .

    3.        Diese beiden Richtlinien (4) berücksichtigen notwendige Änderungen, die nach Abschluss des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen im Rahmen der Welthandelsorganisation (im Folgenden: WTO) (5) durch die Europäische Gemeinschaft vorgenommen wurden. Dieses Abkommen bestimmt in Artikel VI Absatz 4:

    „Die Auftraggeber dürfen nicht in einer Weise, die eine Ausschaltung des Wettbewerbs bewirken würde, Rat einholen oder entgegennehmen, der bei der Vorbereitung der Spezifikation für einen bestimmten Auftrag von einer Firma verwendet werden kann, die möglicherweise ein kommerzielles Interesse an dem Auftrag hat.“

    4.        Diese Richtlinien haben die Vergabe öffentlicher Aufträge innerhalb der Gemeinschaft für den Wettbewerb geöffnet und zugleich die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge koordiniert. Das Hauptziel dieser Richtlinien besteht darin, zu gewährleisten, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge sowohl allgemein als auch in bestimmten Bereichen zum einen transparent und zum anderen unter Berücksichtigung des freien Wettbewerbs erfolgt (6) .

    5.        So wurde die Richtlinie 89/665/EWG (7) (im Folgenden: Nachprüfungsrichtlinie) auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens erlassen, die die Nachprüfungsverfahren auf diesem Gebiet regelt. Ihr Ziel ist es, die Möglichkeit eines geeigneten und schnellen Nachprüfungsverfahrens für Entscheidungen der Auftraggeber zu gewährleisten, die gegen das Vergaberecht der Gemeinschaft verstoßen.

    B – Nationale Regelung

    6.        In Belgien wurden die Richtlinien durch das Gesetz vom 24. Dezember 1993 über öffentliche Aufträge und bestimmte Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge umgesetzt (8) .

    7.        Durch Artikel 32 der Königlichen Verordnung vom 25. März 1999 (9) wird Artikel 78 der Königlichen Verordnung vom 8. Januar 1996 über öffentliche Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge sowie öffentliche Baukonzessionen geändert. Durch Artikel 26 der Königlichen Verordnung vom 25. März 1999 wird Artikel 65 der Königlichen Verordnung vom 10. Januar 1996 über öffentliche Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor geändert. Die beiden Vorschriften sehen in beiden Fällen identische Regelungen zum einen als absolutes Verbot der Abgabe von Geboten bei einer Ausschreibung für diejenigen, die mit der Erforschung, der Erprobung, der Prüfung oder der Entwicklung von Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen befasst waren, und zum anderen als relatives Verbot für jedes Unternehmen vor, das mit einer Person verbunden (10) ist, die mit der Vorbereitung im Rahmen der fraglichen Ausschreibung befasst war. Das Unternehmen kann diese Vermutung jedoch dadurch widerlegen, dass es Informationen vorlegt, auf deren Grundlage festgestellt werden kann, dass sein beherrschender Einfluss sich nicht auf den Auftrag auswirkt.

    II – Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    A – In der Rechtssache C‑21/03

    8.        Bei der Fabricom S. A. (im Folgenden: Fabricom) handelt es sich um ein Unternehmen, das alle Arbeiten im Bereich der Beförderung von Strom und Flüssigkeiten durchführt. Sie gibt regelmäßig Angebote bei öffentlichen Ausschreibungen, insbesondere im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, ab.

    9.        Mit einer am 25. Juni 1999 beim Conseil d'État eingereichten Klageschrift beantragte Fabricom die Nichtigerklärung von Artikel 26 der Königlichen Verordnung vom 25. März 1999. Sie macht geltend, dass diese Vorschrift gegen den durch die Nachprüfungsrichtlinie garantierten Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter, gegen den Grundsatz einer wirksamen Beschwerde, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, gegen die Handels- und Gewerbefreiheit sowie gegen den durch Artikel 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Schutz des Eigentums verstoße. Der Belgische Staat bestreitet dieses Vorbringen.

    10.      Da der Conseil d'État der Ansicht ist, dass die Entscheidung des Rechtsstreits, mit dem er befasst ist, von der Auslegung bestimmter Vorschriften der Vergaberichtlinien abhängt, hat er das Verfahren nach Artikel 234 EG ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    1.
    Stehen die Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 199, S. 84), insbesondere ihr Artikel 4 Absatz 2, und die Richtlinie 98/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Änderung der Richtlinie 93/38/EWG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der Handels- und Gewerbefreiheit, der Achtung des Eigentums, die insbesondere durch das Zusatzprotokoll vom 20. März 1952 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantiert wird, dem entgegen, dass eine Person, die mit Forschungs‑, Erprobungs‑, Planungs‑ oder Entwicklungsarbeiten für Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen betraut war, nicht zur Einreichung eines Teilnahmeantrags oder eines Angebots für einen öffentlichen Bau‑, Liefer‑ oder Dienstleistungsauftrag zugelassen ist, ohne dass ihr die Möglichkeit gegeben wird, zu beweisen, dass nach den Umständen des Einzelfalls die von ihr erworbene Erfahrung den Wettbewerb nicht hat verfälschen können?

    2.
    Lautet die Antwort auf die vorstehende Frage anders, wenn die genannten Richtlinien in Verbindung mit diesem Grundsatz, dieser Freiheit und diesem Recht so ausgelegt werden, dass sie sich nur auf private Unternehmen oder auf Unternehmen beziehen, die entgeltliche Leistungen erbracht haben?

