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Document 52014DC0188
REPORT FROM THE COMMISSION TO THE EUROPEAN PARLIAMENT AND THE COUNCIL in accordance with Article 25 of Regulation (EC) No 1394/2007 of the European Parliament and of the Council on advanced therapy medicinal products and amending Directive 2001/83/EC and Regulation (EC) No 726/2004
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT gemäß Artikel 25 der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT gemäß Artikel 25 der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004
/* COM/2014/0188 final */
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT gemäß Artikel 25 der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 /* COM/2014/0188 final */
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE
PARLAMENT UND DEN RAT gemäß Artikel 25 der Verordnung (EG) Nr.
1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über Arzneimittel für
neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung
(EG) Nr. 726/2004 (Text von Bedeutung für den EWR) 1. Einleitung Der wissenschaftliche Fortschritt hat eine neue
Art von Arzneimitteln hervorgebracht, die auf Gentherapie, somatischer
Zelltherapie oder biotechnologischer Gewebebearbeitung (Tissue-Engineering)
basieren. Zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für die Vermarktung der so
genannten Arzneimittel für neuartige Therapien (nachstehend „ATMP“) wurde im
Jahr 2007 die Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments
und des Rates über Arzneimittel für neuartige Therapien (nachstehend
„ATMP-Verordnung“) angenommen.[1] Mit der ATMP-Verordnung sollten ein hohes
Gesundheitsschutzniveau und der freie Verkehr von ATMP in der EU sichergestellt
werden. Der wichtigste Aspekt der Verordnung besteht darin, dass vor dem
Inverkehrbringen von ATMP eine Zulassung („Genehmigung für das
Inverkehrbringen“) beantragt werden muss. Diese Zulassung kann ihrerseits erst
dann erteilt werden, wenn nach einer wissenschaftlichen Bewertung der Qualität,
der Wirksamkeit und des Sicherheitsprofils der Nachweis erbracht wurde, dass
die Vorteile die Risiken überwiegen. Der Zulassungsantrag ist bei der
Europäischen Arzneimittel-Agentur (nachstehend „die Agentur“) einzureichen; die
endgültige Entscheidung wird dann von der Kommission getroffen. Damit wird
sichergestellt, dass die Produkte von einem Fachgremium (dem Ausschuss für
neuartige Therapien, nachfolgend „CAT“) geprüft werden und dass die Zulassung
in allen EU-Mitgliedstaaten gültig ist. Mit der ATMP-Verordnung wurde der Agentur die
Befugnis erteilt, wissenschaftliche Empfehlungen auszusprechen, ob bestimmte
Produkte als ATMP einzustufen sind (nachfolgend „Klassifizierungen“). Darüber
hinaus wurde mit der Verordnung ein neues Instrument, das so genannte
Zertifizierungsverfahren, eingeführt, das als Anreiz für kleine und mittlere
Unternehmen (nachfolgend „KMU“) gedacht ist, die an den ersten
Entwicklungsphasen von ATMP beteiligt waren, jedoch nicht über die Mittel zur
Durchführung klinischer Prüfungen verfügten. Die Bestätigung, dass die Qualität
und die vorklinischen Aspekte der Entwicklung den einschlägigen
ordnungsrechtlichen Anforderungen genügen, sollte insbesondere KMU helfen,
Kapital zu beschaffen, und die Übertragung von Forschungstätigkeiten an
Einrichtungen erleichtern, die auch über Kapazitäten zur Vermarktung von
Arzneimitteln verfügen. Die ATMP-Verordnung wird seit dem
30. Dezember 2008 angewandt, wobei für ATMP, die sich bei der Annahme der
Verordnung bereits auf dem EU-Binnenmarkt befanden, eine Übergangsfrist galt.
Bei der Gentherapie und der somatischen Zelltherapie mussten die Auflagen der
Verordnung bis zum 30. Dezember 2011 erfüllt werden, bei biotechnologisch
bearbeiteten Gewebeprodukten bis zum 30. Dezember 2012. Mit diesem Bericht, der gemäß Artikel 25 der
ATMP-Verordnung verfasst wurde, zieht die Kommission Bilanz zur Lage der ATMP
in der EU und untersucht die Auswirkungen der Verordnung auf neuartige
Therapien. Darüber hinaus zieht sie das Fazit der von den
Kommissionsdienststellen durchgeführten öffentlichen Anhörung zur Anwendung der
ATMP-Verordnung (nachfolgend „öffentliche Anhörung“)[2]. 2. Forschung und Entwicklung zu
neuartigen Therapien in der EU: Aktuelle Situation Zu neuartigen Therapien wird in der EU sehr viel
geforscht. Konkret wurden in der Datenbank EudraCT[3] im Zeitraum 2004-2010
bis zu 250 verschiedene ATMP verzeichnet. Die meisten Forschungsarbeiten zu neuartigen
Therapien werden von kleinen Unternehmen und nicht gewinnorientierten
Einrichtungen durchgeführt. Daher handelt es sich bei fast 70 % der
Sponsoren klinischer Prüfungen von in der EudraCT gemeldeten ATMP um nicht
gewinnorientierte Organisationen oder KMU; große Pharmaunternehmen machen
weniger als 2 % aller Sponsoren aus. Auch werden die meisten Anträge auf
wissenschaftliche Beratung durch den CAT ebenfalls von KMU gestellt (siehe Punkt 3.5). Die Umsetzung von Forschungstätigkeiten in für
Patienten verfügbare Arzneimittel erweist sich generell als große
Herausforderung. Nur ein Bruchteil der als potenzielle Arzneimittel erforschten
Moleküle erlangt letzten Endes eine Zulassung. Die meisten erforschten Moleküle
erreichen nicht einmal das Stadium der Untersuchung am Menschen, wofür es
verschiedenste Gründe gibt (z. B. weil sich die angenommene Aktivität des
Moleküls oder der Wirkmechanismus nicht bestätigt oder weil sich bei den
vorklinischen Studien herausstellt, dass das Sicherheitsprofil nicht annehmbar
ist). Zudem liegen Schätzungen vor, wonach durchschnittlich noch nicht einmal
für 25 % der in klinischen Prüfungen getesteten Moleküle das
Inverkehrbringen genehmigt wird. Im Regelfall verstreichen zwischen der
Entdeckung eines Wirkstoffs und der Genehmigung des Arzneimittels mehr als zehn
Jahre. Aufgrund der spezifischen Eigenschaften neuartiger
Therapien sehen sich die Entwickler von ATMP mit zusätzlichen Schwierigkeiten
konfrontiert. So erschwert beispielsweise die Variabilität des
Ausgangsmaterials den Nachweis der Homogenität des Produkts. Ebenso können die
üblicherweise nur geringen Mengen und deren kurze Haltbarkeit (wenige Stunden
bis wenige Tage) umfangreiche Tests unmöglich machen. Außerdem hinaus lassen
sich randomisierte kontrollierte klinische Prüfungen unter Umständen nicht
immer durchführen, beispielsweise wenn die Verabreichung des Arzneimittels
einen chirurgischen Eingriff erfordert (wie bei den meisten biotechnologisch
bearbeiteten Gewebeprodukten) oder wenn keine alternativen Behandlungen zur
Verfügung stehen. Die Entwicklung von ATMP wird zudem dadurch
behindert, dass die Forscher zumeist nicht über ausreichend Finanzmittel und
Fachkenntnisse in Regulierungsfragen verfügen, um die Zulassungsverfahren zu
einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Investoren wiederum werden
abgeschreckt durch die Unsicherheiten bezüglich der Rendite ihrer Investition. 3. Überblick über die Anwendung
der ATMP-Verordnung vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2013 Die ATMP-Verordnung war ein wichtiger Schritt, um
Patienten vor wissenschaftlich unzuverlässigen Behandlungen zu schützen.
