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Document 61977CC0012

    Schlussanträge des Generalanwalts Mayras vom 29. Juni 1977.
    Debayser SA und andere gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
    Erhöhung der Währungsausgleichsbeträge.
    Verbundene Rechtssachen 12, 18 und 21/77.

    Sammlung der Rechtsprechung 1978 -00553

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1977:114

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS HENRI MAYRAS

    VOM 29. JUNI 1977 ( 1 )

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    Drei französische Firmen, die Zuckerhändler Debayser, Sucres Union und Jean Lion & Cie., haben bei Ihnen gleichlautende Klagen erhoben mit dem Antrag, die Kommission zu verurteilen, ihnen Schadensersatz aufgrund außervertraglicher Haftung zu zahlen, die durch fehlerhafte oder unvollständige Anwendung der Verordnung Nr. 1608 vom 26. Juni 1974 über Sonderbestimmungen für die Währungsausgleichsbeträge begründet worden sein soll.

    Bevor die Umstände geprüft werden, unter denen sich die Klägerinnen veranlaßt sahen, die Haftung der Kommission geltend zu machen, ist es erforderlich, die Struktur dieses Gemeinschaftstextes darzustellen und seine Vorschriften zu untersuchen.

    Man muß sich in Erinnerung rufen, daß der Rat nach der internationalen Währungskrise durch seine Verordnung Nr. 974/71 ein System von Währungsausgleichsbeträgen eingeführt hat, das zu jeder Zeit nur im Falle einer Aufwertung der nationalen Währungen bestimmter Mitgliedstaaten anwendbar war und noch keinen Korrekturmechanismus für den entgegengesetzten Fall einer Abwertung vorsah. Deshalb erließ der Rat im Jahre 1973 die Verordnung Nr. 509, die die ursprüngliche Verordnung insoweit ergänzt.

    Aber dieser Mechanismus konnte wegen seines naturgemäß pauschalen Charakters den besonderen Umständen der jeweiligen Handelsgeschäfte nicht Rechnung tragen, und man machte die Erfahrung, daß diese Regelung die Unzuträglichkeiten nicht beheben konnte, die sich in bestimmten Situationen ergaben, in denen Unternehmen insbesondere deswegen unvermeidbare Verluste erlitten, weil die bei der Ausfuhr erhobenen Währungsausgleichsbeträge nicht im voraus festgesetzt werden können und der Satz angewandt wird, der am Tag der tatsächlichen Ausfuhr gilt.

    Um diesen Schwierigkeiten, die besonders die französischen Ausfuhrhändler betrafen, Rechnung zu tragen, erließ die Kommission die Verordnung Nr. 1608/74, deren Artikel 1 wie folgt lautet:

    „Bei der Einführung oder Erhöhung von Währungsausgleichsbeträgen aufgrund der Festsetzung oder Änderung des Leitkurses oder des im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik benutzten repräsentativen Wechselkurses der Währung eines Mitgliedstaats, seine Währung gegenüber den Währungen der Mitgliedstaaten floaten zu lassen, die untereinander eine Bandbreite von 2,25 % einhalten [also über die Bandbreite der Währungsschlange hinaus], ist der betreffende Mitgliedstaat ermächtigt, aus Billigkeitsgründen und unter nachstehenden Bedingungen auf die Erhebung des Währungsausgleichsbetrages oder des der Erhöhung entsprechenden Teils dieses Betrages zu verzichten.“

    Aber diese den Mitgliedstaaten eingeräumte einfache Befugnis ist nach Artikel 2 von engen Voraussetzungen abhängig:

    Zunächst gilt Artikel 1 nur für Einfuhr- und Ausfuhrgeschäfte aufgrund von Verträgen, die vor den in diesem Artikel erwähnten Währungsmaßnahmen fest abgeschlossen wurden.

    Sodann kann der betreffende Mitgliedstaat von der in Artikel 1 genannten Ermächtigung nur dann Gebrauch machen, wenn der Betroffene einen diesbezüglichen Antrag stellt und wenn er bei der Antragstellung den Nachweis erbringt,

    a)

    daß die Erhebung des neu eingeführten oder erhöhten Währungsausgleichsbetrags in dem vorliegenden Fall nicht erforderlich ist, um die Inzidenz der fraglichen Währungsmaßnahme auf den Preis der Erzeugnisse auszugleichen, und

    b)

    daß die Erhebung ihn einer übermäßigen zusätzlichen Belastung aussetzen würde, die er auch bei aller erforderlichen und üblichen Umsicht nicht vermeiden könnte.