    3.
    Kann die Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, insbesondere ihre Artikel 1 und 2, so ausgelegt werden, dass der öffentliche Auftraggeber ein Unternehmen, das mit einer Person verbunden ist, die im Rahmen der Vorbereitung der Ausschreibung mit Forschungs‑, Erprobungs‑, Planungs‑ oder Entwicklungsarbeiten für Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen betraut war, bis zum Ende des Verfahrens der Prüfung der Angebote von der Teilnahme an dem Verfahren oder von der Abgabe eines Angebots ausschließen kann, obwohl dieses Unternehmen auf Befragung durch den öffentlichen Auftraggeber versichert, dass ihm hieraus kein ungerechtfertigter Vorteil erwachse, der geeignet wäre, den normalen Wettbewerb zu verfälschen?

    B – In der Rechtssache C‑34/03

    11.      Außerdem beantragte Fabricom mit Klageschrift vom 8. Juni 1999 beim Conseil d’État die Nichtigerklärung von Artikel 32 der Königlichen Verordnung vom 25. März 1999. Das Vorbringen von Fabricom und des Belgischen Staates ist im Wesentlichen identisch mit dem in der Rechtssache C‑21/03.

    12.      Der Conseil d’État hat auch in dieser Rechtssache das Verfahren nach Artikel 234 EG ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    1.
    Stehen die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1), insbesondere ihr Artikel 3 Absatz 2, 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. L 199, S. 1), insbesondere ihr Artikel 5 Absatz 7, 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54), insbesondere ihr Artikel 6 Absatz 6, und die Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinien 92/50/EWG, 93/36/EWG und 93/37/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträge, insbesondere ihre Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b und 3 Absatz 1 Buchstabe b in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der Handels- und Gewerbefreiheit, der Achtung des Eigentums, die insbesondere durch das Zusatzprotokoll vom 20. März 1952 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantiert wird, dem entgegen, dass eine Person, die mit Forschungs‑, Erprobungs‑, Planungs‑ oder Entwicklungsarbeiten für Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen betraut war, nicht zur Einreichung eines Teilnahmeantrags oder eines Angebots für einen öffentlichen Bau‑, Liefer‑ oder Dienstleistungsauftrag zugelassen ist, ohne dass ihr die Möglichkeit gegeben wird, zu beweisen, dass nach den Umständen des Einzelfalls die von ihr erworbene Erfahrung den Wettbewerb nicht hat verfälschen können?

    2.
    Lautet die Antwort auf die vorstehende Frage anders, wenn die genannten Richtlinien in Verbindung mit diesem Grundsatz, dieser Freiheit und diesem Recht so ausgelegt werden, dass sie sich nur auf private Unternehmen oder auf Unternehmen beziehen, die entgeltliche Leistungen erbracht haben?

    3.
    Kann die Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, insbesondere ihre Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a und 5, so ausgelegt werden, dass der öffentliche Auftraggeber ein Unternehmen, das mit einer Person verbunden ist, die im Rahmen der Vorbereitung der Ausschreibung mit Forschungs‑, Erprobungs‑, Planungs‑ oder Entwicklungsarbeiten für Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen betraut war, bis zum Ende des Verfahrens der Prüfung der Angebote von der Teilnahme an dem Verfahren oder von der Abgabe eines Angebots ausschließen kann, obwohl dieses Unternehmen auf Befragung durch den öffentlichen Auftraggeber versichert, dass ihm hieraus kein ungerechtfertigter Vorteil erwachse, der geeignet wäre, den normalen Wettbewerb zu verfälschen?

    13.      Mit Beschluss vom 4. März 2003 hat der Präsident des Gerichtshofes beschlossen, die beiden Rechtssachen aufgrund ihres Zusammenhangs in der Sache zu verbinden.

    III – Erörterung

    14.      Da die dem Gerichtshof vom Conseil d’État vorgelegten drei Fragen in beiden Rechtssachen sehr ähnlich sind, schlage ich vor, nacheinander die in der Rechtssache C‑34/03 vorgelegten Fragen zu prüfen. Sollte sich danach herausstellen, dass das Ergebnis für die in der Rechtssache C‑21/03 angesprochenen speziellen Bereiche anders lauten muss, werde ich dies entsprechend darlegen.

    15.      Die ersten beiden Fragen des vorlegenden Gerichts sind so eng miteinander verbunden, dass ich es für angezeigt halte, sie zusammen zu prüfen. Ich werde also zuerst auf die ersten beiden Fragen und dann auf die dritte Frage eingehen.

    16.      Zunächst ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof im Rahmen eines Verfahrens nach Artikel 234 EG nicht befugt ist, über die Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Bestimmung mit dem Gemeinschaftsrecht oder über die Auslegung nationaler Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zu entscheiden. Er ist jedoch befugt, dem vorlegenden Gericht alle Kriterien für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts an die Hand zu geben, die es diesem ermöglichen, über die Vereinbarkeit der genannten Normen mit der Gemeinschaftsregelung zu befinden (11) .

