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Document 52016DC0116

    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT ZUM VORSCHLAG FÜR EINE VERORDNUNG DES RATES ÜBER DIE BEREITSTELLUNG VON SOFORTHILFE INNERHALB DER EU

    COM/2016/0116 final

    Brüssel, den 2.3.2016

    COM(2016) 116 final

    MITTEILUNG DER KOMMISSION

    ZUM VORSCHLAG FÜR EINE VERORDNUNG DES RATES ÜBER DIE BEREITSTELLUNG VON SOFORTHILFE INNERHALB DER EU


    1.Hintergrund

    Mehr als 60 Millionen Menschen, die vor Kriegen, anhaltenden Konflikten und schweren Naturkatastrophen geflohen sind, leben derzeit fern ihrer Heimat. Zwischen Januar 2015 und Februar 2016 sind in der Europäischen Union über 1,1 Millionen Menschen – Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten – eingetroffen, die entweder vor Konflikten in ihren Herkunftsländern geflohen oder auf der Suche nach einem besseren Leben und mehr Sicherheit sind. Trotz des Winters war die Anzahl der Flüchtlinge und Migranten, die 2016 die EU erreicht haben, zehnmal höher als im selben Zeitraum des Jahres 2015. 1

    Die Europäische Kommission bemüht sich um eine tragfähige und abgestimmte europäische Lösung 2 . Es wurde eine ganze Reihe von Vorschlägen vorgelegt, um den Mitgliedstaaten die notwendigen Mittel für die Eindämmung und Bewältigung des großen Zustroms an die Hand zu geben. Erhebliche Anstrengungen wurden auch unternommen, um die Ursachen der Migration zu bekämpfen und humanitäre Hilfe in Konfliktgebieten sowie für Flüchtlinge in benachbarten Aufnahmeländern zu leisten.

    Bis diese Maßnahmen vollständig greifen, muss sich die Europäische Union leider zum ersten Mal seit ihrem Bestehen auf weitreichende humanitäre Konsequenzen in ihrem eigenen Gebiet einstellen. Es müssen unverzüglich außerordentliche und aufeinander abgestimmte Zusatzmaßnahmen ergriffen werden, um das Vorgehen der Mitgliedstaaten zu ergänzen und zu unterstützen sowie sicherzustellen, dass die EU eine humanitäre Tragödie innerhalb ihrer Grenzen abwenden kann.

    In diesem Zusammenhang hat der Europäische Rat am 19. Februar 2016 dringendes Handeln angemahnt und konkrete Vorschläge der Kommission angefordert, damit „die EU in die Lage versetzt wird, in Zusammenarbeit mit Organisationen wie dem UNHCR intern humanitäre Hilfe zu leisten, um die Länder zu unterstützen, die mit einer großen Anzahl von Flüchtlingen und Migranten konfrontiert sind, und sich dabei auf die Erfahrung der Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz der Kommission zu stützen. 3

    Es bedarf eines neuen Instruments und eines Berichtigungshaushaltsplans, um diese Lücke im Instrumentarium der EU zu schließen. Nach Artikel 214 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union darf die sogenannte humanitäre Hilfe ausschließlich für Bedürfnisse verwendet werden, die außerhalb der EU entstehen. Das bestehende Katastrophenschutzverfahren der Union ist nicht adäquat dafür ausgestattet, auf den weitreichenden strukturellen humanitären Bedarf einzugehen, der durch die Flüchtlings- und Migrationskrise verursacht wird. Die Inanspruchnahme 4 des Katastrophenschutzverfahrens im Kontext der Flüchtlings- und Migrationskrise hat gezeigt, dass die freiwillige gegenseitige Hilfe zwar gut funktioniert, wenn ein einzelner Mitgliedstaat mit einer Katastrophe überfordert ist, sich aber nicht für Fälle eignet, in denen möglicherweise mehrere Mitgliedstaaten betroffen sind. Andere Instrumente wie der Solidaritätsfonds der Europäischen Union (EUSF), der Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) und der Fonds für die innere Sicherheit (ISF) bieten beträchtliche finanzielle Mittel zur Unterstützung der Mitgliedstaaten, sind jedoch nicht dafür ausgelegt, den rein humanitären Bedürfnissen großer Gruppen von Flüchtlingen und Migranten gerecht zu werden.

