EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 20.5.2020
COM(2020) 380 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
EU-Biodiversitätsstrategie für 2030
Mehr Raum für die Natur in unserem Leben
1.Biologische Vielfalt – dringender Handlungsbedarf
Von den großen Regenwäldern der Welt bis hin zu kleinen Parks und Gärten, vom Blauwal bis hin zu mikroskopischen Pilzen: Biodiversität ist die außergewöhnliche Vielfalt des Lebens auf der Erde. Wir Menschen sind Teil dieses lebendigen Netzes und komplett davon abhängig, denn es gibt uns die Nahrung, die wir essen, filtert das Wasser, das wir trinken, und liefert die Luft, die wir atmen. Die Natur ist für unser psychisches und physisches Wohlergehen ebenso wichtig wie für die Fähigkeit unserer Gesellschaft, globalen Veränderungen, Gesundheitsbedrohungen und Katastrophen standzuhalten. Wir brauchen Natur in unserem Leben.
Die Gesundheit und die Widerstandsfähigkeit von Gesellschaften hängen davon ab, dass der Natur der erforderliche Raum gegeben wird. Die jüngste COVID-19-Pandemie macht den Schutz und die Wiederherstellung der Natur umso dringlicher. Durch die Pandemie wird das Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen unserer eigenen Gesundheit und der Gesundheit der Ökosysteme geschärft. Sie zeigt, dass nachhaltige Lieferketten und Verbrauchsmuster erforderlich sind, die die Belastungsgrenzen unseres Planeten nicht überschreiten. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass das Risiko des Auftretens und der Ausbreitung von Infektionskrankheiten steigt, wenn die Natur zerstört wird.
Der Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und gut funktionierender Ökosysteme sind daher von entscheidender Bedeutung, um unsere Widerstandsfähigkeit zu stärken und das Auftreten und die Ausbreitung künftiger Krankheiten zu verhindern.
Investitionen in den Schutz und die Wiederherstellung der Natur werden auch für die Erholung Europas von der COVID-19-Krise von entscheidender Bedeutung sein. Bei der Wiederbelebung der Wirtschaft ist es wesentlich, dass wir nicht in die schädlichen alten Gewohnheiten zurückfallen und uns daran binden. Der europäische Grüne Deal – die Wachstumsstrategie der EU – wird die Richtung für unsere Erholung von der Krise vorgeben und dafür sorgen, dass die Wirtschaft den Menschen und der Gesellschaft zugutekommt und der Natur mehr zurückgibt, als sie nimmt. Das wirtschaftliche Interesse an der Biodiversität ist überwältigend. Industrie und Unternehmen stützen sich auf Gene, Arten und Ökosystemdienstleistungen als wesentliche Inputs für die Produktion, insbesondere von Arzneimitteln. Über die Hälfte des globalen BIP hängt von der Natur und den von ihr erbrachten Dienstleistungen ab‚ wobei dies in besonders hohem Maße für die drei größten Wirtschaftszweige – Bauwesen, Landwirtschaft sowie Lebensmittel und Getränke – gilt.
Die Erhaltung der biologischen Vielfalt hat für viele Wirtschaftszweige mögliche direkte wirtschaftliche Vorteile. So könnte beispielsweise die Erhaltung der Fischbestände im Meer die jährlichen Gewinne der Fisch- und Meeresfrüchteindustrie um mehr als 49 Mrd. EUR erhöhen, während der Schutz von Küstenfeuchtgebieten der Versicherungsbranche durch die Verringerung von Hochwasserschäden jährlich rund 50 Mrd. EUR einsparen könnte.
Das Gesamt-Nutzen-Kosten-Verhältnis eines wirksamen globalen Programms zur Erhaltung der verbleibenden unberührten Natur weltweit wird auf mindestens 100 zu 1 geschätzt.
Investitionen in Naturkapital‚ einschließlich der Wiederherstellung kohlenstoffreicher Lebensräume und einer klimafreundlichen Landwirtschaft, gehören anerkanntermaßen zu den fünf wichtigsten Konjunkturmaßnahmen, die hohe wirtschaftliche Multiplikatoren und positive Auswirkungen auf das Klima bieten.
Die Eröffnung dieses Potenzials wird von entscheidender Bedeutung sein, um den Wohlstand, die Nachhaltigkeit und die Widerstandfähigkeit der EU zu sichern.
Die biologische Vielfalt ist auch für die Gewährleistung der Ernährungssicherheit in der EU und weltweit von entscheidender Bedeutung. Der Verlust an biologischer Vielfalt bedroht unsere Lebensmittelsysteme
und setzt unsere Ernährungssicherheit und Ernährung aufs Spiel. Die biologische Vielfalt bildet ferner die Basis für eine gesunde und nährstoffreiche Ernährung und verbessert die Existenzgrundlagen im ländlichen Raum und die Produktivität der Landwirtschaft.
So sind beispielsweise mehr als 75 % der weltweiten Lebensmittelkulturen auf die Bestäubung durch Tiere angewiesen.
Trotz dieser dringenden moralischen, wirtschaftlichen und ökologischen Notwendigkeit befindet sich die Natur in einer Notlage. Die fünf Hauptursachen für den Verlust an biologischer Vielfalt
– Veränderungen bei der Land- und Meeresnutzung, übermäßige Ressourcennutzung, Klimawandel, Umweltverschmutzung und invasive gebietsfremde Arten – führen dazu, dass die Natur zunehmend verloren geht. Wir sehen die Veränderungen in unserem Alltag: Betonblöcke schießen auf Grünflächen empor, die Wildnis verschwindet vor unseren Augen und mehr Arten sind vom Aussterben bedroht als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in der Geschichte der Menschheit. In den letzten vier Jahrzehnten gingen die Wildtierpopulationen infolge menschlicher Tätigkeiten weltweit um 60 % zurück.
Fast drei Viertel der Erdoberfläche wurden verändert
‚ wodurch die Natur in eine immer kleinere Ecke des Planeten gedrängt wurde.
Die Biodiversitätskrise und die Klimakrise sind untrennbar miteinander verbunden. Der Klimawandel beschleunigt die Zerstörung der natürlichen Welt durch Dürren, Überschwemmungen und Flächenbrände, während der Verlust und die nicht nachhaltige Nutzung der Natur wiederum Hauptursachen des Klimawandels sind. Aber ebenso wie die Krisen miteinander verbunden sind, sind es auch die Lösungen. Die Natur ist unsere stärkste Verbündete im Kampf gegen den Klimawandel.
Die Natur reguliert das Klima, und naturbasierte Lösungen
wie der Schutz und die Wiederherstellung von Feuchtgebieten, Torfmooren und Küstenökosystemen oder die nachhaltige Bewirtschaftung von Meeresgebieten, Wäldern, Grünland und landwirtschaftlichen Böden werden für die Emissionsminderung und die Anpassung an den Klimawandel von entscheidender Bedeutung sein. Die Anpflanzung von Bäumen und der Aufbau grüner Infrastruktur wird uns dabei helfen, städtische Gebiete abzukühlen und die Auswirkungen von Naturkatastrophen abzumildern.
Der Verlust an biologischer Vielfalt und der Zusammenbruch von Ökosystemen gehören zu den größten Bedrohungen der Menschheit im nächsten Jahrzehnt.
Sie bedrohen auch die Grundlagen unserer Wirtschaft, und die Kosten der Untätigkeit sind hoch und werden voraussichtlich noch steigen.
Die Welt hat von 1997 bis 2011 Ökosystemdienstleistungen im Wert von schätzungsweise 3,5–18,5 Billionen EUR pro Jahr durch Änderungen der Bodenbedeckung und schätzungsweise 5,5–10,5 Billionen EUR pro Jahr durch Landverödung verloren. Insbesondere führt der Verlust an biologischer Vielfalt zu geringeren Ernte- und Fischfangerträgen, höheren wirtschaftlichen Einbußen durch Überschwemmungen und andere Katastrophen sowie zum Verlust potenzieller neuer Arzneimittelquellen
.
Die EU ist bereit, die Umkehr des Biodiversitätsverlusts mit Ehrgeiz zu verfolgen, weltweit mit gutem Beispiel voranzuschreiten und dazu beizutragen, dass auf der 15. Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt ein transformativer globaler Rahmen für die Zeit nach 2020 vereinbart und verabschiedet wird. Dies sollte auf dem übergeordneten Ziel aufbauen, dass bis 2050 alle Ökosysteme der Welt wiederhergestellt werden, widerstandsfähig sind und angemessen geschützt werden. Die Welt sollte sich zum Grundsatz des „Netto-Gewinns“ verpflichten, um der Natur mehr zurückzugeben, als sie nimmt. In diesem Zusammenhang sollte sich die Welt verpflichten, dass der Mensch zumindest soweit vermeidbar kein Aussterben von Arten verursacht.
In dieser Strategie wird dargelegt, wie Europa dazu beitragen kann. Als Meilenstein soll sichergestellt werden, dass sich die biologische Vielfalt in Europa zum Wohle der Menschen, des Planeten, des Klimas und unserer Wirtschaft im Einklang mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und den Zielvorgaben des Übereinkommens von Paris bis 2030 auf dem Weg der Erholung befindet. Die Strategie behandelt die fünf Hauptursachen des Verlusts an biologischer Vielfalt, legt einen verbesserten Governance-Rahmen fest, um verbleibende Lücken zu schließen, gewährleistet die vollständige Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften und bündelt alle bestehenden Anstrengungen. Diese Strategie ist couragiert und regt zum Nachdenken und Handeln an. Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass der Schutz und die Wiederherstellung der Natur mehr erfordert als reine Regulierung. Auch Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Sozialpartner und die Forschungs- und Wissensgemeinschaft sowie starke Partnerschaften zwischen lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene müssen tätig werden. Diese Strategie steht im Einklang mit den Ambitionen und dem Engagement, die in den politischen Leitlinien der Präsidentin von der Leyen und im europäischen Grünen Deal dargelegt wurden.
Diese Strategie, die mitten in der COVID-19-Pandemie angenommen wird, wird auch ein zentrales Element des Aufbauplans der EU sein. Es wird von entscheidender Bedeutung sein, künftige Zoonoseausbrüche zu verhindern und Widerstandfähigkeit dagegen aufzubauen sowie unmittelbare Geschäfts- und Investitionsmöglichkeiten zu bieten, sodass sich die Wirtschaft der EU erholen kann.
Alle neuen Initiativen und Vorschläge werden sich auf die Instrumente der Kommission für eine bessere Rechtsetzung stützen. Auf der Grundlage öffentlicher Konsultationen und der Ermittlung der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen werden Folgenabschätzungen dazu beitragen, dass alle Initiativen ihre Ziele möglichst wirksam und mit dem geringsten Aufwand erreichen und mit dem grünen Gebot „Verursache keine Schäden“ vereinbar sind.
2.Schutz und Wiederherstellung der Natur in der Europäischen Union
Die EU verfügt über Rechtsrahmen, Strategien und Aktionspläne zum Schutz der Natur und zur Wiederherstellung von Lebensräumen und Arten. Doch bisher ist der Schutz unvollständig, der Umfang der Wiederherstellung nur gering und die Umsetzung und Durchsetzung der Rechtsvorschriften unzureichend.