    A – Zur ersten und zur zweiten Frage: Ausschluss derjenigen, die an der Ausarbeitung des öffentlichen Auftrags beteiligt waren, von der Bemühung um den Zuschlag für einen öffentlichen Auftrag

    17.      Mit seiner ersten Frage möchte der Conseil d’État wissen, ob die Vergaberichtlinien dem entgegenstehen, dass eine Person, die an der Vorbereitung einer Ausschreibung beteiligt war, bei der Ausschreibung für einen öffentlichen Auftrag kein Angebot abgeben darf, ohne dass sie den Beweis dafür erbringen darf, dass dieser Umstand den Wettbewerb unter den Bietern dieser Ausschreibung nicht verfälscht hat. Mit der zweiten Frage möchte der Conseil d’État vom Gerichtshof wissen, ob die Antwort auf die erste Frage anders lauten würde, wenn die Richtlinien sich nur auf Privatpersonen oder auf entgeltliche Leistungen erbringende Personen bezögen.

    1. Vorbringen der Beteiligten

    18.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, Fabricom, macht geltend, dass die Artikel 26 und 32 der Königlichen Verordnung vom 25. März 1999 (im Folgenden: belgische Rechtsvorschriften) gegen Gemeinschaftsrecht verstießen (12) , insbesondere gegen den in den Vergaberichtlinien genannten Grundsatz der Nichtdiskriminierung sowie gegen das Urteil Telaustria und Telefonadress (13) , dem dieser Grundsatz ebenfalls zugrunde liege. Das Diskriminierungsverbot gelte für alle Bieter einschließlich derer, die an der Vorbereitungsphase der Ausschreibung beteiligt gewesen seien. Letztere dürften nur dann von der Teilnahme an der Ausschreibung ausgeschlossen werden, wenn sich für sie allein schon durch diese Beteiligung offenbar ein klarer und konkreter Vorteil ergebe, der den normalen Wettbewerb verfälsche.

    19.      Die Folgen der unwiderlegbaren Vermutung der streitigen Vorschriften stehen nach Ansicht von Fabricom nicht im angemessenen Verhältnis zu dem mit diesen verfolgten Ziel, einen fairen Wettbewerb unter den Bietern zu gewährleisten. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens beruft sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes (14) , wonach das Gemeinschaftsrecht verbiete, dass ein bestimmtes Angebot von Amts wegen aufgrund eines automatisch angewandten Kriteriums ausgeschlossen werde (15) .

    20.      Fabricom wird von der österreichischen und von der finnischen Regierung unterstützt, die in ihren Erklärungen betonen, dass dem Ausschluss eines Unternehmens in dem besonderen Fall der Beteiligung an der Vorbereitung eine vollständige und differenzierte Prüfung der Art der Vorbereitungshandlungen vorausgehen müsse; insbesondere sei zu prüfen, ob das Unternehmen Zugang zu den Verdingungsunterlagen gehabt habe. Ein Ausschluss komme nur in Frage, wenn das Unternehmen aufgrund seiner vorbereitenden Tätigkeit spezifische Informationen über den Auftrag erhalten habe, die ihm einen Wettbewerbsvorteil verschafften.

    21.      Dagegen macht die Kommission geltend, dass die belgischen Rechtsvorschriften darauf abzielten, dass die Person, die an der Vorbereitung beteiligt gewesen sei, bei der Abgabe ihres Angebots für diesen Auftrag nicht diskriminiert werde und keinen Wettbewerbsvorteil habe. Könne derjenige, der die Vorbereitung durchgeführt habe, auch Auftraggeber werden, so bestehe die Gefahr, dass er bei der Vorbereitung der Ausschreibung darauf hinwirke, dass diese für ihn günstig sei.

    2. Würdigung

    22.      Mehrere Urteile des Gerichtshofes haben bereits die Grundsätze für die Auswahl der Bieter bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge festgelegt (16) . Wie ich oben ausgeführt habe, zielen die Vergaberichtlinien, jeweils in ihrem spezifischen Bereich, darauf ab, die Entwicklung eines echten Wettbewerbs zu fördern (17) . Die Umsetzung und das Erreichen dieses Zieles können nur erfolgen, wenn die Wirtschaftsteilnehmer, die an der Ausschreibung teilnehmen, dies ohne die geringste Diskriminierung unter gleichen Voraussetzungen tun können.

    23.      Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer hat somit in den verbundenen Rechtssachen Lombardini und Mantovani (18) zutreffend ausgeführt, dass „ein auf allen Ebenen, in Haupt- wie in Nebenpunkten, von Objektivität beherrschtes System unerlässlich ist. Dem dient zum einen die Festsetzung objektiver Kriterien für die Teilnahme an den Ausschreibungen und die Erteilung des Bauauftrags, zum anderen die Schaffung transparenter Verfahren, bei denen die Öffentlichkeit die Regel ist.“

    24.      Unstreitig ist, dass die Vergaberichtlinien keine ausdrücklichen Bestimmungen darüber enthalten, wann man nicht an Ausschreibungen für öffentliche Aufträge teilnehmen kann. Insbesondere enthalten sie keine Bestimmungen, wonach eine Person von der Teilnahme an der Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen ist, wenn sie zuvor an der Planung der entsprechenden Ausschreibung beteiligt war.

    25.      Ebenso ist unstreitig, dass die allgemeinen Grundsätze, etwa des freien Wettbewerbs, der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung, auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge anwendbar sind. So dürfen unabhängig davon, in welcher Phase sich das Vergabeverfahren gerade befindet, einzelne Bieter nicht diskriminiert werden.