    Diese Vorschriften sehen also für die nationalen Behörden, insbesondere für den Fall, daß ein Mitgliedstaat seine Währung über die Grenzen der Währungsschlange hinaus floaten läßt, die Möglichkeit — nicht die Verpflichtung — vor, unter anderem die Ausfuhrgeschäfte aufgrund von Verträgen, die vor der beschlossenen Währungsmaßnahme, im vorliegenden Fall also vor der Entscheidung, die eigene Währung frei floaten zu lassen, fest und endgültig abgeschlossen wurden, von den Währungsausgleichsbeträgen zu befreien.

    Diese Regelung wurde in Frankreich im Anschluß an die am 15. März 1976 getroffene Entscheidung, den Franken floaten zu lassen, angewandt.

    Diese Initiative stellte die „Währungsmaßnahme“ im Sinne des Artikels 1 der Verordnung Nr. 1608/74 dar, die die Wiedereinführung der Währungsausgleichsbeträge im Handel mit Agrarprodukten zwischen Frankreich und insbesondere Drittländern seit dem 25. März ebenso zur Folge hatte wie die Möglichkeit, die französischen Ausfuhrhändler von diesen Ausgleichsbeträgen oder wenigstens von deren Erhöhung zu befreien.

    Nun ergab es sich, daß die besagten Währungsausgleichsbeträge, die zunächst durch Verordnung Nr. 572/76 der Kommission vom 15. März 1976 auf 4,46 Franken je 100 kg Zucker festgesetzt, dann aufgrund der Erhöhung des Interventionspreises für Zucker mit Wirkung vom 1. Juli auf 4,85 Franken erhöht wurden, infolge des Verfalls des französischen Franken eine wesentliche Erhöhung erfuhren. Ende 1976 betrugen sie 32,67 Franken je 100 kg.

    Die drei Klägerinnen beantragten bei der zuständigen französischen Stelle, dem Fonds d'Intervention et de Régularisation du Marchee du Sucre (Zucker-Interventions- und Ausgleichsfonds), sie von den Ausgleichsbeträgen zu befreien, die bei der Ausfuhr nach Drittländern zu erheben waren.

    Die Klägerinnen erlangten die Befreiung für die Verträge, die vor dem 15. März 1976 fest geschlossen waren und den Voraussetzungen des Artikels 2 der Verordnung Nr. 1608/74 entsprachen. Der Fonds d'Intervention et de Régularisation du Marche du Sucre teilte ihnen eine positive Grundsatzentscheidung mit, obwohl die meisten dieser Verträge zur Zeit der Klageerhebung noch überprüft wurden. Diese Verträge sind somit nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

    Dagegen lehnte der Fonds die Befreiungsbeträge für nach dem 15. März 1976 geschlossene Verträge unter dem 2. August 1976 ab.

    Die Klägerinnen haben vor dem zuständigen nationalen Gericht keine Klage gegen diese Entscheidung erhoben.

    Sie haben sich vielmahr indirekt, nämlich durch Vermittlung des Präsidenten der Vereinigung des Zuckerhandels, an die Kommission gewandt und am 2. November 1976 die Aufmerksamkeit des für die Landwirtschaft zuständigen Kommissionsmitglieds auf die Schwierigkeiten gelenkt, die den französischen Ausfuhrhändlern insoweit entstanden waren.

    Diese Bitte um Unterrichtung beantwortete der Generaldirektor für Landwirtschaft der Kommission am 7. Dezember 1976. Dabei beschränkte er sich darauf, in allgemeinen Wendungen die fragliche Regelung wiederzugeben und die Probleme darzustellen, die eine Änderung dieser Regelung hervorrufen würde.

    Diese Antwort liegt den gegenwärtigen Schadensersatzklagen zugrunde, mit denen die Klägerinnen die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft geltend machen wollen, wobei sie sich auf die Artikel 178 und 215 Absatz 2 EWG-Vertrag stützen. Sie beantragen, die Kommission zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 668277,81 Franken an die Firma Debayser, von 1560886,55 Franken an die Firma Sucres Union und schließlich von 539325,53 Franken an die Firma Jean Lion & Cie. zu verurteilen, also zur Rückerstattung der angeblich zu Unrecht gezahlten Erhöhung der Ausgleichsbeträge.

