EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 28.10.2015
COM(2015) 550 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Den Binnenmarkt weiter ausbauen: mehr Chancen für die Menschen und die Unternehmen
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1.
Den Binnenmarkt weiter ausbauen
Der Binnenmarkt zählt zu den größten Errungenschaften Europas. In den vergangenen 50 Jahren brachte der Binnenmarkt neue Chancen und Größenvorteile für die europäischen Unternehmen, die sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie auswirkten. Zudem sorgte er dafür, dass Arbeitsplätze geschaffen werden, die Verbraucher von größerer Auswahl und niedrigeren Preisen profitieren und die Menschen an einem Ort ihrer Wahl leben, studieren und arbeiten können. Der Binnenmarkt hat dazu beigetragen, dass sich Unternehmen aus der EU besser in internationale Wertschöpfungsketten integrieren und im weltweiten Wettbewerb behaupten können.
Die EU und der Binnenmarkt müssen sich aber an ein im Wandel begriffenes Umfeld anpassen. Europa steht wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen gegenüber. Die Wirtschafts- und Finanzkrise stellte unsere Volkswirtschaften auf den Prüfstand und verursacht enorme soziale Kosten. Die Arbeitslosigkeit bleibt EU-weit auf einem anhaltend hohen Niveau und trifft insbesondere die jungen Menschen, von denen eigentlich die Impulse für Europas Vitalität ausgehen sollten. Aufgrund niedriger Wachstumsraten setzen die Menschen weniger Vertrauen in Europa. Die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft wurden durch die unzulängliche Investitionstätigkeit und Behinderungen auf den Waren- und Dienstleistungsmärkten in Mitleidenschaft gezogen. Die Unternehmen haben oft den Eindruck, durch überholte und viel zu schwerfällige Vorschriften gegängelt zu werden und notwendige Informationen einfach nicht finden zu können.
Gleichzeitig eröffnen uns die Innovation und globale Wertschöpfungsketten große, ungeahnte Chancen. Die digitalen Technologien bringen in vielen Branchen Veränderungen. Dies führt wiederum dazu, dass die Produktion effizienter wird und neue, innovative Geschäftsmodelle entstehen. Das verarbeitende Gewerbe und der Dienstleistungssektor verschmelzen immer mehr zu intelligenten und umweltfreundlichen Unternehmensformen, die ihren Kunden einen höheren Mehrwert bieten. Allerdings werden durch diesen Innovationsschub auch traditionelle Geschäftsmodelle und seit langem bestehende Beziehungen zwischen Verbrauchern und Unternehmen in Frage gestellt.
1.1.Ein vertiefter und fairerer Binnenmarkt
Die seit November 2014 amtierende Europäische Kommission stellt sich diesen Herausforderungen. Sie hat die Förderung von Beschäftigung, Wachstum und Investitionen zu ihrer obersten Priorität erklärt und möchte sie durch eine branchen- und politikfelderübergreifende Vertiefung des Binnenmarkts verwirklichen.
Ein Monat nach Amtsantritt hat die Kommission ihre Investitionsoffensive für Europa und den Europäischen Fonds für strategische Investitionen ins Leben gerufen. Diese Offensive, deren Umsetzung bereits voll angelaufen ist, beginnt dem Investitionsrückgang entgegenzuwirken und den wirtschaftlichen Aufschwung anzukurbeln. Damit soll unter anderem ein investitionsfreundlicheres Klima entstehen, indem Regulierungsmaßnahmen berechenbarer gestaltet werden und der Binnenmarkt weiter ausgebaut wird.
Darauf aufbauend brachte die Kommission im Februar 2015 die europäische Energieunion auf den Weg, damit die Versorgung der europäischen Verbraucher und Unternehmen mit sicherer, erschwinglicher und klimafreundlicher Energie gewährleistet ist und der Energiebinnenmarkt EU-weit Realität wird.
In Mai präsentierte die Kommission eine Strategie für einen digitalen Binnenmarkt, um den Herausforderungen der digitalen Wirtschaft gerecht zu werden. Mit einem vernetzten digitalen Binnenmarkt wird es gelingen, online angebotene Waren und Dienstleistungen für Verbraucher und Unternehmen besser zugänglich zu machen, die richtigen Bedingungen für florierende Netze zu schaffen und das Wachstumspotenzial der europäischen digitalen Wirtschaft optimal auszuschöpfen.
Im vergangenen Monat wurde der Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion veröffentlicht. Von dem Aktionsplan erwartet man sich geringere Kreditkosten, bessere Start-up-Finanzierungen und eine breitere Anlegerbasis. Die europäischen Unternehmen erhalten leichter Zugang zu den Finanzmitteln, die sie für Modernisierungs- und Expansionsvorhaben benötigen. Dafür werden Anleger mit Unternehmern zusammengebracht, die Finanzierungsbedarf haben. Die Kapitalmarktunion wird zu einem stabileren Finanzsystem beitragen und den Wettbewerb verstärken.
Wir brauchen ein Europa, das für die Welt offen ist, und eine Welt, die für Europa offen ist. Wie in der bereits in diesem Monat angenommenen Mitteilung „Handel für alle“ ausgeführt wurde, hat die Kommission ihre Handels- und Investitionspolitik neu ausgerichtet, um sie im Einklang mit unseren europäischen Werten noch wirksamer und transparenter zu gestalten. Sie arbeitet mit Hochdruck daran, dass die Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft auch tatsächlich zu einem ehrgeizigen, fairen und effektiven Abkommen führen.
Das geplante Kreislaufwirtschaft-Paket wird Europa neue Wettbewerbsvorteile bringen. Es ist darauf ausgerichtet, den schonenden Umgang mit wertvollen natürlichen Ressourcen sicherzustellen und wird dabei starke Impulse für die Wettbewerbsfähigkeit, die Innovation und die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Bereichen Design, Herstellung, Verwendung, Reparatur und Recycling von Produkten sowie in der Abfallbewirtschaftung aussenden.
Im Sinne eines faireren Binnenmarkts muss die EU auch befriedigende Antworten für die Anliegen der Menschen und der Unternehmen finden. Alle müssen die Gewissheit haben, dass ihnen der Binnenmarkt Schutz und Chancen bietet.
Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Arbeitnehmerrechte nicht beschnitten werden. Damit diesen Anliegen Rechnung getragen wird, soll das in Vorbereitung befindliche Paket zur Arbeitskräftemobilität durch besser koordinierte Sozialversicherungssysteme und eine gezielte Überarbeitung der Entsenderichtlinie für mehr Arbeitskräftemobilität sorgen.
Wir müssen den Menschen und den Unternehmen zeigen, dass auch im Bereich der Steuern Gerechtigkeit hergestellt wird. Auf keinen Fall darf es Unternehmen, die vom Binnenmarkt profitieren, künftig möglich sein, Unterschiede und Schlupflöcher in den nationalen Steuersystemen auszunützen. Die Kommission beendet gerade eingehende Untersuchungen, die über Steuervorbescheide in einer Reihe von Mitgliedstaaten laufen, und bemüht sich um die rasche Umsetzung der kürzlich erlassenen Steuervorbescheid-Richtlinie. Mit dem jüngst vorgestellten Aktionsplan für eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung hat die Kommission ein ambitioniertes Programm erarbeitet, damit die Steuern auch dort gezahlt werden, wo die Gewinne erwirtschaftet werden.
Schließlich treibt die Kommission eine Reihe sektorspezifischer Initiativen voran, die für den Binnenmarkt von Relevanz sind. Beispielsweise werden weitere Maßnahmen zugunsten des Binnenmarkts für den Straßengüterverkehr dazu beitragen, dass die Transportleistungen besser und wettbewerbsfähiger werden. Die Kommission wird sich insbesondere damit befassen, die Regeln für den Marktzugang im Güterkraftverkehr einfacher und leichter durchsetzbar zu gestalten. Sie wird prüfen, welche Möglichkeiten bestehen, um für gleiche Ausgangsbedingungen bei der Personenbeförderung im Inland und für mehr Wettbewerb bei der Lastkraftwagenvermietung zu sorgen, um die Durchsetzung der einschlägigen Vorschriften zu verbessern und um für angemessene Arbeitsbedingungen und einen fairen Wettbewerb zu sorgen.
Zur Unterstützung all dieser Initiativen hat die Kommission ihr Augenmerk wieder verstärkt auf die bessere Rechtsetzung gerichtet. Wenn wir uns auf die tatsächlichen Prioritäten Europas konzentrieren, erzielen wir mit besseren Vorschriften auch bessere Ergebnisse. In vielen Fällen ersetzt ein einziges Paket von EU-Vorschriften einen Flickenteppich aus 28 unterschiedlichen nationalen Gesetzen. Das bringt Erleichterungen für die Menschen und die Unternehmen. Außerdem wird der Rechtsrahmen verständlicher, der mit der Regulierung verbundene Aufwand sinkt im gesamten Binnenmarkt und sie wird berechenbarer.
1.2.Eine neue auf Chancen, Modernisierung und Ergebnissen beruhende Binnenmarktstrategie
Zur Ergänzung dieser Maßnahmen brauchen wir einen echten EU-Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen.
Trotz aller bisherigen Fortschritte gibt es – vor allem im Dienstleistungssektor – immer noch zu viele nicht unerhebliche wirtschaftliche Hindernisse. Nach Schätzungen der Kommission dürfte das BIP der EU durch eine ambitioniertere Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie um 1,8 % steigen.
Die Hindernisse für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, die unzulängliche Durchsetzung bestehender Vorschriften, das geringe Aufkommen grenzüberschreitend vergebener öffentlicher Aufträge und die mangelnde politische Unterstützung für Strukturreformen schränken Unternehmen und Bürger in ihren Möglichkeiten ein, so dass weniger Arbeitsplätze entstehen und die Preise unnötig hoch bleiben.
Diese Hindernisse beeinträchtigen auch andere Maßnahmen in Schlüsselbereichen wie der Verkehrs-, Telekommunikations- und Energiepolitik und machen die EU für Investitionen aus dem In- und Ausland weniger attraktiv. Sie wirken innovationshemmend und halten Unternehmen davon ab, neue Produkte und Dienstleistungen in Europa zu entwickeln, mehr Personal einzustellen und auf neue Märkte zu expandieren.
Der Binnenmarkt muss also derart neu belebt und modernisiert werden, dass die Waren- und Dienstleistungsmärkte besser funktionieren und ein angemessener Schutz für die Menschen gewährleistet ist. Dieses Vorhaben soll mit einer Strategie verwirklicht werden, die aus gezielten Maßnahmen in drei Schlüsselbereichen besteht:
Für Verbraucher, Berufstätige und Unternehmen neue Chancen schaffen,
den von Europa benötigten Modernisierungs- und Innovationsschub ermöglichen und fördern,
die praktische Umsetzung gewährleisten, so dass Verbraucher und Unternehmen davon im Alltag profitieren.
