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Document 52007AE0992

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Funkfrequenzkennzeichung (RFID)

    ABl. C 256 vom 27.10.2007, p. 66–72 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    27.10.2007   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 256/66


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Funkfrequenzkennzeichung (RFID)“

    (2007/C 256/13)

    In einem Schreiben vom 26. Februar 2007 ersuchte die Europäische Kommission den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um eine Stellungnahme zu: „Funkfrequenzkennzeichnung (RFID)“.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 19. Juni 2007 an. Berichterstatter war Herr MORGAN.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 437. Plenartagung am 11./12. Juli 2007 (Sitzung vom 11. Juli) mit 138 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Die Funkfrequenzkennzeichnung (RFID) ist eine bedeutsame Technik, die im Laufe der Zeit sehr wichtig werden wird. Ihre heutigen und künftigen Anwendungen verfügen über das Potenzial, eine große Bandbreite von Geschäftsabläufen sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor spürbar zu verbessern und dem Einzelnen und Unternehmen großen Nutzen zu bringen. Sie verfügt ferner über das Potenzial, eine großrahmige Entwicklung bei Internetanwendungen anzustoßen und das zu ermöglichen, was eine UN-Agentur als das „Internet der Dinge“ beschrieb. Die RFID-Technik muss jedoch sehr sorgfältig kontrolliert werden, ansonsten besteht die Gefahr der Verletzung der Privatsphäre und der Bürgerrechte sowie der Bedrohung der Sicherheit des Einzelnen und von Unternehmen.

    1.2

    Der Volltitel der Kommissionsmitteilung lautet „Funkfrequenzkennzeichnung (RFID) in Europa: Schritte zu einem ordnungspolitischen Rahmen“. Die Kommission hat bereits eine umfassende Konsultation durchgeführt, auf die sich diese Mitteilung stützt. Der EWSA ist nun aufgefordert, eine Sondierungsstellungnahme vorzulegen. Auf der Grundlage der Reaktionen auf die Mitteilung wird die Kommission Ende des Jahres eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten veröffentlichen. Rechtsvorschriften, deren Ausarbeitung längere Zeit benötigen würde, folgen später. Daher sollte diese Stellungnahme dann den Schwerpunkt auf den Inhalt dieser Empfehlung legen.

    1.3

    Die Kommission hat beschlossen, eine RFID-Interessengruppe einzurichten, um sie bei der Formulierung der Empfehlung zu unterstützen. Der EWSA würde sich freuen, wenn er seine Stellungnahme in dieser Interessengruppe vorstellen dürfte.

    1.4

    Der EWSA begrüßt die von der Kommission in den Bereichen Funkfrequenzen, Normen, Gesundheit, Sicherheit sowie Umwelt vorgeschlagenen Maßnahmen. Der Ausschuss betont, dass dringend ein wirksamer industrieller Beitrag zum Standardisierungsforum erforderlich ist.

    1.5

    Da die Kommission Ende des Jahres ihre Empfehlungen an die Mitgliedstaaten veröffentlichen will, ist anzunehmen, dass sie die Sicherheits- und Datenschutzinfrastruktur in ihrer jetzigen Form akzeptieren wird. Insbesondere weist dies darauf hin, dass die in allen Mitgliedstaaten bereits bestehenden Datenschutzorgane die für den Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz im Zusammenhang mit der RFID-Technik zuständigen Behörden werden. Diese Themen stehen im Mittelpunkt dieser Stellungnahme.

    1.6

    Die Privatsphäre und die Bürgerrechte sind mehreren ernsthaften Bedrohungen ausgesetzt:

    RFID-Etiketten können ohne das Wissen desjenigen, der diese Gegenstände erwirbt, in/auf Gegenständen und Dokumenten angebracht werden. Da Funkwellen leicht und einfach Gewebe, Plastik und andere Materialien durchdringen, ist es möglich, in Kleidungsstücke eingenähte oder an in Hand- oder Einkaufstaschen, Koffern u.ä. befindlichen Gegenständen angebrachte RFID-Etiketten zu lesen.

    Durch den elektronischen Produktcode könnte jeder Gegenstand auf der Erde seine ganz persönliche und eindeutige Identität erhalten. Die Nutzung eindeutiger Identifikationsnummern könnte zur Schaffung eines globalen Produktregistrierungssystems führen, in dem jeder physische Gegenstand identifiziert und am Verkaufs- oder Übergabeort dem jeweiligen Käufer oder Besitzer zugeordnet wird.

    Die Einführung der RFID-Technik erfordert die Schaffung umfangreicher Datenbanken, die Daten von eindeutigen Etiketten enthalten. Diese Aufzeichnungen könnten mit Daten zur persönlichen Identifizierung verknüpft werden, insbesondere da das Speicher- und Datenverarbeitungsvermögen der Computer zunimmt.

    Etiketten können aus einer Entfernung gelesen werden, die sich nicht auf die Sichtweite beschränkt, von Lesegeräten, die unsichtbar in nahezu jede Umgebung integriert werden können, in der Menschen zusammenkommen. Lesegeräte können in Bodenfliesen eingebaut, in Teppiche eingewoben, in Türdurchgängen und Regalen versteckt werden, wodurch der Einzelne faktisch nicht wissen kann, wann er oder sie gescannt wird.

    Wenn die persönliche Identität mit eindeutigen RFID-Etikettennummern verknüpft wird, können Einzelpersonen ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung geortet oder ihr Profil erstellt werden.

    Eine Welt, in der RFID-Lesegeräte ein umspannendes globales Netz bilden, ist durchaus vorstellbar. Für ein solches Netz sind nicht überall Lesegeräte erforderlich. Das System für die Londoner Citymaut kann alle Autos, die in die Innenstadt von London einfahren, mit relativ wenigen, strategisch platzierten Kameras erfassen. Ein Netz strategisch platzierter RFID-Etikettenlesegeräte könnte auf ähnliche Weise aufgebaut werden. Dies darf nicht geschehen!