    Diesen Klagen gegenüber erhebt die Kommission vor der Einlassung zur Sache eine prozeßhindernde Einrede, weil die Streitsachen vor den innerstaatlichen Richter hätten gebracht werden müssen, dem es vorbehalten sei, Sie gegebenenfalls im Wege des Vorabentscheidungsersuchens über die Auslegung oder sogar die Gültigkeit der fraglichen Gemeinschaftsverordnung zu befragen.

    Ein erstes Argument entnimmt die Kommission Artikel 1 dieser Verordnung, der den betreffenden Mitgliedstaat ermächtigt, aus Billigkeitsgründen die Wirtschaftsunternehmen vom fälligen Ausgleichsbetrag oder von dessen Erhöhung zu befreien. Dieses Argument beruht auf zwei Erwägungen.

    Zunächst folgt aus der Fassung dieses Artikels klar, daß er die Anwendung der Kommissionsverordnung in erster Linie den innerstaatlichen Behörden zuweist; diese sind dafür selbst verantwortlich; der Grund dafür ist außerdem ausdrücklich in der sechsten Begründungserwägung der Verordnung angegeben, in der die Kommission erklärt, daß es „angezeigt [erscheint], den Mitgliedstaaten grundsätzlich die Anwendung der [von ihr] erlassenen Regelung zu übertragen; denn diese sind am ehesten in der Lage, die Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen und den Sachverhalt zu überprüfen“, mit anderen Worten, abzuschätzen, ob die Handelsgeschäfte, die die Verordnung im Auge hat, zu einer Befreiung von den Ausgleichsbeträgen aus Billigkeitsgründen in den dort festgelegten Grenzen Anlaß geben.

    Diese den nationalen Behörden aus Erwägungen der Einzelfallgerechtigkeit eingeräumte Zuständigkeit gewährt diesen einen ungewöhnlich weiten Ermessensspielraum, der im vorliegenden Fall den Aufgabenkreis beträchtlich überschreitet, der ihnen üblicherweise für die bloße Durchführung der Gemeinschaftsverordnungen übertragen ist.

    Die Ermessensfreiheit der nationalen Stellen findet zwar ihre Grenzen in den von der Verordnung Nr. 1608/74 aufgestellten besonderen Bedingungen. Im vorliegenden Fall reicht aber bereits die erste dieser Bedingungen als Begründung dafür aus, daß der Fonds d'Intervention et de Regularisation du Marche du Sucre von der Möglichkeit, zugunsten der Klägerinnen anläßlich der streitbefangenen Ausfuhren auf die erhöhten Ausgleichsbeträge zu verzichten, keinen Gebrauch machen konnte. Erinnern wir uns, daß nach dem Wortlaut des Artikels 2 Absatz 1 von dieser Möglichkeit nur bei Geschäften „aufgrund von Verträgen, die vor den in Artikel 1 erwähnten Währungsmaßnahmen fest abgeschlossen wurden“, Gebrauch gemacht werden kann.

    Meiner Ansicht nach steht fest, daß es sich bei der fraglichen Währungsmaßnahme, die den auslösenden Faktor für die Anwendung der Verordnung darstellt, um die am 15. März 1976 von der Regierung der Französischen Republik getroffene Entscheidung handelt, den Franken gegenüber den Währungen der Mitgliedstaaten in der sogenannten „Währungsschlange“ über die genehmigte Bandbreite hinaus floaten zu lassen.

    Nun sind die streitbefangenen Verträge diejenigen, die, wie die Klägerinnen selbst vortragen, nach dem Erlaß dieser Währungsmaßnahme geschlossen wurden.

    Der spätere Kursverfall der französischen Währung zwischen Juli und Dezember 1976 kann einer solchen Maßnahme nicht gleichgestelt werden.

    Diese Überlegung führt meines Erachtens zu dem Ergebnis, daß die nationale Interventionsstelle im Hinblick auf diese Verträge gar keine Möglichkeit zur Freistellung mehr hatte, die sie aus Billigkeitsgründen für die vor dem 15. März 1976 fest geschlossenen Verträge gewährt hatte. Wenn es sich hierbei auch um eine, soweit es Sie betrifft, überflüssige Überlegung handelt, so müsse sie doch für die Entscheidung der nationalen Gerichte eine Rolle spielen, die gegebenenfalls Uber die Rechtmäßigkeit der ablehnenden Entscheidung des Fonds d'Intervention et de Regularisation du Marche du Sucre zu befinden haben.

