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Document 61994CC0333

    Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom 27. Juni 1996.
    Tetra Pak International SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
    Rechtsmittel - Wettbewerb - Beherrschende Stellung - Umschreibung der Produktmärkte - Anwendung von Artikel 86 des Vertrages auf Verhaltensweisen eines beherrschenden Unternehmens auf einem anderen als dem beherrschten Markt - Koppelungsverkäufe - Auf Verdrängung ausgerichte Preise - Geldbuße.
    Rechtssache C-333/94 P.

    Sammlung der Rechtsprechung 1996 I-05951

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1996:256

    SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    DÁMASO RUIZ-JARABO COLOMER

    vom 27. Juni 1996 ( *1 )

    1. 

    Die vorliegende Rechtssache betrifft ein Rechtsmittel, das die Firma Tetra Pak International SA (nachstehend: Tetra Pak) gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz (nachstehend: Gericht) vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91 ( 1 ) (nachstehend: angefochtenes Urteil) eingelegt hat. Mit diesem Urteil wurde die Nichtigkeitsklage von Tetra Pak gegen die Entscheidung 92/163/EWG ( 2 ) abgewiesen, in der die Kommission festgestellt hatte, daß Tetra Pak eine beherrschende Stellung auf den Märkten für aseptische Maschinen und Kartons zur Verpackung flüssiger Nahrungsmittel in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (nachstehend: Gemeinschaft) innehabe und diese Stellung zumindest von 1976 bis 1991 im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag mißbraucht habe, und zwar sowohl auf diesen „aseptischen Märkten“ als auch auf den Märkten für nichtaseptische Abfüllmaschinen und Kartons ( 3 ). Die Kommission hatte deshalb gegen dieses Unternehmen eine Geldbuße von 75 Millionen ECU verhängt und ihm aufgegeben, die festgestellten Zuwiderhandlungen unverzüglich abzustellen.

    I — Sachverhalt und Verfahren

    2.

    Den Sachverhalt, der dem Rechtsstreit zugrunde liegt, hat das Gericht in den Randnummern 1 bis 15 des angefochtenen Urteils dargelegt, wobei es von den Feststellungen ausging, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung getroffen hatte und die Tetra Pak im wesentlichen nicht bestritten hat. Ich werde diesen Sachverhalt nachstehend schildern, hierbei jedoch einen anderen Aufbau wählen als das angefochtene Urteil.

    3.

    Der vorliegende Rechtsstreit ist auf dem Gebiet der Verpackung von flüssigen und halbflüssigen Nahrungsmitteln entstanden (Milch und flüssige Milcherzeugnisse, Fruchtsäfte, Wein, Mineralwasser, Soßen, Produkte aus Tomaten, Kindernahrung usw.). Für die Verpackung dieser Art von Erzeugnissen wird unterschiedliches Material verwendet (Plastikflaschen, Glasflaschen usw.); während der letzten Jahre wurden jedoch für die Vermarktung einiger dieser Erzeugnisse zunehmend Kartons eingesetzt. Die streitigen Vorgänge haben sich gerade auf dem Markt der für die Verpackung von flüssigen und halbflüssigen Nahrungsmitteln bestimmten Verpackungskartons abgespielt.

    4.

    Kartons werden vorzugsweise für die Verpackung von Milchprodukten und in geringerem Maße für die Verpackung anderer Nahrungsmittel verwendet. 1983 waren etwa 90 % der Kartons für die Verpackung von Milch und flüssigen Milchprodukten bestimmt. 1987 belief sich dieser Anteil auf annähernd 79 %, von denen etwa 72 % für die Verpackung von Milch verwendet wurden. Ungefähr 16 % dieser Verpackungsart war für die Verpackung von Fruchtsäften bestimmt. Auf die übrigen Erzeugnisse (Wein, Mineralwasser, Produkte aus Tomaten, Suppen, Soßen und Kindernahrung) entfielen lediglich 5 % der verwendeten Kartons.

    5.

    Was die Verpackung von Milch betrifft, die den Hauptteil des Marktes für Kartons ausmacht, so wird dieses Produkt vor allem in pasteurisierter Form (Frischmilch) oder nach einer UHT-Bchandlung unter aseptischen Bedingungen (UHT-Milch) verkauft, die mehrmonatige Aufbewahrung in ungekürzter Umgebung möglich macht. „Sterilisierte“ Milch hat in der Gemeinschaft nur einen verhältnismäßig unbedeutenden Marktanteil.

    6.

    Gemäß diesen beiden Verfahrensweisen wird innerhalb des Marktes für Kartonverpackungen zwischen zwei Bereichen mit unterschiedlichen Merkmalen unterschieden, nämlich zum einen dem aseptischen Bereich, der die Kartons und Abfüllmaschinen für die Verpackung von Nahrungsmitteln umfaßt, die mehrere Monate in ungekühlter Umgebung aufbewahrt werden können, und zum anderen dem nichtaseptischen Bereich, der Kartons und Maschinen zur Verpackung von zum alsbaldigen Verbrauch bestimmten Produkten umfaßt.

    7.

    Ein bedeutendes Unternehmen auf dem Sektor der Kartonverpackungen ist Tetra Pak, eine Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die die Politik einer Gruppe ursprünglich schwedischer Unternehmen koordiniert, die weltweite Ausmaße erlangt hat ( 4 ). Die Tetra-Pak-Gruppc ist auf Ausrüstungen für die Verpackung flüssiger und halbflüssiger Nahrungsmittel, hauptsächlich Milch, in Kartons spezialisiert und wird im Bereich der aseptischen wie auch der nichtaseptischen Verpackungen tätig. Ihre Tätigkeit besteht im wesentlichen in der Herstellung von Kartons und — unter Anwendung einer von der Gruppe selbst entwickelten Technologie — von Abfüllmaschinen. Außer Tetra Pak sind auf diesem Markt noch andere Hersteller tätig, die sich auf den aseptischen und den nichtaseptischen Bereich verteilen.

    8.

    Im Bereich der aseptischen Verpackungsverfahren weist das Angebot eine nahezu monopolistische Struktur auf, da Tetra Pak zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung einen Marktanteil von 90 bis 95 % hatte. Innerhalb der Gemeinschaft beliefen sich 1985 die Marktanteile von Tetra Pak auf ungefähr 89 % bei Kartons und 92 % bei aseptischen Maschinen. Ihr einziger wirklicher Konkurrent im Bereich der aseptischen Verpackung war die Firma PKL, die praktisch die gesamten übrigen Marktanteile innehatte, also 5 bis 10 %.

    9.

    Im aseptischen Bereich stellt Tetra Pak das sogenannte „Tetra-Brik-System“ her, das im wesentlichen der Verpackung von UHT-Milch dient. Nach den Angaben der Rechtsmittelführerin wurde diese Ausrüstung 1968 in Deutschland und ab 1970 in den übrigen europäischen Ländern auf den Markt gebracht. Bei diesem Verfahren werden die Kartons dem Verwender in Form von Rollen geliefert, die in der Maschine selbst durch Eintauchen in ein Wasserstoffperoxydbad keimfrei gemacht werden, und umschließen dann die Flüssigkeit, während diese eine aseptische Umgebung durchläuft. Im gleichen Bereich stellt der einzige Wettbewerber von Tetra Pak, die von dem Schweizer Unternehmen SIG (Société industrielle generale) beherrschte Firma PKL, ebenfalls aseptische Kartons im Brik-Format her, die sogenannten „Kombiblocks“. Im Gegensatz zu dem von Tetra Pak angewendeten Verfahren der fortlaufenden Verpackung sind diese zum Zeitpunkt der Abfüllung bereits vorgeformt. Aus technischen Gründen und weil die Hersteller aseptischer Maschinen in der Praxis auch die in ihren eigenen Maschinen zu verwendenden Kartons liefern, stellt die Verfügung über eine Technik der aseptischen Abfüllung den Schlüssel für den Zugang sowohl zum Markt für Maschinen als auch zum Markt für aseptische Kartons dar.

    10.

    Im nichtaseptischen Bereich ist die Angebotsstruktur offener, aber immer noch oligopolistisch. Als die Kommission die angefochtene Entscheidung erließ, besaß Tetra Pak in diesem Bereich innerhalb der Gemeinschaft einen Anteil von 50 bis 55 %. 1985 betrug ihr Marktanteil im Gebiet der zwölf Mitgliedstaaten 48 % bei Kartons und 52 % bei nichtaseptischen Maschinen. Im selben Jahr hatte die norwegische Elopak-Gruppe auf dem Markt für nichtaseptische Maschinen und Verpackungen einen Anteil von 27 %; ihr folgte PKL mit einem Anteil von 11 %. Auf dem Markt für aseptische Maschinen war lediglich Elopak als Vertriebsunternehmen tätig, bevor sie 1987 den Unternehmensbereich Verpackungsmaschinen von Ex-Cell-O erwarb. Die restlichen 12 % des Marktes für nichtaseptische Kartons verteilten sich auf drei Unternehmen, nämlich Schouw Packing (Dänemark, ungefähr 7 %, gegenwärtig zu etwa 50 % im Besitz von Elopak), Mono-Emballage/Sealpack (Frankreich/Niederlande, etwa 2,5 %) und Van Mierlo (Belgien, ungefähr 0,5 %). Diese Unternehmen, deren Markt auf ein Land oder wenige Länder konzentriert war, stellten ihre eigenen Kartons her, und zwar im allgemeinen aufgrund einer Lizenz (so Ex-Cell-O, die 1987 von Elopak erworben wurde, Nimco, Sealright usw.). Bei Maschinen traten sie lediglich als Vertriebsunternehmen auf. Auf dem Markt für nichtaseptische Maschinen in der Gemeinschaft verteilten sich die nicht Tetra Pak, Elopak oder PKL gehörenden Anteile von insgesamt 13 % auf etwa zehn kleinere Hersteller, von denen die wichtigsten Nimco (Vereinigte Staaten, etwa 4 %), Cherry Burrel (Vereinigte Staaten, etwa 2,5 %) und Shikoku (Japan, ungefähr 1 %) sind.

    Elopak ist daher im nichtaseptischen Bereich der Hauptkonkurrent von Tetra Pak, jedoch erstreckt sich die Tätigkeit dieses Unternehmens derzeit nicht auf den aseptischen Bereich. In der angefochtenen Entscheidung wurde dasVerhältnis zwischen den jeweiligen Umsätzen von Tetra Pak und Elopak für 1987 mit 7,5 zu 1 veranschlagt. In Italien wird Elopak über ihre Tochtergesellschaft Elopak Italia (Mailand) tätig, die die Kartons von anderen Tochtergesellschaften der Gruppe einführt.

    11.

    Die nichtaseptische Abfüllung, insbesondere die von pasteurisierter Frischmilch, bedarf keines hohen Sterilisierungsgrads und erfordert infolgedessen keine derart aufwendige Ausrüstung wie die aseptische Abfüllung. Auf dem Markt für nichtaseptische Kartons verwendete Tetra-Pak zunächst und verwendet auch jetzt noch Kartons des Brik-Formats; gegenwärtig setzt sie auf diesem Markt jedoch hauptsächlich giebeldachförmige Verpackungen des Typs „Gable Top“ ab, die sogenannten „Tetra Rex“. Diese Kartonverpackung steht in unmittelbarem Wettbewerb mit den von Elopak hergestellten Kartons „Purc-Pak“.

    12.

    Tetra Pak stellt selbst nichtaseptische Abfüllmaschinen her. Ebenso wie Elopak und PKL verkauft sie überdies gelegentlich Maschinen von etwa zehn kleineren Herstellern wie Nimco, Cherry, Burrel und Shikoku.

    13.

    Tetra Pak hat in der Gemeinschaft, was Patente, Verkaufs- und Vermictungsbedingungen sowie den Vertrieb ihrer Erzeugnisse betrifft, eine besondere handelspolitische Strategie entwickelt. Zum einen hat diese Unternehmensgruppe eine besonders umfassende Patentpolitik betrieben. Sie hat sich nämlich die von ihr auf dem Gebiet der Maschinen, Kartons und Verfahrensweisen entwickelte Basistechnologie sowie die an ihren Erzeugnissen vorgenommenen Änderungen und bestimmte technische Besonderheiten wie die Form der Kartonfaltung patentieren lassen. Die letzten Patente zum Schutz der in den sechziger Jahren entwikkelten aseptischen Kartons „Tetra Brik“ laufen zu Beginn des 21. Jahrhunderts aus (Punkt 22 der angefochtenen Entscheidung). Nach den übereinstimmenden Ausführungen der Parteien hat Tetra Pak in der Gemeinschaft keine Lizenzen für die Herstellung ihrer Kartons erteilt.

    14.

    Zum anderen liegt der Vertrieb von Maschinen und Kartons der Firma Tetra Pak vollständig in den Händen von Unternehmen der Tetra-Pak-Gruppe; unabhängige Vertriebsunternehmen existieren nicht.

    15.

