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Document 52021XC0112(02)

Leitfaden zu dem Anwendungsbereich und den Kernverpflichtungen der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen für die Nutzer zur Einhaltung der Vorschriften des Protokolls von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile in der Union 2021/C 13/01

C/2020/8759

ABl. C 13 vom 12.1.2021, pp. 1–68 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

12.1.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 13/1


Leitfaden zu dem Anwendungsbereich und den Kernverpflichtungen der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen für die Nutzer zur Einhaltung der Vorschriften des Protokolls von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile in der Union

(2021/C 13/01)

INHALT

1.

EINLEITUNG 3

1.1.

Rechtlicher Rahmen 3

1.2.

In diesem Leitfaden verwendete Definitionen 4

2.

ANWENDUNGSBEREICH DER VERORDNUNG 5

2.1.

Geografischer Anwendungsbereich — I: Die Herkunft genetischer Ressourcen 5

2.2.

Zeitlicher Anwendungsbereich: Der Zugang zu der genetischen Ressource und deren Nutzung muss seit dem 12. Oktober 2014 erfolgt sein 8

2.3.

Materieller Anwendungsbereich 8

2.4.

Personenbezogener Anwendungsbereich: Die Verordnung gilt für alle Nutzer 19

2.5.

Geografischer Anwendungsbereich — II: Die Verordnung gilt für die Nutzung innerhalb der EU 19

3.

VERPFLICHTUNGEN DES NUTZERS 19

3.1.

Sorgfaltspflicht 19

3.2.

Feststellung der Anwendbarkeit der Verordnung 20

3.3.

Wenn das Bereitstellerland nicht ermittelt werden kann 21

3.4.

Wahrnehmung behördlicher Aufgaben 22

3.5.

Nachweis der gebotenen Sorgfalt, wenn die Anwendbarkeit der Verordnung feststeht 22

3.6.

Bezug genetischer Ressourcen von indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften 24

3.7.

Bezug genetischer Ressourcen von registrierten Sammlungen 24

4.

VORGÄNGE, DIE EINE SORGFALTSERKLÄRUNG ERFORDERN 24

4.1.

Sorgfaltserklärung in der Phase der Forschungsfinanzierung 25

4.2.

Sorgfaltserklärung in der letzten Phase der Entwicklung eines Produkts 25

5.

AUSGEWÄHLTE SEKTORSPEZIFISCHE ASPEKTE 27

5.1.

Gesundheit 27

5.2.

Ernährung und Landwirtschaft 27
ANHANG I: ÜBERBLICK ÜBER DIE BEDINGUNGEN FÜR DIE ANWENDBARKEIT DER EU-ABS-VERORDNUNG 31
ANHANG II: SPEZIELLER LEITFADEN ZUM BEGRIFF „NUTZUNG“ 32

1.   EINLEITUNG

Das vorliegende Dokument ist ein Leitfaden zu den Bestimmungen und zur Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Maßnahmen für die Nutzer zur Einhaltung der Vorschriften des Protokolls von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile in der Union (1) (im Folgenden „EU-ABS-Verordnung“ oder „Verordnung“).

Mit der EU-ABS-Verordnung werden in der EU die internationalen Vorschriften (des Nagoya-Protokolls) umgesetzt, die die Einhaltung der Vorschriften durch die Nutzer regeln, also was die Nutzer genetischer Ressourcen tun müssen, um den Vorschriften über den Zugang und den Vorteilsausgleich (Access and Benefit Sharing, ABS) zu genügen, die von den genetische Ressourcen bereitstellenden Ländern erlassen worden sind. Das Nagoya-Protokoll enthält darüber hinaus Regeln für den Zugang zu genetischen Ressourcen, die jedoch von der EU-ABS-Verordnung nicht abgedeckt sind und folglich in diesem Leitfaden nicht behandelt werden.

Die Verordnung sieht zudem vor, dass die Kommission Durchführungsrechtsakte mit weiteren Maßnahmen erlässt. Am 13. Oktober 2015 erließ die Kommission die Durchführungsverordnung (EU) 2015/1866 (2) mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 511/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf das Register von Sammlungen, die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften durch die Nutzer und bewährte Verfahren (im Folgenden „Durchführungsverordnung“).

Nach Konsultationen mit Interessenträgern und Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten verständigte man sich darauf, dass bestimmte Aspekte der EU-ABS-Verordnung weiter geklärt werden sollten. Man war der Ansicht, dass vor allem zum Begriff der Nutzung umfassende Erläuterungen erforderlich sind. Anhang II zum vorliegenden Dokument, in dem es um diesen Begriff geht, wurde aus einer Reihe von Entwürfen erstellt, an denen Interessenträger beteiligt waren. Der gesamte vorliegende Leitfaden wurde gemeinsam mit Vertretern der Mitgliedstaaten in der ABS-Sachverständigengruppe (3) erörtert und entwickelt und von Interessenträgern im ABS-Konsultationsforum (4) kommentiert.

Im vorliegenden Dokument wird der zeitliche, geografische und materielle Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung geklärt (Abschnitt 2). Darüber hinaus werden die Kernverpflichtungen der Verordnung wie die Sorgfaltspflicht oder die Abgabe von Sorgfaltserklärungen erläutert (Abschnitt 3 bzw. 4). Was den materiellen Anwendungsbereich und den Nutzungsbegriff angeht, werden im Hauptteil die Anforderungen der EU-ABS-Verordnung an Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten in allen kommerziellen und nichtkommerziellen Sektoren allgemein dargelegt, und in Anhang II weitere Einzelheiten zum Begriff der Nutzung, die bestimmte sektorspezifische Aspekte beinhalten, erläutert.

Der Leitfaden ist rechtlich nicht bindend. Er enthält lediglich Informationen zu bestimmten Aspekten der einschlägigen EU-Rechtsvorschriften. Er soll Bürgern, Unternehmen und Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der EU-ABS-Verordnung und der Durchführungsverordnung helfen. In Zukunft vertretene Standpunkte der Kommission zu dieser Thematik bleiben davon unberührt. Für die Auslegung des Unionsrechts ist ausschließlich der Gerichtshof der Europäischen Union zuständig. Mit diesem Leitfaden werden die Bestimmungen der EU-ABS-Verordnung und der Durchführungsverordnung weder ersetzt noch ergänzt oder geändert. Zudem ist er nicht isoliert, sondern nur in Verbindung mit den genannten Rechtsvorschriften zu sehen.

1.1.   Rechtlicher Rahmen

Die drei Ziele des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (auch: Biodiversitätskonvention, CBD, Convention on Biological Diversity, im Folgenden „Übereinkommen“) (5) sind die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile (Artikel 1 des Übereinkommens). Mit dem Nagoya-Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt (im Folgenden „Protokoll“) wird Artikel 15 des Übereinkommens, der den Zugang zu genetischen Ressourcen regelt, umgesetzt und genauer ausgeführt. Darüber hinaus enthält das Protokoll Bestimmungen zu traditionellem Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht (6). Mit dem Nagoya-Protokoll wurden internationale Regeln über den Zugang zu genetischen Ressourcen und sich darauf beziehendes traditionelles Wissen, über den Vorteilsausgleich und über die Einhaltung der Vorschriften durch die Nutzer aufgestellt.

Bei der Umsetzung des Protokolls hinsichtlich Zugangsregelungen können Länder, die genetische Ressourcen oder sich darauf beziehendes traditionelles Wissen bereitstellen (Bereitstellerländer), den Zugang zu diesen Ressourcen und dem traditionellen Wissen von einer auf Kenntnis der Sachlage gegründeten vorherigen Zustimmung (Prior Informed Consent, PIC) (7) abhängig machen. Nach Maßgabe des Protokolls sind die Vertragsparteien nicht verpflichtet, den Zugang zu ihren genetischen Ressourcen und/oder sich darauf beziehendem traditionellem Wissen zu regeln. Wenn jedoch Zugangsregelungen eingeführt werden, verlangt das Protokoll klare Regeln von den Bereitstellerländern, die Rechtssicherheit, Klarheit und Transparenz gewährleisten sollen. Die Aufteilung der Vorteile, die das Protokoll vorsieht, basiert auf einvernehmlich festgelegten Bedingungen (Mutually Agreed Terms, MAT). Dabei handelt es sich um vertragliche Vereinbarungen zwischen einem Bereitsteller von genetischen Ressourcen (häufig einer Behörde des Bereitstellerlandes) oder sich darauf beziehendem traditionellem Wissen und einer natürlichen oder juristischen Person, die Zugang zu der genetischen Ressource und/oder dem sich darauf beziehenden traditionellen Wissen zwecks Nutzung erlangt (im Folgenden „Nutzer“) (8).

Das Protokoll sieht insbesondere vor, dass die Vertragsparteien Regelungen für die Einhaltung der Vorschriften durch die Nutzer von genetischen Ressourcen und sich darauf beziehendem traditionellem Wissen erlassen. Das Protokoll verpflichtet die Vertragsparteien speziell dazu, Maßnahmen (Gesetze, Verwaltungsvorschriften oder politische Maßnahmen) zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass die Nutzer in ihrem Hoheitsgebiet alle in Bereitstellerländern erlassenen Zugangsregelungen einhalten. Der Teil des Protokolls, der die Einhaltung relevanter Vorschriften durch die Nutzer betrifft, wird durch die EU-ABS-Verordnung in EU-Recht umgesetzt. Die EU-ABS-Verordnung ist am 9. Juni 2014 in Kraft getreten und gilt seit dem Tag des Inkrafttretens des Nagoya-Protokolls für die Europäische Union, d. h. seit dem 12. Oktober 2014 (9). Für den Zugang zu genetischen Ressourcen in der EU können die EU-Mitgliedstaaten nach eigenem Ermessen Regelungen erlassen, wenn sie dies für erforderlich halten. Entsprechende Regelungen werden nicht auf EU-Ebene beschlossen, doch dürfen sie nicht gegen sonstiges einschlägiges EU-Recht verstoßen (10).

Ergänzt wird die EU-ABS-Verordnung durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/1866, die am 9. November 2015 in Kraft getreten ist (im Folgenden „Durchführungsverordnung“).

Sowohl die EU-ABS-Verordnung als auch die Durchführungsverordnung gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat, unabhängig vom Stand der Ratifizierung des Nagoya-Protokolls in den einzelnen Mitgliedstaaten.

1.2.   In diesem Leitfaden verwendete Definitionen

Folgende Schlüsselbegriffe dieses Leitfadens sind im Übereinkommen, im Nagoya-Protokoll und in der EU-ABS-Verordnung definiert:

„Genetische Ressourcen“ bedeutet genetisches Material von tatsächlichem oder potenziellem Wert (Artikel 3 Nummer 2 der Verordnung; Artikel 2 des Übereinkommens).

„Nutzung von genetischen Ressourcen“ bedeutet das Durchführen von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen, einschließlich durch die Anwendung von Biotechnologie im Sinne des Artikels 2 des Übereinkommens (Artikel 3 Nummer 5 der Verordnung; Artikel 2 Buchstabe c des Protokolls).

Die EU-ABS-Verordnung (Artikel 3) enthält darüber hinaus folgende Begriffsbestimmungen:

„traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht“ bedeutet traditionelles Wissen einer indigenen oder ortsansässigen Gemeinschaft, das für die Nutzung der genetischen Ressourcen relevant ist und das in den einvernehmlich festgelegten Bedingungen für die Nutzung genetischer Ressourcen als solches beschrieben ist (Artikel 3 Nummer 7 der Verordnung) (11).

„Zugang“ bedeutet den Erwerb von genetischen Ressourcen oder von traditionellem Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, in einem Land, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist (Artikel 3 Nummer 3 der Verordnung).

„Einvernehmlich festgelegte Bedingungen“ bedeutet die zwischen einem Bereitsteller von genetischen Ressourcen oder von traditionellem Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, und einem Nutzer geschlossenen vertraglichen Vereinbarungen, in denen besondere Bedingungen für die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung von genetischen Ressourcen oder von traditionellem Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, ergebenden Vorteile festgelegt sind und die auch weitere Modalitäten und Bedingungen für eine solche Nutzung sowie spätere Verwendungen und die Vermarktung enthalten können (Artikel 3 Nummer 6 der Verordnung).

„Nutzer“ bedeutet „eine natürliche oder juristische Person, die genetische Ressourcen oder traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, nutzt“ (Artikel 3 Nummer 4 der Verordnung).

Der Begriff „Bereitstellerland“, wie er in diesem Leitfaden verwendet wird, bezeichnet das Ursprungsland der genetischen Ressourcen oder eine (andere) Vertragspartei des Nagoya-Protokolls, die die genetischen Ressourcen im Einklang mit dem Übereinkommen erworben hat (siehe die Artikel 5 und 6 des Protokolls und Artikel 15 des Übereinkommens). Das „Ursprungsland“ genetischer Ressourcen wird im Übereinkommen als das Land definiert, das die genetischen Ressourcen unter In-situ-Bedingungen besitzt.

2.   ANWENDUNGSBEREICH DER VERORDNUNG

Dieser Abschnitt befasst sich mit dem geografischen Anwendungsbereich der Verordnung, also damit, woher die genetischen Ressourcen stammen (2.1) und wo die Nutzer ansässig sind (2.5), mit dem zeitlichen Anwendungsbereich, d. h. wann Zugang zu den Ressourcen erlangt wurde (2.2), sowie mit den in den Anwendungsbereich fallenden Materialien und Tätigkeiten (2.3) und Akteuren (2.4). Hier ist vorab darauf hinzuweisen, dass die nachstehend genannten Bedingungen für die Anwendbarkeit der Verordnung kumulativ sind. Steht im Folgenden, dass „die Verordnung Anwendung findet“, wenn eine bestimmte Bedingung erfüllt ist, so wird stets davon ausgegangen, dass alle übrigen Bedingungen für die Anwendbarkeit ebenfalls erfüllt sind. Dies wird auch in Anhang I deutlich, in dem die in diesem Leitfaden beschriebenen Bedingungen zusammengefasst sind.

In den Bereitstellerländern können ABS-Vorschriften oder rechtliche Anforderungen gelten, die in einzelnen Punkten über den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung hinausgehen. Solche nationalen Vorschriften oder Anforderungen gelten auch dann, wenn die EU-ABS-Verordnung keine Anwendung findet.

2.1.   Geografischer Anwendungsbereich — I: Die Herkunft genetischer Ressourcen

In diesem Abschnitt geht es um die Bedingungen, unter denen die Verordnung auf genetische Ressourcen aus einem bestimmten Gebiet Anwendung findet. Zunächst werden die Grundvoraussetzungen beschrieben, bevor auf komplexere Fälle eingegangen wird.

2.1.1.   Genetische Ressourcen fallen nur dann in den Anwendungsbereich der Verordnung, wenn ein Staat souveräne Rechte über sie ausübt

Die Verordnung gilt nur für genetische Ressourcen, über die Staaten souveräne Rechte ausüben (Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung). Damit kommt ein Schlüsselprinzip des Übereinkommens zum Tragen, das in dessen Artikel 15 Absatz 1 verankert ist (bestätigt durch Artikel 6 Absatz 1 des Protokolls), wonach die Befugnis, den Zugang zu genetischen Ressourcen zu bestimmen, bei den Regierungen der einzelnen Staaten liegt und den innerstaatlichen Rechtsvorschriften unterliegt (sofern entsprechende Rechtsvorschriften bestehen). Demzufolge gilt die Verordnung nicht für genetische Ressourcen aus Regionen jenseits nationaler Hoheitsgewalt (z. B. der Hohen See) oder aus Gebieten, die dem Antarktis-Vertragssystem (12) unterliegen.

2.1.2.   Genetische Ressourcen fallen nur dann in den Anwendungsbereich der Verordnung, wenn die Bereitstellerländer Vertragsparteien des Protokolls sind und den Zugang zu genetischen Ressourcen geregelt haben

Die Verordnung gilt nur für genetische Ressourcen aus Bereitstellerländern, die Vertragsparteien des Nagoya-Protokolls sind und anwendbare Zugangsregelungen (13) erlassen haben.

Nach Artikel 2 Absatz 4 gilt die Verordnung für genetische Ressourcen und traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, auf die bzw. auf das Zugangsregelungen (ABS-Gesetze oder sonstige rechtliche Anforderungen) anwendbar sind, und sofern diese Zugangsregelungen von einer Vertragspartei des Nagoya-Protokolls erlassen wurden.

Ein Bereitstellerland hat die Möglichkeit, Zugangsregelungen nur für bestimmte genetische Ressourcen und/oder Ressourcen aus bestimmten geografischen Regionen zu erlassen. In dem Fall würde die Nutzung anderer genetischer Ressourcen aus diesem Land keine Verpflichtungen nach Maßgabe der Verordnung nach sich ziehen. Nur wenn Zugangsregelungen für eine bestimmte genetische Ressource (oder das sich darauf beziehende traditionelle Wissen) gelten, ist die Verordnung auf die Nutzung dieser Ressource anwendbar.

Bestimmte Tätigkeiten, z. B. Forschungstätigkeiten im Rahmen besonderer Kooperationsprogramme, können ebenfalls von den gesetzlichen Zugangsregelungen eines Landes ausgenommen sein. In dem Fall wären damit keine Verpflichtungen nach Maßgabe der EU-ABS-Verordnung verbunden.

Ein wichtiger ABS-Grundsatz, der in Artikel 15 Absatz 2 des Übereinkommens verankert ist und in Artikel 6 Absatz 3 des Nagoya-Protokolls weiter ausgeführt wird, lautet, dass sich jede Vertragspartei bemüht, den Zugang zu genetischen Ressourcen für eine umweltverträgliche Nutzung durch andere Vertragsparteien zu erleichtern. Voraussetzung für einen wirksamen Zugang und Vorteilsausgleich ist, dass für die Nutzer beim Zugang zu genetischen Ressourcen Rechtssicherheit und Klarheit bestehen. Nach Artikel 14 Absatz 2 des Nagoya-Protokolls sind die Vertragsparteien verpflichtet, ihre den Zugang und Vorteilsausgleich betreffenden Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und politischen Maßnahmen über die ABS-Informationsstelle (ABS Clearing-House, ABSCH) zu veröffentlichen. Das erleichtert es den Nutzern und den zuständigen Behörden der Länder, auf deren Hoheitsgebiet die genetischen Ressourcen genutzt werden, Informationen über die im Bereitstellerland geltenden Regelungen zu erhalten. Angaben dazu, ob a) ein Land Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und ob b) das Land Zugangsregelungen erlassen hat, finden sich bei der ABS-Informationsstelle (siehe auch Abschnitt 3.2), dem nach Maßgabe des Protokolls wichtigsten Mechanismus für den Informationsaustausch über Zugang und Vorteilsausgleich. Hier können die jeweiligen Informationen in den Länderprofilen unterhttps://absch.cbd.int/countrieshttps://absch.cbd.int/countries

Im Hinblick auf den geografischen Anwendungsbereich der Verordnung und die Herkunft der genetischen Ressourcen führt Artikel 2 Absatz 1 im Zusammenspiel mit Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung dazu, dass die Verordnung nur auf genetische Ressourcen Anwendung findet, über die Staaten souveräne Rechte ausüben und für die eine Vertragspartei des Protokolls den Zugang und Vorteilsausgleich geregelt hat, sofern diese Regelungen auch für die betreffende genetische Ressource (oder das sich darauf beziehende traditionelle Wissen) gelten. Wenn diese Kriterien nicht erfüllt sind, findet die Verordnung keine Anwendung.

2.1.3.   Indirekter Erwerb von genetischen Ressourcen

Wenn genetische Ressourcen indirekt über eine Mittelsperson, z. B. eine Kultursammlung oder andere spezialisierte Unternehmen oder Organisationen mit vergleichbarer Funktion bezogen werden, sollte der Nutzer sicherstellen, dass die Mittelsperson beim ursprünglichen Zugang zu den Ressourcen die auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung und einvernehmlich festgelegte Bedingungen erwirkt hat (14). Die Bedingungen, zu denen die Mittelsperson Zugang zu den genetischen Ressourcen erlangt hat, machen es eventuell erforderlich, dass sich der Nutzer um ein neues PIC und neue MAT oder eine Änderung der vorhandenen bemüht, wenn die vorgesehene Nutzung von PIC und MAT der Mittelsperson nicht abgedeckt wird. Da die Bedingungen zunächst zwischen der Mittelsperson und dem Bereitstellerland vereinbart werden, können Mittelspersonen dem Nutzer am ehesten Auskunft über den rechtlichen Status des in ihrem Besitz befindlichen Materials geben.

Das setzt natürlich voraus, dass die betreffende genetische Ressource in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt und dass der Zugang zu dem Material durch die Mittelsperson im Bereitstellerland erst nach Inkrafttreten des Protokolls erfolgt ist (siehe Abschnitt 2.2). Dagegen ist es unerheblich, wo die Mittelsperson ansässig ist (in einem Land, das Vertragspartei des Protokolls ist, oder einem Drittland), solange das Bereitstellerland der betreffenden Ressource Vertragspartei des Protokolls ist.

Ein besonderer Fall ist der indirekte Zugang über Ex-situ-Sammlungen im Ursprungsland der betreffenden genetischen Ressourcen (innerhalb oder außerhalb der EU). Wenn das betreffende Land Regelungen für den Zugang zu solchen genetischen Ressourcen erlassen hat und der Zugang über die Sammlung nach Inkrafttreten des Protokolls erfolgt ist, fällt dies in den Anwendungsbereich der Verordnung, unabhängig davon, wann die Ressourcen gesammelt wurden.

2.1.4.   Gebietsfremde und invasive gebietsfremde Arten

Dieser Leitfaden bezieht sich auf gebietsfremde Arten (15) und invasive gebietsfremde Arten (16) entsprechend der Definition in der EU-Verordnung über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten (Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (17)). Somit umfasst er auch Arten, Unterarten oder „niedrigere Taxa“ wie Sorten, Rassen und Stämme. Für die in Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 genannten Ausnahmen gelten die Bestimmungen der EU-ABS-Verordnung, sofern alle maßgeblichen Bedingungen erfüllt sind (18).

Wie die Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 gilt die EU-ABS-Verordnung für gebietsfremde Arten unabhängig davon, ob sie invasiv werden oder nicht, und für gebietsfremde Arten, die vorsätzlich und nicht vorsätzlich in die Umwelt eingebracht werden. Viele Einbringungen erfolgen unbeabsichtigt, indem Organismen versehentlich über Transportsysteme (z. B. im Ballastwasser oder als blinde Passagiere) oder als Kontaminanten in Frachten (wie der Neuseeländische Plattwurm, der wahrscheinlich versehentlich in Pflanzentöpfen eingeschleppt wurde) befördert werden. Einen Sonderfall stellt das Eindringen durch vom Menschen geschaffene Korridore dar (wie z. B. das der Lesseps’schen Migranten — Meeresarten im Mittelmeer —, die durch den Suezkanal kamen). Wieder andere gebietsfremde Arten werden zur Verbesserung von Land-, Garten- und Forstwirtschaft, Aquakultur, Jagd/Fischerei und Landschaft oder für andere Zwecke absichtlich in die EU eingebracht. So wurden beispielsweise die Wasserhyazinthe und die Schmalblättrige Wasserpest Elodea nuttallii aufgrund ihres dekorativen Wertes, der Asiatische Marienkäfer Harmonia axyridis zur biologischen Schädlingsbekämpfung, der Waschbär Procyon lotor und die Gelbbauch-Schmuckschildkröte Trachemys scripta als Haustiere und der Amerikanische Nerz für die Pelzzucht eingebracht.

Manche gebietsfremde Arten breiten sich auf natürliche Weise von einem Land, in das sie eingebracht wurden, in dessen Nachbarländer aus (was auch als „sekundäre Ausbreitung“ bezeichnet wird); in diesen sind sie dann nach wie vor gebietsfremd.

Einmal etablierte gebietsfremde Arten (d. h. solche, die in der freien Natur eigenständig überleben können) gelten in dem Land, in dem sie nicht heimisch sind und in das sie eingebracht wurden bzw. in dem sie sich über ein anderes Land verbreitet haben, als unter In-situ-Bedingungen vorkommende Arten. Wenn Organismen sich in situ etabliert haben, können sie trotz der Gebietsfremdheit des Taxons in dem betreffenden Land als unter dessen souveräne Rechte fallend gelten. Demzufolge sollten die Regelungen des Landes angewandt werden, in dem der Zugang unter In-situ-Bedingungen erfolgt. Hat dieses Land Zugangsregelungen für diese Arten erlassen und werden die übrigen Bedingungen für die Anwendbarkeit der EU-ABS-Verordnung erfüllt, fällt die Nutzung dieser genetischen Ressourcen in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

—    Forschung zu einer gebietsfremden Art, die in dem Land, in dem die Exemplare entnommen wurden, etabliert ist

Exemplare des Blaubandbärblings, Pseudorasbora parva, eines in Asien heimischen Fisches, der sich nach Einbringung und Verbreitung, z. B. aus Fischfarmen, in vielen EU-Ländern vermehrt, werden in einem EU-Land mit geltenden Zugangsregelungen gesammelt. Die Entnahme der Art erfolgt zur Erforschung ihrer genetischen Eigenschaften, die mit ihrer Fähigkeit, in neue Lebensräume einzudringen, in Verbindung stehen. Obwohl dieser Fisch in dem betreffenden EU-Land nicht heimisch ist, pflanzt er sich dort fort und hat sich also etabliert. Die Exemplare fallen unter die souveränen Rechte des betreffenden EU-Lands und dessen ABS-Regelungen sind anzuwenden. Da die Forschungstätigkeit eine Nutzung im Sinne der Verordnung darstellt, fällt sie in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

2.1.5.   Bereitstellerland freigesetzter Organismen für die Schädlingsbekämpfung

Bestimmte Organismen wie beispielsweise Organismen für die Schädlingsbekämpfung passen sich einem neuen Umfeld rasch an. Ein Organismus zur Schädlingsbekämpfung, der in ein neues Gebiet eingebracht wird, kann aus einem Labor stammen oder im Ursprungsland oder einem Land entnommen worden sein, in dem er bereits erfolgreich eingebracht worden war oder sich selbst verbreitet hatte. Ähnlich wie die in Abschnitt 2.1.4 beschriebenen gebietsfremden Arten fallen diese Organismen, wenn sie sich im Land ihrer Freisetzung etabliert haben, unter dessen souveräne Rechte, und dieses Land sollte als Bereitstellerland im Sinne der EU-ABS-Verordnung angesehen werden.

—    Bereitstellerland von Organismen für die Schädlingsbekämpfung

Aus Organismen, zu denen in Land A Zugang erlangt wurde, wird ein Organismus zur Schädlingsbekämpfung entwickelt, der anschließend von einem Unternehmen in Land B vermarktet wird; Land A ist das Bereitstellerland für die Entwicklung des betreffenden Organismus.

Der Organismus zur Schädlingsbekämpfung etabliert sich in Land B. Land B sollte für die Zwecke sämtlicher Produkte, die auf der Grundlage von Organismen entwickelt werden (die sich durch die Einbringung des ursprünglichen Organismus zur Schädlingsbekämpfung verbreitet haben), als Bereitstellerland angesehen werden.

2.1.6.   Nichtvertragsparteien

ABS-Vorschriften oder rechtliche Anforderungen existieren auch in Ländern, die (noch) keine Vertragsparteien des Nagoya-Protokolls sind (19). Die Nutzung genetischer Ressourcen aus solchen Ländern fällt nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Die Nutzer müssen aber dennoch die nationalen Vorschriften oder rechtlichen Anforderungen des betreffenden Landes beachten und alle einvernehmlich festgelegten Bedingungen einhalten.

2.2.   Zeitlicher Anwendungsbereich: Der Zugang zu der genetischen Ressource und deren Nutzung muss seit dem 12. Oktober 2014 erfolgt sein

Die EU-ABS-Verordnung gilt seit dem 12. Oktober 2014. An dem Tag trat das Nagoya-Protokoll für die Union in Kraft. Genetische Ressourcen, zu denen vor diesem Datum Zugang erlangt wurde, unterliegen der Verordnung auch dann nicht, wenn ihre Nutzung nach dem 12. Oktober 2014 erfolgt ist (Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung). Die Verordnung gilt also nur für genetische Ressourcen, zu denen vom 12. Oktober 2014 an Zugang erlangt wurde.

Ein in der EU ansässiges Forschungsinstitut erhält im Jahr 2015 mikrobielle genetische Ressourcen von einer Sammlung in Deutschland. 1997 hat die Sammlung diese genetischen Ressourcen von einem Bereitstellerland (20) erhalten, das später Vertragspartei des Nagoya-Protokolls geworden ist. Diese genetischen Ressourcen werden von der EU-ABS-Verordnung nicht erfasst. Der Nutzer kann aber vertraglichen Verpflichtungen unterliegen, die ursprünglich von der Sammlung eingegangen und dann weitergegeben wurden. Das ist zu prüfen, wenn Material von der Sammlung bezogen wird.

Denkbar wäre auch, dass der Zugang zu den genetischen Ressourcen sowie Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten daran (d. h. ihre Nutzung, siehe Abschnitt 2.3.3) vor Inkrafttreten des Protokolls erfolgt sind, die genetischen Ressourcen aber auch nach Oktober 2014 weiterhin genutzt wurden, um sie in das dadurch entwickelte Produkt oder andere Produkte zu integrieren. Obwohl der Zugang zu solchen genetischen Ressourcen danach fortbesteht, fällt dies nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung, wenn keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten mehr an diesen Ressourcen durchgeführt werden.

In der EU wird ein Kosmetikprodukt (z. B. eine Gesichtscreme) vermarktet, das auf der Basis genetischer Ressourcen entwickelt worden ist, die vor Inkrafttreten des Protokolls von einem Land bezogen wurden. Die in der Cremeformel enthaltenen genetischen Ressourcen werden regelmäßig aus dem Land bezogen, auch nachdem es Vertragspartei des Nagoya-Protokolls geworden ist und Zugangsregelungen erlassen hat. Da an den genetischen Ressourcen keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchgeführt werden, unterliegt dieser Fall nicht der Verordnung.

Ein weiterer Fall betrifft eine Situation, in der die Nutzung vor dem 12. Oktober 2014 begonnen hat und danach fortgesetzt wurde, ohne weiteren Zugang zu genetischen Ressourcen aus dem Bereitstellerland. Auch diese Tätigkeit fällt nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung, weil der Zugang vor dem 12. Oktober 2014 erfolgt ist. Wenn zu einem späteren Zeitpunkt Zugang zu weiteren Proben der genetischen Ressource aus dem Bereitstellerland erlangt worden wäre, würde die laufende Forschungstätigkeit an diesen weiteren Proben in den zeitlichen Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallen. Die Nutzung der vor dem 12. Oktober 2014 bezogenen Proben unterläge jedoch nach wie vor nicht der EU-ABS-Verordnung.

Eine weitere, möglicherweise hilfreiche Klarstellung betrifft den Beginn der Anwendbarkeit der EU-ABS-Verordnung. Die Verordnung als Ganze ist seit dem 12. Oktober 2014 anwendbar, für ihre Artikel 4, 7 und 9 war das jedoch erst ein Jahr später der Fall. Die Nutzer unterliegen den Bestimmungen dieser Artikel seit Oktober 2015, doch grundsätzlich betreffen die Verpflichtungen alle genetischen Ressourcen, zu denen seit dem 12. Oktober 2014 Zugang erlangt wurde. Während es also im Hinblick auf die genetischen Ressourcen keinen Unterschied macht, ob der Zugang vor oder nach dem Oktober 2015 erlangt wurde, gelten für den Nutzer unterschiedliche gesetzliche Verpflichtungen: Da Artikel 4 bis Oktober 2015 nicht anwendbar war, bestand für die Nutzer bis zu diesem Zeitpunkt keine Sorgfaltspflicht (siehe Abschnitt 3.1). Die Sorgfaltspflicht gilt erst seit Oktober 2015. Seitdem sind sämtliche Bestimmungen der Verordnung auf alle darunterfallenden genetischen Ressourcen anwendbar.

Eine Vertragspartei des Nagoya-Protokolls kann nationale Regelungen auch für genetische Ressourcen eingeführt haben, zu denen vor Inkrafttreten des Protokolls Zugang erlangt worden ist. Die Nutzung dieser genetischen Ressourcen würde nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallen. Die nationalen Vorschriften oder rechtlichen Anforderungen des Bereitstellerlandes sind hingegen durchaus anwendbar, und einvernehmlich festgelegte Bedingungen sind zu beachten, auch wenn sie nicht von der EU-ABS-Verordnung abgedeckt sind.

2.3.   Materieller Anwendungsbereich

Die Verordnung gilt für die Nutzung von genetischen Ressourcen und des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens. Alle drei Aspekte werden in diesem Abschnitt ganz allgemein und in bestimmten Konstellationen behandelt.

2.3.1.   Genetische Ressourcen

Nach der Definition des Übereinkommens werden „genetische Ressourcen“ in der EU-ABS-Verordnung als „genetisches Material von tatsächlichem oder potenziellem Wert“ definiert (Artikel 3 der Verordnung). Dabei bedeutet „genetisches Material“„jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das funktionale Erbeinheiten“, also Gene enthält (Artikel 2 des Übereinkommens).

2.3.1.1   Genetische Ressourcen, für die besondere internationale Regelungen oder andere internationale Vereinbarungen gelten

Nach Artikel 4 Absatz 4 des Nagoya-Protokolls finden besondere ABS-Regelungen, die mit den Zielen des Übereinkommens und des Protokolls im Einklang stehen und ihnen nicht zuwiderlaufen, auf die in diesen Regelungen erfassten genetischen Ressourcen und für die darin vorgesehenen Zwecke vorrangig Anwendung. Dementsprechend gilt die EU-ABS-Verordnung nach Artikel 2 Absatz 2 nicht für genetische Ressourcen, bei denen Zugang und Vorteilsausgleich unter besondere internationale Regelungen fallen. Das gilt zurzeit für Material, auf das der Internationale Vertrag für pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGFRA) (21) und das Rahmenwerk der WHO für pandemische Grippeviren (PIP) (22) Anwendung finden.

Dagegen findet die EU-ABS-Verordnung auf die unter den ITPGFRA und das PIP-Rahmenwerk fallenden genetischen Ressourcen Anwendung, wenn der Zugang dazu in einem Land erlangt worden ist, das diese Übereinkünfte nicht unterzeichnet hat, aber Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist (23). Die Verordnung ist auch dann anzuwenden, wenn Ressourcen, die einer besonderen Regelung unterliegen, für andere als die darin erfassten Zwecke genutzt werden (wenn etwa eine Nahrungsmittelpflanze, die durch den ITPGFRA erfasst wird, für pharmazeutische Zwecke genutzt wird). Abschnitt 5.2 dieses Leitfadens befasst sich näher mit verschiedenen Szenarien im Zusammenhang mit dem Bezug und der Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, bei denen danach differenziert wird, ob das Land, in dem Zugang zu diesen Ressourcen erlangt wurde, Vertragspartei des Nagoya-Protokolls und/oder des ITPGFRA ist, und welche Art der Nutzung vorgesehen ist.

2.3.1.2   Humangenetische Ressourcen

Humangenetische Ressourcen fallen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung, da sie weder von dem Übereinkommen noch vom Nagoya-Protokoll abgedeckt sind. Bestätigt wird dies durch den Beschluss II/11 (Absatz 2) und den Beschluss X/1 (Absatz 5, speziell zu ABS) der Vertragsstaatenkonferenz (COP) des Übereinkommens (24).

2.3.1.3   Genetische Ressourcen als Handelsware

Der Handel mit und der Austausch von genetischen Ressourcen als Waren (wie etwa Erzeugnisse der Landwirtschaft, Fischerei oder Forstwirtschaft, ob zum direkten Verbrauch oder als Zutaten, z. B. in Lebensmitteln und Getränken) fallen nicht unter die Verordnung. Das Protokoll befasst sich nicht mit Handelsfragen, sondern lediglich mit der Nutzung von genetischen Ressourcen. Solange keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an genetischen Ressourcen durchgeführt werden (und somit keine Nutzung im Sinne des Protokolls stattfindet, siehe Abschnitt 2.3.3), findet die EU-ABS-Verordnung keine Anwendung.

Wenn allerdings an genetischen Ressourcen, die ursprünglich als Waren in die EU gelangt sind, Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchgeführt werden, hat sich die Nutzungsabsicht geändert und diese geänderte Nutzung fällt in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung (sofern die anderen Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung erfüllt sind). Wenn beispielsweise eine in der EU vermarktete Orange zum Verzehr genutzt wird, fällt dies nicht unter die Verordnung. Sobald diese Orange aber Gegenstand von Forschung und Entwicklung wird (wenn beispielsweise daraus ein Stoff isoliert und in ein neues Produkt eingebracht wird), fällt dies unter die Bestimmungen der EU-ABS-Verordnung (25).

Bei einer solchen Nutzungsänderung der zuvor als Ware angesehenen Ressource wird von dem Nutzer erwartet, dass er sich an das Bereitstellerland wendet und klärt, ob eine auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung und einvernehmlich festgelegte Bedingungen für diese Art der Nutzung der genetischen Ressource erforderlich sind (trifft dies zu, sind die erforderlichen Genehmigungen einzuholen und ist für die einvernehmliche Festlegung der Bedingungen zu sorgen).

Wenn Waren, bei denen es sich um genetische Ressourcen handelt, genutzt werden sollen (im Sinn der Durchführung von Forschung und Entwicklung), empfiehlt es sich für die Nutzer, sie direkt vom Bereitstellerland zu beziehen, damit geklärt ist, woher die Ware stammt, und von Anfang an feststeht, ob das Protokoll anzuwenden ist.

2.3.1.4   Genetische Ressourcen in Privatbesitz

Je nach den Zugangsregelungen eines Bereitstellerlandes kann die Verordnung auch für genetische Ressourcen aus diesem Land gelten, die sich in Privatbesitz, z. B. in privaten Sammlungen, befinden. Ob genetische Ressourcen in privater oder öffentlicher Hand sind, ist also für die Frage, ob die Verordnung Anwendung findet, unerheblich.

2.3.1.5   Pathogene genetische Ressourcen und Schädlinge, die unbeabsichtigt in das Territorium der EU eingebracht werden

Krankheitserreger (26) und Schädlinge können sich in unkontrollierter Weise ausbreiten, beispielsweise durch Nahrungsmittel, die in die EU eingeführt oder zwischen Mitgliedstaaten gehandelt werden, wobei lediglich die Absicht bestand, eine Ware, nicht jedoch den begleitenden Krankheitserreger weiterzugeben. Auch Reisende können Krankheitserreger — ebenfalls unbeabsichtigt — verbreiten (in dem Fall lässt sich häufig nicht einmal mehr das Ursprungsland die Erreger feststellen). Mit Pflanzen oder Holz, die als Waren eingeführt werden, können Blattläuse oder Käfer, mit eingeführtem Fleisch Bakterien wie Campylobacter und von Reisenden oder anderen Personen (z. B. erkranktem medizinischem Personal), die zur Behandlung in einen EU-Mitgliedstaat gebracht werden, Ebola-Viren eingeschleppt werden. Dies gilt auch für kontaminierende Organismen in Nahrungsmitteln oder Fermentationsprodukten, deren Nichtbehandlung zum Verlust der Lieferungen oder im Falle des Verzehrs zu gesundheitlichen Problemen führen können. In keinem der genannten Fälle werden die Schadorganismen als genetische Ressourcen absichtlich eingeführt oder verbreitet. Deshalb gilt, dass die Verordnung auf Krankheitserreger oder Schädlinge, die zusammen mit einem Menschen, einem Tier, einer Pflanze, einem Mikroorganismus, Nahrungs- oder Futtermitteln oder anderem Material aus einem Drittland oder aus einem Mitgliedstaat mit Zugangsregelungen unbeabsichtigt auf das Territorium der EU eingebracht werden, keine Anwendung findet. Das ist auch der Fall, wenn solche genetischen Ressourcen aus einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen verbracht werden.