    1.7

    Aus diesen Bedrohungen ergeben sich nachstehende Folgerungen:

    Nutzer der RFID-Technik müssen ihre Maßnahmen und ihre Vorgehensweise öffentlich machen und es darf keine geheimen Datenbanken mit persönlichen Informationen geben.

    Jeder hat das Recht zu erfahren, wenn Produkte im Einzelhandel RFID-Etiketten oder Lesegeräte enthalten. Wenn ein RFID-Etikett im Einzelhandel gescannt wird, muss dies für alle Beteiligten transparent sein.

    Nutzer der RFID-Technik müssen bekannt geben, zu welchen Zwecken Etiketten und Lesegeräte eingesetzt werden. Die Sammlung von Informationen sollte sich auf das beschränken, was für den aktuellen Zweck erforderlich ist.

    Nutzer der RFID-Technik sind sowohl für die Umsetzung der Technologie als auch für die Einhaltung von Datenschutzvorschriften und diesbezüglichen Leitlinien verantwortlich. Ferner sind sie für die Sicherheit und Integrität des Systems und seiner Datenbanken verantwortlich.

    1.8

    Es bleibt offen, wie diese Grundsätze in die Praxis umgesetzt werden sollen. Ideal wäre es, wenn jedes Unternehmen, das an Transaktionen zwischen Gewerbetreibenden und Endverbrauchern beteiligt ist, wie z.B. der Einzelhandel, die Fahrschein- und Eintrittskartenausstellung, Zugangskontrollen oder Transportdienstleister, den Kunden eine Art Garantie dafür gäbe, dass diese Grundsätze eingehalten werden, eine Art Kundencharta. Konzeptionell könnte eine solche Charta alle in Ziffer 4.5 aufgeführten Grundsätze für vorbildliche Verfahren in Bezug auf den Datenschutz enthalten. Daneben empfiehlt der EWSA folgende Leitlinien:

    a)

    Es sollte Händlern verboten werden, Kunden zur Akzeptanz aktiver oder passiver Etiketten in den Produkten, die sie erwerben, zu zwingen. Z.B. könnten Etiketten auf Verpackungsmaterial angebracht oder, wie bei Preisetiketten, entfernbare Etiketten verwendet werden.

    b)

    Den Kunden sollte es ohne Einschränkung möglich sein, die Etiketten an jedem Gegenstand in ihrem Besitz zu entfernen oder zu deaktivieren.

    c)

    Die RFID-Technik darf nicht dazu eingesetzt werden, den Aufenthaltsort von Menschen zu orten. Menschen dürfen z.B. nicht über ihre Kleidungsstücke, Waren, Fahrscheine, Eintrittskarten oder andere Gegenstände geortet werden.

    d)

    Die RFID-Technik darf niemals so eingesetzt werden, dass durch sie die Anonymität aufgehoben oder eingeschränkt wird.

    e)

    Die zuständige Behörde sollte eindeutig vorgeben, dass c) und d) nur unter außergewöhnlichen Umständen und wenn die Behörde zuvor offiziell informiert wurde zulässig sind.

    1.9

    Gewisse Ausnahmen zu diesen Leitlinien können erwogen werden, wenn

    Privatpersonen von der Option Gebrauch machen, die Etiketten aus persönlichen Gründen aktiviert zu lassen.

    Privatpersonen ihre Zustimmung geben, in kritischen Umgebungen — wie etwa hochsicheren öffentlichen und privaten Einrichtungen und Institutionen — geortet zu werden.

    Privatpersonen sich entschließen, Anwendungen zu nutzen, mit denen sie auf gleiche Weise orten und identifizieren wie sie bereits über die Nutzung von Mobiltelefonen, Bankkarten, Internetadressen usw. geortet und identifiziert werden.

    Solche Ausnahmen sollten der zuständigen Behörde immer gemeldet werden.

    1.10

    Da die RFID-Technik noch nicht ausgereift ist, ist ihr Potenzial noch nicht vollständig bekannt. Einerseits kann sie unserer technologisierten Zivilisation unvorstellbaren Nutzen bringen, und andererseits kann sie sich zur größten technologischen Bedrohung unserer Privatsphäre und unserer Freiheit entwickeln. Der EWSA ist der Ansicht, dass bei der Entwicklung von RFID-Anwendungen ein strenger Ethik-Kodex eingehalten werden sollte, in Bezug auf den Schutz der Privatsphäre, die Freiheit und die Datensicherheit, dass aber die Entwicklung von Anwendungen unter der Voraussetzung der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen weiter verfolgt werden sollte.

    1.11

    Kurz gefasst: Dort, wo RFID-Anwendungen zugelassen sind, sollte die Umsetzung für alle Beteiligten vollständig transparent sein. Anwendungen für ein besseres Warenmanagement sind generell akzeptabel. Anwendungen, die eine Ortung von Personen beinhalten, sind generell nicht akzeptabel, mit Ausnahme solcher Umgebungen, in denen sich diese Personen nur vorübergehend aufhalten. Anwendungen, die Waren Personen zuordnen, können für Marketingzwecke akzeptabel sein. Anwendungen, die Personen über die von ihnen gekauften Waren identifizieren, sind generell nicht akzeptabel. Einige Anwendungen sind jedoch mit einer freien Gesellschaft nicht vereinbar und sollten niemals zugelassen werden. Das Gebot der Achtung der Privatsphäre und der Wahrung der Anonymität muss im Mittelpunkt der Empfehlung der Kommission an die Mitgliedstaaten stehen.

    2.   Was ist RFID und was ist das Besondere an dieser Technik?

    2.1

    Die Funkfrequenzkennzeichnung (Radio Frequency Identification, RFID) ist eine Technik für die automatische Identifizierung und Datenerfassung mit Hilfe von Funkfrequenzen. Ihr herausragendes Merkmal ist die Möglichkeit, beliebige Gegenstände, Tiere oder sogar Personen mittels Mikrochip mit einer eindeutigen Kennung und anderen Angaben zu versehen, die dann drahtlos ausgelesen werden können.