Im Mittelpunkt der Strategie stehen praktische Maßnahmen, die dazu beitragen, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Start-up-Unternehmen wachsen und expandieren, Innovationen gefördert und Investitionen getätigt werden; dabei soll auch die Position der Verbraucher gestärkt werden. Diese Maßnahmen ergänzen eine Reihe sektorspezifischer Initiativen, die etwa dafür sorgen sollen, dass der Binnenmarkt für den Straßengüterverkehr besser funktioniert und umgesetzt wird.Sie werden auf der Basis ökonomischer Fakten getroffen und zielen auf die wirtschaftlich relevantesten Hindernisse ab. Für die legislativen Maßnahmen werden weitere Folgenabschätzungen durchgeführt, die dann die Grundlage für die endgültigen Beschlüsse der Kommission bilden.
2.Für Verbraucher und Unternehmen neue Chancen schaffen
2.1.Eine ausgewogene Entwicklung der partizipativen Wirtschaft ermöglichen
Wie Dienstleistungen und Güter bereitgestellt und konsumiert werden, unterliegt einem raschen Wandel: Die partizipative Wirtschaft, ein komplexes Ökosystem aus Dienstleistungen auf Abruf und der über Online-Tauschplattformen laufenden vorübergehenden Nutzung von Gütern, entwickelt sich rasant weiter. Sie beschert den Verbrauchern mehr Auswahl und niedrigere Preise und bringt Wachstumschancen für innovative Start-ups und etablierte europäische Unternehmen, und zwar sowohl im Inland als auch im Ausland. Die partizipative Wirtschaft schafft zudem neue Stellen und bringt für die Beschäftigten mehr Flexibilität, wobei die Palette von unqualifizierten Mikrojobs bis zur Tätigkeit als Teilzeitunternehmer reicht. Ressourcen können effizienter genutzt werden, was wiederum zu mehr Produktivität und Nachhaltigkeit führt.
Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie könnten die mit den fünf größten Bereichen der partizipativen Wirtschaft (Peer-to-Peer-Finanzierung, Online-Stellenvermittlung, Peer-to-Peer-Wohnungsvermittlung, Carsharing und Musikvideo-Streaming) weltweit erzielten Einnahmen von derzeit rund 13 Mrd. EUR auf 300 Mrd. EUR im Jahr 2025 ansteigen. Jeder dritte europäische Verbraucher gibt an, dass er sich verstärkt an der partizipativen Wirtschaft beteiligen wird.
Allerdings bleiben neue Geschäftsmodelle häufig nicht ohne Folgen für bestehende Märkte und führen zu Spannungen mit den etablierten Anbietern von Waren und Dienstleistungen. Beide Seiten klagen darüber, dass nicht klar geregelt ist, wie die für die Bereiche Verbraucherschutz, Besteuerung, Lizenzen, Gesundheits- und Sicherheitsstandards, Sozialversicherung und Beschäftigungsschutz geltenden Vorschriften anzuwenden sind. Wenn man mit übereilten und ungeeigneten Vorschriften auf diese Herausforderungen reagiert, kann es leicht zu Ungleichbehandlung und zu einer Marktfragmentierung kommen.
Solche Schwierigkeiten und Unsicherheiten müssen ausgeräumt werden. Es bedarf eines klaren und ausgewogenen Regelungsumfelds, damit sich das Unternehmertum in der partizipativen Wirtschaft entfalten kann, damit Arbeitnehmer, Verbraucher und sonstige öffentliche Interessen geschützt werden und damit etablierten und neuen Marktteilnehmern, welches Geschäftsmodell sie auch immer gewählt haben, keine unnötigen Hindernisse in Form von Vorschriften in den Weg gelegt werden.
Im Rahmen der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt wird bereits eine Analyse angestoßen, die sich mit der Rolle von Plattformen, auch in der partizipativen Wirtschaft, beschäftigt. Diese Initiative wird durch andere branchenübergreifende Studien und die aktive Einbindung von Marktteilnehmern, Verbrauchern und Behörden ergänzt.
Die Kommission wird Informationsmaterial darüber veröffentlichen, wie sich das EU-Recht auf Geschäftsmodelle der partizipativen Wirtschaft und die einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts auswirkt. Diese Informationen werden auf der Dienstleistungsrichtlinie, der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, den europäischen Verbraucherschutzvorschriften sowie den relevanten Bestimmungen der Verträge beruhen. Sie werden zudem Hinweise auf Verfahren enthalten, die sich international bewährt haben, und sollen den Mitgliedstaaten und Marktteilnehmern helfen, die geltenden Vorschriften besser zu verstehen. Sie werden auch für die Durchsetzungsmaßnahmen maßgeblich sein, mit denen die Kommission gewährleisten wird, dass nationales Recht die partizipative Wirtschaft in ihrer Entwicklung nicht grundlos behindert. Die Kommission wird sich weiter damit befassen, ob Regelungslücken bestehen und wie darauf zu reagieren ist. Sie wird einen Rahmen vorgeben, mit dem sich die Entwicklung der partizipativen Wirtschaft auf lokaler und nationaler Ebene sowie auf Unternehmens- und Branchenebene besser verfolgen lässt.
Maßnahmen: Die Kommission wird eine europäische Agenda für die partizipative Wirtschaft entwickeln. Dabei wird sie auch Informationen für die Auswirkungen bestehender EU-Rechtsvorschriften auf die Geschäftsmodelle der partizipativen Wirtschaft erarbeiten. Sie wird sich mit etwaigen Regelungslücken befassen und die Entwicklung der partizipativen Wirtschaft verfolgen.
2.2.Das Wachstum von KMU und Start-up-Unternehmen fördern
Die KMU bilden das Rückgrat der europäischen Wirtschaft. Allerdings stoßen KMU, Start-up-Unternehmen und Jungunternehmer, die auf dem Binnenmarkt expandieren möchten, immer noch auf allzu viele Hindernisse. Viele KMU bewegen sich auf einem lokalen oder regionalen Markt. Nur wenige von ihnen betrachten die EU als ihren Heimatmarkt oder haben Ambitionen, europaweit tätig zu werden, was sich wiederum innovations- und beschäftigungshemmend auswirkt.
Die KMU klagen insbesondere über Folgendes:
komplexes Mehrwertsteuerrecht,
unklares Unternehmensrecht,
Verständlichkeit und Einhaltung von Vorschriften,
mangelnder Zugang zu Finanzmitteln,
Angst vor zu strengem Konkursrecht,
Innovationshemmnisse.
Die Kommission ist entschlossen, die größten Schwierigkeiten anzugehen, mit denen KMU und insbesondere Start-up-Unternehmen in allen Phasen ihres Lebenszyklus konfrontiert sind.
Viele Unternehmer, die auch im Ausland geschäftlich tätig werden wollen, klagen über die Komplexität des Mehrwertsteuerrechts. Die Kommission kündigte in der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt eine Rechtsvorschrift zur Vereinfachung des Mehrwertsteuerrechts an, von der vor allem kleine Onlinehändler bei ihren Auslandsgeschäften profitieren sollen. Darüber hinaus wird die Kommission im Rahmen ihres Aktionsplans für ein betrugssicheres Mehrwertsteuersystem ein umfassendes Vereinfachungspaket für KMU vorstellen, mit dem der Verwaltungsaufwand für diese Unternehmenskategorie verringert werden soll. Dies ist für das Wachstum von KMU von entscheidender Bedeutung und wird den grenzüberschreitenden Handel fördern.
Unternehmer klagen auch über die beim Unternehmensrecht herrschende Unsicherheit. Durch den Vorschlag der Kommission über die Einpersonengesellschaft, der von den Gesetzgebungsorganen unverzüglich angenommen werden sollte, werden die Kosten für die Eintragung eines Unternehmens sinken und die Verfahren einfacher werden. Die Kommission wird sich auf diese Initiative stützen, wenn sie weitere Möglichkeiten prüft, einfachere und für die Unternehmen mit weniger Aufwand verbundene Vorschriften zu erarbeiten und – ohne bei der Bekämpfung von Briefkastenfirmen nachzulassen – auch digitale Lösungen für den gesamten Lebenszyklus eines Unternehmens anzubieten, die vor allem die Eintragung von Unternehmen und die Archivierung von Unternehmensunterlagen und -daten betreffen. Angesichts der großen Schwierigkeiten, denen insbesondere kleine Unternehmen bei Auslandsgeschäften gegenüberstehen, wird die Kommission auch erörtern, ob die bestehenden Vorschriften über grenzüberschreitende Unternehmensverschmelzungen aktualisiert werden müssen und um Vorschriften über grenzüberschreitende Unternehmensspaltungen ergänzt werden können. Damit wäre es für KMU leichter, die für sie optimale Unternehmensstrategie zu wählen und sich an veränderte Marktbedingungen anzupassen, ohne dass Sozial- und Beschäftigungsschutz aufgeweicht würden.
Start-up-Unternehmen erachten es auch für schwierig, rechtliche Anforderungen zu erkennen und einzuhalten. Daher legt die Kommission ausgehend vom Grundsatz „Vorfahrt für KMU“ besonderes Augenmerk auf die für KMU relevanten Bestimmungen, wenn sie Lösungsvorschläge abwägt oder Rechtsvorschriften bewertet. Die Mitgliedstaaten bemühen sich um die Einrichtung zentraler Anlaufstellen, die über alle einschlägigen Vorschriften informieren, die einem Unternehmensgründer in jeder beliebigen Branche der Wirtschaft begegnen werden. Die Kommission wird ergänzend dazu eine Start-up-Initiative auf den Weg bringen, mit der alle maßgeblichen Akteure – Unternehmer, Start-up-Communities, Sozialpartner sowie Behörden auf regionaler und nationaler Ebene – dafür gewonnen werden sollen, das Umfeld für Start-ups in Europa zu verbessern. Sie wird im Rahmen dieser Initiative eine öffentliche Konsultation durchführen und dabei Unternehmer um ihren Input bitten. Die Kommission kann auch von der REFIT-Plattform Ideen übernehmen und sie in ihre Entscheidungen einfließen lassen. Sie wird gemeinsam mit den Interessenträgern erörtern, wie das „zentrale digitale Zugangstor“, das im Rahmen der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt eingerichtet wurde, den Anliegen von Start-ups am besten gerecht werden kann. Die Kommission wird zusammen mit allen Teilnehmern der Start-up-Initiative spezifische Funktionen für das Zugangstor entwickeln, die Start-up-Unternehmen bei Auslandsgeschäften und der europaweiten Expansion Hilfestellung geben sollen.