Die im vorangegangenen Absatz dargestellte Ausnahme vom Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung gilt für die Einbringung von Organismen, wenn ihre Nutzung nach der Entnahme von Reisenden oder aus der eingeführten Ware erfolgt. Etabliert sich ein Krankheitserreger oder Schädling nach der Einbringung in situ in einem EU-Land, sind auf ihn die souveränen Rechte des betreffenden Landes anwendbar. Hat dieses Land Zugangsregelungen für diese Arten erlassen und werden die übrigen Bedingungen für die Anwendbarkeit der EU-ABS-Verordnung erfüllt, fällt die Nutzung dieser genetischen Ressourcen in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Siehe dazu auch Abschnitt 2.1.4 zu gebietsfremden Arten.

Im Nahen Osten wurde 2014 erstmals eine neue Viruserkrankung bei Tomaten namens Tomato Brown Rugose Fruit Virus („Jordan-Virus“) beobachtet, die inzwischen auch in der EU vorkommt. Es werden Virusisolate von eingeführten Früchten analysiert; da die isolierten Organismen aus einem anderen Land stammen und unbeabsichtigt eingeführt wurden, fällt die Nutzung nicht in den Anwendungsbereich der EU-Verordnung.

Bei der Erforschung des Virus wurden auch Virusisolate aus Pflanzen verwendet, die nach der Etablierung des Virus in der EU angebaut wurden; diese Isolate aus in der EU etablierten Populationen wurden mit den Isolaten anderer Länder und mit verwandten Pflanzenviren verglichen. Untersucht wurden vor allem die genetischen Merkmale, die für die Ausbreitung und das Überleben des Virus verantwortlich sind. Da die Forschungstätigkeit in diesem Fall die in EU-Ländern etablierten und dort in situ entnommenen Krankheitserreger betraf, gelten die einschlägigen ABS-Regelungen des Landes, in dem der Zugang erlangt wurde, und fällt die Nutzung der betreffenden genetischen Ressource (Tomatenvirus) in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

Eine Person, die kürzlich verschiedene Länder in Ostasien bereist hatte, suchte nach ihrer Rückkehr mit schweren, einer Lungenentzündung ähnlichen Symptomen einen Arzt auf. Im Krankenhaus wurde bei ihr das Schwere Akute Respiratorische Syndrom (SARS) diagnostiziert. Man entnahm bei ihr Proben zur weiteren Diagnose und Bestätigung des Infektionserregers. Aus diesen Proben wurde ein Coronavirus isoliert. Die DNA-Sequenz des Isolats wurde mit anderen SARS-assoziierten Coronavirus-Isolaten verglichen. Ein Vergleich der Symptome der Patientin mit den Symptomen anderer SARS-Patienten ergab leicht unterschiedliche Symptome (Art und Schwere der Symptome, Zeitraum des Auftretens der Symptome im Verhältnis zu Unterschieden der Genomsequenzen der Virusisolate). Alle Isolate stammten von Patienten, die sich außerhalb der EU mit dem Virus angesteckt hatten. Da die Forschungstätigkeit im Rahmen dieser Untersuchung einen Krankheitserreger betraf, der unbeabsichtigt in die EU gelangt war, fällt die Nutzung der betreffenden genetischen Ressource (SARS verursachendes Coronavirus) nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

2.3.1.6   Assoziierte Organismen, die in/auf einer (absichtlich bezogenen) genetischen Ressource in die EU gelangten

Viele biologische Exemplare oder Proben weisen andere mit ihnen assoziierte Organismen wie Parasiten, Schädlinge, Krankheitserreger, Symbionten oder Mikrobiota auf. Unter einem assoziierten Organismus versteht man folglich einen Organismus, der in oder auf einem anderen Organismus lebt. In manchen Fällen werden die Bedingungen für die Nutzung von assoziierten Organismen in den für die bezogene genetische Ressource geltenden PIC und MAT näher ausgeführt. In anderen Fällen wiederum enthalten PIC und MAT für die bezogene genetische Ressource keine Angaben zur Nutzung der assoziierten Organismen. Dann kann der betreffende Organismus, auch wenn er in einer Sammlung aufbewahrt wird, nicht als unbeabsichtigt auf das Territorium der EU gelangt angesehen werden, da er zusammen mit der absichtlich bezogenen genetischen Ressource in die EU gebracht wurde. Dem Nutzer wird daher geraten, sich an das Bereitstellerland zu wenden und zu klären, ob eine auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung und einvernehmlich festgelegte Bedingungen für diese Art der Nutzung dieser mit der bezogenen genetischen Ressource assoziierten Organismen erforderlich sind.

Generell können Nutzer oder Sammlungen, die Zugang zu genetischen Ressourcen erlangen und eine PIC für genetische Ressourcen erhalten und MAT aushandeln, in Betracht ziehen, die Bedingungen für den Zugang so auszuhandeln, dass auch assoziierte Organismen in PIC und MAT abgedeckt sind.

Die Assoziation von Organismen kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen, auch nach der Erlangung des Zugangs zur ursprünglichen genetischen Ressource. Daher lässt sich nicht immer bestimmen, wann und wo die Assoziation stattgefunden hat (z. B. während der Reise oder Verbringung in verschiedene Länder oder sogar nach der Aufnahme in einer Sammlung). In diesen Fällen ist die Ermittlung des Bereitstellerlandes unter Umständen nicht möglich (siehe auch Abschnitt 3.3).

In den Wurzelzellen mancher Pflanzen leben endosymbiontische Bakterien, die ihnen beim Wachsen helfen. Eine Hochschulforschungsgruppe in der EU erlangt Zugang zu einer Pflanze unter PIC- und MAT-Bedingungen, in denen nicht von assoziiertem Material die Rede ist. Nach Ankunft der Pflanze stellt die Hochschulforschungsgruppe fest, dass die Pflanze ein endosymbiontisches Bakterium enthält. Den Forschern wird geraten, sich an das Bereitstellerland zu wenden und zu klären, ob sie neue oder überarbeitete PIC und MAT benötigen.

Bei einem Mikrobenstamm in einer Sammlung wird ein kontaminierender Organismus entdeckt und isoliert. Er könnte aus dem Ursprungsland des Primärstamms, aus dem Land, in dem der Einlagerer arbeitet, oder einem Land, durch das er transportiert wurde, stammen. Lässt sich das Ursprungsland nicht ermitteln, hindert die EU-ABS-Verordnung die Sammlung nicht daran, den kontaminierenden Stamm zu behalten oder ihn zur Nutzung zur Verfügung zu stellen. Es entspräche der guten Praxis, wenn die Sammlung potenzielle Nutzer informiert, dass das Material unbekannten Ursprungs ist.

2.3.1.7   Menschliche Mikrobiota

Mit dem Begriff „menschliche Mikrobiota“ werden hier alle Mikroorganismen (wie Bakterien, Pilze und Viren) bezeichnet, die auf oder in dem menschlichen Körper leben, und mit „Mikrobiom“ sämtliche Genome dieser Mikroorganismen (d. h. die gesamten genetischen Ressourcen).

Die menschlichen Mikrobiota umfassen mehr als 10 000 Arten von Bakterien, Archaea, Pilzen, Protisten und Viren, die auf oder in menschlichen Geweben und Bioflüssigkeiten sowie vielen verschiedenen Organen einschließlich der Haut leben. Während einige Mikrobiota bereits bei der Geburt vorhanden sind, nimmt die mikrobielle Vielfalt später zu und entwickelt sich bei jedem Menschen in den ersten Lebensjahren zu einem einzigartigen, unverkennbaren Mikrobiom. Dieses kann sich im Laufe des Lebens verändern und reagiert auf Veränderungen der Ernährung, den Wohnort und die Nähe zu anderen Menschen; seine Zusammensetzung bleibt jedoch einzigartig. Die Mikrobiota umfassen symbiontische Arten, und das Mikrobiom beinhaltet Gene, die für die Gesundheit und Funktionsfähigkeit des Körpers unerlässlich sind. So kann beispielsweise ein Verlust oder die Veränderung relativer Anteile von Mikrobiota-Komponenten (Dysbiose) zu Krankheiten, Adipositas oder anderen ungünstigen körperlichen Zuständen führen. Manche im menschlichen Mikrobiom enthaltene Arten können auch in anderen Arten wie anderen Säugetieren und Vögeln vorkommen, andere wiederum leben als freilebende Arten in der Umwelt.

Obwohl das menschliche Mikrobiom mit Menschen assoziiert und für das Wohlbefinden und Überleben des Einzelnen unerlässlich ist, stellt es eine genetische Ressource nicht-menschlicher Art dar. Menschliche Microbiota müssen daher getrennt von humangenetischen Ressourcen betrachtet werden, da sie sich aus verschiedenen und einzigartigen Organismen zusammensetzen. Doch aufgrund der symbiotischen Interaktion zwischen den Mikrobiota und dem menschlichen Körper, die bei jedem Einzelnen zu einer einzigartigen Zusammensetzung der Mikrobiota führt, gelten im Rahmen der EU-ABS-Verordnung besondere Bedingungen für die Nutzung menschlicher Mikrobiota (siehe nächster Absatz). Darüber hinaus sind zusätzliche ethische Gesichtspunkte und gesetzliche Anforderungen zu berücksichtigen: in den meisten Rechtsrahmen und ethischen Verhaltenskodizes wird das Recht des Einzelnen anerkannt, vor einer Probenahme und Untersuchung von Proben seines Körpers einzuwilligen und seine Zustimmung zu erteilen; außerdem wird die Sicherheit der personenbezogenen Informationen angesprochen, die mit der Zusammensetzung der Mikrobiota verbunden sein und von dieser abgeleitet werden können (27).

Angesichts der Einzigartigkeit der menschlichen Mikrobiota jedes Einzelnen und ihrer Funktion für die menschliche Gesundheit wird die Untersuchung der Mikrobiota als solche außerhalb des Anwendungsbereichs der EU-ABS-Verordnung liegend angesehen. Wenn die Mikrobiota also in situ (d. h. in oder auf dem Körper) untersucht werden und sich die Untersuchung auf die Mikrobiota als Ganzes konzentriert, fällt die Untersuchung nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Die genetische und/oder biochemische Zusammensetzung dieser menschlichen mikrobiellen Gemeinschaften kann auch in Proben untersucht werden, die aus dem Körper oder aus Körperprodukten eines Individuums entnommen werden. Wenn bei solchen Untersuchungen die einzigartige Zusammensetzung der Mikrobiota eines einzelnen Menschen im Mittelpunkt steht, beispielsweise ihre Funktion in Bezug auf diesen Menschen, ist die Verordnung nicht anwendbar.

Werden Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten jedoch zu einzelnen Taxa durchgeführt, die aus einer Probe menschlicher Mikrobiota isoliert werden, stellt dieses Isolat nicht mehr die einzigartige mikrobielle Zusammensetzung dar, die für ein Individuum charakteristisch ist, und fallen die betreffenden Untersuchungen in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Dieser Schlussfolgerung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Identität der ausgewählten isolierten Taxa der Untersuchung nicht einzigartig für einen einzelnen Menschen ist und nicht länger als einzigartige mikrobielle Zusammensetzung des Mikrobioms eines einzelnen Menschen angesehen werden kann. In diesem Zusammenhang sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass die reine taxonomische Bestimmung einer genetischen Ressource nicht als Forschung und Entwicklung im Sinne der Verordnung gilt (siehe Abschnitt 2.3.3.1). Dies trifft auch für die Identifizierung der individuellen Taxa zu, die in einer Probe aus menschlichen Mikrobiota vorhanden sind.

1. Untersuchung des Zusammenhangs von Darmflora und geistiger Gesundheit  (28)

Anhand von menschlichen Stuhlproben wurde die Zusammensetzung der Darmflora untersucht, um den Zusammenhang zwischen den Mikrobiota im menschlichen Darm und der geistigen Gesundheit zu erforschen. Dabei wurden die Stuhlproben von verschiedenen Einzelpersonen entnommen; anschließend wurden die vorhanden Taxa bestimmt und quantifiziert, wobei festgestellt wurde, dass Arten der Gattungen Faecalibacterium und Coprococcus häufiger bei Menschen mit hoher geistiger Lebensqualität anzutreffen waren, während die Arten Coprococcus und Dialister bei depressiven Menschen unterdurchschnittlich vertreten waren.

Der erste Teil der Untersuchung, bei dem es vor allem um das menschliche Mikrobiom als Ganzes ging, fällt nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung, da das Mikrobiom bei jedem Individuum einzigartig ist. Auch der weitere Teil der Untersuchung, bei dem die Arten bestimmt wurden, fällt nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung (da er nur die taxonomische Bestimmung betrifft).

2. Untersuchung aus einer menschlichen Stuhlprobe isolierter potenzieller Psychobiotika

Nach Untersuchungen, bei denen ein Zusammenhang zwischen den Arten Faecalibacterium und Coprococcus und einer hohen geistigen Lebensqualität hergestellt wurde, galten diese Taxa als potenzielle Leitstrukturen für Psychobiotika — lebende Organismen, die bei Aufnahme in angemessener Menge gesundheitsfördernd für Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen sind. Diese Bakterien wurden aus menschlichen Stuhlproben isoliert und es wurden die biochemischen Wege und die Wirksamkeit bei Behandlungen untersucht. Diese Forschungs- und Entwicklungstätigkeit stellt eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar und fällt daher in den Anwendungsbereich der Verordnung.

3. Produktion von Neurotransmittern in der menschlichen Darmflora

Es wurde untersucht, ob die mikrobielle DNA in menschlichen Stuhlproben Neurotransmitter oder Vorläufer für Stoffe wie Dopamin und Serotonin produziert. Diese beiden chemischen Stoffe erfüllen komplexe Aufgaben im Gehirn, und bei Unausgewogenheit derselben kann es zu Depressionen kommen. Die Konzentration dieser chemischen Stoffe in Stuhlproben war im Vergleich zu ihrer Konzentration in Bakterienproben aus dem allgemeinen Lebensumfeld der betroffenen Personen (d. h. nicht deren Stuhlproben) hoch. Da die Untersuchung an einer unveränderten Probe menschlicher Mikrobiota stattfand, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich der EU-Verordnung.

4. Untersuchung von Lactobacillus rhamnosus-Stämmen zur Verwendung in Probiotika

Bei dieser Untersuchung wurden mehreren Personen Proben entnommen, aus denen Kolonien des häufigen Darmbakteriums Lactobacillus rhamnosus isoliert und daraufhin untersucht wurden, ob sie die Anheftung von Escherichia coli an menschliche Darmzellen verhindern können. Bei dieser Untersuchung sollte der Stamm mit der größten Hemmwirkung ermittelt werden, um ihn in einem neuen Probiotikum gegen Durchfall zu verwenden. Die Untersuchung der genetischen und biochemischen Zusammensetzung des Stamms und der Funktion der Gene wird an aus menschlichen Mikrobiota isolierten einzelnen Taxa durchgeführt und stellt als solche eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar (und fällt somit in den Anwendungsbereich der Verordnung).

Bereitstellerland von menschlichen Mikrobiota

Als Bereitstellerland von menschlichen Mikrobiota gilt das Land, in dem die entsprechende Probe entnommen wurde. Anders verhält es sich, wenn die Mikrobiota unmittelbar nach der Einreise des Probanden aus einem anderen Land, in dem er normalerweise lebt, entnommen werden; in diesem Fall gilt das Wohnsitzland als Bereitstellerland. Grund dafür ist, dass die Zusammensetzung der Mikrobiota sich — außer bei einer Infektion mit Krankheitserregern — während einer direkten Reise aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geändert hat. Bei einer indirekten oder längeren Reise ist es möglicherweise nicht klar, welches Land souveräne Rechte ausüben kann (eine Erläuterung der Fälle, in denen das Bereitstellerland nicht ermittelt werden kann, findet sich in Abschnitt 3.3).

5. Geografischer Anwendungsbereich und Zugang

Im Rahmen einer weltweiten Studie zu menschlichen Mikrobiota senden verschiedene Personen Stuhlproben an ein Labor in einem EU-Land. In dem Labor werden zu Forschungszwecken einzelne Mikrobenstämme isoliert.

Der erste Proband lebt in dem Land, in dem die Probe entnommen/gesammelt wird. Das Land, in dem die Probe entnommen wird, gilt als Bereitstellerland.

Eine zweite Probandin ist direkt aus einem anderen Land (ihrem Wohnsitzland) in das EU-Land, in dem die Stämme analysiert werden, gereist; die Probe wird unmittelbar nach der Einreise entnommen. In diesem Fall gilt das Land, aus dem sie kam, als Bereitstellerland.

Einige Monate später wird ihr eine weitere Probe entnommen. Da die Einreise eine gewisse Zeit zurückliegt und sich die mikrobielle Zusammensetzung geändert haben kann, gilt das Land der Probenahme als Bereitstellerland.

Wenn Proben aus Abwasserproben entnommen werden, besteht keine direkte Verbindung zu einem menschlichen Wirt und ist eine Bestimmung der einzelnen Mikrobiome aufgrund einer potenziellen Kontamination schwieriger. Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen oder biochemischen Zusammensetzung von Mikrobiota dieser Proben, mit der beispielsweise die Antibiotikaresistenz einer Bevölkerung untersucht werden soll, fällt in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

2.3.2.   Sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen

Traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, kann einen Hinweis auf deren potenzielle Nutzungen geben. Für traditionelles Wissen gibt es keine international anerkannte Definition. Einzelne Vertragsparteien des Nagoya-Protokolls, sofern sie den Zugang zu traditionellem Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, regeln, haben möglicherweise eigene innerstaatliche Definitionen.

Um die Flexibilität und Rechtssicherheit für Bereitsteller und Nutzer zu gewährleisten, wird in der EU-ABS-Verordnung „traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht“ definiert als „traditionelles Wissen einer indigenen oder ortsansässigen Gemeinschaft, das für die Nutzung der genetischen Ressourcen relevant ist und das in den einvernehmlich festgelegten Bedingungen für die Nutzung genetischer Ressourcen als solches beschrieben ist“ (Artikel 3 Nummer 7 der Verordnung).

Traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, fällt also nur dann unter die EU-ABS-Verordnung, wenn es in die Nutzung der betreffenden Ressourcen einfließt und von den einschlägigen Vertragsvereinbarungen abgedeckt ist.

2.3.3.   Nutzung

Die „Nutzung von genetischen Ressourcen“ bedeutet nach der Definition der Verordnung genau wie im Nagoya-Protokoll „das Durchführen von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen, einschließlich durch die Anwendung von Biotechnologie im Sinne des Artikels 2 des Übereinkommens“ (Artikel 3 Nummer 5 der Verordnung). Diese breit gefasste Definition deckt verschiedene Tätigkeiten in vielen Sektoren ab, ohne bestimmte Tätigkeiten spezifisch aufzulisten. In den Verhandlungen zum Nagoya-Protokoll wurde die Erstellung solcher Tätigkeitslisten in Erwägung gezogen. Es wurde jedoch letzten Endes darauf verzichtet, um den mit der raschen Entwicklung von Kenntnissen und Technologien in diesem Bereich einhergehenden Veränderungen nicht vorzugreifen.

Da in den Zugangsregelungen eines Bereitstellerlandes unterschiedliche Bedingungen für verschiedene Nutzungsarten festgelegt und bestimmte Tätigkeiten aus dem Anwendungsbereich ausgeklammert sein können (siehe Abschnitt 2.1.2), müssen Nutzer die geltenden Regelungen des Bereitstellerlandes prüfen und feststellen, ob darunter auch die von ihnen durchgeführten Tätigkeiten fallen. Dabei sollten sie sich bewusst sein, dass sie diejenigen sind, die sich um die auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung bemühen und einvernehmlich festgelegte Bedingungen aushandeln. Die Ausführungen im folgenden Abschnitt (Forschung und Entwicklung) und die nachstehend aufgeführten Beispiele für Tätigkeiten (Abschnitt 2.3.3.2) sollen Nutzern helfen festzustellen, ob ihre Tätigkeiten in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Diese Frage steht auch im Mittelpunkt von Anhang II zu diesem Dokument. Zudem kann in bewährten Verfahren, die nach Artikel 8 der Verordnung in Bezug auf Zugang und Vorteilsausgleich entwickelt werden können, genauer darauf eingegangen werden.

2.3.3.1   Forschung und Entwicklung

Die Begriffe „Forschung und Entwicklung“, worunter im Rahmen des Protokolls Forschung und Entwicklung an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen zu verstehen ist, sind weder im Nagoya-Protokoll noch in der EU-ABS-Verordnung definiert. Bei der Auslegung dieser Begriffe sollte von ihrer allgemeinen Bedeutung in dem Zusammenhang, in dem sie verwendet werden, und vom Zweck der Verordnung ausgegangen werden.

Das Oxford Dictionary definiert Forschung als „systematische Untersuchung und Erforschung von Materialien und Quellen, um Fakten festzustellen und zu neuen Erkenntnissen zu gelangen“.

Dem Frascati Manual (29) der OECD von 2002 zufolge umfasst die Definition von Forschung und Entwicklung sowohl Grundlagenforschung als auch angewandte Forschung: Forschung und experimentelle Entwicklung umfassen systematisches kreatives Arbeiten mit dem Ziel, das vorhandene Wissen, einschließlich des Wissens von Menschen, Kultur und Gesellschaft, zu mehren, und die Verwendung dieses Wissens zur Entwicklung neuer Anwendungen.

Viele Transaktionen und Tätigkeiten, an denen genetische Ressourcen beteiligt sind, beinhalten überhaupt keine Forschung und Entwicklung. Sie fallen daher auch nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung.

Da ein Landwirt beim bloßen Ausbringen und Ernten von Saatgut und anderem Vermehrungsmaterial weder Forschung noch Entwicklung betreibt, fallen diese Tätigkeiten nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung.

Möglicherweise muss an anderer Stelle noch genauer geklärt werden, ob eine bestimmte wissenschaftliche Tätigkeit eine Nutzung im Sinne der Verordnung darstellt und somit in deren Anwendungsbereich fällt. Fragen stellen sich insbesondere bei vorgelagerten Tätigkeiten, die sich meist unmittelbar an den erlangten Zugang zu einer genetischen Ressource anschließen. Hier besteht die Herausforderung darin, Tätigkeiten, die regelmäßig auch zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen und als solche zu fördern sind, nicht unangemessen zu belasten (Artikel 8 Buchstabe a des Nagoya-Protokolls) und dennoch die Funktionalität des ABS-Systems insgesamt zu gewährleisten.

Die Ergebnisse von Grundlagenforschung werden üblicherweise veröffentlicht. Damit können sie die Grundlage bilden für angewandte Forschung, die kommerziell relevant ist. Wer an Grundlagenforschung beteiligt ist, ist sich noch nicht unbedingt darüber im Klaren, dass seine Ergebnisse später einmal kommerziell relevant werden könnten. Je nach Art der Tätigkeit können sowohl Grundlagenforschung als auch angewandte Forschung als „Nutzung“ im Sinne des Nagoya-Protokolls und der Verordnung gelten. In gleicher Weise können auch unterschiedliche Arten wissenschaftlicher Einrichtungen von der Verordnung betroffen sein.

Manche vorgelagerte Tätigkeiten stehen zwar im Zusammenhang mit Forschung (oder werden zu ihrer Unterstützung durchgeführt), sind aber nicht als „Nutzung“ im Sinne der Verordnung anzusehen, z. B. die Pflege und Verwaltung einer Sammlung zu Erhaltungszwecken einschließlich der Lagerung von Ressourcen oder Qualitätsprüfungen/Kontrollen auf Pflanzenkrankheiten und Materialeingangskontrollen.

Auch wird eine genetische Ressource vor ihrer Nutzung üblicherweise zunächst bestimmt. Die taxonomische Bestimmung von biologischem oder genetischem Material durch morphologische oder molekulare Analyse, einschließlich durch Sequenzierung der DNA, stellt keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar, da es dabei nicht um die Entdeckung einer spezifischen genetischen und/oder biochemischen Funktion (Eigenschaften — siehe dazu auch „Lackmustest“) geht. Es ist unerheblich, ob die taxonomische Bestimmung auf eine zuvor benannte Einheit oder auf eine nicht benannte Einheit hinweist. Somit fallen taxonomische Untersuchungen, die sich nicht mit genetischen Merkmalen (Funktion) befassen, nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

Auch die reine Beschreibung einer genetischen Ressource in phänotypbasierten Forschungsarbeiten, z. B. morphologischen Analysen, stellt normalerweise keine Nutzung dar.

Wenn jedoch die Beschreibung oder Charakterisierung einer genetischen Ressource mit Forschungsarbeiten an dieser Ressource einhergeht, d. h. spezifische genetische und/oder biochemische Eigenschaften entdeckt oder untersucht werden sollen, würde dies als Nutzung im Sinne des Protokolls und der Verordnung gelten (siehe dazu auch Abschnitt 6.1 in Anhang II und die dort genannten Beispiele). Folglich gilt die Definition der Nutzung genetischer Ressourcen, d. h. das Durchführen von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen, für die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an Genfunktionen und vererbbaren Eigenschaften. Die Nutzer sollten sich einer Art „Lackmustest“ unterziehen und sich selbst fragen, ob ihre Arbeit mit den genetischen Ressourcen neue Erkenntnisse über deren Eigenschaften hervorbringt, die (potenzielle) Vorteile für die weitere Produktentwicklung mit sich bringen. Wenn das der Fall ist, geht die Tätigkeit über die reine Beschreibung hinaus. Sie wäre als Forschungs- und Entwicklungstätigkeit anzusehen und würde folglich als „Nutzung“ gelten.

2.3.3.2   Beispiele für Tätigkeiten, die (oder die nicht) unter die in der Verordnung verwendete Definition der „Nutzung“ fallen

Aus den oben genannten Gründen kann keine umfassende Liste relevanter Tätigkeiten zur Verfügung gestellt werden. Nachstehend aufgeführt sind jedoch Beispiele für Tätigkeiten, die eindeutig als Nutzung anzusehen sind und damit in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen:

Forschung an einer genetischen Ressource, um eine biochemische Verbindung zu isolieren, die als neuer (aktiver oder inaktiver) Inhaltsstoff für ein Kosmetikprodukt verwendet wird.

Zuchtprogramm zur Entwicklung einer neuen Pflanzensorte auf der Basis von Landsorten oder in der Natur vorkommenden Pflanzen.

genetische Veränderung — Schaffung von gentechnisch veränderten Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen durch Einbringen eines Gens einer anderen Art.

Entwicklung oder Verbesserung von Hefen durch menschliche Eingriffe im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zur Anwendung in Produktionsprozessen (siehe allerdings unten das Beispiel zur Anwendung von Biotechnologie).

Demgegenüber stellen die folgenden Tätigkeiten keine Nutzung im Sinne der Verordnung dar und unterliegen folglich auch nicht ihren Bestimmungen:

Lieferung und Verarbeitung einschlägiger Rohmaterialien zur nachfolgenden Einbringung in ein Produkt, wobei die Eigenschaften der in den genetischen Ressourcen enthaltenen biochemischen Verbindung bereits bekannt sind, sodass keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten mehr durchgeführt werden müssen — beispielsweise die Lieferung und Verarbeitung von Aloe Vera, Kariténüssen oder Sheabutter, ätherischem Rosenöl usw. zur Weiterverarbeitung in Kosmetika.

Genetische Ressourcen als Test-/Referenzinstrumente: In diesem Stadium ist das Material selbst nicht Gegenstand der Forschung, sondern dient nur zur Bestätigung oder Überprüfung der gewünschten Eigenschaften anderer Produkte, die entwickelt worden sind oder sich in der Entwicklung befinden. Dazu zählen beispielsweise Labortiere, an denen die Reaktion auf Medizinprodukte getestet wird, sowie Laborreferenzmaterial (z. B. Kontrollstämme), Reagenzien und Stichproben für Leistungstests oder Krankheitserreger, um die Widerstandsfähigkeit von Pflanzensorten zu testen.

Wurden jedoch in einem früheren Stadium Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an diesen genetischen Ressourcen mit dem Ziel durchgeführt, (bessere) Versuchs- oder Referenzinstrumente zu entwickeln, fällt dies in den Anwendungsbereich der Verordnung.

Umgang mit und Lagerung von biologischem Material und Beschreibung des Phänotyps.

Die Anwendung von Biotechnologie, ohne dass die genetische Ressource zum Gegenstand von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten wird. So ist beispielsweise der Einsatz von Hefen beim Bierbrauen, wenn diese kein Gegenstand von Forschung und Entwicklung, sondern lediglich Bestandteil des Brauverfahrens sind, nicht als Nutzung dieser genetischen Ressource anzusehen.

2.3.4.   Derivate

Die Definition von „Nutzung“ im Protokoll und in der Verordnung gilt für „Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen, einschließlich durch die Anwendung von Biotechnologie“. Biotechnologie wiederum ist im Übereinkommen definiert als „jede technologische Anwendung, die biologische Systeme, lebende Organismen oder Produkte [Derivate] daraus benutzt, um Erzeugnisse oder Verfahren für eine bestimmte Nutzung herzustellen oder zu verändern“ (Artikel 2, siehe auch Artikel 2 Buchstabe d des Protokolls). Durch dieses Konzept von „Biotechnologie“ ist die Definition von „Nutzung“ mit der Definition von „Derivaten“ in Artikel 2 Buchstabe e des Protokolls verknüpft. Danach ist ein Derivat „eine natürlich vorkommende biochemische Verbindung, die durch Genexpression oder den Stoffwechselprozess biologischer oder genetischer Ressourcen entstanden ist, auch wenn sie keine funktionalen Erbeinheiten enthält“. Beispiele für Derivate sind Proteine, Lipide, Enzyme, RNA und organische Verbindungen wie Flavonoide, ätherische Öle oder pflanzliche Harze. In manchen dieser Derivate sind möglicherweise keine funktionalen Erbeinheiten mehr enthalten. Der Hinweis auf natürlich vorkommende biochemische Verbindungen macht deutlich, dass Material wie z. B. synthetische Genabschnitte nicht unter diese Definition fallen.

In der Definition von „Biotechnologie“, die wiederum in der Definition von „Nutzung“ genannt wird, wird auf Derivate Bezug genommen, eine entsprechende Bezugnahme fehlt jedoch in den grundlegenden Bestimmungen des Protokolls, auch in den Bestimmungen über die Nutzung, die letztlich seinen Anwendungsbereich bestimmen. Folglich ist der Zugang zu Derivaten in der EU-ABS-Verordnung dann abgedeckt, wenn er auch genetische Ressourcen für die Nutzung einschließt, wenn beispielsweise der Zugang zu einem Derivat mit dem Zugang zu einer genetischen Ressource verbunden ist, von der dieses Derivat gewonnen wurde oder wird, oder wenn für die an solchen Derivaten durchzuführenden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten einvernehmliche Bedingungen festgelegt und an den Nutzer weitergegeben werden.

Damit Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an Derivaten in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallen, muss also zwischen einem Derivat und der genetischen Ressource, von der es gewonnen wurde, ein feststellbares Maß an Kontinuität bestehen.

Diese Kontinuität ist in folgenden Fällen gegeben:

Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an einem Derivat sind Teil eines Forschungsprojekts zu der genetischen Ressource und beinhalten den Bezug des Derivats.

Ein Nutzer hat das Derivat bezogen oder einen Dritten beauftragt, das Derivat aus einer genetischen Ressource im Rahmen einer Forschungszusammenarbeit oder als spezifische Dienstleistung (z. B. im Rahmen einer Dienstleistungsvereinbarung) zu beziehen.

Das Derivat wird von einem Dritten erworben und unter PIC- und MAT-Bedingungen, die die betreffenden Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an dem Derivat umfassen, weitergegeben.

Kontinuität besteht nicht, wenn das Derivat von einem Dritten als auf dem Markt verfügbares Produkt erworben und ohne PIC- und MAT-Bedingungen, die die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an dem Derivat abdecken, weitergegeben wird. Folglich fallen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, bei denen als Waren gehandelte und erworbene Derivate (wie Ernte- oder Abfallprodukte der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Aquakultur und dergleichen einschließlich Ölen, Melassen, Stärken und sonstiger Raffinerieprodukte, tierischer Nebenprodukte wie Milch, Seide, Wollfett, Bienenwachs) lediglich genutzt werden, ohne dazugehörige PIC und MAT oder ohne Zugang zu einer spezifischen genetischen Ressource, nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

Kontinuität

1.

Ein Duftstoffunternehmen führt ganze Pflanzen, Pflanzenteile und deren Saatgut (Kultur- oder Wildarten) in die EU ein (PIC und MAT wurden vorschriftsgemäß eingeholt); es extrahiert und reinigt neue ätherische Öle durch Lösungsmittelextraktion, um nach neuen Duftinhaltsstoffen zu suchen. Das Unternehmen reinigt und bestimmt die flüchtigen Verbindungen und beurteilt deren Potenzial zur Verwendung als neue Duftinhaltsstoffe. Es besteht Kontinuität zwischen den genetischen Ressourcen und den Derivaten, da die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an einem Derivat Teil eines Projekts zu der genetischen Ressource sind und den Bezug des Derivats beinhalten. Aus diesem Grund fällt die Erforschung der ätherischen Öle auf der Suche nach potenziellen neuen Duftinhaltsstoffen in den Anwendungsbereich der Verordnung.

2.

Das EU-basierte Unternehmen A bittet das außerhalb der EU (in einem Vertragsstaat des Nagoya-Protokolls) ansässige Unternehmen B um eine Dienstleistung, nämlich das Ernten einer Pflanze und das Gewinnen eines bestimmten ätherischen Öls daraus, das anschließend für weitere Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an Unternehmen A weitergegeben wird. PIC und MAT für die Pflanze wurden vorschriftsgemäß eingeholt. Obwohl das EU-basierte Unternehmen A selbst keinen Zugang zu der genetischen Ressource, sondern nur zu einem Derivat derselben erlangt, besteht ein Zusammenhang (Kontinuum) zwischen den Tätigkeiten beider Unternehmen, vom Zugang zu der genetischen Ressource und der Herstellung des Derivats durch Unternehmen B bis hin zu den weiteren Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten in der EU durch Unternehmen A. Dieser Zusammenhang zeigt sich anhand der konkreten Anfrage von Unternehmen A an Unternehmen B, das Derivat herzustellen. In diesem Fall ist der Zugang zu dem Derivat an den Zugang zu der genetischen Ressource, aus der es gewonnen wurde, gekoppelt und stellen die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten des Duftstoffunternehmens A eine Nutzung dar und fallen in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

3.

Ein Forscher bezieht ein isoliertes Derivat aus einer Sammlung in der EU. Das Derivat wurde aus einer genetischen Ressource isoliert, zu der der Zugang nach dem 12. Oktober 2014 aus einem Vertragsstaat des Protokolls mit Zugangsregelungen erfolgte. Die Sammlung verfügt über PIC und MAT für die Nutzung dieser isolierten Substanz. Der Forscher nutzt diese Substanz für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten im Rahmen eines Projekts zur Untersuchung neuer natürlicher Stoffe, die über das Haarwachstum fördernde Eigenschaften verfügen. Es besteht ein Kontinuum, da das Derivat von einer Sammlung bezogen und unter PIC- und MAT-Bedingungen, die die betreffenden Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an dem Derivat umfassen, weitergegeben wird. Aus diesem Grund fallen die an der Substanz durchgeführten Tätigkeiten des Forschers in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

4.

Ein Forscher bezieht aus Mikroorganismen isolierte Stoffe aus einer Substanzbibliothek, die kein PIC und MAT für diese Stoffe besitzt (die Substanzen werden dem Forscher folglich ohne PIC und MAT überlassen). Der Forscher untersucht die Substanzen auf ihre potenzielle Wirkung gegen Parkinson. Da die Substanzen ohne PIC und MAT bezogen werden, kann keine Kontinuität zwischen ihnen und den Mikroorganismen, aus denen sie gewonnen wurden, festgestellt werden. Daher fällt die Untersuchung und Analyse der Verbindungen nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

5.

Ein in der EU ansässiges Unternehmen erwirbt eine Charge ätherischer Orangenöle von einer Mittelsperson mit Sitz außerhalb der EU; die Weitergabe erfolgt ohne dazugehörige PIC und MAT. Das Unternehmen analysiert die Zusammensetzung der Öle, um bekannte und neue chemische Strukturen zu ermitteln und deren organoleptische Eigenschaften (Geruch, Geschmack, Textur) zu bestimmen. Die vom EU-Unternehmen gewonnenen Analysedaten dienen als Grundlage für weitere Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zur Herstellung eines neuen Lebensmittelaromas. Es besteht kein Kontinuum zwischen dem Erwerb der Charge extrahierter ätherischer Öle (Derivate) und den genetischen Ressourcen, aus denen sie extrahiert wurden; beim Erwerb der Öle werden an den Käufer keine dafür geltenden PIC und MAT weitergegeben. Die Nutzung dieser Derivate fällt nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung, da kein Zusammenhang hergestellt werden kann und sie von einer Mittelsperson als Ware gekauft werden. Folglich fallen die an ihnen durchgeführten Untersuchungs- und Analysetätigkeiten nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

Die ABS-Vorschriften oder rechtlichen Anforderungen von Bereitstellerländern können jedoch auch auf Derivate anwendbar sein, die als Waren bezogen werden oder zu denen anderweitig ohne entsprechende PIC- und MAT-Bedingungen Zugang erlangt wird. Obwohl die Nutzung dieser Derivate nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fällt, sollten die betreffenden Nutzer die nationalen Vorschriften oder rechtlichen Anforderungen des Bereitstellerlandes beachten.

Im Nagoya-Protokoll und in der EU-ABS-Verordnung ist nicht definiert, was „natürlich vorkommend“ bedeutet. Eine Orientierungsmöglichkeit bietet die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates (30) („REACH-Verordnung“), in deren Artikel 3 Absatz 39 ein „Naturstoff“ definiert wird als „natürlich vorkommender Stoff als solcher, unverarbeitet oder lediglich manuell, mechanisch oder durch Gravitationskraft, durch Auflösung in Wasser, durch Flotation, durch Extraktion mit Wasser, durch Dampfdestillation oder durch Erhitzung zum Wasserentzug verarbeitet oder durch beliebige Mittel aus der Luft entnommen“. In der REACH-Verordnung wird anerkannt, dass nicht alle chemischen Behandlungen zu einer Änderung der Verbindung führen. In Artikel 3 Absatz 40 der REACH-Verordnung wird ein „nicht chemisch veränderter Stoff“ definiert als „Stoff, dessen chemische Struktur unverändert bleibt, auch wenn er einem chemischen Verfahren oder einer chemischen Behandlung oder einer physikalischen mineralogischen Umwandlung, zum Beispiel zur Beseitigung von Verunreinigungen, unterzogen wurde“. Analog zur Definition in der REACH-Verordnung kann eine natürlich vorkommende Verbindung als Verbindung angesehen werden, deren chemische Struktur nicht verändert wurde. Dementsprechend gilt eine Verbindung, deren chemische Struktur durch Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten verändert wurde, nicht als natürlich vorkommend und fällt daher nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

Chemische Veränderung und chemisch veränderte Verbindungen

1.

Pyrethrine sind eine Art natürlich vorkommender Pestizide in Pyrethrum-Pflanzen. Ein Unternehmen, das Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an den in Blumen enthaltenen Pyrethrinen durchführen möchte, bezieht eine Charge Pyrethrum-Blumen. Diese werden auf herkömmliche Weise gemahlen und mit einem organischen Lösungsmittel behandelt, um Pyrethrum-Extrakt oder ätherische Öle mit insektizider Wirkung zu gewinnen. Das Hauptziel der Extraktion besteht darin, ein helles Erzeugnis mit einem hohen Gehalt an Pyrethrin-Wirkstoffen zu erlangen. Das entstehende Erzeugnis enthält Derivate, die nicht chemisch verändert wurden. Daher fällt die Nutzung der Derivate für weitere Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

2.