    Während des Zeitraums, um den es geht, galten für Verkauf und Vermietung von Maschinen sowie für die Lieferung von Kartons eine Reihe von Standardverträgen, die Tetra Pak mit ihren Kunden in den einzelnen Mitgliedstaatcn ausgehandelt hatte. Der Inhalt derjenigen Klauseln dieser Verträge, die Einfluß auf den Wettbewerb hatten, wird in Randnummer 12 des angefochtenen Urteils unter Übernahme des Wortlauts der angefochtenen Entscheidung wie folgt wiedergegeben:

    „2.1. Verkaufsbedingungen für Tetra Pak-Anlagen (Anhang 2.1)

    Standardverträge gibt es in fünf Ländern: Griechenland, Irland, Italien, Spanien, Vereinigtes Königreich. Neben den Vertragsklauseln wird jeweils in Klammern angegeben, für welche Länder sie gelten.

    2.1.1. Gestaltung der Anlagen

    In Italien behält sich Tetra Pak ein uneingeschränktes Recht zur Überprüfung der Gestaltung der Anlagen vor; so darf der Abnehmer nicht

    i)

    Zusatzgeräte anschließen (Italien);

    ii)

    die Maschine umbauen, Teile einfügen oder ausbauen (Italien);

    iii)

    die Maschine umsetzen (Italien).

    2.1.2. Betrieb und Instandhaltung der Anlagen

    Fünf Vertragsklauseln, die den Betrieb und die Instandhaltung der Maschine regeln, sichern Tetra Pak ein ausschließliches Kontrollrecht:

    iv)

    ein Ausschließlichkeitsrecht für Instandhaltung und Reparaturen (alle Länder außer Spanien);

    v)

    ein Ausschließlichkeitsrecht für die Lieferung von Ersatzteilen (alle Länder außer Spanien);

    vi)

    ein Recht auf Durchführung kostenloser Hilfsleistungen, Ausbildung, Instandhaltung und Modernisierung, auch wenn vom Kunden nicht verlangt (Italien);

    vii)

    degressiver Tarif (bis 40 % unter der monatlichen Grundabgabe) für Hilfeleistungen, Instandhaltung und technische Modernisierung, der sich nach der Zahl der auf allen Tetra Pak-Maschinen des gleichen Typs verarbeiteten Kartons berechnet (Italien);

    viii)

    der Abnehmer hat Tetra Pak alle Verbesserungen oder Änderungen der Anlagen anzuzeigen und Tetra Pak das geistige Eigentum daran zu übertragen (Italien).

    2.1.3. Kartons

    Für Kartons gibt es vier Vertragsklauseln, die Tetra Pak ebenfalls ein ausschließliches Lieferrecht und ein Kontrollrecht sichern:

    ix)

    Der Abnehmer darf mit den Maschinen nur Tetra-Pak-Kartons füllen (alle Länder);

    x)

    der Abnehmer darf seine Kartons nur von Tetra Pak oder einer von dieser bezeichneten Firma beziehen (alle Länder);

    xi)

    der Abnehmer hat Tetra Pak alle Verbesserungen oder technischen Änderungen der Kartons anzuzeigen und Tetra Pak das geistige Eigentum daran zu übertragen (Italien);

    xii)

    Tetra Pak behält sich das Recht zur Überprüfung der Beschriftung der Kartons vor (Italien).

    2.1.4. Kontrollen

    Zwei Klauseln regeln insbesondere die Kontrolle der Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen durch den Abnehmer:

    xiii)

    Der Abnehmer hat monatlich einen Bericht vorzulegen (Italien);

    xiv)

    Tetra Pak kann jederzeit unangemeldet den Betrieb inspizieren (Italien).

    2.1.5. Übertragung des Eigentums an der Anlage oder Überlassung des Gebrauchs der Anlage

    Zwei Vertragsklauseln schränken das Recht des Abnehmers ein, die Anlage weiterzuverkaufen oder Dritten zu überlassen:

    xv)

    Der Abnehmer muß die Zustimmung von Tetra Pak einholen, wenn er die Anlage verkaufen oder Dritten zur Benutzung überlassen will (Italien), er kann sie nur unter bestimmten Voraussetzungen verkaufen (Spanien); Tetra Pak behält sich das Recht vor, die Anlage zu einem bestimmten, vorher festgelegten Pauschalpreis zurückzukaufen (alle Länder). Bei Nichteinhaltung dieser Klausel sind Konventionalstrafen fällig (Griechenland, Irland, Vereinigtes Königreich).

    xvi)

    Der Abnehmer hat dafür zu sorgen, daß jeder Dritte, an den er die Anlage weiterverkauft, alle Verpflichtungen des Abnehmers übernimmt (Italien, Spanien).

    2.1.6. Garantie

    xvii)

    Die Garantie für die Anlage gilt nur dann, wenn der Abnehmer alle seine Vertragspflichten einhält (Italien) oder zumindest nur Tetra-Pak-Kartons verwendet (die anderen Länder).

    2.2. Bedingungen für die Vermietung von Tetra-Pak-Anlagen (Anhang 2.2)

    Standard-Mietverträge gibt es in allen Ländern der Gemeinschaft außer Griechenland und Spanien.

    Die meisten Klauseln der Kaufverträge finden sich entsprechend auch in diesen Mietverträgen wieder. Andere Bedingungen gelten nur für die Vermietung, aber sie zielen alle in die gleiche Richtung, nämlich den Kunden möglichst stark an Tetra Pak zu binden.

    2.2.1. Gestaltung der Anlagen

    Hier finden sich die Klauseln i), ii) und iii) wieder: Italien Klausel i), alle Länder Klausel ii), Frankreich, Irland, Italien, Portugal, Vereinigtes Königreich Klausel iii).

    xviii)

    Eine Zusatzklausel verpflichtet den Mieter außerdem, nur Kisten, Außenverpackungen und/oder Container für Tetra-Pak-Kartons zu verwenden (Belgien, Deutschland, Italien, Luxemburg, Niederlande) oder, wenn die Bedingungen gleich sind, sich vorzugsweise von Tetra Pak beliefern zu lassen (Dänemark, Frankreich).

    2.2.2. Betrieb und Instandhaltung der Anlagen

    Auch hier finden sich die Ausschließlichkcitsklauseln iv) und v) wieder (alle Länder).

    Desgleichen findet sich die Klausel viii) wieder, die Tetra Pak die Übertragung des geistigen Eigentums an allen vom Abnehmer vorgenommenen Änderungen sichert (Belgien, Deutschland, Italien, Luxemburg, Niederlande) oder zumindest den Mieter verpflichtet, Tetra Pak eine Nutzungslizcnz einzuräumen (Dänemark, Frankreich, Irland, Portugal, Vereinigtes Königreich).

    2.2.3. Kartons

    Auch hier enthalten die Verträge die Klauseln ix) (alle Länder) und x) (Italien), die die ausschließliche Verwendung von Tetra-Pak-Kartons betreffen, die Klausel xi), die Tetra Pak die Übertragung aller Rechte an Verbesserungen sichert (Dänemark, Italien) oder zumindest den Mieter verpflichtet, Tetra Pak eine Nutzungslizcnz einzuräumen (Frankreich, Irland, Portugal, Vereinigtes Königreich) und die Klausel xii), die Tetra Pak das Recht zur Überwachung der Beschriftung oder der Warenzeichen gibt, die der Kunde auf den Kartons anbringen will (Deutschland, Griechenland, Italien, Niederlande, Portugal, Spanien, Vereinigtes Königreich).

    2.2.4. Kontrollen

    Nicht nur der Käufer, sondern auch der Mieter muß monatlich berichten (Klausel xiii) (alle Länder), wenn er nicht die Gefahr einer pauschalen Rechnungsstellung laufen will (Belgien, Luxemburg, Niederlande); er muß eine Inspektion des Betriebs zulassen, in dem die Anlage steht (Klausel xiv) (alle Länder), und die Inspektion kann unangemeldet erfolgen (alle Länder außer Dänemark, Deutschland, Irland, Portugal und Vereinigtes Königreich).

    xix)

    Eine andere Klausel ermöglicht es dem Hersteller, jederzeit (Dänemark, Frankreich) Einblick in die Bücher des Mieters (alle Länder) und (je nach Land) in seine Rechnungen, Korrespondenz und alle sonstigen Belege zu nehmen, die für die Nachprüfung der Zahl der verbrauchten Kartons erforderlich sind.

    2.2.5. Übertragung des Mietverhältnisses, Untervermietung, Überlassung des Gebrauchs an Dritte und Benutzung für Dritte

    Im Fall des Verkaufs ist jede Eigentumsübertragung nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig.

    xx)

    Die Mietverträge schließen auch eine Übertragung des Mietverhältnisses, desgleichen die Untervermietung (alle Länder) und selbst eine einfache Werklohnarbeit für Dritte (Italien) aus.

    2.2.6. Garantie

    Die Mietverträge sind hier nicht ganz so deutlich wie die Kaufverträge: Gewährleistungsansprüche hat der Kunde nur, wenn er die ‚Instruktionen‘ von Tetra Pak zur ‚Instandhaltung‘ und ‚sachgemäßen Bedienung‘ der Maschine befolgt. Die Begriffe ‚Instruktionen‘, ‚Instandhaltung‘ und ‚sachgemäße Bedienung‘ sind jedoch so weit gefaßt, daß hierunter zumindest die ausschließliche Verwendung oder Inanspruchnahme von Original-Ersatzteilen, von Reparatur- und Instandhaltungsleistungen des Herstellers und von Original-Verpackungsmaterial fällt. Diese Auslegung wurde durch die schriftliche und mündliche Antwort von Tetra Pak auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt.

    2.2.7. Festsetzung der Miete und Zahlungsbedingungen

    Die Miete setzt sich zusammen aus (alle Länder):

    a)

    xxi)

    einer ‚Anzahlung‘ die bei der Übergabe der Maschine fällig wird. Sie ist nicht unbedingt niedriger als der Verkaufspreis für die gleichen Maschinen und deckt fast die gesamte gegenwärtige und künftige Miete ab (in einzelnen Fällen zu über 98 %);

    b)

    einem Jahresbetrag, zahlbar vierteljährlich im voraus;

    c)

    xxii)

    einer monatlich zu zahlenden Produktionsabgabe, die sich nach der Zahl der mit allen Tetra-Pak-Maschinen des gleichen Typs abgefüllten Verpackungen richtet und degressiv gestaffelt ist. Diese Abgabe tritt an die Stelle der degressiven Instandhaltungstarife — von vergleichbarem Wert — wie sie für einen Teil der Instandhaltungskosten bei einem Verkauf vorgesehen sind, siehe Klausel vii). In einigen Ländern (Deutschland, Frankreich, Portugal) ist eine Konventionalstrafe für den Fall vorgesehen, daß der Kunde die Abgabe nicht pünktlich zahlt.

    2.2.8. Dauer des Mietverhältnisses

    Dauer und Beendigung des Mietverhältnisses sind von Land zu Land verschieden geregelt.

    xxiii)

    Die Mindestdauer des Mietverhältnisses beträgt drei Jahre (Dänemark, Irland, Portugal, Vereinigtes Königreich) bis neun Jahre (Italien).

    2.2.9. Konventionalstrafen

    xxiv)

    Tetra Pak behält sich unabhängig von den üblichen Schadenersatzforderungen das Recht vor, jedem Mieter, der seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Vertragsstrafe aufzuerlegen, die sie nach freiem Ermessen je nach der Schwere des Falls im Rahmen einer Höchstgrenze festsetzt (Italien).

    2.3. Lieferbedingungen für Kartons (Anhang 2.3)

    Standard-Lieferverträge gibt es in Griechenland, Irland, Italien, Spanien und dem Vereinigten Königreich: sie sind obligatorisch, sobald der Kunde die Maschine nicht mietet, sondern kauft.

    2.3.1. Bezugsbindung

    xxv)

    Der Käufer verpflichtet sich, das gesamte Verpackungsmaterial für die gelieferten Tctra-Pak-Maschinen (alle Länder) und für alle weiteren Maschinen, die er künftig von Tetra Pak kauft (Italien), ausschließlich von Tetra Pak zu beziehen.

    2.3.2. Dauer des Vertragsverhältnisses

    xxvi)

    Der Vertrag wird zunächst auf neun Jahre geschlossen und kann dann um fünf Jahre (Italien) oder um die Zeit, die der Käufer im Besitz der Maschine bleibt (Griechenland, Irland, Spanien, Vereinigtes Königreich), verlängert werden.

    2.3.3. Preisfestsetzung

    xxvii)

    Die Kartons werden zu den bei der Bestellung geltenden Preisen geliefert (alle Länder). Ein Ausgleichssystcm ist nicht vorgesehen, ebensowenig wie eine Indexbindung (alle Länder).

    2.3.4. Beschriftung

    Auch hier behält Tetra Pak sich das Recht zur Überprüfung der Beschriftung oder der Warenzeichen vor, die der Kunde auf den Kartons anbringen will (Klausel xii).“

    16.

    Aufgrund der von Elopak Italia gegen Tetra Pak Italiana und die mit dieser Firma verbundenen italienischen Unternehmen am 27. September 1983 eingelegten Beschwerde wurde die kaufmännische Strategie von Tetra Pak vor der Kommission erörtert. Am 16. Dezember 1988 beschloß die Kommission, ein Verfahren gegen Tetra Pak einzuleiten. In einem Schreiben an die Kommission vom 1. Februar 1991, dem neue Standardverträge beigefügt waren, verpflichtete sich Tetra Pak, auf ihr System ausschließlicher Koppelungsverträge zu verzichten und ihre Standardverträge abzuändern. Die Kommission akzeptierte diese Verpflichtungen.

