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Judgment of the Court of First Instance (Fifth Chamber, extended composition) of 21 October 2004. # Lenzing AG v Commission of the European Communities. # State aid - Action for annulment - Admissibility - Act of individual concern to the applicant - Article 87(1) EC - Agreements on the rescheduling and repayment of debts - Private creditor test. # Case T-36/99.
Urteil des Gerichts Erster Instanz (Fünfte erweiterte Kammer) vom 21. Oktober 2004. Lenzing AG gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Staatliche Beihilfen - Nichtigkeitsklage - Zulässigkeit - Maßnahme, die die Klägerin individuell betrifft - Artikel 87 Absatz 1 EG - Umschuldungs- und Rückzahlungsvereinbarungen - Kriterium des privaten Gläubigers. Rechtssache T-36/99.
Urteil des Gerichts Erster Instanz (Fünfte erweiterte Kammer) vom 21. Oktober 2004. Lenzing AG gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Staatliche Beihilfen - Nichtigkeitsklage - Zulässigkeit - Maßnahme, die die Klägerin individuell betrifft - Artikel 87 Absatz 1 EG - Umschuldungs- und Rückzahlungsvereinbarungen - Kriterium des privaten Gläubigers. Rechtssache T-36/99.
„Staatliche Beihilfen – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Maßnahme, die die Klägerin individuell betrifft – Artikel 87 Absatz 1 EG – Umschuldungs- und Rückzahlungsvereinbarungen – Kriterium des privaten Gläubigers“
Urteil des Gerichts (Fünfte erweiterte Kammer) vom 21. Oktober 2004
Leitsätze des Urteils
1. Verfahren – Entscheidung, die während des Verfahrens die angefochtene Entscheidung ändert – Neue Tatsache – Erweiterung der
ursprünglichen Anträge und des ursprünglichen Vorbringens
2. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Entscheidung
der Kommission, mit der ein Verfahren betreffend Beihilfen eingestellt wird – Mit dem durch die Beihilfe begünstigten Unternehmen
konkurrierendes Unternehmen – Klagerecht – Voraussetzungen
(Artikel 88 Absatz 2 EG)
3. Staatliche Beihilfen – Begriff – Selektiver Charakter der Maßnahme – Maßnahme mit allgemeiner Geltung, die von einer dabei
über ein Ermessen verfügenden Behörde anzuwenden ist – Einbeziehung
(Artikel 87 Absatz 1 EG)
4. Staatliche Beihilfen – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Staatliche Einrichtung, die mit der Einziehung der Sozialversicherungsbeiträge
betraut ist und zulässt, dass diese Beiträge verspätet gezahlt werden – Erheblicher geschäftlicher Vorteil – Im Gegenzug verlangte
Zinsen und Säumniszuschläge – Unbeachtlich
(Artikel 87 Absatz 1 EG)
5. Staatliche Beihilfen – Begriff – Staatlicher Eingriff zur Finanzierung der den Beschäftigten eines Unternehmens geschuldeten
Löhne, Gehälter und Abfindungen, der dem Unternehmen einen geschäftlichen Vorteil verschafft – Zahlungsmodalitäten – Unbeachtlich
6. Staatliche Beihilfen – Entscheidung der Kommission, mit der die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit Artikel 87 Absatz
1 EG festgestellt wird – Anwendung des Kriteriums des privaten Gläubigers durch die Kommission – Würdigung komplexer wirtschaftlicher
Gegebenheiten – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen
(Artikel 87 Absatz 1 EG)
1. Eine Änderung der angefochtenen Entscheidung im Laufe des Verfahrens stellt eine neue Tatsache dar, die der klagenden Partei
eine Anpassung ihres Vorbringens und ihrer Anträge gestattet.
(vgl. Randnr. 54)
2. Damit ein Unternehmen geltend machen kann, von einer Entscheidung der Kommission, mit der das nach Artikel 88 Absatz 2 EG
wegen einer individuellen Beihilfe eingeleitete Verfahren abgeschlossen wird, individuell betroffen zu sein, reicht es nicht
aus, wenn sich das Unternehmen lediglich auf seine Eigenschaft als Konkurrent des durch die fragliche Beihilfe begünstigten
Unternehmens beruft, sondern es muss darüber hinaus darlegen, dass angesichts des Umfangs seiner etwaigen Beteiligung an dem
Verfahren und des Grades der Beeinträchtigung seiner Marktstellung tatsächliche Umstände vorliegen, die es in ähnlicher Weise
individualisieren wie den Adressaten einer Entscheidung. Was den Umfang betrifft, in dem das klagende Unternehmen in seiner
Marktstellung beeinträchtigt wurde, ist es nicht Sache des Gemeinschaftsrichters, im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung endgültig
zum Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Unternehmen und den Beihilfeempfängern Stellung zu nehmen. In diesem Zusammenhang obliegt
es allein dem klagenden Unternehmen, in stichhaltiger Weise darzulegen, aus welchen Gründen die Entscheidung der Kommission
durch eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Stellung auf dem betreffenden Markt seine berechtigten Interessen verletzen
kann.
(vgl. Randnrn. 75, 80)
3. Maßnahmen mit nur allgemeinem Charakter fallen nicht unter Artikel 87 Absatz 1 EG. Allerdings können auch Maßnahmen, die auf
den ersten Blick für alle Unternehmen gelten, eine bestimmte Selektivität aufweisen und deshalb als Maßnahmen zur Begünstigung
bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige angesehen werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Behörden, die eine allgemeine
Regelung anzuwenden haben, dabei über ein Ermessen verfügen.
(vgl. Randnr. 129)
4. Das Verhalten einer staatlichen Einrichtung, die für die Einziehung der Sozialversicherungsbeiträge zuständig ist und zulässt,
dass diese Beiträge verspätet gezahlt werden, verschafft einem Unternehmen, das sich in großen finanziellen Schwierigkeiten
befindet, einen erheblichen geschäftlichen Vorteil, indem sie die Belastung, die sich aus der normalen Anwendung des Sozialversicherungssystems
ergibt, ihm gegenüber mildert; dieser Vorteil wird durch die ihm auferlegten Zinsen und Säumniszuschläge nicht vollständig
aufgehoben.
(vgl. Randnrn. 137, 139)
5. Die den Beschäftigten eines Unternehmens geschuldeten Löhne, Gehälter und Abfindungen gehören zu den normalen Betriebskosten
des Unternehmens, die es grundsätzlich aus eigenen Mitteln aufzubringen hat. Jeder staatliche Eingriff zur Finanzierung solcher
Kosten kann daher eine Beihilfe darstellen, sobald er dem Unternehmen einen geschäftlichen Vorteil verschafft; dies gilt unabhängig
davon, ob die Zahlungen unmittelbar an das Unternehmen oder über eine öffentliche Einrichtung an dessen Beschäftigte vorgenommen
werden.
(vgl. Randnr. 146)
6. Da die Anwendung des Kriteriums des privaten Gläubigers durch die Kommission ebenso wie die Anwendung des Kriteriums des privaten
Investors mit komplexen wirtschaftlichen Beurteilungen verbunden ist, beschränkt sich ihre gerichtliche Kontrolle darauf,
ob die Vorschriften über das Verfahren und die Begründung eingehalten worden sind, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend
festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts oder ein Ermessensmissbrauch
vorliegt.
(vgl. Randnr. 150)
URTEIL DES GERICHTS (Fünfte erweiterte Kammer) 21. Oktober 2004(1)
In der Rechtssache T-36/99
Lenzing AG mit Sitz in Lenzing (Österreich), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwalt H.‑J. Niemeyer, dann Rechtsanwälte I. Brinker
und U. Soltész,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt M. Núñez-Müller, Zustellungsanschrift
in Luxemburg,
Beklagte,
unterstützt durchKönigreich Spanien, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Streithelfer,
wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung 1999/395/EG der Kommission vom 28. Oktober 1998 über Beihilfen Spaniens
zugunsten der Sniace, SA, mit Sitz in Torrelavega, Kantabrien (ABl. 1999, L 149, S. 40), in der Fassung der Entscheidung 2001/43/EG
der Kommission vom 20. September 2000 (ABl. 2001, L 11, S. 46)
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten R. García-Valdecasas sowie der Richterin P. Lindh, der Richter J. D. Cooke und H. Legal und
der Richterin M. E. Martins Ribeiro,
Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin,
folgendes
Urteil
Anwendbare nationale Rechtsvorschriften
1
Artikel 20 des Real Decreto Legislativo Nr. 1/1994 vom 20. Juni 1994 zur Genehmigung der Neufassung des Allgemeinen Gesetzes
über die Soziale Sicherheit (BOE Nr. 154 vom 29. Juni 1994, S. 20658, im Folgenden: Allgemeines Gesetz über die Soziale Sicherheit)
bestimmt:
„(1) Im Rahmen der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen oder Zuschlägen zu diesen Beiträgen oder Verbindlichkeiten gegenüber
den Trägern der sozialen Sicherheit, die keine Beiträge sind, kann eine Stundung oder Ratenzahlung gewährt werden.
…
(3) Stundungen und Ratenzahlungen von Verbindlichkeiten gegenüber den Trägern der sozialen Sicherheit werden in der Form, unter
den Voraussetzungen und zu den Konditionen gewährt, die durch Gesetz festgelegt werden. Bescheide über Stundungen oder Ratenzahlungen
sind nur wirksam, wenn eine durch Gesetz näher bestimmte dingliche oder persönliche Sicherheit für die Forderung geleistet
wird, es sei denn, der Schuldner kann wegen außergewöhnlicher Umstände von der Pflicht zur Sicherheitsleistung befreit werden.
(4) Die Stundung oder Ratenzahlung von Verbindlichkeiten gegenüber den Trägern der sozialen Sicherheit führt von ihrer Gewährung
an bis zum Zeitpunkt der Zahlung zur Erhebung von Zinsen in Höhe des zum Zeitpunkt der Gewährung geltenden gesetzlichen Zinssatzes
gemäß dem Gesetz Nr. 24/1984 vom 29. Juni 1984 über die Änderung des gesetzlichen Zinssatzes.“
2
Auf gestundete Verbindlichkeiten sind gemäß Artikel 27 des Allgemeinen Gesetzes über die Soziale Sicherheit Säumniszuschläge
zu leisten.
3
Die Bedingungen für die Stundung und Ratenzahlung von Verbindlichkeiten gegenüber den Trägern der sozialen Sicherheit sind
im Real Decreto Nr. 1637/1995 vom 6. Oktober 1995 zur Genehmigung der Allgemeinen Verordnung über die Einziehung der Sozialversicherungsbeiträge
(BOE Nr. 254 vom 24. Oktober 1995, S. 30844) aufgeführt. Artikel 40 Absatz 1 dieses Real Decreto bestimmt u. a.:
„Verbindlichkeiten gegenüber den Trägern der sozialen Sicherheit können gestundet oder in Raten entrichtet werden; eine solche
Regelung kann durch Vereinbarung oder Verwaltungsakt auf Antrag des Abgabenschuldners getroffen werden, wenn er nach seiner
wirtschaftlichen und finanziellen Lage und den sonstigen von der Allgemeinen Kasse der Sozialen Sicherheit zu berücksichtigenden
besonderen Umständen die Abgaben nicht entrichten kann.“
4
Die Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen ist auch in den Artikeln 11 bis 27 der Verordnung des Ministers für Arbeit und
Soziale Sicherheit vom 22. Februar 1996 zur Umsetzung der allgemeinen Verordnung über die Erhebung der Mittel des Systems
der sozialen Sicherheit (BOE Nr. 52 vom 29. Februar 1996, S. 7849) geregelt.
5
Der Fondo de Garantía Salarial (Lohngarantiefonds, im Folgenden: Fogasa) ist eine dem spanischen Ministerium für Arbeit und
Soziale Sicherheit unterstellte unabhängige Einrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit und Klagebefugnis zur Erreichung
seiner Zwecke. Seine wichtigste Aufgabe besteht gemäß Artikel 33 Absatz 1 des Real Decreto Legislativo Nr. 1/1995 vom 24.
März 1995 zur Genehmigung der Neufassung des Gesetzes über das Arbeitnehmerstatut (BOE Nr. 75 vom 29. März 1995, S. 9654,
im Folgenden: Arbeitnehmerstatut) darin, „Arbeitnehmern ihre ausstehenden Löhne und Gehälter zu zahlen, die ihnen wegen Zahlungsunfähigkeit,
Zahlungseinstellung, Konkurs oder eines mit den Gläubigern des jeweiligen Unternehmens laufenden Vergleichsverfahrens nicht
gezahlt wurden“. Der Fogasa übernimmt gemäß Artikel 33 Absatz 4 die Rechte der Arbeitnehmer und tritt an ihre Stelle, um die
Rückzahlung der verauslagten Beträge zu erwirken.
6
Die Formalitäten, die einzuhalten sind, um die Rückzahlung zu erwirken, sind im Real Decreto Nr. 505/85 vom 6. März 1985 über
Aufbau und Arbeitsweise des Fogasa (BOE Nr. 92 vom 17. April 1985, S. 10203) festgelegt, das das Arbeitnehmerstatut ergänzt.
Artikel 32 dieses Dekrets sieht Folgendes vor:
„(1) Um die Wiedereinziehung der geschuldeten Beträge zu erleichtern, kann der [Fogasa] Rückzahlungsvereinbarungen abschließen,
in denen die Form und Frist der Rückzahlung sowie die zu leistende Sicherheit geregelt sind, wobei die Wirksamkeit der Lohnersatzzahlungen
mit den Erfordernissen des Fortbestands der Unternehmen und der Erhaltung von Arbeitsplätzen in Einklang zu bringen ist.
Auf die gestundeten Beträge ist der gesetzliche Zinssatz anwendbar.
(2) Der Abschluss einer Vereinbarung über die Stundung der Rückzahlung wird dem Justizorgan mitgeteilt, das gegebenenfalls mit
dem Verfahren zur Vollstreckung der Forderungen befasst ist.
(3) Werden die Abmachungen nicht umgesetzt, so führt dies zur Auflösung der Vereinbarung; der [Fogasa] nimmt alle ihm zustehenden
Handlungen vor und kann die Wiedereröffnung ruhender Verfahren beantragen.
…“
7
Der Abschluss von Vereinbarungen über die Rückzahlung der vom Fogasa verauslagten Beträge ist in der Verordnung des Ministers
für Arbeit und Soziale Sicherheit vom 20. August 1985 (BOE Nr. 206 vom 28. August 1985, S. 27071) geregelt. Diese Verordnung
legt die objektiven Kriterien fest, an die sich der Fogasa halten muss, und bestimmt, dass diese „im Rahmen des erforderlichen
Spielraums, der die Berücksichtigung der Besonderheiten jedes Einzelfalls ermöglicht“, anzuwenden sind. Artikel 2 Absatz 1
der Verordnung enthält die Fristen, innerhalb deren die Schuld gestundet werden kann. Nach Artikel 3 ist eine „als ausreichend
anzusehende“ Sicherheit zu verlangen. Schließlich kann der Fogasa nach Artikel 6 Absatz 3 jeden Antrag auf Stundung oder Ratenzahlung
ablehnen.
Sachverhalt
8
Die Lenzing AG (im Folgenden: Klägerin) ist eine österreichische Gesellschaft, die Zellulosefasern (Viskose, Modal und Lyocell)
herstellt und vertreibt.
9
Die Sniace, SA (im Folgenden: Sniace), ist ein spanisches Unternehmen, das Zellulose, Papier, Viskosefasern, Kunstfasern und
Natriumsulfat herstellt. Sie hat ihren Sitz in Kantabrien (Spanien), einer Region, die seit September 1995 zu den Förderregionen
nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG) gehört.
10
Im März 1993 erklärten die spanischen Gerichte die Sniace, die seit mehreren Jahren unter wirtschaftlichen und finanziellen
Schwierigkeiten litt, für zahlungsunfähig. Im Oktober 1996 trafen die privaten Gläubiger der Sniace ein Übereinkommen, mit
dem 40 % ihrer Forderungen in Aktien dieses Unternehmens umgewandelt wurden und das zur Beendigung der Zahlungsunfähigkeit
führte. Die öffentlichen Gläubiger der Sniace machten von ihrem Recht Gebrauch, sich nicht an diesem Übereinkommen zu beteiligen.
11
Am 5. November 1993 und am 31. Oktober 1995 traf die Sniace mit dem Fogasa Vereinbarungen über die Erstattung der ausstehenden
Löhne, Gehälter und Abfindungen, die der Fogasa den Arbeitnehmern der Sniace gezahlt hatte. Nach der ersten Vereinbarung waren
binnen acht Jahren 897 652 789 ESP zuzüglich 465 055 911 ESP Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz von 10 % in halbjährlichen Raten
zurückzuzahlen (im Folgenden: Vereinbarung vom 5. November 1993). Nach der zweiten Vereinbarung waren binnen acht Jahren 229 424 860
ESP zuzüglich 110 035 018 ESP Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz von 9 % in halbjährlichen Raten zurückzuzahlen (im Folgenden:
Vereinbarung vom 31. Oktober 1995). Zur Sicherung der Forderungen des Fogasa bestellte die Sniace zu seinen Gunsten am 10.