Ein Unternehmen möchte Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an Pyrethroiden durchführen. Pyrethroide sind synthetische chemische Insektizide, deren chemische Strukturen von den chemischen Strukturen der Pyrethrine hergeleitet sind und die eine ähnliche Funktion erfüllen wie Pyrethrine. Da Pyrethroide nicht in der Natur vorkommen, fallen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an ihnen nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

2.3.5.   Informationen zu genetischen Ressourcen

Man könnte anführen, dass das Protokoll den Zugang zu und die Nutzung von genetischen Ressourcen als solche behandelt und daher keine Aspekte der digitalen Information regelt, die von genetischen Ressourcen gewonnen wird. Was eine solche Differenzierung bedeutet, muss jedoch in Anbetracht der jüngsten technologischen Entwicklungen von den Vertragsparteien des Protokolls noch geprüft werden. Unbeschadet des Ergebnisses dieser Prüfung kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Nutzung der aus der Gensequenzierung gewonnenen digitalen Daten, die meist in öffentlich zugänglichen Datenbanken enthalten sind, nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fällt.

Denkbar ist auf jeden Fall, dass die Nutzung oder Veröffentlichung solcher Daten durch einvernehmlich festgelegte Bedingungen abgedeckt ist, die eingehalten werden müssen. Wer Zugang zu den genetischen Ressourcen erlangt hat und daraus Sequenzdaten erhält, sollte sich insbesondere an die Bedingungen der eingegangenen Vereinbarung halten und nachfolgende Akteure über die Rechte und Pflichten informieren, die mit diesen Daten einhergehen und für jede weitere Nutzung gelten.

2.4.   Personenbezogener Anwendungsbereich: Die Verordnung gilt für alle Nutzer

Die in der EU-ABS-Verordnung vorgeschriebene Sorgfaltspflicht gilt für alle Nutzer von genetischen Ressourcen, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Ein Nutzer ist in der Verordnung definiert als „eine natürliche oder juristische Person, die genetische Ressourcen oder traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, nutzt“ (Artikel 3 Nummer 4 der Verordnung). Dies gilt unabhängig von der Größe des Nutzers und vom Zweck der Nutzung (kommerziell oder nichtkommerziell). Somit gilt die Sorgfaltspflicht für Einzelpersonen (inklusive Forscher) ebenso wie für Institutionen (z. B. Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen), für kleine und mittlere Unternehmen ebenso wie für multinationale Firmen, die genetische Ressourcen oder sich darauf beziehendes traditionelles Wissen nutzen. Alle Rechtsträger, die Nutzungstätigkeiten durchführen (Forscher oder andere Einrichtungen), müssen, sofern alle anderen Bedingungen erfüllt sind, der Sorgfaltspflicht nach Maßgabe der EU-ABS-Verordnung nachkommen, ganz gleich, wie groß sie sind und ob sie gewinnorientiert arbeiten oder nicht.

Wer Material nur weitergibt, ist kein Nutzer im Sinne der Verordnung. Er kann aber an vertragliche Verpflichtungen gebunden sein, die eingegangen worden sind, als Zugang zu dem Material erlangt wurde. Des Weiteren muss er wahrscheinlich Informationen an nachfolgende Nutzer weitergeben, damit auch sie ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen können (siehe auch Ausführungen zu genetischen Ressourcen als Handelsware in Abschnitt 2.3.1.3).

Auch wer Produkte, die auf der Grundlage der Nutzung von genetischen Ressourcen oder sich darauf beziehendem traditionellem Wissen entwickelt worden sind, lediglich vermarktet, ist kein Nutzer im Sinne der Verordnung, unabhängig davon, wo die Entwicklung des Produkts stattgefunden hat. Er kann aber an vertragliche Verpflichtungen gebunden sein, die eingegangen wurden, als Zugang zu dem Material erlangt oder eine Nutzungsänderung vorgenommen wurde; das betrifft insbesondere den Vorteilsausgleich (31).

2.5.   Geografischer Anwendungsbereich — II: Die Verordnung gilt für die Nutzung innerhalb der EU

Die Verpflichtungen aufgrund der EU-ABS-Verordnung gelten für alle Nutzer, die (in den Anwendungsbereich der Verordnung fallende) genetische Ressourcen oder sich darauf beziehendes traditionelles Wissen im Gebiet der EU nutzen.

Somit fällt die Nutzung genetischer Ressourcen außerhalb der EU nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung. Wenn ein Unternehmen ein Produkt in der EU vermarktet, das es durch die Nutzung genetischer Ressourcen entwickelt hat, und die Nutzung (und damit der gesamte Forschungs- und Entwicklungsprozess) außerhalb der EU stattgefunden hat, fällt dies nicht unter die EU-ABS-Verordnung.

3.   VERPFLICHTUNGEN DES NUTZERS

3.1.   Sorgfaltspflicht

Die Kernverpflichtung der Nutzer besteht nach der EU-ABS-Verordnung darin, mit der gebotenen Sorgfalt vorzugehen, „um festzustellen, dass der Zugang zu den genetischen Ressourcen und dem traditionellen Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, die bzw. das sie nutzen, im Einklang mit den [in den Bereitstellerländern] geltenden Gesetzen oder sonstigen rechtlichen Anforderungen zum Zugang und zur Aufteilung der Vorteile erfolgt ist, und dass die Vorteile ausgewogen und gerecht zu einvernehmlich festgelegten Bedingungen im Einklang mit den geltenden Gesetzen oder sonstigen rechtlichen Anforderungen aufgeteilt werden“ (Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung).

Das Konzept der „gebotenen Sorgfalt“ stammt aus der Unternehmensverwaltung, wo es regelmäßig im Zusammenhang mit unternehmerischen Entscheidungen über Zusammenschlüsse und Übernahmen angewandt wird, z. B. bei der Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten eines Unternehmens, bevor über dessen Übernahme entschieden wird (32). Der Begriff kann je nach Kontext inhaltlich variieren, doch folgende Elemente sind allgemeingültig und werden in relevanten Studien und in Gerichtsentscheidungen immer wieder angeführt:

Gebotene Sorgfalt bezieht sich auf die Beurteilung und die Entscheidungen, die von einer Person oder Einrichtung in einer bestimmten Situation nach vernünftigem Ermessen erwartet werden können. Informationen sollen systematisch erhoben und genutzt werden. Dabei geht es nicht darum, ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen oder Perfektion anzustreben, sondern um Gründlichkeit und bestmögliches Bemühen.

Gebotene Sorgfalt ist mehr als nur die Annahme von Regeln und Maßnahmen; dazu gehört auch, auf deren Anwendung und Durchsetzung zu achten. Unerfahrenheit und Zeitmangel befreien nicht von der Sorgfaltspflicht, wie Gerichte in ihren Urteilen festgestellt haben.

Die gebotene Sorgfalt muss an die Umstände angepasst sein, d. h. bei risikoreicheren Tätigkeiten ist größere Sorgfalt geboten, und neue Kenntnisse und Technologien können eine Anpassung früherer Vorgehensweisen erforderlich machen.

In dem besonderen Kontext der EU-ABS-Verordnung soll durch die gebotene Sorgfalt gewährleistet werden, dass die erforderlichen Informationen im Zusammenhang mit den genetischen Ressourcen entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der Union verfügbar sind. Das ermöglicht es allen Nutzern, Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit den genetischen Ressourcen und/oder dem sich darauf beziehenden traditionellen Wissen zu kennen und sie einzuhalten.

Ein Nutzer — auf einer beliebigen Stufe der Wertschöpfungskette —, der bei der Suche nach Informationen sowie deren Aufbewahrung, Weitergabe und Analyse alle nach vernünftigem Ermessen zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, erfüllt damit die Sorgfaltspflicht nach Maßgabe der EU-ABS-Verordnung. Auf diese Weise kann er auch Haftungsgründe gegenüber nachfolgenden Nutzern ausschließen, auch wenn dieser Aspekt in der EU-ABS-Verordnung nicht geregelt ist.

Wie vorstehend erwähnt, kann die gebotene Sorgfalt den Umständen entsprechend variieren. Auch im Rahmen der EU-ABS-Verordnung verlangt die gebotene Sorgfalt nicht von allen Nutzern gleichartige Maßnahmen. Zwar müssen alle Nutzer die gebotene Sorgfalt walten lassen, doch haben sie einigen Spielraum, um die Maßnahmen zu treffen, die in ihrem jeweiligen Kontext und in Anbetracht ihrer Kapazitäten am besten geeignet sind. Vereinigungen von Nutzern (oder andere interessierte Kreise) können auch bewährte Verfahren für ihren eigenen Bereich entwickeln und damit die für sie am besten geeigneten Maßnahmen definieren.

Sollte sich die Nutzungsabsicht in Bezug auf eine genetische Ressource ändern, müssen sich die Nutzer im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht darüber im Klaren sein, dass gegebenenfalls eine neue (oder geänderte) auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung des Bereitstellerlandes (PIC) und einvernehmlich festgelegte Bedingungen (MAT) für diese neue Nutzung erforderlich sind. Jede Weitergabe einer genetischen Ressource sollte im Einklang mit den MAT erfolgen. Dazu ist gegebenenfalls ein Vertrag mit dem Empfänger zu schließen.

Wenn ein Nutzer seiner Sorgfaltspflicht in der beschriebenen Weise nachkommt, er also einen vernünftigen Sorgfaltsmaßstab angewandt hat, sich aber später herausstellt, dass eine verwendete genetische Ressource von einem früheren Akteur in der Wertschöpfungskette widerrechtlich in einem Bereitstellerland erworben wurde, stellt dies keinen Verstoß des Nutzers gegen seine Verpflichtung nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung dar. Gleichwohl muss der Nutzer, sollte der Zugang zu der genetischen Ressource nicht im Einklang mit anwendbaren Zugangsregelungen erlangt worden sein, eine Zugangsgenehmigung oder ein gleichwertiges Dokument einholen und einvernehmlich festgelegte Bedingungen vereinbaren oder die Nutzung einstellen, wie es Artikel 4 Absatz 5 der Verordnung vorsieht. Zusätzlich zur oben beschriebenen Verhaltenspflicht sieht die Verordnung also auch eine Ergebnispflicht vor, sobald sich herausstellt, dass PIC und MAT hätten eingeholt werden müssen (aber nicht eingeholt wurden).

Ein Mitgliedstaat kann zusätzliche Regelungen für den Zugang und die Aufteilung der Vorteile vorsehen, die über die Anforderungen der EU-ABS-Verordnung an die gebotene Sorgfalt hinausgehen, und bei Verstößen gegen diese Regelungen Sanktionen verhängen. Die Nutzer sollten diese Regelungen kennen, um nicht gegen nationale Rechtsvorschriften zu verstoßen, selbst wenn sie sich an die Bestimmungen der Verordnung halten.

3.2.   Feststellung der Anwendbarkeit der Verordnung

Um festzustellen, ob Verpflichtungen nach Maßgabe der Verordnung auf eine genetische Ressource Anwendung finden, muss der potenzielle Nutzer prüfen, ob das betreffende Material in den Anwendungsbereich des Protokolls und der EU-ABS-Verordnung fällt. Bei dieser Prüfung ist mit gebotener Sorgfalt vorzugehen und u. a. festzustellen, ob das Bereitstellerland Vertragspartei des Protokolls ist. Die Liste der Vertragsparteien wird auf der Website der Informationsstelle für den Zugang und die Aufteilung der Vorteile (ABS-Informationsstelle) veröffentlicht. Ist das Bereitstellerland dort aufgeführt, besteht der nächste logische Schritt darin herauszufinden, ob in dem Land Rechts- oder Verwaltungsvorschriften über den Zugang und die Aufteilung der Vorteile gelten. Auch dies lässt sich auf der Website der ABS-Informationsstelle (https://absch.cbd.inthttps://absch.cbd.int

Nach Artikel 14 Absatz 2 des Nagoya-Protokolls sind die Vertragspartner verpflichtet, über die ABS-Informationsstelle ihre Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder politischen ABS-Maßnahmen zur Verfügung zu stellen. Das erleichtert es den Nutzern und den zuständigen Behörden der Länder, in deren Hoheitsgebiet die genetischen Ressourcen genutzt werden, Informationen über die im Bereitstellerland geltenden Regelungen zu erhalten. Vertragsparteien des Protokolls sind auch verpflichtet, der ABS-Informationsstelle gesetzliche Vorschriften anzuzeigen, die sie zur Umsetzung der „Compliance-Säule“ des Protokolls (Einhaltung der Artikel 15 bis 17) erlassen haben. So kommen die Bereitsteller von genetischen Ressourcen leichter an Informationen über die zur Einhaltung ihrer Regelungen getroffenen Maßnahmen in Nutzerländern. Damit bildet die ABS-Informationsstelle das Zentrum der Verbreitung sämtlicher Informationen im Zusammenhang mit dem Nagoya-Protokoll.

Sind in der ABS-Informationsstelle keine Angaben zu geltenden Maßnahmen über den Zugang und die Aufteilung der Vorteile erhältlich, gibt es aber Anhaltspunkte dafür, dass der Zugang durch Gesetze oder sonstige rechtliche Anforderungen geregelt ist, oder hält ein potenzieller Nutzer dies aus anderen Gründen für sinnvoll, kann er sich direkt an die gemäß dem Protokoll benannte Nationale Anlaufstelle (National Focal Point, NFP) wenden. Falls sich bestätigt, dass Zugangsregelungen bestehen, sollte die Anlaufstelle in der Lage sein zu klären, welche Voraussetzungen in dem betreffenden Land für den Zugang zu genetischen Ressourcen gelten. Wenn trotz aller zumutbaren Bemühungen keine Antwort der Anlaufstelle zu erhalten ist, entscheidet der (potenzielle) Nutzer selbst, ob er Zugang zu den betreffenden genetischen Ressourcen erlangen bzw. ob er sie nutzen will. In dem Fall wird davon ausgegangen, dass er die erforderlichen Schritte zur Feststellung der Anwendbarkeit der ABS-Verordnung unternommen hat.

Sollte sich später herausstellen, dass die Verordnung auf genetische Ressourcen anzuwenden ist, von denen zuvor angenommen wurde, dass sie nicht in ihren Anwendungsbereich fallen, und wird deutlich, dass der Zugang zu den genetischen Ressourcen nicht im Einklang mit den geltenden gesetzlichen Zugangsregelungen erlangt worden ist, muss der Nutzer eine Zugangsgenehmigung oder ein gleichwertiges Dokument einholen und einvernehmlich festgelegte Bedingungen vereinbaren oder die Nutzung einstellen. Deshalb sollte alles getan werden, um festzustellen, ob der Zugang gesetzlich geregelt ist. In manchen Fällen kann es der Nutzer für angebracht halten, weitere Anstrengungen als die oben beschriebenen zu unternehmen. Solche (zusätzlichen) Bemühungen tragen dazu bei, dass die genetischen Ressourcen entlang der weiteren Wertschöpfungskette sicher genutzt werden können. Auch wird der Wert der Ressourcen sicherlich steigen, weil nachgeordnete Nutzer solche Ressourcen vorziehen dürften, die hinsichtlich der Anwendbarkeit der ABS-Verordnung bereits sehr sorgfältig geprüft worden sind.

Es besteht keine Notwendigkeit, Bescheinigungen oder schriftliche Bestätigungen von zuständigen Behörden für genetische Ressourcen einzuholen, die (vor allem aus zeitlichen Gründen) nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Eine Bescheinigung, dass die Ressourcen nicht unter die Bestimmungen der Verordnung fallen, ist insbesondere dann nicht erforderlich, wenn die Behörden die Einhaltung der Vorschriften durch den Nutzer kontrollieren. Bei ihren Kontrollen können die zuständigen Behörden aber aufgrund verwaltungsrechtlicher Bestimmungen der Mitgliedstaaten eine Begründung und Erläuterung verlangen, weshalb bestimmte Materialien nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Deshalb empfiehlt es sich, entsprechende Belege und Nachweise dafür aufzubewahren.

3.3.   Wenn das Bereitstellerland nicht ermittelt werden kann

In manchen Fällen lässt sich trotz aller Bemühungen (siehe Erläuterungen in Abschnitt 3.2) das Bereitstellerland nicht ermitteln. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, i) wenn genetische Ressourcen von Behörden im Rahmen der Umsetzung von CITES-Regelungen (33) beschlagnahmt werden und zwar die Region, aus der die genetische Ressource stammt, ermittelt werden kann, nicht aber das genaue Ursprungsland; ii) bei genetischen Ressourcen in Sammlungen, die ursprünglich als Krankheitserreger auf einem Reisenden oder als Schädling an Waren oder als Nicht-Pathogen auf demselben Weg unbeabsichtigt in die EU gelangt sind und bei denen nicht ermittelt werden kann, wo sie erworben wurden (ob in dem Land, aus dem der Reisende oder die Waren kamen, oder während des Transfers); iii) wenn es sich um assoziierte Organismen auf Exemplaren in einer Sammlung handelt, deren Ursprung sich nicht ermitteln lässt; iv) wenn genetische Ressourcen als Waren ohne Ursprungsangabe zum Beispiel über das Internet erworben werden. Kann das Land, aus dem die genetischen Ressourcen stammen, nicht ermittelt werden, kann nicht bestimmt werden, ob und ggf. welche nationalen Rechtsvorschriften oder Bestimmungen gelten. Da die EU-ABS-Verordnung die Nutzung genetischer Ressourcen unbekannten Ursprungs nicht verbietet, kann die Nutzung unter solchen Umständen stattfinden. Allerdings muss sich der Nutzer, ähnlich wie bei der Feststellung der Anwendbarkeit der Verordnung (Abschnitt 3.2), darüber im Klaren sein, dass die Bestimmungen von Artikel 4 Absatz 5 zu beachten sind, wenn neue Informationen gewonnen werden, die eine Bestimmung des Bereitstellerlandes der genutzten genetischen Ressourcen ermöglichen. Hier können die zuständigen Behörden bei ihren Kontrollen (auf Grundlage der verwaltungsrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten) entsprechend eine Begründung und Erläuterung verlangen, weshalb bestimmte Materialien nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Deshalb empfiehlt es sich, entsprechende Belege und Nachweise dafür aufzubewahren.

3.4.   Wahrnehmung behördlicher Aufgaben

In den EU-Mitgliedstaaten sind verschiedene öffentliche Organisationen von ihren Regierungen durch Gesetze und/oder Vorschriften mit Forschungstätigkeiten beauftragt worden und sollen vor allem die Lebensmittelsicherheit, die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen und/oder die Produktqualität überwachen. Je nach Art der Tätigkeiten können diese in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallen.

Die Tatsache, dass die Tätigkeiten auf Verlangen der Regierung durchgeführt werden und sich auf das rechtlich definierte Mandat der jeweiligen Einrichtung stützen, ist nicht maßgeblich dafür, ob sie in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallen oder nicht. Vielmehr entscheidet die Art der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, ob die Verordnung anwendbar ist oder nicht. Wenn es nur darum geht, dass von einem Dritten gelieferte Forschungsergebnisse, Waren oder unbestimmte Organismen einer Identitäts- oder Qualitätsprüfung unterzogen werden, fallen diese Tätigkeiten nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Geht es jedoch um Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen oder biochemischen Zusammensetzung der betreffenden genetischen Ressourcen, handelt es sich um eine Nutzung der genetischen Ressourcen und ist die EU-ABS-Verordnung anwendbar.

3.5.   Nachweis der gebotenen Sorgfalt, wenn die Anwendbarkeit der Verordnung feststeht

Zum Nachweis der Einhaltung ihrer Sorgfaltspflicht müssen Nutzer bestimmte Informationen nach Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung einholen, aufbewahren und an nachfolgende Nutzer weitergeben. Dass mit der gebotenen Sorgfalt im Sinne von Artikel 4 Absatz 3 vorgegangen wurde, kann auf zwei Arten nachgewiesen werden.

Zum einen kann die Einhaltung der Sorgfaltspflicht durch ein international anerkanntes Konformitätszertifikat (IRCC) nachgewiesen werden, das entweder für den betreffenden Nutzer ausgestellt wird oder auf das sich der Nutzer berufen kann, weil die betreffende Nutzung durch die Bedingungen des IRCC gedeckt ist (Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung) (34). Vertragsparteien des Nagoya-Protokolls, die den Zugang zu ihren genetischen Ressourcen geregelt haben, müssen zum Nachweis der Erteilung einer vorherigen informierten Zustimmung und der Vereinbarung einvernehmlich festgelegter Bedingungen eine Zugangsgenehmigung oder ein gleichwertiges Dokument ausstellen. Sobald sie diese Genehmigung der ABS-Informationsstelle melden, wird daraus ein Konformitätszertifikat. Somit wird eine von einer Vertragspartei des Protokolls erteilte nationale Zugangsgenehmigung zu einem international anerkannten Zertifikat, wenn die Vertragspartei sie bei der ABS-Informationsstelle anmeldet (Artikel 17 Absatz 2 des Protokolls). Der Verweis auf ein IRCC muss gegebenenfalls durch Angaben zum Inhalt der einvernehmlich festgelegten Bedingungen ergänzt werden, die für nachfolgende Nutzer relevant sind.

Wenn kein IRCC verfügbar ist, müssen die Nutzer die in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung aufgeführten Informationen und einschlägigen Dokumente einholen. Diese Informationen umfassen

den Zeitpunkt und Ort des Zugangs zu den genetischen Ressourcen (oder dem sich darauf beziehenden traditionellen Wissen);

eine Beschreibung der genetischen Ressourcen (oder des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens);

die Quelle, von der die genetischen Ressourcen (bzw. das sich darauf beziehende traditionelle Wissen) direkt bezogen wurden;

das Vorliegen bzw. Fehlen von Rechten und Pflichten im Zusammenhang mit dem Zugang und der Aufteilung der Vorteile (einschließlich Rechten und Pflichten in Bezug auf spätere Anwendung und Vermarktung);

gegebenenfalls Zugangsgenehmigungen;

soweit zutreffend, einvernehmlich festgelegte Bedingungen.

Nutzer müssen die ihnen vorliegenden Informationen analysieren und zu der Überzeugung gelangen, dass sie den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, die in dem Bereitstellerland gelten. Liegen den Nutzern unzureichende Informationen vor oder bestehen Unsicherheiten in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Zugangs und/oder der Nutzung, so müssen sie entweder die fehlenden Informationen einholen oder die Nutzung einstellen (Artikel 4 Absatz 5 der Verordnung). Für Fälle, in denen sich ein Bereitstellerland nicht ermitteln lässt und die Nutzung daher nicht eingestellt werden muss, siehe Abschnitt 3.3.

Nutzer sind verpflichtet, alle für den Zugang und die Aufteilung der Vorteile relevanten Informationen nach dem Ende des Nutzungszeitraums zwanzig Jahre lang aufzubewahren (Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung).

3.5.1.   Pflichten von Forschungseinrichtungen und ihren Beschäftigten

Da ein Forscher ohne eine Anstellung bei seiner Organisation keine Forschungstätigkeiten durchführen würde, hat die Leitung der Organisation (Forschungseinrichtung, Hochschule usw.), der ein Forscher oder Studierender angehört, als Arbeitgeber oder Organisation, die Ausbildungstätigkeiten anbietet und die Tätigkeiten ihrer Beschäftigten und/oder die Tätigkeiten in ihren Räumlichkeiten beaufsichtigt, Pflichten und kann in manchen Fällen als Nutzer bezeichnet werden. Wenn die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten ihrer Beschäftigten und/oder die Tätigkeiten in ihren Räumlichkeiten in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallen, müssen die Forscher auch die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften gewährleisten. Daher muss die Leitung dieser Organisationen die Zuständigkeiten in Bezug auf die Sorgfaltspflichten innerhalb der Organisation klar festlegen. Es sollte in Erwägung gezogen werden, interne Regelungen für die Pflichten bezüglich der Nutzung genetischer Ressourcen einzuführen, und klare Verfahren und Maßnahmen geben. Die Organisationsleitung kann ihren Beschäftigten auch Anweisungen erteilen, wer sich um die Erlangung einer Zustimmung (PIC) und die Aushandlung eines Vertrags (MAT) kümmern darf, welche Bedingungen dabei gelten und ob die Unterzeichnung von PIC und MAT ihrer Zustimmung bedarf.

Die Anforderungen der EU-ABS-Verordnung betreffen nicht nur die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten der Beschäftigten der Organisation, sondern auch die Tätigkeiten von Gastwissenschaftlern und Studierenden, die genetische Ressourcen ausländischen Ursprungs — oft aus ihrem jeweiligen Heimatland — zu Forschungszwecken mitbringen können und innerhalb der Organisation Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchführen. Daher wird der Organisation geraten, mit Gästen eine formale Vereinbarung zu schließen, in der festgelegt ist, i) wer dafür verantwortlich ist, sicherzustellen, dass in Bezug auf das genutzte Material mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt wird, und ii) wer dafür zuständig ist, gegebenenfalls eine Sorgfaltserklärung vorzulegen.

3.5.2.   Pflichten von Dienstleistungsnehmern und -erbringern

Es ist allgemein üblich, dass Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten von Unterauftragnehmern, Lohnfertigern oder Dienstleistern erbracht werden (im Folgenden „Dienstleister“). Entsprechende Fachdienstleistungen werden unter anderem von Hochschulen und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erbracht. Diese umfassen beispielsweise die Bestimmung von DNA- und Proteinsequenzen, die DNA- oder Proteinsynthese und die Identifizierung von bioaktiven Stoffen und Extraktionsverfahren. Obwohl diese Dienstleister möglicherweise Tätigkeiten durchführen, die sie normalerweise zu Nutzern im Sinne der EU-ABS-Verordnung machen würden, kann die Einhaltung der Sorgfaltspflicht unter bestimmten Umständen Aufgabe der Einrichtung sein, die die betreffende Tätigkeit als Unterauftrag vergeben hat (im Folgenden „Dienstleistungsnehmer“). In diesem Fall kann ein Bezug zu den EU-Verordnungen zum Schutz personenbezogener Daten hergestellt werden, die sich auf das Konzept des für die Verarbeitung Verantwortlichen und des Auftragsverarbeiters stützen, wobei sämtliche rechtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Schutz personenbezogener Daten bei von einem Dienstleister verarbeiteten Daten nach wie vor bei dem für die Verarbeitung Verantwortlichen liegen.

Folglich würden sämtliche Tätigkeiten von potenziell in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallenden Dienstleistern, wenn sie auf Verlangen des Dienstleistungsnehmers ausgeführt werden, Dienstleister nicht zu Nutzern im Sinne der EU-ABS-Verordnung machen, wenn folgende Bedingungen erfüllt und in der Dienstleistungsvereinbarung explizit festgelegt sind:

i.

Der Dienstleister kann nur die in der Dienstleistungsvereinbarung genannten und konkret beschriebenen Tätigkeiten durchführen und hat nicht das Recht, an den im Rahmen der Dienstleistungsvereinbarung bereitgestellten genetischen Ressourcen oder erzielten Ergebnissen andere Forschungs- und Entwicklungs- oder Nutzungstätigkeiten durchzuführen;

ii.

der Dienstleister ist verpflichtet, mit der Beendigung der Dienstleistungsvereinbarung sämtliche zu seinen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten gehörenden Materialien und Informationen zurückzugeben oder zu vernichten. Falls zu Archivierungszwecken ein Exemplar behalten wird, wird die Einrichtung, die die Dienstleistung als Unterauftrag vergeben hat, darüber informiert;

iii.

der Dienstleister erhält keine Rechte an den genetischen Ressourcen oder sonstige Eigentumsrechte im Zusammenhang mit den durch die Erbringung der Dienstleistungen im Rahmen der Dienstleistungsvereinbarung erlangten Ergebnissen;

iv.

der Dienstleister ist nicht berechtigt, Material oder Informationen an einen Dritten oder ein anderes Land zu übertragen, und muss sämtliche im Rahmen der Dienstleistungsvereinbarung erhaltenen und erzeugten Informationen vertraulich aufbewahren (und darf sie nicht veröffentlichen); und

v.

der Dienstleistungsnehmer muss hinsichtlich des dem Dienstleister zur Verfügung gestellten Materials sämtliche Verpflichtungen im Rahmen der EU-ABS-Verordnung einhalten.

Sind diese Bedingungen erfüllt, gilt der Dienstleistungsnehmer als Nutzer im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

Der Dienstleister erhält üblicherweise eine Dienstleistungsgebühr, die nicht als „Zuschuss“ im Sinne der Durchführungsverordnung zu verstehen ist.

Ein in der EU ansässiges Unternehmen führt genetische Ressourcen direkt aus einem Bereitstellerland ein. Es gibt sie anschließend an einen in der EU oder anderswo ansässigen Dienstleister weiter. Dieser wird gebeten, für das Unternehmen und in dessen Namen neue bioaktive Stoffe zu identifizieren. Der Dienstleister produziert Extrakte und/oder sucht nach Wirkstoffextrakten und/oder natürlich vorkommenden Verbindungen. Der Dienstleistungsnehmer benennt die als Unterauftrag vergebenen Aufgaben und behält sämtliche Rechte an dem Material und dessen Produkten. In diesem Fall handelt der Dienstleister im Namen des Dienstleistungsnehmers und hat weder Eigentum noch Rechte an den genetischen Ressourcen und Ergebnissen der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten. Vereinbaren Dienstleister und Dienstleistungsnehmer, dass die Sorgfaltspflichten bei Letzterem verbleiben, sollte in ihrem Vertragsverhältnis ausdrücklich festgelegt sein, dass der Dienstleistungsnehmer die juristische Person ist, die den Sorgfaltspflichten nachkommen muss. Liegt keine solche Vereinbarung vor, stellen die Tätigkeiten des Dienstleisters eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar und muss dieser bei Ansässigkeit in der EU die Sorgfaltspflichten im Rahmen der EU-ABS-Verordnung erfüllen.

Hat der Dienstleister seinen Sitz nicht in der EU, sollte der Dienstleistungsnehmer dennoch dafür Sorge tragen, dass in der Dienstleistungsvereinbarung auf die Einhaltung der Verordnung Bezug genommen wird und, sofern die Bedingungen i-iv erfüllt sind, die Sorgfaltspflichten in der EU übernehmen. Der Dienstleister unterliegt den ABS-Vorschriften und -Regelungen des Landes, in dem er seinen Sitz hat.

Hat der Dienstleister seinen Sitz in der EU und der Dienstleistungsnehmer nicht, fällt die Arbeit des Dienstleisters, wenn die Bedingungen i-iv erfüllt sind, nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

3.6.   Bezug genetischer Ressourcen von indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften

Wenn genetische Ressourcen und insbesondere traditionelles Wissen, das sich darauf bezieht, von indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften bezogen werden, ist es bewährte Praxis, die Auffassungen und Standpunkte der Gemeinschaften, in deren Besitz sich die genetischen Ressourcen oder das traditionelle Wissen befinden, zu berücksichtigen und in einvernehmlich festgelegten Bedingungen zum Ausdruck zu bringen, auch wenn dies auf nationaler Ebene nicht gesetzlich vorgeschrieben ist.

3.7.   Bezug genetischer Ressourcen von registrierten Sammlungen

Wenn genetische Ressourcen von einer (ganz oder teilweise) registrierten Sammlung im Sinne von Artikel 5 der Verordnung bezogen werden, wird davon ausgegangen, dass der Nutzer beim Einholen von Informationen über Ressourcen aus dieser Sammlung (bzw. ihrem registrierten Teil) mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen ist. Wird Material aus einer Sammlung bezogen, die nur in Teilen registriert ist, gilt die Sorgfaltspflicht für das Einholen von Informationen nur dann als erfüllt, wenn die genetische Ressource aus dem registrierten Teil stammt. Einer Sammlung wird geraten, genetische Ressourcen, bei denen das Bereitstellerland nicht ermittelt werden kann, in ihrem unregistrierten Teil zu belassen und ein geeignetes Lagerungs- oder Kennzeichnungssystem zu verwenden, da die Verbreitung des entsprechenden Materials gegen die Bedingungen nach Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der EU-ABS-Verordnung verstoßen würde.

Wenn bei einem Nutzer davon ausgegangen wird, dass er hinsichtlich des Einholens von Informationen mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen ist, dann wird von ihm nicht erwartet, dass er nach den in Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung genannten Informationen fragt (sie „einholt“). Die Verpflichtung, die genetischen Ressourcen zusammen mit allen einschlägigen Informationen bereitzustellen, liegt beim Inhaber der registrierten Sammlung. Die Pflicht zur Aufbewahrung und Weitergabe dieser Informationen obliegt allerdings weiterhin dem Nutzer. Außerdem bleibt die Verpflichtung bestehen, eine Erklärung nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung auf Verlangen der Mitgliedstaaten und der Kommission oder nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung abzugeben (siehe Abschnitt 4). Die Erklärung ist zusammen mit den von der Sammlung bereitgestellten Informationen abzugeben.

Sollte sich die vorgesehene Nutzungsabsicht ändern, müssen sich die Nutzer auch in diesem Fall (siehe Abschnitt 3.1) im Klaren sein, dass sie gegebenenfalls eine neue oder aktualisierte auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung vom Bereitstellerland einholen und einvernehmlich festgelegte Bedingungen für die neue Nutzung vereinbaren müssen, sofern diese nicht durch die bereits vorliegenden PIC und MAT abgedeckt ist, auf die sich die registrierte Sammlung stützt.

4.   VORGÄNGE, DIE EINE SORGFALTSERKLÄRUNG ERFORDERN

In der ABS-Verordnung sind zwei „Kontrollstellen“ vorgesehen, an denen die Nutzer genetischer Ressourcen eine Sorgfaltserklärung abgeben müssen. Für beide Kontrollstellen ist der Inhalt der erforderlichen Erklärung in Anhängen zur Durchführungsverordnung (Verordnung (EU) 2015/1866) spezifiziert.

4.1.   Sorgfaltserklärung in der Phase der Forschungsfinanzierung

Die erste Kontrollstelle (nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung) betrifft das Forschungsstadium, wenn für ein Forschungsvorhaben, bei dem genetische Ressourcen und sich darauf beziehendes traditionelles Wissen genutzt werden, eine externe Finanzierung in Form eines Zuschusses gewährt wird (35). Die EU-ABS-Verordnung unterscheidet nicht zwischen öffentlicher und privater Finanzierung. Für beide Formen der Forschungsfinanzierung gilt die Sorgfaltspflicht nach Artikel 7 Absatz 1.

Aus der Formulierung von Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung geht hervor, dass diese Erklärung von den Mitgliedstaaten und der Kommission verlangt (d. h. angefordert) werden muss. Da diese Anforderung auch auf private Finanzierungen anwendbar sein muss, die keiner Kontrolle durch die Behörden unterliegen, wollen viele Mitgliedstaaten diese Verpflichtung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf nationaler Ebene umsetzen und nicht unbedingt durch eine individuelle Aufforderung des jeweiligen Finanzierungsempfängers.

Artikel 5 Absatz 2 der Durchführungsverordnung beschreibt den Zeitpunkt für die Übermittlung einer Erklärung. Die Erklärung ist abzugeben, nachdem die erste Finanzierungsrate eingegangen ist und alle im Rahmen der finanzierten Forschungstätigkeiten genutzten genetischen Ressourcen und das sich darauf beziehende traditionelle Wissen bezogen wurden, spätestens jedoch zum Zeitpunkt des Schlussberichts oder, wenn kein solcher Bericht vorgesehen ist, bei Projektabschluss. Die Behörden der Mitgliedstaaten können den Zeitpunkt der Erklärungsabgabe innerhalb dieses in der Durchführungsverordnung definierten Zeitraums genauer spezifizieren. Auch dies kann entweder bei der zielgerichteten individuellen Aufforderung oder durch allgemeine Rechts-/Verwaltungsvorschriften erfolgen.

Wann der Antrag auf den Zuschuss gestellt wird und wann dieser Zuschuss gewährt wird, ist unerheblich für die Frage, ob eine Sorgfaltserklärung verlangt und abgegeben werden muss. Ausschlaggebend für diese Frage ist allein der Zeitpunkt des Zugangs zu den genetischen Ressourcen (oder dem sich darauf beziehenden traditionellen Wissen).

4.2.   Sorgfaltserklärung in der letzten Phase der Entwicklung eines Produkts

Die zweite Kontrollstelle, an der Nutzer eine Sorgfaltserklärung abgeben müssen, ist die letzte Phase der Entwicklung des Produkts, für dessen Entwicklung genetische Ressourcen oder sich darauf beziehendes traditionelles Wissen genutzt werden. Die Durchführungsverordnung (Artikel 6) nennt fünf Vorgänge, wobei darauf hingewiesen wird, dass die Erklärung nur einmal und zwar vor dem ersten (d. h. dem frühesten) dieser Vorgänge abgegeben wird.

In der Verordnung werden folgende Vorgänge genannt:

(a)

Für ein Produkt, das durch Nutzung von genetischen Ressourcen oder von traditionellem Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, entwickelt wurde, wird die Marktzulassung oder Genehmigung beantragt.

(b)

Für ein Produkt, das durch Nutzung von genetischen Ressourcen oder von traditionellem Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, entwickelt wurde, erfolgt eine vor dem erstmaligen Inverkehrbringen in der Union vorgeschriebene Anmeldung.

(c)

Ein Produkt, das durch Nutzung von genetischen Ressourcen oder von traditionellem Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, entwickelt wurde und für das keine Marktzulassung, Genehmigung oder Anmeldung erforderlich ist, wird zum ersten Mal in der Union in Verkehr gebracht.

(d)

Das Ergebnis der Nutzung wird an eine natürliche oder juristische Person in der Union verkauft oder anderweitig weitergegeben, damit diese Person eine der Tätigkeiten gemäß den Buchstaben a, b und c durchführt.

(e)

Die Nutzung in der Union wurde beendet und ihr Resultat wird an eine natürliche oder juristische Person außerhalb der Union verkauft oder anderweitig übertragen.

In den ersten drei Fällen geht es um Produkte, die von den Nutzern sowohl entwickelt wurden als auch in der EU in Verkehr gebracht werden sollen. In diesem Zusammenhang besteht die Möglichkeit, dass sie eine Marktzulassung oder eine Genehmigung für ein Produkt beantragen, das durch Nutzung genetischer Ressourcen entwickelt worden ist, oder dass sie eine vor der Vermarktung eines solchen Produkts vorgeschriebene Anmeldung vornehmen oder dass sie das Produkt einfach auf den Markt bringen, wenn weder eine Marktzulassung noch eine Genehmigung noch eine Anmeldung dieses Produkts erforderlich ist.

Unter den Buchstaben d und e sind andere relevante Vorgänge genannt, die nicht direkt etwas mit der (beabsichtigten) Vermarktung eines Produkts durch den Nutzer zu tun haben. In Szenario d überträgt oder verkauft ein Nutzer das Ergebnis der Nutzung an eine andere (natürliche oder juristische) Person in der Union, und diese Person beabsichtigt, das Produkt in der EU in Verkehr zu bringen. Da diese Person an der Nutzung (Forschung und Entwicklung) nicht beteiligt war, sondern nur die Herstellung und/oder Vermarktung übernimmt, fallen ihre Tätigkeiten nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung, wie in Abschnitt 2.4 erläutert wurde. Deshalb ist der letzte Nutzer in der Wertschöpfungskette (nach Definition der Verordnung) verpflichtet, eine Sorgfaltserklärung abzugeben.

Der Definition des Begriffs „Ergebnis der Nutzung“ (Artikel 6 Absatz 3 der Durchführungsverordnung) ist zu entnehmen, dass der Nutzer nur dann zur Abgabe einer Sorgfaltserklärung für das Ergebnis der Nutzung verpflichtet ist, wenn die nächste Person in der Wertschöpfungskette ein Produkt herstellen kann, das auf dem Ergebnis der Nutzung basiert, ohne dass eine weitere Nutzung (Forschung und Entwicklung) stattfindet. Die an der Wertschöpfungskette beteiligten Akteure müssen gegebenenfalls untereinander kommunizieren, um festzustellen, wer der letzte Nutzer in der Wertschöpfungskette ist. Kommuniziert werden muss möglicherweise auch, wenn sich die Nutzungsabsicht ändert, wenn etwa ein nachfolgender Akteur letztlich doch keine Nutzungstätigkeiten durchführen, sondern ein Produkt, das die betreffenden genetischen Ressourcen enthält (z. B. ein Shampoo), auf den Markt bringen will. In dem Fall wäre der vorherige Akteur verpflichtet, eine Sorgfaltserklärung abzugeben.

