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Document 52020XC0330(03)

Mitteilung der Kommission Leitlinien zur Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte während des COVID-19-Ausbruchs 2020/C 102 I/03

C/2020/2051

OJ C 102I, 30.3.2020, p. 12–14 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

30.3.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CI 102/12


MITTEILUNG DER KOMMISSION

Leitlinien zur Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte während des COVID-19-Ausbruchs

(2020/C 102 I/03)

Die COVID-19-Krise hat zur Einführung beispielloser Maßnahmen in den EU-Mitgliedstaaten geführt, darunter die Wiedereinführung von Kontrollen an ihren Binnengrenzen.

In den Leitlinien für Grenzmanagementmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Waren und wesentlichen Dienstleistungen (1) sind die Grundsätze für ein integriertes Vorgehen beim Grenzmanagement festgelegt, durch das der Schutz der öffentlichen Gesundheit und die Wahrung der Integrität des Binnenmarkts wirksam gewährleistet werden sollen. Gemäß Randnr. 23 der Leitlinien sollten die Mitgliedstaaten Grenzgängern den Grenzübertritt gestatten und erleichtern, insbesondere, aber nicht nur denjenigen, die im Gesundheits- und Lebensmittelsektor sowie anderen wesentlichen Dienstleistungsbereichen tätig sind (z. B. Kinderbetreuung, Altenpflege, systemrelevantes Personal in Versorgungsunternehmen), damit sie ihrer beruflichen Tätigkeit weiter nachgehen können.

Einschränkungen des Rechts auf Freizügigkeit der Arbeitskräfte können zwar aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sein, müssen aber notwendig und verhältnismäßig sein sowie auf objektiven und nichtdiskriminierenden Kriterien beruhen.

Grenzgänger, entsandte Arbeitnehmer (2) und Saisonarbeitskräfte haben ihren Wohnsitz in einem anderen Land als dem der Erwerbstätigkeit. Viele von ihnen sind für ihre Aufnahmemitgliedstaaten von entscheidender Bedeutung, z. B. für das Gesundheitssystem, die Erbringung anderer wesentlicher Dienstleistungen, einschließlich Aufbau und Instandhaltung von medizinischer Ausrüstung und Infrastruktur, oder die Bereitstellung von Waren. Ein koordinierter Ansatz auf EU-Ebene, der es ermöglicht, dass diese Arbeitskräfte weiterhin die Binnengrenzen überschreiten können, ist daher von zentraler Bedeutung.

Im Anschluss an die Aufforderung des Europäischen Rates (3) an die Kommission, sich mit der Situation von Grenzgängern und Saisonarbeitskräften zu befassen, denen es möglich sein muss, wesentliche Tätigkeiten weiterhin auszuüben, ohne dass das Virus weiter verbreitet wird, sowie zusätzlich zu den Leitlinien für Grenzmanagementmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Waren und wesentlichen Dienstleistungen, insbesondere Randnr. 23, werden die Mitgliedstaaten in den nachstehenden Leitlinien aufgefordert, spezifische Maßnahmen zu ergreifen, um ein koordiniertes Vorgehen auf EU-Ebene zu gewährleisten (4). Dies gilt für die oben genannten Arbeitskräfte, insbesondere für Arbeitskräfte, die Landesgrenzen überschreiten müssen, um ihren Arbeitsplatz zu erreichen, weil sie systemrelevante Funktionen, d. h. Tätigkeiten im Zusammenhang mit wesentlichen Dienstleistungen, ausüben. Dies sollte auch in Fällen gelten, in denen die oben genannten Arbeitskräfte einen Mitgliedstaat nur als Transitland nutzen, um einen anderen Mitgliedstaat zu erreichen. Diese Leitlinien gelten unbeschadet der spezifischen Maßnahmen, die in der Mitteilung zur Umsetzung von „Green Lanes“ (5) oder in den Leitlinien zur Erleichterung des Luftfrachtbetriebs während des COVID-19-Ausbruchs (6) dargelegt sind.

Die Mitgliedstaaten sollten Selbstständige, die die in diesen Leitlinien aufgeführten systemrelevanten Berufe ausüben, auf die gleiche Art und Weise behandeln.

Arbeitskräfte, die systemrelevante Funktionen wahrnehmen

1.

In einigen Teilen der EU, insbesondere in Grenzregionen, üben Grenzgänger systemrelevante Funktionen aus, für die ein ungehinderter Grenzübertritt von entscheidender Bedeutung ist. Beschränkungen, die von den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit dem Grenzübertritt eingeführt werden, können zu zusätzlichen Schwierigkeiten führen oder sogar die Bemühungen zur Bekämpfung der COVID-19-Krise behindern.

2.