August 1995 eine Hypothek auf zwei ihrer Grundstücke. Im Juni 1998 belief sich der von der Sniace im Rahmen dieser beiden
Vereinbarungen zurückgezahlte Betrag auf 186 963 594 ESP.
12
Am 8. März 1996 schloss die Tesorería General de la Seguridad Social (Allgemeine Kasse der Sozialen Sicherheit, im Folgenden:
TGSS) mit der Sniace eine Umschuldungsvereinbarung über Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 2 903 381 848 ESP,
die den Zeitraum von Februar 1991 bis Februar 1995 betraf (im Folgenden: Vereinbarung vom 8. März 1996). Nach dieser Vereinbarung
sollte der genannte Betrag bis März 2004 in 96 Monatsraten zuzüglich Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz von 9 % zurückgezahlt
werden. Die Vereinbarung wurde am 7. Mai 1996 dahin gehend geändert, dass ein Zahlungsaufschub von einem Jahr, eine Rückzahlung
in 84 Monatsraten und die Anwendung des gesetzlichen Zinssatzes von 9 % vereinbart wurden (im Folgenden: Vereinbarung vom
7. Mai 1996). Nachdem die Sniace diese Vereinbarungen nicht eingehalten hatte, wurden sie durch eine neue Vereinbarung vom
30. September 1997 zwischen ihr und der TGSS ersetzt (im Folgenden: Vereinbarung vom 30. September 1997). Die Rückzahlung
betraf rückständige Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit von Februar 1991 bis Februar 1997 in Höhe von 3 510 387 323 ESP
nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 615 056 349 ESP und sollte über einen Zeitraum von zehn Jahren erfolgen. In den ersten
beiden Jahren sollten nur Zinsen mit einem Zinssatz von 7,5 % p. a. gezahlt werden, während die Rückzahlungen in den folgenden
Jahren für die Tilgung der Forderung und die Zinsen verwendet werden sollten. Im April 1998 hatte die Sniace 216 118 863 ESP
im Rahmen der Vereinbarung vom 30. September 1997 zurückgezahlt.
13
Die Klägerin legte am 4. Juli 1996 bei der Kommission eine Beschwerde wegen einer Reihe staatlicher Beihilfen ein, die der
Sniace seit dem Ende der achtziger Jahre mehrere Jahre lang gewährt worden seien. Mit Schreiben vom 26. November und vom 9.
Dezember 1996 übermittelte sie der Kommission zusätzliche Informationen. Die spanischen Behörden gaben mit Schreiben vom 17.
Februar 1997 eine Stellungnahme ab.
14
Mit Schreiben vom 10. März 1997 teilte die Kommission der Klägerin mit, dass sie das Beschwerdeverfahren einstelle, weil nicht
ausreichend erwiesen sei, dass die Sniace staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung
jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) erhalten habe.
15
Mit Schreiben vom 17. April 1997 übermittelte die Klägerin der Kommission zusätzliche Informationen zur Stützung ihrer Beschwerde,
darunter einen im August 1996 von einer privaten Consultingfirma im Auftrag des Industrieministeriums der Regionalregierung
von Kantabrien erstellten Sanierungsplan für die Sniace. Am 17. Mai 1997 fand ein Treffen der Klägerin mit der Kommission
statt. Mit Schreiben vom 18. Juni 1997 übermittelte sie der Kommission einige Angaben zum europäischen Viskosefasermarkt.
16
Mit Schreiben vom 7. November 1997 teilte die Kommission der spanischen Regierung ihre Entscheidung mit, ein Verfahren nach
Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 2 EG) in Bezug auf einige der von der Klägerin beanstandeten angeblichen
Beihilfen einzuleiten – darunter die Vereinbarungen vom 5. November 1993 und vom 31. Oktober 1995 und die „Nichterhebung der
Sozialversicherungsbeiträge seit 1991“ –, und forderte sie zur Stellungnahme auf. Die übrigen Mitgliedstaaten und die sonstigen
Betroffenen wurden durch die Veröffentlichung dieses Schreibens im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Februar 1998 (ABl. C 49, S. 2) von der Einleitung dieses Verfahrens in Kenntnis gesetzt und aufgefordert, etwaige
Stellungnahmen einzureichen. Die spanische Regierung übermittelte ihre Stellungnahme mit Schreiben vom 19. Dezember 1997.
Dritte, darunter die Klägerin mit Schreiben vom 27. März 1998, gaben Erklärungen ab, zu denen die spanische Regierung mit
Schreiben vom 24. Juni 1998 Stellung nahm. Mit Schreiben vom 16. April 1998 antwortete die spanische Regierung auf die von
der Kommission mit Schreiben vom 23. Februar 1997 gestellten Fragen.
17
Am 28. Oktober 1998 erließ die Kommission die Entscheidung 1999/395/EG über Beihilfen Spaniens zugunsten der Sniace, SA, mit
Sitz in Torrelavega, Kantabrien (ABl. 1999, L 149, S. 40, im Folgenden: Entscheidung vom 28. Oktober 1998).
18
Der verfügende Teil dieser Entscheidung lautet:
„Artikel 1
Die staatliche Beihilfe, die Spanien zugunsten der [Sniace] gewährt hat, ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar,
a)
insofern als der Zinssatz unter dem Marktzinssatz lag – Vereinbarung vom 8. März 1996 (geändert durch die Vereinbarung vom
7. Mai 1996) zwischen [der] Sniace und der [TGSS] zur Umschuldung einer Kreditsumme von 2 903 381 848 ESP, erneut geändert
durch die Vereinbarung vom 30. September 1997 zur Umschuldung einer Kreditsumme von 3 510 387 323 ESP –, und
b)
insofern als der Zinssatz unter dem Markzinssatz lag – Vereinbarungen vom 5. November 1993 und vom 31. Oktober 1995 zwischen
[der] Sniace und dem [Fogasa] über 1 362 708 700 ESP bzw. 339 459 878 ESP (einschließlich Zinsen).
Die übrigen Maßnahmen, die im Rahmen des nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag eingeleiteten Verfahrens geprüft wurden, nämlich
eine Kreditbürgschaft in Höhe von 1 Mrd. ESP, genehmigt durch das Gesetz 7/1993, die Finanzierungsvereinbarungen für den geplanten
Bau einer Abwasserbehandlungsanlage und der durch den Stadtrat von Torrelavega gewährte Schuldennachlass, stellen keine Beihilfen
dar, und das Verfahren kann eingestellt werden. Spanien unterrichtet die Kommission jedoch binnen zwei Monaten ab Datum der
Entscheidung über die steuerliche Neuveranlagung der Geschäftstätigkeit [der] Sniace für die Jahre von 1995 bis heute durch
den Stadtrat von Torrelavega. Zu den im Zeitraum 1987 bis 1995 nicht entrichteten Umweltabgaben wird die Kommission zum gegebenen
Zeitpunkt eine Entscheidung erlassen.
Artikel 2
(1) Das Königreich Spanien ergreift die notwendigen Maßnahmen, um die in Artikel 1 genannte rechtswidrig zur Verfügung gestellte
Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern.
(2) Die Beitreibung erfolgt nach spanischem Recht. Die beizutreibenden Beträge erhöhen sich um die Zinsen, die ab dem Tag der
Auszahlung der Beihilfe an den Empfänger bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung auf der Grundlage des einschlägigen Bezugssatzes
berechnet werden.
Artikel 3
Spanien teilt der Kommission binnen zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die ergriffen
werden, um der Entscheidung nachzukommen.
Artikel 4
Diese Entscheidung ist an das Königreich Spanien gerichtet.“
Urteil Tubacex und Entscheidung vom 20. September 2000
19
Mit Klageschrift, die am 24. Dezember 1998 bei der Kanzlei des Gerichtshofes einging, erhob das Königreich Spanien Klage auf
Nichtigerklärung der Entscheidung vom 28. Oktober 1998 (Rechtssache C‑479/98). Das Verfahren in dieser Rechtssache wurde durch
Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 23. Februar 1999 bis zur Verkündung des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache
C‑342/96 (Spanien/Kommission), in der es um ähnliche Fragen ging, ein erstes Mal ausgesetzt.
20
Gegenstand der letztgenannten Rechtssache war eine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 97/21/EGKS, EG der Kommission
vom 30. Juli 1996 über eine staatliche Beihilfe an die Compañía Española de Tubos por Extrusión SA, Llodio (Álava) (ABl. 1997,
L 8, S. 14). Die Kommission hatte in dieser Entscheidung festgestellt, dass bestimmte von der Compañía Española de Tubos por
Extrusión SA (im Folgenden: Tubacex), deren Tochterunternehmen Acería de Álava und dem Fogasa getroffene Rückzahlungsvereinbarungen
und bestimmte von diesen Unternehmen und der TGSS getroffene Vereinbarungen über die Stundung oder Ratenzahlung von Beiträgen
Elemente rechtswidrig gewährter und mit dem Gemeinsamen Markt gemäß Artikel 87 EG und der Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS der
Kommission vom 27. November 1991 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie
(ABl. L 362, S. 57) unvereinbarer Beihilfe enthielten, „weil der angewandte Zinssatz unter den marktüblichen Zinssätzen lag“.
Die Kommission war der Ansicht, dass die Anwendung des gesetzlichen Zinssatzes von 9 % auf die fraglichen Vereinbarungen nicht
den normalen Marktbedingungen entspreche, nach denen der durchschnittliche Zinssatz, der von spanischen Privatbanken bei Krediten
mit einer Laufzeit von über drei Jahren angewandt werde, deutlich höher liege.
21
Am 29. April 1999 erließ der Gerichtshof sein Urteil in der Rechtssache C‑342/96 (Slg. 1999, I‑2459, im Folgenden: Urteil
Tubacex). Er stellte zunächst fest, dass der Fogasa keine Kredite an in Konkurs gefallene oder in finanzielle Schwierigkeiten
geratene Unternehmen vergebe, sondern mit seinen Zahlungen alle berechtigten Forderungen befriedige, die ihm gegenüber von
den Arbeitnehmern geltend gemacht würden, und diese Zahlungen anschließend von den Unternehmen zurückverlange. Er fügte hinzu,
der Fogasa könne Rückzahlungsvereinbarungen abschließen, in deren Rahmen er eine Stundung oder Ratenzahlung der geschuldeten
Beträge vorsehen könne; ebenso könne die TGSS für die Zahlung von Beitragsschulden eine Stundung oder Ratenzahlung gewähren.
Weiter führte er aus, der Staat habe sich nicht wie ein öffentlicher Investor verhalten, dessen Vorgehen mit dem Verhalten
eines privaten Investors verglichen werden müsste, der Kapital zum Zweck seiner mehr oder weniger kurzfristigen Rentabilisierung
anlege, sondern wie „ein öffentlicher Geldgeber ..., der ebenso wie ein privater Gläubiger die Bezahlung der ihm geschuldeten
Beträge zu erlangen sucht und dazu mit dem Schuldner Vereinbarungen schließt, die eine Stundung oder Ratenzahlung der als
Schulden aufgelaufenen Beträge vorsehen, um ihre Rückzahlung zu erleichtern“ (Randnr. 46). Die fraglichen Vereinbarungen seien
geschlossen worden, weil Tubacex von Beginn an gesetzlich verpflichtet gewesen sei, die vom Fogasa vorgeschossenen Löhne und
Gehälter und die Beitragsschulden bei der Sozialversicherung zurückzuzahlen, so dass durch sie für Tubacex keine neuen Schulden
bei den öffentlichen Stellen entstanden seien (Randnr. 47). Schließlich stellte er fest: „Die auf Forderungen dieser Art normalerweise
zu erhebenden Zinsen sollen den Schaden ersetzen, der dem Gläubiger durch den vom Schuldner zu vertretenden Zahlungsverzug
entsteht; es sind also Verzugszinsen. Weicht der Zinssatz, zu dem Verzugszinsen auf Schulden gegenüber einem öffentlichen
Gläubiger erhoben werden, von dem ab, den ein privater Gläubiger verlangen könnte, so ist der letztgenannte Zinssatz anzuwenden,
wenn er über dem erstgenannten liegt“ (Randnr. 48). In Anbetracht dessen erklärte der Gerichtshof die Entscheidung 97/21 insoweit
für nichtig, „als mit ihr die vom Königreich Spanien zugunsten [von Tubacex] ergriffenen Maßnahmen deshalb für mit Artikel
[87 EG] unvereinbar erklärt wurden, weil der Zinssatz von 9 %, der auf die von diesem Unternehmen dem [Fogasa] und der [TGSS]
geschuldeten Beträge angewandt wurde, unter den marktüblichen Zinssätzen lag“.
22
In der Rechtssache C‑479/98 teilte die Kommission dem Gerichtshof mit Schreiben vom 17. Juni 1999 mit, dass sie in Anbetracht
des Urteils Tubacex beabsichtige, die Entscheidung vom 28. Oktober 1998 teilweise zurückzunehmen und das Verfahren nach Artikel
88 Absatz 2 EG wieder aufzunehmen, um zunächst Stellungnahmen von Drittbetroffenen einzuholen. Sie beantragte daher gemäß
Artikel 82a § 1 Buchstabe b der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, das Verfahren in dieser Rechtssache bis zur teilweisen
Rücknahme der Entscheidung auszusetzen. Der Präsident des Gerichtshofes gab diesem Antrag mit Beschluss vom 1. Juli 1999 statt.
23
Im Anschluss an das Urteil Tubacex überprüfte die Kommission die Entscheidung vom 28. Oktober 1998. Mit Schreiben vom 16.
Februar 2000 teilte sie der spanischen Regierung mit, dass sie das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG in Bezug auf die
in Artikel 1 der Entscheidung vom 28. Oktober 1998 aufgeführten, als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar angesehenen Beihilfeelemente
einleiten wolle, und forderte die spanische Regierung zur Stellungnahme auf. Die übrigen Mitgliedstaaten und die Beteiligten
wurden durch die Veröffentlichung dieses Schreibens im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 15. April 2000 (ABl. C 110, S. 33) von der Einleitung dieses Verfahrens informiert und aufgefordert, sich gegebenenfalls
zu äußern. Die spanische Regierung übermittelte ihre Stellungnahme mit Schreiben vom 19. April 2000.
24
Am 20. September 2000 erließ die Kommission die Entscheidung 2001/43/EG zur Änderung der Entscheidung vom 28. Oktober 1998
(ABl. 2001, L 11, S. 46, im Folgenden: Entscheidung vom 20. September 2000).
25
Der mit „Würdigung“ überschriebene Abschnitt V der Entscheidung vom 20. September 2000 lautet:
„(20)
Die Kommission hat zu prüfen, ob die in Artikel 1 der Entscheidung [vom 28. Oktober 1998] für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar
erklärten Maßnahmen eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 [EG] darstellen. Bestehen derartige Beihilfen,
hat die Kommission zu prüfen, ob sie mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind.
(21)
In dem Tubacex-Urteil geht es weitgehend um dieselbe Sach- und Rechtslage wie in der von Spanien vor dem Gerichtshof (Rechtssache
C‑479/98) und [der] Sniace vor dem Gericht erster Instanz (Rechtssache T‑190/99) angefochtenen Entscheidung [vom 28. Oktober
1998]. Nach Auffassung der Kommission sind die vom Gerichtshof in diesem Urteil vorgebrachten Argumente in gleicher Weise
auf die Vereinbarungen zwischen [der] Sniace und [dem] Fogasa sowie zwischen [der] Sniace und der [TGSS] anzuwenden, die nach
der Entscheidung [vom 28. Oktober 1998] Elemente staatlicher Beihilfen enthalten.
(22)
Zunächst ist festzustellen, dass [die] Sniace gesetzlich verpflichtet war, die [vom] Fogasa vorgestreckten Löhne zurückzuzahlen
und die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Mit den fraglichen Vereinbarungen sind deshalb keine neuen
Forderungen gegenüber staatlichen Stellen entstanden. Folglich hat der Staat im Rahmen der Rückzahlungs- und Umschuldungsvereinbarungen
nicht als öffentlicher Investor gehandelt, dessen Verhalten mit dem eines privaten Investors verglichen werden muss, der Kapital
im Hinblick auf die Erzielung eines Gewinns anlegt, sondern als öffentlicher Gläubiger, der ebenso wie ein privater Gläubiger
versucht, die ihm geschuldeten Beträge zurückzuerhalten. Bei der Beurteilung der streitigen Beihilfe hat die Kommission also
den auf Forderungen des öffentlichen Gläubigers angewandten Zinssatz mit dem Zinssatz zu vergleichen, der unter ähnlichen
Gegebenheiten auf einem privaten Gläubiger geschuldete Forderungen angewandt wird.
(23)
Allerdings erscheint es problematisch, sich auf ein einheitliches Vorgehen privater Gläubiger, die versuchen, die ihnen geschuldeten
Beträge zurückzuerhalten, festzulegen. Daher hat die Kommission das Verhalten privater Gläubiger von Fall zu Fall zu beurteilen.