    17.

    Das Verfahren wurde mit dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung durch die Kommission abgeschlossen; Artikel 1 dieser Entscheidung stellt fest: „Tetra Pak hat unter Ausnutzung seiner marktbeherrschenden Stellung auf den sogenannten ‚aseptischen‘ Märkten für Maschinen und Kartons zur Verpackung flüssiger Nahrungsmittel zumindest seit 1976 durch eine Reihe verschiedener Praktiken zur Ausschaltung des Wettbewerbs und/oder zu einer kundenschädlichen Gewinnmaximierung aufgrund ihrer Marktstellung gegen Artikel 86 EWG-Vertrag verstoßen, und dies sowohl auf diesen ‚aseptischen‘ Märkten wie auf den benachbarten, verbundenen Märkten für ‚nichtaseptische‘ Abfüllanlagen und Kartons.“

    Die angefochtene Entscheidung zählt die wesentlichen Elemente dieser Verstöße auf, verurteilt Tetra Pak zu einer Geldbuße von 75 Millionen ECU und fordert diese Unternehmensgruppe auf, die Verstöße unverzüglich abzustellen, wobei sie die zu diesem Zweck zu treffenden Maßnahmen im einzelnen angibt.

    18.

    Am 18. November 1991 erhob Tetra Pak vor dem Gericht Nichtigkeitsklage gegen die angefochtene Entscheidung; die Klage wurde mit Urteil vom 6. Oktober 1994 in vollem Umfang abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat Tetra Pak am 20. Dezember 1994 beim Gerichtshof das vorliegende Rechtsmittel eingelegt.

    II — Die von Tetra Pak geltend gemachten Rechtsmittelgründe

    19.

    Mit ihrem Rechtsmittel begehrt Tetra Pak aus den nachstehend aufgeführten Gründen die Aufhebung des Urteils des Gerichts:

    widersprüchliche und auf unrichtiger Rechtsgrundlage beruhende Abgrenzung des relevanten Produktmarkts;

    das Gericht habe zu Unrecht angenommen, das Verhalten auf einem Markt, auf dem Tetra Pak keine beherrschende Stellung habe, stelle einen nach Artikel 86 EWG-Vertrag verbotenen Mißbrauch dar, obwohl sich dieses Verhalten in keiner Weise auf den von Tetra Pak beherrschten Markt auswirke;

    unlogische und zu Artikel 86 Buchstabe d im Widerspruch stehende Zurückweisung des Vorbringens von Tetra Pak betreffend den Kopplungsverkauf von Kartons und Abfüllmaschinen;

    zu Unrecht habe das Gericht angenommen, Tetra Pak habe die Tetra-Rex-Verpackungen in Italien und die nichtaseptischen Abfüllmaschinen im Vereinigten Königreich zu Verdrängungspreisen verkauft, denn es habe nicht dargetan, daß eine vernünftige Aussicht auf Wiedereinbringung der Verluste bestanden habe;

    das Gericht habe es zu Unrecht abgelehnt, die von Tetra Pak in bezug auf die Geldbuße geltend gemachten Milderungsgründe zu berücksichtigen, insbesondere die Tatsache, daß die angefochtene Entscheidung in einigen wichtigen Punkten eine Neuerung gebracht habe.

    A — Zum ersten Rechtsmittelgrund (Abgrenzung des relevanten Produktmarkts)

    20.

    Mit dieser Rüge wendet sich Tetra Pak gegen die vom Gericht in dem angefochtenen Urteil vorgenommene Abgrenzung des relevanten Produktmarkts, die sich im wesentlichen die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung dargelegte Auffassung zu eigen macht. Tetra Pak stützt ihren Rechtsmittelgrund konkret auf zwei verschiedene Argumente. Zum einen trägt sie vor, die Ausführungen des Gerichts zu dieser Frage seien widersprüchlich, zum anderen macht sie geltend, sie stützten sich auf eine unrichtige Rechtsgrundlage.

    1. Zum Vorwurf, die Ausführungen des Gerichts seien widersprüchlich

    21.

    Nach Auffassung von Tetra Pak hat das Gericht dadurch einen Rechtsfchlcr begangen, daß es in den Randnummern 64 und 73 seines Urteils zur Frage der Abgrenzung des relevanten Produktmarkts widersprüchliche Ausführungen gemacht habe. Entweder gebe es einen allgemeinen Markt für Verpackungen flüssiger Nahrungsmittel, in welchem Fall das Gericht die von der Kommission vorgenommene Unterscheidung zwischen aseptischen und nichtaseptischen Märkten hätte zurückweisen müssen, oder diese beiden Märkte müßten als getrennte Märkte angesehen werden, und dann hätte das Gericht die Einbeziehung anderer Erzeugnisse als Milch in den relevanten Markt nicht billigen dürfen, ohne die Marktlage in diesem Sektor zu prüfen.

    22.

    Meines Erachtens ist diese Rüge zurückzuweisen, da die Ausführungen in den Randnummern 64 bis 73 des angefochtenen Urteils frei von Widerspruch sind.

    23.

    Die Kommission hatte in der angefochtenen Entscheidung zwischen vier Märkten unterschieden, nämlich denen für aseptische Kartons, aseptische Abfüllmaschinen, nichtascptischc Kartons und nichtaseptischc Abfüllmaschinen.

    24.

    Bei der Prüfung dieser Abgrenzung von vier relevanten Märkten wendet das Gericht das vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81 ( 5 ) aufgestellte Kriterium an, ob unter Berücksichtigung der objektiven Merkmale der Erzeugnisse sowie der Wettbewerbsbedingungen und der Struktur von Nachfrage und Angebot auf dem betroffenen

    Markt eine hinreichende Austauschbarkeit besteht. Ausgangspunkt der vom Gericht vorgenommenen Prüfung ist der allgemeine Markt der Verpackungssysteme für flüssige Nahrungsmittel. Das Gericht stellt fest, daß dieser allgemeine Markt nach Maßgabe der Verpackungssysteme, nicht des verpackten Produkttyps, aus einer Reihe von Teilmärkten bestehe. Weiterhin führt es aus, sowohl die aseptischen als auch die nichtaseptischen Maschinen und Kartons seien durch eine vergleichbare Angebots- und Nachfragestruktur gekennzeichnet, da sie dieselben Produktionsmerkmale aufwiesen und den gleichen wirtschaftlichen Bedarf deckten. Es wendet auf diese Märkte alsdann das Kriterium der hinreichenden Austauschbarkeit an und gelangt zu dem Ergebnis, die Kommission habe zu Recht — nach einer Untersuchung der Verpackung von Milch, der Hauptbestimmung der aseptischen wie der nichtaseptischen Kartons — das Bestehen von vier getrennten, wenn auch untereinander zusammenhängenden relevanten Märkten festgestellt.

    2. Zum Vorwurf der Heranziehung einer unrichtigen Rechtsgrundlage

    25.

    Tetra Pak macht geltend, die Rechtsgrundlage, die das Gericht zur Bestimmung des relevanten Produktmarkts herangezogen habe, sei aus folgenden drei Gründen unzutreffend:

    Das Gericht habe das im Urteil Michelin/Kommission aufgestellte Kriterium der hinreichenden Austauschbarkeit in bezug auf andere als Milcherzeugnisse unrichtig ausgelegt;

    es habe die Ansicht vertreten, der relative Anteil der einzelnen Erzeugnisse an der Nachfrage der Verbraucher spiele eine Rolle dafür, ob diese Erzeugnisse zum relevanten Markt gehörten;

    es habe lediglich die kurzfristige Austauschbarkeit berücksichtigt.

    26.

    Zur Anwendung des Kriteriums der hinreichenden Austauschbarkeit macht Tetra Pak geltend, das Gericht sei von der Rechtsprechung insofern abgewichen, als es angenommen habe, die für die Verpackung von andern als Milcherzeugnissen bestimmten Abfüllmaschinen und Kartons machten einen Teil der relevanten Märkte aus. Es fehle aber an einer hinreichenden Austauschbarkeit zwischen aseptischen und nichtaseptischen Verpackungssystemen für andere als Milcherzeugnisse; überdies sei deren im Verhältnis zur Abfüllung von Milch geringe Bedeutung kein maßgebender Gesichtspunkt für die Abgrenzung des relevanten Marktes.

    27.

    Die hinreichende Austauschbarkeit als Kriterium für die Abgrenzung des relevanten Produktmarkts hat der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache Michelin/Kommission wie folgt umrissen: „[Bei] der Prüfung der Frage, ob ein Unternehmen auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung einnimmt, [sind] die Wettbewerbsmöglichkeiten im Rahmen des Marktes zu beurteilen, in dem sämtliche Erzeugnisse zusammengefaßt sind, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maße austauschbar sind. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, daß durch die Abgrenzung des relevanten Marktes ermittelt werden soll, ob das betreffende Unternehmen in der Lage ist, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs zu verhindern und sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten. Daher kann sich die Prüfung nicht auf die objektiven Merkmale der in Rede stehenden Erzeugnisse beschränken, sondern es müssen auch die Wettbewerbsbedingungen sowie die Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt in Betracht gezogen werden.“ ( 6 )

    28.

    In Randnummer 65 des angefochtenen Urteils stellt das Gericht fest, die beherrschende Stellung von Tetra Pak auf dem Gebiet der Verpackung von Milchprodukten sei hinreichend nachgewiesen, da diese Produkte den größten Teil der Systeme zur Verpackung in Kartons ausmachten; die Existenz von Substitutionsausrüstungen im Sektor der Verpackung von anderen Produkten als Milch sei irrelevant. Tetra Pak rügt diese Ausführungen des Gerichts mit der Begründung, der Umfang des Sektors der Verpackung von anderen als Milcherzeugnissen sei für die Abgrenzung des relevanten Produktmarkts völlig unerheblich; diese müsse im Wege der Anwendung des Kriteriums der hinreichenden Austauschbarkeit erfolgen. Zu Unrecht habe das Gericht in den Randnummern 74 bis 77 des angefochtenen Urteils angenommen, im Bereich der Fruchtsäfte, dem wichtigsten Sektor der nicht zum Milchsektor gehörenden flüssigen Nahrungsmittel, bestehe keine derartige Austauschbarkeit zwischen aseptischen und nichtaseptischen Verpackungssystemen, und es habe lediglich den jeweiligen Anteil beider Erzeugnisse an der Nachfrage der Verbraucher berücksichtigt, nicht dagegen deren Eignung zur Befriedigung derselben Bedürfnisse. Mit der Einbeziehung der Verpackung von anderen als Milcherzeugnissen in die relevanten Märkte habe das Gericht daher einen Irrtum begangen.

    29.

    Diesem Vorbringen von Tetra Pak kann nicht gefolgt werden; meines Erachtens hat das Gericht in dem angefochtenen Urteil das Kriterium der hinreichenden Austauschbarkeit korrekt angewendet. Nach diesem Kriterium, das für die Abgrenzung des relevanten Produktmarkts herangezogen wird, ist zu prüfen, ob die Erzeugnisse, um die es geht, in Anbetracht ihrer objektiven Merkmale sowie der Marktverhältnisse (Wettbewerb sowie Angebots- und Nachfragestruktur) ersetzbar oder hinreichend austauschbar sind. Wo eine solche Austauschbarkeit nicht oder nur sehr begrenzt besteht, gehören die Erzeugnisse zu verschiedenen Märkten.

    30.

    Jedenfalls ist die Abgrenzung des relevanten Marktes keine abstrakte Tätigkeit, sondern ein Hilfsmittel, um festzustellen, ob ein Unternehmen eine beherrschende Stellung hat. Die Anwendung des Kriteriums der hinreichenden Austauschbarkeit erfordert daher die Beurteilung der Wettbewerbsverhältnisse, der Nachfrage und des Angebots auf dem betroffenen Markt ( 7 ). Die Überlegungen des Gerichts in dem angefochtenen Urteil, wonach die jeweiligen Anteile der zur Verpackung von Milch und der zur Verpakkung anderer Erzeugnisse bestimmten Kartons für die Abgrenzung des Marktes von Bedeutung sind, treffen daher in vollem Umfang zu. Dieser Faktor gehört zur Struktur der Nachfrage nach aseptischen und nichtaseptischen Abfüllmaschinen und Kartons und kann somit bei der Anwendung des Kriteriums der Austauschbarkeit in gleicher Weise berücksichtigt werden wie die Merkmale der in Rede stehenden Erzeugnisse.