    Daher muss ein Instrument mit einem eigenen Budget entwickelt werden, das es der EU ermöglicht, finanzielle Unterstützung für humanitäre Partnerorganisationen bereitzustellen, die rasch in der Lage sind, Sofortmaßnahmen zur Unterstützung überforderter Mitgliedstaaten durchzuführen.

    Es ist hervorzuheben, dass die in dem Verordnungsvorschlag enthaltenen Maßnahmen im Einklang mit dem Auftrag des Europäischen Rates in erster Linie darauf abzielen werden, die außergewöhnlichen humanitären Herausforderungen zu bewältigen, die sich aus der derzeitigen Migrationssituation, die voraussichtlich noch eine Weile andauern wird, ergeben.

    Darüber hinaus ist es ratsam sicherzustellen, dass diese neue Initiative auch künftige gravierende Notsituationen abdeckt, die weitreichende humanitäre Auswirkungen haben können. Die Wahrscheinlichkeit von Naturkatastrophen und von durch Menschen verursachten Katastrophen innerhalb der Union wächst immer weiter und kann ein Ausmaß annehmen, bei dem ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten in einem oder mehreren Mitgliedstaaten zu befürchten sind. Katastrophen können sich auch in einem oder mehreren Mitgliedstaaten ereignen, die bereits aus anderen Gründen mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sind, wodurch sich ihre wirtschaftliche Gesamtlage noch weiter verschlechtern kann. In jedem Fall wäre die Reaktionsfähigkeit der betroffenen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, was sich wiederum negativ auf die Unterstützung für bedürftige Menschen auswirken würde.

    Daher enthält der Vorschlag einen allgemeinen Rahmen für die Bereitstellung von Soforthilfe bei allen Arten von Naturkatastrophen oder durch Menschen verursachten Katastrophen innerhalb der EU, die weitreichende humanitäre Folgen mit sich bringen. Auf der Grundlage der Erfahrungen, die im Rahmen der vorgeschlagenen Verordnung gewonnen werden, und unter Berücksichtigung der 2017 fälligen Halbzeitbewertung des Katastrophenschutzverfahrens müssen Synergien zwischen den beiden Instrumenten ausgelotet werden.

    2.Ziel und Geltungsbereich

    Das konkrete Ziel der vorgeschlagenen Verordnung besteht darin, festzulegen, wie die Union finanzielle Soforthilfe für dringend benötigte lebensrettende und humanitäre Hilfsmaßnahmen innerhalb der EU bereitstellen kann. Dies wird es der Union auch ermöglichen, finanzielle Beiträge zur Deckung der Kosten von Soforthilfeeinsätzen zu leisten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der derzeitigen Migrations- und Flüchtlingskrise stehen. Darunter fallen sämtliche Hilfs-, Rettungs- und Schutzmaßnahmen, die auf die Rettung von Menschenleben, die Linderung von Leid und die Wahrung der Menschenwürde abzielen. Solche Maßnahmen würden beispielsweise die Bereitstellung grundlegender Hilfsgüter und Leistungen in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Schutz der Menschen sowie Material für Notunterkünfte und damit verbundene Leistungen, die Wasser- und Sanitärversorgung und andere Arten dringend benötigter Unterstützung umfassen.

    Um für größtmögliche Effizienz zu sorgen, sieht die vorgeschlagene Verordnung vor, dass die Soforthilfeeinsätze von Partnerorganisationen 5 durchgeführt werden. Auf diese Weise wird die Kommission in die Lage versetzt, unverzüglich auf bewährte und zuverlässige Partner oder Fachdienste von Mitgliedstaaten zurückzugreifen, die über die erforderliche Erfahrung verfügen 6 .

    Insgesamt baut die vorgeschlagene Verordnung, wie vom Europäischen Rat gefordert, auf der soliden Erfahrung auf, die die Generaldirektion der Kommission für humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz in ihren Zuständigkeitsbereichen erworben hat und die es ihr ermöglicht, innerhalb der Union dieselbe Art von Maßnahmen anzuwenden, die sie sonst in Drittländern durchführt. Angesichts der Ähnlichkeiten zwischen Soforthilfe zur Deckung grundlegender humanitärer Bedürfnisse innerhalb der Union und humanitärer Hilfe für die Opfer von Katastrophen oder Konflikten in Drittländern sieht die Verordnung vor, dass alle auf ihrer Grundlage finanzierten Maßnahmen mit den international anerkannten humanitären Grundsätzen im Einklang stehen sollten.