    2.2

    Die Etiketten selbst bestehen aus einem elektronischen Schaltkreis, der Daten speichert, und einer Antenne, die die Daten über Funk weitergibt. Mit einem RFID-Erfassungsgerät werden die Etiketten angesprochen, um die gespeicherten Informationen abzurufen. Wenn das Lesegerät Funkwellen aussendet, antworten alle Etiketten, die sich im Erfassungsbereich befinden. Um das Lesegerät zu steuern und die Informationen zu sammeln und zu filtern, ist eine Software erforderlich.

    2.3

    Es gibt unterschiedliche Arten von RFID-Systemen. Die Etiketten können entweder aktiv oder passiv sein. Aktive Etiketten enthalten eine integrierte Batterie, um die internen Schaltungen zu betreiben und Funkwellen zu erzeugen, sie können auch ohne ein RFID-Erfassungsgerät senden. Passive Etiketten werden mit der Energie der durch das Erfassungsgerät übertragenen Funkwellen betrieben und haben keine eigene Energieversorgung. Etiketten können nur mit Leserechten, aber auch mit Schreib- und Leserechten ausgestattet sein. Nur mit Leserechten ausgestattete Etiketten sind preiswerter in der Herstellung und kommen in den meisten gängigen Anwendungen zum Einsatz.

    2.4

    Die Reichweite eines RFID-Systems hängt von der Funkfrequenz, der Leistung des Lesegeräts und dem Werkstoff zwischen dem Etikett und dem Lesegerät ab. Sie kann von wenigen Metern bei passiven Systemen bis zu über 100 Metern bei aktiven Systemen reichen.

    2.5

    Die RFID-Technik befindet sich am untersten Ende der Hierarchie bei der Drahtlostechnologie. Ausgehend von der Entfernung, die das Signal zurücklegt, rangieren Satellitenkommunikationssysteme wie GPS an oberster Stelle. Danach folgen Mobiltelefontechnologien wie GSM und GPRS, dann kommen Signale mit einer kürzeren Reichweite wie Wi-Fi, dann persönliche Netze wie Bluetooth und schließlich die RFID-Technik. Jede dieser Technologien ist für sich allein stehend und eigenständig, so dass beispielsweise keine Gefahr besteht, dass Satellitensysteme RFID-Etiketten lesen könnten. Daten können jedoch mit Geräten wie etwa Mobiltelefonen zwischen den einzelnen Systemen übertragen werden.

    2.6

    Im Folgenden einige Beispiele für potenzielle Vorteile von RFID-Anwendungen:

    Für den Einzelnen kann sie Sicherheit (z.B. Lebensmittelsicherheit, Gesundheitsfürsorge, Kopierschutz), Bequemlichkeit (kürzere Kassenschlangen, eine bessere Gepäckabfertigung an Flughäfen, automatisierte Zahlungsvorgänge) und eine bessere Krankenversorgung bedeuten, insbesondere bei chronischen Krankheiten wie Demenz.

    Im Verkehr wird die RFID-Technik voraussichtlich zur Steigerung der Effizienz, Sicherheit und Dienstleistungsqualität für Menschen und Waren beitragen.

    Im Gesundheitswesen kann die RFID-Technik eingesetzt werden, um die Versorgungsqualität und die Patientensicherheit zu erhöhen, aber auch um die Einhaltung der Medikation und die Logistik zu verbessern. Es wird daran gearbeitet, einzelne Pillen mit RFID-Etiketten zu versehen.

    Im Einzelhandel kann die RFID-Technik helfen, Versorgungsengpässe, Lagerbestände und Diebstahlverluste zu verringern.

    In vielen Branchen, die mit Raubkopien zu kämpfen haben, kann der Einsatz der RFID-Technik zur Ortung des Punktes beitragen, an dem illegale Produkte in die Versorgungskette eingeschleust werden.

    Ferner wird die Funkfrequenzkennzeichnung voraussichtlich Verbesserungen bei der Sortierung und beim Recycling von Produktteilen und Werkstoffen bringen, was sich positiv auf die Abfallwirtschaft und die nachhaltige Entwicklung auswirken wird.

    2.7

    Viele Aspekte des Einsatzes der RFID-Technik werden durch den Lebenszyklus von Büchern veranschaulicht. Die schiere Menge an gedruckten Büchern ist für Verlage, für den Vertrieb, für Bibliothekare und Buchhändler ein logistischer Albtraum. Neben der Lieferkettenlogistik müssen die Bücher auch, wenn sie im Regal stehen, weiterhin geortet werden können, damit sie gefunden und ersetzt werden können. Bibliotheken müssen den Verleihzyklus kontrollieren, während die Buchkäufer manchmal nicht genau wissen, wo genau ihre eigenen Bücher stehen. Mit RFID-Etiketten versehene Bücher bieten eine Lösung für all diese Probleme. Die Kontrolle über Leihbücher findet Parallelen in vielen weiteren Anwendungen, bei denen Gegenstände sich in einem Umlaufzyklus befinden oder verliehen werden.

    2.8

    Um die dieser Technik inhärenten Risiken zu veranschaulichen, im Folgenden ein Auszug einer Patentanmeldung von IBM (20020615758) vom November 2002. Sie betrifft die Identifizierung und Ortung von Personen, die mit RFID-Etiketten versehene Gegenstände benutzen.

