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Document 52006AE1372

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit KOM(2005) 596 endg.

    ABl. C 324 vom 30.12.2006, p. 68–73 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

    30.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 324/68


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit“

    KOM(2005) 596 endg.

    (2006/C 324/24)

    Die Europäische Kommission beschloss am 22. November 2005, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 6. September 2006 an. Berichterstatterin war Frau LE NOUAIL-MARLIÈRE.

    Aufgrund der Neubesetzung des Ausschusses hat das Plenum beschlossen, diese Stellungnahme auf der Oktober-Plenartagung zu erörtern, und hat Frau LE NOUAIL-MARLIÈRE gemäß Artikel 20 GO zur Hauptberichterstatterin bestellt.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 430. Plenartagung am 26. Oktober 2006 mit 105 gegen 1 Stimme bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen:

    1.1

    Der Ausschuss empfiehlt Folgendes:

    Die Kommission klärt die Mitgliedstaaten auf, indem sie ihnen die in den geforderten nationalen Plänen herzustellenden Verbindungen oder in deren Rahmen durchzuführenden zusätzlichen Maßnahmen genauer erläutert, und macht deutlich, dass die Mehrsprachigkeit einen möglichen Beitrag zur politischen und kulturellen Integration der EU leistet und ein Katalysator für Verständigung und soziale Eingliederung ist,

    der Umfang des Bildungsangebots muss auf europäischer Ebene abgestimmt werden, wenn langfristig Ergebnisse erzielt werden sollen, und das potentielle Fähigkeitenreservoir darf nicht auf eine begrenzte Zahl von Sprachen reduziert werden,

    alle mehrsprachigen Praktiken im beruflichen, kulturellen, politischen, wissenschaftlichen und sozialen Bereich müssen gefördert und unterstützt werden,

    als Sachverständige sollten nicht nur Fachleute aus sozialen und wissenschaftlichen Fächern, sondern auch Sprachpraktiker, Linguisten, Dolmetscher, Übersetzer sowie Sprachlehrer und Sprachenspezialisten hinzugezogen werden,

    die heutigen Generationen junger und weniger junger Erwachsener müssen im Rahmen dieser Zielsetzungen mit Hilfe des lebenslangen Lernens und durch die Achtung ihrer kulturellen Rechte angemessen und stärker berücksichtigt werden, wenn die Kommission mit der Programmphase beginnt,

    die Kommission sollte sich nicht nur auf die akademischen Arbeiten stützen, sondern auch auf die Maßnahmen der in diesem Bereich aktiven Verbände, und die von der Zivilgesellschaft ergriffenen Initiativen unterstützen.

    2.   Einleitung: Wesentlicher Inhalt der Kommissionsmitteilung

    Mit dieser Mitteilung legt die Europäische Kommission eine neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit vor und erneuert ihr eigenes Engagement für die Mehrsprachigkeit. Zum ersten Mal befasst sich die Kommission in einer Mitteilung mit diesem Politikbereich. Sie beleuchtet verschiedene Dimensionen der europäischen Politik in diesem Bereich und schlägt spezifische Maßnahmen vor.

    Die Mitgliedstaaten werden aufgerufen, ihre Aufgaben wahrzunehmen und das Lehren und Lernen von Fremdsprachen sowie ihre Anwendung zu fördern. Bemerkenswert ist die Einrichtung eines neuen institutionellen Konsultationsportals in 20 Sprachen durch die Kommission.