(24)
Im besonderen Fall der Sniace ist festzustellen, dass die spanischen Gerichte auf einen Antrag des Unternehmens aus dem Jahre
1992 hin im März 1993 die Aussetzung der Zahlungen anordneten. Die öffentlichen Gläubiger haben aufgrund der ihnen zustehenden
Rechte an der Gläubigervereinbarung vom Oktober 1996 im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Aussetzung der Zahlungen nicht
teilgenommen. Wie die Kommission in der Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens feststellte, konnten die öffentlichen
Gläubiger dadurch ihre Forderungen in voller Höhe schützen.
(25)
Die gesonderten Vereinbarungen zwischen [dem] Fogasa und [der] Sniace sowie zwischen der [TGSS] und [der] Sniace haben [der]
Sniace keine großzügigere Behandlung eingeräumt als in der Vereinbarung privater Gläubiger vorgesehen.
(26)
Allerdings ist zu bedenken, dass die Rahmenbedingungen für die öffentlichen Gläubiger nicht mit denen privater Gläubiger vergleichbar
waren, insbesondere was Stellung, Sicherheiten und die Möglichkeit anbelangt, sich an einer Gläubigervereinbarung nicht zu
beteiligen. Folglich kommt die Kommission zu dem Schluss, dass ein solcher komparativer Ansatz in diesem spezifischen Fall
keine korrekte Anwendung des vom Gerichtshof definierten ‚Privatgläubigertests‘ darstellt, der nach dem Urteil vom 29. Juni
1999 in der Rechtssache C‑256/97 (‚DMT‘) beinhaltet, dass das Verhalten des öffentlichen Gläubigers mit dem eines hypothetischen
privaten Gläubigers verglichen werden muss, der sich möglichst weitgehend in derselben Situation befindet.
(27)
Die Kommission stellt fest, dass nach Artikel 1108 des spanischen Zivilgesetzbuches der gesetzliche Zinssatz zur Anwendung
gelangt, wenn der Schuldner die Zahlung verzögert und kein bestimmter Zinssatz vereinbart worden ist. Für den Fall eines Kredits
und sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, sieht Artikel 312 des spanischen Handelsgesetzbuches zudem vor, dass
der Schuldner den gesetzlichen Wert ... der Forderung zum Zeitpunkt der Rückzahlung zu begleichen hat. Daher dürfte der gesetzliche
Zinssatz der höchste Satz sein, den ein privater Gläubiger erwarten kann, wenn er die Schuld mit gesetzlichen Mitteln eintreibt.
(28)
Demnach könnte ein privater Gläubiger von dem Schuldner als Ausgleich dafür, dass er die Schuld nicht mit gesetzlichen Mitteln
eintreibt, keine Verzugszinsen erhalten, die über dem gesetzlichen Zinssatz liegen.
(29)
Schließlich sind die besonderen Umstände zum Zeitpunkt der Umschuldungsvereinbarung mit [dem] Fogasa und der [TGSS] zu berücksichtigen.
[Die] Sniace befand sich in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten, die dazu führten, dass sämtliche Schuldrückzahlungen
ausgesetzt wurden und ernsthafte Zweifel am Fortbestand des Unternehmens bestanden. Wie die Kommission in der Entscheidung
[vom 28. Oktober 1998] feststellte, hat die [TGSS] dadurch, dass sie nicht zur Zwangsvollstreckung gegriffen hat, was möglicherweise
den Konkurs des Unternehmens verursacht hätte, ihre Aussichten, die geschuldeten Beträge zurückzuerhalten, optimiert.
(30)
Daher kann die Kommission in diesem besonderen Fall dem Vorbringen stattgeben, dass Spanien durch Umschuldung und Anwendung
des gesetzlichen Zinssatzes auf Verbindlichkeiten der Sniace versucht hat, die geschuldeten Beträge nach Möglichkeit ohne
finanzielle Verluste zu erlangen. Damit handelte Spanien so, wie es ein hypothetischer privater Gläubiger in der gleichen
Situation getan hätte.“
26
Aus diesen Gründen kam die Kommission in der Entscheidung vom 20. September 2000 zu dem Schluss, dass „die Rückzahlungs- und
Umschuldungsvereinbarungen zwischen [dem] Fogasa und [der] Sniace bzw. der [TGSS] und [der] Sniace keine staatliche Beihilfe
darstellen“ (31. Begründungserwägung), und hielt es daher „für angebracht, die Entscheidung [vom 28. Oktober 1998] entsprechend
zu ändern“ (32. Begründungserwägung).
27
Der verfügende Teil der Entscheidung vom 20. September 2000 lautet:
„Artikel 1
Die Entscheidung [vom 28. Oktober 1998] wird wie folgt geändert:
1.
Artikel 1 Absatz 1 erhält folgende Fassung:
‚Folgende Maßnahmen, die Spanien zugunsten der [Sniace] durchgeführt hat, stellen keine staatliche Beihilfe dar:
a)
Vereinbarung vom 8. März 1996 (geändert durch die Vereinbarung vom 7. Mai 1996) zwischen [der] Sniace und der [TGSS] zur Umschuldung
einer Kreditsumme von 2 903 381 848 ESP (17 449 676,34 EUR), erneut geändert durch die Vereinbarung vom 30. September 1997
zur Umschuldung einer Kreditsumme von 3 510 387 323 ESP (21 097 852,72 EUR), und
b)
Vereinbarungen vom 5. November 1993 und 31. Oktober 1995 zwischen [der] Sniace und dem ... Fogasa über 1 362 708 700 ESP (8 190 044,23
EUR) bzw. 339 459 878 ESP (2 040 194,96 EUR).‘
2.
Artikel 2 wird aufgehoben.
Artikel 2
Die Entscheidung ist an das Königreich Spanien gerichtet.“
28
Die Entscheidung vom 28. Oktober 1998 in der Fassung der Entscheidung vom 20. September 2000 wird nachfolgend als „angefochtene
Entscheidung“ bezeichnet.
29
Mit Beschluss vom 4. Dezember 2000 ordnete der Präsident des Gerichtshofes die Streichung der Rechtssache C‑479/98 im Register
des Gerichtshofes an.
Verfahren
30
Mit Klageschrift, die am 11. Februar 1999 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende
Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung vom 28. Oktober 1998 erhoben.
31
Mit besonderem Schriftsatz, der am 21. Mai 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission gemäß Artikel
114 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.
32
Mit Schriftsatz, der am 8. Juli 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Königreich Spanien beantragt, in
der vorliegenden Rechtssache als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Der Präsident
der Fünften erweiterten Kammer des Gerichts hat diesem Antrag mit Beschluss vom 11. Oktober 2001 stattgegeben.
33
Mit Beschluss des Präsidenten der Fünften erweiterten Kammer des Gerichts vom 10. Dezember 1999 ist das vorliegende Verfahren
gemäß Artikel 47 Absatz 3 der EG-Satzung des Gerichtshofes (jetzt Artikel 54 Absatz 3 der Satzung des Gerichtshofes) und den
Artikeln 77 Buchstabe a und 78 der Verfahrensordnung des Gerichts bis zur Verkündung des Urteils in der Rechtssache C‑479/98
ausgesetzt worden.
34
Mit Schreiben vom 24. Januar 2001 hat die Kanzlei des Gerichts die Parteien aufgefordert, sich im Hinblick auf die Entscheidung
vom 20. September 2000 und den Streichungsbeschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 4. Dezember 2000 zur Fortsetzung
des vorliegenden Verfahrens zu äußern. Die Klägerin hat sich mit Schreiben, das am 12. Februar 2001 in das Register der Kanzlei
des Gerichts eingetragen worden ist, geäußert und darin insbesondere ihre Klageanträge angepasst (siehe unten, Randnr. 41).
Die Kommission hat mit Schreiben, das am 16. Februar 2001 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist,
im Wesentlichen ausgeführt, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens werde von der Entscheidung vom 20. September 2000 nicht
berührt.
35
Am 11. April 2001 hat sich die Klägerin zur Einrede der Unzulässigkeit geäußert.
36
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2001 hat das Gericht (Fünfte erweiterte Kammer) die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit
dem Endurteil vorbehalten.
37
Das Königreich Spanien hat seinen Streithilfeschriftsatz am 14. Februar 2002 eingereicht; die Parteien haben sich zu ihm geäußert.
38
Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Fünfte erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen,
und hat im Rahmen prozessleitender Maßnahmen die Kommission zur Vorlage bestimmter Schriftstücke und das Königreich Spanien
zur Beantwortung schriftlicher Fragen und zur Vorlage eines Schriftstücks aufgefordert. Die Kommission und das Königreich
Spanien sind diesen Aufforderungen fristgerecht nachgekommen. Das Gericht hat ferner die Klägerin aufgefordert, eine Frage
in der Sitzung mündlich zu beantworten.
39
Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 23. Oktober 2003 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Verfahrensbeteiligten
40
Die Klägerin beantragt in ihrer Klageschrift,
–
Artikel 1 der Entscheidung vom 28. Oktober 1998 für nichtig zu erklären, soweit die Kommission darin feststellt, dass
1.
die Nichteintreibung der Forderungen, Säumniszuschläge und Zinsen der TGSS und die Umschuldungsabkommen zwischen der Sniace
und der TGSS vom 8. März 1996, vom 7. Mai 1996 und vom 30. September 1997 sowie
2.
die Nichteintreibung der Forderungen und Verzugszinsen des Fogasa und die Vereinbarungen zwischen der Sniace und dem Fogasa
vom 5. November 1993 und vom 31. Oktober 1995
mit Ausnahme der nicht marktüblichen Zinssätze keine staatlichen Beihilfen im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG enthalten;
–
der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
41
In ihrem Schreiben vom 12. Februar 2001 (siehe oben, Randnr. 34) hat die Klägerin den ersten Punkt ihres Klageantrags wie
folgt angepasst:
Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit die Kommission darin feststellt, dass
1.
die Nichteintreibung der Forderungen, Säumniszuschläge und Zinsen der TGSS und die Umschuldungsabkommen zwischen der Sniace
und der TGSS vom 8. März 1996, vom 7. Mai 1996 und vom 30. September 1997 sowie
2.
die Nichteintreibung der Forderungen und Verzugszinsen des Fogasa und die Vereinbarungen zwischen der Sniace und dem Fogasa
vom 5. November 1993 und vom 31. Oktober 1995
keine staatlichen Beihilfen im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG enthalten.
42
In ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit beantragt die Klägerin, die Klage für zulässig zu erklären.
43
Die Kommission beantragt,
–
die Klage als unzulässig abzuweisen;
–
die Klage jedenfalls als unbegründet abzuweisen;
–
der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
44
Das Königreich Spanien als Streithelfer beantragt,
–
die Klage als unzulässig abzuweisen;
–
hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;
–
der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Zulässigkeit
45
Die Kommission und das Königreich Spanien machen geltend, die Klage sei unzulässig, weil die Klägerin kein Rechtsschutzinteresse
habe und weil sie von der angefochtenen Entscheidung nicht individuell betroffen sei.
Zum fehlenden Rechtsschutzinteresse Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
46
Die Kommission führt aus, nach ihren Feststellungen in der Entscheidung vom 20. September 2000 stellten weder die Umschuldungs-
und Rückzahlungsvereinbarungen als solche noch die darin vorgesehenen Zinssätze staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel
87 Absatz 1 EG dar. Diese Entscheidung sei bestandskräftig geworden, da die Klägerin keine Nichtigkeitsklage gegen sie erhoben
habe; somit umschrieben die in der Klageschrift gestellten Anträge den Gegenstand des Rechtsstreits. Diese Anträge beträfen
nur Artikel 1 der Entscheidung vom 28. Oktober 1998, und zwar nur insoweit, als die Nichteintreibung der „Forderungen (nebst
Zuschlägen bzw. Zinsen)“ der TGSS und des Fogasa bei der Sniace nicht als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz
1 EG angesehen werde.
47
Die Klägerin habe kein Rechtsschutzinteresse. Würde das Gericht den von der Klägerin in ihrer Klageschrift gestellten Anträgen
auf Nichtigerklärung folgen, so würde dies „an der Bestandskraft der Entscheidung [vom 20. September 2000] und an der durch
diese Entscheidung vorgenommenen Fassung der Entscheidung [vom 28. Oktober 1998] nichts ändern. Vielmehr bliebe es auch nach
Aufhebung von Artikel 1 der Entscheidung [vom 28. Oktober 1998] in dem von der Klägerin begehrten Umfang bei der bestandskräftigen
Fassung des Artikels 1 Absatz 1 der Entscheidung [vom 28. Oktober 1998 in der Fassung der Entscheidung vom 20. September 2000],
mit der ausdrücklich festgestellt wurde, dass die hier angegriffenen Maßnahmen keine staatlichen Beihilfen darstellen.“
48
In ihrer Gegenerwiderung trägt die Kommission vor, die Entscheidung vom 20. September 2000 sei „nicht nur eine bloße ,Berichtigung‘
... oder Ersetzung der ... Entscheidung [vom 28. Oktober 1998], sondern eine eigenständige Neubewertung auch derjenigen Beihilfen,
die schon die Entscheidung [vom 28. Oktober 1998] für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt hatte“. Das im Anschluss
an das Urteil Tubacex (siehe oben, Randnr. 23) eingeleitete Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG habe sich nicht nur auf
die Frage der Zinssätze bezogen, sondern „– nunmehr unter dem Gesichtspunkt auch des Tubacex-Urteils – [auf alle] Maßnahmen,
die zuvor zu der ... Entscheidung [vom 28. Oktober 1998] geführt hatten“. Außerdem habe die Kommission in der Entscheidung
vom 20. September 2000 „die Maßnahmen und insbesondere die Vereinbarungen zwischen [dem] Fogasa bzw. [der TGSS] und [der]
Sniace beihilferechtlich umfassend und ausdrücklich gewürdigt und bewertet“. Die Klägerin hätte daher „auch“ gegen die Entscheidung
vom 20. September 2000 Nichtigkeitsklage erheben müssen.
49
Das Königreich Spanien führt aus, Artikel 1 Absatz 1 der Entscheidung vom 28. Oktober 1998 sei infolge der Änderung durch
die Entscheidung vom 20. September 2000 seines Inhalts beraubt worden, und die vorliegende Klage sei daher gegenstandslos
geworden.
50
Die Klägerin weist darauf hin, dass der in ihrer Klageschrift gestellte Antrag auf Nichtigerklärung die Entscheidung vom 28.
Oktober 1998 nur insofern betreffe, als die Kommission darin feststelle, dass „die Nichteintreibung der Forderungen, Säumniszuschläge
und Zinsen der [TGSS] und die Umschuldungsabkommen zwischen der Sniace und der [TGSS] sowie die Nichteintreibung der Forderungen
und Verzugszinsen des … Fogasa und die Vereinbarungen zwischen der Sniace und dem … Fogasa keine Elemente einer staatlichen
Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 [EG] enthalten“. Er erfasse nicht die in Artikel 1 dieser Entscheidung enthaltene
Feststellung, wonach „in der Differenz zwischen den in den Abkommen vereinbarten Zinssätzen und dem höheren Marktzinssatz
staatliche Beihilfen enthalten sind“.
51
Die Entscheidung vom 28. Oktober 1998 sei durch die Entscheidung vom 20. September 2000 insofern teilweise geändert worden,
als die Kommission darin die Ansicht vertrete, dass auch die genannte Differenz zwischen den Zinssätzen keine staatliche Beihilfe
darstelle. Die Entscheidung vom 20. September 2000 ändere jedoch nichts an den anderen Aspekten der Entscheidung vom 28. Oktober
1998 und insbesondere an dem, der in der Klageschrift beanstandet worden sei. Der darin angegebene Streitgegenstand bleibe
also unverändert.
52
Selbst wenn man unterstelle, dass die Entscheidung vom 28. Oktober 1998 durch die Entscheidung vom 20. September 2000 aufgehoben
und ersetzt worden sei, wäre sie berechtigt, ihren Antrag anzupassen, wie sie es mit Schreiben vom 12. Februar 2001 (siehe
oben, Randnrn. 34 und 41) getan habe. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 3. März 1982 in der Rechtssache
14/81 (Alpha Steel/Kommission, Slg. 1982, 749).
53
Aus diesen Gründen verfüge sie über ein Rechtsschutzinteresse.
Würdigung durch das Gericht
54
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine Änderung der angefochtenen Entscheidung im Laufe des Verfahrens eine neue Tatsache
darstellt, die der klagenden Partei eine Anpassung ihres Vorbringens und ihrer Anträge gestattet (Urteil Alpha Steel/Kommission,
Randnr. 8; Urteile des Gerichts vom 3. Februar 2000 in den Rechtssachen T‑46/98 und T‑151/98, CCRE/Kommission, Slg. 2000,
II‑167, Randnrn. 33 bis 36, und vom 28. Februar 2002 in den Rechtssachen T‑227/99 und T‑134/00, Kvaerner Warnow Werft/Kommission,
Slg. 2002, II‑1205, Randnr. 22).