Die Wahrung der Freizügigkeit aller mit systemrelevanten Funktionen betrauten Arbeitskräfte, einschließlich der Grenzgänger und der entsandten Arbeitnehmer, ist von wesentlicher Bedeutung. Die Mitgliedstaaten sollten Arbeitskräften die Einreise in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats und den ungehinderten Zugang zu ihrem Arbeitsplatz gestatten, wenn sie insbesondere einen der folgenden Berufe ausüben (7):

Berufe im Gesundheitswesen, einschließlich paramedizinischer Fachkräfte;

Betreuungsberufe im Gesundheitswesen, einschließlich Betreuungspersonal für Kinder, Menschen mit Behinderung und ältere Menschen;

wissenschaftliche Experten im Gesundheitssektor;

Arbeitskräfte in der Arzneimittel- und Medizinprodukteindustrie;

Arbeitskräfte, die an der Lieferung von Waren beteiligt sind, insbesondere an der Lieferkette von Arzneimitteln, medizinischen Hilfsmitteln, Medizinprodukten und persönlichen Schutzausrüstungen, einschließlich ihrer Installation und Wartung;

akademische und vergleichbare Fachkräfte in der Informations- und Kommunikationstechnologie;

Informations- und Kommunikationstechniker sowie sonstige Techniker für die grundlegende Instandhaltung der Ausrüstung;

Berufe im Bereich des Ingenieurwesens, wie Ingenieure, Energie- und Elektrotechniker;

Personen, die an systemrelevanten oder anderweitig wesentlichen Infrastrukturen arbeiten;

ingenieurtechnische und vergleichbare Fachkräfte (einschließlich Wasserwerker);

Schutzkräfte und Sicherheitsbedienstete;

Berufsfeuerwehrleute/Polizisten/Gefängnisaufseher/Sicherheitswachpersonal/Katastrophenschutzkräfte;

Personen, die in der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln tätig sind, sowie verwandte Berufe und Wartungspersonal;

Bediener von Maschinen für Lebensmittel und verwandte Erzeugnisse (einschließlich Lebensmittelproduktionsmitarbeiter);

Arbeitskräfte im Verkehrssektor (8), insbesondere:

Personenkraftwagen-, Kleintransporter- und Kraftradfahrer (9), Fahrer schwerer Lastkraftwagen und Busse (einschließlich Busfahrer und Straßenbahnführer) sowie Rettungswagenfahrer, einschließlich Fahrer, die für die Beförderung im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens der Union eingesetzt werden, und Fahrer, die EU-Bürger im Zuge ihrer Rückkehr aus einem anderen Mitgliedstaat an ihren Herkunftsort befördern;

Linienflugzeugführer;

Schienenfahrzeugführer; Wagenmeister, Instandhaltungstechniker sowie Personal von Infrastrukturbetreibern, das mit der Verkehrssteuerung und Kapazitätszuweisung betraut ist;

Arbeitskräfte in der See- und Binnenschifffahrt;

Fischer;

mit systemrelevanten Funktionen betrautes Personal von öffentlichen Einrichtungen, einschließlich internationaler Organisationen.

3.

Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten mit Nachdruck dazu auf, spezielle unaufwändige Schnellverfahren an Grenzübergängen mit einem regelmäßigen Strom von Grenzgängern und entsandten Arbeitnehmern einzuführen, damit ein reibungsloser Grenzübertritt für diese gewährleistet ist. Dies kann beispielsweise – falls zweckmäßig – durch Sonderfahrspuren für diese Arbeitskräfte an den Grenzübergangsstellen erfolgen oder durch spezielle, von benachbarten Mitgliedstaaten anerkannte Aufkleber, sodass sie leichter auf das Hoheitsgebiet des Beschäftigungsmitgliedstaats gelangen können. Die Kommission wird auch umgehend den Fachausschuss für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer konsultieren, um vorbildliche Verfahren zu ermitteln, die sich auf alle Mitgliedstaaten übertragen lassen, damit diese Gruppen von Arbeitskräften ungehindert ihren unverzichtbaren Berufen nachgehen können.

Gesundheitskontrollen

4.

Die Gesundheitskontrollen müssen bei Grenzgängern und entsandten Arbeitnehmern unter denselben Bedingungen durchgeführt werden wie bei Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats, die derselben Berufsgruppe angehören.

5.

Gesundheitskontrollen können je nach vorhandener Infrastruktur vor oder nach der Grenze durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass der Verkehr weiterhin fließt. Die Mitgliedstaaten sollten sich untereinander so abstimmen, dass nur auf einer Seite der Grenze Gesundheitskontrollen vorgenommen werden, um Doppelkontrollen und Wartezeiten zu vermeiden. Die Arbeitskräfte sollten für Überprüfungen und Gesundheitskontrollen ihre Fahrzeuge nicht verlassen müssen; grundsätzlich sollte es sich dabei um die elektronische Messung der Körpertemperatur handeln. Die Arbeitskräfte sollten in der Regel höchstens dreimal am selben Tag einer Temperaturmessung unterzogen werden. Falls bei einer Arbeitskraft Fieber festgestellt wird und die Grenzbehörden entscheiden, dass diese Person die Fahrt nicht fortsetzen darf, sollte sie die gleiche angemessene Gesundheitsversorgung erhalten wie die Staatsangehörigen des Beschäftigungsmitgliedstaats. Die Informationen über diese Person sollten mit dem betreffenden Nachbarmitgliedstaat ausgetauscht werden.

6.