    „Ein Verfahren und ein System zur Identifizierung und Ortung von Personen mit Hilfe von Gegenständen, die mit RFID-Etiketten versehen sind und die diese Personen mit sich führen. Aufzeichnungen über früher getätigte Käufe für jede Person, die in einem Geschäft einkauft, werden von Terminals am Verkaufsort gesammelt und in einer Transaktionsdatenbank gespeichert. Wenn eine Person mit Produkten, die mit RFID-Etiketten versehen sind, das Geschäft oder einen anderen ausgewiesenen Bereich betritt, scannt ein dort befindlicher Scanner für RFID-Etiketten die Etiketten, die diese Person mit sich trägt, und liest die Informationen auf dem RFID-Etikett. Die gesammelten Informationen der RFID-Etiketten werden mit den in der Transaktionsdatenbank gespeicherten Transaktionsaufzeichnungen nach bekannten Korrelationsalgorithmen abgeglichen. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Korrelation können die genaue Identität der Person bzw. bestimmte Charakteristika dieser Person bestimmt werden. Diese Informationen werden genutzt, um die Bewegungen der Person im Geschäft oder anderen Bereichen zu verfolgen.“

    Die Patentanmeldung Nummer 20050038718 von American Express ist ähnlich angelegt.

    2.9

    RFID ist eindeutig mehr als ein elektronischer Strichcode. Die wesentlichen Unterschiede in der oben genannten Patentanmeldung sind folgende:

    a)

    Das Etikett enthält nicht nur die Beschreibung des Produkts, sondern auch die diskrete Produktkennung, die wiederum den Käufer des Produkts identifizieren kann.

    b)

    Das Etikett muss kein physischer Mikrochip sein. Die Schaltkreise können direkt auf die meisten Werkstoffe aufgedruckt werden, so auch auf ein Kleidungsstück.

    c)

    Das Etikett kann nach dem Verkauf aktiviert bleiben, so dass es ständig neu gelesen werden kann.

    d)

    Die Etikettenlesegeräte befinden sich nicht nur am Verkaufsort, sondern können sich überall befinden, nicht nur in den Geschäftsräumen des jeweiligen Einzelhändlers.

    e)

    Die Korrelation über eine Datenbank führt neue Dimensionen der Datensammlung, des Datenschutzes und der Datensicherheit ein.

    2.10

    Darüber, ob ein Etikett nach der Bezahlung an der Kasse aktiviert bleiben sollte oder nicht, lässt sich streiten. Einerseits stellt dies eine Bedrohung der Privatsphäre dar. Andererseits könnte es dem Käufer nutzen. Z.B. könnte ein RFID-Lesegerät zu Hause bei der Ordnung von Weinkellern, Kühl- und Kleiderschränken sowie Bibliotheken helfen. Logischerweise sollte die Wahl daher zwar dem Einzelnen überlassen bleiben, doch müssen die Technik und die Anwendung ihm diese Wahlmöglichkeit auch bieten.

    2.11

    Die RFID-Technik findet sehr viel mehr Anwendungen als nur als Produktkennzeichnung im Einzelhandel. Auch die EWSA-Zugangsausweise sind mit RFID-Technik ausgestattet. Die Londoner U-Bahn-Gesellschaft setzt relativ umfassend RFID-Karten zum Zahlen und für den Zugang ein. Kreditkarten werden sehr bald mit einem RFID-Chip ausgestattet sein, um so geringwertige Transaktionen ohne Geheimzahl durchführen zu können. RFID-Plaketten werden genutzt, um die Straßenmaut zu erheben sowie zur Fahreridentifizierung. Der Zugang zu Skiliften wird in einigen europäischen Skigebieten über RFID-Plaketten kontrolliert, die in einer Tasche im Skianzug getragen werden. Der Berichterstatter trägt täglich drei RFID-Karten und eine RFID-Plakette mit sich. Sein Hund wird über einen subkutanen RFID-Chip identifiziert. Solche Chips werden weltweit immer stärker eingesetzt, um Tiere zu kenneichnen und die Rückverfolgbarkeit in der Lebensmittelkette sicherzustellen. Bis zur Kennzeichnung von Kriminellen und Problempatienten nach dem Vorbild von Hunden könnte es nur ein kleiner Schritt sein.

    2.12

    Der im EWSA verwendete Ausweis ist eine unbedenkliche RFID-Anwendung. Mit der Identität wird es sehr viel problematischer, wenn RFID-Etiketten in Arbeitskleidung oder Uniformen eingebaut werden, damit die Bewegungen der betreffenden ständig von Scannern verfolgt werden können, die an allen strategisch wichtigen Punkten auf dem entsprechenden Gelände angebracht sind. Zugegebenermaßen kann dies jedoch in manchen Fällen wünschenswert sein, z.B. aus Sicherheitsgründen. Die Ortung des Aufenthaltsorts einer Person könnte jedoch, wenn sie nicht mit geeigneten Sicherungsvorkehrungen einhergeht, zu einem Eingriff in die Privatsphäre werden, der wohlbegründet und sehr sorgfältig kontrolliert werden muss.

    2.13

    Über einen bizarren Vorboten künftiger Anwendungen berichtet die britische Zeitung „The Economist“: Die Eintrittskarte zum VIP-Bereich des Baja Beach Club in Barcelona besteht aus einem Mikrochip, der in den Arm des Besuchers eingesetzt wird. Der Chip ist etwas größer als ein Reiskorn und von Glas und Silizium ummantelt; er wird genutzt, um Menschen beim Eingang und beim Bezahlen von Getränken zu identifizieren. Der Chip wird bei lokaler Betäubung von einer Krankenschwester injiziert. Letztlich handelt es sich hierbei um ein RFID-Etikett.

    3.   Wesentlicher Inhalt der Kommissionsmitteilung

    3.1

    RFID ist für die Politik interessant, da sie über das Potenzial verfügt, ein neuer Motor für Wachstum und Beschäftigung zu werden und somit einen kräftigen Beitrag zur Lissabon-Strategie zu leisten, wenn die Hemmnisse, die Innovation im Wege stehen, beseitigt werden.

