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Document 61992CC0272

    Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 12. Mai 1993.
    Maria Chiara Spotti gegen Freistaat Bayern.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Arbeitsgericht Passau - Deutschland.
    Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Gleichbehandlung - Dauer der Verträge von Fremdsprachenlektoren.
    Rechtssache C-272/92.

    Sammlung der Rechtsprechung 1993 I-05185

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1993:181

    61992C0272

    Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 12. Mai 1993. - MARIA CHIARA SPOTTI GEGEN FREISTAAT BAYERN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: ARBEITSGERICHT PASSAU - DEUTSCHLAND. - FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER - GLEICHBEHANDLUNG - DAUER DER VERTRAEGE VON FREMDSPRACHENLEKTOREN. - RECHTSSACHE C-272/92.

    Sammlung der Rechtsprechung 1993 Seite I-05185


    Schlußanträge des Generalanwalts


    ++++

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    1. In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof erneut aufgefordert, sich mit der gemeinschaftsrechtlichen Stellung von Personen zu befassen, die in einem anderen Mitgliedstaat als Fremdsprachenlektoren tätig sind. Bei der Rechtssache handelt es sich um ein Vorabentscheidungsersuchen des Arbeitsgerichts Passau, das folgende Fragen vorgelegt hat:

    1) Ist ein nationales Gesetz eines Mitgliedstaats, das für die Tätigkeit von Fremdsprachenlektoren eine Sonderregelung hinsichtlich der Vertragsdauer aufstellt, die begrenzt ist (§§ 57b Absatz 3, 57c Absatz 2 des Hochschulrahmengesetzes ° HRG ° in Verbindung mit Artikel 27 Absatz 3 des Bayerischen Hochschullehrergesetzes), während für sonstige Lehrkräfte für besondere Aufgaben (§ 56 HRG) eine derartige Begrenzung der Vertragsdauer nicht vorgeschrieben ist, mit Artikel 48 Absatz 2 EWG-Vertrag vereinbar?

    2) Ist eine solche Vereinbarkeit jedenfalls dann gegeben, wenn eine derartige gesetzliche Begrenzung auf besondere sachliche Gründe, insbesondere die Sicherung eines aktualitätsbezogenen Unterrichts, gestützt wird?

    2. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine italienische Staatsangehörige, die seit 1. November 1986 in Deutschland an der Universität Passau als Fremdsprachenlektorin beschäftigt war. Sie schloß zunächst einen Dienstvertrag für ein Jahr (1. November 1986 bis 31. Oktober 1987). Am 22. September 1987 schloß sie einen zweiten Vertrag, durch den ihre Beschäftigung für weitere vier Jahre (1. November 1987 bis 31. Juli 1991) fortgesetzt wurde. Am 10. Juli 1991 lehnte die Universität ihr Verlangen nach einer weiteren Verlängerung ihres Vertrags mit der Begründung ab, nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes und Bayerns sei die Beschäftigung als Fremdsprachenlektor auf eine Hoechstdauer von fünf Jahren beschränkt.

    3. Die Klägerin trägt vor, daß die Weigerung, ihren Beschäftigungsvertrag über eine Hoechstdauer von fünf Jahren hinaus zu verlängern, mit Artikel 48 Absatz 2 EWG-Vertrag unvereinbar sei. Sie verweist auf das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache 33/88 (Allué u. a./Università degli studi di Venezia, Slg. 1989, 1591 [Allué I]) und macht geltend, die in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze fänden auch auf den vorliegenden Sachverhalt Anwendung. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Rechtsvorschriften, die Gegenstand der Rechtssache Allué I waren, Anlaß zu weiteren Vorlagen italienischer Gerichte gegeben haben, vgl. verbundene Rechtssachen C-259/91, C-331/91 und C-332/91, Allué u. a., in denen Generalanwalt Lenz am 20. Januar 1993 seine Schlussanträge vorgetragen hat. Im Urteil Allué I hat der Gerichtshof entschieden, daß Artikel 48 Absatz 2 EWG-Vertrag der Anwendung einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die die Dauer des Arbeitsverhältnisses zwischen den Universitäten und den Fremdsprachenlektoren begrenzt, während eine solche Begrenzung für die übrigen Arbeitnehmer grundsätzlich nicht besteht.