    Die Auszahlungsverfahren sind ebenfalls auf das Wesen der Soforthilfe zugeschnitten, um die erforderliche Schnelligkeit und Flexibilität sicherzustellen. Darüber hinaus werden nach der vorgeschlagenen Verordnung eine direkte Vergabe von Zuschüssen (Finanzhilfen) und öffentlichen Aufträgen sowie eine Übernahme von bis zu 100 % der förderfähigen Kosten zulässig sein. Ferner ist vorgesehen, dass in gewissem Maß auch rückwirkend Kosten übernommen werden können.

    3. Budget und Zeitplan

    Auf der Grundlage der verfügbaren Daten 7 und da davon ausgegangen werden kann, dass ein Teil des Bedarfs durch andere Einrichtungen gedeckt wird, ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass in den nächsten drei Jahren 700 Mio. EUR benötigt werden, um dem steigenden humanitären Bedarf in Europa während der Migrations- und Flüchtlingskrise gerecht zu werden, vor allem in den auf der Westbalkanroute gelegenen EU-Mitgliedstaaten. Ein Betrag von 300 Mio. EUR ist erforderlich, um die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Deckung der 2016 noch zu erwartenden humanitären Bedürfnisse von Flüchtlingen und Migranten zu unterstützen und zu ergänzen und um auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können. Für die Verwendung in den Jahren 2017 und 2018 sollten jeweils 200 Mio. EUR zusätzlich eingeplant werden, da weiterer humanitärer Bedarf entstehen könnte, insbesondere wenn die Flüchtlingsströme auf dem derzeitigen Niveau bleiben.

    Bis zum Inkrafttreten der vorgeschlagenen Verordnung wird die Kommission weiterhin mit Hilfe des AMIF und des ISF alles in ihrer Macht Stehende tun, um humanitären Bedürfnissen gerecht zu werden, die in den Mitgliedstaaten möglicherweise infolge des starken Zustroms von Flüchtlingen und Migranten entstehen. Mittel aus dem AMIF und dem ISF sind zwar in erster Linie zur Unterstützung langfristiger struktureller Maßnahmen bestimmt, die die ständigen Kapazitäten der EU-Mitgliedstaaten in den Bereichen Migration und Sicherheit stärken sollen, können jedoch in Notsituationen auch eingesetzt werden, um auf ein breites Spektrum kurzfristiger Bedürfnisse (darunter auch humanitärer Art) einzugehen.

    4. Fazit

    Der Kommission ist bewusst, dass der Rückgriff auf AMIF- und ISF-Mittel nur eine vorübergehende Lösung darstellen kann, bis die vorgeschlagene Verordnung verabschiedet wird. Aus diesem Grund hebt die Kommission die Bedeutung einer raschen Annahme des Vorschlags vor, insbesondere im Hinblick auf den Beginn des Frühlings und die voraussichtliche Zunahme des humanitären Bedarfs, und ersucht den Rat, diesbezüglich so rasch wie möglich tätig zu werden. Es muss dringend gehandelt werden, um die Entstehung einer humanitären Krise innerhalb unserer Union zu verhindern.

    (1) UNHCR
    (2) Mitteilung der Kommission vom 10. Februar zum aktuellen Stand der Umsetzung der Prioritäten im Rahmen der Europäischen Migrationsagenda – COM(2016) 85 final.
    (3) Siehe Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 19. Februar 2016, EUCO 1/16.
    (4) Ungarn, Slowenien, Kroatien, Griechenland und Serbien haben um Unterstützung gebeten.
    (5) Dazu zählen Einrichtungen der Vereinten Nationen, internationale Organisationen wie die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, gemeinnützige Nichtregierungsorganisationen und Fachdienste der Mitgliedstaaten.
    (6) Die Kommission hat mit vielen solcher Organisationen Partnerschaftsrahmenvereinbarungen geschlossen, die auch im Rahmen der vorgeschlagenen Verordnung genutzt werden können.
    (7) Diese Daten wurden von der Kommission während der Flüchtlingskrise gesammelt und von erfahrenen, vor Ort tätigen humanitären Partnerorganisationen zur Verfügung gestellt (z. B. Bericht des IOM/UNHCR von 2016 mit dem Titel „Regional Refugee and Migrant Response Plan for Europe“, in dem anhand eines Transit-Szenarios ein Bedarf von 550 Millionen USD ermittelt wird).
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