    Kann man aber, um auf etwaige Haftung der Kommission zurückzukommen, sagen, daß diese sowohl die Möglichkeit als auch die Pflicht hatte, zu überprüfen, wie die Verwaltungen ihre Verordnung anwenden? Das heißt die Frage nach den Befugnissen stellen, die sich die Kommission zu dem Zweck vorbehalten hat „mit besonderer Aufmerksamkeit die Anwendung der erlassenen Bestimmungen [zu] verfolgen, um erforderlichenfalls zusätzliche Maßnahmen zu erlassen und beurteilen zu können, ob die Regelung in der vorliegenden Form aufrechterhalten werden kann“.

    Freilich beabsichtige die Kommission mit den Artikeln 4 und 5 der Verordnung, die Aufsicht darüber zu behalten, welchen Gebrauch die innerstaatlichen Behörden nach Inkrafttreten der Verordnung von der ihnen eingeräumten Befreiungsmöglichkeit machen.

    Artikel 4 sieht zu diesem Zweck eine „a-priori“-Kontrolle für bestimmte Fälle vor, in denen ein Mitgliedstaat von der in Artikel 1 genannten Ermächtigung für Verträge mit einer längeren Laufzeit

    als die Gültigkeitsdauer der (Einfuhr- oder Ausfuhr-) Lizenz, soweit die Lizenz eine drei Monate übersteigende Vorausfestsetzung der Abschöpfung oder der Erstattung enthält,

    oder, allgemein, als drei Monate Gebrauch machen will.

    In solchen Fällen hat der betreffende Mitgliedstaat die Verpflichtung, die Kommission von seiner Absicht unter gleichzeitiger Angabe der Gründe und beigebrachten Nachweise zu unterrichten, und von der Ermächtigung, das Unternehmen vom Währungsausgleichsbetrag zu befreien, kann er nur dann Gebrauch machen, wenn die Kommission innerhalb eines Zeitraums von sechs Wochen der geplanten Maßnahme nicht widersprochen hat.

    Unabhängig von den Fällen des Artikels 4 übt die Kommission nach Artikel 5 systematisch eine allgemeine Kontrolle über die Durchführung der Verordnung durch die nationalen Stellen aus. Diese müssen sie nämlich über die Kriterien, die sie bei der Anwendung der in Artikel 1 genannten Ermächtigung zu befolgen gedenken, unterrichten und ihr die Liste der Fälle mitteilen, bei welchen sie von dieser Ermächtigung Gebrauch zu machen beabsichtigten.

    Außerdem sind die Staaten verpflichtet, der Kommission vierteljährlich die Fälle mitzuteilen, in denen sie tatsächlich von der Ermächtigung Gebrauch gemacht haben.

    Mit dieser Unterrichtung und diesen Mitteilungen versehen, kann die Kommission darüber wachen, daß diese Regelung von den Mitgliedstaaten einheitlich angewandt wird; sie ist außerdem in der Lage, gegebenenfalls zusätzliche Bestimmungen, die sich als unentbehrlich erweisen sollten, zu erlassen.

    Die Untersuchung der genannten Vorschriften, meine Herren, führt uns zu zwei Überlegungen:

    Erstens sind die Mitgliedstaaten oder wenigstens ihre zuständigen Behörden, auch wenn sich die Kommission die Verwaltungsaufsicht über die Tätigkeit auf diesem Gebiet vorbehalten hat, damit nicht von der Verantwortung entbunden, die ihnen bei der Anwendung der Verordnung Nr. 1608/74 zukommt; es ist meines Erachtens nicht möglich, unmittelbar die Haftung der Kommission für eine vorgeblich falsche Anwendung der Befreiungsmöglichkeit geltend zu machen, über die, von dem besonderen Fall des Artikels 4 abgesehen, allein die nationalen Behörden verfügen.