Darüber hinaus wurde durch die ATMP-Verordnung ein gemeinsamer Rahmen für die
Beurteilung neuartiger Therapien in der EU geschaffen. Die Entwicklung neuartiger Therapien steht noch
ganz am Anfang, und bisher wurden nur vier ATMP zugelassen. Doch die Tatsache,
dass der CAT im Bereich wissenschaftliche Beratung und Klassifizierung viel
aktiver geworden ist, und die hohe Anzahl klinischer Prüfungen mit ATMP deuten
auf eine große Dynamik in der Forschung hin. 3.1. Ein Fachgremium und ein
angepasster Regulierungsrahmen Die Einsetzung des Ausschusses für neuartige
Therapien (CAT) gemäß Artikel 20 der Verordnung war ein wesentlicher
Meilenstein bei der Umsetzung der ATMP-Verordnung. In diesem Ausschuss bewerten
einige der besten in der EU verfügbaren Fachkräfte gemeinsam Qualität,
Sicherheit und Wirksamkeit von ATMP. Die erste Sitzung des Ausschusses fand im
Januar 2009 statt. Darüber hinaus wurde im November 2010 eine Gruppe für die
Zusammenarbeit zwischen dem CAT und den benannten Stellen für Medizinprodukte
eingerichtet, die den CAT bei ATMP-Kombinationsprodukten berät.[4] Mit der ATMP-Verordnung erhielt die Kommission die
Befugnis, besondere Auflagen für den Inhalt von Zulassungsanträgen, eine gute
Herstellungspraxis, eine gute klinische Praxis und die Rückverfolgbarkeit von
ATMP festzulegen. In einer am 14. September 2009 angenommenen Änderung an
Teil IV des Anhangs der Richtlinie 2001/83/EG wurden einige Auflagen in
Bezug auf den Inhalt der Zulassungsanträge für ATMP angepasst.[5] Zudem gelten seit dem
31. Januar 2013 überarbeitete Leitlinien für die gute Herstellungspraxis
mit speziellen Anpassungen für ATMP.[6]
Die Annahme spezifischer Auflagen für eine gute klinische Praxis und die
Rückverfolgbarkeit steht jedoch noch aus, da zum besseren Verständnis der
erforderlichen Anpassungen zusätzliche Erfahrungen für notwendig befunden
wurden.[7] Besondere Auflagen für das
Zertifizierungsverfahren wurden mit der Verordnung (EG) Nr. 668/2009 der
Europäischen Kommission vom 24. Juli 2009[8]
erlassen. 3.2. Zulassungen Bis zum 30. Juni 2013 gingen bei der Agentur
zehn Anträge auf Zulassung von ATMP ein. Fünf davon betrafen Produkte, die sich
in der EU bereits auf dem Markt befanden. Von diesen zehn Zulassungsanträgen haben folgende
vier das Verfahren erfolgreich durchlaufen und wurden von der Kommission
genehmigt: - ChondroCelect:
ein Tissue-Engineering-Produkt zur Reparatur einzelner Knorpeldefekte in der
Femurkondyle des Knies bei Erwachsenen;[9] - Glybera:
ein Gentherapeutikum für Erwachsene, bei denen eine familiäre
Lipoprotein-Lipase-Defizienz (LPLD) diagnostiziert wurde und die trotz fettarmer
Ernährung unter schweren oder multiplen Pankreatitis-Anfällen leiden;[10] - MACI:
ein ATMP-Kombinationsprodukt zur Wiederherstellung symptomatischer Vollschicht-Knorpeldefekte
des Knies (Grad 3 und 4 auf der modifizierten Outerbridge-Skala)
mit einer Größe von 3-20 cm bei erwachsenen Patienten mit
geschlossener Wachstumsfuge;[11] - Provenge:
ein Zelltherapeutikum zur Behandlung von asymptomatischem oder minimal
symptomatischem metastatischem kastrationsresistentem Prostatakrebs bei
männlichen Erwachsenen, bei denen eine Chemotherapie noch nicht klinisch
indiziert ist.[12] Vier Zulassungsanträge wurden jedoch abgelehnt.