    4. Im folgenden werde ich zunächst die deutschen Rechtsvorschriften, die den Gegenstand des Ausgangsverfahrens bilden, kurz zusammenfassen und dann erörtern, wie die im Urteil Allué I aufgestellten Grundsätze auf diese Rechtsvorschriften anzuwenden sind. Artikel 48 Absatz 2 EWG-Vertrag verlangt, wie erinnerlich, die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Ausserdem ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) folgendes vorsieht:

    "Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer."

    Die deutschen Rechtsvorschriften

    5. Wie die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, ergibt sich aus der Rechtsprechung der deutschen Gerichte, daß ein Arbeitsvertrag nach deutschem Recht nur dann für einen begrenzten Zeitraum geschlossen werden darf, wenn ein sachlicher Grund für eine solche Befristung besteht. Ich werde solche Arbeitsverträge als "befristete Arbeitsverträge" bezeichnen.

    6. Bestimmungen über den Abschluß befristeter Arbeitsverträge durch Hochschulen und Forschungseinrichtungen finden sich im Hochschulrahmengesetz vom 26. Januar 1976 (im folgenden: HRG) in der durch Artikel 1 des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen vom 14. Juni 1985 (BGBl. 1985 I S. 1065) geänderten Fassung.

    7. Durch diese Änderung wurden die §§ 57a bis 57f in das HRG eingefügt. § 57a regelt die Gruppen von Arbeitnehmern, für die diese neuen Bestimmungen gelten; zu ihnen gehören insbesondere die in § 53 HRG genannten "wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter", das in § 54 genannte "Personal mit ärztlichen Aufgaben" und die in § 56 genannten "Lehrkräfte für besondere Aufgaben".

    8. Gemäß § 57b Absatz 1 ist der Abschluß befristeter Arbeitsverträge mit dem in § 57a genannten Personal zulässig, wenn die Befristung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, es sei denn, es bedarf nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen keines solchen Grundes. Nach § 57b Absatz 2 liegen sachliche Gründe bei den in den §§ 53 und 54 genannten Arbeitnehmern auch vor, (1) wenn die Beschäftigung eines Mitarbeiters seiner Weiterbildung als wissenschaftlicher oder künstlerischer Nachwuchs oder seiner beruflichen Aus-, Fort- oder Weiterbildung dient, (2) wenn er aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, (3) wenn er besondere Kenntnisse und Erfahrungen erwerben oder vorübergehend einbringen soll, (4) wenn er überwiegend aus Mitteln Dritter vergütet wird oder (5) wenn er erstmals eingestellt wird.

    9. Gemäß § 57b Absatz 3 liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags mit einer fremdsprachlichen Lehrkraft vor, wenn ihre Beschäftigung überwiegend für die Ausbildung in Fremdsprachen erfolgt (Lektor).

    10. § 57c Absatz 2 schreibt für befristete Arbeitsverträge nach § 57b Absatz 2 Nrn. 1 bis 4 und Absatz 3 eine Hoechstdauer von fünf Jahren vor. Wenn ein Arbeitnehmer bei derselben Hochschule aufgrund mehrerer solcher Verträge beschäftigt wird, darf die Gesamtdauer der Verträge fünf Jahre nicht überschreiten. Ein nach § 57b Absatz 2 Nr. 5 befristeter Arbeitsvertrag kann bis zur Dauer von zwei Jahren geschlossen werden. Schließlich enthalten die Absätze 3 bis 6 von § 57c verschiedene Ausnahmen von diesen Erfordernissen, die im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung sind.

    11. Wir sehen, daß nach den genannten Bestimmungen des HRG der Abschluß befristeter Arbeitsverträge mit Fremdsprachenlektoren zulässig, aber nicht zwingend vorgeschrieben ist. Im Fall bayerischer Universitäten ist es jedoch so, daß die Beschäftigung solcher Lektoren nur durch befristete Arbeitsverträge erfolgen kann, die fünf Jahre nicht überschreiten (vgl. Artikel 27 Absatz 3 des Bayerischen Hochschullehrergesetzes).