55
In der Entscheidung vom 28. Oktober 1998 hat die Kommission u. a. die Ansicht vertreten, dass die Vereinbarung zwischen der
Sniace und der TGSS vom 8. März 1996 in der durch die Vereinbarungen vom 7. Mai 1996 und vom 30. September 1997 geänderten
Fassung und die Vereinbarungen zwischen der Sniace und dem Fogasa vom 5. November 1993 und vom 31. Oktober 1995 nur insofern
staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG darstellten, „als der Zinssatz unter dem Marktzinssatz lag“. In ihrer
Klageschrift verlangt die Klägerin die Nichtigerklärung dieses Aspekts der Entscheidung vom 28. Oktober 1998, wobei sie u. a.
geltend macht, dass die „staatliche Beihilfe … sämtliche geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge zuzüglich der Säumniszuschläge
und marktüblichen Zinsen“ sowie „sämtliche dem Fogasa geschuldeten Beträge zuzüglich der marktüblichen Zinsen“ umfasse. Speziell
in Bezug auf die TGSS trägt die Klägerin vor, es stelle eine staatliche Beihilfe dar, dass diese Einrichtung mindestens seit
1991 dulde, dass die Sniace keine Sozialversicherungsbeiträge abführe, dass sie 1996 und 1997, obwohl die Sniace sich nicht
an die Vereinbarungen vom 8. März und vom 7. Mai 1996 gehalten habe, ihre Forderungen nicht beigetrieben, sondern eine dritte
Umschuldungsvereinbarung geschlossen habe, dass sie keine echten Sicherheiten verlangt habe und dass sie auf die Zahlung von
Säumniszuschlägen und marktüblichen Zinsen verzichtet habe. Zum Fogasa trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, es müsse als
staatliche Beihilfe eingestuft werden, dass der Fogasa seine Forderungen gegen die Sniace nicht eingetrieben habe, obwohl
diese die Vereinbarungen vom 5. November 1993 und vom 31. Oktober 1995 nicht eingehalten habe, und dass er in diesen Vereinbarungen
keine Säumniszuschläge und Verzugszinsen vorgesehen habe.
56
Mit der Entscheidung vom 20. September 2000 hat die Kommission die Entscheidung vom 28. Oktober 1998 geändert, ohne diese
aufzuheben und zu ersetzen. Die einzige Änderung besteht darin, dass sie in Anwendung des Kriteriums des privaten Gläubigers
anstelle des Kriteriums des privaten Investors die Ansicht vertreten hat, auch die von der TGSS und vom Fogasa im Rahmen der
Umschuldungs- und Rückzahlungsvereinbarungen mit der Sniace angewandten Zinssätze stellten keine staatliche Beihilfe dar.
Der vom Antrag auf Nichtigerklärung in der Klageschrift erfasste Aspekt der Entscheidung vom 28. Oktober 1998 war daher von
der Entscheidung vom 20. September 2000 nur am Rande betroffen. Die letztgenannte Entscheidung ist als neue Tatsache anzusehen,
die der Klägerin eine Anpassung ihres Vorbringens und ihrer Anträge gestattet, wie sie es in ihrem Schreiben vom 12. Februar
2001 getan hat. Es würde nämlich einer geordneten Rechtspflege und dem Erfordernis der Verfahrensökonomie zuwiderlaufen, wenn
die Klägerin vor dem Gericht eine neue, gegen die Entscheidung vom 20. September 2000 gerichtete Nichtigkeitsklage erheben
müsste.
57
Folglich hat die Klägerin ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung.
Zur Frage der individuellen Betroffenheit der Klägerin Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
58
Die Kommission trägt vor, nach ständiger Rechtsprechung könnten andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung nur
dann geltend machen, individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften
oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berühre und sie dadurch in ähnlicher Weise
individualisiere wie den Adressaten der Entscheidung (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62,
Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213).
59
Im Bereich der Kontrolle staatlicher Beihilfen betreffe eine Entscheidung der Kommission, mit der ein gemäß Artikel 88 Absatz
2 EG eingeleitetes Verfahren abgeschlossen werde, diejenigen Unternehmen individuell, die die zu diesem Verfahren führende
Beschwerde eingelegt, Erklärungen abgegeben und den Verfahrensablauf bestimmt hätten, sofern ihre Marktstellung durch die
Beihilfemaßnahme, die Gegenstand der fraglichen Entscheidung sei, spürbar beeinträchtigt werde (Urteile des Gerichtshofes
vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 169/84, COFAZ u. a./Kommission, Slg. 1986, 391, Randnrn. 24 und 25, und vom 23. Mai
2000 in der Rechtssache C‑106/98 P, Comité d’entreprise de la Société française de production u. a./Kommission, Slg. 2000,
I‑3659, Randnr. 40; Urteile des Gerichts vom 27. April 1995 in der Rechtssache T‑435/93, ASPEC u. a./Kommission, Slg. 1995,
II‑1281, Randnr. 63, und vom 15. September 1998 in der Rechtssache T‑11/95, BP Chemicals/Kommission, Slg. 1998, II‑3235, Randnr.
72). Der Gerichtshof habe im Urteil Comité d’entreprise de la Société française de production u. a./Kommission ausgeführt:
„Es reicht also nicht aus, wenn sich ein Unternehmen lediglich auf seine Eigenschaft als Mitbewerber des begünstigten Unternehmens
beruft, sondern es muss darüber hinaus darlegen, dass angesichts des Umfangs seiner etwaigen Beteiligung an dem Verfahren
und des Grades der Beeinträchtigung seiner Marktstellung tatsächliche Umstände vorliegen, die es in ähnlicher Weise individualisieren
wie einen Adressaten“ (Randnr. 41).
60
Im vorliegenden Fall habe die Klägerin in ihrer Klageschrift weder hinreichend detailliert dargelegt, dass ihre Marktstellung
durch die der Sniace angeblich gewährten Beihilfen spürbar beeinträchtigt worden sei, noch tatsächliche Umstände geltend gemacht,
die sie in gleicher Weise wie den Adressaten individualisierten. Sie trage lediglich allgemeine Argumente vor und mache keine
Angaben zu den Auswirkungen der angeblichen Beihilfen auf ihre konkrete Situation.
61
Eine spürbare Beeinträchtigung der Marktstellung der Klägerin durch diese angeblichen Beihilfen sei jedenfalls nicht zu erkennen.
62
Erstens sei die Klägerin der „mit Abstand“ bedeutendste Hersteller von Viskosefasern und habe ihre Ergebnisse auf diesem Markt
seit 1991 erheblich verbessert. Dies ergebe sich aus folgenden Umständen:
–
Mit einer Jahresproduktion von ca. 275 000 Tonnen Zellulosefasern sei die Gruppe, zu der die Klägerin gehöre, eines der drei
führenden Viskosefaserunternehmen der Welt.
–
Die Klägerin und die Gesellschaften Säteri und Courtaulds plc produzierten zusammen ca. 90 % der in der Gemeinschaft hergestellten
Viskosefasern.
–
Der Weltmarktanteil der Klägerin bei Viskosestapelfasern sei in den Jahren 1991 bis 1997 kontinuierlich von 9,2 % auf 16,4 %
gestiegen.
–
In den Jahren 1991 bis 1997 habe die Klägerin ihre Jahresproduktion kontinuierlich von 152 700 Tonnen auf 270 800 Tonnen gesteigert.
–
Für die Klägerin sei „1995 durch eine sehr gute Nachfrage, 1996 durch eine volle Produktionsauslastung, 1997 gar durch eine
Rekordproduktion und eine volle Kapazitätsauslastung und 1998 schließlich durch ein Rekordergebnis gekennzeichnet“ gewesen.
–
Für das erste Quartal 1999 habe die Klägerin ein gutes Geschäft vermeldet.
–
Für das dritte Quartal 1997 habe sie steigende Absatzpreise, „ihre zunehmende eigene Unabhängigkeit vom auf dem Weltmarkt
herrschenden Preisdruck“ und einen Importbedarf zur Deckung der Nachfrage angekündigt.
–
Die konsolidierten Umsatzerlöse der Klägerin seien in der ersten Jahreshälfte 2001 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2000 um
7,2 % gestiegen.
63
In ihrer Klagebeantwortung fügt die Kommission hinzu, aus den Angaben der Klägerin ergebe sich, dass sie ihren Marktanteil
in der Gemeinschaft in der Zeit von 1995 bis 2000 habe steigern können, während die Marktanteile ihrer Konkurrenten (mit Ausnahme
von Säteri) im selben Zeitraum kontinuierlich gesunken seien.
64
Zweitens seien die Probleme auf dem Markt, die zu einem Nachfragerückgang, zeitweisen Überkapazitäten in der Produktion und
einem Preisverfall geführt hätten, nicht auf die angeblich an die Sniace geflossenen Beihilfen, sondern auf äußere Faktoren
wie z. B. Einfuhren aus Asien, gesunkene Absatzmöglichkeiten auf den asiatischen Exportmärkten, Handelshemmnisse für Gemeinschaftshersteller
bei der Ausfuhr in Drittländer und den verringerten Absatz viskosehaltiger Waren in Europa zurückzuführen.
65
Drittens produziere die Sniace jährlich nur 25 000 Tonnen Viskosefasern und gehöre damit zu den kleinen Herstellern in Europa
und der Welt. Das Unternehmen habe zahlreiche wirtschaftliche Schwierigkeiten und arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen gehabt
und sei dadurch gezwungen gewesen, seine Produktion während eines großen Teils der neunziger Jahre stillzulegen. Es habe seine
Zahlungen von März 1993 bis Oktober 1996 eingestellt.
66
Das Königreich Spanien fügt hinzu, die Klägerin führe keine besonderen Umstände an, die sie in ähnlicher Weise individualisierten
wie den Adressaten der angefochtenen Entscheidung. Die bloße Tatsache, dass sie ein mit dem Empfänger der angeblichen Beihilfen
konkurrierendes Unternehmen sei, reiche nicht aus, um sie zu individualisieren.
67
Die Klägerin trägt vor, sie sei von der angefochtenen Entscheidung individuell betroffen.
68
Erstens habe sie die Beschwerde eingelegt, die zur Einleitung des Verfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 EG geführt habe, und
habe an diesem Verfahren aktiv mitgewirkt.
69
Zweitens hätten die gerügten Beihilfen ihre Stellung auf dem Markt für Viskosefasern spürbar beeinträchtigt. Sie stehe mit
der Sniace in einem lebhaften Wettbewerb auf diesem seit Jahren rückläufigen und unter hohen Überkapazitäten leidenden Markt.
Dort herrsche ein scharfer Preiswettbewerb, und die Sniace sei dank der gerügten Beihilfen in der Lage, ihre Waren in der
Europäischen Union um 20 % unter den Preisen ihrer Konkurrenten anzubieten. Die Angaben in ihrer Klageschrift und deren Anlagen
sowie ihre Hinweise auf die in der Entscheidung vom 28. Oktober 1998 wiedergegebenen Erklärungen ihrer Konkurrenten belegten
hinreichend, dass sie von der angefochtenen Entscheidung individuell betroffen sei. Die Angaben in ihren Schriftsätzen zeigten,
dass „alle Konkurrenten [der] Sniace ganz erheblichem Preiswettbewerb ausgesetzt sind und trotz der deutlich besseren Kostenstruktur
zu weiteren Rationalisierungen gezwungen sind, weil [die] Sniace künstlich am Leben erhalten wird. Diese ungünstige Gesamtsituation
trifft auch die Klägerin, die ihre Anlagen und Kostenstruktur optimiert hat und durch eine modern konzipierte Geschäftspolitik
trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes Markterfolge erzielt.“ Es treffe zwar zu, dass die Schwierigkeiten auf dem
Viskosefasermarkt Einfluss auf die Preise hätten, doch „innerhalb des durch die äußeren Marktgegebenheiten geschaffenen Rahmens“
hätten die gerügten Beihilfen die Konkurrenten der Sniace gezwungen, ihre Preise zu senken und Rationalisierungsmaßnahmen
zu ergreifen.
70
Die Kommission könne ihr die Klagebefugnis nicht deshalb absprechen, weil sie eine bedeutende Marktstellung habe oder weil
sie ihren Absatz im fraglichen Zeitraum erhöht habe. Der Gemeinschaftsrichter habe aus solchen Faktoren in den von der Kommission
genannten Urteilen keineswegs geschlossen, dass die Klägerinnen von den angefochtenen Entscheidungen nicht individuell betroffen
seien. In seinem Urteil vom 5. November 1997 in der Rechtssache T‑149/95 (Ducros/Kommission, Slg. 1997, II‑2031) habe das
Gericht die Ansicht vertreten, dass die Marktstellung des betreffenden Unternehmens durch eine Entscheidung der Kommission,
mit der sie die Gewährung einer Beihilfe genehmige, beeinträchtigt werde, wenn zwischen diesem Unternehmen und dem Beihilfeempfänger
ein Wettbewerbsverhältnis bestehe. Die von der Klägerin erzielten positiven Ergebnisse wären noch besser gewesen, wenn die
Sniace nicht in der Lage gewesen wäre, die durch die Beihilfen ermöglichte aggressive Preispolitik zu verfolgen. Schließlich
hätten diese Beihilfen der Sniace das künstliche Überleben am Markt ermöglicht, während ihr Verschwinden für ihre Konkurrenten
einen Abbau der Überkapazitäten und eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage zur Folge gehabt hätte.
71
Überdies müsse sich „[d]ie Bestimmung des Kreises der klagebefugten Unternehmen ... an der Zielsetzung der Beihilfevorschriften
orientieren“. Die Maßstäbe, die von der Kommission und den Gemeinschaftsgerichten zu der Frage entwickelt worden seien, ob
eine „spürbare Beeinträchtigung“ oder eine „Wettbewerbsverfälschung“ im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG vorliege, könnten
daher bei der Ermittlung der Klagebefugnis eines Unternehmens entsprechend herangezogen werden. Nach Ansicht der Kommission
liege eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne dieser Vorschrift immer schon dann vor, wenn die Beihilfen wie im vorliegenden
Fall in einem „besonders problematischen Sektor“ gewährt würden, wobei Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten von Natur
aus die Tendenz hätten, den Wettbewerb zu verfälschen. Auch sei auf die Rechtsprechung zu verweisen, wonach „weder der verhältnismäßig
geringe Umfang einer Beihilfe noch die verhältnismäßig geringe Größe des begünstigten Unternehmens von vornherein die Möglichkeit
einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten aus[schließt]“ (Urteile ASPEC u. a./Kommission, Randnr. 64, und
BP Chemicals/Kommission, Randnr. 72). Schließlich habe es sich bei den der Sniace gewährten Beihilfen um Betriebsbeihilfen
gehandelt, die praktisch immer zu einer spürbaren Wettbewerbsverzerrung führten.
72
Drittens stünden die Ausführungen der Kommission zur Stellung der Sniace auf dem Viskosefasermarkt in direktem Widerspruch
zu bestimmten Feststellungen in der Entscheidung vom 28. Oktober 1998. Darin heiße es u. a., dass der Marktanteil der Sniace
in der Gemeinschaft zwischen 10,3 % und 13 % liege und dass sie in Spanien im Jahr 2000 einen Marktanteil von 35,5 % gehabt
habe. Auf der Internet-Homepage der Sniace heiße es, dass sie einer der wichtigsten Viskosefaserhersteller Europas sei.
Würdigung durch das Gericht
73
Nach ständiger Rechtsprechung können andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung nur dann geltend machen, individuell
betroffen zu sein, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis
aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten
(Urteile Plaumann/Kommission, 213, 238, und Comité d’entreprise de la Société française de production u. a./Kommission, Randnr. 39).
74
Speziell für den Bereich der staatlichen Beihilfen ist anerkannt worden, dass von einer Entscheidung der Kommission, mit der
das nach Artikel 88 Absatz 2 EG wegen einer individuellen Beihilfe eingeleitete Verfahren abgeschlossen wird, neben dem begünstigten
Unternehmen dessen Konkurrenten individuell betroffen sind, wenn sie im Rahmen dieses Verfahrens eine aktive Rolle gespielt
haben und sofern ihre Marktstellung durch die Beihilfemaßnahme, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist, spürbar
beeinträchtigt wird (Urteil COFAZ u. a./Kommission, Randnr. 25).
75
Es reicht also nicht aus, wenn sich ein Unternehmen lediglich auf seine Eigenschaft als Konkurrent des begünstigten Unternehmens
beruft, sondern es muss darüber hinaus darlegen, dass angesichts des Umfangs seiner etwaigen Beteiligung an dem Verfahren
und des Grades der Beeinträchtigung seiner Marktstellung tatsächliche Umstände vorliegen, die es in ähnlicher Weise individualisieren
wie den Adressaten einer Entscheidung (Urteil Comité d’entreprise de la Société française de production u. a./Kommission,
Randnr. 41).
76
Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerin und die Sniace auf dem Viskosefasermarkt tätig sind. An mehreren Stellen
der Entscheidung vom 28. Oktober 1998 stuft die Kommission die Klägerin im Übrigen ausdrücklich als Konkurrentin der Sniace
ein. Daher ist zu prüfen, inwieweit die Teilnahme der Klägerin am Verfahren und die Beeinträchtigung ihrer Marktstellung geeignet
sind, sie im Sinne von Artikel 230 EG zu individualisieren.