    Die Kommission stellt in diesem ersten politischen Dokument zur Mehrsprachigkeit eine neue Rahmenstrategie vor, die spezifische Maßnahmen in den Bereichen Gesellschaft, Wirtschaft und Beziehungen zu den Bürgern beinhaltet. Sie verfolgt damit drei Zielsetzungen: Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt in der Gesellschaft; Förderung einer leistungsstarken multilingualen Wirtschaft; Zugang der Bürger zu den Rechtsvorschriften, Verfahren und Informationen der Europäischen Union in ihrer Sprache. Die Kommission erinnert daran, dass der Europäische Rat von Barcelona im Jahre 2002 die Notwendigkeit hervorgehoben hat, die Vermittlung von mindestens zwei Fremdsprachen zu fördern, und fordert die Mitgliedstaaten auf, Aktionspläne für die Mehrsprachigkeit zu verabschieden, die Ausbildung der Fremdsprachenlehrer zu verbessern, die notwendigen Mittel bereitzustellen, um das Sprachenlernen von frühester Kindheit an zu ermöglichen sowie das Unterrichten anderer Fächer in einer Fremdsprache auszubauen. Die europäischen Unternehmen brauchen Mitarbeiter mit Kenntnissen in den Sprachen der Europäischen Union und unserer Handelspartner in der Welt, und da die Wirtschaftsbereiche, in denen Sprachkenntnisse eine Rolle spielen, in den meisten europäischen Staaten eine rasante Entwicklung verzeichnen, schlägt die Kommission eine Reihe von Maßnahmen vor, um den Aspekt der Mehrsprachigkeit in der Wirtschaft der Union zu verstärken. Im Hinblick auf ihre multilinguale Kommunikationspolitik plant die Kommission einen Ausbau des mehrsprachigen Charakters ihrer zahlreichen Internetsites und ihrer Publikationen durch die Schaffung eines internen Netzes, das über die sprachliche Kohärenz in ihren Dienststellen wachen soll. Sie schlägt des Weiteren vor, eine hochrangige Gruppe zur Mehrsprachigkeit einzusetzen, die sich aus unabhängigen Sachverständigen zusammensetzt und ihr dabei behilflich ist, die Fortschritte in den Mitgliedstaaten zu analysieren. Ferner sollte in Kürze eine Ministerkonferenz über die Mehrsprachigkeit stattfinden, auf der die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, über ihre Fortschritte auf diesem Gebiet zu berichten. Schließlich soll eine neue Mitteilung vorbereitet werden, in der dieser globale Ansatz der Mehrsprachigkeit in der Europäischen Union weiterentwickelt wird.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Der Ausschuss befürwortet den Vorschlag und weist darauf hin, dass es sich um eine „neue“ Rahmenstrategie handelt und die Mitteilung „das erste politische Dokument über Mehrsprachigkeit“ ist. In diesem Zusammenhang reichen die zahlreichen Anknüpfungspunkte zur alten Rahmenstrategie (1) nicht aus, um ein klares Bild von den Schlussfolgerungen zu erhalten. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass es von Nutzen wäre, wenn die Kommission in einer Synthese deutlich machte, welchen Mehrwert der neue Rahmen liefern soll und welche Auswirkungen im Vergleich erwartet werden. Wird es eine Folgenabschätzung geben, wie sie im interinstitutionellen Abkommen zwischen der Kommission und dem EWSA (2) und im Rahmen der Vereinfachung von Rechtsetzung und der Governance definiert wird? Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Mitteilung vielleicht allein nicht ausreicht, die Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, Programme zu verabschieden, die dazu noch nicht einmal obligatorisch sind. Obwohl die Rahmenstrategie vom Rat gefordert wird, setzt sie eine notwendige Harmonisierung voraus, um die Ressourcen, die gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union selbst zur Verfügung gestellt werden, zu optimieren. Diese Harmonisierung kann nur mit genauer Kenntnis der bereits durch die Mitgliedstaaten oder die EU durchgeführten Aktionen Gestalt annehmen.

    3.2

    Die Europäische Kommission bekräftigt ihr eigenes Engagement: Der Ausschuss schließt daraus, dass es ein früheres Engagement gegeben hat. Er bemerkt, dass die Maßnahmen der Kommission im Bereich der Mehrsprachigkeit weder innerhalb der Kommissionsdienststellen noch in ihren Beziehungen nach außen Anlass zur Zufriedenheit geben.

    3.3

    Der Ausschuss stellt ein störendes Ungleichgewicht bei der Behandlung der Institutionen auf der einen und der europäischen Zivilgesellschaft in allen ihren Organisationsformen (unabhängiger Dialog zwischen den Sozialpartnern und ziviler Dialog) auf der anderen Seite fest. Alle zur Erarbeitung des EU-Rechts, zu den Anhörungsverfahren und Diskussionen nützlichen und erforderlichen Vermerke, Untersuchungen und Dokumente sind zu einem unverhältnismäßig hohen Teil in englischer Sprache verfasst und zugänglich. Gleiches gilt in verstärktem Maße für die internen oder durch die Kommission organisierten Sitzungen. Ein Sachverständiger der Kommission muss daher de facto Englisch sprechen, ebenso ein Vertreter der Zivilgesellschaft in Brüssel. Fast alle statistischen oder qualitativen Untersuchungen, auf die in der vorliegenden Stellungnahme Bezug genommen wird, liegen ebenfalls nur in englischer Sprache vor. (3)

    3.4

    Es kommt immer wieder vor, dass Dokumente nicht in der Sprache des Berichterstatters einer Institution oder der gewöhnlich konsultierten Fachleute vorliegen; die Vereinbarung über die drei Pivot-Arbeitssprachen der EU-Institutionen wird in der offiziellen wie auch der informellen Kommunikation der Institutionen bei weitem nicht immer eingehalten. Es sollte hinzugefügt werden, dass es auf diese Weise ein Leichtes ist, einige Diskussionsteilnehmer in zunehmendem Maße von Debatten auszuschließen. Es ist also nicht verwunderlich, in verschiedenen statistischen Erhebungen zu lesen, dass die befragten Personen es bevorzugen, ihr Studium in englischer Sprache zu absolvieren, da sie sich von dieser Entscheidung die besten Berufschancen versprechen. Genau aus dieser Motivation heraus sahen mehrere Generationen von Eltern und Regierungen das Erlernen des Englischen als „erste Wahl“ an und führten damit die gegenwärtige Situation herbei.