    Kann ein Erzeugnis, wie dies bei aseptischen und nichtaseptischen Abfüllmaschinen und Kartons der Fall ist, zu unterschiedlichen Zwecken verwendet werden (Verpackung von Milch und Verpackung von sonstigen Erzeugnissen), so ist der Gemeinschaftsrechtsprechung keine Regel zu entnehmen, der zufolge je nach der Verwendung des Erzeugnisses verschiedene Märkte voneinander abzugrenzen wären. In Randnummer 29 des Urteils vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76 ( 8 ) hat der Gerichtshof die Möglichkeit ins Auge gefaßt, daß zwei verschiedene Märkte für Vitamine bestünden, je nach deren Verwendung zu bio-nutritiven oder technologischen Zwecken, letzten Endes jedoch festgestellt, daß diese Vitamine unabhängig von ihrer Verwendung einen einzigen Markt bildeten, und zwar trotz des Vorhandenseins von Erzeugnissen, die mit den für technologische Zwecke verwendeten Vitaminen in Wettbewerb standen. Das Urteil vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C-62/86 ( 9 ) (im folgenden: AKZO) bestätigt, daß organische Peroxide einen einzigen relevanten Markt bildeten, obwohl sie sowohl für die Herstellung von Kunststoff als auch als Mehlzusatz verwendet werden konnten. Letzten Endes hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob ein Erzeugnis, das zu verschiedenen Zwecken verwendet werden kann, einen einzigen oder aber mehrere Märkte bildet; das Gericht hat in Randnummer 64 des angefochtenen Urteils ausführlich dargelegt, daß aseptische und nichtaseptische Maschinen und Kartons unabhängig davon relevante Märkte bilden, ob sie zur Verpackung von Milch oder aber von anderen flüssigen Nahrungsmittel dienen.

    31.

    Tetra Pak ist weiterhin der Auffassung, das Gericht sei einem Rechtsirrtum unterlegen, indem es in Randnummer 71 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, der unbedeutende Marktanteil der nicht aus Karton bestehenden aseptischen Verpackungen lasse die Feststellung zu, daß diese mit den aseptischen Kartons nicht hinreichend austauschbar seien. Diese Rüge ist zurückzuweisen, da, wie soeben dargelegt, der Marktanteil eines Erzeugnisses im Verhältnis zu einem anderen Erzeugnis ein Faktor ist, der bei der Anwendung des Kriteriums der hinreichenden Austauschbarkeit berücksichtigt werden kann. Wenn sich nämlich über einen vernünftig bemessenen längeren Zeitraum hin eine Parallelentwicklung zwischen jeweiligem Anstieg oder Rückgang der Nachfrage nach dem einen und nach dem anderen Erzeugnis feststellen läßt, so kann dieser Umstand ein Indiz dafür sein, daß beide hinreichend austauschbar sind. Das Urteil in den verbundenen Rechtssachen Istituto Chemioterapico und Commercial Solvents/Kommission (im folgenden: Commercial Solvents) ( 10 ) bestätigt diese Auffassung, wenn es feststellt, daß die Existenz denkbarer Alternativverfahren oder von Praktiken geringen Umfangs keine Bedeutung für die Frage hat, ob der für die Herstellung von Etambutol sowie von Arzneimitteln auf Etambutolbasis benötigte Rohstoff (Nitropropan oder Aminobutanol) den relevanten Markt bildet.

    32.

    Schließlich beanstandet Tetra Pak, daß das angefochtene Urteil zum Zweck der Feststellung, ob zwischen den Märkten für aseptische und nichtaseptische Verpackungen eine hinreichende Austauschbarkeit bestand, lediglich die kurzfristige Substitutionsmöglichkeit berücksichtigt habe. Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen, da das Gericht in den Randnummern 66 bis 70 des angefochtenen Urteils die Unmöglichkeit eines Austausches zwischen aseptischen und nichtaseptischen Verpackungssystemen eingehend dargelegt hat, während Tetra Pak eingeräumt hat, daß die langfristige Umkehrung dieser Situation es angesichts der geringen Auswirkung der Verpackungskosten auf den Endpreis des erzeugten Nahrungsmittels erfordern würde, zur Beeinflussung der Verbraucher langwierige und kostspielige Werbe- und Förderungsmaßnahmen für die betreffenden Verpackungsarten zu treffen.

    33.

    Nach alledem bin ich der Meinung, daß das Gericht in dem angefochtenen Urteil das Kriterium der hinreichenden Austauschbarkeit korrekt angewendet hat, so daß der von Tetra Pak geltend gemachte Rcchtsmittclerund zurückzuweisen ist.

    Β — Zum zweiten Rechtsmittelgrund (Verhältnis zwischen beherrschtem Markt und Mißbrauch)

    34.

    Nach Ansicht der Rechtsmittelführcrin hat das Gericht zu Unrecht angenommen, Tetra Pak habe mit ihren Handelspraktiken auf den nichtaseptischen Märkten gegen Artikel 86 EWG-Vertrag verstoßen; auf diesen Märkten besitze das Unternehmen keine beherrschende Stellung. Nach Artikel 86 müsse der Mißbrauch auf dem beherrschten Markt stattfinden oder sich dort auswirken, d. h., beherrschende Stellung und Mißbrauch müßten auf demselben relevanten Produktmarkt gegeben sein.

    35.

    Dieser Rechtsmittelgrund ist von erheblicher Bedeutung, da er den Gerichtshof zur Befassung mit der Frage zwingt, welcher Zusammenhang im Hinblick auf die Anwendung des Verbots von Artikel 86 zwischen beherrschender Stellung und Mißbrauch bestehen muß. Zum ersten Mal wird diese Frage dem Gerichtshof derart klar und umfassend gestellt; ihre Beantwortung ist von entscheidender Wichtigkeit für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs von Artikel 86.

    36.

    Ich halte es für sinnvoll, vor der rechtlichen Prüfung, ob das Gericht in dem angefochtenen Urteil zum richtigen Ergebnis gelangt ist, im Hinblick auf die Anwendbarkeit von Artikel 86 einige allgemeine Betrachtungen über den Zusammenhang zwischen beherrschender Stellung und Mißbrauch — oder, was das gleiche bedeutet, zwischen dem beherrschten und dem von dem Mißbrauch betroffenen Markt — vorauszuschicken.

    37.

    Artikel 86 verbietet „die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen“. Diese Vorschrift fordert somit den Nachweis nicht nur einer Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels, sondern auch der beherrschenden Stellung des betroffenen Unternehmens sowie eines Mißbrauchs dieser Stellung. Was die beherrschende Stellung betrifft, so legt Artikel 86 lediglich ihre geographischen Voraussetzungen fest (Auswirkung auf den Gemeinsamen Markt oder eines wesentlichen Teils desselben); die Rechtsprechung des Gerichtshofes hat zur Abgrenzung des Handelsraums in bezug auf den die Wettbewerbsbedingungen und die wirtschaftliche Stärke des Unternehmens zu untersuchen sind, den Begriff des relevanten Produktmarkts entwickelt. ( 11 )

    38.

    Ebensowenig enthält Artikel 86 irgendwelche Hinweise zum Zusammenhang zwischen der beherrschenden Stellung und ihrer mißbräuchlichen Ausnutzung, so daß er im Grundsatz die Frage völlig offen läßt, ob der Mißbrauch innerhalb des relevanten Marktes lokalisiert sein muß oder nicht. Geht man von der Gemeinschaftsrechtsprechung aus, so lassen sich folgende Arten des Zusammenhangs zwischen beherrschender Stellung und Mißbrauch feststellen:

    a)

    Beherrschende Stellung und Mißbrauch sind auf ein und demselben Markt lokalisiert.

    b)

    Der Mißbrauch findet auf dem beherrschten Markt statt, wirkt sich jedoch auf einem anderen Markt aus, auf dem das Unternehmen keine beherrschende Stellung hat.

    c)

    Der Mißbrauch wird auf einem Markt, auf dem das Unternehmen keine beherrschende Stellung hat, zu dem Zweck begangen, die Stellung des Unternehmens auf dem beherrschten Markt zu verstärken.

    d)

    Der Mißbrauch rindet auf einem anderen Markt statt, der jedoch in einem Zusammenhang mit dem von dem Unternehmen beherrschten Markt steht und mit diesem verbunden ist.

    e)

    Beherrschende Stellung und Mißbrauch sind auf unterschiedlichen, miteinander nicht in Verbindung stehenden Märkten lokalisiert.

    Die Anwendung von Artikel 86 ist in den ersten drei von der Rechtsprechung des Gerichtshofes bereits erfaßten Fällen möglich, nicht jedoch im letzten Fall. Mit dem vierten Fall wird der Gemeinschaftsrichter erstmals im vorliegenden Rechtsstreit befaßt; das Gericht hat ihn in dem angefochtenen Urteil durch Anwendung von Artikel 86 entschieden, ebenso wie dies die Kommission in der angefochtenen Entscheidung getan hatte.

    39.

    Der Sachverhalt a), in dem der Mißbrauch auf dem beherrschten Markt stattfindet, ist der Musterfall der Anwendbarkeit von Artikel 86. Die Rechtsprechung des Gerichtshofes ist eindeutig; sie wendet Artikel 86, wie auch die Kommission und Tetra Pak anerkennen, in derartigen Fällen stets an. ( 12 )

    40.

    Die gegenteilige Lage ist gegeben, wenn ein Unternehmen eine beherrschende Stellung auf einem relevanten Markt innehat und auf einem anderen Markt, der zu dem beherrschten Markt weder in Beziehung steht noch mit ihm verbunden ist, mißbräuchliche Handelspraktiken anwendet [Fall e)]. In Abschnitt 18 ihrer Gegenerwiderung regt die Kommission an, der Gerichtshof möge sich nicht zur Frage der etwaigen Anwendbarkeit von Artikel 86 auf diese Art von Fällen äußern, in denen keinerlei Zusammenhang zwischen beherrschender Stellung sowie beherrschtem Markt einerseits und nicht beherrschtem Markt sowie kommerziellem Verhalten auf diesem Markt andererseits besteht. Die vorliegende Rechtssache gehöre nicht zu diesen Fällen, weswegen die Parteien hierzu keine ausreichenden Ausführungen gemacht hätten.

    41.

    Meines Erachtens kann diesem Vorbringen der Kommission nicht gefolgt werden; ich halte es für nützlich, darüber zu entscheiden, ob es möglich ist, Artikel 86 auf Sachverhalte anzuwenden, in denen kein Zusammenhang zwischen beherrschender Stellung und Mißbrauch besteht, weil beide auf jeweils unterschiedlichen, miteinander nicht verbundenen Märkten angesiedelt sind. Zu einem solchen Sachverhalt liegen bisher nur zwei ausdrückliche — überdies entgegengesetzte — Stellungnahmen von Generalanwälten in früheren Rechtssachen vor.

    Generalanwalt VerLoren van Themaat führte in seinen Schlußanträgen in der Rechtssache Michelin/Kommission aus, eine verbotene mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung könne nach dem Wortlaut von Artikel 86 auf einem relevanten Markt stattfinden, auf dem das betroffene Unternehmen keine beherrschende Stellung einnehme. ( 13 )

    Der Gerichtshof hat sich für einen objektiven Begriff der mißbräuchlichen Ausnutzung entschieden; hiernach muß die Kommission keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der beherrschenden Stellung und den Handelspraktiken nachweisen, die den Mißbrauch darstellen. ( 14 ) In der Rechtssache AKZO vertrat Gcncralanwalt Lenz die Auffassung, damit sei „noch nicht gesagt, daß das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung und deren Mißbrauch so weit voneinander getrennt werden können, daß sie auf verschiedenen relevanten Märkten anzutreffen sind. Ein völliger Verzicht auf die Einheit von beherrschtem und betroffenem Markt würde den ohnehin schwachen Zusammenhang trennen, der hier zwischen Marktmacht und Mißbrauch noch besteht“ ( 15 ).

    42.

    Nach meiner Auffassung lassen sich beherrschende Stellung und Mißbrauch nicht derart voneinander abkoppeln, daß sie sich auf voneinander völlig verschiedenen und getrennten Märkten manifestieren könnten. Eine solche Betrachtungsweise würde nämlich bedeuten, daß ein Unternehmen, das auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung besitzt, nicht auf anderen Märkten unter gleichen Bedingungen mit den übrigen Unternehmen in Wettbewerb treten könnte, da die zur Durchdringung dieser anderen Märkte erforderlichen Handelspraktiken in der Mehrzahl der Fälle einen Mißbrauch seiner beherrschenden Stellung darstellen würden. Überdies versetzt eine beherrschende Stellung auf einem bestimmten Markt das Unternehmen, das sie innehat, für eine Betätigung auf anderen Märkten nicht notwendig in eine günstigere Lage als andere Unternehmen. So wird z. B. ein Großunternehmen, das über bedeutende Anteile auf verschiedenen Märkten verfügt, ohne jedoch irgendeinen von ihnen zu beherrschen, besser in der Lage sein, mit Hilfe einer aggressiven Verkaufspolitik in einen neuen Markt einzudringen, als ein Unternehmen, das weniger stark ist, jedoch auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung innehat. Es wäre daher unlogisch, dem letztgenannten Unternehmen die in Artikel 86 normierte besondere Verantwortung aufzubürden, wenn es sich auf Märkten betätigt, die in keinerlei Zusammenhang mit dem beherrschten Markt stehen. Die gegenteilige Lösung würde nicht zur Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes beitragen, einem in Artikel 3 Buchstabe g EWG-Vertrag, auf den die Auslegung von Artikel 86 gestützt werden muß, niedergelegten Ziel.