77
Erstens ist zur Teilnahme am Verfahren festzustellen, dass die von der Klägerin am 4. Juli 1996 eingelegte und mit Schreiben
vom 26. November und vom 9. Dezember 1996 vervollständigte detaillierte Beschwerde zur Einleitung des Verfahrens führte. Die
Kommission sah es zwar zunächst als nicht ausreichend erwiesen an, dass die Sniace staatliche Beihilfen erhalten hatte, und
teilte deshalb mit, dass sie beabsichtige, das Beschwerdeverfahren einzustellen. Gerade im Hinblick auf die ausführlichen
Zusatzinformationen, die die Klägerin mit Schreiben vom 17. April und vom 18. Juni 1997 und bei dem Treffen am 17. Mai 1997
lieferte, beschloss die Kommission jedoch, ihren Standpunkt zu ändern und das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG einzuleiten.
78
Ferner ist festzustellen, dass sich diese Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens hauptsächlich auf die von der Klägerin
vorgetragenen Argumente und Beweismittel stützt. Sie hat zudem nach Veröffentlichung der genannten Entscheidung mit Schreiben
vom 27. März 1998 eingehende Erklärungen abgegeben.
79
Somit ist erwiesen, dass die Klägerin die Beschwerde einlegte, die zur Einleitung des Verfahrens führte, und dass sie an diesem
Verfahren aktiv mitwirkte.
80
Zweitens ist zum Umfang, in dem die Klägerin in ihrer Marktstellung beeinträchtigt wurde, zunächst darauf hinzuweisen, dass
es nach Randnummer 28 des Urteils COFAZ u. a./Kommission nicht Sache des Gemeinschaftsrichters ist, im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung
endgültig zum Wettbewerbsverhältnis zwischen der Klägerin und den Beihilfeempfängern Stellung zu nehmen. In diesem Zusammenhang
obliegt es allein der Klägerin, in stichhaltiger Weise darzulegen, aus welchen Gründen die Entscheidung der Kommission durch
eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Stellung auf dem betreffenden Markt ihre berechtigten Interessen verletzen kann.
81
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin in ihrer Klageschrift hervorgehoben, dass die gerügten Beihilfen ihre Wettbewerbsstellung
auf dem Viskosefasermarkt beeinträchtigt hätten, indem sie der Sniace das künstliche Überleben auf diesem durch eine sehr
begrenzte Zahl von Herstellern, starken Wettbewerb und hohe Überkapazitäten gekennzeichneten Markt ermöglicht hätten.
82
Zum Beleg für die Existenz solcher Überkapazitäten hat die Klägerin ausdrücklich auf bestimmte ihrer Klageschrift beigefügte
Seiten der Stellungnahme verwiesen, die sie am 27. März 1998 im Anschluss an die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 88
Absatz 2 EG abgegeben hatte. Diese Seiten enthalten Angaben zum Verbrauch, zur Produktion und zu den Produktionskapazitäten
bei Viskosefasern in der Gemeinschaft in den Jahren 1992 bis 1997, die vom Comité international de la rayonne et des fibres
synthétiques (CIRFS) stammen.
83
Zudem hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf bestimmte Informationen in ihrer Beschwerde vom 4. Juli 1996 verwiesen,
die ebenfalls ihrer Klageschrift beigefügt ist. In dieser Beschwerde machte sie Ausführungen zum Viskosefasermarkt, nannte
die damals auf dem Markt tätigen Viskosehersteller, wobei sie deren jeweilige Produktionskapazität schätzte, und machte Angaben
zu den von der Sniace in den Jahren 1991 bis 1995 verkauften Viskosefasermengen, wobei sie u. a. zwischen den in Spanien abgesetzten
und den nach Italien exportierten Mengen unterschied.
84
Die Kommission hat nichts vorgetragen, was Zweifel an der Richtigkeit der Informationen der Klägerin wecken könnte. Sie erkennt
vielmehr sowohl in ihrer Einrede der Unzulässigkeit als auch in der Entscheidung vom 28. Oktober 1998 an, dass es auf dem
Viskosefasermarkt Überkapazitäten gab. So stellt sie in der 74. Begründungserwägung der genannten Entscheidung ausdrücklich
fest: „[Die] Sniace ist in einem strukturschwachen Sektor tätig, was bei einigen Mitbewerbern zur Rationalisierung der Produktionskapazität
geführt hat. Im EWR ging die Produktion von Viskosefasern in der Zeit von 1992 bis 1997 von 760 000 t auf 684 000 t zurück
(eine Reduzierung um 10 %), und der Verbrauch sank im gleichen Zeitraum um 11 %. Die durchschnittliche Kapazitätsauslastung
lag in diesem Zeitraum bei 84 %, was für einen so kapitalintensiven Sektor niedrig ist.“
85
Ferner hat die Kommission sowohl in der Entscheidung vom 28. Oktober 1998 (80. Begründungserwägung) als auch in der Entscheidung
vom 20. September 2000 (29. Begründungserwägung) anerkannt, dass die erheblichen finanziellen Schwierigkeiten der Sniace ihre
Überlebenschancen ernstlich beeinträchtigten und dass die TGSS durch eine Zwangsvollstreckung ihrer Forderungen die Schließung
des Unternehmens hätte herbeiführen können. Aufgrund der sehr geringen Zahl von Herstellern auf dem Markt und der dort bestehenden
Überkapazitäten bei der Produktion hätte das Verschwinden der Sniace spürbare Auswirkungen auf die Wettbewerbsposition der
verbleibenden Hersteller haben können, da es zu einer Verringerung ihrer überschüssigen Kapazitäten und zu einer Verbesserung
ihrer wirtschaftlichen Situation geführt hätte. Auch wenn die Sniace nicht zu den bedeutendsten Herstellern von Viskosefasern
in der Gemeinschaft gehörte, nahm sie doch eine nicht unerhebliche Marktstellung ein. So ist insbesondere darauf hinzuweisen,
dass nach den Feststellungen der Kommission in der 9. Begründungserwägung der Entscheidung vom 28. Oktober 1998 die Produktionskapazität
der Sniace bei Viskosefasern „ca. 32 000 t (etwa 9 % der Gesamtkapazität der Gemeinschaft)“ betrug.
86
Diese Gesichtspunkte sind zum Nachweis dafür geeignet, dass sich die angefochtene Entscheidung erheblich auf die Marktstellung
der Klägerin auswirkt.
87
Überdies hat die Klägerin hervorgehoben, dass die gerügten Beihilfen es der Sniace ermöglicht hätten, ihre Produkte in der
Gemeinschaft zu Preisen zu verkaufen, die etwa 20 % unter den Durchschnittspreisen ihrer Konkurrenten gelegen hätten. Zur
Stützung dieser Behauptung hat die Klägerin auf Erklärungen der Firmen Courtaulds plc und Säteri verwiesen, die in der 15.
und der 17. Begründungserwägung der Entscheidung vom 28. Oktober 1998 erwähnt werden. In ihrer Erwiderung hat sie dieses Vorbringen
durch eine ausdrückliche Bezugnahme auf das ihrer Klageschrift beigefügte Schreiben vom 18. Juni 1997 vervollständigt, mit
dem sie der Kommission ergänzende Informationen über den europäischen Viskosefasermarkt geliefert hatte. Dieses Schreiben
enthält Schaubilder, in denen u. a. für die Jahre 1989 bis 1996 die Mengen an Viskose- und Modalfasern aufgeführt sind, die
von der Sniace und der Klägerin in Spanien sowie von der Sniace und den österreichischen Herstellern in Frankreich und Italien
ausgeliefert wurden. Das Schreiben enthält ferner Angaben zu den in Frankreich und Italien von 1989 bis 1996 von der Sniace
und anderen Herstellern verlangten Importpreisen. Außerdem hat die Klägerin ihrer Erwiderung Schaubilder mit den gleichen
Angaben für die Jahre 1997 bis Mitte 2001 beigefügt. Aus diesen verschiedenen Angaben geht hervor, dass die Preise der Sniace
in den meisten Fällen unter denen der übrigen europäischen Hersteller mit Ausnahme der Hersteller aus osteuropäischen Ländern
lagen.
88
Die Kommission bestreitet nicht, dass die Sniace ihre Produkte zu niedrigeren Preisen als ihre europäischen Konkurrenten verkaufte.
Sie trägt lediglich vor, der auf dem Markt zwischen 1990 und 1996 eingetretene allgemeine Preisverfall um mehr als 30 % sei
keine Folge der Gewährung der angeblichen Beihilfen an die Sniace, sondern externer Faktoren wie der Einfuhren aus Asien.
Überdies ist festzustellen, dass es in einem von der Kommission ihrer Einrede der Unzulässigkeit beigefügten Artikel der Fachzeitschrift
European Chemical News heißt: „Marktbeobachter geben an, dass die Sniace weiterhin einen negativen Einfluss auf die Preise ausübe, der ihre geringe
Marktstellungskapazität übersteige.“
89
Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die gerügten Beihilfen, von denen die Kommission selbst einige als „erheblichen
Vorteil“ bezeichnet (80. Begründungserwägung der Entscheidung vom 28. Oktober 1998), es der Sniace ermöglichten, ihre Produkte
zu niedrigeren Preisen als ihre Konkurrenten einschließlich der Klägerin zu verkaufen.
90
Schließlich ist das Argument der Kommission, die Klägerin habe in den fraglichen Jahren gute Ergebnisse erzielt und ihre Produktion
gesteigert, ohne jede Relevanz. Die erhebliche Beeinträchtigung der Marktstellung des Betroffenen muss nämlich nicht zwangsläufig
zu einer Minderung seiner Rentabilität, einer Verringerung seines Marktanteils oder Verlusten für den Betrieb führen. Die
Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, geht dahin, ob sich der Betroffene ohne die Entscheidung, deren Nichtigerklärung
er begehrt, in einer günstigeren Position befinden würde. Wie die Klägerin zu Recht hervorhebt, kann dies durchaus den Fall
einschließen, dass ihr durch eine Vergünstigung, die einer ihrer Konkurrenten von staatlichen Stellen erhält, Einnahmeausfälle
entstehen.
91
Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Klägerin in stichhaltiger Weise die Gründe angegeben hat, aus denen die angefochtene
Entscheidung durch eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Marktstellung ihre berechtigten Interessen verletzen konnte. Sie
ist somit im Ergebnis von der angefochtenen Entscheidung individuell betroffen.
92
Folglich ist die Klage für zulässig zu erklären.
Zur Begründetheit
93
Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Gründe. Erstens liege ein Verstoß gegen Artikel 87 Absatz 1 EG und zweitens ein Verstoß
gegen die Begründungspflicht vor.
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
94
Im Rahmen des ersten Klagegrundes macht die Klägerin zunächst geltend, im Urteil Tubacex habe sich der Gerichtshof nur zu
der Frage geäußert, ob bestimmte Modalitäten der mit der TGSS und dem Fogasa geschlossenen Umschuldungs- und Rückzahlungsvereinbarungen
und insbesondere die vorgesehenen Zinssätze Elemente staatlicher Beihilfen enthielten. Er habe weder über die Vereinbarungen
als solche entschieden noch zu den in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfenen Rechtsfragen Stellung genommen. Wie sich
aus Randnummer 46 des Urteils Tubacex ergebe, habe der Gerichtshof seiner Beurteilung zwar die Prämisse der Kommission zugrunde
gelegt, wonach die Stundung der Forderungen durch die beiden genannten Einrichtungen keine staatliche Beihilfe sei, sich diese
Prämisse jedoch nicht zu Eigen gemacht. Er habe sie nämlich nicht in Frage stellen können, weil das Königreich Spanien sie
nicht bestritten habe und sie für dieses Land nicht belastend gewesen sei.
95
Folglich könne dem Urteil Tubacex nicht entnommen werden, dass der Gerichtshof grundsätzlich der Ansicht sei, dass Rückzahlungs-
und Umschuldungsvereinbarungen zwischen der TGSS und dem Fogasa einerseits und in Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen
andererseits als solche keine staatlichen Beihilfen darstellten. Diese Frage müsse anhand der Umstände jedes Einzelfalls und
des Kriteriums des privaten Gläubigers geprüft werden.
96
Ferner habe es im Ermessen der TGSS und des Fogasa gelegen, ob und gegebenenfalls zu welchen Bedingungen sie einen Zahlungsaufschub
gewährten. Die Voraussetzung der Spezifizität als eines der Merkmale des Begriffes der staatlichen Beihilfe sei hier also
erfüllt.
97
Überdies habe die Kommission das Kriterium des privaten Gläubigers im vorliegenden Fall nicht richtig angewandt.
98
Zum einen stütze die Kommission ihre Argumentation auf die falsche Prämisse, dass die Durchsetzung einer Forderung zum Fälligkeitszeitpunkt
besonders begründet werden müsse. Wenn ein Schuldner zahlungsfähig sei, realisiere ein privater Gläubiger seine Forderungen,
sobald sie fällig würden. Außerdem wäre ein privater Gläubiger normalerweise nicht bereit, einem in wirtschaftlichen Schwierigkeiten
befindlichen Schuldner einen Zahlungsaufschub zu gewähren, sondern würde seine Forderungen unmittelbar geltend machen, gegebenenfalls
durch Inanspruchnahme bestehender Sicherheiten. Ein privater Gläubiger verzichte nur dann auf die Durchsetzung seiner fälligen
Forderungen, wenn dies die wirtschaftlich beste Lösung sei, z. B. wenn er dadurch im Vergleich zu anderen Optionen den größtmöglichen
Teil seiner Forderungen eintreiben oder noch größere Verluste vermeiden könne.
99
Zum anderen entspreche das Verhalten der TGSS und des Fogasa im vorliegenden Fall nicht dem eines hypothetischen privaten
Gläubigers, der sich in einer vergleichbaren Situation wie sie befinde.
100
Erstens habe das Zahlungseinstellungsverfahren diese beiden Einrichtungen nicht daran gehindert, ihre Forderungen beizutreiben.
Der gerichtliche Schutz eines Schuldners im Rahmen dieses Verfahrens beschränke sich nämlich auf die Forderungen, die bis
zu dessen Eröffnung entstanden seien. Die nach Eröffnung des Zahlungseinstellungsverfahrens entstandenen Forderungen der TGSS
und des Fogasa hätten daher jederzeit beigetrieben werden können. Die 1991 und 1992 entstandenen Forderungen hätten in diesen
Jahren beigetrieben werden können. Sie hätten jedenfalls ab Oktober 1996 Gegenstand einer Zwangsvollstreckung sein können.
101
Zweitens hätte ein privater Gläubiger, der wie die TGSS und der Fogasa über Vorrechte und Sicherheiten verfüge, einem in finanziellen
Schwierigkeiten befindlichen Schuldner keine Zahlungserleichterungen gewährt, sondern seine Forderungen zwangsweise durchgesetzt.
Die Kommission stütze sich zu Unrecht darauf, dass im vorliegenden Fall kein privater Gläubiger der Sniace, einschließlich
der hypothekarisch gesicherten spanischen Bank Banesto, seine Forderungen zwangsweise durchgesetzt habe. Die Position aller
dieser Gläubiger mit Ausnahme der Banesto sei schlechter gewesen als die der TGSS und des Fogasa. Die Kommission habe weder
in der angefochtenen Entscheidung noch in ihren Schriftsätzen Angaben gemacht, denen zu entnehmen wäre, ob diese Gläubiger
sich in einer vergleichbaren Situation wie die genannten Einrichtungen befunden hätten. Insbesondere würden keine Angaben
zu den „Aussichten auf Durchsetzung [der] Forderungen …, auf welche die privaten Gläubiger verzichtet haben“, zum Umfang ihrer
Forderungen und zu den ihnen eingeräumten Sicherheiten gemacht. Aus dem konkreten Verhalten der Banesto könnten nur dann Schlüsse
gezogen werden, wenn „mehrere oder sogar die Mehrzahl der privaten Gläubiger, deren Position vergleichbar mit der des Fogasa
wäre, sich wie die Banesto verhalten hätten“. Schließlich könne nicht ausgeschlossen werden, dass einige private Gläubiger
der Sniace auch Anteile an ihr besäßen.
102
Es könne auch nicht behauptet werden, dass der Abschluss der Umschuldungs- und Rückzahlungsvereinbarungen darauf abgezielt
habe, die Forderungen der TGSS und des Fogasa zu erhalten. Ein privater Gläubiger hätte „sofort in das Vermögen des Schuldners
vollstreckt, um wenigstens einen Teil seiner Forderungen realisieren zu können“. Für einen solchen Gläubiger sei „die Stundung
und Ratenzahlung nur sinnvoll, wenn ihm dieses Vorgehen im Vergleich zu anderen Möglichkeiten die Gewähr gibt, den größtmöglichen
Teil seiner Forderungen eintreiben zu können. Er würde einer Stundung nur zustimmen, wenn er damit rechnen kann, dass sich
die wirtschaftliche Lage des Schuldners verbessern wird.“ Eine solche Verbesserung sei im vorliegenden Fall aus folgenden
Gründen nicht abzusehen gewesen:
–
Der Umsatz der Sniace sei in den Jahren 1995 und 1996 stark zurückgegangen.
–
Es habe keinen tragfähigen Umstrukturierungsplan gegeben, der die Rentabilität und Lebensfähigkeit des Unternehmens hätte
sichern können; der im August 1996 erstellte Sanierungsplan sei von der spanischen Regierung nicht als offizieller Umstrukturierungsplan
anerkannt worden.
–
Im Jahr 1996 habe es erhebliche Überkapazitäten auf dem Viskosefasermarkt gegeben.