Um die biologische Vielfalt bis 2030 auf den Weg der Erholung zu bringen‚ müssen wir den Schutz und die Wiederherstellung der Natur verstärken. Dies sollte durch die Verbesserung und Erweiterung unseres Netzes von Schutzgebieten und durch die Entwicklung eines ehrgeizigen EU-Plans zur Wiederherstellung der Natur erreicht werden.
2.1.Ein kohärentes Netz der Schutzgebiete
Der Biodiversität ergeht es in Schutzgebieten besser. Das derzeitige Netz gesetzlich geschützter Gebiete, einschließlich solcher, die streng geschützt sind, ist jedoch nicht groß genug, um die Biodiversität zu schützen. Es hat sich gezeigt, dass die im Übereinkommen über die biologische Vielfalt festgelegten Ziele nicht ausreichen, um die Natur angemessen zu schützen und wiederherzustellen.
Es bedarf globaler Anstrengungen, und die EU selbst muss mehr für die Natur tun, bessere Maßnahmen ergreifen und ein wirklich kohärentes transeuropäisches Naturschutznetz aufbauen.
Die Ausweitung der Schutzgebiete ist auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Studien über Meeressysteme gehen davon aus, dass jeder Euro, der in Meeresschutzgebiete investiert wird, eine Rendite von mindestens 3 EUR einbringen würde.
In ähnlicher Weise hat die Eignungsprüfung des Naturschutzrechts
gezeigt, dass der Nutzen von Natura 2000 zwischen 200 und 300 Mrd. EUR pro Jahr liegt. Der Investitionsbedarf des Netzes dürfte zur Schaffung von bis zu 500 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen beitragen.
Zum Wohle unserer Umwelt und unserer Wirtschaft und um die Erholung der EU von der COVID-19-Krise zu unterstützen, müssen wir mehr Natur schützen. Zu diesem Zweck sollten mindestens 30 % der Landfläche und 30 % der Meere in der EU geschützt werden. Dies entspricht einem Plus von mindestens 4 % der Land- und 19 % der Meeresgebiete im Vergleich zu heute.
Das Ziel steht voll und ganz im Einklang mit dem, was als Teil des weltweiten Rahmens für die biologische Vielfalt für die Zeit nach 2020 vorgeschlagen wird
(siehe Abschnitt 4).
Dabei sollte ein besonderer Schwerpunkt auf Gebiete mit sehr hohem Biodiversitätswert oder ‑potenzial gelegt werden. Diese sind am anfälligsten für den Klimawandel und sollten besondere Aufmerksamkeit in Form eines strengen Schutzes erhalten.
Derzeit sind nur 3 % der Landflächen und weniger als 1 % der Meeresgebiete in der EU streng geschützt. Wir müssen diese Gebiete besser schützen. In diesem Sinne sollte mindestens ein Drittel der Schutzgebiete – also 10 % der EU-Landflächen und 10 % der EU-Meeresgebiete – streng geschützt werden. Dies steht auch im Einklang mit dem vorgeschlagenen globalen Ambitionsniveau.
Im Rahmen dieses Schwerpunkts auf einem strengen Schutz wird es von entscheidender Bedeutung sein, alle verbleibenden Primär- und Urwälder der EU zu bestimmen, zu erfassen, zu überwachen und streng zu schützen. Zudem wird es wichtig sein, sich dafür auch weltweit einzusetzen und dafür zu sorgen, dass die Maßnahmen der EU nicht zur Entwaldung in anderen Regionen der Welt führen. Bei Primär- und Urwäldern handelt es sich um die reichsten Waldökosysteme, die CO2 aus der Atmosphäre entfernen und gleichzeitig erhebliche CO2-Bestände speichern. Bedeutende Flächen anderer kohlenstoffreicher Ökosysteme wie Torfmoore, Grünland, Feuchtgebiete, Mangroven und Seegraswiesen sollten ebenfalls streng geschützt werden, wobei prognostizierte Verschiebungen von Vegetationsgebieten zu berücksichtigen sind.
Die Mitgliedstaaten werden für die Ausweisung der zusätzlichen geschützten und streng geschützten Gebiete verantwortlich sein.
Die Ausweisung sollte entweder zur Vervollständigung des Natura-2000-Netzes beitragen oder im Rahmen nationaler Schutzprogramme erfolgen. Für alle Schutzgebiete müssen klar definierte Erhaltungsziele und ‑maßnahmen festgelegt werden. Im Jahr 2020 wird die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der Europäischen Umweltagentur Kriterien und Leitlinien für die Bestimmung und Ausweisung weiterer Gebiete, einschließlich einer Definition des strengen Schutzes, sowie für eine angemessene Bewirtschaftungsplanung vorlegen. Dabei werden sie auch darlegen, wie andere wirksame gebietsbezogene Erhaltungsmaßnahmen und die Begrünung der Städte zu diesem Ziel beitragen könnten.
Die Ziele beziehen sich auf die EU als Ganzes und könnten nach biogeografischen Regionen und Meeresbecken der EU oder auf noch lokalerer Ebene unterteilt werden. Jeder Mitgliedstaat muss auf der Grundlage objektiver Umweltkriterien seinen angemessenen Beitrag zu den Anstrengungen leisten‚ wobei anzuerkennen ist, dass die biologische Vielfalt in jedem Land von unterschiedlicher Quantität und Qualität ist. Ein besonderer Schwerpunkt wird auf dem Schutz und der Wiederherstellung der tropischen und subtropischen Meeres- und Landökosysteme in den Gebieten in äußerster Randlage der EU liegen, da sie einen außergewöhnlich hohen Biodiversitätswert aufweisen.
Darüber hinaus wird es für ein wirklich kohärentes und resilientes transeuropäisches Naturschutznetz wichtig sein, ökologische Korridore zu schaffen, um eine genetische Isolierung zu verhindern, die Migration von Arten zu ermöglichen und gesunde Ökosysteme zu erhalten und zu verbessern. In diesem Zusammenhang sollten Investitionen in grüne und blaue Infrastruktur
und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten gefördert und unterstützt werden, auch im Rahmen der Europäischen territorialen Zusammenarbeit.
Die Kommission wird darauf hinarbeiten, die Kriterien und Leitlinien für zusätzliche Ausweisungen bis Ende 2021 mit den Mitgliedstaaten zu vereinbaren. Die Mitgliedstaaten werden dann bis Ende 2023 Zeit haben, erhebliche Fortschritte bei der gesetzlichen Ausweisung neuer Schutzgebiete und der Integration ökologischer Korridore nachzuweisen. Auf dieser Grundlage wird die Kommission bis 2024 bewerten, ob die EU auf dem richtigen Weg ist, ihre Ziele für 2030 zu erreichen, oder ob strengere Maßnahmen, einschließlich EU-Rechtsvorschriften, erforderlich sind.
Schließlich befinden sich in den überseeischen Ländern und Gebieten auch wichtige Biodiversitäts-Hotspots, die nicht den EU-Umweltvorschriften unterliegen. Die Kommission fordert die betreffenden Mitgliedstaaten auf, die Förderung gleicher oder gleichwertiger Vorschriften für diese Länder und Gebiete in Erwägung zu ziehen.
Naturschutz: zentrale Verpflichtungen bis 2030
1.Gesetzlicher Schutz von mindestens 30 % der Landfläche und 30 % der Meeresgebiete der EU und Integration ökologischer Korridore als Teil eines echten transeuropäischen Naturschutznetzes;
2.strenger Schutz von mindestens einem Drittel der Schutzgebiete der EU, einschließlich aller verbleibenden Primär- und Urwälder der EU;
3.wirksame Bewirtschaftung aller Schutzgebiete, Festlegung klarer Erhaltungsziele und ‑maßnahmen und angemessene Überwachung dieser Gebiete.
2.2.Ein EU-Plan zur Wiederherstellung der Natur: Wiederherstellung von Ökosystemen an Land und im Meer
Der Schutz der Natur, die wir haben, wird nicht ausreichen, um die Natur wieder in unser Leben zu integrieren. Um dem Verlust an biologischer Vielfalt entgegenzuwirken, muss die Welt bei der Wiederherstellung der Natur ehrgeiziger vorgehen. Mit einem neuen EU-Plan zur Wiederherstellung der Natur wird Europa eine Vorreiterrolle übernehmen.
Der Plan wird dazu beitragen, den Zustand bestehender und neuer Schutzgebiete zu verbessern und die vielfältige und widerstandsfähige Natur wieder in alle Landschaften und Ökosysteme zurückzubringen. Dies bedeutet, die Belastung von Lebensräumen und Arten zu verringern und für eine nachhaltige Nutzung der Ökosysteme zu sorgen. Ferner bedeutet dies, die Erholung der Natur zu unterstützen, die Bodenversiegelung und die Ausbreitung der Städte zu begrenzen und gegen Verschmutzung und invasive gebietsfremde Arten vorzugehen. Der Plan wird Arbeitsplätze schaffen, das Wirtschaftswachstum mit dem Wachstum der Natur verknüpfen und dazu beitragen, die langfristige Produktivität und den Wert unseres Naturkapitals zu sichern.
2.2.1.Stärkung des EU-Rechtsrahmens für die Wiederherstellung der Natur
Die Wiederherstellung der Natur wird von den Mitgliedstaaten teilweise bereits in den bestehenden EU-Rechtsvorschriften gefordert.
Erhebliche Umsetzungs- und Regulierungslücken behindern jedoch Fortschritte. So sind die Mitgliedstaaten beispielsweise nicht verpflichtet, über Pläne zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt zu verfügen. Es gibt zum Teil keine klaren oder verbindlichen Ziele und Fristen und keine Definition oder Kriterien für die Wiederherstellung oder nachhaltige Nutzung von Ökosystemen. Es besteht auch keine Verpflichtung, Ökosystemdienstleistungen, Gesundheits- oder Wiederherstellungsbemühungen flächendeckend zu erfassen, zu überwachen oder zu bewerten. Diese Probleme werden durch die Lücken bei der Umsetzung noch verschärft, die verhindern, dass die Ziele der bestehenden Rechtsvorschriften erreicht werden.
Bei der Umsetzung und Durchsetzung ist eine stärkere Unterstützung erforderlich. Um sicherzustellen‚ dass die Wiederherstellung der Natur an Land und im Meer zunimmt und sie die Widerstandsfähigkeit der EU erhöht und als zentrale naturbasierte Lösung zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel beiträgt, werden in dieser Strategie zwei Handlungsbereiche vorgeschlagen:
·Erstens wird die Kommission im Jahr 2021 – vorbehaltlich einer Folgenabschätzung – einen Vorschlag für rechtsverbindliche EU-Ziele für die Wiederherstellung der Natur vorlegen, um geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen, insbesondere jene, die das größte Potenzial für die Abscheidung und Speicherung von CO2 sowie für die Verhinderung und Eindämmung der Auswirkungen von Naturkatastrophen aufweisen. Dabei werden die Bedingungen, unter denen diese Ziele erreicht werden müssen, sowie die wirksamsten Maßnahmen zu ihrer Erreichung bestimmt. In der Folgenabschätzung wird auch die Möglichkeit einer EU-weiten Methodik zur Erfassung, Bewertung und Erreichung eines guten Zustands von Ökosystemen untersucht, sodass sie für die Klimaregulierung, Wasserregulierung, Bodengesundheit und Bestäubung sowie Katastrophenvorsorge und ‑schutz von Nutzen sein können.
