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Document 52010AE1168

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Strategie der Europäischen Union für den Donauraum“

    ABl. C 48 vom 15.2.2011, p. 2–5 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    15.2.2011   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 48/2


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Strategie der Europäischen Union für den Donauraum“

    2011/C 48/02

    Berichterstatter: Miklós BARABÁS

    Mitberichterstatter: Mihai MANOLIU

    Am 26. Februar 2010 ersuchte Maroš ŠEFČOVIČ, Vizepräsident der Europäischen Kommission, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Sondierungsstellungnahme zu folgendem Thema:

    Strategie der Europäischen Union für die Donauregion“.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 20. Juli 2010 an

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 465. Plenartagung am 15./16. September 2010 (Sitzung vom 16. September) mit 123 gegen 2 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1   Die vorliegende Stellungnahme des EWSA soll in erster Linie dazu dienen, dafür zu sorgen, dass die europäische organisierte Zivilgesellschaft die von der Europäischen Kommission gebotene Möglichkeit nutzt und praktische, konkrete Anregungen formuliert, die einen Beitrag zum Aktionsplan der in Ausarbeitung befindlichen Donaustrategie (1) (im Folgenden DS) darstellen werden. Der EWSA hofft, dass in seinen Empfehlungen gebührend zum Ausdruck kommt, wie stark sich der Ausschuss und die organisierte europäische Zivilgesellschaft für die Strategie engagieren und diese unterstützen. Der EWSA geht davon aus, dass die künftige Strategie einen echten Beitrag zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen aller Bürger, die in dem von ihm als Spiegel Europas angesehenen Donauraum leben, leisten wird.

    1.2   Auf politischer Ebene gilt für die geplante Donaustrategie Folgendes:

    1.2.1

    sie muss offen und zugänglich sein, für soziale, wirtschaftliche und ökologische Gesichtspunkte empfänglich sein, den Empfehlungen der Organisationen der Zivilgesellschaft Rechnung tragen und sich auf deren Erfahrungen stützen;

    1.2.2

    sie kann angesichts der Komplexität und wechselseitigen Abhängigkeit der betroffenen Fragen nur dann erfolgreich sein, wenn sie konsequent den Grundsatz des integrierten Ansatzes verfolgt, anstatt eine sektorale Sichtweise einzunehmen, und wenn der Schwerpunkt auf die Notwendigkeit gelegt wird, den Zielen der maßgebliche Akteure gerecht zu werden;

    1.2.3

    sie muss der Zusammenarbeit in Bereichen der „weichen Sicherheit“ Rechnung tragen und auf deren Förderung abgestellt werden. Hierunter fallen insbesondere die Zusammenarbeit von Notdiensten bei Naturkatastrophen, die Mobilität von Arbeitnehmern, Unternehmen usw. sowie die Ausarbeitung von Notfallplänen für Umweltunfälle;

    1.2.4

    sie muss dazu beitragen, dass die durch den Lissabon-Vertrag gebotenen Möglichkeiten noch umfassender genutzt werden und somit das Prinzip der partizipativen Demokratie konsequent angewandt wird;

    1.2.5

    sie muss ein geeignetes Instrument sein, um

    a.

    als die Politik für die Entwicklung der Makroregionen im Wesentlichen dazu beizutragen, den Prozess der europäischen Integration zu vertiefen, vor allem im Rahmen des Programms „Europa 2020“ (intelligent, nachhaltig, integrativ), und

    b.

    für eine Annäherung der im Donauraum liegenden sechs Drittstaaten an die Europäische Union zu sorgen, indem sie in ihren Integrationsbemühungen unterstützt werden;

    1.2.6

    sie muss Ausdruck der makroregionalen Politik der Europäischen Union sein und dafür sorgen, dass darin eine aktive und schöpferische Rolle und Mitwirkung der organisierten Zivilgesellschaft vorgesehen wird;

    1.2.7

    sie muss zur Abstimmung der Tätigkeit der in der Region bereits auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Bereichen existierenden Kooperationssysteme sowie zur Verbesserung ihrer Effizienz und zur Beseitigung von Überschneidungen beitragen;