    3.5

    In dem Anhang zur Mitteilung steht des Weiteren zu lesen, dass die (als Mutter- oder Fremdsprache) meistgesprochene Sprache in der EU nicht jene ist, die die höchste Zahl an Muttersprachlern aufweist. Diese Sprache werde (werde, da Eurostat nicht definiert, wie hoch das Niveau und wie groß der Wortschatz sein muss, bevor man eine Sprache wirklich sprechen kann) von 47 % der Befragten gesprochen, während sie nur für 13 % von ihnen die Muttersprache sei.

    3.6

    Der Ausschuss ist der Ansicht, dass dadurch die direkte und indirekte demokratische Beteiligung der Unionsbürger sowie ihrer Vertretungen — Parlament und Ausschüsse (EWSA, AdR) — an der Erarbeitung der sie betreffenden Regelungen faktisch beeinträchtigt wird. Wenn Berichterstatter der Institutionen oder Vertreter der Zivilgesellschaft im Rahmen der demokratischen und gesetzlichen Institutionen oder Instanzen konsultiert werden, können sie sich häufig nur mühsam oder durch vage Vermutungen einen Begriff davon machen, was die Kommission vorbringt. Wie kann ignoriert werden, dass der Bürger im Vorfeld zu keinem Zeitpunkt effizienten Zugang zur Information gehabt hat? Im Rahmen einer Mitteilung über ein derartiges Thema ist das besonders inkohärent. Es erfordert Mittel und den politischen Willen, diese gemeinsame, intellektuelle und kulturelle Inkohärenz und die Abhängigkeit von der Wirtschaft zu überwinden, die der erforderlichen Beteiligung der Bürger abträglich ist.

    Der Ausschuss nimmt daher erfreut zur Kenntnis, dass die Kommission beabsichtigt, diese Nachteile auszugleichen und ein leistungsfähigeres Portal zu schaffen, das allerdings die Mehrsprachigkeit und nicht ihre gesamte Kommunikation betrifft. Die von der Kommission verfolgten Zielsetzungen zur institutionellen Kommunikation treten im Kapitel „Mehrsprachigkeit und die Beziehungen Kommission — BürgerInnen“ nicht sehr deutlich hervor: Die vorliegende Mitteilung könnte als einfache Fortsetzung des Plans D aufgefasst werden. Die Kommunikation in 20 Amtssprachen ändert nichts an der institutionellen Kommunikation, die erst stattfindet, nachdem Beschlüsse gefasst wurden, an denen der Bürger keinen Anteil hat und durch die die Bürgerbeteiligung an sich keine Stärkung erfährt.

    3.7

    Zahlreiche Beobachter weisen darauf hin, dass die ersten Seiten der Portale oder Websites der Institutionen vielsprachig scheinen, aber bei einer vertieften Recherche nur noch Dokumente in englischer Sprache zur Verfügung stehen.

    3.8

    Der Ausschuss betont, dass jede Sprache als Teil des kulturellen Erbes der Menschheit ihre Daseinsberechtigung hat, und ist der Ansicht, dass die englische Sprache durch übermäßige und laienhafte, weil in der Fachwelt erzwungene, kulturell jedoch weniger entwickelte Verwendung Schaden nehmen könnte. Mit dieser Bemerkung verweist der Ausschuss auf seine Beobachtungen zum Thema weiter unten sowie auf den Status der Sprachen und ihre Verwendungsweisen.

    3.9

    Angesichts der rein wirtschaftlichen Ausrichtung der Mehrsprachigkeit (auf Konsum, Information, Beruf, Industrie, wissensbasierte Wirtschaft) schlägt der Ausschuss eine stärkere Berücksichtigung menschlicher, sozialer, soziologischer, kultureller und politischer Aspekte vor. Wenn, wie auf der Pressekonferenz aus Anlass der Veröffentlichung dieser Kommissionsmitteilung verlautete, das Kernstück dessen, was den Menschen vom Tier unterscheidet, die Sprache und der durch sie ermöglichte Austausch der Menschen untereinander ist, dann sollte in der Mitteilung gebührend berücksichtigt werden, dass die zwischenmenschlichen Kontakte nicht nur kaufmännischer oder kommerzieller Natur sind, genauso wenig, wie sie ausschließlich durch Beziehungen im Zusammenhang mit der Landes- oder Ressourcenverteidigung bestimmt werden. So wäre es von Vorteil, wenn die Kommission sich in ihrer Mitteilung auf die Arbeiten der Unesco auf diesem Gebiet stützen würde, um konstruktive Empfehlungen unterbreiten zu können. (4)