    26.      Daher ist zu prüfen, ob die Vergaberichtlinien und die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts es zulassen, eine Person, die an der Vorbereitung eines Auftrags beteiligt war, von der Abgabe eines Angebots für die betreffende Ausschreibung auszuschließen. Hierfür werde ich im Hinblick auf die dem vorlegenden Gericht zu erteilende Antwort entsprechend der Auslegungsmethoden des Gerichtshofes (19) den Wortlaut, die Systematik und das Ziel der Vergaberichtlinien untersuchen.

    27.      Die Richtlinien 92/50  (20) , 93/36  (21) und 93/37  (22) in der durch die Richtlinie 97/52 geänderten Fassung sowie die Richtlinie 93/38  (23) in der durch die Richtlinie 98/4 geänderten Fassung sehen alle in einer ihrer ersten Bestimmungen vor, dass die öffentlichen Auftraggeber gewährleisten müssen, dass die Bieter nicht diskriminiert werden (24) .

    28.      Außerdem sehen die zehnte Begründungserwägung der Richtlinie 97/52 und die 13. Begründungserwägung der Richtlinie 98/4 vor, dass die öffentlichen Auftraggeber für die Erstellung von Ausschreibungen Rat einholen können, vorausgesetzt, dass dadurch der Wettbewerb nicht verfälscht wird (25) . Interessanterweise handelt es sich dabei um den Wortlaut des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen im Rahmen der WTO.

    29.      Beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts betreffend Gutachten zur Vorbereitung einer öffentlichen Ausschreibung stehen die Vergaberichtlinien dem nicht entgegen, dass die Auftraggeber von einer Person, die Bieter sein könnte, Rat einholen oder entgegennehmen, der bei der Erstellung der Spezifikationen für einen Auftrag verwendet werden kann. Es verstößt nur gegen Gemeinschaftsrecht, wenn dadurch die Wirksamkeit des Wettbewerbs beeinträchtigt wird (26) .

    30.      Diese kurze Übersicht über die Vorschriften der Richtlinie über die Grundsätze für Vergabeverfahren führt zu folgenden Feststellungen. Zunächst geht aus der wörtlichen Auslegung hervor, dass die öffentlichen Auftraggeber gemäß den Richtlinien befugt sind, Rat einzuholen, der bei der Vorbereitung einer Ausschreibung verwendet werden kann, vorausgesetzt, dass dadurch der Wettbewerb nicht beeinträchtigt wird. Doch sehen die Richtlinien nicht vor, dass die Beteiligung einer Person an der Vorbereitungsphase einer Ausschreibung unvereinbar mit ihrer späteren Teilnahme an eben dieser Ausschreibung ist.

    31.      Diese Artikel der Vergaberichtlinien sind daher im Licht anderer Bestimmungen dieser Richtlinien, aber auch der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und der Grundfreiheiten auszulegen. Sie sind insbesondere im Licht derjenigen anderen Bestimmungen auszulegen, die objektive Kriterien für die Teilnahme und die Erteilung des Zuschlags enthalten.

    32.      Die Richtlinien sehen zwar nicht die Möglichkeit vor, den potenziellen Bieter, der an der Vorbereitung beteiligt war, aus Gründen der Unvereinbarkeit auszuschließen; aber sie enthalten die Liste mit den Kriterien für die Auswahl derjenigen, die möglicherweise für den Zuschlag in Frage kommen. Bei der Umsetzung der Vergaberichtlinien dürfen die Mitgliedstaaten in der Liste mit den Kriterien andere Gründe für einen Ausschluss von der Teilnahme vorsehen, wenn damit das mit der Richtlinie verfolgte Ziel erreicht werden soll.

    33.      Soweit die Vergaberichtlinien die Möglichkeit der öffentlichen Auftraggeber betreffen, Rat einzuholen oder entgegenzunehmen, der bei der Erstellung der Spezifikationen für einen bestimmten Auftrag verwendet werden kann, zielen sie nicht darauf ab, vorab zu bestimmen, welche Personen an dieser Ausschreibung teilnehmen können. Ich bin ebenso wie die Kommission der Auffassung, dass der Zweck solcher Bestimmungen nicht darin besteht, im Rahmen der Erstellung eines Auftrags die Möglichkeiten zur Einholung oder Entgegennahme von Rat auszudehnen, sondern darin, zu vermeiden, dass ein solches Vorgehen zu einer Beeinträchtigung des freien Wettbewerbs führt. Sie bringen insoweit also ein gewisses Misstrauen gegenüber demjenigen zum Ausdruck, der sowohl an der Erstellung des öffentlichen Auftrags als auch an der Vergabephase beteiligt ist.

    34.      Bekanntlich vereinheitlichen die Richtlinien die Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge, um einen wirksamen Wettbewerb auf diesem Gebiet zu gewährleisten. Wie ich bei der wörtlichen und der systematischen Auslegung der Richtlinien festgestellt habe, werden durch sie nicht alle Details der Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge erfasst, sondern den Mitgliedstaaten bleibt bei der Umsetzung ein Spielraum. Der Gerichtshof hat mehrfach entschieden (27) , dass durch die Vergaberichtlinien kein einheitliches und erschöpfendes Gemeinschaftsrecht geschaffen wird und dass es den Mitgliedstaaten im Rahmen der gemeinsamen Bestimmungen der Vergaberichtlinien vorbehaltlich der Beachtung aller einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts unbenommen bleibt, materiellrechtliche oder verfahrensrechtliche Bestimmungen auf dem Gebiet der öffentlichen Aufträge aufrechtzuerhalten (28) .