·In diesem Zusammenhang wird die Kommission die Mitgliedstaaten auffordern, mit ihrer Unterstützung den Stand der Umsetzung bestehender Rechtsvorschriften innerhalb klarer Fristen voranzubringen. Sie wird die Mitgliedstaaten insbesondere auffordern, dafür zu sorgen, dass sich die Erhaltungstrends und der Erhaltungszustand aller geschützten Lebensräume und Arten
bis 2030 nicht verschlechtern. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass mindestens 30 % der Arten und Lebensräume, die sich derzeit nicht in einem günstigen Zustand befinden, in diese Kategorie fallen oder einen starken positiven Trend aufweisen. Die Kommission und die Europäische Umweltagentur werden den Mitgliedstaaten im Jahr 2020 Leitlinien für die Auswahl und Priorisierung der Arten und Lebensräume an die Hand geben.
2.2.2.Wiederherstellung der Natur auf landwirtschaftlich genutzte Flächen
Als wichtigste Hüter unseres Bodens spielen die landwirtschaftlichen Betriebe eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt in der EU. Sie gehören zu den ersten, die die Folgen des Verlusts an biologischer Vielfalt spüren, aber auch zu den ersten, denen die Vorteile zugutekommen, wenn sie wiederhergestellt wird. Die Biodiversität hilft ihnen, sichere, nachhaltig erzeugte, nahrhafte und erschwingliche Lebensmittel für uns bereitzustellen, und verschafft ihnen das Einkommen, das sie brauchen, um zu gedeihen und sich zu entwickeln. Die europäischen Landwirte sind ein wesentlicher Bestandteil der Zukunft der EU und müssen der soziale und wirtschaftliche Dreh- und Angelpunkt vieler Gemeinschaften in der gesamten Union bleiben.
Gleichzeitig sind bestimmte landwirtschaftliche Verfahren ein wichtiger Faktor für den Rückgang der biologischen Vielfalt. Deshalb ist es wichtig, mit den Landwirten zusammenzuarbeiten, um den Übergang zu vollkommen nachhaltigen Verfahren zu unterstützen und Anreize dafür zu schaffen. Die Verbesserung des Zustands und vielfältigere Agrarökosysteme werden die Widerstandsfähigkeit des Sektors gegenüber Klimawandel, Umweltrisiken und sozioökonomischen Schocks erhöhen und gleichzeitig neue Arbeitsplätze schaffen, beispielsweise im ökologischen/biologischen Landbau, im ländlichen Tourismus oder in der Freizeitgestaltung.
Um sowohl die langfristige Erhaltung der Natur als auch die dauerhafte Nachhaltigkeit der Landwirtschaft zu fördern, wird diese Strategie mit der neuen Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ und der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) einhergehen‚ unter anderem durch die Förderung von Öko-Regelungen und ergebnisorientierten Zahlungsregelungen. Bei der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie und der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ wird die Kommission die Fortschritte und Verbesserungen in Bezug auf die Ernährungssicherheit und das Einkommen der Landwirte genau überwachen. Die Kommission wird sicherstellen, dass die GAP-Strategiepläne anhand solider Klima- und Umweltkriterien bewertet werden und dass die Mitgliedstaaten ausdrückliche nationale Werte für die in diesen Strategieplänen sowie in der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ festgelegten einschlägigen Ziele vorgeben. Diese Pläne sollten zu nachhaltigen Verfahren wie Präzisionslandwirtschaft, ökologischem/biologischem Landbau, Agrarökologie, Agroforstwirtschaft, Dauergrünland mit geringer Intensität und strengeren Tierschutzvorschriften führen.
Feldvögel und ‑insekten, insbesondere Bestäuber, sind Schlüsselindikatoren für die Gesundheit von Agrarökosystemen und von entscheidender Bedeutung für die landwirtschaftliche Erzeugung und die Ernährungssicherheit. Ihr besorgniserregender Rückgang muss umgekehrt werden. Wie in der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ dargelegt, wird die Kommission Maßnahmen ergreifen, um die Verwendung und das Risiko chemischer Pestizide sowie den Einsatz hochriskanter Pestizide jeweils bis 2030 um 50 % zu verringern. Dies muss durch die vollständige Umsetzung der EU-Initiative für Bestäuber unterstützt werden.
Die Kommission wird die Initiative bis Ende 2020 überprüfen und gegebenenfalls weitere Maßnahmen vorschlagen. Um Wildtieren, Pflanzen, Bestäubern und natürlichen Schädlingsbekämpfern Platz zu bieten, ist es dringend erforderlich, mindestens 10 % der landwirtschaftlichen Fläche wieder mit Landschaftselementen mit großer Vielfalt zu gestalten. Dazu gehören unter anderem Pufferstreifen, Rotationsbrachen oder rotationsunabhängige Brachen, Hecken, nichtproduktive Bäume, Trockenmauern oder Teiche. Diese tragen dazu bei, die Kohlenstoffbindung zu verbessern, Bodenerosion und -verheerung zu verhindern, Luft und Wasser zu filtern und die Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Darüber hinaus trägt eine größere biologische Vielfalt häufig dazu bei, die landwirtschaftliche Erzeugung zu steigern. Die Mitgliedstaaten müssen das EU-Ziel von 10 % auf kleinere geografische Einheiten herunterbrechen, um die Verbindung der Lebensräume im Einklang mit der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ zu gewährleisten, insbesondere durch die GAP-Instrumente und GAP-Strategiepläne sowie durch die Umsetzung der FFH-Richtlinie. Die Fortschritte bei der Verwirklichung dieses Ziels sollen fortlaufend überprüft und gegebenenfalls Anpassungen vorgenommen werden, um unangemessene Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, die Ernährungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte zu vermeiden.
Die Agrarökologie kann gesunde Lebensmittel liefern und gleichzeitig die Produktivität aufrechterhalten, die Bodenfruchtbarkeit und die biologische Vielfalt steigern und den Fußabdruck der Lebensmittelerzeugung verringern. Insbesondere der ökologische/biologische Landbau birgt ein großes Potenzial sowohl für Landwirte als auch für Verbraucher. Der Sektor schafft Arbeitsplätze und zieht Junglandwirte an. Der ökologische/biologische Landbau bietet außerdem 10–20 % mehr Arbeitsplätze pro Hektar als herkömmliche landwirtschaftliche Betriebe und produziert Agrarerzeugnisse mit höherer Wertschöpfung.
Um dieses Potenzial bestmöglich nutzen zu können, müssen mindestens 25 % der landwirtschaftlichen Fläche der EU bis 2030 ökologisch/biologisch bewirtschaftet werden. Zusätzlich zu den GAP-Maßnahmen wird die Kommission einen europäischen Aktionsplan für ökologische Landwirtschaft und ökologisch erzeugte Lebensmittel vorlegen, der den Mitgliedstaaten dabei hilft, sowohl das Angebot an ökologischen/biologischen Erzeugnissen als auch die Nachfrage danach zu stimulieren. Darüber hinaus wird der Plan auch das Vertrauen der Verbraucher durch Werbekampagnen und ein umweltgerechtes öffentliches Beschaffungswesen gewinnen. Bei der Umsetzung der EU-weiten agrarökologischen Ziele, die in dieser Strategie und in der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ festgelegt sind, werden die unterschiedlichen Ausgangspunkte und Fortschritte in den Mitgliedstaaten berücksichtigt.
Maßnahmen zur Unterstützung der Agroforstwirtschaft im Rahmen der Entwicklung des ländlichen Raums sollten stärker in Anspruch genommen werden, da sie ein großes Potenzial für vielfältige Vorteile für die biologische Vielfalt, die Menschen und das Klima birgt.
Der Rückgang der genetischen Vielfalt muss ebenfalls umgekehrt werden, unter anderem durch die Erleichterung der Nutzung traditioneller Sorten von Kulturpflanzen und Rassen. Dies würde darüber hinaus durch eine vielfältigere und nährstoffreichere Ernährung zu gesundheitlichen Vorteilen führen. Die Kommission erwägt, die Vermarktungsvorschriften für traditionelle Kulturpflanzensorten zu überarbeiten, um zu ihrer Erhaltung und nachhaltigen Nutzung beizutragen. Die Kommission wird ferner Maßnahmen ergreifen, um die Registrierung von Saatgutsorten, auch für den ökologischen/biologischen Landbau, zu erleichtern und den Marktzugang für traditionelle und lokal angepasste Sorten zu erleichtern.
2.2.3.Eindämmung des Flächenverbrauchs und Wiederherstellung von Bodenökosystemen
Der Boden ist eines der komplexesten aller Ökosysteme. Er ist ein eigenständiger Lebensraum, in dem eine unglaubliche Vielfalt von Organismen lebt, die wichtige Ökosystemdienstleistungen wie Bodenfruchtbarkeit, Nährstoffkreislauf und Klimaregulierung erbringen und kontrollieren. Der Boden ist eine äußerst wichtige, nicht erneuerbare Ressource‚ die für die Gesundheit des Menschen und das wirtschaftliche Wohl sowie für die Erzeugung von Lebensmitteln und die Herstellung neuer Arzneimittel von entscheidender Bedeutung ist.
In der EU hat die Verschlechterung der Bodenqualität erhebliche ökologische und wirtschaftliche Folgen. Schlechte Bodenbewirtschaftung wie Entwaldung‚ Überweidung, nicht nachhaltige land- und forstwirtschaftliche Verfahren, Bautätigkeiten und Bodenversiegelung gehören zu den Hauptursachen hierfür.
Obwohl die Geschwindigkeit der Bodenversiegelung in letzter Zeit zurückgegangen ist, gehen fruchtbare Böden nach wie vor durch den Flächenverbrauch und die Ausbreitung der Städte verloren.
Verstärkt durch den Klimawandel werden die Auswirkungen der Erosion und des Verlusts von organischem Kohlenstoff im Boden immer deutlicher. Auch die Wüstenbildung stellt in der EU eine wachsende Bedrohung dar.
Daher ist es an der Zeit, die Anstrengungen zum Schutz der Bodenfruchtbarkeit, zur Verringerung der Bodenerosion und zur Erhöhung der organischen Substanz des Bodens zu verstärken. Dies sollte durch die Einführung nachhaltiger Bodenbewirtschaftungsverfahren, auch im Rahmen der GAP, geschehen. Erhebliche Fortschritte sind auch bei der Erfassung von Standorten mit kontaminierten Böden, der Wiederherstellung geschädigter Böden, der Festlegung der Bedingungen für ihren guten ökologischen Zustand, der Einführung von Wiederherstellungszielen und der Verbesserung der Überwachung der Bodenqualität erforderlich.