Einer dieser Anträge betraf ein Produkt, das sich vor dem Inkrafttreten der
ATMP-Verordnung bereits auf dem Markt befunden hatte. Bei zwei weiteren Zulassungsanträgen war die
Prüfung durch den CAT am 30. Juni 2013 noch nicht abgeschlossen. 3.3. Klassifizierungen Bis zum 30. Juni 2013 waren beim CAT
87 Anträge eingegangen und hatte dieser
81 Klassifizierungsempfehlungen ausgesprochen.[13] Fast die Hälfte dieser
Klassifizierungsanträge wurde von KMU eingereicht, weitere 15 % der
Anträge von nicht gewinnorientierten Einrichtungen. Klassifizierungsanträge
großer Pharmaunternehmen machten rund 5 % aller Anträge aus. 3.4. Zertifizierungen Bis zum 30. Juni 2013 waren bei der Agentur
nur drei Zertifizierungsanträge eingegangen. Zwei davon bezogen sich
ausschließlich auf qualitätsbezogene Daten, der dritte auf qualitätsbezogene
und nichtklinische Daten. In allen drei Fällen wurde vom CAT das Zertifikat erteilt. 3.5. Wissenschaftliche Beratung Bis zum 30. Juni 2013 hatte die Agentur in 93
Fällen eine wissenschaftliche Beratung zu ATMP durchgeführt, die 65
verschiedene Produkte betraf. Über 60 % der Anträge auf wissenschaftliche
Beratung waren von KMU und weitere 6 % aus dem akademischen Bereich
gestellt worden. Anträge großer Pharmaunternehmen machten weniger als 10 %
aller Anträge aus. Darüber hinaus ist festzustellen, dass sieben der
zehn Antragsteller, die eine Zulassung beantragten, zuvor um eine wissenschaftliche
Beratung ersucht hatten. 4. Analyse Der Beitrag der ATMP-Verordnung zur öffentlichen
Gesundheit könnte anhand zweier Parameter gemessen werden: 1) inwieweit neue
ATMP in der EU verfügbar wurden, und 2) inwieweit die zugelassenen ATMP wirksam
und sicher sind. Zwar liegen keine Anhaltspunkte vor, dass sich
nicht mithilfe der Auflagen in der ATMP-Verordnung eine gute Qualität und
Wirksamkeit und ein gutes Sicherheitsprofil der zugelassenen Produkte
gewährleisten lässt, jedoch gilt es zu bedenken, ob das hohe
Gesundheitsschutzniveau, das mit der Verordnung erreicht werden sollte, durch
das Inverkehrbringen von Produkten untergraben wird, die die Merkmale von ATMP
aufweisen, welche außerhalb des Rahmens der ATMP-Verordnung in Verkehr gebracht
wurden (z. B. gemäß dem für Gewebe und Zellen, Medizinprodukte o. ä.
geltenden Rechtsrahmen). Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, ob
weiterer Spielraum vorhanden ist, um Patienten mehr ATMP zur Verfügung zu
stellen. 4.1. Die Auswirkungen von ATMP auf
die Verfügbarkeit bestehender ATMP 4.1.1 Vor der ATMP-Verordnung in der EU verfügbare neuartige
Therapien Es war schwierig, genaue Angaben zur Anzahl der
Arzneimittel für neuartige Therapien zu erhalten, die vor Inkrafttreten der
ATMP-Verordnung auf dem EU-Binnenmarkt waren. Erklären lässt sich dies zum Teil
mit den Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Anwendung der Definition von
„ATMP“ (siehe Punkt 4.3). Berichten der Mitgliedstaaten zufolge befanden
sich vor Inkrafttreten der ATMP-Verordnung 31 ATMP legal auf dem
EU-Binnenmarkt.[14] Diese Zahl ist mit Vorsicht zu genießen, da einerseits ein und
dasselbe Produkt von mehr als einem Mitgliedstaat angegeben worden sein kann
und andererseits nicht alle Mitgliedstaaten in der Lage waren, entsprechend
Bericht zu erstatten. Selbst bei den Mitgliedstaaten, die Angaben vorgelegt
haben, lässt sich nicht ausschließen, dass die Zahlen unvollständig sind, da
einige Produkte möglicherweise als Gewebe/Zellen oder Medizinprodukte in
Verkehr gebracht wurden, obwohl sie auch unter die Definition eines
Arzneimittels für neuartige Therapien hätten fallen können. Anzumerken ist, dass nach Angaben einiger
Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet vor Inkrafttreten der ATMP-Verordnung
kein ATMP verfügbar war, wobei diese Nichtverfügbarkeit häufiger die kleineren
Mitgliedstaaten betraf. 4.1.2 Neuartige Therapien nach dem Inkrafttreten der
ATMP-Verordnung Die geringe Anzahl der bei der Agentur eingegangen
Zulassungsanträge (siehe Punkt 3.2) zeigt, dass recht viele Entwickler von
ATMP, die vor dem Inkrafttreten der ATMP-Verordnung auf dem Markt erhältlich
waren, keine Zulassung beantragt haben. Den Angaben der Mitgliedstaaten zufolge waren bis
April 2012 rund 60 Ausnahmen von der Verpflichtung gemacht worden, vor dem
Inverkehrbringen neuartiger Therapien eine Zulassung zu beantragen.[15] Ausnahmen wurden nach Artikel 3 Absatz 7 der Richtlinie
2001/83 (so genannte „Ausnahmeregelung für Krankenhäuser“) sowie anderen
Bestimmungen der Richtlinie, insbesondere Artikel 5, genehmigt.[16] Daher lassen sich die Auswirkungen des
Inkrafttretens der ATMP-Verordnung auf die Verfügbarkeit zuvor erhältlicher
Behandlungen in der Praxis nur schwer feststellen: Einerseits wird eine beträchtliche Zahl
vorhandener ATMP ohne eine Zulassung mithilfe der von den Mitgliedstaaten
gewährten Ausnahmeregelungen (Ausnahmeregelung für Krankenhäuser o. ä.)