    3.2

    Die Kommission führte 2006 eine öffentliche Konsultation zur RFID-Technik durch, in deren Verlauf deutlich wurde, welche Erwartungen aufgrund der von Erstanwendern erzielten Ergebnisse in diese Technik gesetzt werden, aber auch welche Bedenken die Bürger gegen RFID-Anwendungen haben, die eine Identifizierung oder Ortung von Personen erlauben.

    3.3

    Eine weitere Entwicklung und breite Einführung der RFID-Technik kann auch die Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologien bei der Förderung von Innovation und des Wirtschaftswachstums stärken.

    3.4

    Klare und vorhersehbare rechtliche und politische Rahmenbedingungen sind notwendig, damit diese neue Technik für die Anwender auch akzeptabel ist. Da die RFID-Technik naturgemäß grenzüberschreitend eingesetzt wird, müssen solche Rahmenbedingungen auch einen einheitlichen Einsatz innerhalb des Binnenmarktes sicherstellen.

    3.5   Sicherheit, Datenschutz und Ethik

    3.5.1

    Es gibt ernste Befürchtungen, dass diese grundlegende und überall einsetzbare Technik eine Gefahr für die Privatsphäre darstellen könnte. Die RFID-Technik kann genutzt werden, um Informationen zu sammeln, die dann direkt oder indirekt einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können und dadurch als personenbezogene Daten zu betrachten sind. Außerdem können auf RFID-Etiketten auch personenbezogene Daten gespeichert werden. Weiter könnte die RFID-Technik eingesetzt werden, um die Bewegungen von Personen zu verfolgen oder um von ihnen Verhaltensmuster zu erstellen. Die RFID-Technik ist potenziell eine in das Privatleben eingreifende Technologie. Bedenken wurden laut, dass die Grundwerte und die Privatsphäre verletzt werden könnten und dass sie zu einer stärkeren Überwachung, insbesondere am Arbeitsplatz, führen könnte, was zu Diskriminierung, Ausgrenzung, Viktimisierung und möglichem Arbeitsplatzverlust führen könnte.

    3.5.2

    Unstrittig ist, dass ein RFID-Einsatz nur dann erfolgen darf, wenn er gesellschaftlich und politisch akzeptiert, ethisch annehmbar und rechtlich zulässig ist. Die RFID-Technik wird nur dann ihre zahlreichen wirtschaftlichen und sozialen Vorteile abwerfen können, wenn wirksame Garantien für die Einhaltung des Datenschutzes, die Wahrung der Privatsphäre und die damit zusammenhängenden ethischen Aspekte gegeben sind, die im Mittelpunkt der Debatte um die öffentliche Akzeptanz der RFID-Technik stehen.

    3.5.3

    Der Rechtsrahmen der Gemeinschaft für den Datenschutz und die Wahrung der Privatsphäre in Europa ist so angelegt, dass er auch angesichts einer ständigen Innovation Bestand hat. Der Schutz der personenbezogenen Daten ist in der allgemeinen Datenschutzrichtlinie (1) geregelt, die für alle Technologien einschließlich der Funkfrequenzkennzeichnung (RFID) gilt. Die allgemeine Datenschutzrichtlinie wird ergänzt durch die Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation (2). Laut diesen Richtlinien ist es Aufgabe öffentlicher Stellen in den Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass bei der Einführung von RFID-Anwendungen die Rechtsvorschriften über den Datenschutz und die Wahrung der Privatsphäre eingehalten werden. Daher kann es sich als notwendig erweisen, ausführliche Leitlinien für die praktische Einführung von RFID-Anwendungen zu erlassen und besondere Verhaltenskodizes auszuarbeiten.

    3.5.4

    Im Hinblick auf die Sicherheit sollen gemeinsame Anstrengungen der Branche, der Mitgliedstaaten und der Kommission unternommen werden, um das Verständnis der systemischen Probleme und der entsprechenden Sicherheitsbedrohungen im Zusammenhang mit einem massiven Einsatz der RFID-Technik und -Systeme zu vertiefen. Ein wichtiger Aspekt bei der Bewältigung dieser Herausforderungen ist die Ausarbeitung und Verabschiedung von Gestaltungskriterien, um Datenschutz- und Sicherheitsrisiken von vornherein auszuschließen, und zwar nicht nur auf technologischer, sondern auch auf organisatorischer Ebene und in den Geschäftsabläufen. Deshalb muss vor einer Auswahl konkreter RFID-Systeme und der Einführung von RFID-Anwendungen eine genaue Kosten-Nutzen-Prüfung in Bezug auf bestimmte Sicherheits- und Datenschutzrisiken durchgeführt werden.

    3.5.5

    Es gibt Bedenken in Bezug auf die Offenheit und Neutralität der Datenbanken für die eindeutigen Kennungen, die den Kern des RFID-Systems bilden sowie die Speicherung und Verarbeitung der erfassten Daten und deren Nutzung durch Dritte. Dies sind wichtige Fragestellungen im Hinblick auf die Rolle der RFID-Technik als Träger einer neuen Entwicklungswelle im Internet, die möglicherweise dazu führt, dass mehrere Milliarden intelligenter Geräte und eine ausgefeilte Sensortechnik zu einer global vernetzten Kommunikationsinfrastruktur verbunden werden. Diese neue Phase der Internetentwicklung ist das „Internet der Dinge“.

    3.5.6

    Das System für die Registrierung und Benennung der Kennungen im künftigen „Internet der Dinge“ soll Ausfälle oder eine unbefugte Nutzung des Systems verhindern, die beide verheerende Auswirkungen hätten. Es darf nicht zugelassen werden, dass diese Datenbanken und Benennungssysteme von Einzelnen für ihre Sonderinteressen benutzt werden. In Bezug auf Sicherheit, Ethik und Datenschutz müssen die Bedürfnisse aller Beteiligten beachtet werden — von Privatpersonen bis zu Unternehmen, deren sensible Geschäftsinformationen in RFID-gestützten Geschäftsabläufen stecken können.