    1.2.8

    sie muss ein klares, einfaches und transparentes Governancesystem mit einem von unten nach oben gerichteten Ansatz aus Sicht der organisierten Zivilgesellschaft besitzen; die erzielten Ergebnisse müssen im Rahmen jährlicher Konferenzen bewertet werden;

    1.2.9

    sie muss in Form eines Prozesses umgesetzt werden, dessen Durchführung Flexibilität und eine regelmäßige Überprüfung und nach Möglichkeit die Zuweisung zusätzlicher finanzieller Mittel vorsieht;

    1.2.10

    darin müssen realistische Ziele vorgegeben und zur Gewährleistung einer effizienten Umsetzung Prioritäten gesetzt werden; für ihre Verwirklichung muss ein mittelfristiger Aktionsplan erarbeitet werden, aus dem hervorgeht, dass die aktive Einbeziehung und Mitwirkung sämtlicher Akteure unter Anwendung des Partnerschaftsprinzips eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg ist;

    1.2.11

    sie muss für die Gesellschaft und die Bürger sichtbare und greifbare Ergebnisse hervorbringen, um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für die Bürger, einschließlich der Jugendlichen, herbeiführen zu können;

    1.2.12

    in ihr muss die Bedeutung des sozialen und zivilen Dialogs zum Ausdruck kommen;

    1.2.13

    sie muss die Bedeutung des Verbundcharakters des Donauraums anerkennen;

    1.2.14

    sie muss den mit der Umsetzung der EU-Strategie für den Ostseeraum gesammelten Erfahrungen Rechnung tragen.

    1.3   Praktische Empfehlungen auf Ebene der Zivilgesellschaft hinsichtlich des Aktionsplans für die geplante Donaustrategie:

    1.3.1

    es muss ein Netz der Organisationen der Zivilgesellschaften der Region (Dunai Civil Fórum, Forum der Zivilgesellschaft des Donauraums) geschaffen werden, das u.a. ein gemeinsames Handeln und gemeinsame Projekte ermöglichen wird; die Mitglieder des Netzes treten jährlich in den verschiedenen Ländern der Region zusammen;

    1.3.2

    es müssen Programme (Treffen, Festivals, Besuche, Ausstellungen, Messen usw.) organisiert werden, um das Zugehörigkeitsgefühl der im Donauraum lebenden Völker und die Heranbildung eines regionalen Bewusstseins beim Erhalt der kulturellen Vielfalt, insbesondere im Hinblick auf junge Menschen, zu fördern; zur Erreichung dieses Ziels sollte auch eine regionale Kulturzeitschrift beitragen;

    1.3.3

    es sollte jedes Jahr an wechselnden Orten eine Donauwoche veranstaltet werden, die ein geeignetes Forum sein kann, um mit der DS zusammenhängende aktuelle Fragen zu erörtern und die Ergebnisse zu präsentieren;

    1.3.4

    damit eine kontinuierliche Unterstützung der Bürger und der organisierten Zivilgesellschaft sowohl innerhalb der EU als auch in den benachbarten Drittstaaten gewährleistet werden kann, ist eine wirksame und fortlaufende Kommunikationsstrategie für die DS erforderlich;

    1.3.5

    bei der Gestaltung der DS-Programme muss den benachteiligten und marginalisierten Gruppen, vor allem den Roma, besondere Beachtung geschenkt werden;

    1.3.6

    die regelmäßigen Beziehungen und die systematische Zusammenarbeit zwischen den Akteuren sowie der soziale und zivile Dialog müssen in der Region verstärkt werden; bei diesen Prozessen können die nationalen Wirtschafts- und Sozialräte eine wichtige Rolle spielen;

    1.3.7

    ein wichtiges Instrument für die Zusammenarbeit und den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt des Donauraums kann die Schaffung eines Donaugeschäftsforums (Danube Business Forum) sein, dem auch soziale und wirtschaftliche Akteure angehören; die Arbeitgeberverbände der Region sollten Zugang zu den Finanzierungsprogrammen für die Organisation dieses Forums haben und zur Beteiligung hieran ermutigt werden;

    1.3.8

    durch einen weiteren Abbau bzw. die Beseitigung der die Freizügigkeit behindernden Hemmnisse und die Anwendung des Grundsatzes der menschenwürdigen Arbeit und der angemessenen Vergütung sollten die zwischenmenschlichen Beziehungen gestärkt werden;