    3.10

    Der Ausschuss begrüßt die Verbindungen zwischen der Lissabon-Strategie, ihrer Umsetzung, der europäischen Strategie für Beschäftigung und dieser neuen Rahmenstrategie, schlägt aber vor, dass in der Mitteilung verstärkt auf die notwendigen konkreten Verfügungen zu einer stärkeren Kohärenz zwischen den internen Dienststellen und den Generaldirektionen (Beschäftigung, Kultur, …) der Kommission eingegangen wird. Der Ausschuss empfiehlt, dass die Kommission den Mitgliedstaaten präzise die vorhandenen Verbindungen oder die zusätzlich umzusetzenden Maßnahmen erläutern und ihnen plausibel machen sollte, dass durch die Mehrsprachigkeit ein möglicher Beitrag zur politischen und kulturellen Integration der EU geleistet werden kann und sie als Katalysator für Verständigung und soziale Eingliederung fungiert. Eine Studie über die sektoralen Auswirkungen sollte auch Angaben über Qualität und Anzahl der gesicherten bzw. geschaffenen Arbeitsplätze sowie darüber enthalten, welche realen Veränderungen bei den Löhnen erwartet werden.

    Der Ausschuss unterstützt die Aufforderung an die Mitgliedstaaten, „nationale Pläne auszuarbeiten, die Aktionen zugunsten der Mehrsprachigkeit eine Struktur geben, ihre Kohärenz sichern und ihnen die Richtung vorgeben“, weist jedoch darauf hin, dass das Angebot auf europäischer Ebene koordiniert werden muss, wenn man auf lange Sicht erreichen will, dass nicht nur einige wenige Sprachen als kompetenzfördernd angesehen werden.

    Im Rahmen der „Strategie, die EU zum wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen“ sollten die Europäer auch in anderen Weltsprachen kommunizieren können und sich nicht auf die im Binnenmarkt praktizierten Sprachen beschränken, damit Europa seine Sprachbarrieren überwinden kann. Andernfalls könnte die Europäische Union Gefahr laufen, Gefangene ihrer eigenen Sprachbarrieren zu werden.

    Das Recht der Einwanderer, die Sprache des Aufnahmelandes zu erlernen, sollte mit dem Recht einhergehen, ihre eigene Sprache und Kultur zu bewahren. (5) Die Europäische Union sollte diese Sprachkenntnisse als zusätzliche Humanressource zur Erreichung „weltweiter Wettbewerbsfähigkeit“ ansehen. Einige Unternehmen haben das bereits bedacht, aber es muss noch einmal daran erinnert werden, dass die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaftsvertreter sowie bestimmte Verbraucherorganisationen in diese Überlegungen eingebunden werden müssten. Eine Vorbildfunktion sollten ferner die lokalen Gebietskörperschaften haben, die konkrete Maßnahmen ins Leben gerufen haben und beispielsweise Neuankömmlinge im Hinblick auf ihre Integration in den gängigsten Sprachen der neuen Einwanderer empfangen.

    3.11

    Ein weiterer Bereich der Wirtschaft, der in der Mitteilung vertieft werden sollte, betrifft die Bedürfnisse und Motivationen der Arbeitnehmer in der Ausübung ihres Berufes oder innerhalb der Beratungsinstanzen, beispielsweise der europäischen Betriebsräte. Der Ausschuss hält es für bedauerlich, dass durch die Mitteilung harmonisierte Programme empfohlen werden könnten, in denen diesen besonderen Bedürfnissen nicht Rechnung getragen wird. In einer Mitteilung dieser Tragweite sollten unter voller Berücksichtigung des sozialen Dialogs und der Grundrechte (6) Themen vorgeschlagen werden, die den Unternehmen und Beschäftigten Perspektiven und Mittel an die Hand geben, um die wichtigsten Träger dieser auf Wissen basierenden, weltweit wettbewerbsfähigsten Wirtschaft zu sein.

    3.12

    Der Ausschuss erkennt die Einzigartigkeit Europas im Hinblick auf die Mehrsprachigkeit an. (7) Europa ist in dieser Hinsicht kein Einzelfall, es gibt andere Kontinente, Staaten oder politische Gebilde, in denen eine Vielzahl von verschiedenen Sprachen gesprochen wird.