    3.5.7

    Sowohl die Anforderungen der aktiv am Aufbau der RFID-Systeme beteiligten Seiten (z.B. Unternehmen, öffentliche Verwaltungen, Krankenhäuser) als auch der dem System unterworfenen Endnutzer (Bürger, Verbraucher, Patienten, Angestellte) müssen bei der Konzipierung des Systems berücksichtigt werden. Da die Endnutzer typischerweise an der Gestaltungsphase der RFID-Informationssysteme nicht beteiligt sind, wird die Kommission die Ausarbeitung anwendungsbezogener Leitlinien (Verhaltensregeln, gute Praktiken) durch eine Arbeitsgruppe aus Fachleuten aller beteiligten Seiten unterstützen. Ende 2007 wird die Kommission eine Empfehlung zu Grundprinzipien veröffentlichen, die von den Behörden und anderen Beteiligten im Zusammenhang mit der RFID-Nutzung anzuwenden sind.

    3.5.8

    Zusätzlich wird die Kommission prüfen, welche Vorschriften in den anstehenden Vorschlag zur Änderung der Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation aufgenommen werden sollten, und dabei die Zuarbeiten der künftigen RFID-Interessengruppe, der Artikel-29-Datenschutzgruppe und anderer einschlägiger Initiativen wie der European Group on Ethics in Science and New Technologies (EGE) berücksichtigen. Auf dieser Basis wird die Kommission analysieren, welche zukünftigen gesetzgebenden Maßnahmen für die Einhaltung des Datenschutzes und die Wahrung der Privatsphäre erforderlich sind.

    3.5.9

    Die Kommission wird genau beobachten, wie sich die weitere Entwicklung hin zum „Internet der Dinge“ vollzieht, bei der die RFID-Technik voraussichtlich eine wichtige Rolle spielen wird. Ende 2008 wird die Kommission eine Mitteilung veröffentlichen, in der sie diese Entwicklung und ihre Auswirkungen analysieren und insbesondere auf die Datenschutz-, Vertrauens- und Governanceprobleme eingehen wird. Sie wird darin eine Bewertung der Handlungsalternativen vornehmen und darauf eingehen, ob für den Datenschutz, die Wahrung der Privatsphäre und die Erreichung der anderen politischen Ziele weitere Vorschriften vorgeschlagen werden müssen.

    3.5.10

    Bemerkungen zu den Themen Sicherheit, Datenschutz und Ethik sind in Ziffer 4 der Stellungnahme enthalten.

    3.6   Weitere politisch relevante Themen im Zusammenhang mit der RFID-Technik

    3.6.1

    Neben der gesamten Thematik Sicherheit, Privatsphäre und Ethik sind auch Funkfrequenzen, Normen, Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltthemen von der RFID-Technik betroffen.

    3.6.2

    Wichtig ist hierbei die Harmonisierung der Frequenznutzungsbedingungen, um die Mobilität zu erleichtern und die Kosten zu senken. Die Kommission hat vor kurzem eine Entscheidung über RFID-Frequenzen im UHF-Band erlassen (2006/808/EG). Diese Frequenzzuweisung wird in einem Zeitrahmen von drei bis 10 Jahren für angemessen gehalten. Wenn jedoch zusätzliche Frequenzen erforderlich sein sollten, wird die Kommission entsprechend handeln und ihre Befugnis gemäß der Frequenzentscheidung (676/2002/EG) ausüben.

    3.6.3

    Die zügige Verabschiedung neuer internationaler ISO-Normen und die Harmonisierung regionaler Normen sind für eine reibungslose Einführung der Dienste wichtig. Die einschlägigen europäischen Normungsgremien — das Europäische Komitee für Normung (CEN) und das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) — sind umfassend eingebunden. Die Kommission fordert die europäischen Normenorganisationen auf, in Zusammenarbeit mit der Branche sicherzustellen, dass die Entwicklungsnormen den europäischen Anforderungen entsprechen (vor allem in Bezug auf Datenschutz, Sicherheit, Rechte am geistigen Eigentum und Lizenzierung). Da Industrienormen und geschützte Patente häufig parallel Fortschritte machen, fordert der EWSA die Kommission auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Industrie und die Normierungsgremien zu raschem Handeln zu veranlassen, damit europäische RFID-Anwendungen nicht zu abhängig von teurem geistigem Eigentum aus Drittländern werden.

    3.6.4

    Aus umweltpolitischer Sicht fallen RFID-Geräte unter die Richtlinien 2002/96/EG über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE) und 2002/95/EG zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (RoHS). Hinsichtlich der Gesundheitsaspekte besteht potenziell das Problem elektromagnetischer Felder (EMF) im Zusammenhang mit RFID-Geräten. Da die durch die Anwendung der RFID-Technik erzeugten elektromagnetischen Felder im Allgemeinen eine geringe Stärke haben, ist davon auszugehen, dass unter normalen Anwendungsbedingungen die Exposition der Öffentlichkeit und der Arbeitnehmer gegenüber RFID-verursachten elektromagnetischen Feldern weit unter den geltenden Grenzwerten bleiben dürfte. Nichtsdestoweniger wird die Kommission vor dem Hintergrund einer weiter zunehmenden Verbreitung von RFID-Geräten in Verbindung mit dem Einsatz drahtloser Technologien fortfahren, die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen sicherzustellen. Der EWSA teilt diesen Standpunkt.

    4.   Bemerkungen

    4.1

    Da die Kommission Ende des Jahres ihre Empfehlungen an die Mitgliedstaaten veröffentlichen will, ist anzunehmen, dass sie die Sicherheits- und Datenschutzinfrastruktur in ihrer jetzigen Form akzeptieren wird. Insbesondere weist dies darauf hin, dass die in allen Mitgliedstaaten bereits bestehenden Datenschutzorgane die für den Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz im Zusammenhang mit der RFID-Technik zuständigen Behörden werden. Diese Themen stehen im Mittelpunkt dieser Stellungnahme.