    43.

    Zwischen diesen beiden Extremfällen liegen die drei anderen Fälle. Zu den Fällen b) und c) liegen bereits einige Urteile vor, die die Anwendbarkeit von Artikel 86 bestätigen.

    44.

    Im Fall b) findet der Mißbrauch auf dem beherrschten Markt statt, jedoch sind seine Wirkungen auf einem anderen Markt zu spüren, auf dem das Unternehmen keine beherrschende Stellung innehat. Das Urteil in der Sache Commercial Solvents sah das Verhalten dieser Gesellschaft — Weigerung, der Firma Zoja den für die Herstellung des gegen Tuberkulose wirkenden Medikaments Etambutol benötigten Rohstoff Aminobutanol zu liefern — als Verstoß gegen das Verbot des Artikels 86 an. Commercial Solvents nahm eine beherrschende Stellung auf dem Markt der für die Herstellung des in Rede stehenden Arzneimittels benötigten Rohstoffe ein; ihre Weigerung, zu liefern, stellte einen Mißbrauch ihrer beherrschenden Stellung innerhalb des beherrschten Marktes dar, dessen Wirkungen sich jedoch auf den Markt für Tuberkuloseheilmittel erstreckten, in den Commercial Solvents einzudringen wünschte.

    Das Urteil in der Rechtssache CBEM/CLT und IPB (im folgenden: CBEM) ( 16 ) wertete als Mißbrauch einer beherrschenden Stellung die Weigerung des Unternehmens CLT, Betreiberin des Fernsehsenders RTL, dessen Werbesendungen ausschließlich in den Händen der CLT-Tochtergesellschaft IPB lagen, mit Fernsehverkauf (Telemarketing) befaßten Unternehmen die Dienste zu leisten, die sie in die Lage versetzt hätten, ihre Tätigkeit über den Fernsehsender RTL auszuüben. CLT und IPB beherrschten den Markt der für belgische Zuschauer bestimmten Fernsehwerbung in französischer Sprache; ihre Absicht, in den hiermit zusammenhängenden Markt des Fernsehverkaufs einzudringen, veranlaßte sie zu einem wettbewerbsfeindlichen Verhalten auf dem beherrschten Markt — nämlich der Weigerung, Verkaufsanzeigen, in denen nicht die Telefonnummer von IPB angegeben war, über das Fernsehen auszustrahlen —, dessen Wirkungen auf dem untergeordneten Markt für Fernsehverkäufe zu spüren waren, auf dem CTL und IPB keine beherrschende Stellung innehatten.

    In beiden Fällen betrieben Unternehmen, die auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung innehatten, mißbräuchliche Handelspraktiken auf dem beherrschten Markt, um sich ohne objektive Notwendigkeit eine Neben- oder abgeleitete Tätigkeit auf einem benachbarten, aber getrennten Markt vorzubehalten, auf dem sie keine beherrschende Stellung hatten. Die Auswirkungen des Mißbrauchs auf diesem Markt sind bei der Entscheidung darüber zu berücksichtigen, ob Artikel 86 anwendbar ist ( 17 ).

    45.

    Im Fall c), dem Gegenteil des Falles b), wird der Mißbrauch auf einem Markt, auf dem das Unternehmen keine beherrschende Stellung innehat, zu dem Zweck begangen, dessen Stellung auf dem beherrschten Markt zu verstärken.

    Dem Urteil in der Rechtssache AKZO liegt ein Sachverhalt zugrunde, der sich mit einigen Abstrichen unter diesen Tatbestand subsumieren läßt. Es ging dort im wesentlichen um die Verdrängungspreise, die AKZO beim Verkauf von als Mehlzusatz verwendeten organischen Peroxiden praktizierte und durch die die Stellung des Unternehmens ECS in diesem Bereich geschwächt und es auf diese Weise daran gehindert werden sollte, auf dem von AKZO beherrschten Markt der zur Herstellung von Kunststoffen bestimmten organischen Peroxide aufzutreten. Der Gerichtshof sah als relevanten Markt den gesamten Markt für organische Peroxide an, obwohl er, etwas unklar ( 18 ), zwischen zwei Sektoren unterschied, nämlich dem der zur Herstellung von Kunststoffen bestimmten und dem der als Mehlzusatz verwendeten Peroxide. Der von AKZO begangene Mißbrauch — Anwendung anomal niedriger Preise — fand auf dem letztgenannten Sektor des relevanten Marktes statt, sollte sich jedoch auf dem Sektor der bei der Herstellung von Kunststoffen verwendeten Peroxide auswirken, dem Hauptmarkt von AKZO ( 19 ).

    In seinem Urteil in der Rechtssache British Gypsum/Kommission (im folgenden: British Gypsum) ( 20 ), das im Rcchtsmittelverfahren bestätigt wurde ( 21 ), stellte das Gericht fest, Artikel 86 sei auf einen Vorteil anwendbar, den das betroffene Unternehmen, das auf dem Markt für Gipsplatten eine beherrschende Stellung innehatte, auf einem getrennten Markt, dem für Gips, nur „treuen“ Kunden gewährte, die ausschließlich bei ihm Gipsplatten bezogen. Das Unternehmen bevorzugte bei der Lieferung von Gips die Kunden, die seine Gipsplatten kauften, um die Einfuhr von Gipsplatten aus anderen Mitglicdstaaten zu verhindern oder zu erschweren. Die auf dem Markt für Gips betriebene Handelspraktik sollte somit die beherrschende Stellung des Unternehmens auf dem Markt für Gipsplattcn verstärken.

    Mit dieser Rechtsprechung wird der Anwendungsbereich von Artikel 86 dahin ausgeweitet, daß dieser jedes mißbräuchliche kaufmännische Verhalten erfaßt, das sich auf den beherrschten Markt auswirkt, ohne Rücksicht darauf, ob es auf einem von diesem getrennten Markt stattfindet ( 22 ). In derartigen Fällen schwächt sich der Zusammenhang zwischen beherrschender Stellung und Mißbrauch ab, besteht jedoch weiter, da zumindest die Wirkungen des Mißbrauchs auf dem beherrschten Markt eintreten.

    46.

    Mit dem Fall d) — auf einem von dem beherrschten Markt getrennten, jedoch zu ihm in Beziehung stehenden und mit ihm verknüpften Markt begangener Mißbrauch — geht man einen Schritt weiter in der Richtung der Abschwächung des Zusammenhangs zwischen Mißbrauch und beherrschender Stellung. In der Gemeinschaftsrechtsprechung gibt es keinen Fall, der sich unter diesen Tatbestand subsumieren ließe, so daß das angefochtene Urteil bedeutsames richterliches Neuland bei der Anwendung von Artikel 86 beschreitet. Ich werde daher die Überlegungen darlegen, die das Gericht in dem angefochtenen Urteil angestellt hat, und sie anschließend im Lichte des Vorbringens untersuchen, auf das die Firma Tetra Pak ihr Rechtsmittel stützt.

    47.

    In Randnummer 122 des angefochtenen Urteils wird ausgeführt, „daß die Verhaltensweisen von Tetra Pak auf den nichtaseptischen Märkten im Kontext des vorliegenden Falles unter Artikel 86 EWG-Vertrag subsumiert werden können, ohne daß das Vorliegen einer beherrschenden Stellung auf diesen Märkten für sich genommen festgestellt werden müßte, weil die führende Stellung des Unternehmens auf den nichtaseptischen Märkten Tetra Pak eine Unabhängigkeit des Verhaltens gegenüber den auf den nichtaseptischen Märkten präsenten anderen Wirtschaftsteilnehmern gestatteten, die ihre besondere Verantwortung nach Artikel 86 für die Aufrechterhaltung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf diesen Märkten rechtfertigt“.

    48.

    Das Gericht gelangt zu diesem Ergebnis aufgrund von Erwägungen, die mit der Feststellung beginnen, Tetra Pak besitze eine beherrschende Stellung auf den Märkten für aseptische Maschinen und Kartons, da sie über einen Marktanteil von ungefähr 90 % verfüge, PKL mit den restlichen Marktanteilen von 10 % ihr einziger Wettbewerber sei und dem Zugang neuer Wettbewerber die Existenz zahlreicher Patentrechte sowie bedeutende technologische Schranken entgegenstünden.

    49.

    Im Anschluß hieran prüft das Gericht, ob die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 86 auf das Verhalten von Tetra Pak auch auf den nichtaseptischen Märkten vorliegen. In diesem Punkt folgt das Gericht den Ausführungen der Kommission in der angefochtenen Entscheidung und hält es nicht für erforderlich, darüber zu entscheiden, ob Tetra Pak im Hinblick auf die Anwendung von Artikel 86 eine beherrschende Stellung auf den nichtaseptischen Märkten innehatte. Im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofes ( 23 ) ließ sich, wie das Gericht ( 24 ) und die Kommission ( 25 ) annahmen, das Bestehen dieser beherrschenden Stellung verhältnismäßig leicht nachweisen. In der Tat besaß Tetra Pak 1985 einen Marktanteil von ungefähr 48 % bei Kartons und von etwa 52 % bei aseptischen Abfüllmaschinen, der 1987 auf etwa 55 % anwuchs und um 10 bis 15 % höher lag als die zusammengerechneten Marktanteile ihrer beiden wichtigsten Wettbewerber.

    50.

    In Randnummer 113 des angefochtenen Urteils stellt das Gericht fest, Artikel 86 enthalte keinen ausdrücklichen Hinweis, aus dem zu folgern wäre, daß der Mißbrauch auf dem relevanten Produktmarkt lokalisiert sein müsse. Das Gericht gelangte zu folgendem Schluß:

    „Der sachliche Anwendungsbereich der besonderen Verantwortung, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung trägt, ist daher ... anhand der spezifischen Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu ermitteln, die eine Situation geschwächten Wettbewerbs erkennen lassen ...“ (Randnr. 115)

    „Das Vorbringen der Klägerin, daß der Gemeinschaftsrichter jede Möglichkeit der Anwendung des Artikels 86 auf eine Handlung eines Unternehmens ausgeschlossen habe, das auf einem von dem beherrschten Markt verschiedenen Markt eine beherrschende Stellung innehabe, ist daher zurückzuweisen ...“ (Randnr. 116)

    51.

    Im vorliegenden Fall hat das Gericht entschieden, daß die Handelspraktiken von Tetra Pak auf den nichtaseptischen Märkten einen Verstoß gegen die besondere Verantwortung darstellten, die das Verbot von Artikel 86 diesem Unternehmen mit Rücksicht auf dessen führende Stellung auf den nichtaseptischen Märkten und die enge Verbindung zwischen diesen und den aseptischen Märkten auferlege, auf denen Tetra Pak eine beherrschende Stellung innegehabt habe.

    52.

    In Randnummer 115 des angefochtenen Urteils greift das Gericht auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes in den Rechtssachen Commercial Solvents, CBEM, AKZO und British Gypsum zurück, aus der es ableitet, daß Artikel 86 auf das Verhalten eines Unternehmens in beherrschender Stellung auf einem anderen als dem beherrschten Markt Anwendung finden könne. Diese Urteile fallen unter die Tatbestände b) und c), die ich bereits beschrieben habe, und können nur begrenzt als Präzedenzfälle für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten wie der hier vorliegenden Rechtssache herangezogen werden. ( 26 ) In der Tat bestand in all diesen Fällen, was den relevanten Markt betrifft, ein Zusammenhang zwischen beherrschender Stellung und Mißbrauch: Entweder fand der Mißbrauch auf dem beherrschten Markt statt und wirkte sich auf einem anderen Markt aus, oder er fand auf einem anderen Markt statt, verfolgte jedoch den Zweck, die Stellung des Unternehmens auf dem beherrschten Markt zu verstärken. Im vorliegenden Fall beherrscht Tetra Pak die Märkte für aseptische Verpackungen und begeht Mißbräuche auf den Märkten für nichtaseptische Verpackungen, so daß beherrschende Stellung und Mißbrauch auf jeweils verschiedenen relevanten Märkten lokalisiert sind. Es handelt sich somit um einen Rechtsstreit, der sich von den bisher in der Gemeinschaftsrechtsprechung untersuchten Fällen unterscheidet und wegen des zwischen aseptischen und nichtaseptischen Märkten bestehenden Zusammenhangs offenbar unter den Tatbestand d) fällt, nicht unter den Tatbestand e) — Lokalisierung von beherrschender Stellung und Mißbrauch auf verschiedenen, miteinander nicht in Verbindung stehenden Märkten —, so daß die Anwendbarkeit von Artikel 86 nicht ausgeschlossen werden kann.

    Die Urteile, die das Gericht erwähnt, stützen die Lösung, für die sich das angefochtene Urteil entschieden hat, nur insofern, als sie eine Tendenz der Rechtsprechung des Gerichtshofes widerspiegeln, die den erforderlichen Zusammenhang zwischen beherrschender Stellung und Mißbrauch immer mehr abschwächt, ohne sie jedoch ganz fallen zu lassen, denn es wird am Zusammenhang zwischen dem beherrschten Markt und demjenigen Markt festgehalten, auf dem der Mißbrauch stattfindet; sie kann darin bestehen, daß der Mißbrauch und seine Wirkungen beide Märkte beeinflussen.