    1.3.9

    die Ergebnisse und Dienstleistungen der Informationsgesellschaft müssen für die Umsetzung der Donaustrategie genutzt werden;

    1.3.10

    es sollte eine internationale Forschergruppe eingesetzt werden, um die Fragen in Bezug auf die Donaustrategie aus wissenschaftlicher Sicht aus zu analysieren und zu untersuchen; zu diesen Arbeiten sollte auch ein Stipendienprogramm beitragen;

    1.3.11

    es muss geprüft werden, wie sich die verschiedenen Themenjahre und thematischen Programme der Europäischen Union mit der Donaustrategie verknüpfen lassen;

    1.3.12

    es müssen Initiativen zur Vermittlung der in der Region gesprochenen Sprachen gefördert werden;

    1.3.13

    der EWSA sollte eine Beobachtungsstelle einrichten oder eine ständige Studiengruppe einsetzen, die sich mit der Donaustrategie befasst;

    1.3.14

    die in der Donaustrategie bzw. dem dazugehörigen Aktionsplan genannten Elemente sollten von einem auch Vertreter der Zivilgesellschaft umfassenden Lenkungsausschuss umgesetzt und überwacht werden, der in einem Jahresbericht seine Schlussfolgerungen darlegt;

    1.3.15

    parallel zur Verabschiedung der DS sollte die Europäische Kommission einige Pilotprojekte fördern, mit denen Tests durchgeführt und erste Erfahrungen gesammelt werden können;

    1.3.16

    die Durchführung der DS und des dazugehörigen Aktionsplans muss über verschiedene Quellen finanziert werden: Neben EU-Mitteln (insbesondere aus den Strukturfonds) kämen in erster Linie die Eigenmittel der Länder der Region, private Gelder sowie die internationalen Finanzinstitute in Betracht. In der festen Annahme, dass aus diesen Quellen Mittel beigesteuert werden, schlagen wir die Schaffung eines Sonderfonds vor.

    1.3.17

    In den Augen des EWSA ist die Donaustrategie, deren Verabschiedung für das erste Halbjahr 2011 während des ungarischen EU-Ratsvorsitzes vorgesehen ist, ein entscheidendes Instrument für die Schaffung eines dynamischen, wettbewerbsfähigen und blühenden Donauraums.

    2.   Leitlinie für die Donaustrategie

    2.1   Für die Erarbeitung der DS ist es wichtig, das theoretische Gerüst zu definieren, das die Strategie für die Zusammenarbeit im Donauraum und das zu ihrer Umsetzung dienende Aktionsprogramm stützt.

    2.2   So muss bei der Erarbeitung der DS Folgendem Rechnung getragen werden:

    den Gesichtspunkten des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts;

    der Rolle des Flusses in den Bereichen Verkehr (insbesondere im Hinblick auf den die Donau betreffenden VII. paneuropäischen Verkehrskorridor), Transport und Infrastruktur und dem damit zusammenhängenden Potenzial zur Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitäten im Allgemeinen; der Notwendigkeit, verkehrsbedingt erforderliche Maßnahmen zur Instandhaltung der Fahrrinne zu unterstützen, die im vorrangigen TEN-V-Vorhaben Nr. 18 erwähnten Engpässe im Schiffsverkehr zu beseitigen (in diesem Zusammenhang sollte die unter Federführung der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau (IKSD) verfasste gemeinsame Erklärung als Leitfaden dienen und in die Praxis umgesetzt werden) und intermodale Verkehrsprojekte (Bau von Containerterminals in Häfen) sowie ergänzende Straßenverkehrsprojekte in der Donauregion (für die Güterverkehrsströme wichtige Brücken) weiterzuführen; darüber hinaus der Notwendigkeit, Projekte mit spürbaren Auswirkungen auf die Entwicklung zu realisieren, wie z.B. den Donau-Bukarest-Kanal, der für die europäische Wirtschaft von Vorteil wäre;

    der Donau als Trinkwasser- und Energiequelle und zu erhaltender natürlicher Umgebung - das Schlüsselelement hierbei ist die nachhaltige Entwicklung; Energieinfrastrukturprojekte wie z.B. Wasserkraftwerke sollten unterstützt werden;