weiterhin verwendet. Andererseits handelte es sich bei den meisten ATMP
(16 von 31), zu denen die Mitgliedstaaten angaben, dass sie in ihrem
Hoheitsgebiet vor Inkrafttreten der ATMP-Verordnung verfügbar waren, um
Produkte mit Chondrozyten. Da die Zulassung gemäß der ATMP-Verordnung in allen
Mitgliedstaaten gültig ist und zwei Zulassungen Produkte mit Chondrozyten
betrafen, hat die Anwendung der ATMP-Verordnung möglicherweise tatsächlich dazu
geführt, dass diese Produkte nun in einem größeren Teil der EU verfügbar sind. 4.2. Ausnahmeregelung für
Krankenhäuser Kraft der ATMP-Verordnung sind die Mitgliedstaaten
befugt, die Verwendung von nicht routinemäßig für Einzelpatienten hergestellten
ATMP ohne Zulassung zu genehmigen, sofern das betreffende Produkt für
Einzelpatienten unter der fachlichen Verantwortung eines Arztes in einem
Krankenhaus verwendet wird.[17] Diese so genannte Ausnahmeregelung für Krankenhäuser setzt die
Anwendung nationaler Auflagen in Bezug auf Qualität, Rückverfolgbarkeit und
Pharmakovigilanz voraus, die den für zugelassene Arzneimittel geltenden
entsprechen. Dank der Ausnahmeregelung für Krankenhäuser können
Patienten unter kontrollierten Bedingungen ATMP erhalten, wenn kein
zugelassenes Arzneimittel verfügbar ist. Darüber hinaus erleichtert diese
Regelung die Erforschung und Entwicklung neuartiger Therapien durch nicht
gewinnorientierte Organisationen (wie Hochschulen und Krankenhäuser). Außerdem
kann sie ein nützliches Instrument sein, mit dem vor Beantragung der Zulassung
Informationen eingeholt werden können. Die seit Inkrafttreten der Verordnung gemachten
Erfahrungen zeigen jedoch, dass die Gefahr besteht, dass eine zu häufige
Anwendung der Ausnahmeregelung für Krankenhäuser die Entwickler unter Umständen
von der Beantragung einer Zulassung abhält. Konkret bedeutet dies, dass auf
zugelassene ATMP höhere Entwicklungs- und Unterhaltungskosten zukommen als auf
ATMP, die über die Ausnahmeregelung für Krankenhäuser zur Verfügung gestellt
werden, da die Zulassung an strengere Datenauflagen und nach dem
Inverkehrbringen einzuhaltende Verpflichtungen gebunden ist. Somit haben
Entwickler, die eine Zulassung anstreben, einen Wettbewerbsnachteil gegenüber
denjenigen, die ihre Produkte über die Ausnahmeregelung für Krankenhäuser
vertreiben. Wenn die Ausnahmeregelung zum normalen Weg für das
Inverkehrbringen neuartiger Therapien würde, hätte dies negative Auswirkungen
auf die öffentliche Gesundheit. Erstens sind klinische Prüfungen nach wie vor
das wichtigste Instrument zur Erlangung verlässlicher Informationen über die
Wirksamkeit und das Sicherheitsprofil eines Arzneimittels, und die
systematische Verabreichung komplexer Arzneimittel an Patienten ohne
entsprechende klinische Prüfungen könnte Patienten in Gefahr bringen. Zweitens
würde massiv die Erfassung von Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit der
Behandlung untergraben, da jede Seite lediglich Informationen zu einer geringen
Patientenzahl hervorbringen würde und die Informationen nicht an die Behörden
anderer Mitgliedstaaten übermittelt würden, wo derselbe Produkttyp
möglicherweise ebenfalls über die Ausnahmeregelung für Krankenhäuser verwendet
wird. Darüber hinaus stünde die Behandlung nicht allen Patienten in der
gesamten EU zur Verfügung. Daher gilt es ein Gleichgewicht zu finden zwischen
der Notwendigkeit zur Sicherstellung, dass Patienten ATMP erst dann erhalten,
wenn deren Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit entsprechend nachgewiesen
wurden, und der Notwendigkeit, bei entsprechendem medizinischen Bedarf
frühzeitig den Zugang zu neuen Behandlungen zu ermöglichen. Die fehlende Harmonisierung der von den
Mitgliedstaaten geforderten Voraussetzungen für die Anwendung der
Ausnahmeregelung wurde bei der öffentlichen Anhörung ebenfalls als Problem
angeführt. Diese Ausnahmeregelung wird in den Mitgliedstaaten sehr
unterschiedlich in Anspruch genommen, zum Teil aufgrund voneinander
abweichender Auffassungen von der Bedeutung der Bezeichnung „nicht
routinemäßig“. So wird beispielsweise das Konzept der „nicht routinemäßigen“
Herstellung in einigen Mitgliedstaaten, in denen eine Höchstanzahl der in Frage
kommenden Patienten festgelegt wurde, sehr eng ausgelegt, während es in anderen
Mitgliedstaaten keine Beschränkungen gibt und die Ausnahmeregelung auf
Einzelfallbasis angewandt wird. Eine Klärung der Voraussetzungen, unter denen die
Ausnahmeregelung für Krankenhäuser möglich ist, sowie der damit verbundenen
Auflagen könnte dazu beitragen, dass der Binnenmarkt für neuartige Therapien
besser funktioniert. In diesem Zusammenhang sollte die Berichterstattung über –
vor allem negative – Ergebnisse angemessen berücksichtigt werden, damit
Patienten nicht unnötig unsicheren/unwirksamen Behandlungen ausgesetzt sind. Darüber hinaus wären in folgenden Fragen weitere
Klarstellungen wünschenswert: - die Rolle der nicht Krankenhäuser betreffenden
Ausnahmeregelungen gemäß Richtlinie 2001/83/EG (insbesondere deren
Artikel 5 Absatz 1) im Zusammenhang mit ATMP und - die Rolle der aus der Verwendung eines Produkts
im Rahmen der Ausnahmeregelung für Krankenhäuser generierten Daten im
Zusammenhang mit einem Zulassungsantrag. 4.3. Geltungsbereich der
Verordnung und Klassifizierung von ATMP 4.3.1. Geltungsbereich der ATMP-Verordnung Folgende drei Arzneimittelarten gelten als
Arzneimittel für neuartige Therapien: Gentherapeutika, Zelltherapeutika und
biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte. Die Beurteilung, ob ein
Arzneimittel unter eine dieser drei Kategorien fällt, kann komplexe
wissenschaftliche Gutachten erfordern. Besonders die Frage, ob eine
Manipulation eines lebenden Materials als wesentlich einzustufen ist, lässt