    53.

    An dieser Stelle ist zu fragen, ob es im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Artikel 86 zulässig ist, das in dieser Bestimmung enthaltene Verbot auf die von Tetra Pak auf den nichtaseptischen Märkten begangenen Verstöße anzuwenden, wie es das angefochtene Urteil getan hat.

    54.

    Nach meiner Auffassung stellt die vom Gericht in dem angefochtenen Urteil gewählte Lösung eine lückenlose und zulässige, im Lichte des vom Gerichtshof eingeführten objektiven Mißbrauchsbegriffs folgerichtige Fortentwicklung der Rechtsprechung dar. ( 27 ) Wie ich meine, reicht der enge Zusammenhang zwischen den beiden relevanten Märkten aus, um den Zusammenhang zwischen beherrschender Stellung und Mißbrauch bejahen zu können, die Artikel 86 nach dieser Rechtsprechung des Gerichtshofes fordert.

    Ein solcher Zusammenhang besteht nicht, wenn die beiden relevanten Märkte zueinander nicht in Beziehung stehen. Wie ich dargelegt habe, wäre Artikel 86 in solchen Fällen nicht anwendbar, weil die Anwendung Wirkungen zeitigen würde, die der Aufrechterhaltung eines freien Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarktes zuwiderlaufen würden. Handelt es sich jedoch um zwei miteinander in engem Zusammenhang stehende oder verbundene Märkte, so kann Artikel 86 auf Mißbräuche anwendbar sein, die das Unternehmen, das auf dem anderen Markt eine beherrschende Stellung besitzt, auf dem von ihm nicht beherrschten Markt begangen hat. Diese Möglichkeit läge auf der Linie der Rechtsprechung des Gerichtshofes, die die Regel, wonach beherrschter und vom Mißbrauch betroffener Markt eine Einheit bilden müssen, abgeschwächt hat, um die Anwendung von Artikel 86 auf Fälle zu ermöglichen, in denen der auf dem beherrschten Markt begangene Verstoß einen anderen Markt berührt oder der Mißbrauch auf einem nicht beherrschten Markt zu dem Zweck stattfindet, die beherrschende Stellung des Unternehmens auf einem anderen Markt zu verstärken.

    55.

    Zweifellos stellt die Akzeptanz des Kriteriums des engen Zusammenhangs zwischen zwei Märkten die äußerste Grenze der Abschwächung des Prinzips der Einheit von beherrschtem Markt und durch den Mißbrauch betroffenem Markt dar. Dieses Kriterium ist nicht allzuweit vom Kriterium der Wirkungen des Mißbrauchs entfernt, das der Gerichtshof in seinen die oben untersuchten Tatbestände b) und c) betreffenden Urteilen herangezogen hat, denn je enger der Zusammenhang zwischen zwei Märkten ist, um so intensiver werden die Auswirkungen eines auf dem einen Markt begangenen Mißbrauchs auf den anderen Markt sein.

    56.

    Die Anwendbarkeit von Artikel 86 auf diese Fälle von Mißbräuchen, die ein Unternehmen, das einen bestimmten Markt beherrscht, auf einem mit diesem zusammenhängenden anderen Markt begeht, muß genau abgegrenzt werden, um zu verhindern, daß die Kommission von dieser Möglichkeit zu dem Zweck Gebrauch macht, den Anwendungsbereich des Verbots des Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung über Gebühr zu erweitern. Ein solches Ergebnis könnte in der Tat durch eine stark einschränkende Definition des relevanten Marktes erzielt werden, die es gestatten würde, ohne Schwierigkeiten eine beherrschende Stellung des betroffenen Unternehmens festzustellen und im Anschluß hieran andere, benachbarte Märkte als in engem Zusammenhang mit dem relevanten Markt stehend anzusehen, so daß das betroffene Unternehmen die besondere Verantwortung zu tragen hat, die ihm Artikel 86 für sein Verhalten auf diesen anderen Märkten auferlegt.

    57.

    Der Begriff der eng miteinander verbundenen oder zusammenhängenden Märkte läßt sich grundsätzlich nicht mit letzter Genauigkeit definieren. Es handelt sich um eine Frage, die die für die Anwendung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft zuständigen Behörden von Fall zu Fall entscheiden müssen. Bei dieser Bewertung müssen u. a. folgende Umstände berücksichtigt werden: die Nachfrage- und Angebotsstruktur der Märkte, die Merkmale der Produkte, der Rückgriff des beherrschenden Unternehmens auf seine Macht auf dem beherrschten Markt zum Zweck der Durchdringung des mit diesem zusammenhängenden Marktes, der Marktanteil des beherrschenden Unternehmens auf dem nicht beherrschten Markt und das Ausmaß, in dem das betroffene Unternehmen den beherrschten Markt kontrolliert. Eine Beurteilung dieser Art steht nicht, wie Tetra Pak in ihrer Rechtsmittelschrift behauptet, im Widerspruch zum Grundsatz der Rechtssicherheit. Im übrigen muß die Beziehung zwischen dem beherrschten und dem vom Mißbrauch betroffenen Markt eng sein, weshalb dieser neue Fall der Anwendbarkeit von Artikel 86 strikt auszulegen ist, so daß sich voraussichtlich nicht viele Sachverhalte unter ihn subsumieren lassen werden ( 28 ).

    58.

    Ich werde nunmehr prüfen, ob das Gericht in dem angefochtenen Urteil die von mir soeben beschriebenen Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 86 auf Fälle beachtet hat, in denen beherrschende Stellung und Mißbrauch in verschiedenen, jedoch eng miteinander verbundenen Märkten lokalisiert sind.

    59.

    In den Randnummern 120 und 121 des angefochtenen Urteils stellt das Gericht das Bestehen eines engen Zusamnmenhangs zwischen aseptischen und nichtaseptischen Märkten fest, wobei es sich auf folgende Tatsachen stützt, die im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens nicht in Frage gestellt werden können:

    Aseptische wie nichtaseptische Maschinen und Kartons werden für die Verpakkung derselben flüssigen, zur menschlichen Ernährung bestimmten Produkte, in erster Linie Milchprodukte und Fruchtsäfte, verwendet.

    Ein großer Teil der Kunden von Tetra Pak waren zugleich im aseptischen und im nichtaseptischen Bereich tätig. Tetra Pak hat ausgeführt, daß 1987 ungefähr 35 % ihrer Kunden sowohl aseptische als auch nichtaseptische Systeme erworben hätten.

    Zwei der Produzenten, Tetra Pak und PKL, waren bereits auf den vier Märkten präsent, während der dritte, Elopak, der im nichtaseptischen Bereich gut eingeführt war, seit langem versucht hatte, Zugang zu den aseptischen Märkten zu erlangen.

    Tetra Pak beherrschte mit ihrem Marktanteil von ungefähr 90 % den aseptischen Markt nahezu vollständig. Diese starke Stellung von Tetra Pak im aseptischen Bereich machte sie für die Unternehmen, die sowohl frische als auch lang haltbare flüssige Nahrungsmittel herstellen, zu einem fast nicht zu umgehenden Lieferanten aseptischer und einem privilegierten Lieferanten nichtaseptischer Systeme.

    Der technologische Vorsprung von Tetra Pak und ihr Quasimonopol im aseptischen Bereich erlaubten es ihr, ihre Wettbewerbsbemühungen auf die benachbarten nichtaseptischen Märkte zu konzentrieren, ohne Gegenmaßnahmen im aseptischen Bereich befürchten zu müssen.

    60.

    Wie ich meine, hat das Gericht mit dieser Aufzählung von Tatsachen den engen Zusammenhang zwischen aseptischen und nichtaseptischen Märkten in ausreichendem Maße nachgewiesen. Es hat die Merkmale von Angebot und Nachfrage, die Stellung von Tetra Pak auf dem beherrschten und dem mit diesem zusammenhängenden Markt sowie die von dem beherrschenden Unternehmen entwickelte Strategie für das Eindringen in den nicht beherrschten Markt in seine Bewertung einbezogen. Sämtliche aus dieser Bewertung abgeleiteten Ergebnisse bewiesen den Zusammenhang zwischen aseptischen und nichtaseptischen Märkten und gestatteten die Schlußfolgerung, daß Tetra Pak auch auf den nichtaseptischen Märkten gegenüber den übrigen Wirtschaftsteilnehmern unabhängig auftreten konnte.

    61.

    Nach Ansicht der Rechtsmittclführerin ist diese Betrachtungsweise nicht vertretbar, da der Gerichtshof sie in früheren ähnlichen Fällen zurückgewiesen habe, und zwar in den Rechtssachen Hoffmann-La Roche/Kommission und Michelin/Kommission. Die Analyse diser beiden Urteile durch die Rechtsmittelführerin geht fehl.

    In der Rechtssache Hoffmann-La Roche/Kommission nahm der Gerichtshof das Bestehen von acht relevanten Märkten an, die von acht verschiedenen Gruppen von Vitaminen gebildet wurden. Hoffmann-La Roche hatte auf allen diesen Märkten eine beherrschende Stellung inne, mit Ausnahme des Marktes für Vitamin B3, auf dem ihr Marktanteil geringer war. Das Unternehmen wurde wegen seiner mißbräuchlichen Handelspraktiken auf den sieben beherrschten Märkten mit Geldbuße belegt, nicht aber für seine entsprechenden Praktiken auf dem Markt für Vitamin B3. In diesem Fall hatte die Kommission sich nicht auf einen engen Zusammenhang zwischen diesem Markt und den anderen sieben Vitaminmärkten berufen; überdies stellte der Gerichtshof fest, daß die Firma Hoffmann-La Roche auf dem Markt für Vitamin B3 keinerlei Vorteil aus dem Umstand habe ziehen können, daß sie in der Lage gewesen sei, die anderen sieben Vitamine zu liefern, da ihre Konkurrenten die Käufer dieses Erzeugnisses mit einer breiten Skala anderer Erzeugnisse hätten beliefern können ( 29 ). Wie die Kommission in ihrer Antwort dargelegt hat, wird im vorliegenden Fall der Vorsprung von Tetra-Pak auf den nichtaseptischen Märkten, der auf ihrer monopolartigen Stellung auf den aseptischen Märkten beruht, nicht dadurch ausgeglichen, daß ihre Konkurrenten auf den nichtaseptischen Märkten den Kunden möglicherweise andere Arten von Erzeugnissen anbieten.

    Das Urteil in der Rechtssache Michelin/Kommission ist, wie das Gericht in Randnummer 116 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt hat, hier nicht einschlägig. Jenes Urteil sah eine zusätzliche Gratifikation, die mit auf dem Markt für PKW-Reifen angestrebten Verkaufszielen zusammenhing und von Michelin in den Niederlanden gewährt wurde, als nicht mit Artikel 86 unvereinbar an, weil sie nicht in Zusammenhang mit dem — als Verstoß gegen das Verbot von Artikel 86 angesehenen — Gratifikationssystem stand, das Michelin auf dem von ihr beherrschten Markt für LKW-Reifen praktizierte. Zwischen dem Markt für PKW-Reifen und dem für LKW-Reifen existierte keine enge Verbindung, da zwischen den jeweiligen Angebots- und Nachfragestrukturen auf den beiden Märkten wesentliche Unterschiede bestanden, die der Gerichtshof bei der Abgrenzung des relevanten Marktes betonte ( 30 ). Jene Rechtssache betraf daher einen Sachverhalt, der keine Ähnlichkeit mit dem aufweist, der dem angefochtenen Urteil zugrunde liegt.

    62.

    Nach alledem bin ich der Meinung, daß der vorliegende Rechtsmittelgrund zurückzuweisen ist.

    C — Zum dritten Klagegrund (Kopplungsverkauf von Kartonverpackungen und Abfüllmaschinen)

    63.

    Mit diesem Rechtsmittelgrund rügt Tetra Pak, daß das angefochtene Urteil Artikel 86 Buchstabe d angewendet habe; damit sei unberücksichtigt geblieben, daß das von der Firma praktizierte System der Kopplungsverkäufe dem natürlichen Zusammenhang zwischen Kartons und Abfüllmaschinen entsprochen und im Einklang mit dem Handelsbrauch in diesem Bereich gestanden habe.

    64.

    In den Randnummern 131 bis 141 des angefochtenen Urteils stellt das Gericht fest, Tetra Pak habe in ihre Verträge Standardklauseln eingefügt, wonach auf den von ihr verkauften Maschinen ausschließlich Tetra-Pak-Kartons hätten verwendet, Klausel ix), und Kartons lediglich bei ihr oder einem von ihr benannten Lieferanten hätten bezogen werden dürfen, Klauseln x) und xxv), womit bezweckt worden sei, die Märkte für Kartons und Abfüllmaschinen unlösbar miteinander zu verknüpfen.

    Die restlichen vierundzwanzig Vertragsklauseln — i) bis viii), xi) bis xxiv), xxvi) und xxvii) — seien Bestandteile einer Gesamtstrategie gewesen, die darauf abgezielt habe, den Kunden während der gesamten Lebensdauer der Maschinen völlig von Tetra Pak abhängig zu machen, wodurch bei Kartons wie bei mit ihnen zusammenhängenden Produkten jegliche Wettbewerbsmöglichkeit habe ausgeschaltet werden sollen.