    35.      Hier bestehen die Grenzen für die Freiheit der Mitgliedstaaten also zum einen in den Zielen der Vergaberichtlinien und zum anderen in den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes geht hervor, dass die Grundprinzipien des EG-Vertrags und die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts auch die Reichweite der Pflichten von Mitgliedstaaten in Situationen festlegen können, die in den Anwendungsbereich der Richtlinien fallen, für die aber nicht eigens eine Verpflichtung vorgesehen ist. So hat der Gerichtshof auch ausgeführt, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung, der den Richtlinien über die Vergabeverfahren öffentlicher Aufträge zugrunde liegt, eine Verpflichtung zur Transparenz einschließt, damit festgestellt werden kann, ob er beachtet wird (29) .

    36.      Aus diesem Grund können die Mitgliedstaaten, da die Richtlinien keine spezifischen Bestimmungen enthalten, in Bezug auf die Unvereinbarkeitsregelung für die Abgabe eines Angebots bei einer Ausschreibung möglicherweise Regelungen vorsehen, durch die die Ziele der Richtlinien garantiert werden. Dies kann z. B. bei der Unvereinbarkeit zwischen der Beteiligung bei der Erstellung eines Auftrags und der gleichzeitigen Abgabe eines Angebots der Fall sein. Durch einen solchen Ausschluss soll das Hauptziel eines wirksamen Wettbewerbs erreicht werden. Aber wird durch eine solche Regelung der ebenfalls in der Richtlinie enthaltene Grundsatz der Nichtdiskriminierung gewahrt? Durch diese Regelung werden ja auch bestimmte Bieter ausgeschlossen.

    37.      Der Gerichtshof hat in seinem Urteil Kommission/Dänemark (30) entschieden, dass die Pflicht zur Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung dem Wesen der Vergaberichtlinien selbst entspricht. Die Gleichheit, die bei den öffentlichen Aufträgen zugrunde zu legen ist, verlangt, dass denjenigen, die den Zuschlag für einen öffentlichen Auftrag erhalten wollen, von vornherein bekannt sein muss, was sie hierfür zu tun oder aber zu unterlassen haben. Wenn also die Beteiligung an der Vorbereitung einer Ausschreibung zur Folge hat, dass der Beteiligte von der Teilnahme an der Ausschreibung, bei der er ein Angebot abgeben wollte, ausgeschlossen wird, so müssen diese Konsequenzen jedem potenziellen Bieter bekannt sein, und er muss frei entscheiden können, ob er sich an der Vorbereitungsphase einer Ausschreibung beteiligen oder aber ein Angebot für diesen öffentlichen Auftrag abgeben möchte (31) .

    38.      So sind gleichzeitig das Ziel der Gewährleistung eines echten Wettbewerbs und der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter zu berücksichtigen. Aber das wesentliche Ziel des Gemeinschaftsrechts darf nach ständiger Rechtsprechung nicht gefährdet werden. Hier ist zu prüfen, ob das wesentliche Ziel der Richtlinien durch Rechtsvorschriften wie die fraglichen gewährleistet wird und ob sie gegebenenfalls gegen den mit deren Anwendung verbundenen Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen. Es fragt sich also, ob die nationalen Rechtsvorschriften die zur Gewährleistung der richtigen und angemessenen Umsetzung des Zieles der Richtlinien erforderlichen Bestimmungen enthalten.

    39.      Ebenso wie die Kommission (32) bin ich der Ansicht, dass die streitige Unvereinbarkeitsregelung dadurch, dass sie Interessenkonflikten vorbeugt, tatsächlich zu einem fairen Wettbewerb zwischen den potenziellen Bietern beiträgt und verhindert, dass sie durch die öffentlichen Auftraggeber diskriminiert werden. Eine solche Regelung scheint ein geeignetes Mittel zu sein, um das Ziel der Vergaberichtlinien zu erreichen.

    40.      Schließlich ist zu prüfen, ob diese Unvereinbarkeitsregelung in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Richtlinien steht. Meines Erachtens ist dies der Fall.

    41.      Zunächst ist erneut darauf hinzuweisen, dass es jedem freisteht, sich zwischen einer Teilnahme an der Vorbereitungsphase einer Ausschreibung oder der Abgabe eines Angebots zu entscheiden. Je nach Interessenlage entscheidet man sich für die Teilnahme an der einen oder an der anderen Phase einer Ausschreibung. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass diese Unvereinbarkeitsregelung sich auf eben diese eine Ausschreibung bezieht.

    42.      Mit der Unvereinbarkeitsregelung soll vermieden werden, dass sich aus Informationen, über die ein Bieter aufgrund seiner Beteiligung an der Vorbereitung der Ausschreibung verfügt, eine Situation entwickelt, in der der Wettbewerb verfälscht wird. Eine Vorgehensweise, mit der gewährleistet werden kann, dass die in der Vorbereitungsphase erlangten Informationen und Erfahrungen dem Betreffenden bei der Abgabe seines Angebots nicht von Nutzen sind, ist praktisch nicht denkbar. Die erlangten Kenntnisse sind meistens subjektiv und mitunter selbst für den Betroffenen schwer festzustellen (33) .