sich womöglich schwer beantworten. Schwierigkeiten bereiten kann in manchen
Fällen selbst die Frage, ob die Zellen oder das Gewebe bei Spender und Empfänger
dieselbe Funktion erfüllen sollen (z. B. bei Knochenmark). Die Erfahrungen aus der Anwendung der Definitionen
der verschiedenen Kategorien von ATMP durch den CAT machen deutlich, dass
einige Aspekte der Definition weiter geklärt werden sollten, damit die
rechtlichen Definitionen den wissenschaftlichen Tatsachen besser gerecht
werden. Darüber hinaus sollten die Definitionen von
Gentherapien, somatischen Zelltherapien und biotechnologisch bearbeiteten
Gewebeprodukten kontinuierlich überprüft werden, da der Bereich der neuartigen
Therapien in rascher wissenschaftlicher Weiterentwicklung begriffen ist. Neue,
innovative Produkte tauchen auf, die von den bestehenden Bestimmungen nicht
eindeutig erfasst werden. So wirft beispielsweise die Entwicklung von Geräten,
die die Gewinnung von Zellen oder Gewebe, deren Bearbeitung in einer
geschlossenen Umgebung und deren Reinjektion in den Spender mit demselben
Verfahren ermöglichen, Fragen auf, wie diese Behandlungen reguliert werden
sollten (insbesondere bei nicht homologer Anwendung). 4.3.2. Klassifizierung Immer mehr innovative biologische Produkte weisen
Eigenschaften auf, für die möglicherweise verschiedene Regulierungsrahmen
gelten könnten (z. B. Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika oder Gewebe
und Zellen). Um ein angemessenes Gesundheitsschutzniveau zu erzielen, muss
Klarheit herrschen, welche Regelungen für neue Produkte gelten. Außerdem müssen
die Entwickler über den für ihre Produkte geltenden Regulierungsrahmen Bescheid
wissen, um den Entwicklungsprozess den jeweiligen Anforderungen anpassen zu
können. Es wurde jedoch von Fällen berichtet, bei denen
die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Schlüssen
gekommen waren, ob ein Produkt als ATMP eingestuft werden sollte oder nicht. Diese
Unterschiede bei der Klassifizierung von ATMP innerhalb der EU wurden bei der
öffentlichen Anhörung, die die Kommissionsdienststellen in Vorbereitung dieses
Berichts durchführten, ebenfalls als Problem genannt. Dass für ein und dasselbe Produkt innerhalb der EU
womöglich unterschiedliche Anforderungen gelten, bedeutet, dass das Niveau des
Gesundheitsschutzes vom Wohnort des Patienten abhängt. Die Tatsache, dass ein
und dasselbe Produkt unter Anwendung unterschiedlicher Regulierungsrahmen in
Verkehr gebracht werden kann, ist nicht nur aus gesundheitspolitischer Sicht
nicht wünschenswert, sondern untergräbt auch die Anreize zur Entwicklung von
ATMP. Erstens schreckt die Unsicherheit hinsichtlich des Marktpotenzials eines
Produkts vor Investitionen ab. Zweitens verzerrt eine unterschiedliche
Klassifizierung ein und desselben Produkts den Wettbewerb zwischen den
Entwicklern. Und drittens behindert die Anwendung unterschiedlicher
Regulierungsrahmen in der EU den freien Verkehr dieser Produkte. Durch die ATMP-Verordnung wurde der Agentur die
Aufgabe zugewiesen, wissenschaftliche Empfehlungen zur Klassifizierung
neuartiger Therapien auszusprechen. Diese Beratung ist gebührenfrei und
unverbindlich. Der in der ATMP-Verordnung vorgesehene
Klassifizierungsmechanismus hat zwei Stärken bewiesen. Erstens gewährleistet
eine zentrale Beurteilung eine einheitliche Auffassung innerhalb der EU und
sorgt somit für Sicherheit. Zweitens veranlasste die Tatsache, dass die
Beratung gebührenfrei erfolgt, kleine Unternehmen dazu, sie ebenfalls in
Anspruch zu nehmen (siehe Punkt 3.3). Nach Auffassung der Kommission ist
dies ein positives Ergebnis, da es dazu beitragen kann, den Entwicklungsprozess
solcher Produkte bereits frühzeitig so zu gestalten, dass die Chancen auf
Erteilung einer Zulassung größtmöglich erhöht werden. Der aktuelle Klassifizierungsmechanismus hat
jedoch auch gewisse Schwachpunkte. Erstens könnte die Schlussfolgerung des CAT,
dass ein Produkt als ATMP eingestuft werden kann, von Entwicklern ignoriert
werden, die beschließen, das Produkt ohne Erzeugung von Daten zu Wirksamkeit
und Sicherheit und/oder ohne Einhaltung der für Arzneimittel typischen
Qualitätsanforderungen und Auflagen der Arzneimittelüberwachung in Verkehr zu
bringen. Eine weitere Schwachstelle des aktuellen Systems besteht darin, dass
die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit haben, die
Meinung des CAT einzuholen, wenn sie mit der Frage konfrontiert werden, ob ein
Produkt als ATMP einzustufen ist. 4.4. Bedingungen für die Zulassung
von ATMP 4.4.1. Allgemeine Erwägungen Die ATMP-Verordnung baut auf den Verfahren,
Konzepten und Bedingungen auf, die für chemikalienbasierte Arzneimittel
erarbeitet wurden. ATMP besitzen jedoch sehr unterschiedliche Merkmale. Zudem
wird – im Gegensatz zu chemikalienbasierten Arzneimitteln – die Forschung zu
neuartigen Therapien überwiegend von Hochschulen, nicht gewinnorientierten
Organisationen und KMU betrieben, die nur über eingeschränkte Finanzmittel
verfügen und oft nicht dem für Arzneimittel geltenden Regulierungssystem
unterworfen sind. Die Richtlinie 2009/120/EG der Kommission sieht
angepasste Anforderungen an die Informationen vor, die Antragsteller bei der
Beantragung einer Zulassung von ATMP vorlegen müssen. Außerdem ist die
Möglichkeit einer risikobasierten Vorgehensweise vorgesehen, um den Umfang der
qualitätsbezogenen, nichtklinischen und klinischen Daten zu bestimmen. Wie die öffentliche Anhörung jedoch gezeigt hat,
besteht allgemein der Eindruck, dass vor allem hinsichtlich der Qualität mehr
Flexibilität herrschen sollte, damit sichergestellt ist, dass bei den
Anforderungen an die Zulassungsanträge der wissenschaftliche Fortschritt und
die spezifischen Eigenschaften von ATMP gebührende Berücksichtigung finden.