–
Für die Folgejahre sei ein weiterer Rückgang des Verbrauchs von Viskosefasern in der Gemeinschaft erwartet worden.
103
Das Argument der Kommission, dass die Forderungen der TGSS und des Fogasa bevorrechtigt seien, sei nicht stichhaltig. Die
Forderungen dieser beiden Einrichtungen wären im Fall des Konkurses der Sniace nicht „in unbegrenzter Weise durchsetzbar“
gewesen, weil durch Realsicherheiten an Immobilien gesicherte Forderungen vorgingen. Insbesondere bestehe für den Fogasa „nur
für die letzten 30 Tage ab dem Zeitpunkt der Geltendmachung ein absoluter Vorrang vor den anderen Gläubigern“. Für die Zeit
davor hätten Gläubiger mit Realsicherheiten an Immobilien Vorrang vor dieser Einrichtung.
104
Drittens hätte ein privater Gläubiger niemals auf die Durchsetzung seiner Forderungen gegenüber einem in finanziellen Schwierigkeiten
befindlichen Schuldner verzichtet und zugleich das Anwachsen zusätzlicher Verbindlichkeiten geduldet.
105
So habe der Fogasa nach Abschluss der Vereinbarung vom 5. November 1993, die nur vor diesem Zeitpunkt entstandene Verbindlichkeiten
betroffen habe, den Arbeitnehmern der Sniace weiterhin allmonatlich die Löhne und Gehälter gezahlt. Die Tatsache, dass der
Fogasa zu diesen Zahlungen rechtlich verpflichtet gewesen sei, rechtfertige es nicht, dass er die fällig gewordenen Forderungen
nicht – gegebenenfalls durch Zwangsvollstreckung – durchgesetzt und damit eine Anhäufung von Schulden geduldet habe.
106
Auch die TGSS habe eine Anhäufung von Schulden der Sniace geduldet. Deren Schulden bei der TGSS seien von 746 Millionen ESP
im Jahr 1991 auf 3,2 Milliarden ESP im Jahr 1995 gestiegen, und die TGSS habe bis 1996 keine Maßnahmen ergriffen, um ihre
Forderungen durchzusetzen. 1995 hätten die ausstehenden Sozialversicherungsbeiträge der Sniace deren Eigenkapital in Höhe
von 1,73 Milliarden ESP weit überstiegen. Die TGSS habe die bei der Sniace gepfändeten Gegenstände, deren Gesamtwert am 31.
Dezember 1993 bei 1,034 Milliarden ESP gelegen habe, nicht verwertet, obwohl sich die von diesem Unternehmen zum selben Zeitpunkt
geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge bereits auf etwa 2,4 Milliarden ESP belaufen hätten.
107
Viertens hätte ein privater Gläubiger einem Schuldner, der seinen früheren Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen sei,
niemals neue Zahlungserleichterungen gewährt. Obwohl die Sniace die Vereinbarungen vom 8. März und vom 7. Mai 1996 nicht erfüllt
habe, sei die TGSS bereit gewesen, die Vereinbarung vom 30. September 1997 zu schließen. Der Fogasa habe die Vereinbarung
vom 31. Oktober 1995 geschlossen, obwohl die Sniace die Vereinbarung vom 5. November 1993 nur unvollkommen erfüllt habe. Bis
Juni 1998 habe dieses Unternehmen im Übrigen nur ein Drittel der nach diesen beiden Vereinbarungen geschuldeten Beträge gezahlt.
Allgemein hätten die beiden Einrichtungen bis zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung nur einen sehr geringen
Teil ihrer Forderungen gegen die Sniace erhalten.
108
Fünftens hätte ein privater Gläubiger ausreichende Sicherheiten und Garantien verlangt, bevor er sich bereit erklärt hätte,
einem in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Schuldner Zahlungserleichterungen zu gewähren.
109
Im Gegensatz zu mehreren Gläubigerbanken der Sniace, die ihre gesamten Forderungen hypothekarisch gesichert hätten, habe die
TGSS von der Sniace in den Jahren 1991 bis 1996 für die Nichteintreibung ihrer Forderungen keine Sicherheiten verlangt. Insbesondere
habe die TGSS als Gegenleistung für die Vereinbarung vom 30. September 1997 keine dingliche Absicherung verlangt. Die Sniace
habe ihr und dem Fogasa im Jahr 1996 lediglich eine „gemeinsame Hypothek“ angeboten, zu deren Bestellung es aber nie gekommen
sei, obwohl der tatsächliche Wert des Betriebsvermögens der Sniace am 31. Dezember 1996 bei 25 Milliarden ESP gelegen habe.
Der Umstand, dass die TGSS im August 1998 den Maschinenpark der Sniace habe pfänden lassen, sei völlig unerheblich, da dies
erst lange nach dem Abschluss der Vereinbarungen vom 8. März 1996, vom 7. Mai 1996 und vom 30. September 1997 erfolgt sei.
Die Kommission könne aus der Tatsache, dass das unbelastete Vermögen der Sniace noch einen Wert von etwa 20 Milliarden ESP
gehabt habe, nicht schließen, dass die TGSS „relativ sicher“ gewesen sei, im Fall der Zahlungsunfähigkeit der Sniace ihre
Forderungen durchzusetzen. Die TGSS sei Gefahr gelaufen, dass die Sniace ihre unbelasteten Aktiva Dritten als Sicherheit überlasse,
um Kapital zu erhalten; Hypothekengläubiger hätten aber Vorrang gegenüber allen anderen Gläubigern, die über keine dinglichen
Sicherheiten verfügten, auch gegenüber bevorrechtigten Gläubigern.
110
Zu der dem Fogasa eingeräumten Hypothek habe die Kommission in der 89. Begründungserwägung der Entscheidung vom 28. Oktober
1998 ausgeführt: „Trotz wiederholter Aufforderungen hat Spanien bisher keine detaillierten Angaben über die Art [dieser] Hypothek
zur Verfügung gestellt.“
111
Sechstens hätte sich ein privater Gläubiger nur dann bereit erklärt, seine Forderungen nicht einzutreiben, wenn ihm dies einen
finanziellen Vorteil gebracht hätte. Die Zinsen und Säumniszuschläge, die die Sniace der TGSS und dem Fogasa habe zahlen müssen,
stellten für diese Einrichtungen keinen Vorteil dar, denn ihre Zahlung sei ebenso ungewiss wie die der Hauptforderungen.
112
Die Kommission trägt zunächst unter Bezugnahme auf die Randnummern 45 bis 47 des Urteils Tubacex vor, in diesem Urteil habe
der Gerichtshof festgestellt, dass „weder die Vorschusszahlungen [des] Fogasa an die Arbeitnehmer eines Not leidenden Unternehmens
noch Vereinbarungen über die Rückzahlung dieser Vorschüsse an [den] Fogasa als solche eine staatliche Beihilfe“ seien. Insoweit
beschränke sich die „beihilferechtliche Prüfung ... also auf die Betrachtung einzelner Modalitäten, die in diesen Rückzahlungsvereinbarungen
enthalten sind“. Das Gleiche gelte für die Stundung von Beitragsschulden durch die TGSS sowie für Umschuldungsvereinbarungen
mit dieser Einrichtung. Die Maßnahmen dieser staatlichen Einrichtungen seien nämlich nicht an dem Verhalten eines privaten
Investors, sondern an dem eines privaten Gläubigers zu messen, und außerdem seien durch diese verschiedenen Vereinbarungen
dem fraglichen Unternehmen keine weiteren staatlichen Mittel zugeflossen. In ihrer Gegenerwiderung fügt die Kommission hinzu,
der Gerichtshof habe im Urteil Tubacex nicht nur zur Frage der Zinssätze Stellung genommen, sondern allgemein die Vereinbarungen
zwischen dem Fogasa und der TGSS einerseits und in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen spanischen Unternehmen andererseits
anhand der Vorschriften über staatliche Beihilfen geprüft. Schließlich weist sie darauf hin, dass sie insbesondere in Umsetzung
dieses Urteils die Entscheidung vom 20. September 2000 erlassen habe.
113
Weiter führt die Kommission aus, die TGSS und der Fogasa hätten nach Maßgabe der für sie geltenden gesetzlichen Regelungen
gehandelt und unterlägen „Bindungen und Anforderungen an ihre Ermessensausübung“. In ihrer Gegenerwiderung fügt sie hinzu,
die streitigen Maßnahmen des Fogasa und der TGSS enthielten „keine selektive Begünstigung eines spezifischen Unternehmens,
wie dies Artikel 87 Absatz 1 EG voraussetzt“. Das Königreich Spanien macht geltend, die TGSS habe bei der Stundung der von
der Sniace geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge in Einklang mit den geltenden nationalen Rechtsvorschriften gehandelt.
Diese seien generell auf alle Unternehmen anwendbar, die sich in einer der fraglichen Situationen befänden, so dass die Entscheidung,
die Schulden der Sniace zu stunden, „eine Maßnahme mit allgemeinem Charakter und keine Willkürentscheidung der zuständigen
Behörden“ sei.
114
Überdies bestreitet die Kommission, unterstützt vom Königreich Spanien, das Kriterium des privaten Gläubigers im vorliegenden
Fall falsch angewandt zu haben.
115
Zum einen tragen die Kommission und das Königreich Spanien vor, die Klägerin stütze ihre Klage auf die unzutreffende Prämisse,
dass die TGSS und der Fogasa auf die Durchsetzung ihrer Forderungen verzichtet oder der Sniace Schulden erlassen hätten. Der
Umstand, dass diese Einrichtungen mit der Sniace Umschuldungs- und Rückzahlungsvereinbarungen geschlossen hätten, zeige vielmehr,
dass sie eine Begleichung ihrer Schulden angestrebt hätten. Die genannten Einrichtungen hätten auch nicht an der Vereinbarung
vom Oktober 1996 teilgenommen.
116
Zum anderen macht die Kommission geltend, die TGSS und der Fogasa hätten sich im vorliegenden Fall wie ein privater Gläubiger
verhalten.
117
Erstens sei es für die TGSS während des Zahlungseinstellungsverfahrens unmöglich gewesen, von der Sniace Sozialversicherungsbeiträge
für die Jahre 1991 und 1992 zu erhalten. Außerdem gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die TGSS vor der Eröffnung dieses
Verfahrens nicht versucht hätte, eine Rückzahlung der fälligen Beträge zu erwirken. Die Sozialversicherungsbeiträge für den
Zeitraum des Zahlungseinstellungsverfahrens wären in diesem Verfahren zwar beitreibbar gewesen, doch sei ihre zwangsweise
Durchsetzung nicht geboten gewesen, da die TGSS über ausreichende Sicherheiten verfügt habe. Hinzu komme, dass der Betrieb
der Sniace 1993, 1996 und Anfang 1997 überwiegend geruht habe, so dass sie keine Einnahmen erzielt habe, mit denen ihre Beiträge
hätten beglichen werden können.
118
Zweitens treffe es nicht zu, dass die TGSS und der Fogasa ihre Forderungen hätten beitreiben müssen, statt Umschuldungs- und
Rückzahlungsvereinbarungen zu schließen.
119
In diesem Zusammenhang weist die Kommission zunächst darauf hin, dass diese Einrichtungen über bessere Sicherheiten als die
privaten Gläubiger verfügt hätten. Die Forderungen der TGSS seien im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bevorrechtigt.
Nach Abzug der hypothekarischen Sicherheiten zugunsten privater Gläubiger sei „immer noch ein unbelastetes Betriebsvermögen
der Sniace von ca. 20 Mrd. [ESP]“ vorhanden gewesen, so dass die TGSS in ihrer Eigenschaft als bevorrechtigte Gläubigerin
„relativ sicher“ habe sein können, ihre Forderungen im Fall der Zahlungsunfähigkeit dieses Unternehmens beizutreiben. Die
Sniace habe im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 30. September 1997 eine erstrangige Hypothek an ihrem Grundstück und
ihren Anlagen zugunsten der TGSS und des Fogasa ausgehandelt. Da diese Hypothek letztlich nicht bestellt worden sei, sei am
31. August 1998 beschlossen worden, die Umschuldung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Beibehaltung verschiedener Beschlagnahmen
von beweglichem und unbeweglichem Vermögen der Sniace zu sichern. In diesem Rahmen habe die TGSS u. a. am 6. Juli 1998 den
Maschinenpark des Unternehmens gepfändet und dabei Pfandrechte im Nominalbetrag von 3 485 038 195 ESP erworben, was nahezu
ihrer gesamten Hauptforderung entspreche. Auch der Fogasa sei ein bevorrechtigter Gläubiger, und zu seinen Gunsten sei am
10. August 1995 eine Hypothek bestellt worden, die die gesamte Schuld abdecke.
120
Sodann trägt die Kommission vor, kein privater Gläubiger der Sniace habe seine Forderungen zwangsweise durchgesetzt. Insbesondere
habe der wichtigste private Gläubiger der Sniace, Banesto, seine Forderungen nicht zwangsweise durchgesetzt, obwohl diese
in Höhe von 5 Milliarden ESP durch eine Hypothek gesichert gewesen seien. Es treffe auch nicht zu, dass ein privater Gläubiger
in einer vergleichbaren Situation wie der Fogasa die von der Sniace bestellte Hypothek verwertet hätte. Da der Fogasa im Fall
der Zahlungsunfähigkeit der Sniace ein vorrangig zu bedienender Gläubiger gewesen wäre, habe er umso weniger Anlass zu einer
Zwangsvollstreckung seiner Forderungen gehabt.
121
Schließlich behauptet die Kommission, die TGSS und der Fogasa seien „härter und erfolgreicher gewesen … als die entsprechenden
privaten Gläubiger [der] Gesellschaft“. Die Kommission und das Königreich Spanien heben hervor, dass diese Einrichtungen nicht
an dem Übereinkommen vom Oktober 1996 teilgenommen hätten. Angesichts der sehr prekären finanziellen Lage der Sniace hätten
die privaten Gläubiger durch die Beteiligung an diesem Übereinkommen und die darin vorgesehene Umwandlung von 40 % ihrer Forderungen
in Anteile an der Gesellschaft de facto in diesem Umfang auf ihre Forderungen verzichtet. Die Kommission fügt hinzu, die im
Übereinkommen vom Oktober 1996 vorgesehenen Rückzahlungsmodalitäten der Schulden seien deutlich ungünstiger als die mit der
TGSS und dem Fogasa vereinbarten Modalitäten. Die Rückzahlung erstrecke sich nämlich über acht Jahre, und die Hauptforderung
werde nicht verzinst.
122
Drittens führt die Kommission aus, die spanischen Behörden hätten ihr „glaubhaft“ versichert, dass die TGSS „mit dem Ziel
einer vollständigen Wahrung ihrer Ansprüche gegen [die] Sniace gehandelt hat“. Das Königreich Spanien ist der Ansicht, bei
Abschluss der streitigen Vereinbarungen seien die Chancen der TGSS und des Fogasa, ihre Forderungen beizutreiben, größer gewesen
als bei sofortiger Geltendmachung. Die Kommission räumt ein, dass sie bei ihrer Beurteilung der angeblichen Beihilfen weder
den im August 1996 erstellten Sanierungsplan noch den von den spanischen Behörden im Verwaltungsverfahren angeführten Umstrukturierungsplan
berücksichtigt habe.
123
Viertens macht die Kommission geltend, die Klägerin habe keinen Beweis für ihre Behauptung geliefert, dass die TGSS von 1991
bis 1996 tatenlos zugeschaut habe, wie sich die Schulden der Sniace bei den Sozialversicherungsbeiträgen angehäuft hätten.
Sie wiederholt, dass angesichts des Zahlungseinstellungsverfahrens „ein Teil dieser Beiträge auch rechtlich nicht eintreibbar
war“ und dass die Sniace ihre Tätigkeit im fraglichen Zeitraum teilweise eingestellt habe. Darüber hinaus weisen die Kommission
und das Königreich Spanien darauf hin, dass der Fogasa gesetzlich verpflichtet sei, den Arbeitnehmern insbesondere die wegen
Zahlungseinstellung nicht erhaltenen Löhne und Gehälter zu zahlen und sich anschließend die Rechte und Ansprüche der Arbeitnehmer
abtreten zu lassen, um die Rückerstattung der verauslagten Beträge zu erlangen.
124
Fünftens trägt die Kommission vor, es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Sniace die Umschuldungs- und Rückzahlungsvereinbarungen
nicht eingehalten habe.
125
Sechstens vertreten die Kommission und das Königreich Spanien die Ansicht, dass die TGSS und der Fogasa über ausreichende
Sicherheiten verfügt hätten (siehe oben, Randnr. 119).
126
Siebentens weist die Kommission darauf hin, dass nach spanischem Recht rückständige Sozialversicherungsbeiträge automatisch
einem Säumniszuschlag von 20 % und einer gesetzlichen Verzinsung von mindestens 9 % pro Jahr unterlägen. Durch die Nichtbeitreibung
oder Stundung fälliger Sozialversicherungsbeiträge entstehe dem betroffenen Unternehmen somit nicht automatisch ein erheblicher
finanzieller Vorteil. Das Königreich Spanien fügt unter Bezugnahme auf Randnummer 47 des Urteils Tubacex hinzu, durch die
Umschuldungs- und Rückzahlungsvereinbarungen seien keine neuen Schulden der Sniace gegenüber der öffentlichen Hand entstanden,
so dass nicht behauptet werden könne, dass dieses Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt habe.