    4.   Spezifische Bemerkungen

    4.1

    Die Debatten sowie die europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarats (8) dürfen nicht den Blick auf andere wichtige Bereiche versperren, z.B.:

    a)

    Der Status der Sprachen. Eine Sprache kann Folgendes sein: Amtssprache, Arbeitssprache, Gemeinschaftssprache, Minderheitensprache, dominierende Sprache, Sprache des kulturellen Austausches, der Wissenschaft oder des Handels, Behördensprache, Diplomatensprache, Umgangssprache, berufsspezifische Sprache (Gesundheit, Lehre, Bausektor, Industrie, Mode etc.). Die Achtung der Sprachenvielfalt, für die die Europäische Union plädiert und eintritt, setzt voraus, dass mehrere und angemessene Lösungen für diese Vielfalt von Situationen und Bedürfnissen in Auge gefasst werden. Ein einheitlicher Lösungsvorschlag, der versuchen würde, die Sprachenproblematik auf eine Logik „Ausbildung — Arbeitsmarktchancen — Beschäftigung“ oder „Sprachtechnologien — Markt für neue Produkte — Binnenmarkt“ zu reduzieren, würde nicht das Ziel erreichen, dass alle EU-BürgerInnen neben ihrer Muttersprache zwei Fremdsprachen sprechen, sondern könnte kontraproduktiv wirken und die Zahl der tatsächlich im europäischen Kulturraum bekannten oder gesprochenen Sprachen reduzieren. Der Ausschuss empfiehlt, jegliche berufliche, kulturelle, politische, wissenschaftliche und sonstige Benutzung im jeweiligen Anwendungsbereich zuzulassen und zu fördern, und befürwortet die in der Zivilgesellschaft ergriffenen zahlreichen Bürgerinitiativen. Durch jede in den ursprünglichen Sprachen erlaubte und geförderte schriftliche oder mündliche Mitteilung wird der öffentliche Raum der Freiheiten vergrößert, ohne dass sie unbedingt übersetzt oder verdolmetscht werden müssen. Die Frage der Zahl der benutzten Sprachen ist also nicht den Kosten für ihre Übersetzung bzw. Verdolmetschung oder ihre Unterrichtung untergeordnet.

    b)

    Die Beherrschung einer oder mehrerer Fremdsprachen ist mit einer gewissen sozialen Macht verbunden. Der Zugang zu den Finanzmitteln für mehrsprachigen Unterricht und ihre Zuweisung bestimmen in gewissem Maße die soziale Ausgrenzung oder Integration und die materielle oder kulturelle Armut, da die Kenntnis einer Sprache nicht nur Zugang zu sozialen und wirtschaftlichen, sondern vor allem kulturellen und solidarischen Netzen verschafft. Die Zugehörigkeit zu einem Netz trägt zu einer höheren persönlichen Unabhängigkeit bei und ist gleichzeitig ein Faktor für die Integration in die heutige Gesellschaft. Wenn nicht ab sofort dieses Ziel der Mehrsprachigkeit auf allen relevanten Ebenen der Gesellschaft, einschließlich der gefährdeten oder benachteiligten Gruppen, sichergestellt wird, würden bestimmte Bevölkerungsgruppen ausgeschlossen.

    c)

    Demokratie: Der Ausschuss unterstützt das Ziel, dass alle Bürger neben ihrer Muttersprache zwei Fremdsprachen sprechen können, aber wie viele BürgerInnen haben heute wirklich Aussichten darauf, es noch zu Lebzeiten zu verwirklichen? Was die berufliche, politische und wirtschaftliche „Elite“ der heutigen Erwachsenengeneration anbelangt, wird dieses Ziel im Rahmen des Aktionsplans 2004-2006 zur Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt sowie des Programms Kultur 2007-2013  (9) sowohl für die europäischen als auch für die einzelstaatlichen Institutionen schon schwer zu erreichen sein, wird aber an der ehrgeizigen Zielgruppe „alle BürgerInnen“ festgehalten, wird es nach Dafürhalten des Ausschusses ein äußerst umfangreiches Unterfangen. Es ist beispielsweise bekannt, welche Sprache sich als erste Fremdsprache durchgesetzt hat. Seltenere oder weniger geläufige Sprachen (10) haben weniger Sprecher, da sie erst später in den höheren Schulklassen oder an Universitäten gelehrt werden. Der Ausschuss unterstützt daher die Empfehlung, Kindern schon sehr frühzeitig die Möglichkeit zum Erwerb einer Fremdsprache zu geben, unter der Voraussetzung, dass bei der Sprachenwahl in globalen Zusammenhängen gedacht wird, die den Hauptgegenstand der Mitteilung bilden sollten. Es geht um die Zukunft und die gesellschaftlichen Grundlagen der kommenden Generationen;

    d)