Um diese Probleme auf umfassende Weise anzugehen und dazu beizutragen, dass die europäischen und die internationalen Verpflichtungen in Bezug auf die Neutralität hinsichtlich der Landverödung erfüllt werden, wird die Kommission die thematische Strategie für den Bodenschutz der EU
im Jahr 2021 aktualisieren. Auch der Null-Schadstoff-Aktionsplan für Luft, Wasser und Boden, den die Kommission 2021 annehmen wird, wird diesen Fragen gewidmet sein. Die Bodenversiegelung und die Sanierung kontaminierter Brachflächen werden in der künftigen Strategie für eine nachhaltige bauliche Umwelt behandelt. Eine Mission im Bereich Bodengesundheit und Ernährung im Rahmen von Horizont Europa
wird darauf abzielen, Lösungen für die Wiederherstellung der Gesundheit und der Funktionen des Bodens zu entwickeln.
2.2.4.Vergrößerung der Waldbestands und Verbesserung seiner Gesundheit und Widerstandsfähigkeit
Wälder sind für die Biodiversität, die Klima- und Wasserregulierung, die Bereitstellung von Lebensmitteln, Arzneimitteln und Rohstoffen, die Kohlenstoffbindung und -speicherung und die Bodenstabilisierung sowie die Reinigung von Luft und Wasser von großer Bedeutung. Sie sind auch ein natürlicher Ort für Erholung und das Lernen über die Natur. Forstwirte spielen eine Schlüsselrolle dabei, eine nachhaltige Waldbewirtschaftung zu gewährleisten und die biologische Vielfalt in den Wäldern wiederherzustellen und zu erhalten.
Neben dem strengen Schutz aller verbleibenden Primär- und Urwälder in der EU muss die EU die Quantität, Qualität und Widerstandsfähigkeit ihrer Wälder verbessern, insbesondere im Hinblick auf Brände, Dürren, Schädlinge, Krankheiten und andere Bedrohungen, die durch den Klimawandel voraussichtlich zunehmen werden. Damit sie ihre Funktionen in Bezug auf die Biodiversität und das Klima erfüllen können, müssen alle Wälder in einem guten Zustand gehalten werden. Widerstandsfähigere Wälder können eine widerstandsfähigere Wirtschaft unterstützen. Ferner spielen sie eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von Rohstoffen, Produkten und Dienstleistungen, die für die kreislauforientierte Bioökonomie von zentraler Bedeutung sind.
Um dies zu erreichen, wird die Kommission 2021 eine spezielle EU-Forststrategie vorschlagen, die im Einklang mit unseren weiter gefassten Zielen der Biodiversität und der Klimaneutralität steht. Sie wird einen Fahrplan für die Anpflanzung von mindestens 3 Mrd. neuen Bäumen in der EU bis 2030 unter uneingeschränkter Achtung der ökologischen Grundsätze enthalten. Dies schafft erhebliche Beschäftigungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Sammlung und dem Anbau von Saatgut, der Anpflanzung von Jungpflanzen und der Sicherstellung ihres Wachstums. Die Anpflanzung von Bäumen ist besonders in Städten von Vorteil; in ländlichen Gebieten gelingt sie gut in Verbindung mit Agroforstwirtschaft, Landschaftselementen und verstärkter Kohlenstoffbindung. Gleichzeitig wird die Kommission weiterhin mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die EU ausreichend ausgestattet ist, um große Waldbrände, die auch die Biodiversität in den Wäldern erheblich schädigen können, zu verhindern und darauf zu reagieren.
Die Aufforstung, Wiederaufforstung und Anpflanzung von Bäumen zur Unterstützung der biologischen Vielfalt und der Wiederherstellung von Ökosystemen werden durch die GAP-Strategiepläne und die Kohäsionsfonds gefördert. Die neue Europäische Plattform für die Begrünung der Städte
wird die Anpflanzung von Bäumen in Städten, auch im Rahmen des LIFE-Programms, erleichtern.
Der Anteil der Waldflächen, für die Bewirtschaftungspläne gelten, sollte alle bewirtschafteten Wälder im Besitz der öffentlichen Hand und eine wachsende Zahl privater Wälder umfassen, und biodiversitätsfreundliche Methoden wie naturbasierte forstwirtschaftliche Verfahren sollten fortgeführt und weiterentwickelt werden. Um dies zu unterstützen, wird die Kommission die Leitlinien für biodiversitätsfreundliche Aufforstung und Wiederaufforstung sowie naturbasierte forstwirtschaftliche Verfahren überarbeiten. Dies wird parallel zur neuen EU-Forststrategie erfolgen.
Um ein besseres Bild von der Gesundheit der europäischen Wälder zu erhalten, wird die Kommission mit anderen Datenlieferanten zusammenarbeiten, um das Waldinformationssystem für Europa weiterzuentwickeln. Dies wird dazu beitragen, aktuelle Bewertungen des Zustands der europäischen Wälder zu erstellen und alle EU-Plattformen für Walddaten zu verknüpfen. Dies wird auch im Rahmen der EU-Forststrategie vorgestellt werden.
2.2.5.Für alle Seiten vorteilhafte Lösungen für die Energieerzeugung
Die Dekarbonisierung des Energiesystems ist für die Klimaneutralität sowie für die Erholung der EU von der COVID-19-Krise und ihren langfristigen Wohlstand von entscheidender Bedeutung. Eine nachhaltigere Nutzung erneuerbarer Energien wird für die Bekämpfung des Klimawandels und des Verlusts an biologischer Vielfalt wesentlich sein. Die EU wird Lösungen wie Meeresenergie und Offshore-Windenergie, die auch die Wiederauffüllung von Fischbeständen ermöglichen, Solarparks mit biodiversitätsfreundlicher Bodenbedeckung und nachhaltiger Bioenergie Vorrang geben.
Um die Klima- und Umweltrisiken zu mindern, die durch die zunehmende Nutzung bestimmter Bioenergiequellen entstehen, enthält die überarbeitete Erneuerbare-Energien-Richtlinie
strengere Nachhaltigkeitskriterien. Darüber hinaus fördert sie den Übergang zu aus Reststoffen sowie nicht wiederverwendbaren und nicht rezyklierbaren Abfällen gewonnenen fortgeschrittenen Biokraftstoffen. Dieser Ansatz sollte weiterhin für alle Arten von Bioenergie gelten. Die Nutzung ganzer Bäume und von Lebens- und Futtermittelpflanzen für die Energieerzeugung – unabhängig davon, ob sie innerhalb der EU stattfindet oder die Energie importiert wird – sollte auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
Um die potenziellen Risiken für das Klima und die biologische Vielfalt besser zu verstehen und zu überwachen, bewertet die Kommission das Angebot an und die Nachfrage nach Biomasse in der EU und weltweit sowie deren Nachhaltigkeit.
Als Teil ihrer ehrgeizigeren Zielsetzung, Waldökosysteme zu schützen und wiederherzustellen, wird die Kommission die Ergebnisse dieser Arbeiten zur Nutzung von forstwirtschaftlicher Biomasse für die Energieerzeugung bis Ende 2020 veröffentlichen. Dies wird in die Politikgestaltung der Kommission einfließen, auch in die Überprüfung und gegebenenfalls Überarbeitung des Ambitionsniveaus der Erneuerbare-Energien-Richtlinie, des Emissionshandelssystems und der Verordnung über Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF), die für 2021 vorgesehen sind.
Im Einklang mit der Erneuerbare-Energien-Richtlinie wird die Kommission 2021 auch operative Leitlinien zu den neuen Nachhaltigkeitskriterien für die energetische Nutzung forstwirtschaftlicher Biomasse
ausarbeiten. Außerdem wird sie 2021 die Daten über Biokraftstoffe mit hohem Risiko indirekter Landnutzungsänderungen überprüfen und einen Zielpfad für die schrittweise Abschaffung dieser Kraftstoffe bis 2030 festlegen.
Vor allem soll sichergestellt werden, dass der EU-Rechtsrahmen für Bioenergie mit den im europäischen Grünen Deal festgelegten ehrgeizigeren Zielen im Einklang steht.
2.2.6.Wiederherstellung des guten Umweltzustands der Meeresökosysteme
Wiederhergestellte und angemessen geschützte Meeresökosysteme bringen erheblichen gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Nutzen für Küstengemeinden und die EU insgesamt. Die Notwendigkeit strengerer Maßnahmen ist umso dringlicher, als der Verlust an biologischer Vielfalt der Meeres- und Küstenökosysteme durch die Erderwärmung stark verschärft wird.
Das Erreichen eines guten Umweltzustands der Meeresökosysteme, auch durch die Einrichtung von streng geschützten Gebieten, muss auch die Wiederherstellung kohlenstoffreicher Ökosysteme sowie wichtiger Laich- und Aufwuchsgebiete einbeziehen. Einige Formen der heutigen Meeresnutzung gefährden die Ernährungssicherheit, die Existenzgrundlagen der Fischer und die Fisch- und Meeresfrüchtesektoren. Die Meeresressourcen müssen nachhaltig genutzt werden, und es muss eine Politik der Nulltoleranz gegenüber illegalen Praktiken vertreten werden. Die vollständige Umsetzung der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU‚ der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie sowie der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie ist in diesem Zusammenhang von wesentlicher Bedeutung.
Die Anwendung eines ökosystembasierten Bewirtschaftungskonzepts im Rahmen des EU-Rechts
wird die negativen Auswirkungen der Fischerei, der Gewinnung von Rohstoffen und anderer menschlicher Tätigkeiten, insbesondere auf empfindliche Arten und Lebensräume am Meeresboden, verringern. Um dies zu unterstützen, sollten die nationalen maritimen Raumordnungspläne‚ die die Mitgliedstaaten 2021 vorlegen müssen, alle maritimen Sektoren und Tätigkeiten abdecken sowie gebietsbezogene Erhaltungsmaßnahmen umfassen.
Die Kommission wird bis 2021 ferner einen neuen Aktionsplan zur Erhaltung der Fischereiressourcen und zum Schutz der Meeresökosysteme vorschlagen. Erforderlichenfalls werden Maßnahmen eingeführt, die den Einsatz von für die Biodiversität u. a. am Meeresboden besonders schädlichen Fanggeräten beschränken. Die Kommission wird auch prüfen, wie der Einsatz von grundberührenden Fanggeräten mit den Biodiversitätszielen zu vereinbaren ist, da Tätigkeiten mit diesen Fanggeräten derzeit am schädlichsten für den Meeresboden sind. Dies muss auf faire und für alle gerechte Weise geschehen. Der Europäische Meeres- und Fischereifonds sollte auch den Übergang zu selektiveren und weniger schädlichen Fangtechniken unterstützen.