KMU und Start-ups empfinden es auch als schwierig, sich Kapital zu beschaffen. Die KMU stehen bereits im Mittelpunkt der Investitionsoffensive für Europa. Beispielsweise wird ein Viertel der Garantien des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) dafür eingesetzt werden, innovative Midcap-Unternehmen und KMU zu unterstützen und für Start-ups mehr Risikokapital in kürzerer Zeit zugänglich zu machen. Darüber hinaus wird mit der Kapitalmarktunion eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung der Risiko- und Wagniskapitalfinanzierung in der EU vorangetrieben. In diesem Kontext wird die Kommission Vorschläge für einen europäischen Wagniskapitaldachfonds vorlegen, für den Mittel aus dem EU-Haushalt bereitgestellt werden, der für andere Akteure offensteht und somit auch private Kapitalgeber mobilisieren soll, was auch in der Investitionsoffensive vorgesehen ist. Die Mittel aus dem Fonds würden dafür eingesetzt werden, die Gründung und das Wachstum von Start-ups im Binnenmarkt zu fördern.
Zusätzlich sehen mehrere EU-Finanzierungsprogramme (Horizont 2020, COSME, EFSI) Initiativen zur KMU- und Start-up-Förderung vor. Mit den EU-Programmen werden auch Beratungs- und Unterstützungsleistungen finanziert, die KMU und Start-ups im Zusammenhang mit Finanzierungsoptionen und ihren Auslandsgeschäften in Anspruch nehmen können. Die Kommission wird COSME-Mittel für Informationskampagnen einsetzen, die sich an die Zielgruppe der jungen innovativen KMU richtet und diese dazu ermutigen soll, den Schritt ins Ausland zu wagen und ihre Chancen zu nutzen.
Auch die mit einem Konkurs verbundenen Folgen halten viele davon ab, sich als Unternehmer zu betätigen. In Europa fürchtet man sich – etwa auch wegen der längeren Entschuldungsfristen – mehr als in vielen anderen Teilen der Welt davor, gesellschaftlich stigmatisiert zu werden, rechtliche Folgen tragen zu müssen und Schulden nicht mehr zurückzahlen zu können. Viele potenzielle Unternehmensgründer lassen sich dadurch abschrecken. Unternehmer müssen wissen, dass sie eine zweite Chance bekommen. Die Kommission baut auf bisherigen Bemühungen auf, wenn sie Unternehmer, die in gutem Glauben gehandelt haben, unterstützt. Sie wird einen Legislativvorschlag über Unternehmensinsolvenzen mit Bestimmungen zu frühen Umstrukturierungen und zur „zweiten Chance“ vorlegen, damit in den Mitgliedstaaten ein Regelungsumfeld entsteht, in dem unternehmerisches Scheitern nicht vom Erproben neuer Ideen abhält.
Es gibt auch Innovationshemmnisse. Die Kommission gibt in ihrem Rahmen für bessere Rechtsetzung vor, mit welchem Instrument etwaige innovationsrelevante Auswirkungen eines neuen Vorschlags evaluiert sowie bestehende Hindernisse und Möglichkeiten zu deren Beseitigung ermittelt werden. Die REFIT-Plattform kann zur Klärung von Fragen beitragen, die im Laufe der Arbeiten auftauchen. In diesem Kontext wird sich die Kommission auch bemühen, innovative Märkte ausfindig zu machen, auf denen innovative Regelungsansätze in einem Pilotversuch getestet werden könnten, um so innovative Lösungen auf ihre Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit sowie auf ihr innovations- und damit beschäftigungsförderndes Potenzial zu überprüfen.
Europa würde auch davon profitieren, dass mehr Innovatoren aus der übrigen Welt angezogen würden. Wie in der Europäischen Migrationsagenda hervorgehoben wurde, könnte Europa durch Vorschriften zur Steigerung seiner Attraktivität für Unternehmer und Maßnahmen zur Erleichterung der Geschäftstätigkeit auf dem Binnenmarkt für nicht aus der EU stammende Innovatoren interessanter werden. Davon würden wiederum starke Impulse für die Gründung von Start-ups in Europa ausgehen.
Maßnahmen: Die Kommission wird mit einem Legislativvorschlag über Unternehmensinsolvenzen mit Bestimmungen zu frühen Umstrukturierungen und zur „zweiten Chance“ gegen die Angst vor unternehmerischem Scheitern vorgehen und dafür sorgen, dass Unternehmer eine zweite Chance erhalten. Sie wird sich um weitere administrative Entlastungen bemühen, die die Aufnahme einer Geschäftstätigkeit und den Ausbau des Unternehmens erleichtern, und dafür unter anderem Initiativen zur Förderung des Einsatzes digitaler Technologien und grenzüberschreitender Unternehmensverschmelzungen und spaltungen auf den Weg bringen. Die Kommission wird mit einer Start-up-Initiative eingehend bewerten, welchen Anforderungen Start-ups gegenüberstehen, wie sie abgebaut und – sollte dies nicht möglich sein – unternehmensfreundlicher gestalten werden können. Dabei werden spezifische Funktionen für das „zentrale digitale Zugangstor“ entwickelt, um die Auslandstätigkeit von Unternehmen, insbesondere von Start-ups, zu erleichtern. Die Kommission wird mit COSME-Mitteln junge innovative KMU durch eine gezielte Informationsarbeit ermutigen, den Schritt ins Ausland zu wagen und dabei die vom Binnenmarkt gebotenen Möglichkeiten zu nutzen. Mit der Investitionsoffensive und der Kapitalmarktunion wird die Kommission dafür sorgen, dass Unternehmer in Europa leichter Zugang zu Finanzmitteln erhalten. Die Kommission wird die REFIT-Plattform ersuchen, sich auf Innovationshemmnisse zu konzentrieren und zu erörtern, wie sie beseitigt oder abgebaut werden können. Schließlich wird sich die Kommission mit einer Reihe weiterer Maßnahmen befassen, die Innovatoren anlocken sollen, unter anderem mit der geplanten Ausweitung des Blue-Card-Konzepts auf Unternehmer.
2.3.Den Binnenmarkt ohne Grenzen für den Dienstleistungssektor in der Praxis verwirklichen
Die 2006 erlassene Dienstleistungsrichtlinie brachte in einer Vielzahl von Branchen eine willkommene Modernisierung der Wirtschaft. Die Mitgliedstaaten ergriffen über tausend Maßnahmen zur Beseitigung ungerechtfertigter Hemmnisse, auf die Unternehmen und Freiberufler bei der Erbringung von Dienstleistungen stoßen.
Den Unternehmen und Freiberuflern, die im Ausland tätig werden, werden allerdings immer noch zu viele Schwierigkeiten in den Weg gelegt. Sie werden dadurch behindert, dass Berufe unterschiedlich – und manchmal inkohärent – reguliert werden und bestimmte Berufe EUweit „geschützt“ sind. Ferner erschweren unnötige Regulierungshemmnisse die Erbringung von Dienstleistungen, und Anbieter, die in einem anderen Mitgliedstaat tätig werden wollen, haben mit unklaren Verhältnissen und mangelnder Vorhersehbarkeit in bestimmten Schlüsselbranchen zu kämpfen.
Maßnahmen gegen besonders problematische Einschränkungen würden sich positiv auf den Unternehmergeist und die Beschäftigung auswirken. Ferner würden dadurch die Preise sinken und die Ressourcen in Europa effizienter verteilt werden. Dies bedeutet, dass man sowohl bei den Berufen als auch bei der Dienstleistungserbringung ansetzen muss.
Mit Dienstleistungen der freien Berufe werden 9 % des BIP der EU erwirtschaftet, rund 20 % der Arbeitskräfte in der EU üben einen reglementierten Beruf aus. Freiberufliche Dienstleister sind eng mit anderen Sektoren verflochten. Wenn freiberufliche Dienstleister konkurrenzfähiger wären und effizienter arbeiteten, würde dies der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und somit der gesamten Wirtschaft zugutekommen.
In Europa gibt es derzeit über 5000 reglementierte Berufe, in denen über 50 Millionen Menschen tätig sind. Die Vorschriften zur Regelung von Berufszugang und -ausübung sollten öffentliche Interessen und Dienstleistungsempfänger schützen. Viele davon sind mittlerweile aber nicht mehr verhältnismäßig, stellen unnötige Hindernisse für die Mobilität von Freiberuflern dar und wirken sich nachteilig auf die Produktivität aus.
Aktuellen Studien zufolge brachten Reformen, die einige Mitgliedstaaten zur weiteren Öffnung reglementierter Berufe umsetzten, neue Arbeitsplätze und günstigere Preise für die Verbraucher.
Auf EU-Ebene sorgt die Dienstleistungsrichtlinie dafür, dass eine Reihe von Regulierungen untersagt wurde und die Mitgliedstaaten dazu angehalten sind, bei anderen Regulierungen zu prüfen, ob sie gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. Die Richtlinie über Berufsqualifikationen soll die Mobilität von Freiberuflern in der gesamten Europäischen Union fördern, gibt den legislativen Rahmen zur Vereinfachung der gegenseitigen Anerkennung beruflicher Qualifikationen vor und regelt den Ablauf einer von den Mitgliedstaaten und der Kommission auf nationaler Ebene durchgeführten Evaluierung einschlägiger Vorschriften. Mit dem in den vergangenen Jahren eingeleiteten Reformprozess haben die Mitgliedstaaten einige regulatorische Hindernisse entschärft oder beseitigt.
Allerdings zeigte sich bei der gegenseitigen Evaluierung, die in den letzten beiden Jahren im Anschluss an die Überarbeitung der Richtlinie über Berufsqualifikationen durchgeführt wurde, dass ähnliche Berufe von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat ganz unterschiedlich reguliert sind; dies gilt auch für einige geschützte Berufe.
Die Kommission wird daher im Rahmen regelmäßiger Informationsangebote konkrete Maßnahmen vorschlagen, durch die der Zugang zu reglementierten Berufen und deren Ausübung auf nationaler Ebene und EU-weit verbessert werden soll. Mit diesen Maßnahmen wird der konkrete Reformbedarf in einzelnen Mitgliedstaaten ermittelt. Dabei werden alle Fragen im Zusammenhang mit dem Zugang zu reglementierten Berufen und deren Ausübung berücksichtigt.
In einer ersten Phase konzentriert man sich auf ausgewählte Berufe in vorrangigen Branchen. Die zweite Phase ist der Bewertung der Reformen und dem Abbau noch bestehender Hindernisse gewidmet. Die Reformprioritäten werden, sofern angezeigt, je nach Mitgliedstaat und einer individuellen Beurteilung der festgesetzten Prioritäten im Kontext des Europäischen Semesters aufgegriffen.
Die Kommission wird auch ein Analyseraster festlegen, auf das die Mitgliedstaaten zurückgreifen können, wenn sie bestehende Regulierungen von Berufen prüfen oder neue vorschlagen. Dieses Raster sieht eine Methodik vor, mit der sich die Verhältnismäßigkeit der Regulierungen von Berufen umfassend evaluieren lässt. Die Mitgliedstaaten müssen nachweisen, dass die Gemeinwohlziele ausschließlich durch Zugangsbeschränkungen oder Verhaltensregeln für die betreffenden beruflichen Tätigkeiten erreicht werden können.