Diese Auffassung wurde von den befragten Industrievertretern, Patienten,
Krankenhäusern, Wissenschaftlern und nicht gewinnorientierten Organisationen
geteilt. Neben möglichen speziellen Anpassungen der
Anforderungen an die Daten zu Qualität oder Wirksamkeit/Sicherheit wurde
vorgeschlagen, dass auch alternative Konzepte zur Senkung der
Regulierungskosten untersucht werden sollten, damit neuartige Therapien
eingeleitet werden können. Daher schlugen mehrere Teilnehmer der öffentlichen
Anhörung die Einführung einer Zulassung vor, die auf der Grundlage begrenzter
Daten erteilt wird und nur in einem eingeschränkten Umfeld genutzt werden darf,
vor allem in Fällen, in denen der medizinische Bedarf nicht gedeckt ist. Die
Daten, die zur Verwendung in diesem eingeschränkten Umfeld gesammelt werden,
könnten dann verwendet werden, um die Zulassung so weit auszuweiten, dass sie
zu einer Standardzulassung wird. 4.4.2. Autologe ATMP Bei autologen Produkten werden einem Patienten
Zellen/Gewebe entnommen, anschließend behandelt oder expandiert und dann wieder
in denselben Patienten eingepflanzt. Das Ausgangsmaterial (d. h. die
Zellen/das Gewebe) ist bei jedem Patienten anders, weshalb das
Herstellungsverfahren dieser Produkte im Vergleich zu anderen Arzneimitteln
spezifische Besonderheiten aufweist. Jedoch treten es bei der Herstellung autologer
Produkte nicht bei allen Produkten dieselben Probleme auf. Hier gilt es
zwischen zwei verschiedenen Szenarien zu unterscheiden: Zum einen gibt es
autologe Produkte, bei denen die Zellen/das Gewebe des Patienten an ein
Pharmaunternehmen geschickt werden und das Endprodukt dann an das Krankenhaus
geliefert wird, das es demselben Patienten implantiert/injiziert.
ChondroCelect, MACI und Provenge, für die eine zentralisierte Zulassung erteilt
wurde, sind Beispiele für solche autologen ATMP. Zum anderen gibt es Fälle, bei
denen die Zellen/das Gewebe des Patienten im Krankenhaus manipuliert werden
(z. B. mithilfe medizinischer Geräte, die für die Trennung und
Manipulation von Zellen entwickelt werden), bevor sie derselbe Patient
zurückerhält. Bei der öffentlichen Anhörung vertraten einige
Befragte die Auffassung, dass autologe ATMP nicht wie Arzneimittel reguliert
werden sollten. Dies würde zwar die mit der Verwendung dieser Produkte
verbundenen Entwicklungskosten senken, doch nach Ansicht der Kommission sollte
die Notwendigkeit, ein angemessenes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten,
schwerer wiegen als wirtschaftliche Erwägungen. Die Regulierung dieser Produkte als Arzneimittel
gewährleistet, dass deren Risiko-Nutzen-Verhältnis von einer unabhängigen und
hochspezialisierten Einrichtung für positiv befunden wird, dass die Patienten
nach der Behandlung weiterhin überwacht werden und dass die Langzeitwirkung der
Behandlung den Ärzten bekannt ist (nicht nur in Bezug auf die Sicherheit,
sondern auch auf die Wirksamkeit). Es ist jedoch unerlässlich, dass die Anforderungen
an autologe Produkte angemessen und für deren spezifische Merkmale geeignet
sind. Würde verlangt, dass autologe Produkte, die vor der Verabreichung an den
Patienten im Krankenhaus hergestellt werden, die Bedingungen an
Qualitätskontrollen und Herstellungsbedingungen erfüllen, die für
standardisierte chemikalienbasierte Arzneimittel gelten, so würde dies die
Entwicklung dieser Behandlungen in der Praxis verhindern, da dann für die
Behandlung eine Bescheinigung der Chargenfreigabe und eine Herstellungslizenz
für jedes Krankenhaus erforderlich wären. 4.4.3. ATMP-Kombinationsprodukte Ein ATMP-Kombinationsprodukt enthält lebensfähige
Zellen oder Gewebe und darüber hinaus ein oder mehrere Medizinprodukte. ATMP,
die zwar ein Medizinprodukt, aber keine lebensfähigen Zellen oder Gewebe
enthalten, gelten auch als ATMP-Kombinationsprodukte, wenn die Wirkung der
Zellen/Gewebe auf den menschlichen Körper primär auf diesem Medizinprodukt
beruht. Den aktuellen Vorschriften zufolge wird das
abschließende wissenschaftliche Gutachten zum ATMP-Kombinationsprodukt vom CAT
erstellt. Bei dem enthaltenen Medizinprodukt muss die Agentur sich jedoch auf
die Beurteilung durch die benannten Stellen stützen (sofern vorhanden). Liegt
diese nicht vor, so ist die Agentur grundsätzlich verpflichtet, eine solche
Stelle zu konsultieren, sofern der CAT dies nicht für unnötig befindet. Die öffentliche Anhörung hat ergeben, dass die
getrennte Beurteilung von Medizinprodukt und Arzneimittel allgemein als
übermäßige Belastung empfunden wird, sofern das Produkt nicht separat
vermarktet wird. Daher wurde stark der Grundsatz einer einmaligen Beurteilung
von ATMP (durch den CAT) befürwortet, wenn das Medizinprodukt im Produkt
enthalten ist (d. h. bei allen ATMP-Kombinationsprodukten). Außerdem hat
die öffentliche Anhörung ergeben, dass die Interessenvertreter Schwierigkeiten
haben, die Interaktion zwischen der Agentur und den benannten Stellen in der
Praxis zu verstehen. Des Weiteren wurde die Gefahr erkannt, dass der
aktuelle Rechtsrahmen Entwickler verleiten könnte, lieber bereits lizensierte
Medizinprodukte zu verwenden (und sei es für einen anderen Zweck als den mit
dem ATMP-Kombinationsprodukt angestrebten), als neue, zielgerichtetere Produkte
zu entwickeln. Dieses Vorgehen könnte durch die Auffassung bewirkt werden, dass
die Wahl eines Medizinprodukts mit dem CE-Zeichen das Regelungsverfahren
erleichtert. 4.5. Zulassungsverfahren Der ATMP-Verordnung zufolge müssen Anträge auf
Zulassung von Arzneimitteln für neuartige Therapien bei der Agentur eingereicht
werden. An ihrer wissenschaftlichen Beurteilung sind bis zu fünf Ausschüsse
beteiligt. Im Einzelnen sind dies: (i) der
CAT beurteilt den Zulassungsantrag und übermittelt seine Stellungnahme an den
Ausschuss für Humanarzneimittel („CHMP“); (ii) der
CHMP nimmt eine Stellungnahme an, die dann an die Kommission weitergeleitet