Gesunde Fischbestände sind für den langfristigen Wohlstand der Fischer, die Gesundheit unserer Ozeane und die biologische Vielfalt von entscheidender Bedeutung. Deshalb ist es umso wichtiger, die fischereiliche Sterblichkeit auf dem Niveau des höchstmöglichen Dauerertrags zu halten oder unter dieses Niveau zu bringen. Dies wird zu einer gesunden Alters- und Größenverteilung bei den Fischbeständen beitragen.
Ferner müssen Beifänge von Populationen, deren Arten vom Aussterben bedroht sind, unterbunden oder auf ein Niveau verringert werden, das eine vollständige Erholung ermöglicht. Dies sollte auch für Bestände gelten, die sich in schlechtem Erhaltungszustand oder in keinem guten Umweltzustand befinden. Darüber hinaus müssen Beifänge von Populationen anderer Arten
unterbunden oder, wenn dies nicht möglich ist, minimiert werden, damit ihr Erhaltungszustand nicht gefährdet wird. Um dies zu unterstützen, muss die Erhebung von Daten über Beifänge für alle empfindlichen Arten intensiviert werden.
Darüber hinaus müssen in allen Meeresschutzgebieten auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten und klar definierter Erhaltungsziele Fischereibewirtschaftungsmaßnahmen festgelegt werden.
2.2.7.Wiederherstellung von Süßwasserökosystemen
Der EU-Rechtsrahmen im Wasserbereich ist ambitioniert, seine Umsetzung hinkt jedoch hinterher und die Durchsetzung muss beschleunigt werden
. Um die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen, müssen größere Anstrengungen unternommen werden, damit die Süßwasserökosysteme und die natürlichen Funktionen der Flüsse wiederhergestellt werden. Dies kann durch die Beseitigung oder Anpassung von Barrieren erreicht werden, die die Fischwanderung verhindern, und durch die Verbesserung des Wasser- und des Sedimentflusses. Um dies zu erreichen, werden bis 2030 mindestens 25 000 Flusskilometer wieder in frei fließende Flüsse umgewandelt
, indem in erster Linie nicht mehr in Betrieb befindliche Barrieren beseitigt und Überschwemmungsflächen und Feuchtgebiete wiederhergestellt werden. 2021 wird die Kommission die Mitgliedstaaten im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden bei der Ermittlung von Standorten und der Mobilisierung von Finanzmitteln technisch beraten und unterstützen.
Die Behörden der Mitgliedstaaten sollten die Genehmigungen zur Wasserentnahme und Aufstauung im Hinblick auf die Umsetzung der ökologisch erforderlichen Mindestwassermengen überprüfen, um gemäß der Wasserrahmenrichtlinie bis spätestens 2027 einen guten Zustand oder ein gutes Potenzial aller Oberflächengewässer und einen guten Zustand des gesamten Grundwassers zu erreichen.
Zu diesem Zweck wird die Kommission die Mitgliedstaaten 2023 bei ihren Maßnahmen technisch unterstützen.
Insgesamt können umfangreiche Investitionen in die Wiederherstellung von Flüssen und Überschwemmungsflächen
den an der Wiederherstellung beteiligten Branchen und den lokalen sozioökonomischen Tätigkeiten wie Tourismus und Erholung einen großen wirtschaftlichen Aufschwung verleihen. Gleichzeitig können diese Investitionen die Wasserregulierung, den Hochwasserschutz, die Bedingungen in den Fischaufwuchsgebieten und die Beseitigung der Nährstoffbelastung verbessern.
2.2.8.Begrünung städtischer und stadtnaher Gebiete
Städtische Grünflächen – von Parks und Gärten bis hin zu begrünten Dächern und Stadtbauernhöfen – bieten zahlreiche Vorteile für die Menschen sowie Chancen für Unternehmen und einen Schutzraum für die Natur. Sie verringern die Luft- und Wasserverschmutzung sowie die Lärmbelastung, bieten Schutz vor Überschwemmungen, Dürren und Hitzewellen und erhalten die Verbindung zwischen Mensch und Natur
.
Die jüngsten Ausgangsbeschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie haben uns den Wert städtischer Grünflächen für unser physisches und psychisches Wohlbefinden vor Augen geführt. Zwar wurde der Schutz einiger städtischer Grünflächen verstärkt
, im Wettbewerb um Land haben Grünflächen jedoch meist das Nachsehen, da der Anteil der in städtischen Gebieten lebenden Bevölkerung weiter zunimmt.
Die vorliegende Strategie zielt darauf ab, diese Trends umzukehren und dem Verlust ökologisch wertvoller städtischer Ökosysteme ein Ende zu setzen. Die Förderung gesunder Ökosysteme, grüner Infrastrukturen und naturbasierter Lösungen sollte systematisch in die Stadtplanung einbezogen werden‚ und zwar auch bei der Planung öffentlicher Räume und Infrastrukturen sowie bei der Gestaltung von Gebäuden und ihrer Umgebung.
Um der Natur wieder mehr Raum in unseren Städten zu geben und Gemeinschaftsmaßnahmen zu belohnen, fordert die Kommission europäische Städte ab 20 000 Einwohnern auf, bis Ende 2021 ehrgeizige Pläne für die Begrünung der Städte auszuarbeiten. Dazu sollten Maßnahmen zur Schaffung von biologisch vielfältigen und zugänglichen städtischen Wäldern, Parks und Gärten, Stadtbauernhöfen, begrünten Dächern und Mauern, Alleen, städtischen Wiesen und Hecken gehören. Diese Pläne sollten auch dazu beitragen, die Verbindungen zwischen Grünflächen zu verbessern, den Einsatz von Pestiziden zu unterbinden sowie das übermäßige Mähen städtischer Grünflächen und andere Praktiken, die die biologische Vielfalt schädigen, zu begrenzen. Solche Pläne könnten politische, regulatorische und finanzielle Instrumente mobilisieren.
Um dies zu erleichtern, wird die Kommission im Rahmen einer mit den Städten und Bürgermeistern getroffenen neuen „Vereinbarung für grüne Städte“
im Jahr 2021 eine EU-Plattform für die Begrünung der Städte einrichten. Dies wird in enger Abstimmung mit dem Europäischen Konvent der Bürgermeister geschehen. Die Pläne für die Begrünung der Städte werden eine zentrale Rolle bei der Verleihung der Titel „Grüne Hauptstadt Europas 2023“ und „Grünes Blatt Europas 2022“ spielen.
Die Kommission wird die Mitgliedstaaten und die lokalen und regionalen Behörden durch technische Leitlinien unterstützen und zur Mobilisierung von Finanzmitteln und zum Aufbau von Kapazitäten beitragen. Sie wird diese Ziele auch in den europäischen Klimapakt integrieren.
2.2.9.Verringerung der Umweltverschmutzung
Die Umweltverschmutzung ist eine der Hauptursachen für den Verlust an biologischer Vielfalt und hat schädliche Auswirkungen auf unsere Gesundheit und die Umwelt. Zwar verfügt die EU über einen soliden Rechtsrahmen zur Verringerung der Umweltverschmutzung‚ jedoch sind noch größere Anstrengungen erforderlich. Die biologische Vielfalt leidet unter der Freisetzung von Nährstoffen, chemischen Pestiziden, Arzneimitteln und gefährlichen Chemikalien sowie der Belastung durch kommunales und industrielles Abwasser und andere Abfälle, einschließlich Müll und Kunststoffe. All diese Belastungen müssen verringert werden.
Im Rahmen des Null-Schadstoff-Ziels der Kommission für eine schadstofffreie Umwelt soll eine neue EU-Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien zusammen mit einem Null-Schadstoff-Aktionsplan für Luft, Wasser und Boden vorgelegt werden.
Zudem wird sich die Kommission für das Ziel einsetzen, die Verschmutzung durch Stickstoff- und Phosphorströme aus Düngemitteln durch eine Verringerung der Nährstoffverluste um mindestens 50 % zu vermeiden, ohne dabei die Bodenfruchtbarkeit zu beeinträchtigen. Dies wird zu einer Verringerung des Einsatzes von Düngemitteln um mindestens 20 % führen. Dies soll erreicht werden, indem die einschlägigen Umwelt- und Klimavorschriften vollständig umgesetzt und durchgesetzt werden, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten ermittelt wird, inwieweit Nährstoffbelastungen verringert werden müssen, um diese Ziele zu erreichen, eine ausgewogene Düngung und eine nachhaltige Nährstoffbewirtschaftung angewandt werden und indem der Umgang mit Stickstoff und Phosphor über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg verbessert wird. Zu diesem Zweck wird die Kommission 2022 mit den Mitgliedstaaten einen Aktionsplan für integrierte Nährstoffbewirtschaftung ausarbeiten. Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ wird sich mit der Verringerung des Pestizideinsatzes und des von Pestiziden ausgehenden Risikos befassen und eine umfassendere Umsetzung des integrierten Pflanzenschutzes
unterstützen. Als Teil dieser Strategie soll die Bewertung der von Pestiziden ausgehenden Umweltrisiken gestärkt werden. Die Umweltbelastung durch Kunststoffe wird insbesondere mit der Umsetzung der europäischen Strategie für Kunststoffe
und des neuen Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft
angegangen.
Die Kommission wird eine Reihe von Indikatoren für die schrittweise Verringerung der Umweltverschmutzung entwickeln und Ausgangswerte für die Überwachung der Fortschritte festlegen. Die durch Abfälle im Meer und Unterwasserlärm verursachten Belastungen werden im Rahmen der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie angegangen.
2.2.10.Umgang mit invasiven gebietsfremden Arten
Invasive gebietsfremde Arten können die Bemühungen um den Schutz und die Wiederherstellung der Natur erheblich untergraben. Sie verursachen nicht nur erhebliche Schäden für Natur und Wirtschaft, sondern viele dieser Arten begünstigen auch den Ausbruch und die Verbreitung von Infektionskrankheiten, die eine Bedrohung für Menschen und die Tier- und Pflanzenwelt darstellen.
Die Zahl der Freisetzungen invasiver gebietsfremder Arten hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Von den 1872 Arten, die heute in Europa als gefährdet gelten, werden 354 von invasiven gebietsfremden Arten gefährdet. Ohne wirksame Kontrollmaßnahmen wird die Zahl der invasiven Arten weiter steigen und die damit verbundenen Risiken für unsere Natur und unsere Gesundheit werden weiter zunehmen.
Die Umsetzung der EU-Verordnung über invasive gebietsfremde Arten
und anderer einschlägiger Rechtsvorschriften und internationaler Übereinkünfte muss ebenfalls vorangetrieben werden. Dies sollte darauf abzielen, die Einschleppung und Ansiedlung gebietsfremder Arten in der EU zu minimieren und nach Möglichkeit ganz zu verhindern. Ziel ist es, den Umgang mit etablierten invasiven gebietsfremden Arten zu regeln und die Zahl der von ihnen gefährdeten und auf der Roten Liste stehenden Arten um 50 % zu verringern.