    Fremdsprachenlektoren und Gemeinschaftsrecht

    12. Wie ich bereits erwähnt habe, hat der Gerichtshof im Urteil Allué I entschieden, daß nationale Vorschriften, die die Beschäftigung von Fremdsprachenlektoren zeitlich begrenzen, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sind, wenn eine solche Begrenzung für die übrigen Arbeitnehmer grundsätzlich nicht besteht (siehe oben, Nr. 3). Nach Ansicht der deutschen Regierung unterscheiden sich jedoch die nationalen Bestimmungen, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht, von den Bestimmungen, die Gegenstand des Urteils Allué I waren. Bei den letztgenannten Bestimmungen war es so, daß die Beschäftigung von Arbeitnehmern, die keine Fremdsprachenlektoren waren, keiner zeitlichen Begrenzung unterlag. Generalanwalt Lenz hat unter Nr. 19 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Allué I ausgeführt:

    "Mit Ausnahme der 'Vertragsprofessoren' , die aufgrund eines einjährigen, höchstens zweimal verlängerbaren Vertrages über eine selbständige Tätigkeit beschäftigt werden, wird das Lehr- und Forschungspersonal [an italienischen Universitäten] ... auf Dauerplanstellen beschäftigt, die nach der Durchführung eines Auswahlverfahrens besetzt werden. Darüber hinaus gelten ... nach dem allgemeinen italienischen Arbeitsrecht Arbeitsverträge als auf unbestimmte Zeit geschlossen."

    In der Rechtssache Allué I bestand somit kein Zweifel daran, daß Fremdsprachenlektoren im Hinblick auf die mit ihren Arbeitsverträgen verbundenen zeitlichen Begrenzungen anders behandelt wurden als andere Arbeitnehmer und daß sie insbesondere anders behandelt wurden als das übrige Universitätspersonal. Da ebenfalls feststand, daß diese unterschiedliche Behandlung einen wesentlich grösseren Teil von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten betraf als italienische Staatsangehörige, ging es in der Rechtssache Allué I allein um die Frage, ob die unterschiedliche Behandlung sachlich gerechtfertigt werden konnte. Die Bestimmungen, die Gegenstand der vorliegenden Rechtssache sind, sehen dagegen die Möglichkeit befristeter Arbeitsverträge auch für anderes Universitätspersonal als Fremdsprachenlektoren vor. Sie sehen diese Möglichkeit insbesondere bei anderen "Lehrkräften für besondere Aufgaben" vor (vgl. die §§ 56 und 57a HRG), bei denen es sich um die Arbeitnehmer handelt, mit denen Fremdsprachenlektoren wohl am ehesten vergleichbar sind.

    13. Die deutsche Regierung nennt einen zweiten Grund, aus dem sich die vorliegenden Bestimmungen von den Rechtsvorschriften in der Rechtssache Allué I unterschieden. Sie weist darauf hin, daß die in den italienischen Rechtsvorschriften vorgesehene zeitliche Begrenzung zwingend gewesen sei, während § 57b HRG nur die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge regele. Das Hochschulrahmengesetz schließe somit nicht aus, daß Fremdsprachenlektoren auf der Grundlage unbefristeter Arbeitsverträge eingestellt werden könnten. Wie ich jedoch bereits erwähnt habe, schließt die im vorliegenden Fall anwendbare bayerische Regelung eine solche Möglichkeit tatsächlich aus.

    14. Nach Ansicht der Kommission sind Rechtsvorschriften der vorliegenden Art aus im wesentlichen denselben Gründen mit Artikel 48 Absatz 2 EWG-Vertrag unvereinbar, wie sie für die Rechtsvorschriften in der Rechtssache Allué I galten. Obwohl die deutschen Rechtsvorschriften im Gegensatz zu den italienischen vorsähen, daß sowohl Fremdsprachenlektoren als auch anderes Universitätspersonal auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge eingestellt werden könnten, bleibe die Tatsache bestehen, daß die Umstände, unter denen eine solche Einstellung zulässig sei, unterschiedlich sein könnten. Bei Fremdsprachenlektoren sei die Beschäftigung auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags gemäß § 57b Absatz 3 HRG automatisch gerechtfertigt. Bei anderem Universitätspersonal müsse dagegen den Umständen jedes Einzelfalls ein sachlicher Grund entnommen werden. Ausserdem werde die Beschäftigung von Fremdsprachenlektoren in Bayern zwingend auf fünf Jahre begrenzt, während es eine solche zwingende Begrenzung für andere Gruppen des Universitätspersonals nicht gebe.