Das Szenario unter Buchstabe e besteht, wenn die Nutzung in der EU abgeschlossen ist. Es unterscheidet sich von Szenario d und ist allgemeiner gehalten. In Szenario e kann das Resultat der Nutzung ohne jede weitere Nutzung der Ressourcen zur Herstellung des Produkts verwendet werden oder Gegenstand weiterer Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten sein, die aber außerhalb der EU stattfinden. Das „Resultat der Nutzung“ ist somit umfassender als das „Ergebnis der Nutzung“.

Ergebnis der Nutzung: Ein französisches Unternehmen erhält eine Zugangsgenehmigung für die Nutzung von Pflanzen aus einem asiatischen Land (das Vertragspartei des Protokolls ist und anwendbare Zugangsregelungen erlassen hat). An den erhaltenen Stichproben werden Forschungstätigkeiten durchgeführt. Die Forschung führt zum Erfolg, das Unternehmen findet einen neuen Wirkstoff in der Pflanze. Das Material wird mit allen relevanten Informationen im Sinne von Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung an ein deutsches Unternehmen weitergegeben, das die weitere Entwicklung des Produkts übernimmt. Das deutsche Unternehmen schließt eine Lizenzvereinbarung mit einem belgischen Unternehmen. Dieser Technologietransfer erfordert keine weitere Forschung und Entwicklung. Vor dem erstmaligen Inverkehrbringen in der EU meldet das belgische Unternehmen das Produkt gemäß den Rechtsvorschriften der EU an. Da das belgische Unternehmen weder Forschung noch Entwicklung betrieben hat und somit kein Nutzer im Sinne der ABS-Verordnung ist, ist das deutsche Unternehmen in der „letzten Phase der Entwicklung eines Produkts“ zur Abgabe einer Sorgfaltserklärung verpflichtet. In diesem Fall war die letzte Phase erreicht, als das Ergebnis der Nutzung an eine natürliche oder juristische Person in der EU (das belgische Unternehmen) verkauft oder weitergegeben wurde, um ein Produkt auf dem Unionsmarkt in Verkehr zu bringen (Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe d der Durchführungsverordnung).

Resultat der Nutzung: Ein spanisches Unternehmen erhält eine Zugangsgenehmigung für die Nutzung von Pflanzen aus einem südamerikanischen Land (das Vertragspartei des Protokolls ist und anwendbare Zugangsregelungen erlassen hat). An den erhaltenen Stichproben werden Forschungstätigkeiten durchgeführt. Die Forschung führt zum Erfolg, das Unternehmen findet einen neuen Wirkstoff in der Pflanze. Das Material wird mit allen relevanten Informationen im Sinne von Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung an ein niederländisches Unternehmen weitergegeben, das die weitere Entwicklung des Produkts übernimmt. Das niederländische Unternehmen beschließt, die Entwicklung des Produkts nicht weiter voranzutreiben, sondern verkauft das Resultat seiner Tätigkeit an ein US-amerikanisches Unternehmen, das möglicherweise weitere Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchführen wird. Das niederländische Unternehmen gibt in der „letzten Phase der Entwicklung eines Produkts“ eine Sorgfaltserklärung ab. In diesem Fall wurde diese Phase erreicht, als die Nutzung in der EU beendet war und das Resultat der Nutzung an eine natürliche oder juristische Person außerhalb der EU (das US-amerikanische Unternehmen) verkauft oder weitergegeben wurde, unabhängig von der künftigen Tätigkeit des Unternehmens außerhalb der EU (Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe e der Durchführungsverordnung).

Die Weitergabe zwischen Einrichtungen des gleichen Unternehmens gilt nicht als Weitergabe im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 Buchstaben d und e der Durchführungsverordnung. Deshalb ist in dem Fall keine Sorgfaltserklärung erforderlich.

Auch die Veröffentlichung von wissenschaftlichen Arbeiten gilt nicht als Verkauf oder Weitergabe des Ergebnisses oder Resultats der Nutzung im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 Buchstaben d und e der Durchführungsverordnung. Deshalb ist eine Sorgfaltserklärung nicht erforderlich. Die allgemeine Sorgfaltspflicht kann dennoch gelten, wenn alle Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Verordnung erfüllt sind. In diesem Fall ist der Verfasser der wissenschaftlichen Arbeit weiterhin verpflichtet, relevante Informationen einzuholen, aufzubewahren und an nachfolgende Akteure weiterzugeben.

5.   AUSGEWÄHLTE SEKTORSPEZIFISCHE ASPEKTE

Während für die verschiedenen Sektoren gezielte und umfassende Leitlinien für die Nutzung von genetischen Ressourcen erforderlich sind, treten in manchen Sektoren spezifische Fragen auf, die eng mit dem Anwendungsbereich der Verordnung im Zusammenhang stehen. Einige davon werden in diesem Abschnitt behandelt.

5.1.   Gesundheit

Krankheitserreger, die eine Gefahr für Menschen, Tiere oder Pflanzen darstellen, fallen grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Verordnung, da sie unter das Nagoya-Protokoll fallen. Für bestimmte Krankheitserreger kann aber auch eine besondere Regelung über den Zugang und die Aufteilung der Vorteile im Sinne von Artikel 4 Absatz 4 des Nagoya-Protokolls Anwendung finden. Material, für das besondere internationale Regelungen über den Zugang und die Aufteilung der Vorteile gelten, die mit den Zielen des Übereinkommens und des Nagoya-Protokolls im Einklang stehen und ihnen nicht zuwiderlaufen, wie der Planungsrahmen der WHO für die pandemische Influenza (PIP), fällt nicht in den Anwendungsbereich des Nagoya-Protokolls und der Verordnung (siehe Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung und Abschnitt 2.3.1.1 in diesem Leitfaden).

Im Protokoll wird die Bedeutung genetischer Ressourcen für die öffentliche Gesundheit ausdrücklich anerkannt. Die Vertragsparteien müssen bei der Ausarbeitung und Durchführung ihrer Gesetze und sonstigen Vorschriften für den Zugang und die Aufteilung der Vorteile gegenwärtige und drohende Notstandssituationen, welche die menschliche, tierische oder pflanzliche Gesundheit gefährden oder schädigen, gebührend beachten (Artikel 8 Buchstabe b des Protokolls). Folglich sollten in Notsituationen auch in Bezug auf nichtpathogene genetische Ressourcen ein schneller Zugang und eine rasche Aufteilung der Vorteile angestrebt werden.

Mit der Verordnung wird einem Krankheitserreger, bei dem festgestellt wurde, dass er wahrscheinlich die Ursache einer gegenwärtigen oder drohenden gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite oder einer schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahr ist, ein besonderer Status eingeräumt. Für solche genetischen Ressourcen gilt eine verlängerte Frist für die Einhaltung der Sorgfaltspflicht (Artikel 4 Absatz 8 der Verordnung).

5.2.   Ernährung und Landwirtschaft

Dass genetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft besondere Bedeutung haben und dafür spezielle Lösungen erforderlich sind, ist weitgehend anerkannt. Das Nagoya-Protokoll anerkennt die Bedeutung genetischer Ressourcen für die Ernährungssicherheit und den besonderen Stellenwert der biologischen Vielfalt in der Landwirtschaft. Es sieht vor, dass die Vertragsparteien bei der Ausarbeitung und Durchführung ihrer Gesetze oder sonstigen Vorschriften über den Zugang und die Aufteilung der Vorteile die Bedeutung genetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft und ihre besondere Rolle für die Ernährungssicherheit berücksichtigen (Artikel 8 Buchstabe c des Protokolls). Eine andere Besonderheit von Pflanzen- und Tierzucht besteht darin, dass das Endprodukt der Nutzung genetischer Ressourcen auch wieder eine genetische Ressource ist.

Ein Bereitstellerland kann besondere Zugangsregelungen für genetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft haben, die sich von den allgemeinen ABS-Vorschriften unterscheiden. Welche besonderen ABS-Vorschriften anzuwenden sind, lässt sich in der ABS-Informationsstelle feststellen. Auch die für das Nagoya-Protokoll zuständigen Nationalen Anlaufstellen eines Bereitstellerlandes können hier Unterstützung bieten.

5.2.1.   Verschiedene Szenarien im Zusammenhang mit pflanzengenetischen Ressourcen

Pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft können unter verschiedenen Voraussetzungen bezogen und genutzt werden, je nachdem, ob das Land, in dem der Zugang zu den genetischen Ressourcen erlangt wird, das Nagoya-Protokoll und/oder den Internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGRFA) (36) unterzeichnet hat, und abhängig von der Art der Nutzung. In der folgenden Übersicht werden verschiedene Situationen beschrieben, und dazu wird jeweils die Anwendbarkeit der EU-ABS-Verordnung erläutert.

Nicht im Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung (37):

In der Anlage I des ITPGRFA (38) und damit im multilateralen System des Vertrags enthaltene pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, die von Vertragsparteien des ITPGRFA bezogen werden. Solches Material fällt unter eine besondere internationale Regelung über den Zugang und die Aufteilung der Vorteile, die mit den Zielen des Übereinkommens und des Nagoya-Protokolls in Einklang steht und ihnen nicht zuwiderläuft (siehe Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung und Abschnitt 2.3.1.1 dieses Leitfadens).

Pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, die im Rahmen einer standardisierten Materialübertragungsvereinbarung (SMTA) von Dritten/Einrichtungen bezogen werden, die diese selbst im Rahmen einer SMTA vom multilateralen System des ITPGRFA bezogen haben.

Jede pflanzengenetische Ressource für Ernährung und Landwirtschaft, die im Rahmen einer SMTA von internationalen Agrarforschungszentren wie denen der Beratungsgruppe für internationale Agrarforschung (CGIAR) und anderer internationaler Institutionen bezogen wird, die Vereinbarungen nach Artikel 15 des ITPGRFA (39) unterzeichnet haben. Solches Material fällt unter eine besondere internationale Regelung über den Zugang und die Aufteilung der Vorteile (den ITPGRFA), die mit den Zielen des Übereinkommens und des Nagoya-Protokolls in Einklang steht und ihnen nicht zuwiderläuft (siehe Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung und Abschnitt 2.3.1.1 dieses Leitfadens).

Im Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung — Sorgfaltspflicht gilt als erfüllt:

Nicht in der Anlage I enthaltene pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft von Vertragsparteien oder Nichtvertragsparteien des ITPGRFA, die auf der Grundlage einer SMTA bereitgestellt wurden. Wenn eine Vertragspartei des Nagoya-Protokolls bestimmt, dass pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, die ihrer Verwaltung und Kontrolle unterstehen und öffentlich zugänglich sind, jedoch nicht in Anlage I des ITPGRFA enthalten sind, auch den Bedingungen der standardisierten Materialvereinbarungen zur Umsetzung des ITPGRFA unterliegen, wird angenommen, dass der Nutzer dieser Ressourcen mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen ist (Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung). Dementsprechend ist für die Nutzung dieses Materials keine Sorgfaltserklärung erforderlich.

Im Anwendungsbereich der Verordnung — Erfüllung der Sorgfaltspflicht muss nachgewiesen werden:

In der Anlage I enthaltene pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft aus Ländern, die das Nagoya-Protokoll, aber nicht den ITPGRFA unterzeichnet haben und deren Zugangsregelungen auf die betreffenden pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft anzuwenden sind.

Nicht in der Anlage I enthaltene pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft von Vertragsparteien des Nagoya-Protokolls, die Vertragsparteien oder Nichtvertragsparteien des ITPGRFA sind und in denen nationale Zugangsregelungen für solche pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft gelten, die nicht Gegenstand einer SMTA zur Umsetzung des ITPGRFA sind.

Alle pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (inklusive Anlage-I-Material), die für andere als die im ITPGRFA festgelegten Zwecke genutzt werden, von einer Vertragspartei des Nagoya-Protokolls mit anwendbaren nationalen Zugangsregelungen.

Im multilateralen System (MLS) des ITPGRFA enthaltene und von Vertragsparteien des ITPGRFA unter In-situ-Bedingungen vorgefundene pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft

Manche Nutzer begehren Zugang, indem sie genetische Ressourcen aus der freien Natur (z. B. verwandte Wildpflanzen) oder aus Feldern von Landwirten entnehmen (die Ressourcen werden auch als Landsorten bezeichnet). Diese genetischen Ressourcen können in Züchtungsprogrammen genutzt werden, um kommerzielles Züchtungsmaterial mit nützlichen Eigenschaften zu versehen.

Auf im MLS enthaltene und in Ländern, die Vertragsparteien des ITPGRFA sind, unter In-situ-Bedingungen vorgefundene pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft ist Artikel 12 Absatz 3 Buchstabe h des ITPGRFA anwendbar. Diesem Artikel zufolge wird der Zugang zu unter In-situ-Bedingungen vorgefundenen pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder in Ermangelung solcher Rechtsvorschriften im Einklang mit den vom Lenkungsorgan des ITPGRFA gegebenenfalls festgelegten Normen gewährt. Bis im Rahmen des ITPGRFA eine Zugangsregelung für genetische Ressourcen vereinbart wird, die zu Pflanzen in Anlage I gehören und unter In-situ-Bedingungen vorgefunden werden, müssen diese gemäß den nationalen Vorschriften des Bereitstellerlandes bezogen und genutzt werden und fallen sie in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung, wenn der Zugang in einem Land erfolgt, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und Zugangsregelungen für diese genetischen Ressourcen festgelegt hat.

Änderung der Nutzung einer im Rahmen des ITPGRFA bezogenen genetischen Ressource

Nach dem Zugang zu genetischen Ressourcen unter den Bedingungen der SMTA, die den Zugang zum Zweck der Forschung, Züchtung und Ausbildung für Ernährung und Landwirtschaft gewährt, kommt es zu einer Nutzungsänderung und die genetische Ressource wird im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsprogramms genutzt, das zu einem Produkt für eine chemische, pharmazeutische und/oder sonstige Verwendung im Nichtnahrungs-/Nichtfuttermittelsektor führt.

Diese Nutzung fällt nicht in den Anwendungsbereich des ITPGRFA und auch die SMTA erlaubt keine Nutzung zur Verwendung im Nichtnahrungs-/Nichtfuttermittelsektor. Die neue Nutzung der genetischen Ressource fällt somit in Fällen, bei denen die übrigen Bedingungen der EU-ABS-Verordnung erfüllt sind, in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

5.2.2.   Rechte von Pflanzenzüchtern

Der Internationale Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) (40) und die Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (41)sehen die Möglichkeit vor, Rechte an Pflanzensorten zu erwerben. Hierbei handelt es sich um eine besondere Form geistiger Eigentumsrechte im Zusammenhang mit Pflanzenzüchtungen. Es gibt einige Einschränkungen der Wirkung des Sortenschutzes, so gilt er u. a. nicht für a) Handlungen im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken; b) Handlungen zu Versuchszwecken; c) Handlungen zur Züchtung, Entdeckung und Entwicklung anderer Sorten (Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94, entspricht Artikel 15 Absatz 1 des UPOV-Übereinkommens). Bei den unter Buchstabe c genannten Handlungen handelt es sich um die sogenannte „Züchterausnahme“.

Das UPOV-Übereinkommen ist keine besondere ABS-Regelung im Sinne von Artikel 4 Absatz 4 des Nagoya-Protokolls. Wie dem Nagoya-Protokoll zweifelsfrei zu entnehmen ist und von der EU-ABS-Verordnung bestätigt wird (Erwägungsgrund 14), soll das Protokoll so umgesetzt werden, dass sich eine wechselseitige Unterstützung mit anderen internationalen Instrumenten ergibt, die mit den Zielen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt und des Nagoya-Protokolls im Einklang stehen und ihnen nicht zuwiderlaufen. Außerdem lässt das Protokoll nach Artikel 4 Absatz 1 die Rechte und Pflichten einer Vertragspartei aus bestehenden völkerrechtlichen Übereinkünften unberührt (solange die biologische Vielfalt dadurch nicht ernsthaft geschädigt oder bedroht wird).

Die EU-ABS-Verordnung berücksichtigt die sich aus dem UPOV ergebenden Verpflichtungen. So steht die Einhaltung der sich aus der Verordnung ergebenden Pflichten nicht im Konflikt mit der im UPOV verankerten Verpflichtung zur Gewährung der Züchterausnahme. Die Sorgfaltspflicht steht somit nicht im Konflikt mit der laufenden Nutzung von genetischem Material, das im Rahmen der Rechte von Pflanzenzüchtern nach Maßgabe des UPOV geschützt ist und von Vertragsstaaten des UPOV (siehe auch Anhang II, Abschnitt 8.4) stammt.

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABS– Zugang und Aufteilung der Vorteile (Access and benefit-sharing)

CBD– Übereinkommen über die Artenvielfalt, auch: Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity)

CITES– Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen

COP– Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties)

DNA– Desoxyribonukleinsäure

FAO– Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organisation)

IRCC– International anerkanntes Konformitätszertifikat (Internationally recognized certificate of compliance)

ITPGRFA– Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture)

MAT– Einvernehmlich festgelegte Bedingungen (Mutually agreed terms)

NFP– Nationale Anlaufstelle (National Focal Point)

OECD– Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

PGRFA– Pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (Plant Genetic Resources for Food and Agriculture)

PIC– auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung (Prior informed consent)

PIP– Planungsrahmen für die pandemische Influenza (Pandemic Influenza Preparedness)

RNA– Ribonukleinsäure (Ribonucleic acid)

SMTA– standardisierte Materialübertragungsvereinbarung (Standard material transfer agreement)

UPOV– Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (International Union for the Protection of New Varieties of Plants)

WHO– Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation)


(1)  ABl. L 150 vom 20.5.2014, S. 59.

(2)  ABl. L 275 vom 20.10.2015, S. 4.

(3)  https://ec.europa.eu/transparency/regexpert/index.cfm?do=groupDetail.groupDetail&groupID=3123&NewSearch=1&NewSearch=1&Lang=DE

(4)  http://ec.europa.eu/transparency/regexpert/index.cfm?do=groupDetail.groupDetail&groupID=3396&NewSearch=1&NewSearch=1&Lang=DE

(5)  https://www.cbd.int/convention/text/

(6)  https://www.cbd.int/abs/text/default.shtmlhttps://www.cbd.int/abs/text/default.shtml12. Oktober 2014 in Kraft.

(7)  Die einem Nutzer von der zuständigen nationalen Behörde eines Bereitstellerlandes in Übereinstimmung mit einem angemessenen nationalen rechtlichen und institutionellen Rahmen für die angegebenen Zwecke erteilte Erlaubnis des Zugangs zu genetischen Ressourcen.

(8)  PIC und MAT können gemeinsam veröffentlicht oder in einem Dokument zusammengefasst werden.

(9)  Einige Artikel — die Artikel 4, 7 und 9 — wurden erst ein Jahr später, d. h. am 12. Oktober 2015, anwendbar; siehe auch Abschnitt 2.2.

(10)  Beispielsweise Binnenmarktvorschriften usw.

(11)  Im weiteren Verlauf des Leitfadens umfasst die Formulierung „genetische Ressourcen“ gegebenenfalls auch „traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht“.

(12)  http://www.ats.aqhttp://www.ats.aq

(13)  „Zugangsregelungen“ sind Regelungen, die ein Land nach der Ratifizierung des Nagoya-Protokolls oder nach seinem Beitritt zu diesem Protokoll erlassen hat oder die bereits vor der Ratifizierung in dem Land bestanden haben.

(14)  Siehe Abschnitt 3.7 zu genetischen Ressourcen, die von registrierten Sammlungen bezogen werden.

(15)  „Lebende Exemplare von Arten, Unterarten oder niedrigeren Taxa von Tieren, Pflanzen, Pilzen oder Mikroorganismen, die aus ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet heraus eingebracht wurden; einschließlich Teilen, Gameten, Samen, Eiern oder Propagationsformen dieser Arten sowie Hybriden, Sorten oder Rassen, die überleben und sich anschließend fortpflanzen könnten“ (Artikel 3).

(16)  „Eine gebietsfremde Art, deren Einbringung oder Ausbreitung die Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystemdienstleistungen gefährdet oder nachteilig beeinflusst“ (Artikel 3).

(17)  ABl. L 317 vom 4.11.2014, S. 35.

(18)  Vom Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 ausgenommen sind (Artikel 2 Absatz 2): „a) Arten, deren natürliches Verbreitungsgebiet sich ohne menschliches Einwirken aufgrund von sich ändernden ökologischen Bedingungen und des Klimawandels ändert; b) genetisch veränderte Organismen im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 der Richtlinie 2001/18/EG; c) Krankheitserreger, die Tierseuchen auslösen; im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck ‚Tierseuche‘ das Auftreten von Infektionen und von Parasitenbefall bei Tieren, die von einem oder mehreren Erregern verursacht werden, welche auf Tiere oder Menschen übertragbar sind; d) Schadorganismen, die in Anhang I oder Anhang II der Richtlinie 2000/29/EG aufgeführt sind, und Schadorganismen, für die Maßnahmen gemäß Artikel 16 Absatz 3 jener Richtlinie ergriffen worden sind; e) in Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 708/2007 aufgeführte Arten, wenn diese in der Aquakultur verwendet werden; f) Mikroorganismen, die zur Verwendung in Pflanzenschutzmitteln erzeugt oder eingeführt werden, welche bereits zugelassen sind oder derzeit im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 bewertet werden, oder g) Mikroorganismen, die zur Verwendung in Biozidprodukten erzeugt oder eingeführt werden, welche bereits zugelassen sind oder derzeit im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 bewertet werden“.

(19)  Eine aktualisierte Liste der Vertragsparteien finden Sie unter https://www.cbd.int/abs/nagoya-protocol/signatories/default.shtml https://absch.cbd.int.

(20)  Zu genetischen Ressourcen aus dem Ursprungsland, die über eine Sammlung bezogen werden, siehe Abschnitt 2.1.3.

(21)  http://www.planttreaty.org/

(22)  http://www.who.int/influenza/pip/en/

(23)  Zu Beginn des Abschnitts 2 wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Verordnung kumulativ sind. Die Formulierung „die Verordnung findet Anwendung auf“ impliziert folglich, dass zusätzlich zu der jeweiligen Voraussetzung alle anderen Bedingungen für die Anwendbarkeit ebenfalls erfüllt sein müssen, d. h. dass der Zugang zu den genetischen Ressourcen in einem Land erlangt worden ist, das Vertragspartei des Protokolls ist und einschlägige Regelungen erlassen hat, dass der Zugang seit dem Oktober 2014 erlangt wurde, dass die genetischen Ressourcen keiner besonderen internationalen ABS-Regelung unterliegen (was unter den oben beschriebenen Umständen der Fall ist, da das Bereitstellerland keine der besonderen Übereinkünfte unterzeichnet hat), und dass es sich darüber hinaus nicht um humangenetische Ressourcen handelt.

(24)  Siehe http://www.cbd.int/decision/cop/default.shtml?id=7084http://www.cbd.int/decision/cop/default.shtml?id=7084 http://www.cbd.int/decision/cop/default.shtml?id=12267.

(25)  Dies gilt unbeschadet von Abschnitt 8.4 des Anhangs II zu kommerziellen Pflanzensorten.

(26)  Die Pathogenität bestimmt sich auch durch die Virulenz des Pathogens und die Immunität des Wirts und ist somit immer an bestimmte Bedingungen geknüpft.

(27)  Diese ethischen Überlegungen schließen nicht aus, dass ein Land seine souveränen Rechte über die in den menschlichen Mikrobiota enthaltenen genetischen Ressourcen ausübt und nach nationalem Recht auch PIC und MAT erforderlich sein können.

(28)  Bei allen fünf Beispielen in diesem Abschnitt werden die untersuchten Mikroben bei Einzelpersonen entnommen, wobei die geltenden Ethikvorschriften und nationalen Vorschriften zur persönlichen Einwilligung eingehalten werden.

(29)  Frascati Manual — Proposed Standard Practice for Surveys on Research and Experimental Development, S. 30.

(30)  Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. L 396 vom 30.12.2006, S. 1).

(31)  Diese Verpflichtungen sollten am besten genau geklärt werden, z. B. durch einen Vertrag zwischen dem Nutzer und demjenigen, der das Produkt vermarktet.

(32)  In der europäischen Politik wird der Begriff „Sorgfaltspflicht“ beispielsweise auch in Verbindung mit dem internationalen Holzhandel (http://ec.europa.eu/environment/forests/timber_regulation.htmhttp://ec.europa.eu/environment/forests/timber_regulation.htm„Konfliktmineralien“ verwendet (Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Unionssystems zur Selbstzertifizierung der Erfüllung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette durch verantwortungsvolle Einführer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten, COM(2014) 111 final vom 5. März 2014).

(33)  Das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen (CITES) ist ein internationales Übereinkommen, mit dem sichergestellt werden soll, dass das Überleben frei lebender Tiere und Pflanzen nicht durch den internationalen Handel mit ihnen gefährdet wird. Im Rahmen von CITES werden ausgewählte Arten beim internationalen Handel Kontrollen unterzogen. Allen Einfuhren, Ausfuhren, Wiederausfuhren und Verbringungen von Arten, die unter dieses Übereinkommen fallen, muss durch ein von den nationalen Rechtsvorschriften der Vertragsparteien etabliertes (hier als „CITES-Regelungen“ bezeichnetes) Genehmigungssystem zugestimmt werden (www.cites.org).

(34)  Ob ein IRCC für einen bestimmten Nutzer oder mit allgemeiner Gültigkeit ausgestellt wird, hängt von den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bereitstellerlandes und den vereinbarten Bedingungen ab.

(35)  Nach Artikel 5 Absatz 5 der Durchführungsverordnung bedeutet Forschungsfinanzierung für die Abgabe der Sorgfaltserklärung an der ersten Kontrollstelle „jeglicher zur Durchführung von Forschungstätigkeiten mittels eines Zuschusses geleistete finanzielle Beitrag aus kommerziellen oder nichtkommerziellen Quellen“. Interne Haushaltsmittel privater oder öffentlicher Einrichtungen fallen nicht darunter.

(36)  http://www.planttreaty.org/

(37)  Genetische Ressourcen fallen jedoch in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung, wenn sie für andere Zwecke als Forschung, Züchtung und/oder Ausbildung für Ernährung und Landwirtschaft genutzt werden (wenn etwa eine Nahrungsmittelpflanze, die durch den ITPGFRA erfasst wird, für pharmazeutische Zwecke genutzt wird).

(38)  Anlage I enthält eine Liste von Pflanzenarten, für die das multilaterale ABS-System gilt, das in diesem Vertrag geregelt ist.

(39)  http://www.fao.org/plant-treaty/areas-of-work/the-multilateral-system/overview

(40)  http://upov.inthttp://upov.int

(41)  ABl. L 227 vom 1.9.1994, S. 1.


ANHANG I

ÜBERBLICK ÜBER DIE BEDINGUNGEN FÜR DIE ANWENDBARKEIT DER EU-ABS-VERORDNUNG

 

 

Im Anwendungsbereich (kumulative Bedingungen ((*)))

Nicht im Anwendungsbereich

Geografischer Anwendungsbereich (Ursprung der GR ((**)))

Zugang in …

Gebiet im Hoheitsgebiet eines Landes

Gebiet außerhalb nationaler Hoheitsbefugnisse oder unter dem Antarktis-Vertragssystem

Bereitstellerland ist …

Vertragspartei des Nagoya-Protokolls

Keine Vertragspartei des Nagoya-Protokolls

Bereitstellerland

hat ...

anwendbare Zugangsvorschriften

keine anwendbaren Zugangsvorschriften

Zeitlicher Geltungsbereich

Zugang …

Ab dem 12. Oktober 2014

Vor dem 12. Oktober 2014

Materieller Anwendungsbereich

Genetische Ressourcen

Fallen unter keine besondere internationale ABS-Regelung

Fallen unter eine besondere internationale ABS-Regelung

Nicht-human

Human

Als Ware bezogen, aber später Gegenstand von FuE

Als Ware verwendet

Nutzung

FuE an genetischer und/oder biochemischer Zusammensetzung

Keine derartige FuE

Personenbezogener Anwendungsbereich

 

Natürliche oder juristische Personen, die GR nutzen

Personen, die ausschließlich GR weitergeben oder darauf basierende Produkte vermarkten

Geografischer Anwendungsbereich

(Nutzung)

FuE …

Innerhalb der EU

Ausschließlich außerhalb der EU


((*))  Die Verordnung findet nur Anwendung, wenn alle Bedingungen erfüllt sind.

((**))  GR = genetische Ressource; umfasst gegebenenfalls auch „traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht“.


ANHANG II

SPEZIELLER LEITFADEN ZUM BEGRIFF „NUTZUNG“

INHALT

1.

EINLEITUNG 33

2.

ERWERB 33

2.1.

Direkt oder über die Lieferkette 33

2.2.

Beschlagnahmtes Material 34

3.

LAGERUNG UND VERWALTUNG EINER SAMMLUNG 34

4.

ZÜCHTUNG UND VERMEHRUNG 37

5.

AUSTAUSCH UND WEITERGABE 37

6.

BESTIMMUNG UND BESCHREIBUNG VON ORGANISMEN UND ANDERE AKTIVITÄTEN AM ANFANG DER WERTSCHÖPFUNGSKETTE 39

6.1.

Taxonomische Bestimmung von Organismen und taxonomische Forschung 39

6.2.

Charakterisierung 41

6.3.

Phylogenetische Analyse 44

6.4.

Identifizierung von Derivaten 45

6.5.

Large Scale Screening 45

6.6.

Verhaltensstudien 46

7.

GENETISCHE RESSOURCEN ALS INSTRUMENTE 47

7.1.

Nutzung genetischer Ressourcen als Test- oder Referenzinstrumente 47

7.2.

Entwicklung von Test- oder Referenzinstrumenten 48

7.3.

Vektor oder Wirt 49

7.4.

Biofabrik 50

7.5.

Laborstämme 50

8.

ZUCHT 51

8.1.

Kreuzung und Selektion 51

8.2.

Reproduktionstechniken 52

8.3.

Genomeditierung und gezielte Mutation 52

8.4.

Nutzung kommerzieller Pflanzensorten 52

8.5.

Nutzung von forstlichem Vermehrungsgut 54

8.6.

Nutzung von Tieren für Zuchtzwecke 56

9.

PRODUKTENTWICKLUNG, VERARBEITUNG UND PRODUKTFORMULIERUNG 57

9.1.

Produktentwicklung 57

9.2.

Verarbeitung 59

9.3.

Produktformulierung 61

10.

PRODUKTPRÜFUNG 62

10.1.

Produktprüfung (einschließlich obligatorischer Prüfungen) 62

10.2.

Klinische Versuche 63

11.

VERMARKTUNG UND ANWENDUNG 63

12.

VERZEICHNIS DER FALLBEISPIELE 65

1.   EINLEITUNG

Abschnitt 2.3.3 des Leitfadens beinhaltet Ausführungen zum allgemeinen Verständnis des Begriffs der Nutzung im Rahmen der EU-ABS-Verordnung. Im vorliegenden Anhang werden weitere Anhaltspunkte dafür dargestellt, wann eine Nutzung genetischer Ressourcen (die in den zeitlichen, geografischen und materiellen Anwendungsbereich der Verordnung fallen) im Sinne der EU-ABS-Verordnung vorliegt. Diese Frage ist besonders für die vorgelagerte und die letzte Phase der Nutzung relevant, da in diesen Phasen die Tätigkeiten definiert werden müssen, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen bzw. nicht fallen. Daher orientiert sich die Gliederung dieses Anhangs so weit wie möglich an der Wertschöpfungskette, beginnend beim Erwerb über die Lagerung und Verwaltung einer Sammlung sowie die Identifizierung und Beschreibung bis hin zu Produktentwicklung, Produktprüfung und Inverkehrbringen eines Produktes.

Bei der Tier- und Pflanzenzucht bestehen besondere Herausforderungen, die darauf zurückzuführen sind, dass das Endprodukt dieser Züchtungen ebenfalls eine genetische Ressource ist. Es muss also besser veranschaulicht werden, ob und wann genetische Ressourcen, an denen Züchtungstätigkeiten durchgeführt werden, sich seit dem Zugang zum Vorfahren/Vorläufer verändert haben, und wann eine Tätigkeit in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt und wann nicht.

Im Leitfaden in Anhang II werden Beispiele (Fälle) dargestellt, die nicht immer eindeutig sind, es aber ermöglichen, herauszufinden, welche Bedingungen für die Anwendbarkeit der Verordnung auf die Nutzung erfüllt sein müssen. Diese Beispiele stammen aus verschiedenen Industriezweigen und basieren häufig auf Rückmeldungen von Interessenträgern, die bei der Auslegung der Verordnung auf Probleme und Schwierigkeiten gestoßen sind.

Im gesamten Anhang wird davon ausgegangen, dass alle anderen Bedingungen für die Anwendbarkeit der Verordnung erfüllt sind, d. h. dass der Zugang zu genetischen Ressourcen und/oder dem sich auf genetische Ressourcen beziehenden traditionellen Wissen (1) in einem Land erlangt wird, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und einschlägige Zugangsregelungen erlassen hat, und dass alle übrigen geografischen und zeitbezogenen Bedingungen erfüllt wurden.

In allen im Anhang genannten Fällen gelten die nationalen ABS-Regelungen auch dann, wenn die EU-ABS-Verordnung keine Anwendung findet. Zudem wird davon ausgegangen, dass sämtliche vertraglichen Verpflichtungen eingehalten werden. Darauf wird bei den einzelnen Fällen nicht erneut eingegangen.

2.   ERWERB

2.1.   Direkt oder über die Lieferkette

Der Zugang zu genetischen Ressourcen kann direkt über ein Bereitstellerland (Ursprungsland bzw. Land, das sie in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen erworben hat) erfolgen. Außerdem können genetische Ressourcen über einen Dritten (Mittelsperson) in einer Lieferkette bzw. als Ware bezogen werden. Der Zugang/Erwerb an sich stellt keine Nutzung dar und fällt daher nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Die Nutzung dieser genetischen Ressourcen führt jedoch zur Anwendbarkeit der EU-ABS-Verordnung.

Erwerb genetischer Ressourcen als Waren

In die EU werden viele Produkte (einschließlich Nahrungsmitteln wie Obst und Fisch) eingeführt, die als Waren innerhalb von und zwischen Mitgliedstaaten gehandelt werden. Der Handel stellt keine Nutzung genetischer Ressourcen dar und fällt nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

(Tierzucht) Erwerb von Tieren durch Landwirte

Um den Wert ihrer Herde für Produktionszwecke aufrechtzuerhalten, erwerben Landwirte regelmäßig in großem Umfang Tiere, Sperma oder Embryos von kommerziellen Lieferanten, zu denen auch Importeure gehören. Erfolgt dieser Erwerb ausschließlich zur direkten Produktion und werden weder Züchtungen noch sonstige Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchgeführt, handelt es sich hierbei nicht um eine Nutzung und entstehen keine Verpflichtungen im Rahmen der EU-ABS-Verordnung. Fälle, bei denen die Züchtung eine Nutzung darstellt, werden in Abschnitt 8 dieses Anhangs behandelt.

Einfuhr von Bodenproben

Zur Untersuchung von Mineralstoffen werden Bodenproben in die EU eingeführt. Die Probennahme und Einfuhr dieser Bodenproben stellt keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen dar. Unabhängig davon, ob anschließend Mikroorganismen aus dem Boden isoliert werden oder nicht, findet keine Nutzung statt und ist die EU-ABS-Verordnung nicht anwendbar. Werden jedoch aus einer Bodenprobe isolierte Mikroorganismen für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten ausgewählt und die entsprechenden biochemischen Zusammensetzungen analysiert, um beispielsweise neue Arzneimittelkomponenten zu finden, handelt es sich um eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

Die EU-ABS-Verordnung verlangt von den Nutzern, mit der gebotenen Sorgfalt vorzugehen, um festzustellen, dass der Zugang zu den genutzten genetischen Ressourcen im Einklang mit den geltenden ABS-Vorschriften erfolgt ist. Mitunter werden genetische Ressourcen, zu denen ursprünglich ohne Nutzungsabsicht Zugang erlangt wurde, später für eine Nutzung ausgewählt. In solchen Fällen müssen die Nutzer dafür sorgen, dass sie im Besitz einer vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage (Prior Informed Consent, PIC) sind und dass einvernehmlich festgelegte Bedingungen (Mutually Agreed Terms, MAT) erstellt werden, sofern das Bereitstellerland dies verlangt. Dies gilt unabhängig davon, ob der erste Akteur in der Wertschöpfungskette, der ohne Nutzungsabsicht Zugang zu der genetischen Ressource erlangt hat, die ursprüngliche Dokumentation an den Nutzer weitergegeben hat, und unabhängig davon, ob zu der genetischen Ressource ursprünglich mit PIC und MAT Zugang erlangt wurde (siehe Artikel 4 der Verordnung).

Bei komplexen Wertschöpfungsketten kann es für einen Nutzer schwierig sein, zu ermitteln, ob der Zugang zu einer genetischen Ressource entsprechend den geltenden ABS-Vorschriften erfolgt ist, wenn die Akteure der Kette keine angemessene Dokumentation erlangt bzw. weitergegeben haben. Daher empfiehlt es sich beim Erwerb von genetischen Ressourcen, auch zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung, der Lagerung in Sammlungen oder der Weitergabe an Dritte in einer Lieferkette, sämtliche den Zugang betreffenden Unterlagen aufzubewahren, da es zu einer späteren Nutzung kommen kann.

2.2.   Beschlagnahmtes Material

Bei illegaler Einfuhr oder illegalem Besitz können genetische Ressourcen von den Behörden beschlagnahmt und zur Aufbewahrung an Sammlungen übergeben werden. Dabei kann deren Ursprungsland unbekannt sein. Die Lagerung von beschlagnahmtem Material in Sammlungen stellt an sich keine Nutzung dar und fällt daher nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Sollte es später zu einer Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung kommen, sollte der Nutzer das Ursprungsland der genetischen Ressource kontaktieren, sofern es sich ermitteln lässt, um festzustellen, welche Voraussetzungen hierfür gelten. Obwohl die EU-ABS-Verordnung für die Nutzung genetischer Ressourcen vorschreibt, dass mit gebotener Sorgfalt vorzugehen ist, verbietet sie nicht die Nutzung von Material, dessen Ursprung sich trotz aller Bemühungen des Nutzers nicht ermitteln lässt (siehe Abschnitt 3.3 des Leitfadens). Der Nutzer muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die Bestimmungen von Artikel 4 Absatz 5 zu beachten sind, wenn neue Informationen vorliegen, die eine Ermittlung des Bereitstellerlandes ermöglichen.

In vielen Fällen ist eine Identifizierung des Materials einschließlich durch Nutzung von DNA-Sequenzen erforderlich; dadurch können die Behörden möglicherweise die geografische Herkunft des Materials ermitteln. Die Verwendung von DNA-Sequenzdaten zur Identifizierung fällt nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung und wird in Abschnitt 6 näher erläutert.

3.   LAGERUNG UND VERWALTUNG EINER SAMMLUNG (2)

Die Lagerung von (unter In-situ-Bedingungen, auf einem Markt oder in einem Geschäft im Ursprungsland oder von einer Ex-situ-Sammlung erworbenen) genetischen Ressourcen in einer öffentlichen oder privaten Sammlung stellt keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an ihrer genetischen oder biochemischen Zusammensetzung dar. Daher stellen diese Tätigkeiten keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar (siehe Abschnitt 2.3.3.1 des Leitfadens). Die gesetzlichen ABS-Regelungen des Landes, in dem das Material gesammelt wird, bleiben jedoch anwendbar.

(Pharmazeutische Industrie) (3) Lagerung von Krankheitserregern bis zur Entscheidung über deren Verwendung in einem Impfstoff

Im Rahmen weltweiter Überwachungssysteme werden in mehreren Ländern verschiedene Krankheitserreger aus Wirten isoliert und nach einer epidemiologischen Analyse als potenzielle Gefahr für die öffentliche Gesundheit eingestuft. Aus der ersten Analyse geht nicht eindeutig hervor, welche Isolate gegebenenfalls für die Impfstoffentwicklung benötigt werden. Die Gefahr wird jedoch als so hoch eingestuft, dass die WHO und mehrere Regierungen weltweit die Herstellung von Impfstoffen und Diagnoseverfahren erbitten. Daher werden diese Krankheitserreger gesammelt und in einer bereits bestehenden Sammlung gelagert und mit anderen Sammlungen ausgetauscht.