    Ebenso folgt klar aus Artikel 4 — unter den Voraussetzungen dieser Bestimmungen —, daß sich die Kommission das Recht, a priori in die Anwendung ihrer Verordnung einzugreifen, ausschließlich für den Fall vorbehalten hat, daß die innerstaatlichen Verwaltungen beabsichtigen, einem ihnen vorgelegten Befreiungsantrag zu entsprechen. Nun, dieser Fall ist vorliegend offensichtlich nicht gegeben; die Kommission hatte über die Anträge der Klägerinnen nicht wirklich zu entscheiden.

    Beachten wir in diesem Zusammenhang außerdem, daß der Kommission die streitige Frage nicht von den Klägerinnen, sondern durch Vermittlung des Präsidenten der französischen Vereinigung des Zuckerhandels vorgelegt wurde. Diese Vermittlung hatte nicht zum Ziel, unmittelbar die Haftung der Kommission herbeizuführen, sondern vielmehr, die nachteilige Lage darzustellen, in der sich die französischen Ausfuhrhändler ganz allgemein deshalb befanden, weil die Vergünstigung der Verordnung Nr. 1608/74 auf vor dem 15. März 1976 geschlossene Verträge beschränkt war. Der Brief der Vereinigung legt Wert darauf, daß die Kommission eine „praktische Lösung“ findet, ohne allgemein politische Fragen aufzuwerfen.

    Die mit Schreiben des Generaldirektors für Landwirtschaft erteilte Antwort hat den Charakter einer schlichten Information und stellt als solche gewiß keine Rechtshandlung dar, die vor dem Gerichtshof angefochten werden könnte.

    Meine zweite Überlegung beruht nicht nur auf dem mit der Verordnung Nr. 1608/74 errichteten System, sondern auch auf dem, was die Klägerinnen selbst vorgetragen haben: Sie sehen zwar davon ab, die Rechtmäßigkeit dieser Verordnung unmittelbar in Frage zu stellen, scheinen aber der Kommission ein schuldhaftes Unterlassen, eine Lücke im System der Verordnung, vorzuwerfen, und zwar mit der Begründung, daß dieses nicht alle Fälle erfasse, in denen sich eine Billigkeitslösung aufdränge, um gewissen Wirtschaftsunternehmen die Nachteile des Floatens der nationalen Währung zu ersparen.

    Aber, meine Herren, das heißt dann die Frage aufwerfen, ob die Erhebung des Teils der Währungsausgleichsbeträge, der den am Tag des Vertragsschlusses anwendbaren Satz überschreitet, rechtmäßig ist.

    Diese Überlegung führt mich dazu, den wahren Grund aufzuzeigen, weshalb die Klagen als unzulässig abzuweisen sind. Dieser Grund wird in vollem Umfang durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes bestätigt.

    Denn worum handelt es sich eigentlich? Um die Erhebung, die Beitreibung der anläßlich der Ausfuhr von Agrarerzeugnissen aus einem Mitgliedstaat nach Drittländern fälligen Währungsausgleichsbeträge.

    Diese Ausgleichsbeträge fallen unter die eigenen Mittel der Gemeinschaft im Sinne des Beschlusses des Rates vom 21. April 1970. Dessen Artikel 6 bestimmt, daß diese Mittel für Rechnung der Gemeinschaft „gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften“ erhoben werden. Im gleichen Sinne bestimmen die Artikel 1, 2 und 13 der Verordnung Nr. 2/71 des Rates zur Durchführung des genannten Beschlusses, daß die Feststellung der eigenen Mittel der Gemeinschaft und die Kontrolle ihrer Erhebung den zuständigen Dienststellen und Einrichtungen der Mitgliedstaaten obliegen.

    Bei dieser Rechtslage hat die Rechtsprechung des Gerichtshofes, wie sie sich in erster Linie aus dem Urteil vom 25. Oktober 1972, Haegemann gegen Kommission, Rechtssache 96/71, ergibt, folgenden Standpunkt eingenommen: „Streitigkeiten um die Belastung von Privatpersonen mit den unter [Artikel 6 des Beschlusses des Rates über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften] fallenden Abgaben und Abschöpfungen in den Formen, die das Recht der Mitgliedstaaten vorsieht, sind … von den innerstaatlichen Behörden nach Gemeinschaftsrecht zu entscheiden.“

    Diese Entscheidung wurde durch spätere Urteile bestätigt, aus denen sich außerdem ergibt, daß nicht so sehr der Umstand, daß eine Abgabe, eine Abschöpfung oder ein Ausgleichsbetrag eigene Mittel der Gemeinschaft darstellen, die Sachbefugnis der nationalen Behörden in Rechtsstreitigkeiten über ihre Erhebung begründet, als vielmehr der Umstand, daß sie von den zuständigen Einrichtungen der Mitgliedstaaten nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften erhoben werden.