    43.      Da den Vergaberichtlinien das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und vor allem nach Transparenz zugrunde liegt, ist jeder Gefahr einer Privilegierung, die den Wettbewerb verfälschen würde, vorzubeugen.

    44.      Vor diesem Hintergrund ist eine Maßnahme, die eine Unvereinbarkeitsregelung wie die des belgischen Rechts vorsieht, mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts vereinbar und wird einem im Allgemeininteresse liegenden Ziel gerecht (34) .

    45.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Fragen anders beantwortet werden müssten, wenn die Vergaberichtlinien dahin auszulegen wären, dass nur denjenigen Privatpersonen, die mit der Erforschung, der Erprobung, der Prüfung oder der Entwicklung des Gegenstands dieses Auftrags befasst waren, sowie denjenigen, die diese Leistungen gegen Entgelt erbracht haben, die Abgabe von Angeboten bei einer Ausschreibung untersagt wäre.

    46.      Wie alle Beteiligten, die beim Gerichtshof Erklärungen zu dieser Frage abgegeben haben, bin ich der Ansicht, dass eine Diskriminierung von privaten Unternehmen oder von Unternehmen, die gegen Entgelt Leistungen erbracht haben, gegenüber staatlichen Unternehmen, mit denen zusammen sie sich um dieselben öffentlichen Aufträge bewerben, nicht gerechtfertigt ist. Die Rechtsprechung des Gerichtshofes hat in der Vergangenheit festgestellt, dass das europäische Vergaberecht gleichermaßen für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an eine Privatperson wie an ein Unternehmen gilt, an dem die öffentliche Hand beteiligt ist (35) . Meines Erachtens gilt das auch für die Voraussetzung der Unvereinbarkeit.

    47.      Der Inhalt der Richtlinie über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträge in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Handels- und Gewerbefreiheit sowie dem Schutz des Eigentums steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach jeder, der mit Forschungs‑, Erprobungs‑, Planungs‑ oder Entwicklungsarbeiten für Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen befasst war, systematisch die Möglichkeit verliert, einen Teilnahmeantrag oder ein Angebot für diese Ausschreibungen abzugeben. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Privatperson oder um ein staatliches Unternehmen handelt, die oder das an der Vorbereitung beteiligt war.

    B – Zur dritten Frage: Der Zeitpunkt des Ausschlusses des bietenden Unternehmens, das mit der Person verbunden ist, die an der Vorbereitung beteiligt war

    48.      Mit seiner letzten Frage möchte der Conseil d’État vom Gerichtshof wissen, ob die Nachprüfungsrichtlinie (36) dem entgegensteht, dass der öffentliche Auftraggeber ein Unternehmen, das mit einer Person verbunden ist, die im Rahmen der Vorbereitung der Ausschreibung mit der Erforschung und der Erprobung befasst war, bis zum Ende des Verfahrens zur Prüfung der Angebote von der Teilnahme an dem Verfahren oder von der Abgabe eines Angebots ausschließen kann, obwohl dieses Unternehmen auf Befragung durch den öffentlichen Auftraggeber versichert, dass ihm hieraus kein ungerechtfertigter Vorteil erwächst, der geeignet wäre, den normalen Wettbewerb zu verfälschen.

    49.      Die Parteien stimmen darin überein, dass die Nachprüfungsrichtlinie dem entgegensteht, dass der öffentliche Auftraggeber bis zum Ende des Verfahrens zur Prüfung der Angebote ein Unternehmen von der Teilnahme an einer Ausschreibung ausschließen kann, das auf Befragung versichert, dass ihm hieraus kein ungerechtfertigter Vorteil erwachse, der geeignet wäre, den normalen Wettbewerb zu verfälschen. Ich teile diese Auffassung.

    50.      Wie bereits ausgeführt, kann nach den Bestimmungen der fraglichen nationalen Rechtsvorschriften jedes Unternehmen, das mit einer Person verbunden ist, die im Rahmen der fraglichen Ausschreibung mit der Vorbereitung befasst war, die Vermutung, dass es über einen Wettbewerbsvorteil verfügt, dadurch widerlegen, dass es Informationen vorlegt, auf deren Grundlage festgestellt werden kann, dass der beherrschende Einfluss sich nicht auf den Auftrag auswirkt. Für den öffentlichen Auftraggeber gilt jedoch keine Ausschlussfrist, so dass er das Unternehmen aufgrund des ungerechtfertigten Vorteils, von dem es vermutlich profitiert, jederzeit, also bis zum Ende des Vergabeverfahrens, ausschließen kann, wenn er die von diesem Unternehmen vorgelegten Rechtfertigungen als unzureichend einstuft (37) .