Die Zusammenstellung einer Sammlung von Krankheitserregern, um sie im Bedarfsfall zu verwenden, stellt keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar. Werden die Impfstoffkandidaten zu einem späteren Zeitpunkt jedoch für die Entwicklung eines Impfstoffs genutzt, handelt es sich hierbei um eine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressource und die EU-ABS-Verordnung wäre anwendbar.

Vor der Lagerung erworbener genetischer Ressourcen in einer Sammlung prüfen die Inhaber der Sammlung üblicherweise deren Identität und beurteilen deren Gesundheitszustand und das Vorhandensein von Krankheitserregern. Diese Tätigkeiten sind ein wesentlicher Bestandteil des Sammlungsmanagements und werden als mit diesem Management verbunden angesehen (bzw. werden zu deren Unterstützung durchgeführt). Sie stellen daher keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar (siehe Abschnitt 2.3.3.1 des Leitfadens).

(Sammlungsinhaber) Lagerung genetischer Ressourcen an einem sicheren Ort

Eine Kultursammlung bietet gegen Gebühr einen vertraulichen Service zur sicheren Hinterlegung an. Unternehmen und andere Einrichtungen können in einem gesicherten Teil der Sammlung biologisches Material hinterlegen lassen im Wege eines Vertrags, wonach alle Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Material ausschließlich beim Hinterleger verbleiben und das Material weder an Dritte weitergegeben noch von der Sammlung selbst für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten genutzt wird. Dabei wird der gesamte zu lagernde Bestand entweder vom Hinterleger an die Sammlung gesendet oder die Sammlung erstellt selbst einen Bestand, indem sie vom Hinterleger erhaltenes Material vermehrt. Wenn die Sammlung DNA extrahiert und eine Sequenzierung durchführt, tut sie dies ausschließlich zu Identifizierungs- oder Prüfzwecken.

Umgang, Lagerung und Qualitätsprüfung (einschließlich Prüfung durch DNA-Extraktion und Sequenzierung bei Entgegennahme) im Rahmen der Dienstleistungserbringung gelten nicht als Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung. Da weder der Hinterleger noch die Sammlung Nutzer im Sinne der EU-ABS-Verordnung sind, finden die Verpflichtungen nach Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung zur Weitergabe oder Einholung einschlägiger Informationen zu dem Material keine Anwendung. Wenn die Kultursammlung von den Hinterlegern gebeten wird, die Stämme an Dritte zu senden, hat es sich bewährt, dass der Sammlungsinhaber die Dritten an den Hinterleger verweist, um Informationen über die ABS-Bedingungen für den Zugang einzuholen.

Ein allgemein bewährtes Verfahren für Sammlungsinhaber ist es, beim Erhalt des Materials zu prüfen, ob die ursprünglichen Genehmigungen zum Sammeln der genetischen Ressourcen (sofern erforderlich) eine Weitergabe an Dritte gestatten, und im positiven Falle die Informationen in den Genehmigungen erkennbar zu machen und sie den potenziellen Nutzern zusammen mit dem Material auszuhändigen. Wenn die Weitergabe von Material an Dritte laut Genehmigung verboten ist, kann das Material dementsprechend nicht zur Verfügung gestellt werden. Im Katalog könnte auf die zuständige nationale Behörde, die die ursprüngliche Genehmigung erteilt hat, verwiesen werden, damit sie vom potenziellen Nutzer kontaktiert werden kann, um entweder eine neue Genehmigung zu beantragen oder einen neuen Vertrag (einvernehmlich festgelegte Bedingungen, MAT) für den Zugang zum Sammlungsmaterial oder zu einer genetischen Ressource im Ursprungsland auszuhandeln.

(Sammlungsinhaber) Übertragungsbedingungen in der Materialübertragungsvereinbarung (MTA) (4)

In einem Bereitstellerland werden aus Wildpopulationen Pilzstämme isoliert und in einer öffentlichen Sammlung in Deutschland gelagert. Gemäß der Materialübertragungsvereinbarung dürfen die Stämme nur für nichtkommerzielle Forschungszwecke an Dritte weitergegeben werden. Die öffentliche Sammlung in Deutschland führt an den Stämmen keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durch (und ist somit kein Nutzer). Aus diesem Grund fallen die Tätigkeiten der deutschen Sammlung nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Dennoch ist die Sammlung an die Materialübertragungsvereinbarung gebunden, wonach Stämme nur für nichtkommerzielle Forschungszwecke an Dritte weitergegeben werden dürfen. Daher sollte die Sammlung unter Einhaltung der Materialübertragungsvereinbarung potenzielle Nutzer darüber in Kenntnis setzen, dass das Material nur für nichtkommerzielle Forschungszwecke verwendet werden darf.

Mitunter muss das in einer öffentlichen Sammlung gelagerte Material für nichtkommerzielle Forschung durch Dritte zur Verfügung gestellt werden, um beispielsweise die Voraussetzungen für die gültige Veröffentlichung einer neuen Art nach den Nomenklaturvorschriften zu erfüllen. In diesem Fall wäre es ratsam, vor der Hinterlegung vom Bereitstellerland eine Genehmigung für die Weitergabe an Dritte einzuholen.

(Sammlungsinhaber) Einschränkungen der Lieferung an Dritte

Eine öffentliche Kultursammlung erwirbt Stämme über einen Taxonomen von einer Universität in Land X (Bereitstellerland). Der Taxonom hat die Stämme im Rahmen einer Genehmigung gesammelt, wonach die gemeinsame Benutzung von genetischen Ressourcen mit ausländischen Forschern (wie den Sammlungsmitarbeitern in Land Y) zulässig ist, eine Weitergabe des Materials an Dritte jedoch nicht. Die Sammlungsmitarbeiter entdecken mehrere neue Arten, doch zur Einhaltung der Bestimmungen für eine gültige Veröffentlichung entsprechend den Nomenklaturvorschriften muss das Material der neuen Arten nicht nur in einer öffentlichen Sammlung gelagert, sondern auch für nichtkommerzielle Forschungszwecke Dritter zur Verfügung gestellt werden. In solchen Fällen ist es ratsam, dass der Hinterleger die zuständige nationale Behörde des Bereitstellerlandes kontaktiert, um eine neue Vereinbarung (PIC und MAT) zu schließen, die die Lagerung des Materials in der öffentlichen Sammlung gestattet und die Bedingungen für die Lieferung an Dritte regelt. Ist eine Übertragung an Dritte zulässig, kann die Sammlung das Material den Bedingungen entsprechend Dritten zur Verfügung stellen.

Sammlungsinhaber haben die Möglichkeit, (bei den gemäß der EU-ABS-Verordnung benannten zuständigen nationalen Behörden in ihrem Mitgliedstaat) die Aufnahme ihrer Sammlung oder eines Teils davon in das EU-Register von Sammlungen zu beantragen (Artikel 5 der EU-ABS-Verordnung).

Inhaber von Sammlungen, die in das EU-Register von Sammlungen aufgenommen wurden, sind verpflichtet, genetische Ressourcen und mit ihnen zusammenhängende Informationen nur zusammen mit einer geeigneten Dokumentation (PIC und MAT soweit anwendbar) zur Verfügung zu stellen und Aufzeichnungen über alle Proben genetischer Ressourcen und mit ihnen zusammenhängende Informationen zu führen, die Dritten für deren Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Einen Sonderfall stellt die Lagerung von Material vertraulichen Ursprungs dar, wie anhand des folgenden Beispiels erläutert wird.

(Sammlungsinhaber) Lagerung von Material vertraulichen Ursprungs in einer registrierten Sammlung

Ein Wissenschaftlicher möchte einen Pilzstamm in einer öffentlichen Kultursammlung lagern, die im EU-Register von Sammlungen aufgeführt ist, und das Ursprungsland des Stammes nicht angeben, weil sämtliche die Herkunft betreffenden Informationen vertraulich sind. Somit verfügt die Sammlung nicht über Informationen zu den Bedingungen, unter denen Zugang zu dem Pilzstamm erlangt wurde. Aus diesem Grund sollte der Stamm nicht in den registrierten Teil der Sammlung aufgenommen werden, wenn er Dritten zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden soll. Nach Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der EU-ABS-Verordnung kann eine registrierte Sammlung genetische Ressourcen Dritten für deren Nutzung nur zusammen mit einer Dokumentation zur Verfügung stellen, die Nachweise dafür liefert, dass der Zugang zu den genetischen Ressourcen und mit ihnen zusammenhängenden Informationen im Einklang mit den geltenden Gesetzen oder sonstigen rechtlichen Anforderungen zum Zugang und zur Aufteilung der Vorteile und gegebenenfalls nach einvernehmlich festgelegten Bedingungen erfolgt ist. Nicht registrierte Sammlungen sind nicht an die Bedingungen gemäß Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der EU-ABS-Verordnung gebunden.

4.   ZÜCHTUNG UND VERMEHRUNG (5)

Die reine Züchtung und Kultivierung von genetischen Ressourcen (ohne absichtliche Selektion), z. B. von Mikroorganismen oder Insekten zur biologischen Schädlingsbekämpfung oder von landwirtschaftlichen Nutztieren, gilt nicht als Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressource und stellt daher keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar. Auch die Optimierung der Bedingungen für die Züchtung oder Kultivierung von genetischen Ressourcen wird nicht als Nutzung angesehen.

(Biologische Schädlingsbekämpfung und Biostimulanzien) Züchtung/Kultivierung (einschließlich Vermehrung) von Organismen zur Schädlingsbekämpfung oder Biostimulanzien zwecks Erhaltung und Fortpflanzung (einschließlich „Vervielfältigungsdienstleistungen“)

Ein Organismus zur Schädlingsbekämpfung oder Biostimulans wurde auf dem Feld gesammelt oder über eine Ex-situ-Sammlung bezogen und wird zwecks Erhaltung und Fortpflanzung gezüchtet/kultiviert.

Die Züchtung/Kultivierung (einschließlich Vermehrung) von Organismen zur Schädlingsbekämpfung/Biostimulanzien zwecks Erhaltung und Fortpflanzung stellt keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressourcen dar, auch wenn es zu einer (unbeabsichtigten) genetischen Veränderung kommen kann. Daher handelt es sich hierbei nicht um eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

(Organismen zur Schädlingsbekämpfung und Biostimulanzien) Optimierung der Züchtungs- oder Kultivierungsbedingungen für Organismen

Die Optimierung der Züchtungs- oder Kultivierungsbedingungen für Organismen zur Schädlingsbekämpfung/Biostimulanzien findet üblicherweise im Rahmen von Laborversuchen unter kontrollierten Bedingungen statt. Ziel der Optimierung ist eine verstärkte Vermehrung (z. B. der Zellanzahl eines nützlichen Bakteriums) und/oder Herstellung einer bestimmten biochemischen Verbindung.

Die Optimierung der Züchtungs- oder Kultivierungsbedingungen stellt keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressourcen dar, auch wenn bei diesem Prozess eine (unbeabsichtigte) Änderung der genetischen Zusammensetzung der gezüchteten genetischen Ressourcen stattfinden kann. Daher handelt es sich hierbei nicht um eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung. Werden bei der Optimierung jedoch neue und verbesserte Genotypen erzeugt, würde die Selektion dieser Genotypen eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung darstellen.

5.   AUSTAUSCH UND WEITERGABE (6)

In allen Sektoren, in denen genetische Ressourcen genutzt werden, ist es üblich, dass eine Partei nach der Erlangung des Zugangs zu genetischen Ressourcen diese entweder in der ursprünglichen Form oder nach genetischen Veränderungen (wie Mutation, Selektion, Hybridisierung oder Isolierung) oder Derivate aus den bezogenen genetischen Ressourcen an eine andere Partei weitergibt. An dieser Weitergabe genetischer Ressourcen können sowohl öffentliche als auch private Rechtsträger beteiligt sein. In all diesen Fällen kann mit der Weitergabe einer genetischen Ressource auch die Weitergabe des dazugehörigen Wissens einhergehen, was sowohl das traditionelle, sich auf genetische Ressourcen beziehende Wissen, das von der ersten Partei erworben wurde, als auch das während der Nutzung der genetischen Ressource erworbene Wissen umfassen kann. So stellen beispielsweise Tierzüchter in der EU ihren Kunden im In- und Ausland einschließlich EU-Mitgliedstaaten routinemäßig Zuchttiere oder andere Arten genetischer Ressourcen (wie Sperma) zur Verfügung; auch im Bereich Pflanzenzucht, forstliches Vermehrungsgut, Pharmazie und Kosmetik können potenziellen Nutzern erworbene Pflanzenexemplare in unveränderter Form angeboten werden.

Der Austausch kann als besondere Form der Weitergabe angesehen werden, bei der zwei Parteien mindestens zwei und oft noch weitere genetische Ressourcen austauschen. Der Austausch ist bei bestimmten Akteuren wie z. B. den Inhabern öffentlicher Sammlungen wie botanischen Gärten, Zoos, Genbanken, Biobanken und Kultursammlungen weitverbreitet, die alle die Aufgabe haben, bestimmte Arten genetischer Ressourcen zu Erhaltungs-, Forschungs- und Bildungszwecken und/oder zur weiteren Nutzung durch Dritte zu bewahren. Mitunter findet ein Austausch zwischen Sammlungsinhabern als Sicherungsmaßnahme oder als sonstige Maßnahme zur Vermeidung von Einbußen der genetischen Vielfalt statt. Bei der Aufbewahrung in bestimmten Sammlungen können genetische Ressourcen zufällig oder absichtlich genetisch verändert werden, was zum Teil vom Sammlungsinhaber möglicherweise gar nicht bemerkt wird.

Auch bei anderen öffentlichen und privaten Parteien verschiedener Sektoren, insbesondere bei Parteien mit ähnlichen Forschungs- und Entwicklungsprogrammen, ist der Austausch weitverbreitet und dient oft der Erweiterung des Bestands an genetischen Ressourcen, an dem Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchgeführt werden können. Dabei können über einen längeren Zeitraum immer wieder genetische Ressourcen weitergegeben und ausgetauscht werden.

Für manche Weitergaben und Austausche werden Zahlungen oder sonstige Entschädigungen geleistet, andere wiederum erfolgen zu gleichen Bedingungen für alle Beteiligten. Für manche genetische Ressourcen existieren genaue Aufzeichnungen über frühere Weitergaben, für andere wiederum nicht.

Handel, Weitergabe und Austausch stellen keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der betreffenden genetischen Ressourcen dar und fallen daher nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Folglich sind Personen wie Händler, die nur Material weitergeben, keine Nutzer im Sinne der EU-ABS-Verordnung (siehe auch Abschnitt 2.4 des Leitfadens) und haben demnach auch keine entsprechenden Pflichten. Sie können aber an vertragliche Verpflichtungen gebunden sein, die eingegangen worden sind, als Zugang zu dem Material erlangt wurde. Des Weiteren müssen sie wahrscheinlich Informationen an nachfolgende Nutzer weitergeben, damit auch diese ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen können. Jede Weitergabe einer genetischen Ressource sollte im Einklang mit den entsprechenden Vertragsbedingungen erfolgen, die gegebenenfalls einen Vertragsabschluss mit dem Empfänger erfordern.

(Sammlungsinhaber) Zuchtprogramm eines Zoos

Ein Zoo in der EU bezieht im Rahmen eines Zuchtprogramms ein Tier aus einem Zoo eines anderen Landes. Beide Zoos sind offizielle Partner des Zuchtprogramms. Die Züchtung zur Aufrechterhaltung einer genetisch nachhaltig lebensfähigen Tierpopulation und die damit verbundene Herstellung genetischer Beziehungen stellt keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar, da das Ziel einzig und allein darin besteht, das Überleben der (Unter)Arten oder Population zu sichern, und zieht daher keine Sorgfaltspflichten im Rahmen der EU-ABS-Verordnung nach sich.

Wird eine genetische Ressource in der Form, in der sie empfangen wurde, weitergegeben, stellt dies keine Nutzung dar. Anders sieht es jedoch aus, wenn Produkte weitergegeben werden, die gemäß der EU-ABS-Verordnung aus genetischen Ressourcen entwickelt wurden, aber noch nicht das Endstadium der Entwicklung erreicht haben (und auch als „Halbfabrikate“ oder „in der Entwicklung befindliche Produkte“ bezeichnet werden können). In der Pflanzen- und Tierzucht können diese Produkte ebenfalls genetische Ressourcen sein. In diesem Fall gilt die Partei, die die zum Halbfabrikat und dessen Weitergabe führenden Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchgeführt hat, als Nutzer im Sinne der EU-ABS-Verordnung. So können beispielsweise Pflanzenzüchter Halbfabrikate an andere Züchtungsunternehmen verkaufen, wenn diese genetischen Ressourcen für ihr eigenes Zuchtprogramm nicht relevant sind oder als Einkommensquelle. Eine ähnliche Weitergabe von auf genetischen Ressourcen basierenden Halbfabrikaten kann auch in anderen Branchen wie der Nahrungs- und Futtermittelindustrie sowie der Pharma- und Kosmetikindustrie stattfinden. Wenn die zweite Partei in der Kette das Halbfabrikat dann weiterentwickelt und an ihm Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchführt, gilt sie ebenfalls als Nutzer im Sinne der EU-ABS-Verordnung. Führen ihre Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zu einem marktreifen Produkt, ist nur die zweite Partei zur Abgabe einer Sorgfaltserklärung verpflichtet (siehe Artikel 6 Absatz 2 der Durchführungsverordnung). Wird das Halbfabrikat allerdings auf dem freien Markt anderen Parteien angeboten, ist der Entwickler des Halbfabrikats zur Abgabe einer Sorgfaltserklärung verpflichtet.

6.   BESTIMMUNG UND BESCHREIBUNG VON ORGANISMEN UND ANDERE AKTIVITÄTEN AM ANFANG DER WERTSCHÖPFUNGSKETTE (7)

6.1.   Taxonomische Bestimmung von Organismen und taxonomische Forschung

Die taxonomische Bestimmung von Organismen und die taxonomische Forschung werden in Abschnitt 2.3.3.1 des Leitfadens kurz behandelt. Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der „taxonomischen Bestimmung“ und der „Bestimmung“ um ein und denselben Vorgang handelt. Bei der Bestimmung von Organismen wird für eine Probe ein Name gesucht bzw. sie wird einem Taxon zugewiesen, weshalb man den Begriff „taxonomisch“ verwendet. Der Name kann sich je nach Genauigkeit der Bestimmung auf den Stamm, die Art, die Gattung oder einen anderen Rang beziehen, gilt aber in jedem Fall einem Taxon, auch wenn der Probe innerhalb dieses Taxons kein formeller wissenschaftlicher Name gegeben werden kann.

In der Forschung kann für die biologischen oder genetischen Ressourcen (Organismen), die Gegenstand der Forschung sind, eine Bestimmung und mitunter eine informelle oder formelle Beschreibung erforderlich sein. Eine taxonomische Beschreibung und Bestimmung kann auf Artenebene oder auf Sortenebene bei Pflanzensorten im Gartenbau und in der Landwirtschaft notwendig sein; bei mikrobiellen Organismen kann eine Bestimmung des Stamms, bei der Tierzucht eine Benennung der Rasse oder bei Pflanzen und Tieren beispielsweise im Zusammenhang mit Umweltarbeiten eine Benennung der Population erforderlich sein.

Bei der taxonomischen Bestimmung können nicht beschriebene Arten erkannt und beschrieben werden, wobei die formelle Beschreibung die Festlegung eines neuen wissenschaftlichen Namens umfasst (mit Veröffentlichung in einer wissenschaftlichen Druckausgabe oder in einem Online-Journal und Bereitstellung der DNA-Sequenzdaten in einer öffentlichen Datenbank). Die taxonomische Bestimmung kann auf einer Kombination morphologischer und molekularer Eigenschaften oder ausschließlich auf DNA-Sequenz-Daten basieren, die durch Sequenzierung des gesamten Genoms oder DNA-Barcodes erzeugt werden. Immer häufiger werden für die Bestimmung von Organismen wie pathogenen Bakterien, die die menschliche Gesundheit beeinträchtigen, Genome verwendet, da sie eine schnelle und genaue Unterscheidung der Stämme ermöglichen.

In mikrobiologischen Sammlungen werden möglicherweise keine genetischen Ressourcen ohne eine wenigstens minimale taxonomische Bestimmung akzeptiert, und zu einer Bestimmung und Qualitätskontrolle auf dem heutigen Stand der Technik gehört auch eine molekulare Charakterisierung. Oft werden genetische Ressourcen (taxonomisch zu bestimmende Exemplare) international weitergegeben und Experten für Taxonomie vorgelegt.

Die taxonomische Bestimmung von biologischen oder genetischen Ressourcen durch morphologische oder molekulare Analyse einschließlich durch Sequenzierung der DNA stellt keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar, da es dabei nicht um die Entdeckung spezifischer genetischer und/oder biochemischer Eigenschaften geht (siehe dazu auch Abschnitt 2.3.3.1 des Leitfadens; „Eigenschaften“ beziehen sich hier auf die Funktion). Sie bringt keine „neuen Erkenntnisse über die Eigenschaften der genetischen Ressource hervor, die (potenzielle) Vorteile für die weitere Produktentwicklung mit sich bringt“, wie beim Lackmustest formuliert wurde (siehe Abschnitt 2.3.3.1 des Leitfadens). Vielmehr wird die DNA- oder RNA-Sequenz zur Bestimmung des Organismus verwendet. Analog dazu kann die Stammbaumanalyse in der Tierzucht als einfache Bestimmung angesehen werden, die sich von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten unterscheidet und daher als solche nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fällt. Auch die Entdeckung, Beschreibung und Veröffentlichung neuer Arten stellt keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar, solange sie ohne zusätzliche Forschungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressourcen zur Entdeckung oder Nutzung der Eigenschaften (Funktionen) der Gene erfolgt. Die Bereitstellerländer können in PIC und/oder MAT die Bedingungen festlegen, die bezüglich der Generierung, Aufbewahrung, Veröffentlichung und/oder der Verbreitung der aus der jeweiligen genetischen Ressource gewonnenen digitalen Sequenzdaten gelten. Diese Bedingungen gelten auch dann, wenn die Tätigkeiten nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallen.

Wird die Bestimmung oder taxonomische Beschreibung eines Organismus jedoch an die Erforschung seiner spezifischen genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung und insbesondere die Funktion der Gene gekoppelt, entspricht dies einer Nutzung unter den Bedingungen der EU-ABS-Verordnung (siehe Abschnitt 2.3.3.1 des Leitfadens).

(Öffentliche Forschung) Taxonomische Bestimmung von Humanpathogenen oder assoziierter Organismen

Bei Analysen in nationalen Laboren kann eine Analyse der DNA-Sequenz erforderlich sein, um beispielsweise das Vorhandensein zuvor abgeleiteter Virulenzfaktoren und/oder Resistenzen gegen antimikrobielle Mittel zu beurteilen. Dann müssen genetische Ressourcen (zu bestimmende Exemplare) bezogen werden, die oft international weitergegeben und Experten für Taxonomie vorgelegt werden müssen. Das bestimmte Belegmaterial [aufbewahrte Probe der ursprünglichen Exemplare (genetische Ressource)] wird oft sowohl im Bereitstellerland als auch in dem Land, in dem die DNA-Sequenz analysiert wurde und in dem geeignete Archive existieren, hinterlegt.

Die taxonomische Bestimmung von Exemplaren stellt keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar, sofern an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressource keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, insbesondere in Form der Entdeckung spezifischer genetischer und/oder biochemischer Funktionen, durchgeführt werden. Es werden lediglich die Identität der genetischen Ressource (d. h. des Exemplars) bestimmt und Passdaten erzeugt. Werden an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung dieser Krankheitserreger Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten — beispielsweise auch an den Virulenzfaktoren und Resistenzen — durchgeführt, gelten jedoch Sorgfaltspflichten.

(Pharmazeutische Industrie) Untersuchung der bei einer taxonomischen Analyse entdeckten Genfunktion

Ein Forschungsinstitut nimmt an einem Organismus zur taxonomischen Bestimmung eine DNA-Sequenzierung vor. Bei der anschließenden Analyse der Gensequenz und der von diesen Genen codierten Genfunktion werden neuartige und potenziell nützliche Genstrukturen für Antikörper entdeckt. Der daran anknüpfende Forschungsansatz führt dazu, dass Immunzellen des Organismus für die Entwicklung neuer Antikörper verwendet werden. Die taxonomische Bestimmung stellt keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar. Nach der taxonomischen Bestimmung wird die genetische Ressource jedoch zur Produktentwicklung verwendet, bei der von der Genfunktion Gebrauch gemacht wird. Die dabei durchgeführte Forschungs- und Entwicklungstätigkeit stellt eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

(Kosmetikindustrie) Taxonomische Bestimmung eines Organismus und anschließende Feststellung einer biochemischen Funktion seiner Gene

Ein Kosmetikunternehmen möchte den Namen einer Art, an der es forschen möchte, in Erfahrung bringen und führt zur taxonomischen Bestimmung eine DNA-Sequenzierung einschlägiger Exemplare durch. Auf die taxonomische Bestimmung mittels DNA-Sequenzierung folgt eine weitere Funktionsanalyse eines Gens, das sequenziert wurde, um neuartige biochemische Funktionen seiner potenziell nutzbaren Produkte herauszufinden. Die Analyse zeigt, dass neuartige und potenziell nützliche Proteine vorhanden sind, die anschließend bei der Entwicklung von Kosmetikbestandteilen genutzt werden.

Da die Analyse nach der taxonomischen Bestimmung fortgesetzt wurde und auch die Funktion eines Gens und seiner Produkte untersucht wurde, handelt es sich hier um eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

(Öffentliche Forschung) Rekonstruktion von Nahrungsnetzen mithilfe von DNA-Barcoding von Pflanzen und Pflanzenfressern, die aus In-situ-Bedingungen beschafft wurden

Im Rahmen eines Forschungsvorhabens wird eine Referenzbibliothek mit DNA-Barcodes der lokalen Pflanzenwelt eingerichtet, um herauszufinden, welche Pflanzen von welchen pflanzenfressenden Insektenarten abgegrast werden. Die lokalen Pflanzen werden vom Feld im Bereitstellerland entnommen. In einem zweiten Schritt werden Proben der pflanzenfressenden Insekten entnommen, und aus dem Darm bzw. der Hämolymphe der Insekten wird dieselbe Barcode-Region sequenziert, die für die Einrichtung der Referenzbibliothek für Pflanzen verwendet wurde. Die erhaltenen Sequenzen werden mit der Referenzbibliothek abgeglichen, um herauszufinden, von welchen Pflanzenarten sich das Insekt ernährt hat. Daraus entsteht eine Karte des Nahrungsnetzes aus Primärproduzenten und Pflanzenfressern, das eine Eins-zu-Eins-Beziehung (ein Spezialist) oder eine Eins-zu-Vielen-Beziehung (ein Generalist) aufzeigt und neue Erkenntnisse über die Biologie (Nahrungspflanzen) von Insektenarten liefert.

DNA-Barcodes werden in folgenden zwei Schritten verwendet: Zunächst werden anhand der entnommenen und identifizierten Pflanzen eine Referenzbibliothek und ein Bestimmungstool erstellt. Dann werden aus dem aufgenommenen und teils zersetzten Material im Darm des Insekts Pflanzenarten bestimmt, was anhand der Morphologie nicht möglich gewesen wäre. Dabei werden DNA-Sequenzen ausschließlich zur Bestimmung verwendet. Obwohl bei dieser Forschungstätigkeit neue ökologische Erkenntnisse über die untersuchten Arten gewonnen werden, werden die Funktionen der Gene innerhalb der untersuchten genetischen Ressource nicht entschlüsselt, weshalb keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung stattfindet. Siehe auch Abschnitt 6.6.

(Sammlungsinhaber; Nahrungs- und Futtermittelindustrie) Sequenzierung des gesamten Genoms

Ein Unternehmen erwirbt von einer Kultursammlung zehn Mikrobenstämme unbekannter Identität. Es führt die Stämme in die EU ein, sequenziert zwecks taxonomischer Bestimmung ihr gesamtes Genom und bewahrt sie in seiner internen Kultursammlung auf. Einige Jahre später analysiert es die Genomsequenz eines dieser Stämme auf potenzielle Lipasegene und verwendet ein aus dem ursprünglichen Stamm extrahiertes Kandidatengen für Lipase zur Erzeugung eines kommerziellen Produktionsstamms für diese konkrete Lipase.

Die Gesamtgenomsequenzierung zur ausschließlichen taxonomischen Bestimmung stellt keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar, da die Funktion der Gene nicht untersucht wurde. Die anschließende Analyse der Genomsequenz auf Kandidatengene zur kommerziellen Produktion und Erzeugung eines Produktionsorganismus für das Kandidatenenzym beinhaltet jedoch Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung einer genetischen Ressource, insbesondere die Untersuchung der Funktion spezifischer Gene, und fällt daher in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

(Öffentliche Forschung) eDNA-Metabarcoding-Analyse von Wasserproben zur Ermittlung der vorhandenen Fischarten

Einem Fluss werden Wasserproben entnommen, um die Anzahl der in ihm lebenden verschiedenen Fischarten zu ermitteln. Dabei wird von den Organismen ins Wasser freigesetzte DNA verwendet. Zwecks Bestandsaufnahme zur Artenvielfalt erfolgen eine Reinigung der DNA aus den Wasserproben, ein Targeting und eine Sequenzierung der DNA-Marker und eine taxonomische Bestimmung der ermittelten Sequenzen durch Vergleich mit den Referenzsequenzen in einer Datenbank. Die Funktion der Gene wird nicht untersucht. Da nur die Sequenz verwendet wird und die Funktionen weder untersucht noch berücksichtigt werden, stellen solche Bestandsuntersuchungen keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

6.2.   Charakterisierung

Als Charakterisierung wird die Beschreibung und Dokumentation der besonderen Art oder Eigenschaften genetischer Ressourcen bezeichnet. Die Charakterisierung einer erworbenen genetischen Ressource bildet normalerweise die Grundlage und den ersten Schritt, auf den weitere Tätigkeiten folgen. Sie ist zum Beispiel Teil der Bestimmung und Qualitätskontrolle, entsprechend dem Standardvorgehen bei Mikrobensammlungen. Wenn bei dieser Charakterisierung und diesem Vergleich keine spezifischen genetischen und/oder biochemischen Funktionen entdeckt werden, bringen sie keine „neuen Erkenntnisse über die Eigenschaften der genetischen Ressource hervor, die (potenzielle) Vorteile für die weitere Produktentwicklung mit sich bringt“, wie beim Lackmustest formuliert wurde (siehe Abschnitt 2.3.3.1 des Leitfadens). In diesen Fällen stellt die Charakterisierung keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

Wird die Charakterisierung oder Beschreibung einer genetischen Ressource jedoch mit Forschung an ihrer spezifischen genetischen und/oder biochemischen Eigenschaften kombiniert, entspricht dies einer Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung (siehe Abschnitt 2.3.3.1 des Leitfadens).

(Sammlungsinhaber; Tierzucht) Beurteilung der Vielfalt zwischen und innerhalb von Populationen

Es wird eine Untersuchung durchgeführt, um die genetische Distanz zwischen Züchtungen und die Homogenität innerhalb von Züchtungen zu beurteilen. Diese kann zu Empfehlungen hinsichtlich des Populationsmanagements führen, charakterisiert jedoch nicht die genetischen und/oder biochemischen Funktionen von Genen innerhalb der einzelnen Züchtungen. Möglicherweise wird nicht der gesamte Organismus analysiert und beschrieben. In der Tierzucht kann beispielsweise aus einzelnen Blutproben DNA extrahiert und mit einem öffentlichen SNP-Chip genotypisiert werden, um die genetische Distanz zu berechnen. Dies liefert keine Informationen über den Phänotyp oder die Leistung (z. B. Wachstum, Fortpflanzung und Produktivität), weil die SNP-Marker anhand von Polymorphismen der Züchtungen innerhalb der Art ausgewählt wurden. Die genetischen Ressourcen werden zur Klassifizierung und Bestimmung verwendet, aber nicht zur Suche nach einer bestimmten Eigenschaft (funktionelle Genexpression) einer Züchtung bezogen auf ein oder mehrere Gene oder eine entsprechende Selektion. Daher handelt es sich hierbei nicht um eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

(Tierzucht) Charakterisierung einer genetischen Ressource zur Lieferung von Erkenntnissen für die Züchtung

Private Züchtungsunternehmen und öffentliche Forschungsinstitute sind an der genotypischen und phänotypischen Charakterisierung beteiligt, die Aufschluss über die genetische Variation innerhalb und zwischen Züchtungen und Zuchtlinien liefern soll. Ihre molekularen Ansätze umfassen die Analyse von genetischen Markern oder (Gesamt-)Genomsequenz-Daten. Die phänotypische Analyse kann eine Leistungsaufzeichnung und die Nutzung biochemischer und sonstiger Messinstrumente und -methoden beinhalten. Diese Tätigkeiten können auch für den Zweck und im Rahmen der genomischen Selektion durchgeführt werden, die die Vorhersage von Zuchtwerten ausschließlich anhand von DNA-Informationen ermöglicht.

Die Erzeugung von Informationen durch Genotypisierung, DNA-Sequenzanalyse und phänotypische Charakterisierung und anschließende Analyse dieser Datenarten führt zu größerem Wissen über einzelne genetische Ressourcen aufgrund von Erkenntnissen über Eigenschaften und ihre assoziierten Gene und verschafft den Züchtern einen Mehrwert und potenzielle Vorteile. Diese Aktivitäten sind auch für Strategien der genomischen Selektion wichtig, da sie eine Beurteilung des Zuchtwerts jedes Tiers (genetische Ressource) ermöglichen und eine solide Basis für die Selektion darstellen. Sie stellen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressource dar und fallen daher in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Die Tatsache, dass es sich hierbei um eine Standardtätigkeit handelt, steht dem nicht entgegen, dass sie einen der ersten Schritte in der Forschung und Entwicklung darstellen.

Untersuchung der Funktion von Genen: etablierte eingeführte Arten

In den 1960er Jahren wurde eine Fischart zwecks Fischfang absichtlich von einem Land in ein anderes Land verbracht, in dem sie mittlerweile eine lebensfähige Population etabliert hat. Ein Forschungskonsortium bezieht frische Exemplare dieses Fischs aus dem zweiten Land, da es eine Genomsequenzierung dieser Art vornehmen und eine Genkarte zu den Genen und ihren Funktionen veröffentlichen möchte.

Diese Forschungsarbeiten beinhalten eine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressource und stellen somit eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar. Da der Fisch im zweiten Land etabliert ist und die Exemplare dort unter In-situ-Bedingungen entnommen wurden, gilt dieses Land als Bereitstellerland. Daher sollte sich der Nutzer an dieses Land wenden, um zu klären, ob eine auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung und einvernehmlich festgelegte Bedingungen erforderlich sind.

(Biopestizide und Biostimulanzien) Physikalisch-chemische Charakterisierung von Extrakten und Stoffen (vorhandene Wirkstoffarten) zur Verwendung als Biopestizide oder Biostimulanzien

Aus einer genetischen Ressource werden Extrakte und Stoffe extrahiert, die als Biopestizid oder Biostimulans verwendet werden sollen und durch PIC und MAT abgedeckt sind. Anschließend werden sie charakterisiert, um die chemische Struktur und Funktion der als Biopestizide oder Biostimulanzien zu verwendenden Verbindungen zu bestimmen. Diese Tätigkeit umfasst Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der Derivate der genetischen Ressourcen. Sie geht über die reine Beschreibung hinaus und stellt daher eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar. (Für weitere Orientierungshilfen siehe Abschnitt 2.3.4 des Leitfadens zu Derivaten).

Zur Charakterisierung gehört auch die Genexpression. Es können sowohl im kommerziellen als auch im nichtkommerziellen Rahmen spezielle Forschungstätigkeiten zur Genexpression durchgeführt werden, bei denen morphologische (Phänotypuntersuchung) und biochemische Instrumente zum Einsatz kommen. Alternativ kann der genetische Hintergrund interessanter Eigenschaften erforscht werden, um zu analysieren, welche Gene, Genkomplexe oder die Expression steuernden Regulierungssequenzen und -mechanismen beteiligt sind. Eine solche Analyse von Eigenschaften fällt, auch wenn sie nichtkommerziellen Zwecken dient, in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Eine reine Untersuchung morphologischer Eigenschaften ohne Untersuchung oder Nutzung der genetischen Einflüsse auf die Morphologie stellt jedoch keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen und biochemischen Zusammensetzung des betreffenden Organismus dar und fällt nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung.

(Öffentliche Forschung) Forschungstätigkeiten zur Bestimmung morphologischer und/oder anatomischer Eigenschaften

In vielen biologischen Forschungsdisziplinen werden regelmäßig morphologische und anatomische Eigenschaften von Teilen von Organismen analysiert und beschrieben. Dabei kommen Verfahren wie Lichtmikroskopie, Raster- oder Transmissionselektronenmikroskopie zum Einsatz. Diese beinhalten keine Forschungstätigkeiten an der genetischen oder biochemischen Zusammensetzung der betreffenden genetischen Ressourcen und stellen daher keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar. Die Ergebnisse dieser Tätigkeiten können für die Grundlagenforschung und für Erhaltungszwecke, z. B. die taxonomische Beschreibung von Arten, relevant sein, aber auch bei der späteren Grundlagen- und angewandten Forschung, die zu technischen und kommerziellen Anwendungen führt, eine Rolle spielen. Diese nachfolgenden Tätigkeiten können in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallen (wenn weitere Bedingungen erfüllt sind).

(Öffentliche Forschung) Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an mechanischen und optischen Eigenschaften

Eine Forschungsgruppe bezieht Käferarten mit metallisch glänzenden Farben, um die mechanischen und optischen Eigenschaften von Mikrostrukturen auf dem ersten Flügelpaar zu untersuchen. Laut Forschungsplan könnte die Studie zu ingenieurtechnischen Anwendungen führen, indem z. B. auf neuen Materialien ähnliche Strukturen designt werden, um die Abriebfestigkeit und den Glanz zu verbessern (Biomimese, Biomimikry).

Diese Tätigkeiten zählen als Forschung und Entwicklung und werden an genetischen Ressourcen durchgeführt. Die Forschung und Entwicklung betrifft jedoch deren mechanische oder optische Eigenschaften, die durch Umweltfaktoren bedingt sind, nicht jedoch die genetische und/oder biochemische Zusammensetzung dieser genetischen Ressourcen. Folglich gilt diese Forschungstätigkeit nicht als Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung und fällt nicht in deren Anwendungsbereich.

(Tierzucht) Wissenschaftliche Grundlagenforschung am genetischen Hintergrund von Eigenschaften

In der wissenschaftlichen Forschung wird speziell der genetische Hintergrund von Eigenschaften erforscht, die für die Tierzucht von Interesse sind, um zu analysieren, welche Gene, Genkomplexe oder die Expression steuernden Regulierungssequenzen und -mechanismen beteiligt sind. Diese Forschungstätigkeiten können von öffentlichen, öffentlich-privaten oder privaten Forschungseinrichtungen durchgeführt werden, zu neuen Erkenntnissen führen und den Züchtern einen Mehrwert und potenzielle Vorteile verschaffen und letzten Endes kommerzielle Anwendungen nach sich ziehen.

Bei der genetischen Erforschung bestimmter Eigenschaften von Interesse wird das Genom einzelner Tiere genauestens auf in den Zuchtzielen (basierend auf der Genexpression) benannte Eigenschaften untersucht, um die gewünschten Zuchtergebnisse herbeizuführen. Daher stellen diese Tätigkeiten eine Nutzung dar und fallen somit in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

(Öffentliche Forschung) Erforschung der Funktion von in Waldarten gefundenen Genen ohne weitere Entwicklungstätigkeiten

Im Rahmen eines Forschungsprojekts findet eine Untersuchung der genetischen und biochemischen Funktion von bezogenen genetischen Ressourcen sowie die Bestimmung spezifischer Eigenschaften und ihres genetischen Hintergrunds statt. Die beteiligten Forscher ziehen keine künftige Produktentwicklung oder kommerzielle Anwendung ihrer Forschungsergebnisse in Betracht. Sie veröffentlichen ihre Forschungsergebnisse lediglich in wissenschaftlichen Foren.