    4.2

    Die Kommission kündigt in ihrer Mitteilung u.a. an, dass sie eine RFID-Interessengruppe ins Leben rufen und konsultieren möchte. Der EWSA würde sich freuen, seine Stellungnahme in dieser Gruppe vorstellen zu dürfen.

    4.3

    Die Privatsphäre und die Bürgerrechte sind durch die RFID-Technik mehreren ernsthaften Bedrohungen ausgesetzt:

    a)

    RFID-Etiketten können ohne das Wissen desjenigen, der diese Gegenstände erwirbt, in/auf Gegenständen und Dokumenten angebracht werden. Da Funkwellen leicht und einfach Gewebe, Plastik und andere Materialien durchdringen, ist es möglich, in Kleidungsstücke eingenähte oder an Gegenständen, die sich in Hand- oder Einkaufstaschen, Koffern u.ä. befinden, angebrachte RFID-Etiketten zu lesen.

    b)

    Durch den elektronischen Produktcode könnte jeder Gegenstand auf der Erde seine ganz persönliche und eindeutige Identität erhalten. Die Nutzung eindeutiger Identifikationsnummern könnte zur Schaffung eines globalen Produktregistrierungssystems führen, in dem jeder physische Gegenstand identifiziert und am Verkaufs- oder Übergabeort dem jeweiligen Käufer oder Besitzer zugeordnet wird.

    c)

    Die Einführung der RFID-Technik erfordert die Schaffung umfangreicher Datenbanken, die Daten von eindeutigen Etiketten enthalten. Diese Aufzeichnungen könnten mit Daten zur persönlichen Identifizierung verknüpft werden, insbesondere da das Speicher- und Datenverarbeitungsvermögen der Computer zunimmt.

    d)

    Etiketten können aus einer Entfernung gelesen werden, die sich nicht auf die Sichtweite beschränkt, von Lesegeräten, die unsichtbar in nahezu jede Umgebung integriert werden können, in der Menschen zusammenkommen. Lesegeräte können in Bodenfliesen eingebaut, in Teppiche eingewoben, in Türdurchgängen und Regalen versteckt werden, wodurch der Einzelne faktisch nicht wissen kann, wann er oder sie gescannt wird.

    e)

    Wenn die persönliche Identität mit eindeutigen RFID-Etikettennummern verknüpft wird, können Einzelpersonen ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung geortet oder ihr Profil erstellt werden.

    f)

    Eine Welt, in der RFID-Lesegeräte ein umspannendes globales Netz bilden, ist durchaus vorstellbar. Für ein solches Netz sind nicht überall Lesegeräte erforderlich. Das System für die Londoner Citymaut kann alle Autos, die in die Innenstadt von London einfahren, mit relativ wenigen, strategisch platzierten Kameras erfassen. Ein Netz strategisch platzierter RFID-Etikettenlesegeräte könnte auf ähnliche Weise aufgebaut werden. Dies darf nicht geschehen!

    4.4

    Die Kommission hat bereits im 7. Forschungsrahmenprogramm Leitlinien für die ethische Anwendung von Technologien gegeben, die sich auf die Datensicherheit und den Datenschutz auswirken („Leitfaden für Antragsteller“ für Verbundprojekte, S. 54) (3). Die RFID-Technik ist ein herausragendes Beispiel für das sich entwickelnde Verhältnis zwischen Technologie und dem Anspruch auf den Schutz der Privatsphäre bei der Sammlung und Verbreitung von Daten — dieser Schutz wird auch von der Öffentlichkeit erwartet. Probleme im Zusammenhang mit dem Datenschutz entstehen, wenn eindeutig identifizierbare Daten zu einer Person oder Personen in digitaler oder anderer Form gesammelt und gespeichert werden. Eine unzureichende oder nicht vorhandene Freigabekontrolle kann zum Ausgangspunkt von Datenschutzbedenken werden. Am stärksten betroffen von Datenschutzproblemen sind Daten im Gesundheitsbereich, in der Strafjustiz, bei Finanzen, bei der Genetik und der Standortbestimmung. Bei RFID geht es vor allem um die Standortbestimmung.

    4.5

    In ihrem Datenschutzleitfaden (4) hat die Kommission acht durchsetzbare Grundsätze für vorbildliche Verfahren aufgestellt. Personenbezogene Daten müssen

    nach Treu und Glauben und auf rechtmäßige Weise verarbeitet werden,

    für eingeschränkte Zwecke erhoben werden,

    den Zwecken entsprechen, für die sie erhoben und/oder weiterverarbeitet werden, dafür erheblich sein und nicht darüber hinausgehen,

    sachlich richtig sein,

    nicht länger als notwendig aufbewahrt werden,

    unter Achtung der Rechte der betroffenen Person verarbeitet werden,

    sicher sein,

    nicht in Drittländer übermittelt werden, die kein angemessenes Schutzniveau aufweisen.

    Diese Leitlinien sind für den Datenschutz und die Datensicherheit im Zusammenhang mit RFID-Anwendungen vollkommen geeignet.

    4.6

    Nach Auffassung des EWSA lauten die grundlegenden Prinzipien für vorbildliche Verfahren wie folgt:

    Nutzer der RFID-Technik müssen ihre Maßnahmen und ihre Vorgehensweise öffentlich machen und es darf keine geheimen Datenbanken mit persönlichen Informationen geben.

    Jeder hat das Recht zu erfahren, wenn Produkte im Einzelhandel RFID-Etiketten oder Lesegeräte enthalten. Wenn ein RFID-Etikett im Einzelhandel gescannt wird, muss dies für alle Beteiligten transparent sein.

    Nutzer der RFID-Technik müssen bekannt geben, zu welchen Zwecken Etiketten und Lesegeräte eingesetzt werden. Die Sammlung von Informationen sollte sich auf das beschränken, was für den aktuellen Zweck erforderlich ist.