Würdigung durch das Gericht
127
Artikel 87 Absatz 1 EG lautet: „Soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen
Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den
Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten
beeinträchtigen.“
128
Zunächst ist zu prüfen, ob die Voraussetzung der Spezifizität, die eines der Merkmale des Begriffes der staatlichen Beihilfe
darstellt, im vorliegenden Fall erfüllt ist (Urteil des Gerichtshofes vom 1. Dezember 1998 in der Rechtssache C‑200/97, Ecotrade,
Slg. 1998, I‑7907, Randnr. 40, und Urteil des Gerichts vom 29. September 2000 in der Rechtssache T‑55/99, CETM/Kommission,
Slg. 2000, II‑3207, Randnr. 39).
129
Maßnahmen mit nur allgemeinem Charakter fallen nicht unter Artikel 87 Absatz 1 EG. Nach der Rechtsprechung können allerdings
auch Maßnahmen, die auf den ersten Blick für alle Unternehmen gelten, eine bestimmte Selektivität aufweisen und deshalb als
Maßnahmen zur Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige angesehen werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn
die Behörden, die eine allgemeine Regelung anzuwenden haben, hinsichtlich dieser Anwendung über ein Ermessen verfügen (Urteile
des Gerichtshofes vom 26. September 1996 in der Rechtssache C‑241/94, Frankreich/Kommission, Slg. 1996, I‑4551, Randnrn. 23
und 24, Ecotrade, Randnr. 40, und vom 17. Juni 1999 in der Rechtssache C‑295/97, Piaggio, Slg. 1999, I‑3735, Randnr. 39).
130
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die TGSS und der Fogasa über ein gewisses Ermessen sowohl beim Abschluss von
Umschuldungs- oder Rückzahlungsvereinbarungen als auch bei der Festlegung bestimmter Modalitäten dieser Vereinbarungen wie
dem Zeitplan der Rückzahlung, der Höhe der Raten und des Ausreichens der als Gegenleistung für die Regulierung der Schulden
angebotenen Sicherheiten verfügen. Dies ergibt sich zum einen klar aus den Rechtsvorschriften für die Tätigkeit dieser beiden
Einrichtungen. So geht in Bezug auf die TGSS aus Artikel 20 des Allgemeinen Gesetzes über die Soziale Sicherheit und aus Artikel
40 Absatz 1 des Real Decreto vom 6. Oktober 1995 hervor, dass diese Einrichtung die Umschuldung oder Ratenzahlung rückständiger
Sozialversicherungsbeiträge bewilligen kann. Ferner geht aus Artikel 40 Absatz 1 des Real Decreto vom 6. Oktober 1995 hervor,
dass die TGSS befugt ist, „sonstige besondere Umstände“ zu berücksichtigen, die die Schuldner an der Entrichtung der Abgaben
hindern. Für den Fogasa ergibt sich die Befugnis zum Abschluss von Rückzahlungsvereinbarungen aus Artikel 32 des Real Decreto
vom 6. März 1985. Wie Generalanwalt La Pergola in Nummer 8 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Tubacex (Slg. 1999, I‑2461)
feststellt, bestätigen die oben in Randnummer 7 wiedergegebenen Vorschriften der Verordnung des Ministers für Arbeit und Soziale
Sicherheit vom 20. August 1985, dass der Fogasa in diesem Bereich über ein Ermessen verfügt. Zum anderen stellt die Kommission
selbst in der 81. und der 89. Begründungserwägung der Entscheidung vom 28. Oktober 1998 fest, dass die TGSS und der Fogasa
über ein Ermessen beim Abschluss von Umschuldungs- oder Rückzahlungsvereinbarungen und bei der Festlegung bestimmter Modalitäten
dieser Vereinbarungen verfᄐgen. So führt sie in der 81. Begründungserwägung aus: „Offensichtlich ist …, dass die einschlägigen
Sozialversicherungsvorschriften den Behörden in der Behandlung von Einzelfällen einen Ermessensspielraum zugestehen, und genau
das war hier der Fall.“ In der 89. Begründungserwägung fügt sie hinzu, es liege „im Ermessen des Fogasa, die Rückzahlungen
über einen Zeitraum von acht Jahren aufzusplitten und aufzuschieben“.
131
Zudem beanstandet die Klägerin nicht nur, dass die TGSS und der Fogasa Umschuldungs- oder Rückzahlungsvereinbarungen mit der
Sniace schlossen. Beide hätten auch hingenommen, dass sich die Sniace nicht an diese Vereinbarungen gehalten habe, und die
TGSS habe ohne jede Umschuldungsvereinbarung geduldet, dass die Sniace zumindest ab Februar 1991 mehrere Jahre lang ihre Sozialversicherungsbeiträge
nicht entrichtet habe. Es ist aber unbestreitbar, dass die letztgenannten Verhaltensweisen im Ermessen der betreffenden Organe
lagen.
132
Im Übrigen greift das Argument des Königreichs Spanien nicht durch, dass die Entscheidung der TGSS, bei der Sniace eine Umschuldung
vorzunehmen, nicht willkürlich gewesen sei. Um die Einstufung als allgemeine Maßnahme auszuschließen, braucht nicht geprüft
zu werden, ob das Verhalten der betreffenden staatlichen Einrichtung willkürlich war. Es genügt, wie im vorliegenden Fall
nachzuweisen, dass diese Einrichtung über ein Ermessen in Bezug auf den Abschluss von Umschuldungs- oder Rückzahlungsvereinbarungen
und die Festlegung bestimmter Modalitäten dieser Vereinbarungen verfügt.
133
Folglich ist die Voraussetzung der Spezifizität im vorliegenden Fall erfüllt.
134
Sodann ist darauf hinzuweisen, dass Artikel 87 Absatz 1 EG nach ständiger Rechtsprechung verhindern soll, dass der Handel
zwischen Mitgliedstaaten durch von staatlichen Stellen gewährte Vergünstigungen beeinträchtigt wird, die in verschiedenartiger
Weise durch die Bevorzugung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen
(Urteile des Gerichtshofes vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 310/85, Deufil/Kommission, Slg. 1987, 901, Randnr. 8, vom
15. März 1994 in der Rechtssache C‑387/92, Banco Exterior de España, Slg. 1994, I‑877, Randnr. 12, und vom 11. Juli 1996 in
der Rechtssache C‑39/94, SFEI u. a., Slg. 1996, I‑3547, Randnr. 58). Der Begriff der Beihilfe umfasst daher nicht nur positive
Leistungen wie Subventionen, Darlehen oder die Beteiligung am Kapital von Unternehmen, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener
Weise die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, und die somit zwar keine Subventionen im
strengen Wortsinne darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen (Urteil Banco Exterior de España, Randnr. 13).
135
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass bestimmte von der Klägerin beanstandete Verhaltensweisen der TGSS und des Fogasa
der Sniace einen erheblichen geschäftlichen Vorteil verschafft haben.
136
So ergibt sich in Bezug auf die TGSS aus den Akten, dass sie duldete, dass die Sniace zumindest in der Zeit von Februar 1991
bis Februar 1997 keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtete und dadurch Schulden in Höhe von insgesamt 3 510 387 323 ESP
anhäufte, zu denen Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 615 056 349 ESP und Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz hinzukamen.
Insbesondere reagierte die TGSS erst am 8. März 1996 mit dem Abschluss einer ersten Umschuldungsvereinbarung darauf, dass
die Sniace ihre Sozialversicherungsbeiträge nicht entrichtet hatte. Abgesehen davon, dass die Vereinbarung von der Sniace
nie umgesetzt wurde (siehe unten, Randnr. 138), nahm die TGSS es jedoch hin, dass dieses Unternehmen bis Februar 1997 neue
Schulden bei den Sozialversicherungsbeiträgen anhäufte, die zu den von der Vereinbarung vom 8. März 1996 erfassten Schulden
hinzukamen.
137
Es steht aber außer Frage, dass das Verhalten einer staatlichen Einrichtung, die für die Einziehung der Sozialversicherungsbeiträge
zuständig ist und zulässt, dass diese Beiträge verspätet gezahlt werden, dem hierdurch begünstigten Unternehmen einen erheblichen
geschäftlichen Vorteil verschafft, indem sie die Belastung, die sich aus der normalen Anwendung des Sozialversicherungssystems
ergibt, ihm gegenüber mildert (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Juni 1999 in der Rechtssache C‑256/97, DM Transport, Slg.
1999, I‑3913, Randnr. 19).
138
Ferner ist erwiesen, dass sich die Sniace nicht an die Vereinbarung vom 8. März 1996 in der Fassung vom 7. Mai 1996 gehalten
hat. Nach Angaben des Königreichs Spanien trat diese Vereinbarung nie in Kraft, weil die Sniace „die nicht stundbaren Verbindlichkeiten
nicht beglich“. Obwohl die TGSS unter diesen Umständen berechtigt gewesen wäre, die sofortige Zahlung aller Schulden zu verlangen,
war sie bereit, mit der Sniace am 30. September 1997 eine neue Umschuldungsvereinbarung zu schließen. Durch diese Vorgehensweise
hat die TGSS der Sniace zweifellos einen erheblichen Vorteil verschafft. Denn wie sich aus der 80. Begründungserwägung der
Entscheidung vom 28. Oktober 1998 ergibt, hätte eine Zwangsvollstreckung der Schulden dieses Unternehmens angesichts seiner
äußerst schwierigen finanziellen Lage zu seiner Schließung führen können.
139
Das Argument der Kommission, nach den einschlägigen spanischen Rechtsvorschriften würden auf rückständige Sozialversicherungsbeiträge
automatisch Zinsen und Säumniszuschläge erhoben, greift nicht durch. Die Zinsen und Säumniszuschläge, die ein Unternehmen,
das sich in großen finanziellen Schwierigkeiten befindet, möglicherweise zum Ausgleich für erhebliche Zahlungserleichterungen
wie diejenigen, die die TGSS der Klägerin im vorliegenden Fall gewährte, zahlen muss, heben den Vorteil, der diesem Unternehmen
zugute kommt, nämlich nicht vollständig auf (in diesem Sinne auch Urteil DM Transport, Randnr. 21).
140
In Bezug auf den Fogasa geht aus den Akten hervor, dass er am 5. November 1993 eine Vereinbarung mit der Sniace geschlossen
hatte, wonach diese sich verpflichtete, eine Hauptforderung von 897 652 789 ESP zuzüglich 465 055 911 ESP Zinsen zum gesetzlichen
Zinssatz von 10 %, insgesamt also 1 362 708 700 ESP, in halbjährlichen Raten binnen acht Jahren zurückzuzahlen. Bei der Summe
von 897 652 789 ESP handelte es sich um die Beträge, die der Fogasa als ausstehende Löhne, Gehälter und Abfindungen dem Personal
der Sniace gezahlt hatte.
141
Nach Anlage 1 dieser Vereinbarung, die das Königreich Spanien in Beantwortung einer Frage des Gerichts (siehe oben, Randnr.
38) übermittelt hat, sollten die halbjährlichen Raten für die Hauptforderung wie folgt progressiv steigen: 20 000 000 ESP
(zweites Halbjahr 1994 und erstes Halbjahr 1995), 35 000 000 ESP (zweites Halbjahr 1995 und erstes Halbjahr 1996), 55 000 000 ESP
(zweites Halbjahr 1996 und 1997), 80 000 000 ESP (1998 bis 2000) und 71 326 395 ESP (2001). Die Zinsen wurden bis 2000 gestundet
(vier halbjährliche Raten von 116 263 978 ESP).
142
Aus den Angaben, die das Königreich Spanien in Beantwortung einer anderen Frage des Gerichts (siehe oben, Randnr. 38) gemacht
hat, geht hervor, dass die Sniace der Vereinbarung vom 5. November 1993 nur sehr unvollständig nachkam. So zahlte sie 1994
nur 10 000 000 ESP statt der vorgesehenen 20 000 000 ESP, 1995 nur 30 000 000 ESP statt der vorgesehenen 55 000 000 ESP, 1996
nur 35 000 000 ESP statt der vorgesehenen 90 000 000 ESP, 1997 nur 15 000 000 ESP statt der vorgesehenen 110 000 000 ESP und
1998 nur 120 000 000 ESP statt der vorgesehenen 160 000 000 ESP. Durch Vereinbarung vom 18. März 1999 wurde der in Anlage 1
zur Vereinbarung vom 5. November 1993 enthaltene Rückzahlungsplan im Übrigen rückwirkend geändert.
143
Am 31. Oktober 1995 schloss der Fogasa eine zweite Vereinbarung mit der Sniace, wonach diese sich verpflichtete, eine Hauptforderung
von 229 424 860 ESP zuzüglich 110 035 018 ESP Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz von 9 %, insgesamt also 339 459 878 ESP, in
halbjährlichen Raten binnen acht Jahren zurückzuzahlen. Bei der Summe von 229 424 860 ESP handelte es sich um die Beträge,
die der Fogasa im Anschluss an die Vereinbarung vom 5. November 1993 weiterhin als ausstehende Löhne, Gehälter und Abfindungen
dem Personal der Sniace gezahlt hatte.
144
Nach Anlage 1 der Vereinbarung vom 31. Oktober 1995, die das Königreich Spanien in Beantwortung einer Frage des Gerichts (siehe
oben, Randnr. 38) übermittelt hat, sollten die halbjährlichen Raten für die Hauptforderung wie folgt progressiv steigen: 10 000 000 ESP
(1. Mai 1996, 1. November 1996, 1. Mai 1997, 1. November 1997, 1. Mai 1998 und 1. November 1998), 15 000 000 ESP (1. Mai 1999,
1. November 1999, 1. Mai 2000, 1. November 2000, 1. Mai 2001 und 1. November 2001), 20 000 000 ESP (1. Mai 2002, 1. November
2002 und 1. Mai 2003) und 19 424 860 ESP (1. November 2003). Die Zinsen wurden bis zur Zahlung der letzten halbjährlichen
Rate gestundet.
145
Aus den Angaben, die das Königreich Spanien in Beantwortung einer anderen Frage des Gerichts (siehe oben, Randnr. 38) gemacht
hat, geht hervor, dass die Sniace auch die Vereinbarung vom 31. Oktober 1995 nicht einhielt. Bis Dezember 1998 hatte sie nur
30 000 000 ESP statt der vorgesehenen 60 000 000 ESP zurückgezahlt. Von Dezember 1998 bis Dezember 2001 zahlte sie nur weitere
50 000 000 ESP statt der vorgesehenen 90 000 000 ESP zurück. Durch Vereinbarung vom 18. März 1999 wurde im Übrigen auch der
Rückzahlungsplan in Anlage 1 zur Vereinbarung vom 31. Oktober 1995, ebenso wie der der Vereinbarung vom 5. November 1993 beigefügte
Plan, rückwirkend geändert.
146
Das Gericht erkennt an, dass der Fogasa mit der Bereitschaft zur Zahlung der Löhne, Gehälter und Abfindungen, die Gegenstand
der Vereinbarungen vom 5. November 1993 und vom 31. Oktober 1995 sind, legitimen Forderungen des Personals der Sniace nachkam.
Unter diesem Aspekt enthielt die Maßnahme dieser Einrichtung keine Elemente staatlicher Beihilfe. Die den Beschäftigten eines
Unternehmens geschuldeten Löhne, Gehälter und Abfindungen gehören jedoch zu den normalen Betriebskosten des Unternehmens,
die es grundsätzlich aus eigenen Mitteln aufzubringen hat. Jeder staatliche Eingriff zur Finanzierung solcher Kosten kann
daher eine Beihilfe darstellen, sobald er dem Unternehmen einen geschäftlichen Vorteil verschafft; dies gilt unabhängig davon,
ob die Zahlungen unmittelbar an das Unternehmen oder über eine öffentliche Einrichtung an dessen Beschäftigte vorgenommen
werden. Indem der Fogasa zuließ, dass die Rückzahlungstermine der aufgrund der genannten Zahlungen entstandenen Schuld nicht
eingehalten wurden, hat er der Sniace einen eindeutigen geschäftlichen Vorteil gewährt, da er eine normalerweise von ihr zu
tragende Belastung verminderte. Dieser Vorteil ist umso eindeutiger, als der Fogasa, nachdem die Sniace ihren Verpflichtungen
aufgrund der Vereinbarungen vom 5. November 1993 und vom 31. Oktober 1995 nicht nachkam, die sofortige Begleichung seiner
gesamten Forderungen hätte verlangen und gegebenenfalls seine Hypothek in Anspruch nehmen können.