    15. Die Kommission weist auch darauf hin, daß der Gerichtshof in der Rechtssache Allué I die Frage behandelt habe, ob besondere Beschränkungen der Beschäftigung von Fremdsprachenlektoren damit gerechtfertigt werden können, daß diese Lektoren eine auf dem neuesten Stand befindliche Kenntnis ihrer Muttersprache besitzen müssen. Der Gerichtshof hat hierzu in Randnummer 14 des Urteils bemerkt,

    "daß die Gefahr, den Kontakt mit der Muttersprache zu verlieren, angesichts der Intensivierung des kulturellen Austauschs und der Kommunikationserleichterungen gering ist und daß ausserdem die Universitäten jedenfalls die Möglichkeit haben, den Stand der Kenntnisse der Lektoren zu überprüfen".

    Der Gerichtshof hat ausserdem festgestellt, daß der Lektor nach den fraglichen Rechtsvorschriften von einer anderen Universität wiederum für den Hoechstzeitraum eingestellt werden konnte, eine Erwägung, die auch auf die Regelung in § 57c Absatz 2 HRG zutrifft. Es dürfte daher wohl keinen vernünftigen Grund geben, die in dieser Bestimmung vorgesehene zeitliche Grenze von fünf Jahren für jede einzelne Universität festzulegen.

    16. Es scheint mir unbestreitbar zu sein, daß die Ausführungen des Gerichtshofes in der Rechtssache Allué I auch für den vorliegenden Fall gelten. Es trifft zu, daß die deutschen Rechtsvorschriften, zumindest auf der Ebene der Rahmenbestimmungen im HRG, weniger eindeutig diskriminierend sind als die italienischen Rechtsvorschriften, um die es in der Rechtssache Allué I ging, da die deutschen Rechtsvorschriften die Beschäftigung mehrerer Gruppen des Universitätspersonals mit befristeten Arbeitsverträgen zulassen. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß Fremdsprachenlektoren ° und zwar diejenigen, deren Muttersprache zufällig nicht Deutsch ist ° für eine besondere Behandlung herausgesucht werden. Ihnen kann die Vergünstigung eines unbefristeten Arbeitsvertrags allein wegen ihrer Stellung als Fremdsprachenlektoren verweigert werden; andere Lehrkräfte für besondere Aufgaben können dagegen nur aus einem Grund, der mit ihren besonderen Verhältnissen zusammenhängt, auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge beschäftigt werden.

    17. Eine deutsche Universität wäre zweifellos auch ohne die Regelung in § 57b Absatz 3 HRG in der Lage, Fremdsprachenlektoren auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge zu beschäftigen. Die Universität müsste dafür jedoch einen sachlichen Grund haben, der über den blossen Umstand hinausginge, daß die betreffende Person als Fremdsprachenlektor beschäftigt wird. Selbst wenn Fremdsprachenlektoren der Regelung in § 57b Absatz 2 unterworfen würden, der gegenwärtig nur für die in den §§ 53 und 54 HRG genannten Gruppen von Beschäftigten und für "wissenschaftliche Hilfskräfte" gilt, müssten noch immer konkrete, auf den tatsächlichen Umständen des Falles beruhende Gründe für die Beschäftigung auf der Grundlage eines solchen Vertrags angegeben werden (ausser im Fall einer erstmaligen Einstellung; siehe oben, Nrn. 8 und 10). Fremdsprachenlektoren werden somit schlechter behandelt als andere Universitätsangestellte, denen Kurzzeitverträge angeboten werden können. Bei den in Bayern geltenden besonderen Bestimmungen ist die unterschiedliche Behandlung noch offensichtlicher, da nach bayerischem Recht, wie wir gesehen haben, die Beschäftigung von Fremdsprachenlektoren zwingend auf fünf Jahre beschränkt ist, nicht aber die Beschäftigung des sonstigen Universitätspersonals.