EU-Plan zur Wiederherstellung der Natur: zentrale Verpflichtungen bis 2030
1.Nach einer Folgenabschätzung sollen 2021 die rechtlich verbindlichen Ziele der EU für die Wiederherstellung der Natur vorgeschlagen werden. Bis 2030 sollen bedeutende Gebiete mit geschädigten und kohlenstoffreichen Ökosystemen wiederhergestellt werden, Lebensräume und Arten keine Verschlechterung der Erhaltungstendenzen und des Erhaltungszustands aufweisen und mindestens 30 % dieser Lebensräume und Arten einen günstigen Erhaltungszustand oder zumindest einen positiven Trend verzeichnen.
2.Der Rückgang an Bestäubern soll umgekehrt werden.
3.Das Risiko und der Einsatz chemischer Pestizide soll um 50 % und der Einsatz gefährlicherer Pestizide ebenfalls um 50 % verringert werden.
4.Mindestens 10 % der landwirtschaftlichen Flächen sollen Landschaftselemente mit großer biologischer Vielfalt aufweisen.
5.Mindestens 25 % der landwirtschaftlichen Flächen sollen ökologisch/biologisch bewirtschaftet und die Anwendung agrarökologischer Verfahren deutlich gesteigert werden.
6.Drei Milliarden neue Bäume sollen in der EU unter uneingeschränkter Beachtung der ökologischen Grundsätze angepflanzt werden.
7.Es sollen erhebliche Fortschritte bei der Sanierung kontaminierter Böden gemacht werden.
8.Mindestens 25 000 Flusskilometer sollen als frei fließende Flüsse wiederhergestellt werden.
9.Die Zahl der auf der Roten Liste befindlichen Arten, die von invasiven gebietsfremden Arten gefährdet werden, soll um 50 % zurückgehen.
10.Die Nährstoffverluste aus Düngemitteln sollen um 50 % verringert werden, was zu einer Verringerung des Düngemitteleinsatzes um mindestens 20 % führen wird.
11.Städte ab 20 000 Einwohnern sollen über einen ehrgeizigen Plan für die Begrünung der Städte verfügen.
12.Es sollen keine chemischen Pestizide in empfindlichen Gebieten wie den städtischen Grünflächen der EU eingesetzt werden.
13.Die negativen Auswirkungen auf empfindliche Arten und Lebensräume, auch durch die Fischerei und Fördertätigkeiten am Meeresboden, sollen erheblich verringert werden, um einen guten Umweltzustand zu erreichen.
14.Der Beifang von Arten soll unterbunden oder auf ein Niveau reduziert werden, das die Erholung und Erhaltung der Arten ermöglicht.
3.Ermöglichung eines tief greifenden Wandels
3.1.Ein neuer Governance-Rahmen
In der EU gibt es derzeit keinen umfassenden Governance-Rahmen, um die Umsetzung der auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene eingegangenen Verpflichtungen im Bereich der biologischen Vielfalt zu steuern. Um diese Lücke zu schließen, wird die Kommission einen neuen europäischen Governance-Rahmen im Bereich der Biodiversität schaffen. Dieser wird dazu beitragen, Verpflichtungen und Zusagen zu erfassen und einen Fahrplan für deren Umsetzung aufzustellen.
Als Teil dieses neuen Rahmens wird die Kommission einen Überwachungs- und Überprüfungsmechanismus einrichten. Er wird eine Reihe vereinbarter eindeutiger Indikatoren umfassen und eine regelmäßige Bewertung der Fortschritte sowie gegebenenfalls erforderliche Korrekturmaßnahmen ermöglichen. Dieser Mechanismus wird in die Überprüfung der Umsetzung der Umweltpolitik einfließen und zum Europäischen Semester beitragen.
Der neue Governance-Rahmen wird die gemeinsame Verantwortung und die gemeinsame Beteiligung aller relevanten Akteure in Bezug auf die Erfüllung der Biodiversitätsverpflichtungen der EU gewährleisten. Er wird den Aufbau von Verwaltungskapazitäten, Transparenz, den Dialog mit den Interessenträgern und die partizipative Governance auf verschiedenen Ebenen unterstützen.
Die Kommission wird die Fortschritte und die Eignung dieses Ansatzes im Jahr 2023 bewerten und prüfen, ob ein rechtsverbindlicher Governance-Ansatz erforderlich ist.
3.2.Verstärkte Bemühungen bei Umsetzung und Durchsetzung von EU-Umweltvorschriften
Die Wirksamkeit von Umweltvorschriften ist von einer ordnungsgemäßen Umsetzung und Durchsetzung abhängig. In den vergangenen 30 Jahren hat die EU einen soliden Rechtsrahmen für den Schutz und die Wiederherstellung ihres Naturkapitals geschaffen. Jüngste Evaluierungen zeigen jedoch, dass die Rechtsvorschriften zwar ihren Zweck erfüllen, die Umsetzung vor Ort jedoch hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Dies hat dramatische Folgen für die biologische Vielfalt und verursacht erhebliche wirtschaftliche Kosten
. Die vollständige Umsetzung und Durchsetzung des EU-Umweltrechts stehen daher im Mittelpunkt dieser Strategie, für die in erster Linie politische Unterstützung sowie finanzielle und personelle Ressourcen gewonnen werden müssen.
In Bezug auf die FFH- und die Vogelschutzrichtlinie wird der Schwerpunkt der Durchsetzung auf der Vollendung des Natura-2000-Netzes‚ der wirksamen Bewirtschaftung aller Gebiete, den Artenschutzbestimmungen und den Arten und Lebensräumen liegen, die rückläufige Trends aufweisen. Die Kommission wird ferner sicherstellen, dass umweltrelevante Rechtsvorschriften mit Auswirkungen auf die biologische Vielfalt
besser umgesetzt, durchgesetzt und erforderlichenfalls überprüft und überarbeitet werden.
Die Kommission wird sich bemühen, die Einhaltung der Vorschriften zu verbessern, indem sie eng mit den Mitgliedstaaten und den europäischen Netzwerken von Umweltagenturen, Inspektoren, Prüfern, Polizei, Staatsanwälten und Richtern zusammenarbeitet.
Darüber hinaus wird die Kommission die Rolle der Zivilgesellschaft als Überwachungsinstanz für die Einhaltung der Vorschriften unterstützen und mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um den Zugang von Einzelpersonen und NRO zu nationalen Gerichten in Umweltangelegenheiten zu verbessern. Mit ihrem Vorschlag zur Überarbeitung der Århus-Verordnung
wird die Kommission zudem die Position von NRO stärken.
3.3.Ein integrierter und gesamtgesellschaftlicher Ansatz als Ausgangspunkt
3.3.1.„Business for Biodiversity“ – Engagement der Unternehmen für Biodiversität
Im Sinne des partnerschaftlichen Geistes dieser Strategie müssen alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche ihre Rolle spielen. Die Tätigkeiten von Industrie und Wirtschaft wirken sich auf die Natur aus, andererseits bringen diese Branchen auch wichtige Innovationen, Partnerschaften und Kenntnisse hervor, die dazu beitragen können, dem Verlust an biologischer Vielfalt entgegenzuwirken.
Um sicherzustellen, dass ökologische und soziale Interessen vollständig in den Geschäftsstrategien der Unternehmen berücksichtigt werden, wird die Kommission 2021 eine neue Initiative für nachhaltige Corporate-Governance vorlegen. Diese Initiative kann die Form eines Legislativvorschlags annehmen und wird sich mit den Menschenrechten, der ökologischen Sorgfaltspflicht und der Sorgfaltsprüfung befassen, die über wirtschaftliche Wertschöpfungsketten hinweg in angemessener Weise und je nach Größe der Unternehmen vorgenommen wird
. Dies wird dazu beitragen, dass die Interessen von Aktionären und Interessenträgern in vollem Umfang mit den Zielen dieser Strategie in Einklang gebracht werden. Darüber hinaus leitete die Kommission im Jahr 2020 eine Überprüfung der Berichtspflichten von Unternehmen im Rahmen der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen
ein‚ um die Qualität und den Umfang nichtfinanzieller Angaben, auch in Bezug auf Umweltaspekte wie die biologische Vielfalt, zu verbessern.
Über ihre bestehenden Plattformen
wird die Kommission dazu beitragen‚ eine europäische Bewegung der Unternehmen für die Biodiversität – European Business for Biodiversity – ins Leben zu rufen, die sich an jüngsten Initiativen
orientieren wird und zu einem festen Bestandteil des europäischen Klimapakts werden soll. Besondere Aufmerksamkeit gilt Maßnahmen zur Beseitigung von Hindernissen und zur Schaffung von Anreizen für die Einführung naturbasierter Lösungen, da diese erhebliche Geschäfts- und Beschäftigungsmöglichkeiten in verschiedenen Sektoren
eröffnen können und der Schlüssel zu Innovationen im Hinblick auf von der Natur abhängige wirtschaftliche oder gesellschaftliche Bedürfnisse sind.
3.3.2.Investitionen, Bepreisung und Besteuerung
Für die Bekämpfung des Verlusts an biologischer Vielfalt und die Wiederherstellung von Ökosystemen sind erhebliche öffentliche und private Investitionen auf nationaler und europäischer Ebene erforderlich. Dies bedeutet, dass alle einschlägigen Programme und Finanzierungsinstrumente der EU bestmöglich genutzt werden müssen. Die Kommission wird ihren Rahmen zur Gewährleistung des Schutzes der biologischen Vielfalt
stärken, um sicherzustellen, dass mit EU-Mitteln biodiversitätsfreundliche Investitionen gefördert werden. Dies kann unter anderem gewährleistet werden, indem die im Rahmen der EU-Taxonomieverordnung festgelegten Kriterien in geeigneter Weise angewendet werden.
Um den Erfordernissen dieser Strategie unter anderem in Bezug auf die Investitionsprioritäten für Natura 2000 und die grüne Infrastruktur zu entsprechen, sollten jährlich mindestens 20 Mrd. EUR
für Ausgaben zugunsten der Natur bereitgestellt werden. Dies erfordert die Mobilisierung privater und öffentlicher Mittel auf nationaler Ebene und EU-Ebene
, unter anderem durch eine Reihe verschiedener Programme im nächsten langfristigen EU-Haushalt. Da die Wiederherstellung der Natur einen wesentlichen Beitrag zu den Klimazielen leisten wird, soll ein erheblicher Teil der für den Klimaschutz vorgesehenen 25 % des EU-Haushalts in den Schutz der biologischen Vielfalt und in naturbasierte Lösungen investiert werden.