Schließlich wird die gegenseitige Evaluierung auch dazu beitragen, dass der Rechtsrahmen in diesem Bereich modernisiert wird, indem Probleme aufgrund unterschiedlicher Rechtsformen, Anforderungen an die Beteiligungsverhältnisse und für bestimmte Unternehmensdienstleistungen geltende multidisziplinäre Einschränkungen angegangen werden. Die Kommission wird möglicherweise im Rahmen der Dienstleistungspass-Initiative einen Legislativvorschlag zum Abbau regulatorischer Hindernisse vorlegen, zu denen etwa unterschiedliche Rechtsformen, Anforderungen an die Beteiligungsverhältnisse und multidisziplinäre Einschränkungen für wichtige Unternehmensdienstleistungen und gegebenenfalls Auflagen für Bauunternehmen gehören.
Was die Dienstleistungen im allgemeineren Sinne betrifft, so stellt der Zugang zu verlässlichen Informationen über die geltenden Bestimmungen insbesondere für Anbieter grenzüberschreitender Dienstleistungen häufig ein Hindernis dar. Auch die Erbringer von Bauleistungen sind gelegentlich mit bestimmten Vorschriften über ihre Organisationsstruktur im Inland konfrontiert, aufgrund deren es für sie zu kompliziert wird, ihre Leistungen im Ausland anzubieten. Bei den Versicherungsvorschriften, die für die Erbringer von Bauleistungen und von Dienstleistungen für Unternehmen oft schwer einzuhalten sind, besteht ebenfalls Handlungsbedarf.
Aus diesem Grund wird eine Gesetzgebungsinitiative für die Anbieter grenzüberschreitender Dienstleistungen, insbesondere in der Bau- und Unternehmensdienstleistungsbranche, vorgeschlagen werden. Im Rahmen dieser Initiative sollen Dienstleister durch einheitliche Formulare die Möglichkeit erhalten, mit einem Dokument dem Aufnahmeland jene Informationen mitzuteilen, die nach dessen Rechtsvorschriften für die grenzüberschreitende Leistungserbringung in eben diesem Land vorgeschrieben sind. Damit erhalten die Unternehmen absolute Sicherheit, was die Anforderungen betrifft, die in jedem Mitgliedstaat in Schlüsselbereichen für die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen gelten. Dies bringt auch für die Verbraucher mehr Sicherheit. Darunter fallen auch Mitteilungen über entsandte Arbeitnehmer und Berufsqualifikationen sowie sonstige Anforderungen, sofern diese mit Artikel 16 der Dienstleistungsrichtlinie und mit Artikel 9 der Richtlinie zur Durchsetzung der Entsenderichtlinie vereinbar sind.
Dadurch arbeiten Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaaten bei der Förderung grenzüberschreitend tätiger Dienstleister intensiver zusammen. Die Behörden des Herkunftsmitgliedstaats werden auf Antrag einen Dienstleistungspass ausstellen. Damit können Anbieter leichter nachweisen, dass sie die für sie geltenden Anforderungen des Mitgliedstaats erfüllen, in dem sie ihre Leistung erbringen möchten.
Gemäß dem Grundsatz der einmaligen Erfassung („once only principle“) sorgt der Dienstleistungspass dafür, dass im Herkunftsmitgliedstaat bereits vorlegte Informationen und Unterlagen nicht mehr erneut angefordert werden müssen, indem von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats auf Antrag eines Dienstleisters ein „gemeinsames elektronisches Dokumentenverzeichnis“ angelegt wird. Durch das einheitliche Mitteilungsformular ließen sich in Kombination mit dem elektronischen Dokumentenverzeichnis die Anforderungen leichter erfüllen, die für die derzeit im Vorfeld zu tätigenden Mitteilungen und Kontrollen gelten.
Maßnahmen: Die Kommission wird durch eine Gesetzgebungsinitiative zur Einführung eines Dienstleistungspasses mit einem einheitlichen Mitteilungsformular und einem elektronischen Dokumentenverzeichnis für mehr Sicherheit sorgen und Hindernisse für Anbieter, die auf andere EU-Märkte expandieren möchten, abbauen. Sie wird den Zugang zu Dienstleistungen der freien Berufe auf nationaler und auf EU-Ebene weiter verbessern, indem sie regelmäßig Informationsmaterial veröffentlicht, mit dem der konkrete Reformbedarf bestimmter Mitgliedstaaten und Berufe, die ungerechtfertigten Vorschriften unterliegen, ermittelt wird. Die Kommission wird auch ein Analyseraster vorschlagen, auf das die Mitgliedstaaten zurückgreifen können, wenn sie bestehende Vorschriften prüfen oder zusätzliche vorschlagen. Schließlich wird die Kommission einen Legislativvorschlag zum Abbau regulatorischer Hindernisse vorlegen, zu denen etwa unterschiedliche Rechtsformen, Anforderungen an die Beteiligungsverhältnisse und multidisziplinäre Einschränkungen für wichtige Unternehmensdienstleistungen und gegebenenfalls Auflagen für Bauunternehmen gehören. Die Kommission wird die Marktentwicklungen untersuchen und erforderlichenfalls im Zusammenhang mit den Versicherungsanforderungen, für die Erbringer von Bauleistungen und von Unternehmensdienstleistungen gelten, tätig werden.
2.4.Gegen Beschränkungen im Einzelhandel vorgehen
Einzel- und Großhandel zählen zu den größten Dienstleistungsbranchen in Europa: Im Jahr 2012 betrug ihr Anteil an der Wertschöpfung 9,6 % und an der Gesamtbeschäftigung 13,1 %. Zwischen 2010 und 2012 blieb die Produktivität im Einzel- und Großhandel in der EU gleich, während sie in den USA um 3,9 % zunahm. Aktuellen Studien zufolge schaffen restriktive Vorschriften hohe Marktzutrittsschranken. Dadurch sinkt bei den meisten Ladenformaten die Zahl der Neueröffnungen, was sich wiederum nachteilig auf den Wettbewerb auswirkt und die Verbraucherpreise hoch hält. Dies wird trotz der Entwicklung des Onlinehandels auch künftig ein Thema sein. Es kommt nämlich oft wesentlich auf die physische Präsenz an, wenn es darum geht, das Vertrauen des Verbrauchers zu gewinnen.
In erster Linie obliegt es den Mitgliedstaaten, Vorschriften für die Gründung und den Betrieb von Einzelhandelsunternehmen zu erlassen. Meist spielen dabei auch auf regionaler und lokaler Ebene geltende Bestimmungen eine wichtige Rolle. Im Sinne der Gewährleistung der Niederlassungsfreiheit, die als Grundrecht im Vertrag festgeschrieben ist, müssen diese Vorschriften allerdings durch Gemeinwohlziele wie Umweltschutz, Stadt- und Raumplanung oder Verbraucherschutz gerechtfertigt werden. Sie müssen in Bezug auf ihre Zielsetzung sowohl angemessen als auch verhältnismäßig sein. Beim Einzelhandel-Peer-Review zeigte sich, dass Einzelhändler bei der Gründung ihrer Unternehmen oft mit unverhältnismäßigen und unangemessenen Auflagen und Verfahren konfrontiert sind.
Die Mitgliedstaaten verfügen zwar über einen Ermessensspielraum bei der Regulierung des Einzelhandels, dürfen aber die Binnenmarktfreiheiten nicht über Gebühr einschränken. Die Mitgliedstaaten sollten ihre Einzelhandelsmärkte evaluieren und, falls erforderlich, modernisieren und sich dabei, sofern relevant, von bewährten und weniger beeinträchtigenden Lösungen leiten lassen, die in anderen Mitgliedstaaten entwickelt wurden.
Die Kommission wird daher bewährte Verfahren für die Gründung von Einzelhandelsunternehmen und die Beschränkungen für deren Betrieb im Binnenmarkt festlegen, die mit dem Subsidiaritätsprinzip und den von den Mitgliedstaaten verfolgten Gemeinwohlzielen vollkommen in Einklang stehen. Auf diese Weise wird die Kommission die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, den Verbrauchern die Auswahlmöglichkeiten zu bieten, die sie auch verdienen. Diese Initiative wird auch Aufschluss darüber geben, welche Prioritäten die Kommission bei den Durchsetzungsmaßnahmen setzt, die Beschränkungen im Einzelhandel betreffen.
Maßnahmen: Die Kommission wird bewährte Verfahren zur Erleichterung der Gründung von Einzelhandelsunternehmen und zum Abbau von Beschränkungen für deren Betrieb im Binnenmarkt festlegen. Diese Verfahren werden Ansatzpunkte für Reformen in den Mitgliedstaaten bieten und über die Festlegung der Prioritäten für Durchsetzungsmaßnahmen im Einzelhandel Aufschluss geben.
2.5.Die Diskriminierung von Verbrauchern und Unternehmern verhindern
Der Aufschwung des Onlinehandels und die Zunahme der Reisetätigkeit zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten haben neue Geschäftsmöglichkeiten für die Unternehmen und ein breiteres Waren- und Dienstleistungsangebot für die Verbraucher erschlossen.
Allerdings werden Unternehmen und Verbraucher allzu oft aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder des Wohn- bzw. Standorts diskriminiert. Die Kommission und die Europäischen Verbraucherzentren erhalten regelmäßig Beschwerden von Verbrauchern, denen die Nutzung günstigerer Websites, Angebote oder Preisnachlässe verwehrt wird. Sie müssen häufig höhere Preise in Kauf nehmen und erhalten nur unter Schwierigkeiten dieselben Leistungen wie ortsansässige Kunden. Diese Praktiken sind bei einer breiten Waren- und Leistungspalette anzutreffen, die von Tickets in Vergnügungsparks bis zu den Tarifen für kommunale Dienstleistungen reicht.
Unterschiedliche Zugangsbedingungen, Preise oder Konditionen können zwar durch objektive Unterschiede (z. B. bei den Lieferkosten oder durch gerechtfertigte gesetzliche Anforderungen) zustande kommen, sind aber häufig durch Strategien bedingt, mit denen eine ungerechtfertigte Marktfragmentierung auf territorialer Basis angestrebt wird.
Dies steht im Widerspruch zur Grundidee des Binnenmarkts und führt dazu, dass das Vertrauen der Verbraucher abnimmt und die Menschen weniger geneigt sind, vor Ort oder online im Ausland einzukaufen. Die Chancen, die dadurch den Unternehmen und der europäischen Wirtschaft entgehen, übersteigen bei weitem das eine Geschäft, für das ein einzelner Händler unter Umständen einen höheren Gewinn einstreicht.