wird; (iii) der
Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz („PRAC“) spricht
Empfehlungen in Pharmakovigilanzfragen an den CHMP aus; (iv) der
Pädiatrieausschuss („PDCO“) interveniert bei Fragen im Zusammenhang mit den
Verpflichtungen gemäß Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen
Parlaments und des Rates;[18] und (v) der
Ausschuss für Arzneimittel für seltene Leiden („COMP“) legt der Kommission
wissenschaftliche Stellungnahmen zu Aspekten vor, die mit der Beantragung von
Fördermitteln für Arzneimittel für seltene Leiden im Zusammenhang stehen (er
wird daher nur einbezogen, wenn der Antragsteller einen entsprechenden Antrag
gestellt hat). Das aktuelle Zulassungsverfahren hat sich in der
Praxis als äußerst komplex erwiesen und ist auch eine Herausforderung für
künftige Antragsteller, bei denen es sich in der Regel um Einrichtungen
handelt, die nicht dem zentralisierten Zulassungsverfahren unterworfen sind. In
diesem Zusammenhang hat die öffentliche Anhörung ergeben, dass das Verfahren
für die Beurteilung von ATMP durch die Agentur für zu mühselig gehalten wird,
vor allem für KMU und nicht gewinnorientierte Organisationen. Alles in allem zeigen die seit Inkrafttreten der
ATMP-Verordnung gemachten Erfahrungen, dass das Verfahren zur Beurteilung von
ATMP rationeller gestaltet werden kann. Eine Vereinfachung dieses Verfahrens
sollte nicht nur künftigen Antragstellern Vorteile bringen, sondern auch
sicherstellen, dass solche komplexen Produkte entsprechend solide beurteilt
werden und dass eine eindeutige Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Agentur
erfolgt. 4.6. Zertifizierung Die Zertifizierung der qualitätsbezogenen und
nichtklinischen Daten durch die Agentur war ein Novum und sollte den KMU
helfen, Investitionen für die Entwicklung von ATMP aufzubringen bzw. Einnahmen
zu erzielen. Analog zu den Gebührensenkungen für die wissenschaftliche Beratung senkte die Agentur auch die Gebühren für Zertifizierungsanträge von
KMU um 90 %.[19] Jedoch ist die sehr niedrige Anzahl der
eingegangenen Zertifizierungsanträge äußerst enttäuschend. Die geringe
Inanspruchnahme des Zertifizierungsverfahrens lässt sich teilweise damit
erklären, dass nicht kommerzielle Einrichtungen vom Zertifizierungssystem
ausgeschlossen sind. Daher könnte eine Erweiterung der Kategorien von
Antragstellern, die eine Zertifizierung beantragen könnten, dazu beitragen, den
Wert dieses Instruments zu erhöhen. Zudem lässt das Ergebnis der öffentlichen Anhörung
und der von der EMA durchgeführten Erhebung[20]
vermuten, dass sich der Wert der Zertifizierung erhöhen könnte, wenn einige
Veränderungen vorgenommen würden. So könnte beispielsweise der Zusammenhang
zwischen dem Zertifizierungs- und dem Zulassungsverfahren verdeutlicht oder das
Zertifizierungssystem auf andere Teile des Dossiers (d. h. klinische
Aspekte) ausgeweitet werden. 4.7. Wissenschaftliche Beratung Damit die Entwicklungstätigkeiten optimal ablaufen
und so die Chancen auf Erlangung einer Zulassung steigen, ist es wichtig, dass
die Entwickler von ATMP frühzeitig mit den Behörden Kontakt aufnehmen.
Besonders für Entwickler, die mit den Zulassungsverfahren nicht vertraut sind,
ist es unerlässlich, dass sie gleich zu Beginn der Entwicklung begreifen, was
notwendig ist, um die Wirksamkeit und Sicherheit ihres Produkts nachzuweisen. Als Anreiz, damit die Entwickler von ATMP die
Entwicklung ihrer Produkte mit der Agentur erörtern, sieht die ATMP-Verordnung
erhebliche Gebührensenkungen vor, wenn eine wissenschaftliche Beratung
beantragt wird. Bei KMU betragen diese Ermäßigungen bis zu 90 %. Die große Zahl von Anträgen auf wissenschaftliche
Beratung, die bei der Agentur innerhalb des hier berücksichtigten Zeitraums
eingegangen sind, ist als positive Entwicklung zu werten, die zur erfolgreichen
Umsetzung von Forschungsergebnissen in Arzneimittel beitragen kann. Von
besonderer Bedeutung ist, dass die meisten Anträge auf wissenschaftliche
Beratung von KMU gestellt wurden (siehe Punkt 3.5). Somit hat
sich die starke Ermäßigung für KMU als wirksam erwiesen. Dagegen wurde der Ausschluss bestimmter nicht
gewinnorientierter Organisationen von der Gebührensenkung in der öffentlichen
Anhörung als Manko angeführt. Der niedrige Anteil von Anträgen auf
wissenschaftliche Beratung aus dem akademischen Bereich (6 %) deutet
darauf hin, dass eine Gebührensenkung analog zu der für KMU Forscher, die im
akademischen (oder einem nicht gewinnorientierten) Bereich tätig sind,
ermutigen könnte, bei der Agentur um wissenschaftliche Beratung zu ersuchen. 4.8. Gebührensenkungen bei
Zulassungsanträgen und Verpflichtungen nach dem Inverkehrbringen Die Gebühren im Zusammenhang mit dem
Zulassungsantrag und den Aktivitäten nach dem Inverkehrbringen (im ersten Jahr
nach Erteilung der Zulassung) wurden für KMU und Krankenhäuser um 50 %
gesenkt, sofern an dem betreffenden ATMP ein besonderes Interesse in Bezug auf
die öffentliche Gesundheit besteht. Diese Gebührensenkungen galten jedoch nur
für einen bestimmten Zeitraum. Zu den Auswirkungen dieser Gebührensenkungen
lassen sich nur schwer allgemeine Schlussfolgerungen ziehen, da in dem
entsprechenden Zeitraum nur zwei Zulassungen erteilt wurden. Im Allgemeinen
können jedoch die Aktivitäten nach dem Inverkehrbringen erhebliche Kosten
verursachen, insbesondere wenn zahlreiche entsprechende Verpflichtungen
auferlegt werden. Diese Kosten sind unter Umständen für kleine Unternehmen
unerschwinglich, vor allem bis zu dem Zeitpunkt, ab dem mit dem Arzneimittel
Einnahmen erzielt werden (d. h. solange die Zustimmung der für die
Erstattungsverfahren zuständigen nationalen Stellen aussteht). 5. Schlussfolgerungen Patienten können von neuartigen Therapien in hohem
Maße profitieren. Da jedoch vieles noch unbekannt ist, muss für angemessene