    65.

    Das Gericht hat festgestellt, daß diese Klauseln über Kopplungsverträge mißbräuchlich gewesen seien, da sie die wirtschaftliche Abhängigkeit der Kunden von Tetra Pak durch die Verstärkung von deren beherrschender Stellung erhöht hätten.

    66.

    In ihrer Rechtsmittelschrift führt Tetra Pak aus, die Vertragsklauseln, die den Verkauf der Kartons an den der Abfüllmaschinen koppelten, seien nach dem Wortlaut von Artikel 86 Buchstabe d zulässig, da zwischen beiden Erzeugnissen eine natürliche Verbindung bestehe und ein solcher Kopplungsverkauf dem Handelsbrauch auf dem fraglichen Sektor entspreche.

    67.

    Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.

    68.

    Gemäß Artikel 86 Buchstabe d kann der durch diese Vorschrift verbotene Mißbrauch in „der an den Abschluß von Verträgen geknüpften Bedingung [bestehen], daß die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen“.

    69.

    Kopplungsverkaufssysteme für Erzeugnisse, die ihrer Natur nach trennbar sind und sich getrennt vermarkten lassen, stellen daher einen gegen Artikel 86 verstoßenden Mißbrauch dar, ebenso wie Kopplungsverkäufe in Wirtschaftszweigen, in denen sie nicht üblich sind. Zu Recht heißt es in dem angefochtenen Urteil, daß Kartons und Abfüllmaschinen keine ihrer Natur nach untrennbaren Erzeugnisse seien und daß die Handelsbräuche in dem betroffenen Wirtschaftszweig keinen Rückgriff auf das System der Kopplungsverkäufe forderten. Auf den nichtaseptischen Märkten gab es Unternehmen, die, wie Elopak, lange Zeit ausschließlich Kartons hergestellt hatten, die in von anderen Unternehmen hergestellten Abfüllmaschinen verwendet wurden. Überdies verwendeten andere kleine Hersteller von nichtaseptischen Kartons Abfüllmaschinen, die von nordamerikanischen oder japanischen Unternehmen stammten. Jedenfalls wird das Fehlen der behaupteten natürlichen Beziehung zwischen Kartons und Abfüllmaschinen unwiderleglich durch die Tatsache bewiesen, daß Tetra Pak sich auf die angefochtene Entscheidung hin verpflichtet hat, auf ihr System der Kopplungsverkäufe zu verzichten und anderen Unternehmen, die die Kartons für die Verwendung in ihren Abfüllmaschinen passend machen müssen, die hierfür erforderlichen technischen Angaben zur Verfügung zu stellen.

    70.

    Schließlich erscheint mir die Auslegung von Artikel 86 Buchstabe d unannehmbar, die Tetra Pak in ihrer Rechtsmittelschrift vertritt, daß nämlich dieser Bestimmung c contrario zu entnehmen sei, daß ein auf einem Markt eine beherrschende Stellung einnehmendes Unternehmen nicht mißbräuchlich handele, wenn es für ihrer Natur nach untrennbare Erzeugnisse ein System von Kopplungsverkäufen einführe oder wenn eine solche kaufmännische Praktik in dem fraglichen Sektor üblich sei. Wie die Kommission in ihrer Rechtsmittelbeantwortung darlegt, führt das Gericht in Randnummer 137 des angefochtenen Urteils hierzu zu Recht aus:

    „Selbst wenn aber ein solcher Brauch festgestellt werden könnte, würde dies nicht genügen, um den Rückgriff eines Unternehmens in beherrschender Stellung auf ein System von Kopplungsverkäufcn zu rechtfertigen. Ein Handelsbrauch, der bei normaler Situation auf einem vom Wettbewerb geprägten Markt annehmbar wäre, kann im Fall eines Marktes, auf dem der Wettbewerb bereits eingeschränkt ist, nicht gebilligt werden.“

    Ein System von Kopplungsverkäufen, das bei ihrer Natur nach untrennbaren Erzeugnissen angewandt wird oder den Handelsbräuchen des betroffenen Wirtschaftszweigs entspricht, stellt deshalb grundsätzlich einen Mißbrauch dar, soweit es nicht objektiv gerechtfertigt ist. Wie der Gerichtshof entschieden hat, handelt ein Unternehmen in beherrschender Stellung mißbräuchlich, wenn es seine Kunden unmittelbar oder mittelbar durch eine ausschließliche Bezugsverpflichtung bindet, da es sie hierdurch der Möglichkeit beraubt, ihre Bezugsquellen selbst zu wählen, und anderen Herstellern den Zugang zum Markt erschwert ( 31 ). Letzten Endes lassen sich von einem Unternehmen in beherrschender Stellung vorgenommene Kopplungsverkäufe nur ausnahmsweise durch die Natur der Erzeugnisse oder den Handelsbrauch rechtfertigen.

    71.

    Nach alledem ist der vorliegende Rcchtsmittclgrund zurückzuweisen.

    D — Zum vierten Rechtsmittelgrnnd (Verdrängnngspreise von Tetra-Rex-Kartons in Italien und von nichtaseptischen Abfüllmaschinen im Vereinigten Königreich)

    72.

    Mit diesem Rcchtsmittclgrund begehrt Tetra Pak die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit in ihm festgestellt wird, sie habe ihre beherrschende Stellung dadurch mißbraucht, daß sie die Tetra-Rex-Kartons in Italien und ihre nichtaseptischen Abfüllmaschinen im Vereinigten Königreich zu Verdrängungspreisen verkauft habe. Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin können diese Preise nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht als Verdrängungspreise angesehen werden: Tetra Pak habe bei vernünftiger Betrachtungsweise nicht die Möglichkeit gehabt, die ihr durch die Anwendung dieser Preise entstandenen Verluste wiedereinzubringen, da die Preise im nichtaseptischen Sektor praktiziert worden seien, in dem das Unternehmen keine beherrschende Stellung innehabe.

    73.

    Der Gerichtshof hat in seinem Urteil in der Rechtssache AKZO die Anwendbarkeit von Artikel 86 auf Verdrängungspreise näher bestimmt. Ausgehend vom objektiven Begriff der mißbräuchlichen Ausnutzung hat er ausgeführt, „daß Artikel 86 EWG-Vertrag es einem beherrschenden Unternehmen verbietet, einen Mitbewerber zu verdrängen und auf diese Weise die eigene Stellung zu stärken, indem es zu anderen Mitteln als denjenigen eines Leistungswettbewerbs greift“ ( 32 ). Aus dieser Sicht stellt er fest, nicht jeder Preiswettbewerb sei zulässig, und benennt anschließend zwei Fälle von Verdrängungspreisen, die gegen Artikel 86 verstießen.

    74.

    In erster Linie hält er ihrer Natur nach solche Preise für mißbräuchlich, „die unter den durchschnittlichen variablen Kosten (d. h. den Kosten, die je nach den produzierten Mengen variieren) liegen und mit deren Hilfe ein beherrschendes Unternehmen versucht, einen Konkurrenten auszuschalten“ ( 33 ). Verkauft ein beherrschendes Unternehmen seine Erzeugnisse zu Preisen, die unter den durchschnittlichen variablen Kosten liegen, so ist eine Verdrängungsabsicht zu vermuten, da ein solches Unternehmen „nur dann ein Interesse [hat], derartige Preise zu praktizieren, wenn es seine Konkurrenten ausschalten will, um die Preise danach unter Ausnutzung seiner Monopolstellung wieder anzuheben, denn jeder Verkauf bringt für das Unternehmen einen Verlust in Höhe seiner gesamten Fixkosten (d. h. der Kosten, die ungeachtet der produzierten Mengen konstant bleiben) und zumindest eines Teils der variablen Kosten je produzierte Einheit mit sich“ ( 34 ).

    75.

    Mißbräuchlich sind nach Ansicht des Gerichtshofes in zweiter Linie „auch Preise, die unter den durchschnittlichen Gesamtkosten — d. h. Fixkosten plus variable Kosten —, jedoch über den durchschnittlichen variablen Kosten liegen ..., wenn sie im Rahmen eines Plans festgelegt wurden, der die Ausschaltung eines Konkurrenten zum Ziel hat“ ( 35 ). Ein solcher Mißbrauch erfordert somit Verkäufe zu unter den durchschnittlichen Gesamtkosten liegenden Preisen sowie einen Plan zur Ausschaltung eines konkurrierenden Unternehmens.

    76.

    Für keinen dieser beiden im Urteil AKZO bezeichneten Fälle von Verdrängungspreisen fordert der Gerichtshof den Beweis, daß das beherrschende Unternehmen bei vernünftiger Betrachtungsweise die Möglichkeit habe, die absichtlich erlittenen Verluste später wiedereinzubringen. Das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, daß das Urteil AKZO in Randnummer 71 die Möglichkeit der Wiedereinbringung der Verluste zur Voraussetzung für die Annahme von Verdrängungspreisen mache, ist zurückzuweisen. Der Gerichtshof beschränkt sich in dieser Randnummer darauf, den Grund darzulegen, aus dem bei Verkäufen zu unter den durchschnittlichen variablen Preisen liegenden Kosten eine Verdrängungsabsicht zu vermuten ist.

    77.

    Zur Stützung ihres Vorbringens beruft sich die Rechtsmittelführerin auf die Rechtsprechung des Supreme Court der Vereinigten Staaten, insbesondere auf das Urteil vom 21. Juni 1993 in der Rechtssache Brooke Group/Brown & Williamson Tobacco ( 36 ), in dem ausgeführt wird, Verkäufe zu unter den Kosten liegenden Preisen könnten nur dann Verdrängungscharakter aufweisen, wenn das beherrschende Unternehmen vernünftigerweise darauf hoffen dürfe, die bewußt erlittenen Verluste später wiedereinzubringen. Der Supreme Court ist also der Auffassung, es lägen Verdrängungspreise vor, wenn die Verkäufe zu unter den Kosten liegenden Preisen stattfänden und das betroffene Unternehmen Aussicht auf Wiedereinbringung der erlittenen Verluste habe. Dieses zweite Erfordernis müsse besonders nachgewiesen werden, da die Möglichkeit der Wiedereinbringung der Verluste letztlich das Ziel der Strategie der Verdrängungspreise sei und es sich, wenn dieses Ziel nicht erreichbar sei, um eine Praxis zum Vorteil der Verbraucher handeln würde.

    78.

    Ich halte es nicht für angebracht, daß der Gerichtshof die Aussicht auf Wiedereinbringung der Verluste als weitere Voraussetzung für das Vorliegen von mit Artikel 86 unvereinbaren Verdrängungspreisen einführt, und zwar aus folgenden Gründen:

    Verkäufe mit Verlust zum Zweck der Ausschaltung eines Wettbewerbers wären eine selbstmörderische Praxis, wenn das beherrschende Unternehmen sie vornähme, ohne daß die Möglichkeit bestünde, die erlittenen Verluste wiedereinzubringen.

    Das wirtschaftliche Potential des beherrschenden Unternehmens und die Schwächung des Wettbewerbs auf dem beherrschten oder einem mit ihm zusammenhängenden Markt gewährleisten grundsätzlich die Wiedereinbringung der Verluste.

    Wie die Rechtsprechung des Supreme Court selbst deutlich macht, ist der Nachweis der Aussicht auf Wiedereinbringung der Verluste schwer zu führen und erfordert komplexe Marktanalysen.

    Die Wiedereinbringung der Verluste ist das vom beherrschenden Unternehmen angestrebte Ergebnis, aber die Verdrängungspreise stellen für sich allein eine wettbewerbsfeindliche Praktik dar, unabhängig davon, ob sie ihr Ziel erreichen oder nicht.

    79.

    Das Gericht hat in dem angefochtenen Urteil die im Urteil AKZO aufgestellten Kriterien korrekt angewendet, indem es feststellte, die zwischen 1976 und 1981 in Italien vorgenommenen Verkäufe von Tetra-Rex-Kartons hätten gegen Artikel 86 verstoßen, weil sie ihrer Natur nach darauf abgezielt hätten, Elopak auszuschalten und die führende Stellung von Tetra Pak auf den nichtaseptischen Märkten zu verstärken. Weiterhin wurden 1982 Tetra-Rex-Kartons zu unter den Gesamtkosten des Unternehmens liegenden Preisen verkauft, und zahlreiche, in Randnummer 151 des angefochtenen Urteils dargelegte Indizien belegen das Bestehen eines Plans von Tetra Pak zur Verdrängung von Elopak vom italienischen Markt, weshalb die in Rede stehende Praktik zu Recht als mißbräuchlich und mit Artikel 86 unvereinbar angesehen wurde. Die gleichen Überlegungen gelten für die im wesentlichen gleichartigen Ausführungen, mit denen das Gericht den Verdrängungscharakter der im Vereinigten Königreich von 1981 bis 1984 praktizierten Preise für nichtaseptische Abfüllmaschinen festgestellt hat.

    80.