In Artikel 20 der Dienstleistungsrichtlinie sind bereits alle Arten von ungerechtfertigten territorialen Beschränkungen untersagt, es werden dort aber nur allgemeine Grundsätze festgelegt, durch die sich diskriminierende Praktiken vor Ort nicht immer verhindern lassen. Daher bedarf es weiterer Maßnahmen, um diesen Grundsätzen Geltung zu verschaffen und konkrete Vorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierungen zu erarbeiten, die auf der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnsitz von Marktteilnehmern beruhen.
Die Kommission hat in ihrer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt bereits angekündigt, dass bis Mitte 2016 Rechtsvorschriften zur Beendigung von ungerechtfertigtem Geoblocking vorgeschlagen werden sollen. Dies wurde auch in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 2015 aufgegriffen. Im Rahmen ihrer breiter angelegten Bemühungen um einen faireren Binnenmarkt möchte die Kommission ausnahmslos alle Formen einer ungerechtfertigten diskriminierenden Behandlung von in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässigen Käufern bekämpfen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Praktiken bei Direktverkäufen oder der Abwicklung über Vertriebskanäle angewendet werden, auf welche Weise dies geschieht oder welche Technologie dabei zum Einsatz kommt.
In September startete die Kommission eine öffentliche Konsultation zum Geoblocking und anderen geografischen Beschränkungen beim Einkauf und beim Zugang zu Informationen in der EU. Sie wird wichtige Erkenntnisse für die von der Kommission geplanten legislativen Maßnahmen bringen, mit denen gegen Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung durch Marktteilnehmer aufgrund des Wohnorts oder der Staatsangehörigkeit vorgegangen werden soll. Parallel dazu muss die Durchsetzung in jedem Mitgliedstaat weiter verbessert werden, indem, wie in der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt angekündigt, die Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz überarbeitet wird.
Maßnahmen: Im Einklang mit ihrer Geoblocking-Initiative wird die Kommission im Rahmen der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt und eines umfassenden Konzepts für mehr Fairness im Binnenmarkt sowohl mit Legislativ- als auch mit Durchsetzungsmaßnahmen gegen die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Kunden, denen aufgrund des Wohnorts oder der Staatsangehörigkeit unterschiedliche Zugangsbedingungen, Preise oder Konditionen eingeräumt werden, vorgehen. Sie wird dafür konkrete Formen einer nicht auf objektiven und überprüfbaren Faktoren gründenden wohnortbedingten Diskriminierung ermitteln und untersagen, gewährleisten, dass Verbraucher und Verbraucherverbände – auch durch die Nutzung von Transparenzinstrumenten – leichter feststellen können, ob und welche Art von Diskriminierung vorliegt und die Durchsetzung seitens der nationalen Behörden im Wege der Überarbeitung der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz verbessern.
3.Die Modernisierung und Innovation fördern
3.1.Unser Normensystem modernisieren
Normen sind von zentraler Bedeutung für die Innovation und den Fortschritt auf dem Binnenmarkt: Sie führen zu mehr Sicherheit, Interoperabilität und Wettbewerb und tragen dazu bei, Handelshemmnisse zu beseitigen. Sie sind ein Schlüssel für die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hatte das Europäische Normungssystem erheblichen Anteil an dieser Erfolgsgeschichte. Aus einer jüngst im Vereinigten Königreich veröffentlichten Studie geht hervor, dass mehr als 28 % des Produktivitätszuwachses im VK auf die Anwendung von Normen zurückgehen, während der Nutzen, den die Anwendung von Normen Unternehmen insgesamt bringt, auf bis zu 5 % ihres jährlichen Umsatzes beziffert wird. Hinter dieser Erfolgsgeschichte steht eine einzigartige öffentlich-private Partnerschaft zwischen den europäischen Regulierungsstellen und der europäischen Normungsgemeinschaft.
Die fortwährende Veränderung der Wirtschaft und die Diversifizierung von Geschäftsmodellen, die immer wichtigere Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologie, und die wachsende Bedeutung der Dienstleistungen in den heutigen globalen Wertschöpfungsketten, in denen Waren und Dienstleistungen zunehmend als Gesamtpaket angeboten werden, stellen den Normungsprozess allerdings vor neue Herausforderungen.
Damit das Europäische Normungssystem diesen Herausforderungen gewachsen ist, muss es zeitgerecht und auf inklusive Weise marktorientierte Normen erarbeiten und die führende Rolle Europas in der internationalen Normung festigen. Europäische Normen müssen EU-Strategien unterstützen und als Voraussetzung für digitale Innovationen dazu beitragen, die Sicherheit und Interoperabilität zu verbessern. Daher wurde im Rahmen der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt ein integrierter Prioritätenplan mit einem Fokus auf der IKT-Normung aufgestellt und eine Überprüfung des Europäischen Interoperabilitätsrahmens eingeleitet.
Ganz allgemein bedeutet das, dass die bestehende Partnerschaft modernisiert werden muss. Zu diesem Zweck wird die Kommission eine gemeinsame Normungsinitiative vorschlagen, an der die Kommission, die betreffenden Branchen, die europäischen Normungsgremien und die Normungsgemeinschaft insgesamt beteiligt sind. Mit dieser gemeinsamen Initiative soll die Festlegung von Normen in allen Bereichen beschleunigt und stärker an den Prioritäten ausgerichtet werden. Nach Gesprächen mit Interessenträgern könnte die gemeinsame Initiative Anfang 2016 vereinbart werden.
Zudem besteht erhebliches bisher nicht genutztes Potenzial bei der Entwicklung und Anwendung freiwilliger europäischer Dienstleistungsnormen, um der sogenannten Verdienstleistung Rechnung zu tragen und einen integrierten europäischen Dienstleistungsmarkt zu schaffen. Obwohl mit solchen Normen die Kosten und die Marktfragmentierung reduziert werden könnten, machen sie derzeit nur 2 % der EU-Normen insgesamt aus. Gestützt auf die positiven Erfahrungen bei der Normung von Waren wird die Kommission Informationsmaterial veröffentlichen, in dem unter anderem erläutert wird, wie sicherzustellen ist, dass solche Normen bedarfsorientiert sind, also dort festgelegt werden, wo sie am dringendsten benötigt werden.
Maßnahmen: Zur Modernisierung unseres Normungssystems wird die Kommission eine gemeinsame Normungsinitiative vorschlagen und mit der europäischen Normungsgemeinschaft vereinbaren. Ferner wird sie Informationsmaterial zur Normung von Dienstleistungen vorlegen. Das Vertrauen der Unternehmer und Verbraucher in grenzüberschreitende Dienstleistungen und den grenzüberschreitenden Handel werden dadurch gestärkt.
3.2.Mehr Transparenz, Effizienz und Rechenschaftspflicht bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
Mit mehr als 2,3 Billionen EUR an jährlichen Ausgaben öffentlicher Stellen und Versorgungsunternehmen beläuft sich der Anteil der öffentlichen Aufträge am BIP der EU auf etwa 19 %. 2014 verabschiedete die EU eine grundlegende Überarbeitung des EU-Rechtsrahmens für die Vergabe öffentlicher Aufträge: Dabei wurden die Verfahren vereinfacht, die Vorschriften flexibler gestaltet und an andere strategische Ziele der öffentlichen Hand angepasst, insbesondere im Hinblick auf Innovationsförderung. Die Vergabe öffentlicher Aufträge sollte dadurch bei gleichzeitiger Achtung der Grundsätze der Transparenz und des Wettbewerbs effizienter und zielgerichteter werden, was sowohl im Interesse der öffentlichen Auftraggeber als auch der Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere der KMU, liegt.
Die EU kann und muss noch größere Anstrengungen unternehmen. Die Auftragsvergabe wird oft ohne die erforderlichen unternehmerischen Fähigkeiten, Fach- oder Verfahrenskenntnisse durchgeführt, so dass Defizite bei der Einhaltung der Vorschriften mit negativen Folgen für die Unternehmen und die Steuerzahler bestehen.
Ein großes Hindernis ist, dass keine Daten und Analysewerkzeuge zur Verfügung stehen, um Problemen oder Unregelmäßigkeiten vorzubeugen oder sie zu erkennen. Ferner bestehen zum Teil große Unterschiede zwischen den nationalen Überprüfungssystemen, insbesondere was die Dauer der Verfahren anbelangt. Auch die Höhe der Gebühren und der Gerichtskosten unterscheiden sich erheblich. Zudem werden die Daten zu Beschwerden nicht strukturiert erfasst.
Weiterer Handlungsbedarf ist dadurch geboten, dass komplexe und langwierige Vergabeverfahren insbesondere bei großen Infrastrukturvorhaben häufig für Verzögerungen sorgen. Neun von zehn großen Infrastrukturvorhaben laufen nicht planungsgemäß ab: Kostenüberschreitungen um bis zu 50 % sind keine Seltenheit. Verzögerungen treten ebenfalls häufig auf, und zwar in allen Phasen von der Planung bis zur Projektdurchführung und Auftragsausführung.
Aus den verfügbaren Daten geht hervor, dass es bei Vorhaben mit einem Auftragswert von mehr als 700 Mio. EUR in der Regel erheblich länger dauert als bei anderen Verfahren, bis ein Auftrag vergeben wird und dies nicht auf längere Fristen für die Angebotsabgabe zurückzuführen ist. Während ein gewöhnliches Verfahren durchschnittlich (vom Versand der Aufforderung zur Angebotsabgabe bis zur Auftragsvergabe) dreieinhalb Monate in Anspruch nimmt, sind es bei großen Infrastrukturvorhaben etwa 25 Monate, ja sogar bis zu 35 Monate bei Verhandlungsverfahren.
Die Kommission wird daher eine Reihe von Initiativen ergreifen. Sie ist bestrebt, die Erhebung, Konsolidierung, Verwaltung und Analyse von Daten zur Auftragsvergabe zu vereinfachen, indem sie die Mitgliedstaaten in ihren Bemühungen um ein besseres Verwaltungshandeln bei der Vergabe öffentlicher Aufträge unterstützt. Aufbauend auf den bestehenden Strategien, beispielsweise zur elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge, wird die Kommission die Entwicklung von Instrumenten zur Verbesserung der Qualität und Verfügbarkeit der Daten vorantreiben, indem die bestehenden Datenerhebungsmechanismen optimiert werden und die Einrichtung von Auftragsregistern unterstützt wird. Darüber hinaus wird die Entwicklung von Tools zur Datenanalyse, insbesondere zur Erkennung von Unregelmäßigkeiten im Vergabeverfahren, gefördert.
Die Kommission wird sich ferner bemühen, im Rahmen der Umsetzung der Rechtsmittelrichtlinie die Wirksamkeit, Effizienz und Transparenz des Rechtsmittelsystems für die Vergabe öffentlicher Aufträge zu verbessern. Durch diese Richtlinie soll sichergestellt werden, dass Vergabeentscheidungen wirksam und so schnell wie möglich überprüft werden können. In allen Mitgliedstaaten gibt es Überprüfungsverfahren, die von den Wirtschaftsteilnehmern stark in Anspruch genommen werden.