    Im Urteil vom 27. Januar 1976 in der Rechtssache 46/75 (IBC Importazione Bestiame Carni) haben Sie auf eine Klage, die auf die angebliche Rechtswidrigkeit einer Verordnung gestützt war, mit der die Kommission die Ausgleichsbeträge bei der Einfuhr zu Unrecht gekürzt haben sollte und die die italienische Zollverwaltung anzuwenden hatte, ausgeführt:

    „Infolge der Anwendung dieser Bestimmung [hat die Klägerin angeblich] nach der Verrechnung der Einfuhrbelastung mit dem Ausgleichsbetrag zu Unrecht bestimmte Beträge zahlen müssen, deren Rückerstattung sie nunmehr [verlangt].

    Die Klage richtet sich in Wirklichkeit gegen Maßnahmen der italienischen Behörden zur Durchführung von Gemeinschaftsbestimmungen, die die Klägerin für rechtswidrig hält. Sie betrifft also die Frage, ob die Erhebung der umstrittenen Beträge durch die innerstaatliche Verwaltung, der die Anwendung und Durchführung der Vorschriften über die Währungsausgleichsbeträge obliegen, rechtmäßig war. Mit ihr wird angestrebt, die Gemeinschaft zu veranlassen, die angeblich zu Unrecht erhobenen Beträge anstelle der innerstaatlichen Behörde zurückzuzahlen.

    Die genannten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften liefern die Kriterien, nach denen die Beträge berechnet werden, die nach erfolgter Verrechnung der Einfuhrbelastung mit dem Ausgleichsbetrag zu zahlen sind. Sie gestatten keine Zweifel daran, daß es Sache der nationalen Behörden ist, diese Beträge im konkreten Fall zu berechnen und zu erheben. Daher sind die einzelstaatlichen Gerichte zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit dieser Durchführungsmaßnahmen zuständig; hierbei haben sie das Gemeinschaftsrecht unter Beachtung der Verfahrensvorschriften des innerstaatlichen Rechts und, insbesondere sofern die Gültigkeit der angewandten Gemeinschaftsbestimmungen in Frage steht, gegebenenfalls unter Rückgriff auf Artikel 177 des Vertrages anzuwenden.

    Die Klägerin kann demnach den Gerichtshof nicht anrufen, um im Wege einer gegen die Gemeinschaft gerichteten Schadensersatzklage die inhaltliche Abänderung der betreffenden Durchführungsmaßnahmen zu erreichen.“

    In den vorliegenden Rechtssachen verbirgt sich ein ganz ähnlicher Tatbestand. In Wirklichkeit fechten die Klägerinnen die Erhebung desjenigen Teils der Währungsausgleichsbeträge durch die zuständige französische Behörde an, der den am Tage des jeweiligen Vertragsschlusses gültigen Satz übersteigt.

    Die ablehnenden Entscheidungen, die der Fonds d'Intervention et de Régularisation du Marche du Sucre auf ihre Freistellungsanträge hin erlassen hat, stellen innerstaatliche Maßnahmen zur Durchführung der Verordnung Nr. 1608/74 dar. Die Klägerinnen hätten diese Entscheidungen somit vor den zuständigen nationalen Gerichten in den nach französischem Recht vorgeschriebenen Formen und Fristen angreifen müssen; sie hätten gegebenenfalls beim angerufenen Gericht beantragen können, dem Gerichtshof eine oder mehrere Vorabentscheidungsfragen nach der Auslegung oder nach der Gültigkeit der in Frage stehenden Gemeinsehaftsverordnung vorzulegen.

    Sie waren hingegen nicht befugt, auf dem Umweg über eine Klage wegen außervertraglicher Haftung der Gemeinschaft den Gerichtshof anzurufen, um die Aufhebung der nationalen Maßnahmen zur Durchführung dieser Verordnung zu erreichen.

    Ich schlage deshalb vor, die Klagen 12, 18 und 21/77 als unzulässig abzuweisen und die Kosten den Klägerinnen aufzuerlegen.


    ( 1 ) Aus dem Französischen übersetzt.

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