Kontrollen gesorgt werden, um nachteilige Folgen für die öffentliche Gesundheit
zu verhindern. Durch die ATMP-Verordnung werden die Patienten
geschützt, da in ihr eine unabhängige Prüfung von ATMP durch die besten
verfügbaren Sachverständigen in der EU unter Zugrundelegung hoher Qualitäts-,
Wirksamkeits- und Sicherheitsstandards vorgeschrieben ist, bevor diese Mittel
Patienten zur Verfügung gestellt werden. Unnötig belastende Auflagen könnten jedoch der
öffentlichen Gesundheit schaden, da sie womöglich das Aufkommen zulässiger
Behandlungen für bestehende medizinische Erfordernisse verhindern. Eine
entsprechende Regulierung sollte dazu beitragen, Bedingungen zu schaffen, die
das Aufkommen neuer Arzneimittel erleichtern und zugleich ein hohes
Gesundheitsschutzniveau gewährleisten. Nicht minder wichtig ist, dass der neue
Regulierungsrahmen an den raschen wissenschaftlichen Fortschritt angepasst
wird. Anhand der seit Inkrafttreten der ATMP-Verordnung
gesammelten Erfahrungen lassen sich Möglichkeiten ausmachen, die Umsetzung der
Forschungstätigkeit in für Patienten in der gesamten EU verfügbare ATMP zu
unterstützen und gleichzeitig ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu wahren. Dazu
zählen: - Klärung
des Geltungsbereichs der ATMP-Verordnung durch Feinabstimmung der vorhandenen
ATMP-Definitionen und Nachdenken über einen angemessenen Regulierungsrahmen für
neue innovative Produkte, die von den bestehenden Bestimmungen möglicherweise
nicht erfasst werden; - Prüfung
von Maßnahmen, um Unterschiede bei der Klassifizierung von ATMP in der EU zu
vermeiden; - Klärung
der Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung für Krankenhäuser
sowie der Rolle der auf diese Weise gewonnenen Daten im Zusammenhang mit
Zulassungsverfahren; - Überarbeitung
der Bedingungen für die Zulassung von ATMP, um sicherzustellen, dass die
gestellten Anforderungen angemessen und auf die spezifischen Eigenschaften von
ATMP zugeschnitten sind, unter besonderer Berücksichtigung autologer Produkte; - Straffung
der Zulassungsverfahren; - Ausweitung
des Zertifizierungsverfahrens und Verdeutlichung des Zusammenhangs zwischen dem
Zertifizierungs- und dem Zulassungsverfahren; - Herstellung
eines günstigeren Umfelds für ATMP-Entwickler, die im akademischen oder einem
nicht gewinnorientierten Bereich arbeiten, unter anderem durch Förderung
frühzeitiger Kontakte zu den Behörden über die Anwendung der Gebührensenkung
für die wissenschaftliche Beratung und die Ausweitung der
Zertifizierungsregelung auf diese Entwickler; - Prüfung
möglicher weiterer Gebührensenkungen mit dem Ziel, die finanziellen
Auswirkungen der nach dem Inverkehrbringen einzuhaltenden Verpflichtungen zu
verringern. [1] Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Arzneimittel für
neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der
Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 324 vom 10.12.2007, S. 121). [2] http://ec.europa.eu/health/files/advtherapies/2013_05_pc_atmp/2013_04_03_pc_summary.pdf [3] Datenbank sämtlicher klinischer Prüfungen, die nach dem
1. Mai 2004 in der EU begonnen wurden. [4] http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Other/2010/12/WC500099532.pdf
[5] Richtlinie 2009/120/EG der Kommission zur Änderung der
Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung
eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel im Hinblick auf Arzneimittel
für neuartige Therapien (ABl. L 242 vom 15.9.2009, S. 3). [6] http://ec.europa.eu/health/files/eudralex/vol-4/vol4-an2__2012-06_en.pdf [7] Die Kommissionsdienststellen haben jedoch einige
Empfehlungen zur guten klinischen Praxis bei ATMP veröffentlicht (http://ec.europa.eu/health/files/eudralex/vol-10/2009_11_03_guideline.pdf). [8] Verordnung (EG) Nr. 668/2009 der Kommission vom
24. Juli 2009 zur Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des
Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Beurteilung und
Zertifizierung von qualitätsbezogenen und nichtklinischen Daten zu von
Kleinstunternehmen und kleinen und mittleren Unternehmen entwickelten
Arzneimitteln für neuartige Therapien (ABl. L 194 vom 25.7.2009, S. 7). [9] Zulassung erteilt durch Entscheidung der Kommission K
(2009) 7726 vom 5. Oktober 2009. [10] Zulassung erteilt durch Beschluss der Kommission K (2012)
7708 vom 25. Oktober 2012. [11] Zulassung erteilt durch Beschluss der Kommission K (2013)
4190 vom 27. Juni 2013. [12] Zulassung erteilt durch Beschluss der Kommission K (2013)
5841 vom 6. September 2013. [13] Das Klassifizierungsverfahren für die verbleibenden sechs
Anträge war noch nicht abgeschlossen. [14] Gepoolte Daten aus Erhebungen der EMA in den Jahren 2007 und
2009. [15] http://ec.europa.eu/health/files/advtherapies/2013_05_pc_atmp/07_2_pc_atmp_2013.pdf [16] Nach Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 2001/83 kann
ein Mitgliedstaat Arzneimittel von den Bestimmungen der Richtlinie ausnehmen,
die auf eine nach Treu und Glauben aufgegebene Bestellung, für die nicht
geworben wurde, geliefert werden und die nach den Angaben eines zugelassenen
Angehörigen der Gesundheitsberufe hergestellt werden und zur Verabreichung an
einen bestimmten Patienten unter seiner unmittelbaren persönlichen
Verantwortung bestimmt sind. [17] Artikel 28
Absatz 2 der ATMP-Verordnung, der seinerseits Artikel 3 der
Richtlinie 2001/83 änderte. [18] Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen
Parlaments und des Rates über Kinderarzneimittel und zur Änderung der
Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinie 2001/20/EG, der Richtlinie
2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 378 vom 27.12.2006,
S.1). [19] http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Other/2013/07/WC500146978.pdf [20] http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Other/2013/02/WC500138476.pdf