147
Die Kommission kann die genannten Verhaltensweisen der TGSS und des Fogasa nicht damit rechtfertigen, dass die Sniace ihre
Zahlungen von März 1993 bis Oktober 1996 eingestellt hatte. Zum einen erklärt dies nicht, weshalb die TGSS es hinnahm, dass
die Sniace ihre Sozialversicherungsbeiträge für die Jahre 1991 und 1992 nicht entrichtete. Zum anderen hinderte das Zahlungseinstellungsverfahren
die Sniace nicht daran, ihren Zahlungsverpflichtungen aufgrund der mit der TGSS und dem Fogasa geschlossenen Rückzahlungsvereinbarungen
nachzukommen, zumal diese Vereinbarungen, mit Ausnahme jener vom 30. September 1997, mit dem von den spanischen Gerichten
im Rahmen des genannten Verfahrens bestellten Prüfer geschlossen worden waren. Schließlich sind sich die Klägerin und die
Kommission darüber einig, dass jedenfalls die nach Eröffnung des Zahlungseinstellungsverfahrens angefallenen Sozialversicherungsbeiträge
der Sniace Gegenstand einer Zwangsvollstreckung während dieses Verfahrens hätten sein können. Überdies hätten alle seit Februar
1991 aufgelaufenen Sozialversicherungsbeiträge sowie die von den Vereinbarungen vom 5. November 1993 und vom 31. Oktober 1995
erfassten Schulden gegenüber dem Fogasa jedenfalls nach Ende des Zahlungseinstellungsverfahrens im Oktober 1996 Gegenstand
einer Zwangsvollstreckung sein können.
148
Die Kommission kann sich auch nicht darauf stützen, dass die Sniace ihre Tätigkeit während eines Teils der Jahre 1993 und
1996 sowie Anfang 1997 eingestellt hatte. Zum einen rechtfertigt dieser Umstand wiederum nicht, dass die Sniace ihre Sozialversicherungsbeiträge
für die Jahre 1991 und 1992 nicht entrichtete. Er erklärt auch nicht, weshalb die Einnahmen dieses Unternehmens in den Jahren
1994 und 1995 nicht ausgereicht haben sollen, um ihr die Zahlung ihrer Sozialversicherungsbeiträge für diese beiden Jahre
zu ermöglichen. Zum anderen lässt die Kommission in Bezug auf die Vereinbarungen vom 5. November 1993 und vom 31. Oktober
1995 außer Acht, dass der Betrag der halbjährlichen Raten zu Beginn des Rückzahlungszeitraums erheblich niedriger war als
an dessen Ende (siehe oben, Randnrn. 141 und 144). Zudem wurden die Zinsen im Fall der Vereinbarung vom 5. November 1993 bis
zu den letzten beiden Jahren des Rückzahlungszeitraums (d. h. den Jahren 2000 und 2001) und im Fall der Vereinbarung vom 31.
Oktober 1995 bis zur letzten Rate (1. November 2003) gestundet.
149
Damit die oben genannten Vorteile als Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG eingestuft werden können, muss jedoch
noch nachgewiesen werden, dass die Sniace sie unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte (Urteile SFEI u. a., Randnr.
60, und DM Transport, Randnr. 22). Genauer gesagt ist zu prüfen, ob die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler
begangen hat, als sie zu dem Ergebnis kam, dass die TGSS und der Fogasa ebenso gehandelt hätten wie ein hypothetischer privater
Gläubiger, der sich gegenüber seinem Schuldner möglichst weitgehend in derselben Situation befunden habe wie diese beiden
Einrichtungen.
150
Hierzu ist festzustellen, dass sich die Kontrolle der Anwendung des Kriteriums des privaten Gläubigers durch die Kommission,
soweit sie mit komplexen wirtschaftlichen Beurteilungen verbunden ist, ebenso wie die der Anwendung des Kriteriums des privaten
Investors nach ständiger Rechtsprechung darauf beschränkt, ob die Vorschriften über das Verfahren und die Begründung eingehalten
worden sind, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte
Würdigung dieses Sachverhalts oder ein Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. analog dazu Urteile des Gerichtshofes vom 29. Februar
1996 in der Rechtssache C‑56/93, Belgien/Kommission, Slg. 1996, I‑723, Randnr. 11, und vom 8. Mai 2003 in den Rechtssachen
C‑328/99 und C‑399/00, Italien und SIM 2 Multimedia/Kommission, Slg. 2003, I‑4035, Randnr. 39; Urteil des Gerichts vom 11.
Juli 2002 in der Rechtssache T‑152/99, HAMSA/Kommission, Slg. 2002, II‑3049, Randnr. 127).
151
Vor dieser Prüfung ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, der Gerichtshof habe im Urteil Tubacex entschieden, dass
grundsätzlich weder die von der TGSS geschlossenen Umschuldungsvereinbarungen noch die vom Fogasa geschlossenen Rückzahlungsvereinbarungen
als solche eine staatliche Beihilfe darstellten und dass nur bestimmte Modalitäten dieser Vereinbarungen Gegenstand einer
Kontrolle anhand der Vorschriften über staatliche Beihilfen sein könnten. Wie die Klägerin zu Recht ausführt, hatte die Kommission
in der Rechtssache, die zu diesem Urteil führte, in der angefochtenen Entscheidung die Ansicht vertreten, dass die Vereinbarungen
zwischen diesen beiden Einrichtungen und den beiden betroffenen spanischen Unternehmen nur insoweit Elemente staatlicher Beihilfen
enthielten, als der angewandte Zinssatz unter den marktüblichen Zinssätzen lag. In dieser Rechtssache beantragte das klagende
Königreich Spanien nur die Nichtigerklärung dieses Aspekts der Entscheidung. Der Gerichtshof war daher nicht mit der Frage
befasst, ob der Abschluss der Vereinbarungen als solcher und deren übrige Modalitäten eine staatliche Beihilfe darstellen
konnten.
152
Tatsächlich ist es Sache der Kommission, anhand der Umstände jedes Einzelfalls zu prüfen, ob die Entscheidung der TGSS oder
des Fogasa, die Neuordnung der Schulden eines in Schwierigkeiten befindlichen Unternehmens zu gestatten, sowie die Bedingungen
dieser Umschuldung dem Kriterium des privaten Gläubigers entsprechen.
153
Hinzuzufügen ist, dass das Argument, das die Kommission aus dem Urteil Tubacex abzuleiten versucht, jedenfalls keinen Erfolg
haben kann. In der vorliegenden Rechtssache wird der TGSS und dem Fogasa nämlich nicht nur vorgeworfen, Umschuldungsvereinbarungen
mit der Sniace geschlossen zu haben, sondern auch und vor allem, geduldet zu haben, dass sich die Sniace nicht daran gehalten
habe.
154
Aus der angefochtenen Entscheidung und den Schriftsätzen der Kommission geht hervor, dass diese aus drei Gründen der Ansicht
ist, dass sich die TGSS und der Fogasa im vorliegenden Fall wie ein privater Gläubiger verhalten hätten.
155
Erstens nimmt die Kommission einen Vergleich zwischen dem Verhalten dieser beiden Einrichtungen und dem der privaten Gläubiger
der Sniace vor. Sie stützt sich hauptsächlich darauf, dass die TGSS und der Fogasa von ihrem Recht Gebrauch gemacht hätten,
sich nicht an dem Übereinkommen vom Oktober 1996 zu beteiligen, und dass sie daher im Gegensatz zu den privaten Gläubigern
nicht de facto auf 40 % ihrer Forderungen verzichtet hätten. Die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Rückzahlungsbedingungen
hält sie für deutlich ungünstiger für die privaten Gläubiger als die mit der TGSS und dem Fogasa vereinbarten Bedingungen
(24. und 25. Begründungserwägung der Entscheidung vom 20. September 2000, Randnrn. 17, 52, 60, 65, 101 und 106 der Klagebeantwortung
und Randnr. 26 der Gegenerwiderung).
156
Dieser erste Vergleich geht offensichtlich fehl. Die TGSS und der Fogasa befanden sich nämlich in einer anderen Situation
als die privaten Gläubiger der Sniace. Sie waren berechtigt, sich an einer Gläubigervereinbarung nicht zu beteiligen, ihre
Forderungen sind bevorrechtigt, und sie verfügen über bestimmte Sicherheiten, und zwar im Fall der TGSS über Pfandrechte und
im Fall des Fogasa über eine Hypothek. Zudem hebt die Kommission in der 26. Begründungserwägung der Entscheidung vom 20. September
2000 selbst hervor, dass „die Rahmenbedingungen für die öffentlichen Gläubiger nicht mit denen privater Gläubiger vergleichbar
waren, insbesondere was Stellung, Sicherheiten und die Möglichkeit anbelangt, sich an einer Gläubigervereinbarung nicht zu
beteiligen“, und dass ein „komparativer Ansatz“ in Bezug auf diese beiden Gruppen von Gläubigern im vorliegenden Fall keine
korrekte Anwendung des Kriteriums des privaten Gläubigers darstelle.
157
Zweitens beruft sich die Kommission darauf, dass die Banesto ihre Forderungen nicht zwangsweise durchgesetzt habe, obwohl
diese durch eine Hypothek gesichert gewesen seien (Randnrn. 53 und 90 der Klagebeantwortung und Randnr. 26 der Gegenerwiderung).
158
Dieser zweite Vergleich ist offensichtlich nicht überzeugender als der erste. Aus den Akten ergibt sich kein Anhaltspunkt
dafür, dass sich die Banesto in einer vergleichbaren Situation wie die TGSS und der Fogasa befand. Sie enthalten keine auch
nur kurze Angabe zu den Umständen, unter denen diese Bank beschloss, ihre Forderungen nicht zwangsweise durchzusetzen. Insbesondere
gibt es keine Erläuterung in Bezug auf die Rückzahlungsmodalitäten der Schulden der Sniace bei der Banesto, die Frage, ob
die Sniace bisher ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Banesto nachgekommen war, und die Frage, ob die Banesto
ebenso wie die TGSS eine Anhäufung von Schulden im Lauf der Jahre geduldet hatte. Zur TGSS ist zudem festzustellen, dass ihre
Forderung anders als die der Banesto nicht durch eine Hypothek gesichert war. Nach den schriftlichen Ausführungen des Königreichs
Spanien hat die Sniace der TGSS erst im zweiten Halbjahr 1998 als Gegenleistung für die Umschuldung ausreichende Sicherheiten
gestellt.
159
Drittens behauptet die Kommission, die TGSS und der Fogasa hätten durch den Abschluss der betreffenden Umschuldungs- und Rückzahlungsvereinbarungen
„versucht …, die geschuldeten Beträge nach Möglichkeit ohne finanzielle Verluste zu erlangen“ (30. Begründungserwägung der
Entscheidung vom 20. September 2000). In der 29. Begründungserwägung der Entscheidung vom 20. September 2000 fügt sie unter
Bezugnahme auf ihre Entscheidung vom 28. Oktober 1998 hinzu, die TGSS habe „dadurch, dass sie nicht zur Zwangsvollstreckung
gegriffen hat, was möglicherweise den Konkurs des Unternehmens verursacht hätte, ihre Aussichten, die geschuldeten Beträge
zurückzuerhalten, optimiert“.
160
Für diese Behauptungen gibt es keinen Beweis. Zum einen stehen sie in direktem Widerspruch zum wiederholten Vorbringen der
Kommission, dass die TGSS und der Fogasa über Vorrechte und ausreichende Sicherheiten verfügt hätten, so dass sie zur zwangsweisen
Durchsetzung ihrer Forderungen keinen Anlass gehabt hätten. Zum anderen verfügte die Kommission nicht über ausreichende Informationen,
um die künftigen Rentabilitätsperspektiven der Sniace und deren Überlebenschancen in voller Sachkenntnis beurteilen zu können.
Hierzu ist festzustellen, dass das Königreich Spanien, das vom Gericht im Rahmen prozessleitender Maßnahmen (siehe oben, Randnr.
38) aufgefordert wurde, die Entwicklung der Unternehmensergebnisse (Umsatz und Gewinn oder Verlust) und des Umfangs der Verschuldung
der Sniace von 1991 bis 2000 zu übermitteln, eingeräumt hat, nicht über diese Daten zu verfügen. Unter diesen Umständen ist
es nicht überzeugend, wenn die Kommission behauptet, dass „die spanische Regierung [ihr] glaubhaft versichert [hat], dass
die Sozialversicherung … mit dem Ziel einer vollständigen Wahrung ihrer Ansprüche gegen [die] Sniace gehandelt hat“. Darüber
hinaus verfügte die Kommission über keinen glaubhaften und realistischen Umstrukturierungsplan für die Sniace. Der im August
1996 erstellte Sanierungsplan war, wie sowohl die Kommission als auch das Königreich Spanien mehrmals hervorgehoben haben,
nicht akzeptabel und für das Verhalten der spanischen Behörden nicht maßgebend (vgl. insbesondere die Entscheidung über die
Einleitung des Verfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 EG und die 103. Begründungserwägung der Entscheidung vom 28. Oktober 1998).
In ihrer Klagebeantwortung hat die Kommission sogar ausdrücklich erklärt, dass sie diesen Sanierungsplan nicht zur Grundlage
ihrer Bewertung habe machen können (Randnr. 68 der Klagebeantwortung). Zu dem Umstrukturierungsplan, auf den die Kommission
in Randnummer 70 ihrer Klagebeantwortung eingeht, genügt die Feststellung, dass er ihr, wie sie in derselben Randnummer einräumt,
nicht vorgelegt wurde. In der 102. Begründungserwägung ihrer Entscheidung vom 28. Oktober 1998 führt sie zudem aus, die spanischen
Behörden hätten keinen „Beweis für einen tragfähigen Umstrukturierungsplan … vorgelegt“. Auf Nachfrage hat die Kommission
in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass sie diesen Plan in der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt habe.
161
Aus alldem ist zu schließen, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie zu dem Ergebnis
kam, dass die beanstandeten Verhaltensweisen der TGSS und des Fogasa das Kriterium des privaten Gläubigers erfüllten.
162
Folglich ist der erste Klagegrund begründet, so dass Artikel 1 Absatz 1 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären
ist, ohne dass der zweite Klagegrund geprüft zu werden braucht.
Zum Antrag auf Vorlage von Dokumenten
163
In ihrer Klageschrift beantragt die Klägerin, gestützt auf Artikel 21 der EG-Satzung des Gerichtshofes (jetzt Artikel 24 der
Satzung des Gerichtshofes) und Artikel 65 der Verfahrensordnung, die Kommission aufzufordern, die verschiedenen Stellungnahmen
vorzulegen, die die spanische Regierung im Anschluss an die Einreichung ihrer Beschwerde und die Einleitung des Verfahrens
nach Artikel 88 Absatz 2 EG abgegeben hat.
164
In ihrer Erwiderung gibt sie an, mit diesem Antrag ersuche sie das Gericht eindeutig, eine prozessleitende Maßnahme nach Artikel
64 § 4 der Verfahrensordnung vorzunehmen.
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Die Kommission und das Königreich Spanien wenden sich gegen diesen Antrag. Sie tragen vor, die Klägerin beantrage eine Beweisaufnahme
im Sinne von Artikel 65 der Verfahrensordnung, ohne jedoch anzugeben, welche streitigen Tatsachen durch die Vorlage der Dokumente
bewiesen werden sollten. Außerdem seien die Erklärungen, die ein Mitgliedstaat im Rahmen des Verwaltungsverfahrens abgebe,
vertraulich.
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In ihrer Gegenerwiderung führt die Kommission aus, die Klägerin habe in ihrer Erwiderung ihren Beweisantrag zurückgenommen
und durch einen Antrag auf eine prozessleitende Maßnahme ersetzt. Folglich müsse sie nach Artikel 87 § 5 Absatz 1 der Verfahrensordnung
zur Tragung der Kosten verurteilt werden, die in Zusammenhang mit diesem von ihr zurückgenommenen Antrag entstanden seien.
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Die Kommission hat im Rahmen der vom Gericht getroffenen prozessleitenden Maßnahmen (siehe oben, Randnr. 38) die verschiedenen
Dokumente übermittelt, deren Vorlage die Klägerin verlangt hatte. Unter diesen Umständen braucht über ihren gegenstandslos
gewordenen Antrag nicht mehr entschieden zu werden.
Kosten
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Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da
die Kommission unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Klägerin neben ihren eigenen auch deren Kosten aufzuerlegen.
169
Das Gericht sieht keinen Anlass, die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen, die in Zusammenhang mit dem Beweisantrag
entstanden sind, den sie in ihrer Erwiderung zurückgenommen haben soll. Es ist klar, dass die Klägerin von Anfang an erreichen
wollte, dass das Gericht als prozessleitende Maßnahme und nicht im Wege der Beweisaufnahme die Vorlage bestimmter Dokumente
anordnet. Die von der Klägerin insoweit in ihrer Erwiderung vorgenommene Klarstellung ist nicht als Klagerücknahme zu verstehen,
sondern als bloße Berichtigung eines Fehlers bei der Angabe der anwendbaren Bestimmung der Verfahrensordnung.
170
Nach Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung trägt das Königreich Spanien seine eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen
DAS GERICHT (Fünfte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1.
Artikel 1 Absatz 1 der Entscheidung 1999/395/EG der Kommission vom 28. Oktober 1998 über Beihilfen Spaniens zugunsten der
Sniace, SA, mit Sitz in Torrelavega, Kantabrien, in der Fassung der Entscheidung 2001/43/EG der Kommission vom 20. September
2000 wird für nichtig erklärt.
2.
Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Klägerin.
3.
Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten.
García-Valdecasas
Lindh
Cooke
Legal
Martins Ribeiro
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Oktober 2004.