Die Kommission wird die Überprüfungsstellen der ersten Instanz zur Zusammenarbeit und Vernetzung ermutigen, damit vermehrt Informationen und bewährte Verfahren ausgetauscht werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei dem Ausbau der spezialisierten administrativen Überprüfungsstellen der ersten Instanz. Die Kommission wird darüber hinaus die Überwachung der Wirksamkeit nationaler Überprüfungssysteme durch regelmäßige Bewertungen, unter anderem im Rahmen des Binnenmarktanzeigers, verbessern. Ergänzt wird dies durch einen REFIT-Evaluierungsbericht über die Rechtsmittelrichtlinie.
Darüber hinaus wird die Kommission den Mitgliedstaaten Unterstützung und Beratung in Fragen anbieten, die die Rechtmäßigkeit von Aspekten der Auftragsvergabe bei den von ihnen geplanten Vorhaben betreffen. Ausgangspunkt für diese Unterstützung ist die freiwillige Anwendung eines Ex-ante-Bewertungsmechanismus für Infrastrukturvorhaben, deren Gesamtauftragswert mindestens 700 Mio. EUR beträgt.
Es wird ein eigenes Verfahren entwickelt, damit öffentliche Auftraggeber die Kommission über Vorhaben unterrichten und ihre Stellungnahme zur Vereinbarkeit des geplanten Ausschreibungsverfahrens mit den EU-Vergabevorschriften einholen können. Bei dieser Unterrichtung sollten Informationen über das Vorhaben zusammen mit allen einschlägigen Unterlagen einschließlich der Entwürfe für die Ausschreibungsunterlagen vorgelegt werden. Die Kommission wird ihre Stellungnahme innerhalb einer Frist abgeben, die drei Monate ab der Unterrichtung über das Vorhaben grundsätzlich nicht überschreiten sollte. Zu gegebener Zeit wird sie eine Bilanz aus ihren Erfahrungen ziehen, um festzustellen, ob sie dem Bedarf und den Erwartungen gerecht wird.
Maßnahmen: Die Kommission wird einen Mechanismus zur freiwilligen Ex-ante-Bewertung der vergaberechtlichen Aspekte bei bestimmten großen Infrastrukturvorhaben einrichten. Sie wird die Mitgliedstaaten dazu ermutigen, die Überprüfung von Vergabeentscheidungen zu verbessern, indem sie die Vernetzung zwischen den Überprüfungsstellen der ersten Instanz fördern, den Mitgliedstaaten spezifische rechtliche und fachliche Unterstützung bieten, wenn sie spezialisierte administrative Überprüfungsstellen der ersten Instanz einrichten oder stärken möchten, und ferner die Überwachung der Wirksamkeit durch regelmäßige Bewertungen, unter anderem im Rahmen des Binnenmarktanzeigers, verbessern. Die Kommission wird zusammen mit den Mitgliedstaaten daran arbeiten, die Transparenz und Qualität der nationalen Vergabesysteme durch eine Verbesserung der Datenlage zu steigern. Sie wird dafür Auftragsregister einführen, die die gesamte Laufzeit von Verträgen umfassen, sowie die Entwicklung und Einführung von Tools zur Datenanalyse und zur Erkennung von Abweichungen unterstützen, damit bestehende oder künftige Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe besser aufgedeckt werden können.
3.3.Den Rahmen für die Rechte des geistigen Eigentums konsolidieren
Wirtschaftszweige, in denen Rechte des geistigen Eigentums (IPR) eine große Rolle spielen, erzielen 39 % des EU-BIP und stellen 35 % der Arbeitsplätze in der EU; sie sind eine treibende Kraft für Innovation. Beim Schutz des geistigen Eigentums waren in Europa große Fortschritte zu verzeichnen, insbesondere durch die kürzlich erfolgte Verabschiedung des Einheitspatentsystems und die Modernisierung des EU-Rechtsbestands im Bereich des Markenschutzes.
Das Einheitspatentsystem ist eine zentrale Voraussetzung für mehr Innovationen in den teilnehmenden Mitgliedstaaten. Europa steht nun kurz davor, dieses Patent tatsächlich einzuführen und das europäische Fachgericht für Patentfragen einzusetzen, was die Industrie seit Jahrzehnten gefordert hat. Die größte Herausforderung besteht jedoch nun darin, auf der Zielgeraden letzte offene Fragen zu klären, zum Beispiel hinsichtlich des Zusammenspiels des Einheitspatents mit den nationalen Patenten und nationalen ergänzenden Schutzzertifikaten (Supplementary Protection Certificate, SPC), die im Rahmen der SPC-Regelung gewährt wurden, oder hinsichtlich der möglichen Schaffung eines einheitlichen SPC-Titels.
Das ergänzende Schutzzertifikat ist für Hersteller von Arzneimitteln, Medizinprodukten, Tierarzneimitteln und Produkten zur Behandlung von Pflanzen, aber auch für neue Wirtschaftszweige, deren Produkte wahrscheinlich einem Zulassungsverfahren unterliegen werden, von entscheidender Bedeutung.
Ein einheitlicher SPC-Titel würde Industriezweigen, deren Produkte regulierten Zulassungsverfahren unterliegen, mehr Sicherheit bieten. Konkret würde ein einheitliches SPC die Transparenz und Sicherheit erhöhen, was den Schutz von Arzneimitteln anbelangt. Dadurch würde es einerseits für die Hersteller von neuartigen Arzneimitteln, Generika oder Biosimilars einfacher, zu investieren, und andererseits für die Mitgliedstaaten leichter, ihre Gesundheitshaushalte zu optimieren, so dass die Patienten besseren Zugang zu Arzneimitteln erhalten.
Um die Warenherstellung in der EU und die Wettbewerbsfähigkeit in den Industriezweigen zu fördern, deren Produkte regulierten Zulassungsverfahren unterliegen, wird die Kommission eine Neujustierung bestimmter Aspekte des Patent- und SPC-Schutzes prüfen. Durch eine SPC-Ausnahmeregelung für die Herstellung könnten in der europäischen Generika- und Biosimilarbranche Tausende Hochtechnologie-Arbeitsplätze in der EU sowie zahlreiche neue Unternehmen geschaffen werden. Eine Anpassung des Anwendungsbereichs des patentrechtlichen Forschungsprivilegs in der EU würde unter anderem zu einer anhaltenden Versorgung mit pharmazeutischen Wirkstoffen auf dem gesamten Binnenmarkt führen.
Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen außerdem KMU noch stärker unterstützen, damit sie in vollem Umfang von den Möglichkeiten zum Schutz ihrer Investitionen Gebrauch machen können. Eine jüngst vom Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) durchgeführte Studie ergab, dass lediglich 9 % der KMU in Europa Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums (IPR) sind, diese KMU aber im Schnitt einen um 32 % höheren Umsatz je Mitarbeiter erwirtschaften als KMU, die nicht über IPR verfügen. Als Folgemaßnahme zum Aktionsplan für die Durchsetzung von Immaterialgüterrechten aus dem Jahr 2014 wird die Kommission kleinere Unternehmen dabei unterstützen, IPR wirksamer zu schützen, zu verwalten und durchzusetzen, indem der Zugang zu Informationen und Finanzhilfeprogramme besser koordiniert werden. Die Kommission wird sich zudem weiter mit der Frage befassen, wie das traditionelle Wissen Europas bestmöglich genutzt werden kann, und im Anschluss an die öffentliche Konsultation zum Schutz der geografischen Angaben für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse entsprechende Schritte einleiten.
Schließlich wird die Kommission, wie in der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt in Europa angekündigt, den Rahmen für die IPR-Durchsetzung überarbeiten, um dem zunehmend grenzüberschreitenden Charakter der Schutzrechtsverletzungen Rechnung zu tragen. Dabei wird sie bevorzugt das Konzept „follow the money“ anwenden, wonach gewerbsmäßigen Verletzern von Rechten des geistigen Eigentums die Einnahmequellen entzogen werden sollen, da diese Art der Schutzrechtsverletzungen der EU-Wirtschaft am meisten schaden. Im Einklang mit den Zielen dieser Strategie wird der Fokus darauf liegen, KMU bei der Durchsetzung ihrer Rechte des geistigen Eigentums zu unterstützen.
Maßnahmen: Die Kommission wird Initiativen zur Konsolidierung und Modernisierung des IPR-Rahmens, einschließlich Maßnahmen zur Förderung der Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums durch KMU, ausarbeiten. Sie wird weitere Maßnahmen im Rahmen von Konsultationen zur Diskussion stellen, prüfen und vorschlagen, sofern dies angemessen ist, um das Patentsystem in Europa zu verbessern, insbesondere für die Arzneimittelindustrie und andere Wirtschaftszweige, deren Produkte regulierten Zulassungsverfahren unterliegen. Wie in der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt in Europa angekündigt, wird die Kommission 2016 den Rahmen für die IPR-Durchsetzung überarbeiten und dabei gegenüber gewerbsmäßigen Schutzrechtsverletzungen das Konzept „follow the money“ verfolgen.
4.Die praktische Umsetzung gewährleisten
4.1.Eine Kultur der Rechtstreue und der intelligenten Durchsetzung
Nur bei einer wirksamen Einhaltung der einschlägigen Vorschriften („Compliance“) kommen die Chancen und Vorteile des Binnenmarkts zum Tragen. Mitte 2015 waren etwa 1090 Vertragsverletzungsverfahren anhängig, die den Binnenmarkt betrafen. Durchschnittlich benötigen die nationalen Behörden mit Unterstützung durch die Kommission fast 30 Monate um ein Vertragsverletzungsverfahren abzuschließen. Zudem kennen viele Menschen und Unternehmen nach wie vor die Möglichkeiten gar nicht, die ihnen zum Schutz ihrer Rechte zur Verfügung stehen. All dies schwächt den Binnenmarkt und das Vertrauen der Menschen in ihn. Das muss sich ändern.
Dafür muss ein ganzheitliches Konzept verfolgt werden, das alle Phasen der Politikgestaltung von der Konzipierung über die Durchführung bis hin zur Information umfasst, so wie es auch dem Konzept für eine bessere Rechtsetzung entspricht. Dies umfasst die bessere Integration von Bewertungs- und Durchsetzungsaspekten in die Konzipierung von politischen Maßnahmen, die stärkere Unterstützung und Anleitung der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Binnenmarktvorschriften und eine kohärentere und effizientere Durchsetzungspolitik, mit der die generelle Einhaltung der Binnenmarktvorschriften und des EU-Rechts im Allgemeinen verbessert werden soll. Die Kommission ist fest entschlossen, diese Ziele zu verwirklichen.