    51.      Eine solche Situation ermöglicht es dem verbundenen Unternehmen nicht, erforderlichenfalls vor der Erteilung des Zuschlags von einem Richter feststellen zu lassen, dass im vorliegenden Fall eine einer Verringerung des Wettbewerbs gleichkommende Ausschlussvermutung nicht anwendbar ist. Aus der Nachprüfungsrichtlinie und der Rechtsprechung des Gerichtshofes geht jedoch hervor, dass die Mitgliedstaaten gewährleisten müssen, dass durch Nachprüfungsverfahren eine Aussetzung des Verfahrens oder der Entscheidung über die Vergabe des Auftrags durch den öffentlichen Auftraggeber möglich ist (38) . Daraus folgt, dass die Entscheidung über den Ausschluss eines verbundenen Unternehmens vor der Entscheidung über die Vergabe des öffentlichen Auftrags mitgeteilt werden muss, und zwar so viel früher, dass das betroffene Unternehmen gegebenenfalls einen Rechtsbehelf einlegen und die Nichtigerklärung der Entscheidung über den Ausschluss erreichen kann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

    52.      Die belgischen Rechtsvorschriften verstoßen dadurch gegen die praktische Wirksamkeit der Nachprüfungsrichtlinie, dass die Entscheidung über den Ausschluss eines verbundenen Unternehmens, das ein Angebot abgeben möchte, für die Zeit bis zum Ende des Verfahrens zur Prüfung der Angebote getroffen werden darf, so dass ein Rechtsbehelf erst zu einem Zeitpunkt eingelegt werden kann, zu dem die Verstöße nicht mehr rückgängig gemacht werden können, weil der öffentliche Auftrag inzwischen vergeben worden ist, und zu dem der Kläger nur noch Schadensersatz verlangen kann.

    53.      Daher steht meines Erachtens die Richtlinie 89/665 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge einer nationalen Regelung entgegen, nach der der Auftraggeber ein Unternehmen, das mit einer Person verbunden ist, die im Rahmen der Vorbereitung der Ausschreibung mit Forschungs‑ und Erprobungsarbeiten befasst war, bis zum Ende des Verfahrens zur Prüfung der Angebote von der Teilnahme an dem Verfahren oder von der Abgabe eines Angebots ausschließen kann, obwohl das Unternehmen versichert, dass ihm hieraus kein ungerechtfertigter Vorteil erwachse, der geeignet wäre, den normalen Wettbewerb zu verfälschen.

    54.      Die Argumentation in der Rechtssache C‑34/03 kann meines Erachtens auf die identischen Fragen in der Rechtssache C‑21/03 übertragen werden, die sich auf die Richtlinie für öffentliche Aufträge im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor beziehen.

    IV – Ergebnis

    55.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die erste und die zweite Frage des vorlegenden Gerichts wie folgt zu beantworten:

    1.
    Die Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinien 92/50/EWG, 93/36/EWG und 93/37/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträge und die Richtlinie 98/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Änderung der Richtlinie 93/38/EWG zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Handels- und Gewerbefreiheit und dem Schutz des Eigentums stehen einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach jeder, der mit Forschungs‑, Erprobungs‑, Planungs‑ oder Entwicklungsarbeiten für Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen befasst war, systematisch die Möglichkeit verliert, einen Teilnahmeantrag oder ein Angebot für diese Ausschreibungen abzugeben. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Privatperson oder um ein staatliches Unternehmen handelt, die oder das an der Vorbereitung beteiligt war.

    2.
    Die Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge und die Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor stehen einer nationalen Regelung entgegen, wonach der Auftraggeber ein Unternehmen, das mit einer Person verbunden ist, die im Rahmen der Vorbereitung der Ausschreibung mit Forschungs‑ und Erprobungsarbeiten befasst war, bis zum Ende des Verfahrens zur Prüfung der Angebote von der Teilnahme an dem Verfahren oder von der Abgabe eines Angebots ausschließen kann, obwohl das Unternehmen versichert, dass ihm hieraus kein ungerechtfertigter Vorteil erwachse, der geeignet wäre, den normalen Wettbewerb zu verfälschen.


    1
    Originalsprache: Französisch.


    2
    Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 (ABl. L 328, S. 1).


    3
    Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 (ABl. L 101, S. 1).


    4
    Im Folgenden: Vergaberichtlinien.


    5
    Beschluss 94/800/EG vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1).


    6
    Vgl. Urteil vom 22. Juni 1989 in der Rechtssache 103/88 (Fratelli Costanzo, Slg. 1989, 1839, Randnr. 18 a. E.).


    7
    Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33). Eine entsprechende Richtlinie wurde in Bezug auf öffentliche Aufträge bestimmter Sektoren erlassen; vgl. insbesondere die Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 76, S. 14).


    8
    . Moniteur belge vom 22. Januar 1994.


    9
    . Moniteur belge vom 9. April 1999, S. 11690.


    10
    „Verbundenes Unternehmen“ im Sinne des Artikels 65 § 2 der Königlichen Verordnung ist jedes Unternehmen, auf das die in § 1 genannte Person unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann, oder jedes Unternehmen, das auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder das ebenso wie diese Person aufgrund der Eigentumsverhältnisse, finanzieller Beteiligung oder der auf dieses Unternehmen anwendbaren Vorschriften unter dem beherrschenden Einfluss eines weiteren Unternehmens steht. Ein beherrschender Einfluss gilt als gegeben, wenn ein Unternehmen unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals eines anderen Unternehmens besitzt, über die Mehrheit der Stimmen verfügt, die mit den von einem anderen Unternehmen ausgegebenen Beteiligungen verknüpft sind, oder mehr als die Hälfte der Mitglieder der Verwaltungs-, Führungs- oder Aufsichtsorgane eines anderen Unternehmens bestimmen kann.