    Der Erhalt der Sprachen als europäisches sprachliches Erbe: Möglichst viele Bürger dazu zu bewegen, eine zweite oder dritte Sprache zu erlernen, ist nicht dasselbe wie für den Fortbestand möglichst vieler europäischer Sprachen in Europa oder auf der ganzen Welt zu sorgen. Diese beiden Ziele widersprechen sich nicht, aber sie setzen unterschiedliche Herangehensweisen und Umsetzungsformen voraus. Unter diesem besonderen Gesichtspunkt sollte die Kommission bei ihrer Initiative zur Rechtsetzung, die darauf abzielt, den Gebrauch von Sprachen und die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien aufeinander abzustimmen, die Gefahr der Verarmung nicht aus dem Auge verlieren, wenn die Anstrengungen in diesem besonderen Bereich ungleich verteilt würden (11). Der Ausschuss empfiehlt, als Sachverständige nicht nur Fachleute aus sozialen und wissenschaftlichen Fächern, sondern auch Sprachpraktiker, Dolmetscher, Übersetzer sowie Sprachlehrer und Sprachenspezialisten hinzuzuziehen. Die oben erwähnten Erklärungen und Konventionen der UNESCO weisen beispielsweise deutlich darauf hin, dass im Verhältnis zur weltweiten Sprachenvielfalt nur eine unzureichende Anzahl an Sprachen im Internet vertreten ist und sich diese eingeschränkte Verwendung auf die Qualität und Anzahl der noch existierenden Sprachen auswirkt;

    e)

    Die Erhaltung von Minderheiten-, Regional- und Lokalsprachen in Europa sollte nicht nur an den Kosten für ihre Unterrichtung gemessen werden. Wie mittlerweile in zahlreichen Fachveröffentlichungen anerkannt wird, werden dank der geistigen Flexibilität, die schon kleine Kinder durch die Vermittlung einer Zweitsprache erlangen, nicht nur kognitive Fähigkeiten entwickelt, die für das spätere Lernen nützlich sind, sondern es wird dadurch auch ein Einstieg in verwandte Sprachen erleichtert. Daher reicht es langfristig betrachtet nicht aus, für die Erhaltung des sprachlichen Erbes zu sorgen, indem es bereits im jüngsten Kindesalter weitergegeben oder im Privatleben und in der Öffentlichkeit rehabilitiert wird, sondern es muss auch berücksichtigt werden, dass eine Sprache, die lebendig bleiben soll, gesprochen werden und ein Umfeld aufweisen muss, durch das ihre öffentliche und damit soziale Existenz gefördert wird, denn es nützt nichts, in der Primarstufe Sprachen zu lernen, wenn sie aufgrund mangelnder Kontinuität des Bildungsangebots in der Sekundarstufe wieder aufgegeben werden (12). Die Bildungssysteme können der wirtschaftlichen Dynamik Rechnung tragen, wenn die erforderlichen Querverbindungen zu anderen Sprachen hergestellt werden und das Erlernen einer Minderheiten- oder Regionalsprache im weiteren Verlauf der schulischen Ausbildung als Grundlage für eine zweite Fremdsprache dienen kann. In diesem Zusammenhang ist das Studium der Sprachenverwandtschaft genauso wichtig wie die zahlenmäßige Erfassung der gesprochenen Sprachen (13).

    f)

    Bürgernähe: bedeutet nicht nur, dass man im Internet amtliche oder institutionelle Texte zugänglich macht, sondern auch, dass die europäischen Bürger in die Lage versetzt werden, ihre jeweiligen Nachbarn jenseits der Grenze und deren Sprache besser kennen zu lernen und sich in ihr zu unterhalten. Die Sprache ist ein Kommunikationsmittel, aber auch ein Abbild der Welt. In dieser Hinsicht steht sie neben anderen Ausdrucksformen wie Malerei, Musik, Grafik, Mimik und Tanz, darstellende Kunst etc. Den Bürgern soll ein Kennenlernen und ein Austausch in ihren Sprachen ermöglicht werden, wobei die Kulturen und Identitäten zu achten sind, die die europäische Identität (oder europäische Werte) ausmachen. Der EWSA betont die vom Ausschuss der Regionen erwähnte positive Rolle des Austauschs und der Städtepartnerschaften (14) und unterstreicht, dass, wie die Strategie auch lauten mag, im Bereich des Sprachenlernens die Nachfrage genauso notwendig ist wie das Angebot. Auch sollte die Motivation, Sprachen zu erlernen, auch aus anderen Aspekten als nur unter dem Gesichtspunkt des Nutzens (Wirtschaft und Beschäftigung) betrachtet werden;

    g)

    Die Bedürfnisse im Bereich Zusammenhalt und europäische Identität beziehen sich nicht nur auf den Handel oder die Identität. Menschen unterschiedlicher geographischer, sozialer und kultureller Herkunft mit teils gemeinsamer, teils unterschiedlicher Entwicklung verspüren ein reales Verständigungsbedürfnis. Es fehlt eine Folgenabschätzung, in der auch nebensächlichere Aspekte berücksichtigt werden, die langfristig von Bedeutung sein können. Die für Angebot und Nachfrage auf dem Gebiet der Sprachenausbildung erforderliche Zeit zählt nach Jahren und Generationen;

    Ganz allgemein ist in der Mitteilung das Engagement der Kommission zeitlich nicht strukturiert: frühere und künftige, kurz- oder mittelfristige Maßnahmen, Verpflichtungen gegenüber den kommenden Generationen.