Im Rahmen von InvestEU wird eine spezielle Initiative für Naturkapital und Kreislaufwirtschaft ins Leben gerufen, mit der in den nächsten zehn Jahren auf der Grundlage einer öffentlichen/privaten Mischfinanzierung Mittel im Umfang von mindestens 10 Mrd. EUR mobilisiert werden sollen. Natur und biologische Vielfalt werden auch eine Priorität des Investitionsplans für den europäischen Grünen Deal sein. Um die Mobilisierung der erforderlichen Investitionen anzustoßen, muss die EU den Investoren langfristige Sicherheit bieten und dazu beitragen, die Nachhaltigkeit im Finanzsystem zu verankern. Die EU-Taxonomie zum nachhaltigen Finanzwesen wird dazu dienen, Investitionen in einen grünen Aufschwung und die Einführung naturbasierter Lösungen zu lenken. Im Jahr 2021 wird die Kommission einen delegierten Rechtsakt im Rahmen der Taxonomieverordnung
erlassen‚ um eine gemeinsame Systematik der Wirtschaftszweige festzulegen, die wesentlich zum Schutz und zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme beitragen. Dies soll im Verlauf dieses Jahres durch eine neue Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen unterstützt werden, mit der sichergestellt werden soll, dass das Finanzsystem zur Minderung bestehender und künftiger Risiken für die biologischen Vielfalt beiträgt und ersichtlich wird, wie sich der Verlust an biologischer Vielfalt auf die Rentabilität und die langfristigen Aussichten der Unternehmen auswirkt
.
Die Kommission wird weiterhin Systeme für die Besteuerung und Bepreisung fördern, die die Umweltkosten, einschließlich der Kosten für den Verlust an biologischer Vielfalt‚ widerspiegeln. Damit sollen Änderungen der nationalen Steuersysteme angeregt werden, um die Steuerlast vom Faktor Arbeit auf Faktoren wie Umweltverschmutzung, unterpreisige Ressourcen und andere ökologische externe Effekte zu verlagern. Das „Nutzerprinzip“ und das „Verursacherprinzip“ müssen angewandt werden, um Umweltschäden zu verhindern und rückgängig zu machen.
Die Kaufkraft der Behörden macht 14 % des BIP der EU aus und kann die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen von Unternehmen stark ankurbeln, die in naturbasierte Lösungen investieren oder zu solchen beitragen. Um dieses Potenzial zu nutzen, wird die Kommission bei der Ausarbeitung weiterer Rechtsvorschriften und Leitlinien im Bereich der umweltorientierten öffentlichen Beschaffung bestimmte Kriterien und den Aspekt der Überwachung integrieren, damit naturbasierte Lösungen gefördert werden.
3.3.3.Messung und Berücksichtigung des Werts der Natur
Die Belange der biologischen Vielfalt müssen auf allen Ebenen besser in die Entscheidungsprozesse der Öffentlichkeit und der Wirtschaft einbezogen werden. Aufbauend auf den bisherigen Arbeiten
wird die Kommission im Jahr 2021 Methoden, Kriterien und Standards entwickeln, um die wesentlichen Merkmale der Biodiversität, ihrer Dienstleistungen, Werte und nachhaltigen Nutzung zu beschreiben.
Dazu gehört auch die Messung des ökologischen Fußabdrucks von Produkten und Organisationen‚ einschließlich der Anwendung von Lebenszykluskonzepten und der Bilanzierung des Naturkapitals. In diesem Zusammenhang wird die Kommission die Einrichtung einer internationalen Initiative zur Bilanzierung des Naturkapitals unterstützen.
3.3.4.Verbesserung von Kenntnissen, Bildung und Kompetenzen
Der Kampf gegen den Verlust an biologischer Vielfalt muss durch fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse untermauert werden. Investitionen in Forschung, Innovation und Wissensaustausch werden für die Sammlung der besten Daten und die Entwicklung der besten naturbasierten Lösungen von entscheidender Bedeutung sein. Durch Forschung und Innovation kann erprobt und entwickelt werden, wie „grüne“ Lösungen Vorrang vor „grauen“ Lösungen erhalten und die Kommission bei der Förderung von Investitionen in naturbasierte Lösungen, z. B. in alten Industriegebieten, einkommensschwachen Regionen oder von Katastrophen betroffenen Gebieten, unterstützt werden kann.
Die neue Agenda für Kompetenzen wird eine Schlüsselrolle beim Übergang zu einer grünen Wirtschaft und bei der Bekämpfung des Verlusts an biologischer Vielfalt spielen, wobei der Schwerpunkt auf der Ausbildung und Umschulung der Arbeitskräfte in einer Vielzahl von Sektoren liegen wird.
Das künftige Programm „Horizont Europa“ wird eine langfristige strategische Forschungsagenda für die biologische Vielfalt mit einer höheren Mittelausstattung umfassen, die einen Wissenschaft und Politik verknüpfenden Mechanismus für forschungsbasierte Optionen zur Beschleunigung der Umsetzung der Biodiversitätsverpflichtungen einschließt. Die Missionen im Rahmen von „Horizont Europa“
werden erheblich dazu beitragen, Wissenslücken zu schließen und Lösungen zur Verbesserung des Zustands der Ökosysteme und ihres Beitrags zur menschlichen Gesundheit zu finden.
Parallel dazu wird die Kommission Partnerschaften, einschließlich einer speziellen Partnerschaft zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, fördern und erleichtern, um eine Brücke zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis zu schlagen und naturbasierte Lösungen vor Ort Wirklichkeit werden zu lassen. Zudem wird die Kommission in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Umweltagentur im Jahr 2020 ein neues Wissenszentrum für biologische Vielfalt einrichten. Das Zentrum wird i) die Fortschritte der EU und ihrer Partner verfolgen und bewerten, auch in Bezug auf die Umsetzung der biodiversitätsbezogenen internationalen Instrumente, ii) die Zusammenarbeit und Partnerschaft, auch zwischen Wissenschaftlern in den Bereichen Klima und Biodiversität, fördern und iii) die Ausarbeitung politischer Strategien unterstützen. Darüber hinaus wird die Kommission ihre Unterstützung für die zwischenstaatliche Plattform Wissenschaft-Politik für Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstärken.
Um die Themen biologische Vielfalt und Ökosysteme in die Schul-, Hochschul- und Berufsausbildung zu integrieren, wird die Kommission 2021 einen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Förderung der Zusammenarbeit bei der Bildung im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit ausarbeiten. Dies wird Schulen und Lehrern Orientierungshilfen für die Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich der Vermittlung von Wissen über die biologische Vielfalt an die Hand geben. Außerdem wird die Kommission Hilfsmaterialien bereitstellen und den Austausch bewährter Verfahren in EU-weit vernetzten Ausbildungsprogrammen für Lehrkräfte erleichtern.
4.Die Europäische Union auf dem Weg zu einer ehrgeizigen globalen Biodiversitätsagenda
Die biologische Vielfalt ist eine Priorität des außenpolitischen Handelns der EU und fester Bestandteil der Bemühungen um die Verwirklichung der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung. Sie wird im Rahmen der „Diplomatie des Grünen Deals“ der EU und künftiger grüner Bündnisse
bei all ihren Tätigkeiten auf bilateraler und multilateraler Ebene Berücksichtigung finden. Die Kommission wird eng mit dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um ein hohes Maß an Ambitionen der EU sicherzustellen und alle Anstrengungen zum Wohle der biologischen Vielfalt in der gesamten Welt zu mobilisieren.
4.1.Ehrgeizigere Ziele und größeres Engagement weltweit
Der Schutz der biologischen Vielfalt ist eine globale Herausforderung, und das nächste Jahrzehnt wird diesbezüglich entscheidend sein. Die weltweiten Anstrengungen im Rahmen des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt haben sich weitgehend als unzureichend erwiesen. Doch wir können uns im Hinblick auf die Natur keine halbherzigen Maßnahmen oder mangelnden Ehrgeiz leisten.
Daher ist die EU bereit, in Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Partnern im Rahmen einer Koalition der hohen Ambitionen für die biologische Vielfalt bei allen Bemühungen eine Führungsrolle zu übernehmen, um auf der bevorstehenden 15. Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt einen ehrgeizigen neuen globalen Rahmen für die Zeit nach 2020 zu vereinbaren.
Mit dieser Strategie schlägt die Kommission ehrgeizige Verpflichtungen vor, die die EU einbringen wird. Außerdem sollte die EU Regierungen und Interessenträger weltweit dabei unterstützen, ihre Ambitionen und ihre Maßnahmen deutlich zu verstärken.
Die Kommission schlägt vor, dass die EU dafür sorgt, dass der globale Rahmen für die Zeit nach 2020 mindestens die folgenden Elemente umfasst:
·Übergeordnete globale Ziele für die biologische Vielfalt bis 2050, die sich an der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung und ihrer Vision von einem „Leben im Einklang mit der Natur“ ausrichten.Das Ziel sollte darin bestehen, dass bis 2050 alle Ökosysteme der Welt wiederhergestellt werden, widerstandsfähig sind und angemessen geschützt werden. Die Welt sollte sich zum Grundsatz des „Netto-Gewinns“ verpflichten, um der Natur mehr zurückzugeben, als sie nimmt. Zudem sollte sich die Welt verpflichten, dass der Mensch zumindest soweit vermeidbar kein Aussterben von Arten verursacht.
·Ehrgeizige globale Ziele für 2030 im Einklang mit den in dieser Strategie genannten Verpflichtungen der EU. Diese sollten sich ausdrücklich mit den Ursachen für den Verlust an biologischer Vielfalt befassen und spezifisch, messbar, durchführbar, sachgerecht und zeitgebunden sein.
·Ein weitaus wirksameres Verfahren zur Umsetzung, Überwachung und Überprüfung. Die Vertragsparteien sollten ihre nationalen Biodiversitätsstrategien und -aktionspläne bis Ende 2021 überarbeiten oder zumindest nationale Verpflichtungen für die wichtigsten Ziele vorlegen. In einem regelmäßigen Überprüfungszyklus sollten die Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele überprüft werden, wobei bei Bedarf die Maßnahmen beschleunigt werden können. Diese Überprüfungen sollten sich auf eine unabhängige, wissenschaftlich fundierte Lückenanalyse und Vorausschauverfahren mit gleichen Schlüsselindikatoren für alle Vertragsparteien stützen.
·Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für die Verwirklichung der Ziele in allen Bereichen wie Finanzen, Kapazitäten, Forschung, Innovation und Technologie.
·Angemessene und faire Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung genetischer Ressourcen im Zusammenhang mit der biologischen Vielfalt.
·Achtung des Grundsatzes der Gleichheit. Dazu gehört die Achtung der Rechte und die uneingeschränkte und wirksame Beteiligung indigener Völker und lokaler Gemeinschaften. Es sollte ein inklusiver Ansatz unter Beteiligung aller Interessenträger, darunter Frauen, Jugendliche, die Zivilgesellschaft, lokale Behörden, der Privatsektor, Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen, verfolgt werden.
4.2.Nutzung außenpolitischer Maßnahmen zur Förderung der Ziele der EU
4.2.1.Internationale Meerespolitik
Im Einklang mit der Agenda für die internationale Meerespolitik
wird sich die EU dafür einsetzen, dass bis Ende 2020 ein ehrgeiziges rechtsverbindliches Übereinkommen über die marine biologische Vielfalt in Gebieten außerhalb nationaler Hoheitsgewalt abgeschlossen wird. In diesem Übereinkommen müssen klare globale Verfahren für die Ermittlung, Ausweisung und wirksame Verwaltung ökologisch repräsentativer Meeresschutzgebiete auf Hoher See festgelegt werden. Es sollte so schnell wie möglich ratifiziert und umgesetzt werden.