    18. Die deutsche Regierung räumt in ihren schriftlichen Erklärungen nicht ein, daß die deutschen Rechtsvorschriften zu einer Diskriminierung führten; sie gibt jedoch auch keinen Grund an, der die sowohl nach Bundesrecht als auch nach bayerischem Recht unterschiedliche Behandlung von Fremdsprachenlektoren im Vergleich zu anderen Gruppen des Universitätspersonals rechtfertigen würde. Wie wir gesehen haben, wurde der in der zweiten Frage des Arbeitsgerichts genannte Grund, nämlich das Erfordernis einer auf dem neuesten Stand befindlichen Kenntnis der Sprache, vom Gerichtshof in der Rechtssache Allué I zurückgewiesen (siehe oben, Nr. 15). Mir scheint, daß die Ausführungen des Gerichtshofes zu diesem Punkt auch für die in den bayerischen Rechtsvorschriften vorgesehene zwingende zeitliche Begrenzung von fünf Jahren gelten müssen. Ferner ist nicht bestritten worden, daß die durch die Rechtsvorschriften des fraglichen Mitgliedstaats herbeigeführte schlechtere Behandlung, wie es in der Rechtssache Allué I der Fall war, mit besonderer Wahrscheinlichkeit Angehörige anderer Mitgliedstaaten trifft. Eine solche Behandlung stellt somit eine indirekte Diskriminierung dar, die gegen Artikel 48 Absatz 2 EWG-Vertrag verstösst.

    19. Daher kann meiner Meinung nach kein Zweifel daran bestehen, daß Rechtsvorschriften der im vorliegenden Fall anwendbaren Art, die eine zwingende zeitliche Begrenzung von fünf Jahren vorsehen, mit dem im EWG-Vertrag aufgestellten Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbar sind. Wenn eine zwingende zeitliche Begrenzung wie die im bayerischen Recht vorgeschriebene fehlt, könnte die Frage auftauchen, ob eine unterschiedliche Behandlung, wie sie sich aus dem HRG selbst ergibt, durch das Erfordernis einer auf dem neuesten Stand befindlichen Kenntnis der betreffenden Sprache gerechtfertigt sein kann. Es sei daran erinnert, daß § 57b Absatz 3 HRG es einer Universität ermöglicht, Fremdsprachenlektoren auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags zu beschäftigen, sie aber dazu nicht verpflichtet. Man könnte die Ansicht vertreten, daß eine solche Bestimmung erforderlich ist, um der Universität ein ausreichendes Ermessen einzuräumen, in geeigneten Fällen befristete Arbeitsverträge zu schließen. Obgleich also klar ist, daß ein solcher Grund nicht angeführt werden kann, um eine nach nationalem Recht vorgeschriebene zwingende zeitliche Begrenzung zu rechtfertigen, kann eine Universität doch den Wunsch haben, über das nötige Ermessen zu verfügen, um einige ihrer Fremdsprachenlektoren für eine begrenzte Zeit einzustellen.

    20. Meines Erachtens kann eine Bestimmung wie § 57b Absatz 3 HRG jedoch nicht auf einer solchen Basis gerechtfertigt werden. Wie wir gesehen haben, ist die Einstellung auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags nach deutschem Recht bereits zulässig, wenn sachliche Gründe für eine solche Einstellung bestehen. Soweit eine Universität einen sachlichen Grund für die Beschäftigung eines Fremdsprachenlektors auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags hat, ist sie folglich dazu berechtigt, obwohl alle angegebenen Gründe vermutlich der Prüfung durch das nationale Gericht unterliegen. Das durch § 57b Absatz 3 eingeräumte unbegrenzte Ermessen, solche Einstellungen vorzunehmen, ist somit nicht erforderlich. Seine einzige praktische Auswirkung besteht darin, daß jede Möglichkeit beseitigt wird, die Entscheidung, keinen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten, anhand des nationalen Rechts gerichtlich zu überprüfen. Auch ohne die durch die bayerischen Rechtsvorschriften vorgeschriebene zwingende zeitliche Begrenzung scheinen mir daher Bestimmungen der fraglichen Art mit dem Diskriminierungsverbot in Artikel 48 Absatz 2 EWG-Vertrag unvereinbar zu sein.