    Gleiches gilt für die humanitären und kulturellen Aspekte, für Asyl- und Einwanderungsfragen, für die Bedürfnisse und die Rolle der Gebietskörperschaften in diesem Bereich sowie für wirtschaftliche und soziale Fragestellungen. Die Wirtschafts- und Sozialpartner (UNICE, CEEP, EGB) sowie NGO, die auf dem Gebiet der Menschenrechte, der sozialen und kulturellen Rechte tätig sind, sowie Universitäten und Verwaltungen sollten gleichberechtigt gehört werden, das heißt, nicht um eine nicht ohne sie, sondern mit und von ihnen festgelegte Strategie umzusetzen. Dies wäre die beste Garantie für die umfassende Berücksichtigung, die für die erfolgreiche Verwirklichung dieser ehrgeizigen Ziele erforderlich ist. Die Umsetzung und der Erfolg der „1+2“-Strategie des Rates (15) erfordern Mittel, die über den institutionellen Rahmen hinausgehen und voraussetzen, dass möglichst viele Bürger und Einwohner der Europäischen Union mitwirken, sich betroffen und gefordert fühlen.

    Der Ausschuss befürwortet den Aktionsrahmen zur Förderung des Sprachunterrichts und des Erlernens von Sprachen und merkt an, dass sein Erfolg von dem Zuspruch abhängen wird, den er bei den in erster Linie betroffenen Personen, d.h. den Lehrern und den Lernenden, findet.

    Bevor sie neue Maßnahmen ergreifen, sollten die Kommission und der Rat daher zunächst ihre Strategie konsolidieren, indem sie die Öffentlichkeit und die Jugendlichen besser über die genauen Gründe unterrichten, aus denen sie sich für diese besondere Diversifizierung entschieden haben, anstatt den Gebrauch einer einzigen gemeinsamen Sprache zu fördern, sei es eine lebende oder alte, moderne oder künstliche Sprache.

    Die tieferen Beweggründe lassen sich folgendermaßen kurz und schematisch umreißen:

    Die Förderung des Gebrauchs und der Verbreitung einer einzigen, hegemonialen lebenden Sprache verschafft dem wichtigsten Herkunftsland ungerechte wirtschaftliche Vorteile und kann zu einer Beschneidung der kulturellen Rechte und des Weltkulturguts führen.

    Die Kosten für das Erlernen und die allgemeine Verbreitung einer wissenschaftlich und künstlich geplanten europäischen Sprache wie Esperanto fielen geringer aus (Lerndauer und Umsetzung des Vorhandenen) (16) als bei einer existierenden lebenden Sprache, doch sind in der Europäischen Union auch in diesem Jahrhundert noch nicht die nötigen politischen und kulturellen Voraussetzungen vorhanden (17).

    Sollen hingegen im geographischen und politischen Raum Europas mehr Sprachen bekannt sein und gesprochen werden, so müssen mehr Menschen eine zweite Sprache lernen und sprechen.

    Aus diesem Grund empfiehlt der Ausschuss, die heutigen Generationen junger und weniger junger Erwachsener im Rahmen dieser Ziele mit Hilfe des lebenslangen Lernens und durch die Achtung ihrer kulturellen Rechte angemessen und stärker zu berücksichtigen, wenn die Kommission mit der Programmphase beginnt.

    Die Jugendlichen sollten dafür sensibilisiert und dazu motiviert werden, sich für die Berufe des 21. Jahrhunderts im Bereich der Kommunikation mit mehreren Sprachen (18) auszurüsten. Die Berufe, die professionelle und gründliche Sprachkenntnisse erfordern (Linguisten, Dolmetscher, Übersetzer und Lehrer) sollten größere Wertschätzung erfahren, wobei ein erstes sicheres Mittel, dies zu erreichen, darin besteht, ihre soziale Rolle anzuerkennen und die diese Berufe Ausübenden dabei einzubinden.

    Das von der Kommission empfohlene frühzeitige Lernen erfordert — wie sie im Übrigen einräumt — Mittel und entsprechend geschultes Personal, aber auch die Befürwortung des vorgeschlagenen Ansatzes durch die Eltern bei der Diversifizierung der Wahlmöglichkeiten.

    Der Ausschuss erkennt außerdem die Rolle der Familie bei der Erleichterung des frühzeitigen Erlernens als positiv an und unterstreicht den kulturellen Beitrag, den Familien mit „gemischten“ Kulturen leisten, wie beispielsweise Familien mit Eltern aus verschiedenen Ländern. Diese Familien pflegen in der Regel über Generationen hinweg eine Kultur der Offenheit und Toleranz, wie mehrere europäische und kanadische Studien bestätigen.

    h)

    Das Kapitel Übersetzer und Dolmetscher: Der Ausschuss betont, dass die Bedürfnisse nicht nur institutioneller, beruflicher oder wirtschaftlicher Art sind und dass auch weitere teilnehmende Gesprächspartner gehört werden müssen. Die sozialen und kulturellen Bedürfnisse sollten in zweierlei Hinsicht berücksichtigt werden, im Hinblick auf die Menschenrechte und die Vollendung des Binnenmarktes.