    11
    Vgl. u. a. Urteile vom 15. Dezember 1993 in der Rechtssache C‑292/92 (Hünermund u. a., Slg. 1993, I‑6787, Randnr. 8), vom 3. Mai 2001 in der Rechtssache C‑28/99 (Verdonck u. a., Slg. 2001, I‑3399, Randnr. 28) und vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache C‑399/98 (Ordine degli Architetti u. a., Slg. 2001, I‑5409, Randnr. 48).


    12
    Es ist darauf hinzuweisen, dass Fabricom bei der Kommission eine Beschwerde betreffend diese belgischen Rechtsvorschriften eingereicht hat. Die Kommission antwortete auf diese Beschwerde, dass sie keinen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht feststellen könne.


    13
    Urteil vom 7. Dezember 2000 in der Rechtssache C‑324/98 (Slg. 2000, I‑10745).


    14
    Vgl. u. a. Urteil vom 27. November 2001 in den verbundenen Rechtssachen C‑285/99 und C‑286/99 (Lombardini und Mantovani, Slg. 2001, I‑9233).


    15
    Im vorliegenden Fall handelt es sich um das Kriterium der Beteiligung an der Vorbereitung für den Bieter.


    16
    Vgl. u. a. Urteile vom 20. September 1988 in der Rechtssache 31/87 (Beentjes, Slg. 1988, 4635) sowie Lombardini und Mantovani.


    17
    Urteil Fratelli Costanzo (zitiert oben in Fußnote 6).


    18
    Vgl. dessen Schlussanträge in jener Rechtssache (Nr. 25).


    19
    Vgl. u. a. Urteile vom 23. März 2000 in der Rechtssache C‑208/98 (Berliner Kindl Brauerei, Slg. 2000, I‑1741), vom 12. Oktober 2000 in der Rechtssache C‑372/98 (Cooke, Slg. 2000, I‑8683) und vom 29. April 2004 in der Rechtssache C‑341/01, (Plato Plastik Robert Frank, Slg. 2004, I‑0000).


    20
    Vgl. Artikel 3 Absatz 2.


    21
    Vgl. Artikel 5 Absatz 7.


    22
    Vgl. Artikel 6 Absatz 6.


    23
    Vgl. Artikel 4 Absatz 2.


    24
    Die Auftraggeber sorgen dafür, dass keine Diskriminierung von Lieferanten, Unternehmen oder Dienstleistungserbringern stattfindet.


    25
    „Auftraggeber können Rat einholen bzw. entgegennehmen, der bei der Erstellung der Spezifikationen für den betreffenden Auftrag verwendet werden kann, vorausgesetzt, dass nicht als Folge dieses Rates der Wettbewerb ausgeschaltet wird.“


    26
    Diese Meinung vertreten auch die österreichische und die finnische Regierung in ihren Erklärungen.


    27
    Urteil vom 9. Juli 1987 in den verbundenen Rechtssachen 27/86 bis 29/86 (CEI u. a., Slg. 1987, 3347, Randnr. 15).


    28
    Dies bestätigt der Gerichtshof im Urteil Beentjes (Randnr. 20).


    29
    Vgl. Urteile vom 18. November 1999 in der Rechtssache C‑275/98 (Unitron Scandinavia und 3-S, Slg. 1999, I‑8291, Randnr. 31), Telaustria und Telefonadress (Randnr. 61) und Beschluss vom 3. Dezember 2001 in der Rechtssache C‑59/00 (Vestergaard, Slg. 2001, I‑9505).


    30
    Urteil vom 22. Juni 1993 in der Rechtssache C‑243/89 (Slg. 1993, I‑3353, Randnr. 33).


    31
    Aus dem ebenfalls in den Vergaberichtlinien enthaltenen Grundsatz der Transparenz ergibt sich eine Verpflichtung der Auftraggeber zur Offenlegung gegenüber den Bietern, so dass diesen die für die Ausschreibung geltenden Teilnahmebedingungen bekannt sind.


    32
    Vgl. Nr. 27 der Erklärungen.


    33
    Oft profitiert jemand nicht bewusst von den Kenntnissen und Informationen, die er durch die Beteiligung an den Vorbereitungen erlangt hat. Die ehrlichen oder die unlauteren Absichten dürfen sich aber nicht auf den Vorteil auswirken, den diese Person aufgrund ihrer Beteiligung gegenüber anderen Bietern hat.


    34
    Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C‑280/93 (Deutschland/Rat, Slg. 1994, I‑4973).


    35
    Vgl. u. a. Urteil vom 18. November 1999 in der Rechtssache C‑107/98 (Teckal, Slg. 1999, I‑8121).


    36
    Dabei handelt es sich um die unter „Rechtlicher Rahmen“ dieser Schlussanträge genannte Richtlinie 89/665.


    37
    Im ungünstigsten Fall könnte das Unternehmen von seinem Ausschluss zeitgleich mit der Benachrichtigung erfahren, dass der öffentliche Auftrag an einen anderen Bieter vergeben worden ist.


    38
    Vgl. u. a. Urteil vom 28. Oktober 1999 in der Rechtssache C‑81/98 (Alcatel Austria u. a., Slg. 1999, I‑7671).

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