Forschungstätigkeiten, bei denen eine Analyse der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressourcen stattfindet, stellen eine Nutzung dar. Sie fallen daher in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Folglich müssen die beteiligten Forscher unabhängig davon, ob eine Produktentwicklung geplant ist oder nicht, Sorgfaltspflichten erfüllen.

(Pflanzenzucht) Virulenz von Krankheitserregern

Ein auf gärtnerische Beratung spezialisiertes Unternehmen führt Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an einem Krankheitserreger durch und untersucht auch dessen DNA. Im Zusammenhang mit der Virulenz dieses Krankheitserregers werden genotypische und phänotypische Unterschiede zwischen den einzelnen Stämmen untersucht.

Untersuchungen wie diese, bei denen die genetische und/oder biochemische Zusammensetzung der genetischen Ressource (in Bezug auf die Virulenz) erforscht wird, stellen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar und fallen daher in deren Anwendungsbereich. Werden bei der Untersuchung lediglich die Stämme und Rassen des Krankheitserregers bestimmt, wie beispielsweise eine taxonomische Bestimmung eines Krankheitserregers zur Ermittlung der Erkrankung einer Pflanze, und keine weiteren Tätigkeiten durchgeführt, ist dies keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

6.3.   Phylogenetische Analyse

Bei phylogenetischen Analysen kommen zahlreiche Methoden der Datenanalyse zum Einsatz, die auf verschiedenste Datenarten angewandt werden können, bei denen eine angenommene Beziehung von Vorfahren und Nachkommen besteht: z. B. in der Linguistik oder, in einem biologischen Kontext, bei morphologischen und chemischen Aspekten oder Nukleotidsequenzen (die allgemein als „Merkmale“ bezeichnet werden). Sie können auch an Genfunktionsdaten durchgeführt werden, auch wenn dies noch nicht sehr verbreitet ist.

Das Ergebnis einer phylogenetischen Analyse wird als Netz oder Verzweigungsdiagramm („Baum“) dargestellt, wobei die analysierten Proben (meist Arten oder intraspezifische Einheiten) jeweils an der Spitze eines Astes stehen und die Anordnung der Äste deren Beziehungen untereinander darstellt. In der Praxis kann eine Analyse aus einem einzigen Probensatz Hunderte oder Tausende von Bäumen erzeugen (einfache Ja-/Nein-Matrizen zu den beobachteten Bedingungen), die sich jeweils in den dargestellten Beziehungen und der Wahrscheinlichkeit, dass sie die Beobachtungen erklären, unterscheiden. Der Taxonom entscheidet sich manchmal für einen einzigen Baum, mit dem er arbeiten möchte, manchmal für mehrere Bäume, und manchmal erzeugt er mithilfe eines Computerprogramms einen „Konsensbaum“, der sich auf einige oder alle anderen Bäume mit der höchsten Wahrscheinlichkeit stützt. Prinzipiell sind alle phylogenetischen Bäume Darstellungen von mithilfe von Computerprogrammen berechneten individuellen Analysen. Für die Beurteilung der Beziehungen existieren verschiedene statistische Ansätze, für die unterschiedliche Computerprogramme verschiedene Algorithmen verwenden. Auf verschiedenen Evolutionsmodellen basierende Ansätze können zu leicht unterschiedlichen Ergebnissen führen, vor allem wenn die Erkenntnisse verschiedener Genom- oder Sequenzteile widersprüchliche Interpretationen liefern. Die endgültigen Bäume sind daher ebenso stark vom Analysealgorithmus abhängig wie von den verwendeten Daten.

Das erstellte Verzweigungsdiagramm wird oft in eine Hypothese der evolutionären Abstammung überführt. Diese Hypothese wiederum kann in eine Klassifizierung umgewandelt werden, die die Verzweigungsanordnung der beteiligten Einheiten (= eine Phylogenie) widerspiegelt. Die Berechnung einer phylogenetischen Analyse liefert lediglich eine Visualisierung der Anordnung der analysierten Gegenstände, überlässt die Interpretation dieser Anordnung jedoch dem Forscher.

Der Forschungsgegenstand vieler biologischer Untersuchungen sind der Genfluss und die genetische Differenzierung zwischen geografisch getrennten Populationen sowie ihre genetischen Beziehungen und genetische Unterscheidbarkeit. Der Umfang des Genflusses und der genetischen Differenzierung zwischen Populationen wird üblicherweise mit Methoden gemessen, bei denen variable Genloci im Genom beprobt werden. Andere Forschungsarbeiten widmen sich dem Vergleich genetischer Sequenzen von Exemplaren als Vertreter von Arten oder höheren taxonomischen Kategorien wie der Familie, um ihre Unterscheidbarkeit oder Ähnlichkeit und somit ihre potenzielle Verwandtschaft zu untersuchen.

Forschungstätigkeiten, bei denen genetische Ressourcen einer phylogenetischen Analyse unterzogen werden, können daher auf die Feststellung von Variationen bei der Identität (in der Terminologie von Keimplasmasammlungen oder Genbanken als „Passdaten“ bezeichnet) der Arten innerhalb von und zwischen Populationen ausgerichtet sein und der taxonomischen Bestimmung ähneln. Ebenso kann angestrebt werden, solche Variationen zwischen Arten oder Taxa über dem Artrang wie Gattung, Stamm oder Familie zu ermitteln und die analysierten Einheiten in Gruppen einzuteilen. Beinhalten Tätigkeiten dieser Art keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an den Genen und wird die Funktion der Gene oder DNA-Sequenzen (sofern überhaupt bekannt) nicht untersucht und ist sie auch nicht von Interesse, fallen sie nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Wird allerdings die Funktion der Gene untersucht, ist die EU-ABS-Verordnung anwendbar.

(Sammlungsinhaber) Phylogenetische Analysen ohne Berücksichtigung der Funktion von Genen

Ein Taxonom untersucht in Vorbereitung einer floristischen Betrachtung oder taxonomischen Monografie eine Gruppe von Organismen. Im Zuge der Beschreibung erstellt er eine Phylogenie der betreffenden Taxa und verwendet dafür morphologische Informationen und DNA-Sequenz-Informationen von Exemplaren aus einer Sammlung. Dabei führt er keine weiteren Forschungstätigkeiten an der genetischen Ressource zur Entdeckung spezifischer genetischer Funktionen der analysierten Gene durch.

Die morphologischen und Sequenzinformationen werden nur für die Beschreibung und zur Erkennung von Taxa auf Stamm-, Art- oder höheren Ebenen genutzt. Die Phylogenie dient der Klassifizierung. Dem „Lackmustest“ zufolge (siehe Abschnitt 2.3.3.1 des Leitfadens) stellt dies keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

Wenn der Taxonom bei der phylogenetischen Analyse die Funktion der Gene nutzt, seine Untersuchung also spezifische genetische und/oder biochemische Eigenschaften einschließt, entspricht dies einer Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

(Sammlungsinhaber) Phylogenetische Analysen mit Berücksichtigung der Funktion von Genen

Ein auf eine Gruppe von Giftschlangen spezialisierter Taxonom arbeitet mit einem Proteinforschungslabor zusammen, um den Zusammenhang zwischen Artenverwandtschaften und Ähnlichkeiten giftiger Proteine zu beurteilen und seine gewonnenen Erkenntnisse möglicherweise für eine Behandlung gegen Schlangenbisse mit einem Gegengift zu nutzen. Er erstellt eine Phylogenie der Schlangengruppe und analysiert die Funktion des giftigen Proteins jeder Art und vergleicht sie mit der Phylogenie. Im Rahmen des Projekts wurden die Gifte aus den Schlangen extrahiert.

Die Erstellung der Phylogenie selbst fällt nicht in den Anwendungsbereich, wenn die Eigenschaften des Gifts oder die Genfunktion nicht genutzt werden. Werden die Funktionen des giftigen Proteins oder der Gene jedoch für die phylogenetische Analyse genutzt, ist die Verordnung anwendbar.

Der Vergleich der Gifte stellt, auch wenn er in keinem direkten Zusammenhang mit der Entwicklung eines neuen Gegengifts steht, eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar, da die biochemische Zusammensetzung eines aus einer genetischen Ressource extrahierten Derivats untersucht wird (siehe Abschnitt 2.3.4 des Leitfadens).

6.4.   Identifizierung von Derivaten

In der Biotechnologie können die Strukturen von biochemischen Verbindungen wie Pheromonen oder anderen aus genetischen Ressourcen isolierten aktiven Metaboliten identifiziert werden. Dabei wird normalerweise die Identität und Reinheit dieser Metaboliten mithilfe von Olfaktometern geprüft. Werden die Verbindungen nur identifiziert, kann diese Tätigkeit als vergleichbar mit der taxonomischen Bestimmung eines Organismus angesehen werden, die keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung darstellt. Führen solche analytischen Untersuchungen jedoch zur Entdeckung neuer Verbindungen mit charakteristischen chemischen Eigenschaften, die anschließend weiter untersucht werden, oder sollen bei diesen Untersuchungen Genotypen mit einem besonders hohen Gehalt der Zielverbindung gefunden werden, entspricht dies einer Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung (siehe Abschnitt 2.3.4 des Leitfadens).

6.5.   Large Scale Screening

Bei einem „Large Scale Screening“ wird üblicherweise eine große Anzahl an Proben genetischer Ressourcen im Hinblick auf ein spezifisches Kriterium bewertet. Dies erfolgt oft automatisiert und anhand binärer Fragen (z. B.: Erfüllt diese Probe das Kriterium oder nicht?). Dabei sollen a) die große Mehrheit der Proben aussortiert werden, weil sie für das Forschungsvorhaben nicht von Interesse sind und nicht verwendet werden (also „negativ“ sind), und b) die wenigen Proben identifiziert werden, die zu den Bedingungen des Vorhabens möglicherweise für weitere Forschungstätigkeiten verwendet werden können (und „positiv“ sind).

Diese Art des Screenings, die auf einfachen binären Fragen basiert und anhand identischer Tests an mehreren Proben standardisiert durchgeführt wird, um die meisten Proben auszusortieren, fällt aufgrund dessen, dass keine Nutzung einer genetischen Ressource erfolgt, nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Sie stellt keine „Forschungs- und Entwicklungstätigkeit“ im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar, da in Bezug auf die aussortierten Proben keine zusätzlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse gewonnen werden.

Beschäftigt sich ein Wissenschaftler jedoch ausführlicher mit den genetischen Ressourcen, die mithilfe des binären Verfahrens zwecks weiterer Untersuchungen identifiziert wurden, könnte diese Tätigkeit in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallen. Diese weitere Forschungstätigkeit geht über die Anwendung standardisierter binärer Fragen hinaus und beinhaltet ein individualisierteres Prüfverfahren. Sie dient auch nicht mehr der Aussortierung bestimmter Proben, sondern vielmehr der Identifizierung der Qualitäten und Eigenschaften dieser ausgewählten genetischen Ressourcen. Die ausführlichere Beschäftigung mit einer genetischen Ressource erfordert meist mehr Zeit als ein Screening. Da dabei zusätzliche Erkenntnisse und neue Einblicke in die genetische und/oder biochemische Zusammensetzung dieser genetischen Ressourcen gewonnen werden, entspricht dies einer Nutzung und somit ist die EU-ABS-Verordnung anwendbar. Dieser Schritt der ausführlicheren Beschäftigung eines Wissenschaftlers mit genetischen Ressourcen kann als erster Schritt in einer Forschungs- und Entwicklungskette angesehen werden.

(Nahrungs- und Futtermittelindustrie) Screening

Amylase-Enzyme (in der Backwarenindustrie): Verschiedene Mikroorganismen werden unter Standardbedingungen untersucht, um herauszufinden, welche von ihnen Alpha-Amylasen enthalten; dabei wird nur festgestellt, dass Alpha-Amylase in einigen Mikroorganismen vorkommt, woraufhin die Mikroorganismenproben, die keine Alpha-Amylasen enthalten, von den weiteren Untersuchungen ausgeschlossen werden können. Es werden keine Informationen darüber geliefert, was die Amylasen beim Backvorgang leisten. Eine solche Vorgehensweise, bei der unerwünschte Mikroorganismen vor der Analyse beseitigt werden, wird als Screening bezeichnet und fällt nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

(Nahrungs- und Futtermittelindustrie) Ausführliche Analyse von Amylase-Enzymen

Mikroorganismen, bei denen Alpha-Amylase entdeckt wurde, werden auf ihren Nutzen für Backvorgänge hin untersucht. Dabei kommen die Alpha-Amylase-Kandidaten unter realen Bedingungen in Backvorgängen (in verschiedenen Teigen, zu unterschiedlichen Backbedingungen usw.) zum Einsatz und ihre Stabilität (sowohl bei der Lagerung als auch im Teig) wird untersucht. Bei diesen Tätigkeiten werden die biochemische Zusammensetzung und die Wirkung eines aus einer genetischen Ressource extrahierten Derivats ausführlich untersucht. Sie fallen in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung (bei Erfüllung aller anderen Bedingungen).

(Öffentliche Forschung) Nutzung von eDNA zur Suche nach Zielorganismen

Aus einem Fluss werden Wasserproben entnommen, um anhand von Umwelt-DNA (eDNA) festzustellen, ob dort eine invasive Fischart vorkommt. Die Wasserproben werden mit einem für die invasive Art spezifischen DNA-Marker untersucht, der Aufschluss darüber gibt, ob sich die DNA des Fischs im Wasser befindet oder nicht. Diese Art des Screenings ähnelt der Identifizierung, beinhaltet keine Untersuchung der Eigenschaften von Genen und fällt nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

(Pharmazeutische Industrie) Funktionelle Metagenomik und Antibiotika-Entdeckung

Forscher untersuchten Umwelt-DNA (eDNA) von über 2 000 Bodenproben mit der PCR-Methode und Primern für das Gen eines Enzyms, von dem bekannt ist, dass es an der Biosynthese einer Antibiotikaklasse beteiligt ist. Dieses umfangreiche Screening fällt nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Nach diesem ersten Screening wurden die Proben, in denen das gewünschte Gen gefunden wurde, per Next Generation Sequencing (NGS) analysiert, wobei sich herausstellte, dass verwandte Biosynthese-Gene für Antibiotika vorhanden waren. Die Analyse der Sequenzen ergab eine Klade mit bisher unbekannten Genen, mit Verbindung zu Antibiotikaproduktionssystemen, aus denen neuartige Antibiotika entwickelt wurden. Die Analyse, bei der ein Next Generation Sequencing (NGS) erfolgte und Antibiotika entwickelt wurden, war auf spezifische Organismen ausgerichtet und konzentrierte sich auf deren genetische und/oder biochemische Zusammensetzung und fällt in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

Die Unterscheidung zwischen Screening-Tätigkeiten und ausführlicheren Analysen ist nicht immer eindeutig. Daher wird den Nutzern empfohlen, im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten im Hinblick auf potenzielle Überprüfungen durch die zuständigen Behörden das Ende von Screening-Tätigkeiten und den Beginn etwaiger daran anschließender Forschungstätigkeiten zu erfassen und entsprechende Aufzeichnungen zu führen.

6.6.   Verhaltensstudien

Genetische Ressourcen (wie Insekten, Milben und Nematoden) können untersucht werden, um Erkenntnisse zu gewinnen, inwiefern diese Arten aufgrund ihres Verhaltens als potenzielle Biopestizide infrage kommen. Bei Untersuchungen dieser Art kann auch der Frage nachgegangen werden, unter welchen Bedingungen dieses Verhalten am besten zutage treten könnte.

Diese Tätigkeiten zählen als Forschung und Entwicklung und werden an genetischen Ressourcen durchgeführt. Die Forschung und Entwicklung betrifft jedoch nicht die genetische und/oder biochemische Zusammensetzung dieser genetischen Ressourcen, sondern ihr Verhaltensmuster. Dabei kann das Verhalten nicht direkt von den genetischen und/oder biochemischen Bestandteilen der genetischen Ressource abgeleitet werden, da diese das Ergebnis genetischer und ökologischer Wechselwirkungen sind. Wenn bei der Forschung allerdings der genetische Einfluss auf das Verhalten untersucht wird, fällt diese Tätigkeit in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

7.   GENETISCHE RESSOURCEN ALS INSTRUMENTE (8)

7.1.   Nutzung genetischer Ressourcen als Test- oder Referenzinstrumente

Die Anwendung genetischer Ressourcen als Test- oder Referenzinstrumente stellt keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar und fällt daher nicht in deren Anwendungsbereich (siehe Abschnitt 2.3.3.2 des Leitfadens). Der Grund dafür liegt darin, dass das Material in diesem Stadium selbst nicht Gegenstand der Forschung ist, sondern nur zur Bestätigung oder Überprüfung der gewünschten Eigenschaften anderer Produkte dient, die entwickelt worden sind oder sich in der Entwicklung befinden. Darüber hinaus stellt die Nutzung genetischer Ressourcen als Lockmittel z. B. zur Überwachung von Schädlingen und potenziellen Schädlingen, um herauszufinden, ob Kontrollmaßnahmen erforderlich sind, ebenfalls keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

Beispiele für solche Test-/Referenzinstrumente sind:

Labortiere, an denen die Reaktion auf Medizinprodukte getestet wird;

Krankheitserreger, um die Widerstandsfähigkeit von Pflanzensorten zu testen;

Krankheitserreger, um Biopestizide und Biostimulanzien zu testen;

Ratten in toxikologischen Untersuchungen, um synthetisierte Verbindungen zu testen;

Bakterien, um die Wirksamkeit von Verbindungen zu testen, die Kandidaten für neue Antibiotika gegen diese Bakterien sind.

(Pharmazeutische Industrie) Nutzung von Tieren in Tierversuchsmodellen

In einem EU-Land wird anhand eines Tierversuchsmodells die Wirksamkeit einer chemisch hergestellten Verbindung getestet. Dabei werden Ratten mit einer bestimmten Krebsart verwendet. Sie dienen als Instrumente für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, die jedoch nicht an ihnen selbst durchgeführt werden. Aus diesem Grund stellt die Verwendung der Ratten zur Testung der Verbindung keine Nutzung genetischer Ressourcen im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

(Pharmazeutische Industrie) Nutzung von Forschungsinstrumenten für das Verständnis von Zellprozessen

In der EU wird ein grün bis rot photoschaltbares fluoreszierendes Protein, das von einer Otocorallia-Art abgeleitet wurde, als Instrument genutzt, um die Dynamik eines Kosmetikbestandteils zu verfolgen und selektiv Zelldifferenzierung zu überwachen. Dabei wird das von einer genetischen Ressource abgeleitete Protein als Forschungs- und Entwicklungsinstrument genutzt; die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten werden nicht an der genetischen Ressource durchgeführt und stellen daher keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

(Kosmetikindustrie) Verwendung einer genetischen Ressource als Referenz zur Validierung eines In-vitro-Testmodells für Anti-Aging-Wirkung

Anhand einer kommerziell erhältlichen humanen Proteinase wird ein Test zur Messung der Wirksamkeit eines Kosmetikbestandteils entwickelt. Der Test wird mithilfe eines aus einer genetischen Ressource erlangten Pflanzenextrakts mit bekannter und etablierter Anti-Aging-Wirkung validiert. Die humane Proteinase fällt aufgrund ihres menschlichen Ursprungs nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Die Validierung des Tests wird zwar anhand eines Pflanzenextrakts vorgenommen, doch an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressource selbst wird keinerlei Forschungs- und Entwicklungstätigkeit durchgeführt. Eine Validierung dieser Art stellt keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

(Pharmazeutische Industrie) Nutzung eines Krankheitserregers zur Herstellung von Reagenzien für die Testvalidierung

Es wird Zugang zu einem Influenzavirus erlangt. Dabei werden das Material aus dem Virus selbst und Antikörper gegen das Virus als Referenzmaterialien verwendet, um diagnostische Tests zu validieren oder Untersuchungen für die Qualitätssicherung des Impfstoffs zu standardisieren. Die genetische Ressource (das Virus) wird nur für Validierungszwecke genutzt, die keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung darstellen.

(Pflanzenzucht) Nutzung bestehender Sorten als Referenzen in Evaluierungsstudien

In der Pflanzenzucht wird die Leistung neu entwickelten Zuchtmaterials regelmäßig in Bezug auf bestehende Sorten und andere als Referenzmaterial verwendete genetische Ressourcen untersucht. Diese Nutzung genetischer Ressourcen beinhaltet keine Forschungstätigkeit an den Referenzmaterialien und stellt daher keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

(Biotechnologiebranche) Nutzung von Krankheitserregern zur Überwachung der Wirksamkeit von Pflanzenschutzmitteln

Anhand von Krankheitserregern wird die Resistenz gegenüber Pflanzenschutzmitteln überwacht und zudem deren Virulenz beobachtet — eine gängige Praxis in der Landwirtschaft zur Sicherung der Ernteerträge. Diese Überwachung, die der Überwachung der Wirksamkeit von Pflanzenschutzmitteln dient, beinhaltet keine Forschung und Entwicklung an den Krankheitserregern als genetische Ressource und fällt daher nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

7.2.   Entwicklung von Test- oder Referenzinstrumenten

Obwohl die Anwendung von genetischen Ressourcen als Test-/Referenzinstrumente keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung darstellt (siehe Abschnitt 2.3.3.2 des Leitfadens und Abschnitt 7.1 von Anhang II), können an diesen genetischen Ressourcen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchgeführt worden sein, um sie zu (besseren) Test- oder Referenzinstrumenten zu machen. Als solche würden diese Tätigkeiten in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallen (siehe Abschnitt 2.3.3.2 des Leitfadens).

(Biotechnologiebranche) Entwicklung eines Nachweis-Sets zur Überwachung des Vorhandenseins von transgenem Material in Lebensmitteln

Eine Behörde eines EU-Mitgliedstaats entwickelt ein Nachweis-Set für Stichprobenkontrollen, um zu überwachen, ob Lebensmittel Material transgener Pflanzen enthalten. Das Nachweis-Set enthält pflanzliche Antikörper und Zelllinien. Die Antikörper wurden mithilfe von Antigenen produziert, die aus einer transgenen Pflanze mit einem neuen Protein stammen.

Die genutzten genetischen Ressourcen sind die transgene Pflanze, die Laborzelllinien mit den Transgenen, die das/die charakteristischen Protein(e) aus den transgenen Pflanzen exprimieren, sowie die Zelllinien, die Antikörper gegen diese Proteine produzieren. Derivate sind die Zielproteine und die dagegen gezüchteten Antikörper. Die Entwicklung des Nachweis-Sets umfasst Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an den Zelllinien, den Produkten der Genfunktion, den Antikörpern und allen für deren Herstellung genutzten genetischen Ressourcen und stellt eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

(Kosmetikindustrie) Entwicklung eines neuartigen Testsystems

Ein Forschungsinstitut in der EU entwickelt einen neuen In-vitro-Test (bzw. Zieltest) für einen speziellen kosmetischen Effekt, der auf einer Zelllinie einer Pflanze basiert.

Das Forschungsinstitut untersucht die genetische und/oder biochemische Zusammensetzung der betreffenden Zelllinie. Da hierbei Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der Zelllinie und auch den Produkten der Genfunktion durchgeführt werden, findet eine Nutzung genetischer Ressourcen (d. h. der Zelllinie) im Sinne der EU-ABS-Verordnung statt.

(Tierzucht) Entwicklung von Methoden zwecks Rückverfolgbarkeit

Wenn Methoden entwickelt werden, um die Rückverfolgbarkeit einer genetischen Ressource und ihrer Produkte zu gewährleisten, kann im Zuge dessen auch eine ausführliche Untersuchung des Genoms einzelner Tiere im Hinblick auf bestimmte Eigenschaften erfolgen. Wenn dabei Forschungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressourcen und insbesondere der Genfunktion, die sich in bestimmten Eigenschaften ausdrückt, stattfinden, gilt dies als Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

(Tierzucht) Entwicklung von Diagnoseinstrumenten zum Nachweis der Identität qualitativ hochwertiger Produkte

Es werden Diagnoseinstrumente oder Prüfverfahren entwickelt, um qualitativ hochwertige Produkte bestimmter Rassen (z. B. typischer Erzeugnisse des Ungarischen Steppenrinds, des japanischen Wagyu-Rinds oder des Iberischen Schweins) zu erkennen. Diese gelten der Qualität der Lebensmittel und zeigen das Vorhandensein und die Menge bestimmter Verbindungen (wie mehrfach ungesättigter Fettsäuren im Vergleich zu gesättigten Fettsäuren) an. Wenn bei der Entwicklung dieser Prüfinstrumente Forschungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressourcen und insbesondere der Genfunktion, die sich in bestimmten Eigenschaften ausdrückt, stattfinden, gilt dies als Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung. Weitere Informationen zum Thema Tierzucht: siehe Abschnitt 8.6.

7.3.   Vektor oder Wirt

Vektoren (d. h. Insekten oder Mikroorganismen) können zum Einbringen von Fremdmaterial (wie Krankheitserregern oder Genen) in Wirtsorganismen verwendet werden. Typischerweise wurden Musterexemplare solcher Vektoren entwickelt, die ein solches Einbringen erleichtern, und in vielen Fällen beinhaltet ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm keine anderen Änderungen an dem Vektor als den Einbau des genetischen Materials, das in die Zielpflanze eingebracht werden soll.

In diesen Fällen stellt die Verwendung des Vektors oder Wirts keine Nutzung dieser Wirtsorganismen oder Vektoren im Rahmen der EU-ABS-Verordnung dar. Die Untersuchung des eingeführten genetischen Materials entspricht allerdings einer Nutzung dieser Gensequenzen im Sinne der EU-ABS-Verordnung. Auch die Optimierung der Leistung eines Vektors oder Wirts stellt eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

(Pflanzenzucht) Verwendung von Insekten als Vektoren für die Infektion von Pflanzen im Rahmen von Krankheitsuntersuchungen

In Zuchtprogrammen zur Entwicklung von Resistenzen gegenüber Krankheiten können Vektorinsekten (z. B. Aphidoidea) zum Einsatz kommen, um eine bestimmte Krankheit, an der der Züchter eine Pflanzenselektion (z. B. in Zuchtprogrammen zur Einschleusung von Resistenzen gegen bestimmte Viren und Viroide) durchführen möchte, zu übertragen. Die Nutzung von Vektorinsekten als Vehikel zur Einschleusung von Krankheitserregern zur Untersuchung der Resistenz bei Pflanzen impliziert keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung des Vektorinsekts und stellt daher keine Nutzung dieser Vektoren im Rahmen der EU-ABS-Verordnung dar.

(Biotechnologiebranche) Verwendung von E. coli als Wirt für Bt-Gene

Bei Bt-Genen handelt es sich um bestimmte Gene der Art Bacillus thuringiensis, welche Proteine codieren, die bei bestimmten Insektengruppen toxisch wirken, für andere Organismen jedoch harmlos sind. Sie können als ein Schritt innerhalb eines stufenweisen Aufbaus eines Expressionskonstrukts eines zu verändernden Bt-Gens in E. coli geklont werden, um genetisch veränderte insektenresistente Baumwolle zu entwickeln.

Die Verwendung des Bt-Gens für die Entwicklung eines Genkonstrukts stellt eine Nutzung des Bt-Stamms im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar. Dabei dient der E. coli-Klonwirt nur als Vehikel und die Nutzung des Klonwirts entspricht keiner Nutzung des E. coli-Stamms im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

(Biotechnologiebranche) Optimierung eines Klonvektors

Die aus einem Plasmid bestehende DNA-Sequenz eines Klonvektors wird so optimiert, dass das Expressionsniveau des gewünschten Gens verbessert werden kann. Plasmide sind zum Beispiel in Agrobacterium-Arten enthalten, die DNA in Pflanzenzellen übertragen und Wurzelhalsgallentumore verursachen können. Die Wurzelhalsgallentumore induzierenden Gene der Agrobacterium-Stämme wurden entfernt und durch regulatorische Sequenzen und exprimierte Gene ersetzt, sodass die Stämme zur Einführung nützlicher Gene in zahlreichen landwirtschaftlichen Kulturpflanzen verwendet werden können. Die Optimierung eines Klonvektors stellt eine Nutzung des Agrobacterium-Plasmids im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

7.4.   Biofabrik

Genetische Ressourcen können zur Herstellung von Wirkstoffen genutzt werden, die anschließend extrahiert werden. Die Verwendung einer genetischen Ressource als Biofabrik stellt keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar, da keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der betreffenden genetischen Ressource dabei durchgeführt werden. Wird sie jedoch an Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der betreffenden genetischen Ressource geknüpft, um beispielsweise spezifische genetische und/oder biochemische Funktionen zu entdecken, die die Wirkstoffproduktion optimieren können, findet eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung statt.

(Pharmazeutische Industrie) Nutzung von Tierzellen für die Impfstoffherstellung

Es werden Tierzellen eingeführt, die in einem etablierten Herstellungsverfahren für Virusimpfstoffe verwendet werden sollen.

Solange an den Tierzellen keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchgeführt werden, findet keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung statt.

(Pharmazeutische Industrie) Manipulation von Tierzellen für optimale Virusproduktionseigenschaften

Es werden Tierzellen eingeführt, um ein neues Herstellungsverfahren für Influenzaimpfstoffe zu entwickeln, die anschließend zur Erlangung besserer Wachstumseigenschaften manipuliert werden. Da die Zellen entwickelt werden, um bessere Wachstumseigenschaften zu erzielen, kann hier von einer Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung ausgegangen werden.

7.5.   Laborstämme

Ein Laborstamm ist ein lebender Organismus oder Virus, der aufgrund seiner besonderen und unveränderlichen Eigenschaften einzigartig ist, üblicherweise zu Forschungszwecken verwendet wird und für die Massenproduktion und Weitergabe an Dritte zur Verfügung steht. Er wurde ursprünglich aus der Umwelt isoliert und verändert und/oder ausgewählt, um seine Verwendung unter Laborbedingungen zu optimieren. Laborstämme wurden in Mikroben-, Pflanzen- und Tierarten wie Arabidopsis-Pflanzen, Mäusen und Viren (wie Bakteriophagen) entwickelt. Laborstämme von Mäusen und Ratten, die in biomedizinischen Studien oft verwendet werden, sind homozygot und anfällig für bestimmte Erkrankungen. Sie werden in Laboren erzeugt, um bestimmte Forschungszwecke zu erfüllen: Es werden Linien hergestellt, die den Studien entsprechen, die an ihnen durchgeführt werden sollen. Sie dienen vor allem als Modell für die Forschung.

Stämme biologischen Materials, die in Laboren zum Einsatz kommen, sind unterschiedlicher Herkunft, haben verschiedene Austausch-Vorgeschichten und wurden oft mehrfach von Labor zu Labor weitergegeben. Möglicherweise wurden sie in Versuchen zu unterschiedlichen Zwecken verwendet, und es sind bereits Veröffentlichungen über ihre genauen Eigenschaften erschienen. Laborstämme setzen sich aus diversen Bestandteilen verschiedener genetischer Ressourcen zusammen, was z. B. auf (wiederholtes) Kreuzen im Labor mit mehreren Isolaten oder auf das Einbringen von Genen eines oder mehrerer Spenderisolate zurückzuführen ist. Alternativ können sie auch durch Mutation und Selektion entstanden sein. Allerdings sollten in Ex-situ-Sammlungen gelagerte genetische Ressourcen oder Kulturen nicht allein aufgrund der Tatsache, dass bei ihnen eine Mutation stattgefunden hat, als Laborstämme angesehen werden.

Üblicherweise sind solche Laborstämme in der experimentellen Forschung absichtlich genetisch verändert worden, und zwar mittels zufälliger Mutagenese oder präziserer Molekulartechniken. Mutationen können jedoch auch unabsichtlich während der Subkultivierung, einer längeren Lagerung oder infolge von Konservierungstechniken aufgetreten sein, wobei diese unbeabsichtigten Mutationen anschließend absichtlich in dem Stamm konserviert werden und diesen charakterisieren können.

Daher zeichnet sich ein „Laborstamm“ üblicherweise durch Folgendes aus:

Er ist genetisch definiert (zumindest in Bezug auf die zu untersuchenden Eigenschaften), weist eine geringe oder gar keine genetische Heterozygotie auf, ist oft durch Inzucht erzeugt oder ein Klon. Ältere Laborstämme können jedoch eher durch ihren Phänotyp als ihren Genotyp definiert sein.

Er unterscheidet sich von dem ursprünglichen Stamm oder den Elternmaterialien, die unter In-situ-Bedingungen isoliert oder von einer öffentlichen Kultursammlung bezogen wurden, und weist eine genetische und/oder biochemische Zusammensetzung auf, die absichtlich erzeugt oder konserviert wurde (9).

Darüber hinaus können Laborstämme folgende Eigenschaften besitzen:

Sie werden über mehrere Generationen in einem Laborverzeichnis geführt und ihre Vorfahren und/oder ihr Stammbaum können von der Öffentlichkeit zurückverfolgt werden;

und/oder

sie werden von Laboren/Forschern ausgetauscht.

Laborstämme werden oft in Laboren oder Zuchtbetrieben, die die Reinheit der Linie garantieren und Aufzeichnungen zur Gesundheitsüberwachung führen, gepflegt und von ihnen verkauft. Sie können als SPF (spezifiziert pathogenfrei), SOPF (spezifiziert und opportunistisch pathogenfrei) oder keimfrei zertifiziert werden.

Obwohl es dem Standard entspricht, die Herkunft von Laborstämmen zu dokumentieren, und viele Laborstämme in der wissenschaftlichen Literatur gut dokumentiert sind, kann es mitunter trotzdem sein, dass sich das Herkunftsland der ursprünglichen Stämme, auf denen alte Laborstämme basieren, aufgrund fehlender sachdienlicher Unterlagen nicht ermitteln lässt. Dies erweist sich häufiger bei älteren Stämmen als Problem. Bei manchen Organismen wie Labormäusen haben frühere Kreuzungen vor Beginn der Inzuchtverfahren Stämme entstehen lassen, deren Gene aus mehr als einem Land stammen.

Viele Laborstämme wurden über einen sehr langen Zeitraum in Laboren genutzt. Vor Inkrafttreten des Nagoya-Protokolls erzeugte Laborstämme fallen aus zeitlichen Gründen nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

Die Isolation von genetischem Material aus der Umwelt und seine anschließende Veränderung fällt in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Ein Forscher, der einen Stamm erzeugt (aus dem im Laufe der Zeit ein neuer Laborstamm werden kann), der auf in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallendem Material basiert, ist ein Nutzer im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

Ein neu erzeugter Stamm fällt in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung, solange er nicht öffentlich Dritten zu Forschungs- und Entwicklungszwecken zur Verfügung steht. Bevor der Stamm Dritten öffentlich zur Verfügung gestellt wird, muss der Entwickler des Laborstamms eine Sorgfaltserklärung vorlegen (Ende der Nutzung). Ist der Stamm zu einem neuen Laborstamm geworden und wird er von Laboren/Forschern ausgetauscht, fällt seine weitere Nutzung nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Es müssen jedoch die vertraglichen Vereinbarungen gemäß PIC und MAT in Bezug auf den Vorteilsausgleich, der sich aus der weiteren Nutzung neu entwickelter Laborstämme ergibt, eingehalten werden.

8.   ZUCHT (10)

8.1.   Kreuzung und Selektion

Viele Pflanzen-, Tier- und Mikrobenarten werden in der Forschung und Entwicklung verwendet, um neue Produkte zu entwickeln. Dazu gehören Arten, die in Lebensmitteln, Landwirtschaft und Aquakultur verwendet werden, Zier-Arten und Haustiere sowie Mikroben, die in der Lebensmittelherstellung oder der biologischen Schädlingsbekämpfung zum Einsatz kommen, und mitunter ganze Individuen, deren Teile oder Zelllinien von Pflanzen und Tieren sowie Mikrobenkulturen. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass Kreuzung und Selektion (und auch bei der unbeabsichtigten Mutation) mit Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten entweder an Elternmaterialien oder Nachkommen oder alternativ am Ursprung und an ausgewählten Mikrobenbeständen einhergehen. Wenn in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallende genetische Ressourcen zwecks Kreuzung und Selektion eingesetzt werden, fallen die daraus resultierenden Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung, was Sorgfaltspflichten nach sich zieht.

Diese Pflichten können Tätigkeiten betreffen, die von verschiedenen Akteuren wie privaten Züchtungsunternehmen, öffentlichen Forschungsinstituten, züchtenden Landwirten und Hobbyzüchtern sowie Akteuren, die Insektenpopulationen oder Mikrobenarten verbessern möchten, durchgeführt werden. Landwirte und Züchter handeln oft untereinander mit Zuchtbeständen seltener und traditioneller Tierrassen und Pflanzensorten bzw. tauschen diese meist innerhalb ihres eigenen Landes, aber mitunter auch international aus. Sie können auch Saatgutnetzwerken, Züchtervereinigungen oder Züchternetzwerken (meist auf nationaler Ebene) angehören. Der Austausch von Zuchtmaterial findet größtenteils zwischen Landwirten und/oder Hobbyzüchtern und oft innerhalb des Netzwerks/Verbands statt und trägt zum Erhalt der jeweiligen Rasse oder Sorte bei. Dieser Handel oder Austausch bzw. diese Kreuzung und Selektion zum Zwecke der Erhaltung seltener oder traditioneller Rassen und Sorten fällt nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Werden in diesem Zusammenhang jedoch Kreuzung und Selektion zur Verbesserung oder Veränderung der Eigenschaften etablierter Rassen und Sorten betrieben, entspricht dies einer Nutzung und ist die EU-ABS-Verordnung anwendbar. So wurden beispielsweise seltene Schafrassen verbessert, um sie resistent gegen die Traberkrankheit zu machen.

8.2.   Reproduktionstechniken

Die Entwicklung und Anwendung von Reproduktionstechniken (In-vitro-Fertilisation und Samensexing bei Tieren; Zell-, Gewebe- und Organzüchtung bei Pflanzen) stellt normalerweise keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an den pflanzen- und tiergenetischen Ressourcen dar und fällt daher nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Die Entwicklung von Reproduktionstechniken kann jedoch eine Untersuchung der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung von Pflanzen und Tieren der Zielart erfordern, was einer Nutzung entsprechen und Pflichten im Rahmen der EU-ABS-Verordnung nach sich ziehen kann.

8.3.   Genomeditierung und gezielte Mutation

Dank neuer Techniken werden immer häufiger Genomeditierungen einzelner Nukleotide durchgeführt, bei denen eine oder mehrere spezifische Mutationen vorgenommen werden, um Eigenschaften von Interesse zu verbessern oder genetische Anomalien zu „reparieren“. Solche Genomeditierungen basieren meist auf durch Forschung und Entwicklung gewonnenen Erkenntnissen, einschließlich der Bestimmung von mit einer gewünschten Eigenschaft in Verbindung stehenden DNA-Sequenzen einer genetischen Ressource, die die Grundlage für die Herstellung geeigneter DNA-Konstrukte für die Zwecke der Genomeditierung bilden. Daher gilt die Verbesserung von Pflanzen und Tieren durch Genomeditierung als Forschung und Entwicklung und fällt in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung, da sie auf Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der jeweiligen genetischen Ressource beruht.

Veränderte Organismen können auch mithilfe anderer Techniken, z. B. zum Zweck der Freisetzung von Insekten, die ein dominantes tödliches Gen tragen (RIDL-Technik), oder durch Bestrahlungstechniken erzeugt werden. Dabei können die veränderten Organismen nur männlich oder steril sein oder nicht lebensfähige Nachkommen produzieren. Da sich die genetische Zusammensetzung der genetischen Ressourcen durch die Anwendung dieser Techniken auf die wegen ihrer Funktion ausgewählten Gene ändert, handelt es sich hier um eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

8.4.   Nutzung kommerzieller Pflanzensorten

Als kommerzielle Pflanzensorten werden Pflanzensorten bezeichnet, die (rechtmäßig) auf den Markt gebracht wurden — unabhängig davon, ob sie dort noch erhältlich sind oder nicht.