    21. Es ist jedoch hervorzuheben, daß die Beschäftigung von Fremdsprachenlektoren auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge in Einzelfällen nicht zwangsläufig als solche mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist, wenn nach dem fraglichen nationalen Recht auch anderes Universitätspersonal auf der Grundlage solcher Verträge eingestellt werden kann. In bezug auf das deutsche Recht ist daran zu erinnern, daß bei Personal, das unter die §§ 53 und 54 HRG fällt, die Tatsache, daß es sich um eine erstmalige Einstellung handelt, ein hinreichender Grund für einen befristeten Arbeitsvertrag ist. Das Gemeinschaftsrecht würde der Anwendung der gleichen Bestimmung auf Fremdsprachenlektoren nicht entgegenstehen, soweit sie mit diesen Gruppen des Personals vergleichbar wären ° über diese Frage ist in der vorliegenden Rechtssache jedoch nicht zu entscheiden. Ausserdem können sowohl bei der erstmaligen Einstellung als auch bei allen folgenden Verträgen ohne weiteres aufgrund besonderer Umstände triftige Gründe für befristete Arbeitsverträge bestehen. Im Fall von Fremdsprachenlektoren können derartige Verträge sowohl aus der Sicht der Studenten als auch aus der der Dozenten selbst durchaus wünschenswert erscheinen. Ein Grund dafür, einige solche Stellen zur Verfügung zu stellen, könnte darin liegen, jungen Akademikern aus anderen Ländern die Möglichkeit zu geben, zum Zweck ihrer eigenen Bildung eine begrenzte Zeit in Deutschland zu verbringen. Umgekehrt kann es je nach der Art des zu erteilenden Unterrichts wünschenswert erscheinen, über einen fremdsprachlichen Dozenten zu verfügen, der vor kurzem aus dem betreffenden Land gekommen ist. Eine Universität kann beispielsweise wünschen, einen besonderen Akzent auf neue Entwicklungen in der Umgangssprache für fortgeschrittene Studenten zu legen. Ich glaube nicht, daß der Gerichtshof im Urteil Allué I die Möglichkeit ausschließen wollte, daß befristete Arbeitsverträge in Einzelfällen durch das Erfordernis einer aktuellen Kenntnis der Sprache oder auch nur durch das Erfordernis einer aktuellen Vertrautheit mit dem kulturellen und politischen Leben des betreffenden Landes gerechtfertigt sein könnten. Es wäre Sache des nationalen Gerichts, in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob ein solches Erfordernis einen ausreichenden sachlichen Grund darstellt. Aus der Rechtsprechung der deutschen Gerichte, auf die im Vorlagebeschluß Bezug genommen wird, ergibt sich, daß dies vor der Änderung des HRG durch das oben unter Nr. 6 angeführte Gesetz über befristete Arbeitsverträge vom 14. Juni 1985 in der Tat der Rechtslage in Deutschland entsprach (vgl. Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 19. August 1981, 7 AZR 280/79, AP Nr. 59 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, und vom 13. Mai 1982, 2 AZR 87/80, AP Nr. 68, a. a. O.). Eine nationale Rechtsvorschrift, die jedes Erfordernis beseitigt, sachliche Gründe für die Beschäftigung von Fremdsprachenlektoren auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge anzugeben, kann jedoch nicht gerechtfertigt werden, wenn derartige Gründe bei vergleichbaren Gruppen von Arbeitnehmern angegeben werden müssen.

    Ergebnis

    22. Ich bin daher der Ansicht, daß die vom Arbeitsgericht Passau vorgelegten Fragen wie folgt beantwortet werden sollten:

    Artikel 48 Absatz 2 EWG-Vertrag steht der Anwendung einer Bestimmung des nationalen Rechts entgegen, die die Dauer eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Universitäten und Fremdsprachenlektoren begrenzt oder die zur Folge hat, daß die Beschäftigung solcher Lektoren auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge ohne weiteres zulässig ist, wenn die befristete Beschäftigung anderer vergleichbarer Arbeitnehmer nach nationalem Recht nur zulässig ist, wenn ein sachlicher Grund für die Begrenzung der Dauer des Arbeitsvertrags besteht.

    (*) Originalsprache: Englisch.

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