Für die in Randnr. 19 der Mitteilung zur Umsetzung von „Green Lanes“ genannten Arbeitskräfte im Verkehrssektor gelten die in diesen Leitlinien genannten Sondermaßnahmen zur Gesundheitskontrolle.

Sonstige Arbeitskräfte

7.

Die Mitgliedstaaten sollten Grenzgängern und entsandten Arbeitnehmern den Grenzübertritt für ihre Arbeit gestatten, wenn die Beschäftigung in dem betreffenden Sektor im Aufnahmemitgliedstaat weiterhin erlaubt ist.

8.

Falls es dazu kommt, dass sich der Mitgliedstaat ändert, in dem die Arbeitskraft versichert ist (10), sollten die Mitgliedstaaten von der Ausnahmeregelung nach Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (11) Gebrauch machen, damit der Sozialversicherungsschutz für die betreffende Arbeitskraft unverändert bestehen bleibt. Eine solche Ausnahme muss der Arbeitgeber bei dem Mitgliedstaat beantragen, dessen Recht die Arbeitskraft unterliegen möchte.

Saisonarbeitskräfte

9.

Einige Wirtschaftssektoren, insbesondere der Agrarsektor, sind in mehreren Mitgliedstaaten stark von Saisonarbeitskräften aus anderen Mitgliedstaaten abhängig. Um auf den krisenbedingten Arbeitskräftemangel in diesen Sektoren zu reagieren, sollten die Mitgliedstaaten Informationen über ihren jeweiligen Bedarf austauschen, beispielsweise über die bestehenden Kanäle des Fachausschusses für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Es sei darauf hingewiesen, dass in bestimmten Fällen Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft für wichtige Ernte-, Pflanz- und Pflegearbeiten gebraucht werden. In einer solchen Situation sollten die Mitgliedstaaten diese Arbeitskräfte genauso behandeln wie die Arbeitskräfte, die die oben aufgeführten systemrelevanten Berufe ausüben. Gleichermaßen sollten die Mitgliedstaaten solchen Arbeitskräften weiterhin den Grenzübertritt für ihren Arbeitsweg gestatten, wenn die Beschäftigung in dem betreffenden Sektor im Aufnahmemitgliedstaat weiterhin erlaubt ist. Die Mitgliedstaaten sollten die Arbeitgeber auch auf die Notwendigkeit eines angemessenen Gesundheitsschutz- und Sicherheitsniveaus hinweisen.

10.

Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten mit Nachdruck dazu auf, spezielle Verfahren einzuführen, damit ein reibungsloser Grenzübertritt für diese Arbeitskräfte gewährleistet ist, und sie wird den Fachausschuss für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer damit befassen, vorbildliche Verfahren zu ermitteln, die sich auf alle Mitgliedstaaten übertragen lassen, damit diese Gruppen von Arbeitskräften ungehindert ihren Berufen nachgehen können.

(1)  C(2020) 1753 final.

(2)  Arbeitnehmer, die von ihrem Arbeitgeber mit Sitz in einem Mitgliedstaat vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden, um dort im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen tätig zu werden.

(3)  Absatz 4 der Gemeinsamen Erklärung der Mitglieder des Europäischen Rates vom 26. März 2020.

(4)  Die Hinweise zur Umsetzung der vorübergehenden Beschränkung nicht unbedingt notwendiger Reisen in die EU, zur Vereinfachung der Durchreiseregelungen für die Rückkehr von EU-Bürgern und zu den Auswirkungen auf die Visumpolitik (C(2020) 2050 final) enthalten Maßnahmen in Bezug auf Grenzgänger und Saisonarbeitskräfte aus Drittländern.

(5)  C(2020) 1897 final.

(6)  C(2020) 2010 final.

(7)  Die Kategorien folgen der ESCO-Klassifikation, der mehrsprachigen europäischen Klassifikation für Fähigkeiten, Kompetenzen, Qualifikationen und Berufe. Siehe https://ec.europa.eu/esco/portal/howtouse/21da6a9a-02d1-4533-8057-dea0a824a17a

(8)  Weitere spezifische Leitlinien für Arbeitskräfte im Verkehrssektor sind der Mitteilung C(2020) 1897 final zu entnehmen: Mitteilung der Kommission zur Umsetzung von „Green Lanes“ im Rahmen der Leitlinien für Grenzmanagementmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Waren und wesentlichen Dienstleistungen.

(9)  Kraftradfahrer nur dann, wenn sie medizinische Hilfsmittel, Medizinprodukte oder persönliche Schutzausrüstungen befördern.

(10)  Bei einer Mehrfachtätigkeit in zwei Mitgliedstaaten, wobei ein Grenzgänger, der derzeit sowohl im Beschäftigungsmitgliedstaat als auch im Wohnmitgliedstaat beschäftigt ist und im Beschäftigungsmitgliedstaat versichert ist, weil er im Wohnmitgliedstaat keinen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit ausübt, infolge der von einigen Mitgliedstaaten ergriffenen Ausgangsbeschränkungen die Schwelle von 25 % der Arbeitszeit überschreitet.

(11)  Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit.


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