Für Landwirtschaft und Gartenbau entwickelte Pflanzensorten müssen vor ihrem Inverkehrbringen in der Regel in gemeinsame Sortenkataloge der EU oder in nationale oder regionale Kataloge/Verzeichnisse der Mitgliedstaaten eingetragen werden. Pflanzensorten, die dem Sortenschutz unterliegen oder die allgemein bekannt sind, müssen in diesen Katalogen/Verzeichnissen eindeutig benannt und beschrieben werden.

Bei manchen Sorten wie beispielsweise Zier-Arten ist vor dem Inverkehrbringen keine Eintragung erforderlich. Dennoch müssen die betreffenden Bereitsteller Listen mit den Bezeichnungen und ausführlichen Beschreibungen aller von ihnen auf den Markt gebrachten Pflanzensorten führen. Darin muss beschrieben sein, inwiefern sich eine bestimmte Sorte von den übrigen Sorten, die ihr am ähnlichsten sind, unterscheidet. Unterliegt eine Sorte dem Sortenschutz (siehe unten) oder ist sie allgemein bekannt, bedarf sie keiner zusätzlichen Bezeichnung und ausführlichen Beschreibung, da dies bereits im Rahmen des sortenschutzrechtlichen Eintragungsverfahrens erfolgt ist.

Viele Pflanzensorten unterliegen auch dem Schutz des geistigen Eigentums im Rahmen des gemeinschaftlichen Sortenschutzes oder einer nationalen Sortenschutzregelung, die sich jeweils auf das internationale UPOV-Übereinkommen stützen (einschließlich Zier-Arten). Manche Sorten können auch Eigenschaften besitzen, die patentrechtlich geschützt sind, oder mit entsprechend geschützten Verfahren gezüchtet worden sein (11). Beide Formen des Schutzes geistigen Eigentums (Patent- und Sortenschutz) erfordern eine detaillierte Eintragung der geschützten Pflanzen oder Sorten und ihrer Eigenschaften.

Wenn eine Sorte vor ihrem Marktzugang eingetragen werden muss, werden von den Behörden der Mitgliedstaaten oder unter ihrer Aufsicht amtliche Prüfungen durchgeführt, um zu überprüfen, ob die Eigenschaften der Sorte charakteristisch, einheitlich und stabil sind. Diese Prüfungen sind eine der Bedingungen, die vor der Eintragung erfüllt werden müssen. Dieselbe Prüfung wird auch durchgeführt, wenn eine Sorte dem Schutz des geistigen Eigentums im Rahmen des gemeinschaftlichen oder nationalen Sortenschutzes nach Maßgabe des UPOV-Übereinkommens unterliegt. Bei wichtigen Feldfrüchten müssen weitere Prüfungen im Rahmen der Sortenanbau- und -Sortennutzungsvorschriften durchgeführt werden. Für Agrarlandsorten und andere Sorten, die von Natur aus an die örtlichen und regionalen Gegebenheiten angepasst sind, und für Gemüselandsorten und andere Sorten, die traditionell an besonderen Orten und in besonderen Regionen angebaut werden und an sich ohne Wert für den Anbau zu kommerziellen Zwecken sind, gelten spezielle EU-Richtlinien (Richtlinien 2008/62/EG (12) bzw. 2009/145/EG (13) der Kommission).

Das Inverkehrbringen von kommerziellen Pflanzensorten ist sowohl weltweit als auch in der EU gängige Praxis. (Der EU-Katalog enthält derzeit rund 45 000 Sorten; bei rund 25 000 Sorten besteht gemeinschaftlicher Sortenschutz). Gemäß den geltenden EU-Richtlinien über das Inverkehrbringen (14) kann das Inverkehrbringen eingetragener Sorten nicht beschränkt werden, sofern es das EU-Recht nicht ausdrücklich zulässt.

Unter einer kommerziellen Pflanzensorte versteht man folglich eine Pflanzensorte, die in Verkehr gebracht wurde, für die Identifizierungs- und Beschreibungssysteme existieren und bei der auf mindestens einen der folgenden Aspekte Bezug genommen wird:

a)

Die Sorte ist durch ein Sortenschutzrecht in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates (15) oder nationalen Bestimmungen rechtlich geschützt (16).

b)

Die Sorte wurde in einem nationalen oder gemeinsamen Sortenkatalog für Pflanzen- und Gemüsearten oder in einer Liste oder einem Verzeichnis für forstliches Vermehrungsgut, Obst- oder Weinsorten eingetragen.

c)

Die Sorte wurde in einem anderen öffentlichen oder privaten Verzeichnis gemäß EU-Rechtsvorschriften und/oder internationalen Standards mit offiziell anerkannter Bezeichnung und Beschreibung eingetragen.

Ein Nutzer (Pflanzenzüchter), der eine neue Sorte entwickelt und dabei Material verwendet, das in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fällt (also Material aus einem Land, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und ABS-Vorschriften erlassen hat, zu dem er nach dessen Inkrafttreten Zugang erlangt hat, usw. (17)), muss im Einklang mit Artikel 4 der EU-ABS-Verordnung Sorgfaltspflichten erfüllen. Zudem muss er vor der Eintragung einer Sorte oder deren Inverkehrbringen eine Sorgfaltserklärung nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung vorlegen (18).

Die weitere Nutzung einer kommerziellen Sorte, die in der EU für nachfolgende Zuchtprogramme rechtmäßig in Verkehr gebracht wurde, fällt nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung, da der nachfolgende Züchter eine neue und andere genetische Ressource verwendet, die sich von der ursprünglichen genetischen Ressource (zu der im Rahmen des Nagoya-Protokolls und in Anwendung der EU-ABS-Verordnung Zugang erlangt wurde) unterscheidet. Wenn eine Sorte in einen europäischen Katalog oder einen nationalen Katalog oder in ein Verzeichnis der Mitgliedstaaten eingetragen wird oder mit einer offiziellen oder offiziell anerkannten Bezeichnung und Beschreibung auf einer Sortenliste erscheint, gilt sie als neue Sorte, die sich von bestehenden allgemein bekannten Sorten unterscheidet.

Wird eine neue Sorte durch ein Sortenschutzrecht gemäß dem UPOV-Übereinkommen und die Verordnung (EG) Nr. 2100/94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz geschützt, gilt sie als neue und eigenständige Sorte, die sich von bestehenden kommerziellen Sorten oder allgemein bekannten Sorten unterscheidet. Werden Sorten, die durch ein Sortenschutzrecht gemäß dem UPOV-Übereinkommen geschützt sind, einschließlich Sorten, die durch das UPOV-Übereinkommen auch in einem Drittland ein Sortenschutzrecht erworben haben, in späteren Zuchtprogrammen genutzt, fällt diese Nutzung nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung, da der Züchter, der eine sortenrechtlich geschützte Pflanzensorte nutzt, eine neue und andere genetische Ressource verwendet, die sich von ihren genetischen Eltern, die zur Erzeugung der nach UPOV-Vorschriften geschützten Sorte genutzt wurden, hinreichend unterscheidet (siehe auch Abschnitt 5.2.2 des Leitfadens).

Aus diesem Grund gilt keine Sorgfaltspflicht und muss in Bezug auf die Züchtungstätigkeiten im Zusammenhang mit der Nutzung von Sorten, die in der EU rechtmäßig vermarktet wurden und/oder durch ein Sortenschutzrecht gemäß dem UPOV-Übereinkommen innerhalb und außerhalb der EU geschützt sind, keine Sorgfaltserklärung vorgelegt werden.

Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass für die weitere Nutzung einer kommerziellen Pflanzensorte — je nach den den vom ursprünglichen Nutzer gegenüber dem Bereitstellerland eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen, die auf nachfolgende Nutzer übertragen wurden und einzuhalten sind — Pflichten zur Aufteilung der Vorteile gelten können.

Alle eingetragenen Erhaltungssorten (19) werden gemäß den Bestimmungen der Richtlinien 2009/145/EG und 2008/62/EG der Kommission in die nationalen Sortenkataloge aufgenommen. Entsprechend der Definition einer kommerziellen Pflanzensorte (siehe oben) fällt die Nutzung dieser in die nationalen Kataloge aufgenommenen Sorten für weitere Züchtungstätigkeiten nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

(Pflanzenzucht) Nutzung einer mit einer Kulturpflanze verwandten Wildart, Landrasse oder Landsorte in einem Zuchtprogramm

Ein Pflanzenzüchter bezieht eine mit einer Kulturpflanze verwandte Wildart in situ oder eine Landrasse oder Landsorte (20) vom Feld und nutzt dieses Material in einem Zuchtprogramm, um nützliche Eigenschaften in kommerzielles Zuchtmaterial einzubringen.

Eine Züchtung unter Verwendung von solchem Material (im Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung) gilt als Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung. Daher sind Sorgfaltspflichten einzuhalten. Sobald eine neue Sorte eingetragen oder in den Verkehr gebracht wird, muss der Nutzer eine Sorgfaltserklärung vorlegen.

(Pflanzenzucht) Nutzung einer auf dem EU-Binnenmarkt in Verkehr gebrachten Sorte in einem Zuchtprogramm

Derselbe oder ein anderer Züchter bezieht diese neue auf dem EU-Binnenmarkt in Verkehr gebrachte Sorte, die aus einer mit einer Kulturpflanze verwandten Wildart oder einer Landrasse oder Landsorte vom Feld entwickelt wurde, und nutzt dieses Material in einem weiteren Zuchtprogramm, um nützliche Eigenschaften in anderes kommerzielles Zuchtmaterial einzubringen.

Da der spätere Züchter kein Material im Rahmen der EU-ABS-Verordnung verwendet, gelten keine Sorgfaltspflichten.

8.5.   Nutzung von forstlichem Vermehrungsgut

In der Richtlinie 1999/105/EG des Rates (21) ist der Verkehr mit forstlichem Vermehrungsgut geregelt. Dieser Richtlinie zufolge gehört forstliches Vermehrungsgut von Baumarten (außer im Falle einer Klonierung) keiner Sorte an (wie es bei kommerziellen Pflanzensorten dar Fall ist), sondern gilt als von genehmigtem Ausgangsmaterial gewonnen, das anhand mehrerer Kriterien (wie Ort/Lage, Name, Ursprung, tatsächliche Bestandsgröße, Alter und Entwicklungsstand des Erntebestands, Gesundheit und Widerstandsfähigkeit, Holzqualität) beschrieben wird. Forstliches Vermehrungsgut kann aus Samen (auch als Bestandteil von z. B. Zapfen oder Früchten), vegetativen Pflanzenteilen (Stecklingen, Knospen usw.) oder ganzen Pflanzen einschließlich Sämlingen bestehen.

In Artikel 2 der Richtlinie 1999/105/EG des Rates (22) werden folgende vier Kategorien von forstlichem Vermehrungsgut anerkannt: i) „quellengesichertes“ Vermehrungsgut, das von Ausgangsmaterial stammt, bei dem es sich entweder um eine Samenquelle oder einen Erntebestand innerhalb eines einzigen Herkunftsgebiets handelt und das die Anforderungen des Anhangs II der Richtlinie erfüllt (23); ii) „ausgewähltes“ Vermehrungsgut, das von Ausgangsmaterial stammt, bei dem es sich um einen Erntebestand handelt, der innerhalb eines einzigen Herkunftsgebiets liegt, nach phänotypischen Merkmalen aus dem Bestand auf Populationsebene ausgelesen wurde und die Anforderungen des Anhangs III der Richtlinie (24) erfüllt; iii) „qualifiziertes“ Vermehrungsgut, das von Ausgangsmaterial stammt, bei dem es sich um Samenplantagen, Familieneltern, Klone oder Klonmischungen handelt, deren Komponenten auf Einzelbaumebene nach phänotypischen Merkmalen ausgelesen wurden, und das die Anforderungen des Anhangs IV der Richtlinie (25) erfüllt — eine Prüfung muss nicht unbedingt durchgeführt oder abgeschlossen worden sein; iv) „geprüftes“ Vermehrungsgut, das von Ausgangsmaterial stammt, bei dem es sich um Erntebestände, Samenplantagen, Familieneltern, Klone oder Klonmischungen handelt. Die Überlegenheit des Vermehrungsguts muss durch Vergleichsprüfung oder durch Beurteilung der Überlegenheit des Vermehrungsguts auf der Grundlage einer genetischen Prüfung der Komponenten des Ausgangsmaterials nachgewiesen worden sein. Das Vermehrungsgut muss die Anforderungen des Anhangs V der Richtlinie (26) erfüllen. Die EU veröffentlicht die gemeinschaftliche Liste des zugelassenen Ausgangsmaterials für die Erzeugung von forstlichem Vermehrungsgut. Zur Erzeugung von forstlichem Vermehrungsgut, das in den Verkehr gebracht werden soll, kann nur zugelassenes Ausgangsmaterial verwendet werden.

Es bestehen zwar Ähnlichkeiten zwischen forstlichem Vermehrungsgut und kommerziellen Pflanzensorten, da beide im Rahmen des EU-Besitzstands zu Saatgut definiert werden (z. B. der Ausschluss von Beschränkungen des Inverkehrbringens), aber es gibt auch Unterschiede. In Anbetracht dessen, dass bei dem forstlichen Vermehrungsgut der Kategorie „quellengesichert“ keine Züchtung und/oder Auslese stattfindet und bei der Kategorie „ausgewählt“ nur eine beschränkte Auslese angewandt wird, stellt das in diese beiden Kategorien fallende forstliche Vermehrungsgut nicht automatisch eine neue genetische Ressource dar, die sich wesentlich von der ursprünglichen Population unterscheidet. Die beiden anderen Kategorien von forstlichem Vermehrungsgut, „qualifiziert“ und „geprüft“, können jedoch als neue genetische Ressourcen angesehen werden, da sie sich von den Ressourcen, von denen sie stammen, unterscheiden.

Wenn also neues forstliches Vermehrungsgut der Kategorie „qualifiziert“ oder „geprüft“ entwickelt wird und dabei Vermehrungsgut verwendet wird, das in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fällt (d. h. Vermehrungsgut aus einem Land, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und ABS-Vorschriften erlassen hat, zu dem nach Inkrafttreten der EU-ABS-Verordnung Zugang erlangt wurde, usw.), unterliegt der Nutzer (Züchter) Sorgfaltspflichten gemäß Artikel 4 der EU-ABS-Verordnung und muss vor dem Inverkehrbringen des neu entwickelten forstlichen Vermehrungsguts eine Sorgfaltserklärung nach Artikel 7 Absatz 2 der EU-ABS-Verordnung vorlegen. Die weitere Nutzung von bereits rechtmäßig in der EU in Verkehr gebrachtem forstlichem Vermehrungsgut dieser beiden Kategorien in späteren Züchtungs- und Selektionsprogrammen fällt nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung, da der spätere Züchter eine neue genetische Ressource verwendet, die sich von der ursprünglichen (im Rahmen des Nagoya-Protokolls bezogenen und in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallenden) genetischen Ressource unterscheidet. Folglich gelten keine Sorgfaltspflichten und ist in Bezug auf die Züchtungstätigkeiten im Zusammenhang mit der Nutzung von in der EU rechtmäßig vermarktetem forstlichem Vermehrungsgut der Kategorien „geprüft“ und „qualifiziert“ keine Sorgfaltserklärung erforderlich. Für die weitere Nutzung einer kommerziellen Pflanzensorte können allerdings — je nach den vom ursprünglichen Nutzer gegenüber dem Bereitstellerland eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen, die auf nachfolgende Nutzer übertragen wurden, und einzuhalten sind, — Pflichten zur Aufteilung der Vorteile gelten.

Die Kultivierung, Vermehrung und Vermarktung von forstlichem Vermehrungsgut ist nicht Gegenstand der EU-ABS-Verordnung. Wenn ein Züchter jedoch forstliches Vermehrungsgut der Kategorien „quellengesichert“ oder „ausgewählt“ verwendet und das Vermehrungsgut in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fällt, gelten Sorgfaltspflichten, sofern das Vermehrungsgut für weitere Züchtungstätigkeiten genutzt wird. Das Zertifizierungssystem gemäß der Richtlinie 1999/105/EG ermöglicht eine eindeutige Identifizierung und Bestimmung des Ursprungs von forstlichem Vermehrungsgut, wenn dieses seinen autochthonen oder indigenen Ursprung nicht in dem Land der Nutzung hat. Wenn sich der Ursprung des Vermehrungsguts nicht bestimmen lässt, kann es dennoch genutzt werden, da die EU-ABS-Verordnung dem Nutzer zwar gebietet, bei der Nutzung genetischer Ressourcen Sorgfalt walten zu lassen, eine Nutzung von Material unbekannten oder unbestimmbaren Ursprungs aber nicht untersagt (siehe Abschnitt 3.3. des Leitfadens). Der Nutzer muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die Bestimmungen von Artikel 4 Absatz 5 zu beachten sind, wenn neue Informationen vorliegen, die eine Bestimmung des Bereitstellerlandes ermöglichen.

8.6.   Nutzung von Tieren für Zuchtzwecke

Eine Besonderheit der Nutzung tiergenetischer Ressourcen für Zuchtzwecke besteht darin, dass das Ergebnis der züchterischen Bemühungen zu einem neuen Zuchttier oder einer neuen Tierlinie mit den gewünschten Eigenschaften führt, die anschließend für weitere Züchtungen genutzt werden kann. In dieser Hinsicht ähnelt die Tierzucht der Pflanzenzucht. Es gibt aber auch wesentliche Unterschiede zwischen der Tier- und der Pflanzenzucht. Die Verfahren, die Verwaltung der genetischen Ressourcen, die beteiligten Interessenträger oder Akteure und das Endziel unterscheiden sich stark voneinander. Während das Hauptziel der Pflanzenzucht in der Entwicklung und Vermarktung neuer kommerzieller Sorten besteht, ist das kommerzielle Ergebnis der Tierzucht eine bessere Nachkommenschaft ausgewählter Eltern in Folgegenerationen, die weitere Züchtungen nach sich ziehen kann und üblicherweise auch wird. In der Tierzucht wird der Grundsatz verfolgt, Rassen oder Linien kontinuierlich genetisch zu verbessern. Neue eigene Rassen oder Linien entstehen nur gelegentlich durch Kombination bestimmter Merkmale verschiedener Rassen oder Linien oder durch Einzüchten neuen genetischen Materials. Züchtungsunternehmen und Züchtervereinigungen koordinieren die Bemühungen im Hinblick auf die von Landwirten, Endnutzern, Verbrauchern und der Gesellschaft im Allgemeinen gewünschten Züchtungsziele. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Liste der Länder, aus denen tierisches Material oder Vermehrungsgut eingeführt werden darf, aufgrund veterinärrechtlicher Maßnahmen in der EU begrenzt ist, da nur wenige Länder die veterinärrechtlichen Normen der EU erfüllen können (27).

Die Verordnung (EU) 2016/1012 des Europäischen Parlaments und des Rates (28) ist der Rechtsrahmen für die Zucht, den Handel und die Verbringung in die Union von reinrassigen Zuchttieren (der Arten Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und Pferde) sowie deren Zuchtmaterial. Sie bietet auch einen angepassten Rechtsrahmen für Hybridzuchtschweine und deren Zuchtmaterial, die von privaten Unternehmen in geschlossenen Produktionssystemen erzeugt werden. Nach dieser Verordnung sind die Züchter nicht verpflichtet, an einem Zuchtprogramm teilzunehmen, das von einem amtlich anerkannten EU-Zuchtverband oder -unternehmen geleitet wird, sie haben aber die Möglichkeit dazu. Obwohl es für andere Tierarten keinen solchen Regelungsrahmen gibt, gilt der vorliegende Leitfaden auch für die Nutzung dieser anderen Arten einschließlich als Haustiere gehaltener und für die Aquakultur verwendeter Arten.

Es sind verschiedene Szenarien vorstellbar, wenn in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallende genetische Ressourcen (d. h. aus einer Vertragspartei des Nagoya-Protokolls, die Zugangsvorschriften festgelegt hat, usw.) in ein EU-Land eingeführt und dort von einem Züchter genutzt werden.

1.

Nach der Verordnung (EU) 2016/1012 wird das reinrassige Zuchttier in ein Zuchtbuch (29) eines in der EU amtlich anerkannten Zuchtverbands eingetragen. Wenn die Anpaarung (30) (unter Verwendung eines Tiers oder seines Vermehrungsguts) auf eine Verbesserung der Rasse durch Selektion erwünschter Merkmale abzielt und somit eine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der Eltern und der Nachkommen durchgeführt wird, ist die Verpaarung zwischen einer neu bezogenen genetischen Ressource (lebende Tiere oder Vermehrungsgut in Form von Samen oder Embryos), die in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fällt, und einem Tier aus dem eigenen Zuchtbestand als Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung anzusehen. Wenn das Produkt (Nachkomme) dieser Anpaarung in einem Zuchtbuch einer in der EU amtlich anerkannten Züchtervereinigung als neue Linie oder Rasse eingetragen wird, fällt die spätere Nutzung dieses Produkts für Zuchtzwecke nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Bei der Eintragung in das Zuchtbuch ist eine Sorgfaltserklärung vorzulegen.

2.

Das Zuchttier oder sein Vermehrungsgut wird von einem kommerziellen Zuchtunternehmen oder einer Züchtervereinigung mit eigenem Zuchtprogramm, bei dem z. B. Hybridzuchtschweine, Geflügel und Fisch gezüchtet werden sollen, in ein EU-Land eingeführt. Ein solches Zuchtunternehmen verkauft üblicherweise nur verbesserte Hybridprodukte auf dem Markt. Nach der Einführung von Zuchtmaterial aus einem Bereitstellerland benötigt es möglicherweise viele Generationen (eigens) auserlesener Basislinien, bevor ein Handelsprodukt aus dem ursprünglich eingeführten Zuchtmaterial in den Verkehr gebracht werden kann. Zielt die Anpaarung auf eine Verbesserung der Rasse durch Selektion erwünschter Merkmale ab und beinhaltet sie daher Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischem Zusammensetzung der Eltern und der Nachkommen, ist auf das bei dieser internen Züchtung vorgenommene Einbringen einer unter die EU-ABS-Verordnung fallenden neu bezogenen genetischen Ressource die EU-ABS-Verordnung anwendbar. Die Vermarktung des Handelsprodukts kann — je nach Vereinbarungen in den MAT — dem Vorteilsausgleich unterliegen. Darüber hinaus muss das Unternehmen vor dem Inverkehrbringen des neu entwickelten Produkts eine Sorgfaltserklärung vorlegen. Sobald das Handelsprodukt auf dem Markt erhältlich ist, gilt es als neue genetische Ressource und weitere Züchtungstätigkeiten an ihm fallen nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

Das Eigentum an im Zuchtprogramm geführten genetischen Ressourcen kann auch an eine andere juristische Person übertragen werden, bevor ein Handelsprodukt in Verkehr gebracht wird. Ist das übertragene Produkt ohne weitere Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten des Empfängers marktreif, muss die übertragende Partei eine Sorgfaltserklärung vorlegen (da sie als Nutzer im Sinne der Verordnung gilt). Handelt es sich bei dem übertragenen Produkt jedoch um ein Zwischenerzeugnis und führt der neue Eigentümer das Zuchtprogramm fort oder nutzt das Zwischenerzeugnis in einem anderen Zuchtprogramm, gilt er als Nutzer im Sinne der EU-ABS-Verordnung und muss als einziger mit gebotener Sorgfalt walten und auch eine Sorgfaltserklärung abgeben, wenn er ein Endprodukt auf den Markt bringt. Darüber hinaus muss der neue Eigentümer auch sämtliche mit der Nutzung der übertragenen genetischen Ressourcen verbundenen Pflichten zur Aufteilung der Vorteile einhalten.

3.

Das Zuchttier (Tier oder Haustier) oder sein Vermehrungsgut wird von einem einzelnen Züchter eingeführt, der nicht unter die Verordnung (EU) 2016/1012 fällt. Wenn die Anpaarung und die damit verbundenen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der Eltern und Nachkommen auf die Verbesserung einer Rasse durch Selektion erwünschter Eigenschaften abzielen, fällt die Verpaarung zwischen einer unter die EU-ABS-Verordnung fallenden neu bezogenen genetischen Ressource und einem Tier aus dem Zuchtbestand der EU in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Nachkommen des Zuchtmaterials, das von dem betreffenden Züchter eingeführt wurde, können für weitere Züchtungen verwendet und/oder an andere Züchter verkauft werden. Das verkaufte Produkt gilt als neue genetische Ressource und seine weitere Nutzung für Zuchtzwecke fällt nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung. Der Züchter, der das Produkt erzeugt hat, muss eine Sorgfaltserklärung abgeben.

Bei allen genannten Szenarien wird der (potenzielle) Wert der an nachfolgende Züchter verkauften Nachkommen in den vom nachfolgenden Nutzer gezahlten Handelspreis eingerechnet und es können potenzielle Vereinbarungen zur Aufteilung der Vorteile (gemäß MAT) in den Marktpreis der Nachkommen eingerechnet werden.

9.   PRODUKTENTWICKLUNG, VERARBEITUNG UND PRODUKTFORMULIERUNG (31)

9.1.   Produktentwicklung

Wenn im Rahmen einer Produktentwicklung Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen durchgeführt werden, handelt es sich um eine Nutzung und die EU-ABS-Verordnung ist anwendbar.

(Pharmazeutische Industrie) Erzeugung eines künstlichen Genclusters

Aus einem Bereitstellerland wird eine Bodenprobe eingeführt. Das einführende Unternehmen nimmt eine direkte Vervielfältigung bakterieller DNA unbekannter Identität aus dem Boden vor und verwendet diese für die Erzeugung künstlicher Gencluster/-operone. Es werden transgene Mikroorganismen erzeugt, die das künstlich konstruierte Gencluster exprimieren. Anschließend werden die durch die genetisch veränderten Mikroorganismen erzeugten Metaboliten analysiert und auf neue Verbindungen untersucht, die in der als Wirt dienenden Wildtypvariante des transgenen Organismus nicht vorkommen. Danach werden die neuen Verbindungen auf spezifische biologische Aktivitäten untersucht. Im Laufe des Forschungs- und Entwicklungsprozesses werden die funktionalen Erbeinheiten der in der Bodenprobe vorhandenen Organismen genutzt, um Produkte der Genexpression zu liefern, an denen weitere Untersuchungen stattfinden, auch wenn diese Organismen nicht bestimmt werden. Aus diesem Grund stellen die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

(Pharmazeutische Industrie) Entwicklung chimärer Antikörper

Ein isolierter chimärer Antikörper mit humanen Sequenzen der komplementaritätsbestimmenden Region in einem tierischen Antikörpergen wird einer Funktionsbestimmung unterzogen und weiter verändert (z. B. durch Affinitätsreifung; Humanisierung von Rahmensequenzen). Die Antikörpersequenz wurde direkt bei einem Tier entnommen und nicht mithilfe einer DNA-Sequenz aus einer öffentlichen Datenbank de novo synthetisiert. Die eingebrachten Änderungen in der Aminosäuresequenz des chimären Antikörpers können dessen Wirkung verstärken und unerwünschte Nebenwirkungen mindern.

Es werden Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an den nicht-humanen Sequenzen des Antikörpers durchgeführt (der als Derivat einer Antikörper produzierenden Zelllinie gilt), bei denen die Funktion dieser Sequenzen im Mittelpunkt steht (Austausch nicht-humaner durch humane Sequenzen zur Erhöhung der Wirkung des Antikörpers bei einem menschlichen Patienten), weshalb hier eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung stattfindet.

(Pharmazeutische Industrie) Entwicklung eines Produktionssystems für Wirtszellen

Ein von einem Bereitstellerland bezogenes Wirtszellensystem wird verändert, um eine spezifische rekombinante Expression eines bestimmten Zielproteins herbeizuführen, um beispielsweise ein bestimmtes Glykosylierungsmuster zu erzeugen. Möglicherweise eignet sich das Wirtszellensystem nicht für die Expression anderer Proteine. Das Wirtszellensystem selbst ist Gegenstand von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zur Herbeiführung der Expression des Zielproteins, d. h. des Produkts der Genfunktion. Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten stellen eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

(Nahrungs- und Futtermittelindustrie) Verbesserung von Produkteigenschaften

Ein Unternehmen bezieht einen Pilzstamm, der für seine Phospholipase-Aktivität bekannt ist. Bei entsprechenden Anwendungstests stellt sich jedoch heraus, dass die Phospholipasen nicht hinreichend temperaturbeständig sind. Aus diesem Grund wird der Stamm gentechnisch verändert, um temperaturbeständigere Phospholipasen zu erzeugen. Anschließend wird ein rekombinanter Produktionsstamm für die kommerzielle Produktion erzeugt. Die Konstruktion rekombinanter Produktionsstämme zwecks Erzielung temperaturbeständigerer Phospholipase-Varianten stellt eine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung des Pilzstamms dar. Aus diesem Grund handelt es sich hierbei um eine Nutzung der genetischen Ressource im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

(Nahrungs- und Futtermittelindustrie) Analyse und Nutzung der Nebeneffekte von Produktionsstämmen

Auf klassischen Wildtyparten von Pilzen basierende Produktionsstämme für industrielle Enzyme beinhalten aufgrund der Funktionsexpression ihrer Gene neben der wichtigsten Enzymaktivität üblicherweise variable und oft vielfältige enzymatische Nebenaktivitäten. Die Produkte dieser Nebenaktivitäten treten meist auch im Endprodukt auf, da kommerzielle Lebensmittelenzyme üblicherweise nur teilweise gereinigt werden. In Abhängigkeit von dem Lebensmittelherstellungsverfahren, bei dem ein solches Enzym verwendet wird, kann eine bestimmte Nebenaktivität auch synergistische Vorteile mit sich bringen. Ein Unternehmen hat ein Herstellungsverfahren für eine Pilzamylase für Backvorgänge mit Pilz A entwickelt. Zu einem späteren Zeitpunkt bezieht es einen eng verwandten Pilz B. Das Unternehmen analysiert, welche Nebenaktivitäten von Pilz B in Backvorgängen einen Mehrwert schaffen. Es nutzt diese Erkenntnisse, um den Prozess so zu optimieren, dass diese Nebenaktivitäten sich verstärken.

Analysen maßgeblicher Nebenaktivitäten dieses Pilzes B stellen in Kombination mit ihrer Nutzung zur Optimierung des Herstellungsverfahrens eine Nutzung von Pilz B im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar, da es sich dabei um Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressourcen handelt.

(Kosmetikindustrie) Verbesserte Kosmetikbestandteile

Aus einschlägiger Literatur ist bekannt, dass Heidelbeeren viel Vitamin A, C und E enthalten. Ein Zulieferer von Kosmetikbestandteilen möchte eine Heidelbeersorte mit einem signifikant höheren Gehalt an Vitamin A, C und E finden. Es ist nicht bekannt, wo solche Heidelbeeren erhältlich sind und wie sich der Vitamingehalt der verschiedenen Heidelbeersorten unterscheidet. Der Zulieferer bezieht Proben von wilden und Kulturheidelbeeren aus verschiedenen Ländern, erforscht die biochemische Zusammensetzung sämtlicher Proben und analysiert die Anteile der gewünschten Vitamine, um die beste Quelle auszuwählen. Seine Forschungstätigkeiten vermitteln Einblicke in die Eigenschaften der genetischen Ressource, die für die weitere Produktentwicklung des verbesserten Kosmetikbestandteils von Nutzen sind.

Heidelbeeren sind pflanzengenetische Ressourcen. Da ihre biochemische Zusammensetzung untersucht wird, um Einblicke in die Eigenschaften der genetischen Ressource zu erhalten, um bessere Kosmetikbestandteile zu entwickeln, findet hier eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung statt.

(Kosmetikindustrie) Gewinnung neuartiger ätherischer Öle zum Finden neuer Duftinhaltsstoffe

Ein Duftstoffunternehmen führt ganze Pflanzen, Pflanzenteile oder deren Saatgut ein. Durch Extraktion mithilfe von Lösungsmitteln werden erstmals neue ätherische Öle produziert, um nach bestimmten neuen Duftinhaltsstoffen zu suchen. Anschließend werden die flüchtigen Verbindungen gereinigt und bestimmt.

Die Extraktion und Reinigung neuer ätherischer Öle bzw. neuer flüchtiger Verbindungen aus einer genetischen Ressource und die Beurteilung ihrer potenziellen Eignung als neue Duftinhaltsstoffe liefern Einblicke in die Eigenschaften der genetischen Ressource, die für die weitere Produktentwicklung von Nutzen sind. Dies stellt eine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der biochemischen Zusammensetzung der pflanzengenetischen Ressource dar. Daher handelt es sich hierbei um eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

(Pharmazeutische Industrie) Verwendung von isolierten Verbindungen aus einer genetischen Ressource als Arzneimittelkandidaten

Ein in einem Bereitstellerland aus einer Bodenprobe isolierter Mikroorganismus wird von einem Pharmaunternehmen in die EU eingeführt. Anschließend findet eine Analyse seiner genetischen und biochemischen Zusammensetzung statt. Es werden Verbindungen aus dem Mikroorganismus isoliert und in weiteren Tests verwendet, um Kandidaten für die Entwicklung neuer Arzneimittel zur Behandlung von Parkinson zu ermitteln. Die isolierten Verbindungen werden als Derivate angesehen. Die Auswahl der Entwicklungskandidaten aus den Derivate darstellenden isolierten mikrobiellen Verbindungen durch Prüfung ihrer biochemischen Aktivität bei der Behandlung von Parkinson (wobei Kontinuität mit den genetischen Ressourcen gewährleistet ist) stellt eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar (siehe Abschnitt 2.3.4 des Leitfadens).

(Kosmetikindustrie) Untersuchung einer zusammen mit traditionellem Wissen bezogenen Ginsengsorte

Ein Kosmetikhersteller bezieht eine neue Sorte einer Ginsengpflanze von einem Land, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und über nationale Rechtsvorschriften zur Regelung des Zugangs zu genetischen Ressourcen und dem sich auf genetische Ressourcen beziehenden traditionellen Wissen verfügt. Der Hersteller untersucht die antioxidative Wirkung dieser Sorte. Hinweise auf die antioxidativen Eigenschaften der neuen Ginsengsorte stammen von dem traditionellen Wissen der Bewohner des Dorfes, in dem die Ginsengsorte gesammelt wurde. Die antioxidativen Eigenschaften wurden in den geltenden MAT für die Nutzung der neuen Ginsengsorte beschrieben.

Die Untersuchung der antioxidativen Eigenschaften der neuen Ginsengsorte stellt eine Forschungstätigkeit an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressourcen und somit eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar. Da sich das traditionelle Wissen auf die Nutzung der bezogenen Ginsengsorte bezieht und Gegenstand der MAT ist, fällt auch die Nutzung dieses traditionellen Wissens in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

9.2.   Verarbeitung

Die Verarbeitung von genetischen Ressourcen zu ihrer späteren Einarbeitung in ein Produkt oder zur Einarbeitung von in diesen genetischen Ressourcen enthaltenen Verbindungen in ein Produkt stellt in Fällen, bei denen die Eigenschaften der genetischen Ressource und/oder ihrer Verbindungen bereits bekannt oder nicht relevant sind, keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar (siehe Abschnitt 2.3.3.2 des Leitfadens). Beispiele dafür sind die Verarbeitung von Tomaten zur Herstellung eines Pürees oder Safts, die Verarbeitung von Aloe Vera, Kariténüssen oder Sheabutter und ätherischen Rosenölen zur Einarbeitung in Kosmetika und die Extraktion von Organismen zur Gewinnung von Substanzen für Biopestizide. Die Extrakte und/oder gereinigten biochemischen Verbindungen dürfen von Dritten vermarktet und/oder weiterverarbeitet werden. Werden jedoch die Eigenschaften der genetischen Ressource und/oder ihrer Verbindungen untersucht, handelt es sich um eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

(Biotechnologiebranche) Verarbeitung von Rohstoffen zur späteren Einarbeitung in ein Produkt

Unternehmen A erwirbt von Unternehmen B eine Protease, um sie in einem Waschpulver zu verwenden. Unternehmen B hat das Enzym auf der Grundlage eines Gens erzeugt, das von einem Mikroorganismus stammt. Unternehmen B hat vom Ursprungsland eine PIC erlangt und mit ihm MAT ausgehandelt und beim Inverkehrbringen des Enzyms auf dem EU-Binnenmarkt für alle Arten der Reinigung und sämtliche Nutzungen in Reinigungsmitteln eine Sorgfaltserklärung abgegeben. Vor der Verwendung im Waschpulver muss Unternehmen A weitere Tätigkeiten durchführen, um die optimalen Bedingungen für die Stabilität und Leistung der Protease in dem betreffenden Waschpulver zu ermitteln. Werden dadurch weitere Erkenntnisse in Bezug auf die Eigenschaften der Protease gewonnen, handelt es sich um eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

(Nahrungs- und Futtermittelindustrie) Entwicklung von „Reaktionsaromen“

„Reaktionsaromen“ entstehen üblicherweise durch Erhitzen eines reduzierenden Zuckers (wie Glukose oder Xylose) mit Aminosäuren (oder deren Quellen wie Hefeextrakten, Proteinhydrolysaten usw.) zusammen mit weiteren Rohstoffen wie Fetten (z. B. Hühnerfett), Tafelsalz und Wasser. Das sensorische Profil wird entsprechend der beabsichtigten Anwendung in einem schrittweisen Prozess durch Änderung der Reaktionsparameter (innerhalb des üblichen Rahmens, wie z. B. eine Änderung der Temperatur, Dauer, Konzentration der einzelnen Rohstoffe und des Moments der Zugabe) und eine anschließende sensorische Prüfung optimiert. Hierbei handelt es sich um eine Verarbeitung. Die Eigenschaften der biochemischen Verbindung sind bereits bekannt. Hier wird keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressource durchgeführt und somit findet keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung statt.

(Biopestizide und Biostimulanzien) Herstellung von Fermentationsbrühe zur Verwendung in Biopestiziden oder als Biostimulanzien

Mikrobielle Biopestizide oder Biostimulanzien werden oft in einer Flüssigkultur erzeugt/vermehrt. In vielen Fällen werden die eigentlichen Mikroben nicht verwendet. Stattdessen werden sie oft sterilisiert und die entstehende Fermentationsbrühe wird verwendet. Hierbei handelt es sich um eine Nutzung bestehender Forschungsergebnisse und nicht um eine neue Forschungstätigkeit an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressourcen, weshalb keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung erfolgt.

(Nahrungs- und Futtermittelindustrie) Anwendung eines Standardherstellungsverfahrens bei einem Milchsäurebakterium

Auf Milchsäurebakterien basierende Starterkulturen sind Inhaltsstoffe, die zur Herstellung von fermentierten Endprodukten verwendet werden.

Das Herstellungsverfahren einer Starterkultur (oder eines Probiotikums) besteht üblicherweise aus folgenden Schritten:

einer Vermehrung, bei der ein Milchsäurebakterium in ein geeignetes Wachstumsmedium eingebracht und vermehrt wird, um die Biomasse zu bilden;

einer Konzentration, die generell durch Zentrifugierung oder Trennung erfolgt (z. B. in einer Ultrafiltrationsanlage);

einer Konservierung, die meist in Form von Tiefgefrieren oder Gefriertrocknung stattfindet, und

einer Mischung/Verpackung (bei der dem kommerziellen Endprodukt üblicherweise mehr als ein Stamm zugefügt wird).

Ein Unternehmen, das der Milchwirtschaft Starterkulturen liefert, bezieht aus einer Sammlung einen neuen Streptococcus thermophilus-Stamm und verwendet für die Herstellung einer Starterkultur ein bereits bestehendes industrielles Prozessrezept mit dem bezogenen S. thermophils-Stamm, das keinerlei Anpassung erfordert. Hierbei findet keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressource statt. Daher handelt es sich bei dieser Entwicklung nicht um eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

9.3.   Produktformulierung

Die Formulierung eines Produkts durch Mischen von Inhaltsstoffen oder Zugabe von Verbindungen ohne Forschungstätigkeit an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressourcen stellt keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar. Beispiele dafür sind die Formulierung einer neuen Aromazusammensetzung als Inhaltsstoff von Lebensmitteln und Getränken durch die Neukombination und physische Verarbeitung von Inhaltsstoffen mit bekannten sensorischen, geschmacklichen und anderen funktionalen Eigenschaften und die Zugabe von Hilfsstoffen, Futterzusätzen oder Konservierungsmitteln zum Wirkstoff eines Biopestizids oder Biostimulans, um optimale Produktqualität, Handhabbarkeit und/oder Haltbarkeit zu gewährleisten.