    der Rolle von Innovation, Forschung und Bildung im Donauraum;

    der Notwendigkeit der Entwicklung von Möglichkeiten im Bereich des Tourismus im Donauraum und der ländlichen Entwicklung; im Hinblick auf Letztere sollte die Finanzierung von Projekten in Erwägung gezogen werden, mit denen Aktivitäten in Ländern mit einer starken landwirtschaftlichen Tradition gefördert werden; die Finanzierung von Infrastrukturprojekten für das Verladen von Getreide würde insbesondere in Ländern mit einer langen landwirtschaftlichen Tradition zur Nutzung des Potenzials der lokalen Landwirtschaft beitragen;

    der Rolle des Flusses bei der Heranbildung eines gemeinsamen Bewusstseins und einer gemeinsamen Identität im Donauraum, bei denen der interkulturelle Dialog und die Solidarität - auch zwischen den EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten der Region - eine wesentliche Rolle spielen; dies wäre eine Ergänzung zur Herausbildung eines die gesamte Europäische Union betreffenden europäischen Bewusstseins;

    der Notwendigkeit der Wahrung der Umweltbelange bei jedweder Zunahme des Verkehrsvolumens;

    der Fähigkeit zur Konfliktlösung, mit der den in der Region historisch gewachsenen Spannungen begegnet werden kann.

    2.3   Aufgrund der weit verzweigten und häufig miteinander in Wettstreit tretenden Werte und Interessen ist es wichtig, eine integrierte und auf gemeinsamen Grundprinzipien beruhende DS auszuarbeiten, die neben den wirtschaftlichen Zwängen auch gesellschaftlichen Anforderungen und Faktoren Rechnung trägt, einschließlich der Standpunkte und des Beitrags der Zivilgesellschaft.

    2.4   Eine erfolgreiche DS, die auf dem wirtschaftlichen, territorialen und sozialen Zusammenhalt aufbaut, führt zur Schaffung einer dynamischen, wettbewerbsfähigen und blühenden Donauregion.

    3.   Hintergrund

    3.1   Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung am 18./19. Juni 2009 die Europäische Kommission aufgefordert, noch vor Ende 2010 eine europäische Strategie für den Donauraum auszuarbeiten. Im Verlauf der Vorbereitungsarbeiten haben viele ihre Meinung geäußert, insbesondere im Rahmen der von der Europäischen Kommission lancierten offenen Konsultation.

    3.2   Der EWSA befürwortet klar und entschieden das neue Konzept der Europäischen Union für die makroregionale Politik und als Teil davon die Konzipierung einer DS. Der EWSA ist bereit, als institutioneller Vertreter der europäischen organisierten Zivilgesellschaft bei der Ausarbeitung und Umsetzung dieser Strategie eine aktive Rolle zu spielen und die Initiative zu ergreifen.

    3.3   Das Interesse, das der EWSA für Fragen in Bezug auf den Donauraum hegt, und sein diesbezügliches Engagement sind nicht neu. In den vergangenen Jahren hat er zu verschiedenen Fachgebieten, wie etwa Verkehr oder Umweltschutz, zahlreiche Dokumente verabschiedet. Aus diesen Dokumenten geht ganz klar hervor, warum der EWSA die Donauregion für wichtig hält und die Konzipierung einer DS befürwortet.

    3.4   Es ist anzumerken, dass sich mit den letzten Erweiterungen der Europäischen Union ihr geografischer Mittelpunkt deutlich nach Osten verschoben hat, während ihr wirtschaftlicher Schwerpunkt unverändert in Westeuropa blieb. Der wirtschaftliche, territoriale und soziale Zusammenhalt, der das entscheidende Element der DS ist, und die ihrer Umsetzung zugrunde liegenden praktischen Konzepte sind ein geeigneter Beitrag zur Beseitigung dieses Ungleichgewichts.

    Brüssel, den 16. September 2010

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Mario SEPI


    (1)  Die künftige Donaustrategie wird sich auf die EU-Mitgliedstaaten Deutschland, Österreich, Ungarn, Slowakei, Tschechische Republik, Slowenien, Bulgarien und Rumänien und die Drittstaaten Kroatien, Serbien, Ukraine, Moldau, Bosnien und Herzegowina und Montenegro erstrecken.


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