Die EU sollte ferner ihren gesamten diplomatischen Einfluss und ihre weitreichende Wirkungssphäre nutzen, um bei der Einigung zur Ausweisung von drei großen Meeresschutzgebieten im Südlichen Ozean
(zwei davon – in der östlichen Antarktis und im Weddell-Meer – stellen einen gemeinsamen Vorschlag unter Beteiligung der EU dar) eine vermittelnde Rolle einzunehmen. Sollte es zu einer Einigung kommen, wäre dies ein bedeutender Meilenstein in der Geschichte des Naturschutzes.
Die Zusammenarbeit mit den Partnerländern und regionalen Organisationen wird fortgesetzt, um Maßnahmen zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung empfindlicher Meeresökosysteme und Arten zu ergreifen, und zwar auch in Gebieten außerhalb der nationalen Hoheitsgewalt, wobei der Schwerpunkt auf Biodiversitäts-Hotspots liegen wird. Die EU sollte kleine Inselentwicklungsländer und andere relevante Partnerländer weiterhin dabei unterstützen, an Treffen regionaler und globaler Organisationen und Gremien teilzunehmen und einschlägige internationale Verpflichtungen und Vorschriften umzusetzen.
Die EU wird einen Null-Toleranz-Ansatz gegenüber illegaler, nicht gemeldeter und unregulierter Fischerei verfolgen und die Überfischung bekämpfen, unter anderem durch WTO-Verhandlungen über ein globales Übereinkommen für ein Verbot von Zuschüssen für Schaden verursachende Fischerei.
In internationalen Verhandlungen sollte sich die EU dafür einsetzen, dass mit dem Abbau von Meeresmineralien in Gebieten, die zum internationalen Meeresboden zählen, erst begonnen werden kann, wenn die Auswirkungen des Tiefseebergbaus auf die Meeresumwelt, die biologische Vielfalt und menschliche Tätigkeiten ausreichend erforscht wurden, die Risiken bekannt sind und die Technologien und operativen Verfahren nachweislich keine schwerwiegenden Umweltschäden verursachen und der Abbau im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip
und unter Berücksichtigung der Entschließung des Europäischen Parlaments
erfolgt. Parallel dazu wird die EU weiterhin Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen des Tiefseebergbaus und zu umweltfreundlichen Technologien finanzieren. Die EU sollte sich auch für mehr Transparenz in internationalen Gremien wie der Internationalen Meeresbodenbehörde einsetzen.
4.2.2.Handelspolitik
Die Handelspolitik wird den ökologischen Wandel aktiv unterstützen und Teil dieses Wandels sein. In diesem Zusammenhang wird die Kommission auch durch den Leitenden Handelsbeauftragten der EU sicherstellen, dass die Bestimmungen über die biologische Vielfalt in allen Handelsabkommen vollständig umgesetzt und durchgesetzt werden. Die Kommission wird die Auswirkungen von Handelsabkommen auf die biologische Vielfalt besser prüfen und Folgemaßnahmen ergreifen, um die in bestehenden oder gegebenenfalls neuen Abkommen enthaltenen Bestimmungen über die biologische Vielfalt zu stärken. Des Weiteren wird die Kommission 2021 einen Legislativvorschlag und andere Maßnahmen vorlegen, um das Inverkehrbringen von Erzeugnissen in der EU zu verhindern oder zu verringern, die mit Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung stehen
, sowie Einfuhren und Wertschöpfungsketten von Erzeugnissen zu fördern, die aus umweltverträglicher Forstbewirtschaftung stammen. Die Kommission wird eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, um gegen den illegalen Artenhandel vorzugehen. Dieser Handel führt zur Dezimierung oder zum Aussterben ganzer Arten und bedient den viertlukrativsten Schwarzmarkt der Welt. Zudem gilt er als eine der Ursachen für die Entstehung von zwischen Mensch und Tier übertragbaren Krankheiten. Aus menschlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Sicht, ist es unsere Pflicht, dagegen vorzugehen.
Vor diesem Hintergrund wird die Kommission 2021 den Aktionsplan der EU zur Bekämpfung des illegalen Artenhandels überarbeiten und im Laufe desselben Jahres eine weitere Verschärfung der Vorschriften für den Elfenbeinhandel in der EU vorschlagen. Zudem wird sie eine mögliche Überarbeitung der Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt prüfen, die unter anderem darin bestehen könnte, ihren Anwendungsbereich auszuweiten und spezifische Bestimmungen über Art und Höhe strafrechtlicher Sanktionen einzuführen. Die Kommission wird in Erwägung ziehen, die Koordinierungs- und Ermittlungskapazitäten des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und Drittländern bei der Bekämpfung des illegalen Handels und der Einfuhr illegaler Produkte in den Binnenmarkt zu stärken.
Die Kommission wird weiterhin mit den Partnerländern zusammenarbeiten, um einen reibungslosen und fairen Übergang zu gewährleisten, indem sie insbesondere die Handelshilfe („Aid for Trade“) mobilisiert, um sicherzustellen, dass die Partner die Vorteile des biodiversitätsfreundlichen Handels nutzen können.
4.2.3.Internationale Zusammenarbeit, Nachbarschaftspolitik und Mobilisierung von Ressourcen
Die Verwirklichung eines ehrgeizigen globalen Rahmens für die biologische Vielfalt für die Zeit nach 2020 erfordert eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Partnern, eine stärkere Unterstützung und Finanzierung sowie den schrittweisen Abbau von Subventionen, die der biologischen Vielfalt schaden. In den vergangenen zehn Jahren sind die EU und ihre Mitgliedstaaten gemeinsam ihrer Verpflichtung, die biodiversitätbezogenen Finanzströme an Entwicklungsländer zu verdoppeln nachgekommen.
Die EU ist bereit, die Zusammenarbeit mit ihren Partnern fortzusetzen und ihre Unterstützung für die Zeit nach 2020 weiter aufzustocken. Dies wird Teil ihrer Arbeit zur Erhaltung, Wiederherstellung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt sowie der Einbeziehung der Biodiversität in alle Maßnahmen der Entwicklungs- und Partnerschaftspolitik sein. Darüber hinaus wird die EU den Druck auf die biologische Vielfalt weltweit verringern, indem sie die Politikkohärenz im Interesse der nachhaltigen Entwicklung in all ihre Politikbereiche einbezieht. Im Rahmen ihrer internationalen Zusammenarbeit sollte die EU nachhaltige Verfahren und Maßnahmen in Landwirtschaft und Fischerei fördern, um weltweit zum Schutz und zur Wiederherstellung der Wälder beizutragen. Besondere Aufmerksamkeit soll auch der nachhaltigen Bewirtschaftung der Wasserressourcen, der Sanierung geschädigter Flächen sowie dem Schutz und der Wiederherstellung biologisch vielfältiger Gebiete mit hohen Ökosystemdienstleistungen und hohem Klimaschutzpotenzial gewidmet werden. Ein besserer Schutz natürlicher Ökosysteme in Verbindung mit Bemühungen zur Verringerung des Handels und des Konsums wildlebender Tiere und Pflanzen wird auch dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit gegenüber möglichen künftigen Krankheiten und Pandemien zu stärken oder deren Ausbruch zu verhindern. Die EU wird ihre Unterstützung für die weltweiten Bemühungen um die Anwendung des Konzepts „Eine Gesundheit“
verstärken‚ mit dem der enge Zusammenhang zwischen menschlicher Gesundheit, tierischer Gesundheit und einer intakten widerstandsfähigen Natur anerkannt wird.
Die EU wird ihre Partnerländer weltweit stärker unterstützen, um die neuen globalen Ziele zu erreichen, Umweltkriminalität zu bekämpfen und gegen die Ursachen des Verlusts an biologischer Vielfalt vorzugehen. In Afrika wird die EU die Initiative NaturAfrica auf den Weg bringen, um die wildlebenden Tier- und Pflanzenarten und die wichtigsten Ökosysteme zu schützen und gleichzeitig der lokalen Bevölkerung Beschäftigungsmöglichkeiten in grünen Sektoren zu bieten. Ähnliche Projekte werden in anderen Regionen entwickelt. Zudem wird die EU auch die Länder des westlichen Balkans und die Nachbarländer der EU bei ihren Bemühungen um den Schutz der biologischen Vielfalt unterstützen.
Die EU wird bei all ihren Maßnahmen die Verbindungen zwischen dem Schutz der biologischen Vielfalt und den Menschenrechten‚ der Geschlechtergleichstellung, der Gesundheit, der Bildung, der Konfliktsensibilität, dem rechtebasierten Ansatz, Landnutzungs- und -besitzfragen und der Rolle indigener Völker und lokaler Gemeinschaften stärken.
Im Rahmen ihrer globalen Bemühungen wird die EU Bündnisse im Interesse der Biodiversität mit Partnern und der Zivilgesellschaft in der ganzen Welt fördern. So hat die Kommission im März 2020 das weltweite Bündnis für Biodiversität, das sich an Nationalparks‚ Aquarien, botanische Gärten, Zoos, Naturkunde- und Wissenschaftsmuseen richtet, ins Leben gerufen, um weltweit das Bewusstsein für die Notwendigkeit des Schutzes und der Förderung der biologischen Vielfalt zu schärfen. Die Kommission zieht in Erwägung, weitere Koalitionen der hohen Ambitionen ins Leben zu rufen oder sich solchen anzuschließen, um zur Entwicklung des Rahmens für die Zeit nach 2020 beizutragen.
5.Fazit
Der Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt sind die einzige Möglichkeit, die Qualität und Kontinuität des menschlichen Lebens auf der Erde zu erhalten. Die in dieser Strategie vorgeschlagenen Verpflichtungen ebnen den Weg für ehrgeizige und notwendige Veränderungen, die das Wohlergehen und den wirtschaftlichen Wohlstand heutiger und künftiger Generationen in einer gesunden Umwelt gewährleisten. Bei der Umsetzung dieser Verpflichtungen werden die unterschiedlichen Herausforderungen in den einzelnen Sektoren, Regionen und Mitgliedstaaten berücksichtigt und der Notwendigkeit Rechnung getragen, soziale Gerechtigkeit, Fairness und Inklusion im Einklang mit der europäischen Säule sozialer Rechte zu gewährleisten. Dies alles erfordert Verantwortungsbewusstsein und starke gemeinsame Anstrengungen der EU, ihrer Mitgliedstaaten, der Interessenträger und der Bürgerinnen und Bürger.
Die Kommission ersucht das Europäische Parlament und den Rat, diese Strategie im Vorfeld der 15. Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt zu billigen. Um die politische Verantwortung für diese Strategie in vollem Umfang zu gewährleisten, wird die Kommission die Einführung eines fixen Tagesordnungspunkts zu den betreffenden Fortschritten im Rat und im Europäischen Parlament vorschlagen. Sie wird die Strategie bis 2024 überprüfen, um die Fortschritte zu bewerten und festzustellen, ob zur Verwirklichung der Ziele weitere Maßnahmen erforderlich sind.