    Die Rechtsmittelführerin meint, diese Praktiken der Anwendung von Verdrängungspreisen verstießen nicht gegen Artikel 86, weil sie sich auf den nichtaseptischen Märkten abgespielt hätten, auf denen Tetra Pak keine beherrschende Stellung innegehabt habe. Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen, da, wie oben dargelegt, die monopolähnliche Stellung von Tetra Pak auf den aseptischen Märkten und der enge Zusammenhang zwischen diesen und den nichtaseptischen Märkten zur Folge hatten, daß die von dem Unternehmen auf den nichtaseptischen Märkten begangenen Mißbräuche gegen Artikel 86 verstießen.

    81.

    Aus all diesen Gründen bin ich der Ansicht, daß der vorliegende Rechtsmittelgrund zurückzuweisen ist.

    E — Zum fünften Rechtsmittelgrund (Höhe der Geldbuße)

    82.

    Mit diesem Rechtsmittelgrund begehrt die Rechtsmittelführerin die Aufhebung der Geldbuße oder zumindest deren deutliche Herabsetzung, da das Gericht zu Unrecht die von Tetra Pak geltend gemachten mildernden Umstände, insbesondere die Tatsache, daß es für die angefochtene Entscheidung in einigen wichtigen Punkten keine Präzedenzfälle gegeben habe, unbeachtet gelassen habe. Im einzelnen trägt die Rechtsmittelführerin vor, das Gericht habe, ebenso wie die Kommission, bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße hinsichtlich der Kopplungsverkäufe, der Verdrängungspreise und der etwaigen Möglichkeit, daß ein Unternehmen mit beherrschender Stellung auf einem Markt einen Mißbrauch auf einem mit diesem zusammenhängenden, aber nicht beherrschten Markt begehen könne, das Fehlen von Präzedenzfällen nicht berücksichtigt.

    83.

    Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Das Gericht hat in dem angefochtenen Urteil den von Tetra Pak geltend gemachten innovativen Charakter der angefochtenen Entscheidung in Betracht gezogen, indem es dieses Vorbringen von Tetra Pak in Randnummer 228 des Urteils wie folgt wiedergab:

    „Die Kommission habe fünftens nicht berücksichtigt, daß es für ihre Methode der Umschreibung des Produktmarkts wie auch für ihre Theorie des ‚benachbarten Marktes‘, mit der sie die Anwendung des Artikels 86 EWG-Vertrag auf den nichtaseptischen Bereich begründet habe, keine Präzedenzfälle gebe.“

    84.

    Dieses Vorbringen wurde in Randnummer 239 des angefochtenen Urteils zurückgewiesen, wo es heißt: „[Selbst] wenn die Bestimmung der relevanten Produktmärkte und des Anwendungsbereichs des Artikels 86 EWG-Vertrag in bestimmter Hinsicht eine einigermaßen komplizierte Aufgabe gewesen sein mochte, [kann] dieser Umstand im vorliegenden Fall wegen der Offensichtlichkeit und der besonderen Schwere der sich aus den fraglichen Mißbräuchen ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen nicht zu einer Herabsetzung der Geldbuße führen ... Den in Randnummer 228 dieses Urteils wiedergegebenen Ausführungen der Klägerin zu bestimmten rechtlichen Wertungen in der Entscheidung, für die es angeblich keine Präzedenzfälle gab, kann daher nicht gefolgt werden.“

    85.

    Meines Erachtens sind diese Ausführungen zur Bemessung der Höhe der Geldbuße, mit denen das Gericht es abgelehnt hat, das Fehlen von Präzedenzfällen für die angefochtene Entscheidung als mildernden Umstand zu werten, zutreffend. Zu Kopplungsverkäufen und Verdrängungspreisen lagen bereits Entscheidungen der Kommission und des Gerichtshofes vor. Die Anwendung von Artikel 86 auf einen Mißbrauch, den ein beherrschendes Unternehmen auf einem verbundenen Markt begeht, auf dem es eine führende, aber keine beherrschende Stellung innehat, stellt dagegen zweifellos eine bedeutsame Neuerung dar. Diese Entwicklung der Anwendung von Artikel 86 liegt jedoch auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes, mit der der Grundsatz der Einheit von beherrschtem und durch den Mißbrauch betroffenen Markt abgeschwächt wurde. Überdies hätte die Kommission in jedem Fall die von Tetra Pak auf den nichtaseptischen Märkten begangenen Mißbräuche aufgrund der beherrschenden Stellung, die das Unternehmen auf diesen Märkten innehatte, ahnden können.

    86.

    Im übrigen wendet das angefochtene Urteil die von der Rechtsprechung des Gerichtshofes für die Bemessung der Höhe der Geldbuße aufgestellten Kriterien an, indem es feststellt, die von der Kommission gegen Tetra Pak verhängte Geldbuße von 75 Millionen ECU, die höchste jemals einem einzelnen Unternehmen auferlegte Buße, entspreche der Schwere, der Dauer und den Wirkungen der wettbewerbsfeindlichen Praktiken von Tetra Pak.

    87.

    Nach alledem schlage ich vor, diesen Rcchtsmittelgrund zurückzuweisen.

    Zu den Kosten

    88.

    Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Wenn, wie ich vorschlage, die Rechtsmittelgründe von Tetra Pak zurückgewiesen werden, ist das Unternehmen daher zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

    Ergebnis

    Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

    1.

    das Rechtsmittel zurückzuweisen,

    2.

    die Rechtsmittelführerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.


    ( *1 ) Originalsprache: Spanisch.

    ( 1 ) Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, 1I-755.

    ( 2 ) Entscheidung 92/163/EWG der Kommission vom 24. Juli 1991 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag (IV/31.043 —Tetra Pak II) (ABl. 1992, L 72, S. 1).

    ( 3 ) Die Entscheidung ist eine von drei Entscheidungen, die Tetra Pak betreffen. Die erste ist die Entscheidung 88/501/EWG vom 26. Juli 1988 betreffend ein Verfahren nach den Artikeln 85 und 86 EWG-Vertrag (Nr. Γν731.043 —Tetra Paki [BTG-Lizenz]) (ABl. L 272, S. 27), mit der die Kommission feststellte, Tetra Pak habe dadurch, daß sie mit dem Kauf des Liquipak-Konzerns eine ausschließliche Patentlizenz für ein neues Verfahren für die aseptische Verpackung von Milch, das sogenannte Ultrahochtemperatur (nachstehend: UHT)-Verfahren erworben habe, vom Zeitpunkt des Erwerbs bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung dieser Ausschließlichkcit gegen Artikel 86 verstoßen. Die gegen diese Entscheidung erhobene Klage wurde vom Gericht erster Instanz mit Urteil vom 10. Juli 1990 (Rechtssache T-51/89, Tetra Pak Rausing/Kommission, Slg. 1990, 1I-309) abgewiesen. Die zweite Entscheidung ist die Entscheidung 91/535/EWG vom 19. Juli 1991 zur Erklärung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt (Nr. IV/M068 —Tetra Pak/Alfa-Laval) (ABI. L 290, S. 35), mit der die Kommission gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Untcrnehmcnszusammenschlüssen (berichtigte Fassung Abi. 1990, L 257, S. 13) den Erwerb der Alfa-Laval AB durch Tetra Pak für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärte.

    ( 4 ) Der konsolidierte Umsatz der Tetra-Pak-Gruppc belief sich 1987 auf 2,4 und 1990 auf 3.6 Millionen ECU. Ungefähr 90 % dieses Umsatzes wurden auf den Märkten für Kartons, die übrigen 10 % auf den Märkten für Abfüllmaschinen und hiermit verbundene Tätigkeiten erzielt. 50 % des genannten Umsatzes wurden in der Gemeinschaft erwirtschaftet. In der Gemeinschaft ist Italien eines der Länder, wenn nicht das Land, in dem die Position von Tetra Pak am stärksten ist. Der konsolidierte Umsatz der sieben italienischen Unternehmen der Gruppe betrug 1987 204 Millionen ECU.

    ( 5 ) Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 37.

    ( 6 ) A. a. O., Fußnote 5, Randnr. 37.

    ( 7 ) Siehe C. Bellamy und G. Child, Derecho de la competencia en el mercado común, Civitas, Madrid, 1992, S. 508 ff.; V. Korah, An Introductory Guide to EC Competition Law and Practice, Sweet & Maxwell, London, 1994, S. 69 ff.

    ( 8 ) Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461.

    ( 9 ) AKZO/Kommission, Slg. 1991, I-3359, Randnr. 45.

    ( 10 ) Urteil vom 6. März 1974 in den verbundenen Rechtssachen 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, Randnr. 15).

    ( 11 ) Wegen einer Untersuchung des Begriffes des relevanten Marktes und seiner Problematik siehe C. Bolzé, Abus de position dominante, Répertoire Dalloz de droit communautaire, 1992.

    ( 12 ) Siehe die Urteile vom 21. Februar 1973 Ín der Rechtssache 6/72 (Europcmballagc und Continental Can Company/Kommission; im folgenden: Continental Can, Sig. 1973, 215), vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76 (United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207) und vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-53/92 Ρ (Hilti/Kommission, Sig. 1994, I-667).

    ( 13 ) Schußanträge des Gcneralanwalts VerLoren van Themaat in der Rechtssache Mîchclin/Kommission (a. a. O., Fußnote 5, S. 3529 ff.)

    ( 14 ) Urteil in der Rechtssache Hoffmann-La Roche/ Kommission (a. a. O., Fußnote 8, Randnr. 91).

    ( 15 ) Nr. 42 der Schlußanträge von Gcncralanwalt Lenz in der Rechtssache, in der das oben (Fußnote 9) zitierte Urteil AKΖO ergangen ist.

    ( 16 ) Urteil vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 311/84 (Slg. 1985, 3261).

    ( 17 ) Vgl. Randnr. 22 des Urteils Commercial Solvents (a. a. O., Fußnote 10).

    ( 18 ) Vgl. Randnrn. 40 bis 45 des Urteils AKZO (a. a. O., Fußnote 9).

    ( 19 ) Vgl. hierzu R. Subiotto, The Special Responsibility oí Dominant Undertakings Not to Impair Genuine Undistorted Competition, World Competition 1995, S. 11 f.

    ( 20 ) Urteil vom 1. April 1993 in der Rechtssache T-65/89 (Slg. 1993, II-389).

    ( 21 ) Urteil vom 6. Aprii 1995 in der Rechtssache C-310/93 P (British Gypsum/Kommission, Slg. 1995, I-865).

    ( 22 ) Vgl. in diesem Sinne L. Sanfilippo, Abuse of Freedom of Conduct: Neighbouring Markets and Application of Article 86, Europen Business Law Review, März 1995, S. 73.

    ( 23 ) Ein Marktanteil von 50 % erbringt für sich selbst, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, den Nachweis des Bestehens einer beherrschenden Stellung, wie der Gerichtshof in Randnr. 60 seines Urteils AKZO (a. a. O., Fußnote 9) festgestellt hat.

    ( 24 ) Randnr. 119 des angefochtenen Urteils.

    ( 25 ) Punkt 99 der angefochtenen Entscheidung.

    ( 26 ) In seinen Schlußanträgen in der Rechtssache British Gypsum stellt Gencralanwalt Léger die Frage, ob ein Mißbrauch berücksichtigt werden kann, der auf einem anderen Markt als demjenigen begangen worden war, auf dem die beherrschende Stellung festgestellt wurde. Aufgrund der Urteile in den Rechtssachen Commercial Solvents, ΛΚΖΟ und CBEM gelangt er zu dem Schluß, der Gerichtshof bejahe diese Frage für den Fall, daß ein Zusammenhang zwischen beiden Märkten besteht. Das vorliegend angefochtene Urteil in der Sache Tetra Pak hält er für eine weitere Entscheidung in diesem Sinne. Siehe insbesondere die Abschnitte 82 bis 85 seiner Schlußanträge in der Rechtssache, in der das in Fußnote 21 zitierte Urteil British Gypsum ergangen ist.

    ( 27 ) Vgl. u. a. die Urteile Continental Can (a. a. O., Fußnote 12, Randnr. 27) und Hoffmann-La Rochc/Kommission (a. a. O., Fußnote 8, Randnr. 91).

    ( 28 ) Vgl. in diesem Sinne N. Levy, Tetra Pak II: Stretching the Limits of Article 86?, European Competition Law Review, 1995, Nr. 2, S. 109.

    ( 29 ) Vgl. Randnr. 46 des Urteils Hoffmann-La Roche/Kommission (a. a. O., Fußnote 8).

    ( 30 ) Randnrn. 39 bis 44 des Urteils Michelin/Kommission (a.a.O., Fußnote 5).

    ( 31 ) Vgl. die Urteile Hoffmann-La Rochc/Kommission (a. a. O., Fußnote 8, Randnrn. 89 und 90) und ΛΚΖΟ (a. a. O., Fußnote 9, Randnr. 149).

    ( 32 ) A. a. O., Fußnote 9, Randnr. 70.

    ( 33 ) Urteil AKZO, a. a. O., Fußnote 9, Randnr. 71.

    ( 34 ) Urteil AKZO, a. a.. O., Fußnote 9, Randnr. 71.

    ( 35 ) Urteil AKZO, a. a. O., Fußnote 9, Randnr. 72.

    ( 36 ) Nr. 92-466.

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