    Nutzer der RFID-Technik sind sowohl für die Umsetzung der Technologie als auch für die Einhaltung von Datenschutzvorschriften und diesbezüglichen Leitlinien verantwortlich. Ferner sind sie für die Sicherheit und Integrität des Systems und seiner Datenbanken verantwortlich.

    4.7

    Es bleibt offen, wie diese Grundsätze in die Praxis umgesetzt werden sollen. Ideal wäre es, wenn jedes Unternehmen, das an Transaktionen zwischen Gewerbetreibenden und Endverbrauchern beteiligt ist, wie z.B. der Einzelhandel, die Fahrschein- und Eintrittskartenausstellung, Zugangskontrollen oder Transportdienstleister, seinen Kunden eine Art Garantie gäbe, dass diese Grundsätze eingehalten werden, eine Art Kundencharta. Konzeptionell könnte eine solche Charta alle in Ziffer 4.5 aufgeführten Grundsätze für vorbildliche Verfahren in Bezug auf den Datenschutz enthalten. Daneben empfiehlt der EWSA folgende Leitlinien:

    a)

    Es sollte Händlern verboten werden, Kunden zur Akzeptanz aktiver oder passiver Etiketten in den Produkten, die sie erwerben, zu zwingen. Z.B. könnten Etiketten auf Verpackungsmaterial angebracht oder, wie bei Preisetiketten, entfernbare Etiketten verwendet werden.

    b)

    Den Kunden sollte es ohne Einschränkung möglich sein, die Etiketten an jedem Gegenstand in ihrem Besitz zu entfernen oder zu deaktivieren.

    c)

    Die RFID-Technik darf nicht dazu eingesetzt werden, den Aufenthaltsort von Menschen zu orten. Menschen dürfen z.B. nicht über ihre Kleidungsstücke, Waren, Fahrscheine, Eintrittskarten oder andere Gegenstände geortet werden.

    d)

    Die RFID-Technik darf niemals so eingesetzt werden, dass durch sie die Anonymität aufgehoben oder eingeschränkt wird.

    e)

    Die zuständige Behörde sollte eindeutig vorgeben, dass c) und d) nur unter außerordentlichen Umständen und wenn die Behörde zuvor offiziell informiert wurde zulässig sind.

    4.8

    Gewisse Ausnahmen zu diesen Leitlinien könnten erwogen werden, wenn

    Privatpersonen von der Option Gebrauch machen, die Etiketten aus persönlichen Gründen aktiviert zu lassen.

    Privatpersonen ihre Zustimmung geben, in kritischen Umgebungen — wie etwa hochsichere öffentliche und private Einrichtungen und Institutionen — geortet zu werden.

    Privatpersonen sich entschließen, Anwendungen zu nutzen, mit denen sie auf gleiche Weise orten und identifizieren wie sie bereits über die Nutzung von Mobiltelefonen, Bankkarten, Internetadressen usw. geortet und identifiziert werden.

    Solche Ausnahmen sollten der zuständigen Behörde immer gemeldet werden.

    4.9

    Generell sollte eine Ausnahmeregelung für solche Anwendungen gelten, die Personen oder Waren in Umgebungen orten, in denen sich diese Personen oder Waren nur vorübergehend aufhalten bzw. befinden. Im Luftverkehr könnte Gepäck am Check-in-Schalter mit einem Etikett versehen werden, um die Sicherheit bei der Gepäckabfertigung zu steigern, während RFID-Etiketten bei Fluggästen dazu genutzt werden könnten, die Pünktlichkeit der Flüge zu verbessern und die Sicherheitsverfahren zu beschleunigen. Eine weitere Anwendung könnte die Ortung von Patienten nach der Aufnahme im Krankenhaus sein. Wesentlich für diese Art von Anwendungen wäre die absolute Gewissheit, dass die Etiketten nach Beendigung dieser vorübergehenden Erfahrung beseitigt werden.

    4.10

    Da die RFID-Technik noch nicht ausgereift ist, ist ihr Potenzial noch nicht vollständig bekannt. Einerseits kann sie unserer technologisierten Zivilisation unvorstellbaren Nutzen bringen, und andererseits kann sie sich zur größten technologischen Bedrohung unserer Privatsphäre und unserer Freiheit entwickeln. Der EWSA ist der Ansicht, dass bei der Entwicklung von RFID-Anwendungen ein strenger Ethik-Kodex eingehalten werden sollte, in Bezug auf den Schutz der Privatsphäre, die Freiheit und die Datensicherheit, dass aber die Entwicklung von Anwendungen unter der Voraussetzung der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen weiter verfolgt werden sollte.

    4.11

    Kurz gefasst: Dort, wo RFID-Anwendungen zugelassen sind, sollte die Umsetzung für alle Beteiligten vollständig transparent sein. Anwendungen für ein besseres Warenmanagement sind generell akzeptabel. Anwendungen, die eine Ortung von Personen beinhalten, sind generell nicht akzeptabel, mit Ausnahme solcher Umgebungen, in denen sich diese Personen nur vorübergehend aufhalten. Anwendungen, die Waren Personen zuordnen, können für Marketingzwecke akzeptabel sein. Anwendungen, die Personen über die von ihnen gekauften Waren identifizieren, sind generell nicht akzeptabel. Einige Anwendungen sind jedoch mit einer freien Gesellschaft nicht vereinbar und sollten niemals zugelassen werden. Das Gebot der Achtung der Privatsphäre und der Wahrung der Anonymität muss im Mittelpunkt der Empfehlung der Kommission an die Mitgliedstaaten stehen.

    Brüssel, den 11. Juli 2007

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr.

    (2)  Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation.

    (3)  http://cordis.europa.eu/fp7/dc/index.cfm?fuseaction=UserSite.CooperationDetailsCallPage&call_id=11.

    (4)  Datenschutzrichtlinie 95/46/EG Artikel 6.


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