Hierbei vertraut die Kommission auf ihre Leitlinien zur besseren Rechtsetzung und setzt sich durch eine Reihe von Initiativen für eine vertiefte Partnerschaft mit den Mitgliedstaaten ein; zu diesen Initiativen zählen Umsetzungspläne für neue wichtige Gesetzgebungsakte, jährliche Compliance-Dialoge mit jedem Mitgliedstaat und der Einsatz einer breiten Palette an Instrumenten zur Verbesserung der Einhaltung der Rechtsvorschriften. Die Kommission wird die nationalen Rechtsvorschriften verstärkt systematischen Compliance-Prüfungen unterziehen. Sie ist außerdem bestrebt, ein Datenanalysetool zu entwickeln, dass dazu beitragen könnte, Verstöße besser aufzudecken.
Ferner wird die Kommission sektorspezifische Strategien ausarbeiten und verfolgen, um das System zur Überwachung der Anwendung des EU-Rechts zu optimieren. Im Anschluss an die Mitteilung „Bessere Governance für den Binnenmarkt“ aus dem Jahr 2012 wurde eine Reihe von Durchsetzungsmaßnahmen getroffen, um in Schlüsselbereichen für das Wachstum rasche Fortschritte zu erzielen. Diese Strategie hat einige positive Ergebnisse hervorgebracht. Ausgehend von den dabei gewonnen Erkenntnissen wird die Kommission die Möglichkeit prüfen, diese Maßnahmen auf weitere Sektoren auszuweiten.
Die Kommission wird insbesondere eine Rechtsetzungsinitiative zu einem Marktinformationsinstrument für den Binnenmarkt vorschlagen, mit dem Informationen von ausgewählten Marktteilnehmern erhoben werden können. Da die Kommission dann von ausgewählten Marktteilnehmern aktuelle, umfassende und verlässliche quantitative und qualitative Informationen einholen könnte, wäre sie eher in der Lage, die EU-Vorschriften in vorrangigen Bereichen besser zu überwachen und durchsetzen. Dies wird der Kommission auch dabei helfen, Verbesserungen in den Bereichen vorzuschlagen, in denen die Bewertung Durchsetzungsdefizite aufzeigt, die auf Mängel in den einschlägigen sektoralen Rechtsvorschriften zurückzuführen sind. Dieses neue Instrument würde nur dann eingesetzt, wenn im Vorfeld durch eine eingehende Sichtung aller verfügbaren Daten ein Bedarf ermittelt wurde, umfassende und verlässliche Informationen zum Marktverhalten von Unternehmen direkt bei den Marktteilnehmern abzufragen; dabei würde auch den bewährten Verfahren Rechnung getragen, nach denen vorzugehen ist, wenn Praktiken der Mitgliedstaaten das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen. Auf Grundlage dessen wird die Kommission einen Bericht veröffentlichen, wobei berücksichtigt wird, dass einige der erhobenen Informationen vertraulich sind. Das neue Marktinformationsinstrument wird die Kommission dabei unterstützen, zielgerichteter mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten. Es wird zur Verbesserung der Grundlage für Vertragsverletzungsverfahren dienen und ermitteln helfen, in welchen Bereichen regulatorische Eingriffe erforderlich sind.
Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten wird die Kommission zudem die bestehenden Instrumente für die Lösung von Problemen im Binnenmarkt, wie SOLVIT, stärken und optimieren. Probleme lassen sich am besten frühzeitig und auf nationaler Ebene lösen. Insbesondere wird sie erwägen, Folgemaßnahmen zu wiederkehrenden oder strukturellen Problemen zu ergreifen, die nicht über SOLVIT gelöst werden konnten. Darüber hinaus wird sie die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen besser über ihre Rechte aufklären und ihnen vermitteln, wie nationale Rechtsbehelfsmechanismen, zum Beispiel über das „zentrale digitale Zugangstor“, in Anspruch genommen werden können.
Maßnahmen: Die Kommission wird eine Strategie der intelligenten Durchsetzung verfolgen, die auch sektorspezifische Strategien umfasst. Sie wird eine Rechtsetzungsinitiative vorschlagen, die es ihr ermöglichen soll, verlässliche Informationen direkt von ausgewählten Marktteilnehmern zu erheben, damit der Binnenmarkt auch weiterhin funktioniert und verbessert wird. Ferner wird sie durch Umsetzungspläne für neue wichtige Gesetzgebungsakte, jährlich anberaumte Compliance-Dialoge mit jedem Mitgliedstaat, und die etwaige Entwicklung eines Datenanalyse-Tools für eine verbesserte Überwachung der Rechtsvorschriften zum Binnenmarkt ihre Partnerschaft mit den Mitgliedstaaten weiter vertiefen. Schließlich wird die Kommission die Instrumente für die Lösung von Problemen im Binnenmarkt wie das SOLVIT-Netz stärken und optimieren sowie die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen vermehrt über ihre Rechte aufklären.
4.2.Die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie durch eine Reform des Mitteilungsverfahrens verbessern
Damit sichergestellt wird, dass alle neuen regulatorischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht diskriminierend, durch Ziele des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig sind, sind die Mitgliedstaaten gemäß der Dienstleistungsrichtlinie verpflichtet, der Kommission neue regulatorische Maßnahmen mitzuteilen, die Dienstleistungen betreffen.
Trotzdem gibt es immer noch eine Vielzahl unterschiedlicher nationaler Regeln und Vorschriften, und das Mitteilungsverfahren wird häufig nicht eingehalten. Sieben Mitgliedstaaten haben seit dem Inkrafttreten der Dienstleistungsrichtlinie im Jahr 2009 noch keine neuen Vorschriften mitgeteilt, fünf Mitgliedstaaten nur sehr wenige. Andere Mitgliedstaaten hingegen haben besonders viele Mitteilungen übermittelt.
Die Kommission oder andere Mitgliedstaaten können außerdem nur äußerst begrenzt Einfluss nehmen, da die Mitgliedstaaten Gesetze überwiegend erst nach der Verabschiedung und nicht bereits als Entwürfe übermitteln.
Hinzu kommt, dass die Mitteilungen nicht transparent sind: Betroffene Verbraucher und Unternehmen haben keinen Zugang und können daher erst dann Beschwerde einlegen, wenn ihnen der Verwaltungsaufwand und die zusätzlichen Kosten bereits aufgebürdet wurden. Das steht eindeutig im Gegensatz zur Transparenzrichtlinie, die Transparenz gegenüber Interessenträgern vorsieht, die auf dem Gebiet der Waren und Dienstleistungen der Informationsgesellschaft tätig sind.
Schließlich ist im derzeitigen Rechtsrahmen für Mitteilungen keine eingehende Bewertung der Verhältnismäßigkeit verankert. Deswegen fällt es den Mitgliedstaaten oft schwer, die Verhältnismäßigkeit neuer Vorschriften für Dienstleistungen zu beurteilen. Durch ein Präventivsystem, das Teil eines verbesserten Mitteilungssystems ist, könnte es daher erheblich einfacher werden, mögliche Alternativen und weniger einschneidende Maßnahmen zur Verwirklichung der verfolgten Ziele zu ermitteln.
Angesichts der zahlreichen Unzulänglichkeiten wird die Kommission einen Legislativvorschlag vorlegen, um das Mitteilungsverfahren im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie zu verbessern. Mit diesem Vorschlag wird das Erfolgsmodell des derzeitigen Verfahrens für Waren und Dienstleistungen der Informationsgesellschaft – einschließlich der vorgeschriebenen Mitteilung von Legislativentwürfen und der Bestimmungen zur Transparenz gegenüber den Interessenträgern – auf andere Dienstleistungen übertragen. In der Folge sollte eine Maßnahme, die nicht mitgeteilt wurde, als unwirksam angesehen werden und eine Stillhaltefrist gelten. In dem Vorschlag wird auch gebührend berücksichtigt werden, dass die Verhältnismäßigkeit angemessen zu beurteilen ist.
Maßnahmen: Die Kommission wird einen Legislativvorschlag vorlegen, der nach dem Erfolgsmodell des Mitteilungsverfahrens gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 gestaltet wird und für Dienstleistungen gelten soll, die derzeit nicht unter diese Richtlinie fallen. Das bestehende Mitteilungsverfahren gemäß der Dienstleistungsrichtlinie wird dadurch verbessert. So kann häufiger bereits im Vorfeld geprüft werden, ob nationale Rechtsvorschriften, die den freien Dienstleistungsverkehr einschränken, gerechtfertigt und verhältnismäßig sind.
4.3.Den Binnenmarkt für Waren ausbauen
Der Handel mit Waren macht etwa 75 % des Intra-EU-Handels aus. Das Volumen des zwischen EU-Mitgliedstaaten betriebenen Warenhandels wird für das Jahr 2014 mit 2900 Mrd. EUR beziffert. Bei über 80 % der Industrieprodukte wurden regulatorische Hindernisse durch gemeinsame Vorschriften oder, falls die Union keine derartigen Vorschriften erlassen hat, durch den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung ausgeräumt.
In Bereichen, die nicht durch EU-Rechtsvorschriften geregelt sind, unterliegen Waren, die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind, dank des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung dem freien Warenverkehr und dürfen in einem anderen Mitgliedstaat verkauft werden. Bei nicht korrekter Anwendung der gegenseitigen Anerkennung kommt es allerdings zu Erschwernissen für Unternehmen, die auf den Märkten anderer Mitgliedstaaten tätig werden wollen. Darüber hinaus gelangen immer mehr mit EU-Vorschriften nicht konforme Produkte auf den Markt, was Nachteile für die Anbieter, die die geltenden Bestimmungen einhalten, und Risiken für die Verbraucher mit sich bringt.
Dadurch entgehen der gesamten Wirtschaft Chancen, auch wenn die Marktintegration im Bereich des Warenhandels ein hohes Niveau erreicht hat.
Die Kommission wird daher aktiv werden, damit die gegenseitige Anerkennung verstärkt zum Tragen kommt und gegen illegale und nicht konforme Waren vorgegangen wird.
Die 2008 erlassene Verordnung über die gegenseitige Anerkennung war für die Beweislastumkehr maßgeblich, so dass nicht mehr die Wirtschaftsbeteiligten, sondern die nationalen Behörden nachweisen müssen, ob ein Produkt andernorts rechtmäßig in Verkehr gebracht wurde.
Allerdings verursachen nationale Vorschriften und Praktiken nach wie vor Behinderungen. Die nationalen Behörden verlangen häufig besondere Nachweise für das rechtmäßige Inverkehrbringen oder verweigern schlichtweg den Marktzugang in ihrem Land. Die Wirtschaftsbeteiligten müssen oft besondere Unterlagen vorlegen oder ihre Produkte zusätzlich testen lassen, was ihnen Mehrkosten verursacht, oder sie ganz davon abhält, auf neue Märkte zu expandieren. Diese Probleme treten zwar in vielen Branchen auf, sind aber im Baugewerbe, in der Lebensmittelindustrie sowie in den Bereichen Nahrungsergänzungsmittel und Düngemittel besonders akut. Dies hat zur Folge, dass den Unternehmen Chancen entgehen, der Wettbewerb beeinträchtigt wird und die Verbraucher höhere Preise zahlen.