Wird jedoch eine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressourcen oder der Verbindungen in diesen genetischen Ressourcen durchgeführt, findet eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung statt.

(Biotechnologiebranche) Produktformulierung zur Optimierung der Produktleistung

Unternehmen A erwirbt von Unternehmen B eine Protease, um sie in einem Waschpulver zu verwenden. Unternehmen B hat das Enzym auf der Grundlage eines Gens erzeugt, das von einem Mikroorganismus stammt. Unternehmen B hat vom Ursprungsland ein PIC erlangt und mit ihm MAT ausgehandelt und beim Inverkehrbringen des Enzyms auf dem EU-Binnenmarkt für alle Arten der Reinigung und sämtliche Nutzungen in Reinigungsmitteln eine Sorgfaltserklärung abgegeben. Vor der Verwendung im Waschpulver muss Unternehmen A weitere Formulierungstätigkeiten durchführen, um durch Änderung der Anteile der Inhaltsstoffe (einschließlich der Protease) die optimalen Bedingungen für die Stabilität und Leistung des Waschpulvers zu ermitteln. Da bei dieser Formulierungstätigkeit keine Forschung und Entwicklung an der biochemischen Zusammensetzung der Protease stattfindet, handelt es sich hierbei nicht um eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

(Nahrungs- und Futtermittelindustrie) Entwicklung neuer Produktformen

In der EU werden Enzyme, die als Verarbeitungshilfsstoffe oder Futterzusätze zugelassen sind, üblicherweise als Präparate mit einer garantierten Mindestenzymaktivität pro Gramm des formulierten Produkts vermarktet. Eine klassische Maßnahme für das Lebenszyklusmanagement eines Enzympräparats der Lebensmittelverarbeitung besteht darin, dass ein stärker konzentriertes Produkt hergestellt wird, indem z. B. Wasser entfernt wird, damit eine im Vergleich zum Ausgangsprodukt höhere Mindestenzymaktivität pro Gramm des formulierten Produkts garantiert wird, ohne die Produktzusammensetzung zu ändern. Die Erhöhung der Enzymkonzentration im Endprodukt beinhaltet keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressource, die unverändert bleibt und nicht untersucht wird. Eine solche Entwicklung eines neuen Produkts stellt keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

(Kosmetikindustrie) Herstellung eines Formulierungsprototyps

Ginseng ist für seine kosmetischen Eigenschaften wie beispielsweise seine antioxidative Wirkung bekannt. Ein Hersteller kosmetischer Fertigerzeugnisse bezieht eine allseits bekannte Sorte einer Ginsengpflanze und bestätigt deren antioxidative Wirkung in verschiedenen Prototypformulierungen zur Ausarbeitung einer neuen Formulierung für ein kosmetisches Fertigerzeugnis.

Die Eigenschaften der Ginsengsorte sind bereits durch öffentliche Berichte und wissenschaftliche Veröffentlichungen allseits bekannt. Die Neukombination von Inhaltsstoffen mit bekannten Eigenschaften stellt keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressource und somit keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar.

(Kosmetikindustrie) Formulierung eines Produkts mit einer neuen Ginsengsorte

Eine bisher nicht untersuchte Ginsengsorte wird eingeführt, um ein neues Kosmetikprodukt zu entwickeln. Obwohl die Eigenschaften von Ginsengarten allgemein bekannt sind, ist die chemische Zusammensetzung des benötigten Wirkstoffs in dieser neuen Sorte nicht bekannt, weshalb sie analysiert und getestet wird, um herauszufinden, ob sie ebenso wirksam ist wie andere Ginsengsorten, und wie sie ggf. mit anderen Inhaltsstoffen kombiniert werden sollte, um ein geeignetes Kosmetikprodukt herzustellen. Die Formulierung des Produkts umfasst Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressource, mit denen Einblicke in deren Eigenschaften für die Produktentwicklung erlangt werden sollen und die daher eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung darstellen.

10.   PRODUKTPRÜFUNG (32)

10.1.   Produktprüfung (einschließlich obligatorischer Prüfungen)

Viele, wenn nicht gar alle Produkte, die unter Nutzung genetischer Ressourcen entwickelt werden und in Verkehr gebracht werden sollen, werden in Bezug auf ihre Identität, Reinheit, Qualität, Wirksamkeit oder Sicherheit verschiedenen Prüfungen unterzogen, um festzustellen, ob sie den erwarteten Produktnormen oder Marktstandards entsprechen. In allen Phasen des Forschungs- und Entwicklungsprozesses und in allen Branchen, die genetische Ressourcen verwenden, werden Produktprüfungen durchgeführt.

Produktprüfungen können als wesentlicher Aspekt der Erforschung und Entwicklung eines Handelsprodukts angesehen werden. Neue Produkte werden in all ihren Entwicklungsphasen geprüft. So wird z. B. überprüft, ob ein Wirkstoff gereinigt wurde oder bestimmte Produkteigenschaften erhalten, verstärkt oder verbessert wurden. Die Prüfung kann die Leistung der genetischen Ressource(n) oder ihrer an der Produktentwicklung beteiligten Derivate oder alternativ anderer wesentlicher Inhaltsstoffe oder Bestandteile eines neuen Produkts betreffen. Prüfungen dieser Art bilden einen wesentlichen Teil des Forschungs- und Entwicklungsprozesses und stellen daher eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar (wenn dabei eine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung einer bzw. mehrerer genetischer Ressourcen durchgeführt wird). Diese Prüfungen beinhalten jedoch noch keine Prüfung des Endprodukts.

Bei etlichen Produktkategorien können per Gesetz Prüfungen vorgeschrieben sein, die meist am Endprodukt durchgeführt werden, das das Ergebnis der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten darstellt. Dabei können Prüfungen stattfinden, bei denen bekannte Sachverhalte der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressource als Benchmark verwendet werden, anhand derer die Leistung des Produkts geprüft wird. Solche Prüfungen am Endprodukt ziehen üblicherweise keine weiteren Entwicklungen oder Änderungen der Zusammensetzung oder Eigenschaften des Produkts nach sich und stellen daher keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar. Führen die Ergebnisse einer obligatorischen Prüfung jedoch zu einer weiteren Entwicklung oder Änderung der im Endprodukt enthaltenen genetischen Ressource vor dem Inverkehrbringen oder wurden bei der Produktprüfung des neuen Produkts neue Erkenntnisse gewonnen und trägt diese Prüfung zur weiteren Forschung und Entwicklung der genetischen und biochemischen Zusammensetzung der im Endprodukt enthaltenen genetischen Ressource bei, liegt eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung vor.

Während es in manchen Branchen (wie der Pflanzen- und Tierzucht) nur selten vorkommt, dass nach obligatorischen Endprüfungen weitere Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchgeführt werden, ist eine frühzeitige Prüfung von zu entwickelnden Produkten in anderen Branchen (wie der Pharmaindustrie) aus gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheits- und Wirksamkeitsanforderungen sehr weitverbreitet.

Es können auch bestimmte Chargen von Handelswaren geprüft werden (z. B. Chargen von Arzneimitteln oder Pflanzensaatgut), um herauszufinden, ob die einzelnen Chargen bestimmte Produktnormen erfüllen. Bestätigungstests einzelner Produktchargen zur Überprüfung der Einhaltung von Produktnormen stellen keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung dar, da bei ihnen keine Forschung und Entwicklung an der genetischen oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressource stattfindet und keine zusätzlichen Einblicke in die Eigenschaften der für die Produktentwicklung verwendeten genetischen Ressource geliefert werden. Werden die Ergebnisse der Produktprüfung jedoch verwendet, um das Produkt oder sein Herstellungsverfahren durch Forschung und Entwicklung an der genetischen Ressource zu ändern, tragen diese Prüfungen zur weiteren Erforschung und Entwicklung des Produkts bei und fallen somit in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

(Nahrungs- und Futtermittelindustrie) Entdeckung und Korrektur von unerwünschten Noten

Es wird eine Aromaformulierung getestet. Wird dabei eine unerwünschte Note (ein unangenehmer Geschmack) festgestellt, kann dies dazu führen, dass i) die Spezifikationen des Rohmaterials neu definiert werden, der Produktentwicklungsprozess aber nicht geändert wird, weshalb die Nutzung der Ergebnisse nicht in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fallen würde, oder dass ii) der Produktentwicklungsprozess geändert wird, weshalb die Analyse zu den Eigenschaften des neuen und geänderten Produkts beitragen würde und die EU-ABS-Verordnung anwendbar wäre.

Des Weiteren kann vor dem Inverkehrbringen von Waren deren Qualität geprüft und z. B. getestet werden, ob sie sich als Nahrungs- oder Futtermittel eignen. Dabei kann gemessen werden, ob die betreffenden Waren frei von bestimmten Toxinen sind oder bestimmte Nährstoffe enthalten. Da dabei keine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchgeführt werden, findet keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung statt.

In manchen Fällen können genetische Ressourcen oder durch Nutzung genetischer Ressourcen entwickelte Produkte als Hilfsmittel für die Durchführung solcher Produktprüfungen genutzt werden. Werden genetische Ressourcen als Test-/Referenzinstrumente verwendet, findet keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung statt (siehe Abschnitt 2.3.3.2 des Leitfadens und Kapitel 7 in Anhang II).

10.2.   Klinische Versuche

Für die Entwicklung von Arzneimitteln und das Inverkehrbringen von Medizinprodukten gelten in der EU strenge Regelungen. Zur Erlangung der Marktzulassung sind verschiedene klinische Prüfungen erforderlich. Diese werden während der Produktentwicklung in vier Phasen durchgeführt.

In den ersten beiden Phasen (Phase I und II) wird die Wirkung des neuen Arzneimittels untersucht. In Phase I stehen Sicherheit, Pharmakokinetik/Pharmakodynamik, Dosisfindung und — bei Impfstoffen — Immunreaktionen im Mittelpunkt, in Phase II Sicherheit und Wirksamkeit. Die Ergebnisse der Prüfungen fließen wieder in die Produktgestaltung ein. Werden im Rahmen dieser beiden Phasen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressourcen durchgeführt, fallen diese in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

Die letzten beiden Phasen (Phase III und IV, letztere folgt auf die Zulassung) dienen der Bestätigung und weiteren Veranschaulichung der Ergebnisse der vorherigen Testphasen, in denen der sichere und wirksame Einsatz der Arzneimittelkandidaten für die gewünschte Indikation und Zielgruppe getestet wird. Phase-III-Studien sollen eine geeignete Grundlage für die Marktzulassung und die Bestätigung der Sicherheit und Wirksamkeit des Produkts liefern. Mitunter dienen sie der Untersuchung von Aspekten wie der Dosis-Wirkungs-Beziehung oder der Anwendung bei größeren und unterschiedlicheren Bevölkerungsgruppen. Phase-IV-Studien beginnen nach der Zulassung (und folglich nach der Abgabe einer Sorgfaltserklärung) und sollen die Verwendung des Arzneimittels optimieren, beispielsweise hinsichtlich seiner Wechselwirkung mit anderen Medikamenten und durch zusätzliche Sicherheitsstudien. Dabei werden zum Beispiel Nebenwirkungen überwacht, Vergleiche mit weitverbreiteten Behandlungen und bereits zugelassenen Arzneimitteln angestellt und neue, zusätzliche Informationen für Analysezwecke eingeholt. Studien in Phase III und IV dienen normalerweise nur der Bestätigung und Vertiefung der Erkenntnisse der klinischen Anwendung des Produkts. Werden bei den Prüfungen nur die Ergebnisse aus Phase I und II bestätigt und keine weiteren Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an dem Produkt durchgeführt, erfolgt in diesen Phasen normalerweise keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung. In manchen Phase-III- und -IV-Studien werden jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnisse in Bezug auf Nebenwirkungen, Vergleiche mit anderen Arzneimitteln usw. gewonnen. Wenn das Produkt dann aufgrund dieser Prüfungen biochemisch verändert wird (und somit eine weitere Nutzung stattfindet, bei der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der für die Produktentwicklung verwendeten genetischen Ressourcen durchgeführt werden), fallen diese Prüfungen in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung.

Alternativ können genetische Ressourcen auch nur Gegenstand der Produktentwicklung in Phase-III- und -IV-Studien werden, nachdem die Forschung und Entwicklung in Phase I und II ausschließlich auf der Grundlage der DNA-Sequenz und anderer Informationen durchgeführt wurde. In diesen Fällen fallen die Forschungs- und Entwicklungsstudien im Rahmen von Phase III und IV, bei denen nur in diesen Phasen genetische Ressourcen verwendet wurden, in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung, da die tatsächliche Leistung des Endprodukts nur in Form der genutzten genetischen Ressource festgestellt werden kann.

11.   VERMARKTUNG UND ANWENDUNG (33)

Wenn ein Produkt, das durch Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an einer genetischen Ressource im Rahmen der EU-ABS-Verordnung entwickelt wurde, die Endphase der Entwicklung erreicht und dann in der EU in Verkehr gebracht wird, sind bestimmte Verpflichtungen der EU-ABS-Verordnung einzuhalten. So muss der Nutzer beispielsweise eine Sorgfaltserklärung abgeben (siehe hierzu auch Abschnitt 4.2 des Leitfadens). Diese Verpflichtungen gelten für alle Nutzer, unabhängig davon, ob sie von kommerziellen oder nichtkommerziellen Einrichtung stammen.

Manche öffentlichen Forschungsinstitute, auch solche im Bereich Gesundheit und Landwirtschaft, entwickeln Handelswaren im Rahmen eines Regierungsauftrags, und sowohl Hochschulen als auch Forschungsinstitute können Tätigkeiten durchführen, bei denen Endprodukte in einem eigens dafür gegründeten Handelsunternehmen erzeugt und vermarktet werden. Alternativ kann mit der Vermarktung eines Endprodukts auch ein Handelspartner beauftragt werden. Wenn die unter Nutzung genetischer Ressourcen durchgeführte und zu einem Endprodukt führende Forschung und Entwicklung in den Anwendungsbereich der EU-ABS-Verordnung fällt, sind die Anforderungen der Verordnung einzuhalten — unabhängig davon, ob die Produkte der öffentlichen Gesundheit, der Lebensmittelsicherheit oder Umweltzwecken dienen. Bevor solche Produkte in den Verkehr gebracht werden, ist eine Sorgfaltserklärung gemäß der EU-ABS-Verordnung abzugeben. Diese Verpflichtung gilt auch dann, wenn ein Handelspartner (der kein Nutzer im Sinne der EU-ABS-Verordnung ist) mit der eigentlichen Vermarktung beauftragt wird.

(Öffentliche Forschung) Von einem Spin-off eines öffentlichen Forschungsinstituts entwickelte und von einem anderen Unternehmen vermarktete Produkte

Ein Hochschulforscher entdeckt bei seiner wissenschaftlichen Forschung ein Genprodukt, das möglicherweise die Grundlage für ein neues Antibiotikum bilden könnte. Seine Hochschule gründet ein Spin-off-Unternehmen, um ihm weitere Forschungstätigkeiten zu ermöglichen und ein Produkt zu entwickeln, das vermarktet werden könnte. Nach der Entwicklung des Produkts verkauft das Unternehmen die Rechte an ein Pharmaunternehmen, das keine weitere Forschung und Entwicklung betreibt, sondern das Produkt in der EU auf den Markt bringt. Das Spin-off-Unternehmen, das die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchgeführt hat, ist für die Sorgfaltserklärung zuständig (das Pharmaunternehmen ist kein Nutzer, da es keine Forschung und Entwicklung betrieben hat).

Wurden an einer unter die EU-ABS-Verordnung fallenden genetischen Ressource keine zu einer Produktentwicklung führenden Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten durchgeführt, zieht die Vermarktung keine Verpflichtungen im Rahmen der EU-ABS-Verordnung nach sich und ist keine Sorgfaltserklärung erforderlich.

(Biopestizide und Biostimulanzien) Vermarktung eines bestehenden Produkts für einen neuen Zweck

Ein Stoff, der bereits als Pflanzenöl in Lebensmitteln verwendet wird, wird als Grundstoff im Rahmen der Pflanzenschutzmittel-Vorschriften genehmigt (definiert in Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009) und darf für die Schädlingsbekämpfung verwendet werden. Möglicherweise muss das Produkt die Auflagen anderer Verordnungen erfüllen, aber die Anforderungen der EU-ABS-Verordnung müssen nicht allein aufgrund von Regelungsverfahren eingehalten werden, ohne dass eine Nutzung in Sinne der EU-ABS-Verordnung stattfindet.

(Biopestizide und Biostimulanzien) Anwendung von Biopestiziden und Biostimulanzien

Extrakte mit oder ohne Reinigung und/oder natürlich vorkommende Verbindungen werden als Biopestizide (pflanzliche Stoffe/Metaboliten/Moleküle/Mischungen) oder Biostimulanzien verwendet. Es wird keine Forschung an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der genetischen Ressourcen durchgeführt und somit findet keine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung statt.

Werden jedoch Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung der Extrakte durchgeführt (und ist eine Kontinuität mit der genetischen Ressource gewährleistet, wie in Abschnitt 2.3.4 des Leitfadens dargestellt), um beispielsweise deren Wirkung und spezifische biochemische Funktionen oder Vorgänge zu entdecken, handelt es sich um eine Nutzung im Sinne der EU-ABS-Verordnung.

12.   VERZEICHNIS DER FALLBEISPIELE

Die nachfolgende Tabelle enthält eine Aufstellung der im Leitfaden genannten Beispiele mit einem Verweis auf die Branchen, aus denen die Beispiele in Anhang II stammen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die jeweils dargestellte Interpretation auch für andere Branchen gilt. (Das Fallbeispiel anklicken)

Branche

Fallbeispiel

Abschnitt

Tierzucht

Erwerb von Tieren durch Landwirte

2.1. Erwerb: Direkt oder über die Lieferkette

Wissenschaftliche Grundlagenforschung am genetischen Hintergrund von Eigenschaften

6.2. Bestimmung und Beschreibung: Charakterisierung

Charakterisierung einer genetischen Ressource zur Lieferung von Erkenntnissen für die Züchtung

6.2. Bestimmung und Beschreibung: Charakterisierung

Entwicklung von Diagnoseinstrumenten zum Nachweis der Identität qualitativ hochwertiger Produkte

7.2. Genetische Ressourcen als Instrumente: Entwicklung von Test- oder Referenzinstrumenten

Entwicklung von Methoden zwecks Rückverfolgbarkeit

7.2. Genetische Ressourcen als Instrumente: Entwicklung von Test- oder Referenzinstrumenten

Beurteilung der Vielfalt zwischen und innerhalb von Populationen

6.2. Bestimmung und Beschreibung: Charakterisierung

Biopestizide und Biostimulanzien

Anwendung von Biopestiziden und Biostimulanzien

11. Vermarktung und Anwendung

Vermarktung eines bestehenden Produkts für einen neuen Zweck

11. Vermarktung und Anwendung

Optimierung der Züchtungs- oder Kultivierungsbedingungen für Organismen

4. Züchtung und Vermehrung

Physikalisch-chemische Charakterisierung von Extrakten und Stoffen (vorhandene Wirkstoffarten) zur Verwendung als Biopestizide oder Biostimulanzien

6.2. Bestimmung und Beschreibung: Charakterisierung

Herstellung von Fermentationsbrühe zur Verwendung in Biopestiziden oder als Biostimulanzien

9.2. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Verarbeitung

Züchtung/Kultivierung (einschließlich Vermehrung) von Biopestiziden oder Biostimulanzien zwecks Erhaltung und Fortpflanzung (einschließlich „Vervielfältigungsdienstleistungen“)

4. Züchtung und Vermehrung

Biotechnologie

Nutzung von Krankheitserregern zur Überwachung der Wirksamkeit von Pflanzenschutzmitteln

7.1. Genetische Ressourcen als Instrumente: Nutzung genetischer Ressourcen als Test- oder Referenzinstrumente

Entwicklung eines Nachweis-Sets zur Überwachung des Vorhandenseins von transgenem Material in Lebensmitteln

7.2. Genetische Ressourcen als Instrumente: Entwicklung von Test- oder Referenzinstrumenten

Optimierung eines Klonvektors

7.3. Genetische Ressourcen als Instrumente: Vektor oder Wirt

Verarbeitung von Rohstoffen zur späteren Einarbeitung in ein Produkt

9.2. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Verarbeitung

Produktformulierung zur Optimierung der Produktleistung

9.3. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Produktformulierung

Verwendung von E. coli als Wirt für Bt-Gene

7.3. Genetische Ressourcen als Instrumente: Vektor oder Wirt

Sammlungsinhaber

Lagerung von Material vertraulichen Ursprungs in einer registrierten Sammlung

3. Lagerung und Verwaltung einer Sammlung

Beurteilung der Vielfalt zwischen und innerhalb von Populationen

6.2. Bestimmung und Beschreibung: Charakterisierung

Phylogenetische Analysen ohne Berücksichtigung der Funktion von Genen

6.3. Bestimmung und Beschreibung: Phylogenetische Analyse

Phylogenetische Analysen mit Berücksichtigung der Funktion von Genen

6.3. Bestimmung und Beschreibung: Phylogenetische Analyse

Einschränkungen der Lieferung an Dritte

3. Lagerung und Verwaltung einer Sammlung

Lagerung genetischer Ressourcen an einem sicheren Ort

3. Lagerung und Verwaltung einer Sammlung

Übertragungsbedingungen in der Materialübertragungsvereinbarung

3. Lagerung und Verwaltung einer Sammlung

Sequenzierung des gesamten Genoms

6.1. Bestimmung und Beschreibung: Taxonomische Bestimmung von Organismen und taxonomische Forschung

Zuchtprogramm eines Zoos

5. Austausch und Weitergabe

Kosmetika

Verwendung einer genetischen Ressource als Referenz zur Validierung eines In-vitro-Testmodells im Hinblick auf seine Anti-Aging-Wirkung

7.1. Genetische Ressourcen als Instrumente: Nutzung genetischer Ressourcen als Test- oder Referenzinstrumente

Entwicklung eines neuartigen Testsystems

7.2. Genetische Ressourcen als Instrumente: Entwicklung von Test- oder Referenzinstrumenten

Formulierung eines Produkts mit einer neuen Ginsengsorte

9.3. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Produktformulierung

Verbesserte Kosmetikbestandteile

9.1. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Produktentwicklung

Untersuchung einer zusammen mit traditionellem Wissen bezogenen Ginsengsorte

9.1. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Produktentwicklung

Herstellung eines Formulierungsprototyps

9.3. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Produktformulierung

Gewinnung neuartiger ätherischer Öle zum Finden neuer Duftinhaltsstoffe

9.1. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Produktentwicklung

Taxonomische Bestimmung eines Organismus und anschließende Feststellung einer biochemischen Funktion seiner Gene

6.1. Bestimmung und Beschreibung: Taxonomische Bestimmung von Organismen und taxonomische Forschung

Lebensmittel bzw. Futtermittel

Analyse und Nutzung der Nebeneffekte von Produktionsstämmen

9.1. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Produktentwicklung

Entdeckung und Korrektur von unerwünschten Noten

10.1. Produktprüfung (einschließlich obligatorischer Prüfungen)

Entwicklung von „Reaktionsaromen“

9.2. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Verarbeitung

Entwicklung neuer Produktformen

9.3. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Produktformulierung

Verbesserung der Produkteigenschaften

9.1. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Produktentwicklung

Ausführliche Analyse von Amylase-Enzymen

6.5. Bestimmung und Beschreibung: Umfangreiches Screening

Screening

6.5. Bestimmung und Beschreibung: Umfangreiches Screening

Anwendung eines Standardherstellungsverfahrens bei einem Milchsäurebakterium

9.2. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Verarbeitung

Sequenzierung des gesamten Genoms

6.1. Bestimmung und Beschreibung: Taxonomische Bestimmung von Organismen und taxonomische Forschung

Allgemein

Erwerb genetischer Ressourcen als Waren

2.1. Erwerb: Direkt oder über die Lieferkette

Einfuhr von Bodenproben

2.1. Erwerb: Direkt oder über die Lieferkette

Untersuchung der Funktion von Genen: etablierte eingeführte Arten

6.2. Bestimmung und Beschreibung: Charakterisierung

Arzneimittel

Erzeugung eines künstlichen Genclusters

9.1. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Produktentwicklung

Entwicklung eines Produktionssystems für Wirtszellen

9.1. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Produktentwicklung

Entwicklung chimärer Antikörper

9.1. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Produktentwicklung

Manipulation von Tierzellen für optimale Virusproduktionseigenschaften

7.4. Genetische Ressourcen als Instrumente: Biofabrik

Funktionelle Metagenomik und Antibiotika-Entdeckung

6.5. Bestimmung und Beschreibung: Umfangreiches Screening

Untersuchung der bei einer taxonomischen Analyse entdeckten Genfunktion

6.1. Bestimmung und Beschreibung: Taxonomische Bestimmung von Organismen und taxonomische Forschung

Lagerung von Krankheitserregern bis zur Entscheidung über deren Verwendung in einem Impfstoff

3. Lagerung und Verwaltung einer Sammlung

Nutzung eines Krankheitserregers zur Herstellung von Reagenzien für die Testvalidierung

7.1. Genetische Ressourcen als Instrumente: Nutzung genetischer Ressourcen als Test- oder Referenzinstrumente

Nutzung von Tierzellen für die Impfstoffherstellung

7.4. Genetische Ressourcen als Instrumente: Biofabrik

Nutzung von Tieren in Tierversuchsmodellen

7.1. Genetische Ressourcen als Instrumente: Nutzung genetischer Ressourcen als Test- oder Referenzinstrumente

Nutzung von Forschungsinstrumenten für das Verständnis von Zellprozessen

7.1. Genetische Ressourcen als Instrumente: Nutzung genetischer Ressourcen als Test- oder Referenzinstrumente

Verwendung von isolierten Verbindungen aus einer genetischen Ressource als Arzneimittelkandidaten

9.1. Produktentwicklung, Verarbeitung und Produktformulierung: Produktentwicklung

Pflanzenzucht

Nutzung einer mit einer Kulturpflanze verwandten Wildart, Landrasse oder Landsorte in einem Zuchtprogramm

8.4. Zucht: Nutzung kommerzieller Pflanzensorten

Nutzung einer auf dem EU-Binnenmarkt in Verkehr gebrachten Sorte in einem Zuchtprogramm

8.4. Zucht: Nutzung kommerzieller Pflanzensorten

Nutzung bestehender Sorten als Referenzen in Evaluierungsstudien

7.1. Genetische Ressourcen als Instrumente: Nutzung genetischer Ressourcen als Test- oder Referenzinstrumente

Verwendung von Insekten als Vektoren für die Infektion von Pflanzen im Rahmen von Krankheitsuntersuchungen

7.3. Genetische Ressourcen als Instrumente: Vektor oder Wirt

Virulenz von Krankheitserregern

6.2. Bestimmung und Beschreibung: Charakterisierung

Öffentliche Forschung

eDNA-Metabarcoding-Analyse von Wasserproben zur Ermittlung der vorhandenen Fischarten

6.1. Bestimmung und Beschreibung: Taxonomische Bestimmung von Organismen und taxonomische Forschung

Von einem Spin-off eines öffentlichen Forschungsinstituts entwickelte und von einem anderen Unternehmen vermarktete Produkte

11. Vermarktung und Anwendung

Rekonstruktion von Nahrungsnetzen mithilfe von DNA-Barcoding von unter In-situ-Bedingungen bezogenen Pflanzen und Pflanzenfressern

6.1. Bestimmung und Beschreibung: Taxonomische Bestimmung von Organismen und taxonomische Forschung

Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an mechanischen und optischen Eigenschaften

6.2. Bestimmung und Beschreibung: Charakterisierung

Erforschung der Funktion von in Waldarten gefundenen Genen ohne weitere Entwicklungstätigkeiten

6.2. Bestimmung und Beschreibung: Charakterisierung

Forschungstätigkeiten zur Bestimmung morphologischer und/oder anatomischer Eigenschaften

6.2. Bestimmung und Beschreibung: Charakterisierung

Taxonomische Bestimmung humanpathogener Erreger oder assoziierter Organismen

6.1. Bestimmung und Beschreibung: Taxonomische Bestimmung von Organismen und taxonomische Forschung

Nutzung von eDNA zur Suche nach Zielorganismen

6.5. Bestimmung und Beschreibung: Umfangreiches Screening


(1)  Im weiteren Verlauf des Leitfadens umfasst die Formulierung „genetische Ressourcen“ gegebenenfalls auch „traditionelles Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht“.

(2)  Hier sei daran erinnert, dass in diesem Dokument davon ausgegangen wird, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen in einem Land erfolgt, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und über gültige Zugangsregelungen zu genetischen Ressourcen und sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen verfügt, und dass alle übrigen geografischen und zeitbezogenen Bedingungen erfüllt wurden. Außerdem wird vorausgesetzt, dass alle vertraglichen Verpflichtungen sowie Verpflichtungen aus anderen Rechtsvorschriften eingehalten und gegebenenfalls an nachfolgende Nutzer übertragen werden. Darauf wird bei den einzelnen Fällen nicht erneut eingegangen.

(3)  Bei Bezugnahmen auf einen Sektor in der Überschrift stammt das darauffolgende Beispiel aus diesem Sektor; die Auslegung gilt jedoch auch für andere Branchen.

(4)  Eine Materialübertragungsvereinbarung (Material Transfer Agreement, MTA) ist ein Vertrag zwischen einem Bereitsteller und einem Empfänger von Material, in dem die Bedingungen für die Übertragung des betreffenden Materials festgelegt sind. Sie umfasst die Rechte und Pflichten des Bereitstellers und des Empfängers und enthält genaue Angaben darüber, wie die Vorteile aufzuteilen sind.

(5)  Hier sei daran erinnert, dass in diesem Dokument davon ausgegangen wird, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen in einem Land erlangt wird, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und über anwendbare Zugangsmaßnahmen zu genetischen Ressourcen und sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen verfügt, und dass alle übrigen geografischen und zeitbezogenen Bedingungen erfüllt wurden. Außerdem wird vorausgesetzt, dass alle vertraglichen Verpflichtungen sowie Auflagen anderer Rechtsvorschriften eingehalten und gegebenenfalls an nachfolgende Nutzer übertragen werden. Darauf wird bei den einzelnen Fällen nicht erneut eingegangen.

(6)  Hier sei daran erinnert, dass in diesem Dokument davon ausgegangen wird, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen in einem Land erlangt wird, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und über anwendbare Zugangsmaßnahmen zu genetischen Ressourcen und sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen verfügt, und dass alle übrigen geografischen und zeitbezogenen Bedingungen erfüllt wurden. Außerdem wird vorausgesetzt, dass alle vertraglichen Verpflichtungen sowie Auflagen anderer Rechtsvorschriften eingehalten und gegebenenfalls an nachfolgende Nutzer übertragen werden. Darauf wird bei den einzelnen Fällen nicht erneut eingegangen.

(7)  Hier sei daran erinnert, dass in diesem Dokument davon ausgegangen wird, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen in einem Land erlangt wird, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und über anwendbare Zugangsmaßnahmen zu genetischen Ressourcen und sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen verfügt, und dass alle übrigen geografischen und zeitbezogenen Bedingungen erfüllt wurden. Außerdem wird vorausgesetzt, dass alle vertraglichen Verpflichtungen sowie Auflagen anderer Rechtsvorschriften eingehalten und gegebenenfalls an nachfolgende Nutzer übertragen werden. Darauf wird bei den einzelnen Fällen nicht erneut eingegangen.

(8)  Hier sei daran erinnert, dass in diesem Dokument davon ausgegangen wird, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen in einem Land erlangt wird, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und über anwendbare Zugangsmaßnahmen zu genetischen Ressourcen und sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen verfügt, und dass alle übrigen geografischen und zeitbezogenen Bedingungen erfüllt wurden. Außerdem wird vorausgesetzt, dass alle vertraglichen Verpflichtungen sowie Auflagen anderer Rechtsvorschriften eingehalten und gegebenenfalls an nachfolgende Nutzer übertragen werden. Darauf wird bei den einzelnen Fällen nicht erneut eingegangen.

(9)  Stämme, die sich vom ursprünglichen Stamm nur aufgrund unabsichtlich herbeigeführter Mutationen unterscheiden, sollten nicht allein aufgrund dieser Tatsache als „Laborstämme“ angesehen werden. Viele alte Stämme in Sammlungen weisen Mutationen dieser Art auf, erfüllen jedoch keine andere der oben genannten Eigenschaften und sollten nicht als Laborstämme angesehen werden. Wurden solche unbeabsichtigten Mutationen anschließend allerdings absichtlich konserviert und innerhalb des Stamms homozygot gemacht und als charakteristische Eigenschaft des Stamms verwendet, handelt es sich wahrscheinlich um Laborstämme.

(10)  Hier sei daran erinnert, dass in diesem Dokument davon ausgegangen wird, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen in einem Land erlangt wird, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und über anwendbare Zugangsmaßnahmen zu genetischen Ressourcen und sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen verfügt, und dass alle übrigen geografischen und zeitbezogenen Bedingungen erfüllt wurden. Außerdem wird vorausgesetzt, dass alle vertraglichen Verpflichtungen sowie Auflagen anderer Rechtsvorschriften eingehalten und gegebenenfalls an nachfolgende Nutzer übertragen werden. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass für den Zugang zu und die Nutzung von spezifischen pflanzengenetischen Ressourcen die Bestimmungen des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, einer besonderen Regelung entsprechend dem Nagoya-Protokoll, gelten können. Darauf wird bei den einzelnen Fällen nicht erneut eingegangen.

(11)  Siehe Artikel 3 und 4 der Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (ABl. L 213 vom 30.7.1998, S. 13).

(12)  ABl. L 162 vom 21.6.2008, S. 13.

(13)  ABl. L 312 vom 27.11.2009, S. 44.

(14)  Siehe Artikel 16 der Richtlinie 2002/53/EG des Rates (ABl. L 193 vom 20.7.2002, S. 1) über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten, Artikel 6 der Richtlinie 2002/55/EG des Rates (ABl. L 193 vom 20.7.2002, S. 33) über den Verkehr mit Gemüsesaatgut und Artikel 17 der Richtlinie 2008/90/EG des Rates (ABl. L 267 vom 8.10.2008, S. 8) über das Inverkehrbringen von Obstarten.

(15)  ABl. L 227 vom 1.9.1994, S. 1.

(16)  Obwohl der Erwerb eines Schutzrechts nicht gleichbedeutend mit dem Vermarktungsrecht ist, wird eine Sorte, für die Schutzrechte erworben wurden, üblicherweise auch vermarktet. Kann eine Sorte nicht vermarktet werden, weil andere Rechtsvorschriften nicht eingehalten werden (z. B. wenn eine GVO-Sorte die einschlägigen Auflagen für GVO nicht erfüllt oder eine Sorte die für ihre Eintragung erforderliche VCU-Prüfung nicht bestehen würde), folgt fast unvermeidlich die Entziehung der Schutzrechte.

(17)  Ein Überblick über die Bedingungen ist in Anhang I dieses Leitfadens enthalten.

(18)  Siehe Artikel 6 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1866 der Kommission.

(19)  Erhaltungssorten sind Landsorten und andere Sorten, die traditionell an besonderen Orten und in besonderen Regionen angebaut werden und von genetischer Erosion bedroht sind (Richtlinie 2009/145/EG).

(20)  Die Begriffe Landrasse und Landsorte werden in der Literatur synonym verwendet, um eine eigene Gruppe von Kulturpflanzen zu beschreiben, die von Landwirten auf ihren Feldern entwickelt und erhalten wird.

(21)  Richtlinie 1999/105/EG des Rates vom 22. Dezember 1999 über den Verkehr mit forstlichem Vermehrungsgut (ABl. L 11 vom 15.1.2000, S. 17).

(22)  Die Anhänge II bis V enthalten Mindestanforderungen für die Zulassung von Ausgangsmaterial, das zur Erzeugung von Vermehrungsgut bestimmt ist, das als eine bestimmte Kategorie zertifiziert werden soll; Anhang II befasst sich mit „quellengesichertem“, Anhang III mit „ausgewähltem“, Anhang IV mit „qualifiziertem“ und Anhang V mit „geprüftem“ Gut.

(23)  Es ist der Ort anzugeben, an dem das Gut gewonnen wurde.

(24)  Es ist der Ursprung des Vermehrungsguts anzugeben; der Erntebestand muss sich an die herrschenden ökologischen Bedingungen angepasst haben und ausreichende Wüchsigkeit und Qualität besitzen.

(25)  Es sind Anforderungen an Samenplantagen, Familieneltern, Klone und Klonmischungen festgelegt.

(26)  Es sind Anforderungen an Prüfungen, die genetische Prüfung der Komponenten des Ausgangsmaterials und Vergleichsprüfungen von Vermehrungsgut festgelegt; auch Bedingungen für die Zulassung sind enthalten.

(27)  Siehe Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlaments und des Rates (sogenannte „EU-Tiergesundheitsverordnung“); Artikel 229-256;https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32016R0429https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32016R0429ABl. L 84 vom 31.3.2016, S. 1).

(28)  ABl. L 171 vom 29.6.2016, S. 66.

(29)  In der Verordnung (EU) 2016/1012 wird ein Zuchtbuch definiert als: a) ein Herdbuch, ein Flockbuch, ein Stutbuch, eine Kartei oder ein Datenträger, das/die/der von einem Zuchtverband geführt wird und das/die/der aus einer Hauptabteilung sowie, falls der Zuchtverband dies beschließt, aus einer oder mehreren zusätzlichen Abteilungen für Tiere derselben Art, die nicht für eine Eintragung in die Hauptabteilung infrage kommen, besteht; b) gegebenenfalls jedes entsprechende Buch, das von einer Zuchtstelle geführt wird.

(30)  Anpaarung umfasst die künstliche Besamung und die „natürliche Bedeckung“.

(31)  Hier sei daran erinnert, dass in diesem Dokument davon ausgegangen wird, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen in einem Land erlangt wird, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und über anwendbare Zugangsmaßnahmen zu genetischen Ressourcen und sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen verfügt, und dass alle übrigen geografischen und zeitbezogenen Bedingungen erfüllt wurden. Außerdem wird vorausgesetzt, dass alle vertraglichen Verpflichtungen sowie Auflagen anderer Rechtsvorschriften eingehalten und gegebenenfalls an nachfolgende Nutzer übertragen werden. Darauf wird bei den einzelnen Fällen nicht erneut eingegangen.

(32)  Hier sei daran erinnert, dass in diesem Dokument davon ausgegangen wird, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen in einem Land erlangt wird, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und über anwendbare Zugangsmaßnahmen zu genetischen Ressourcen und sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen verfügt, und dass alle übrigen geografischen und zeitbezogenen Bedingungen erfüllt wurden. Außerdem wird vorausgesetzt, dass alle vertraglichen Verpflichtungen sowie Auflagen anderer Rechtsvorschriften eingehalten und gegebenenfalls an nachfolgende Nutzer übertragen werden. Darauf wird bei den einzelnen Fällen nicht erneut eingegangen.

(33)  Hier sei daran erinnert, dass in diesem Dokument davon ausgegangen wird, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen in einem Land erlangt wird, das Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist und über anwendbare Zugangsmaßnahmen zu genetischen Ressourcen und sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen verfügt, und dass alle übrigen geografischen und zeitbezogenen Bedingungen erfüllt wurden. Außerdem wird vorausgesetzt, dass alle vertraglichen Verpflichtungen sowie Auflagen anderer Rechtsvorschriften eingehalten und gegebenenfalls an nachfolgende Nutzer übertragen werden. Darauf wird bei den einzelnen Fällen nicht erneut eingegangen.


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