Die Kommission wird daher mit einem EU-weiten Aktionsplan auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung aufmerksam machen, unter anderem mit konkreten Maßnahmen für Branchen (wie z. B. das Baugewerbe), in denen sich durch die gegenseitige Anerkennung die größten Steigerungen der Wettbewerbsfähigkeit in der EU erzielen lassen könnten. Ferner wird sie mit der Überarbeitung der Verordnung über die gegenseitige Anerkennung gegen die administrative Fragmentierung vorgehen und für eine Vereinheitlichung der Unterlagen sorgen, die als Nachweis für das rechtmäßige Inverkehrbringen eines Produkts in einem Mitgliedstaat vorzulegen sind.
Wirtschaftsbeteiligte werden dafür die Möglichkeit erhalten, eine Selbsterklärung über das rechtmäßige Inverkehrbringen eines Produkts in einem anderen Mitgliedstaat auszustellen. Durch die entsprechende Konformitätsvermutung wird es für die Unternehmen einfacher, ihre Waren in anderem Mitgliedstaat in Verkehr zu bringen, falls kein amtlicher Beschluss erlassen und sowohl der Kommission als auch dem relevanten Wirtschaftsbeteiligten mitgeteilt wird. Zur Förderung des Angebots an integrierten Waren und Dienstleistungen werden Synergien mit dem „Dienstleistungspass“ geprüft.
Die Kommission wird durch einen strategischeren Einsatz der Instrumente der Transparenzrichtlinie dafür sorgen, dass zwischen den Mitgliedstaaten mehr Verständnis und Vertrauen entsteht.
Damit der Binnenmarkt für Gesundheitsprodukte künftig besser funktioniert, wird die Kommission eine Initiative in Sachen Bewertung von Gesundheitstechnologien starten. Durch mehr Koordination sollen vermieden werden, dass ein und dasselbe Produkt gleich in mehreren Mitgliedstaaten einer Bewertung unterzogen wird.
Die steigende Zahl der auf dem Markt angebotenen illegalen und nicht konformen Produkte führt zu Wettbewerbsverzerrungen und einer Gefährdung der Verbraucher. Nach den Informationen, die beispielsweise für den Bereich der Funkanlagen vorliegen, ist der Anteil der vollkommen konformen Produkte mit nur 28 % bis 56 % sehr gering. Ähnlich niedrig sind die Werte auch bei anderen Kategorien von Industrieprodukten.
Bei den Konsumgütern übermittelten die Mitgliedstaaten 2014 über das europäische Schnellwarnsystem RAPEX fast 2500 Meldungen über gefährliche Produkte. Dies sind 3 % mehr als 2013, wobei fast 90 % der Meldungen Produkte betrafen, von denen ein erhebliches Risiko für die Verbraucher ausging.
Viele Wirtschaftsbeteiligte missachten die Vorschriften aus Unkenntnis oder wollen sich damit bewusst einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Es bedarf einer stärkeren Abschreckung. Die zuständigen Marktüberwachungsbehörden sind zudem häufig mit zu geringen Mitteln ausgestattet und können nur innerhalb der Landesgrenzen tätig werden, während die Wirtschaftsbeteiligten europa- oder gar weltweit agieren. Vor allem im Bereich des Onlinehandels haben die Marktüberwachungsbehörden erhebliche Probleme dabei, aus Nicht-EU-Staaten eingeführte nicht konforme Produkte ausfindig zu machen und das in ihrem Zuständigkeitsbereich verantwortliche Unternehmen zu ermitteln.
Die Kommission wird daher mit einer Produktkonformitätsinitiative den Wirtschaftsbeteiligten die richtigen Anreize bieten. Sie wird dazu die Konformitätsprüfungen verschärfen und sich für eine engere grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den mit der Durchsetzung betrauten Behörden, auch im Wege der Kooperation mit dem Zoll, einsetzen. Die Kommission wird den bestehenden Rahmen für Marktüberwachungsaktivitäten konsolidieren, die zuständigen Behörden aus verschiedenen Mitgliedstaaten zu gemeinsamen Maßnahmen ermutigen, den Informationsaustausch verbessern und die Koordination von einschlägigen Programmen fördern.
Außerdem wird die Kommission auf der Basis der bereits bestehenden Produktinfostellen eine erste Anlaufstelle einrichten, die die Unternehmen über Produktrechtsvorschriften informiert. Diese Bemühungen werden einen Beitrag zur Aufklärungs- und Informationsarbeit über die geltenden Rechtsvorschriften leisten. Den Wirtschaftsbeteiligten wird auch ein System zur Verfügung stehen, mit dem sie die Konformität von Produkten gegenüber den zuständigen Behörden und voraussichtlich auch den Verbrauchern auf digitalem Weg (Stichwort „E-Compliance“) nachweisen können. Damit können die Behörden einfacher Konformitätsprüfungen durchführen. Gleichzeitig sinken die Kosten für die Wirtschaftsbeteiligten und das Vertrauen der Verbraucher wird auf diese Weise wieder gestärkt.
Maßnahmen: Die Kommission wird mit einem EU-weiten Aktionsplan Aufklärungsarbeit in Sachen gegenseitige Anerkennung leisten und die Verordnung über die gegenseitige Anerkennung überarbeiten. Damit die Unternehmen ihre Produkte in einem anderen Mitgliedstaat leichter in Verkehr bringen können, wird die Kommission eine freiwillige Selbsterklärung über die Einhaltung der relevanten Rechtsvorschriften einführen, die alle Unternehmen, die dies wünschen, verwenden können. Die Kommission wird sich auch mit einem umfassenden Maßnahmenpaket besonders dafür einsetzen, dass nicht konforme Produkte dank einer strengeren Marktüberwachung und der richtigen Anreize für die Wirtschaftsbeteiligten in der EU nicht auf den Markt gelangen.
5.Fazit
Die Kommission hat sich vorgenommen, einen vertieften und faireren Binnenmarkt mit gestärkter industrieller Basis zu schaffen. Zur Verwirklichung dieses Ziels müssen wir unseren Binnenmarkt weiter ausbauen und uns dabei an der aktuellen wirtschaftlichen Realität orientieren, die heute von zunehmender Digitalisierung, neuen Geschäftsmodellen und einer wachsenden Verflechtung von verarbeitendem Gewerbe und Dienstleistungen in den globalen Wertschöpfungsketten geprägt ist. Mit der Binnenmarktstrategie wird ein Paket mit konkreten und ehrgeizigen Maßnahmen vorgeschlagen, mit dem die wirtschaftlich relevanten Hindernisse beseitigt werden sollen, die Europas Agenda für Beschäftigung, Wachstum und Investitionen im Weg stehen. Die Kommission vertraut darauf, dass das Europäische Parlament, der Rat sowie alle Interessenträger dieses ambitionierte und dringend benötigte Programm nach Kräften unterstützen, damit wir im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen in ganz Europa einen großen Schritt nach vorne machen können. Bei diesem Programm kommt es ganz wesentlich darauf an, dass es von den Mitgliedstaaten auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene weitergetragen wird, weil es einen Binnenmarkt nur mit ihrer Unterstützung und ihrem Engagement geben kann.
Die im Rahmen dieser Strategie vorgesehen Maßnahmen werden 2016 und 2017 anlaufen. Bis Ende 2017 wird die Kommission die bei der Umsetzung erzielten Fortschritte bewerten und anhand einer umfassenden wirtschaftlichen Analyse entscheiden, ob zusätzliche Maßnahmen zur Verwirklichung des von ihr angestrebten tieferen und faireren EUBinnenmarkts notwendig sind.
Fahrplan für die Umsetzung der Binnenmarktstrategie
Maßnahmen
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Durchführungszeitraum
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Informationsmaterial über die Anwendung von EU-Recht auf Geschäftsmodelle der partizipativen Wirtschaft
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2016
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Mehrwertsteueraktionsplan
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2016
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Gesetzgebungsinitiative im Bereich Unternehmensinsolvenzen mit Bestimmungen zu frühen Umstrukturierungen und zur „zweiten Chance“
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2016
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Initiativen zur Förderung des Einsatzes digitaler Technologien während des Lebenszyklus eines Unternehmens sowie bei grenzüberschreitenden Unternehmensverschmelzungen und -spaltungen
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2017
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Start-up-Initiative
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2016
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Informationsmaterial zum Reformbedarf der Mitgliedstaaten im Bereich reglementierte Berufe
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2016
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Analyseraster für die Mitgliedstaaten, die bestehende Vorschriften zur Reglementierung von Berufen prüfen oder zusätzliche vorschlagen
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2016
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Legislativvorschlag, um konkrete regulatorische Hindernisse für wichtige Unternehmensdienstleistungen und Bauleistungen abzubauen
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2016
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Gesetzgebungsinitiative zur Einführung eines „Dienstleistungspasses“ für Schlüsselbranchen wie Bauwirtschaft und Unternehmensdienstleistungen
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2016
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Mitteilung über bewährte Verfahren zur Erleichterung der Gründung von Einzelhandelsunternehmen und zum Abbau von Beschränkungen für deren Betrieb
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2017
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Legislativmaßnahme zur Verhinderung der Diskriminierung von Verbrauchern aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzlandes
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Mitte 2016
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Gemeinsames Konzept für die Normung
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2016
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Vorlage von Informationsmaterial zur Normung von Dienstleistungen
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2016
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Vergabe öffentlicher Aufträge: Mechanismus zur freiwilligen Ex-ante-Bewertung bei großen Infrastrukturvorhaben
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2017
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Initiativen zur besseren Steuerung der Vergabe öffentlicher Aufträge durch die Einrichtung von Auftragsregistern, eine bessere Datenerhebung und die Vernetzung von Überprüfungsstellen
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2017-2018
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Initiativen zur Modernisierung des Rahmens für die Rechte des geistigen Eigentums (IPR) einschließlich einer Überprüfung des EU-Rahmens für die IPR-Durchsetzung
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2016-2017
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Datenanalyse-Tool für die Überwachung der Binnenmarktvorschriften
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2017
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Vorschlag zu einem Marktinformationsinstrument, das der Kommission die Erhebung von Informationen bei ausgewählten Marktteilnehmern ermöglicht
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2016
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Nach dem Erfolgsmodell des Mitteilungsverfahrens gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 gestalteter Legislativvorschlag für Dienstleistungen, die derzeit nicht unter diese Richtlinie fallen
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2016
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Aktionsplan für Aufklärungsarbeit über den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung
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2016
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Überarbeitung der Verordnung über die gegenseitige Anerkennung
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2017
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Umfassendes Maßnahmenpaket zur verschärften Bekämpfung nicht konformer Produkte auf dem EU-Markt (einschließlich einer etwaigen Gesetzgebungsinitiative)
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2016-2017
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