    Wenn beispielsweise überall davon die Rede ist, dass es im Bereich Übersetzen und Dolmetschen teils wegen des Mangels an Übersetzern und Dolmetschern, teils aus finanziellen Gründen zu Engpässen komme, schlägt der Ausschuss vor, über die Verantwortung der Mitgliedstaaten und der EU nachzudenken: Ausbildung in unzureichender Zahl, Diversifizierung der Sprachen, Ausbildungskosten, Löhne und berufliche Stellung. Der Ausschuss verweist auf alle weiter oben angesprochenen Aspekte und fügt hinzu, dass dieser Bereich nicht der einzige ist, in dem ein Fachkräftemangel herrscht und dass die niedrige Geburtenziffer nicht der Grund für jeden Mangel sein kann. Das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in diesem Bereich des Arbeitsmarktes ist im Vorfeld sicher nicht richtig eingeschätzt worden, obwohl der europäische Integrationsprozess, die schrittweisen Erweiterungen sowie die Globalisierung des Handels Gelegenheit geboten hätten, Lehren aus den Erfahrungen der Vergangenheit zu ziehen.

    Zusammengefasst empfiehlt der Ausschuss, dass sich die Mitgliedstaaten aktiv an der Vorausplanung in diesem Bereich beteiligen, und unterstützt die Kommission in diesem Punkt.

    4.2

    Nach Ansicht des Ausschusses sollte die Kommission Kenntnisse über die bisherige Sprachenpolitik der Mitgliedstaaten auswerten, damit sie die Maßnahmen einschätzen kann, die sie den Mitgliedstaaten vorgibt.

    4.3

    Der Ausschuss nimmt die Bemühungen der Kommission zur Kenntnis, begrüßt den innovativ angelegten Ansatz, befürwortet die Sprachenvielfalt als ein Aspekt des kulturellen, sozialen und politischen Pluralismus und ist sich der Gefahr des kontraproduktiven Ergebnisses einer weiteren Institutionalisierung des Gebrauchs einer reduzierten Anzahl von Sprachen bewusst. Der Ausschuss erwartet, dass die angekündigte Mitteilung zu diesem Thema auf einer umfassenderen Konsultation der Zivilgesellschaft beruht.

    4.4

    Der Ausschuss befürwortet die Initiative der Kommission, die Forschungsarbeiten der Hochschulen im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms stärker zu unterstützen, und empfiehlt, dabei nicht nur die akademischen Arbeiten zu berücksichtigen, sondern auch die Maßnahmen der Netze der in diesem Bereich aktiven Verbände (19).

    Im Anhang der vorliegenden Stellungnahme gibt der Ausschuss die Arbeiten der im November 2005 von Verbänden der organisierten Zivilgesellschaft (20) veranstalteten „Europäischen Konferenz über Mehrsprachigkeit“ wieder, an denen auch das Forum der Kulturinstitute (21) mitgewirkt hat. Im Ergebnis dieser Konferenz wurde eine „Charta der Mehrsprachigkeit“ erarbeitet, die auf der Website des Verbandes ASEDIFRES, der beabsichtigt, sie den Abgeordneten des Europäischen Parlaments und institutionellen Vertretern zu unterbreiten, zur Diskussion gestellt wird. Der Ausschuss befürwortet und fördert in seiner Eigenschaft als „Brücke zwischen der Zivilgesellschaft und den Institutionen“ derartiger Initiativen als bewährte Praktik.

    Brüssel, den 26. Oktober 2006

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  KOM(2002) 72, KOM(2003) 449, KOM(2005) 24 vom 2.2.2005, 2005/29/EG, KOM(2005) 356, KOM(2005) 229 und 465.

    (2)  Protokoll über die Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission und dem Wirtschafts- und Sozialausschuss (November 2005).

    (3)  Anm. 2, 12, 17, 19, 24, 25, 26, 30, 31, 32, 37 etc. der Mitteilung KOM(2005) 596.

    (4)  Allgemeine Erklärung der Unesco zur kulturellen Vielfalt vom 2. November 2001, Konvention zum Schutz und zur Förderung kultureller Ausdrucksformen vom 10. Dezember 2005, die an die notwendige sprachliche Vielfalt sowie an die Ausdrucksformen zur Umsetzung der Vielfalt und des kulturellen Pluralismus als unveräußerliche, unverzichtbare und miteinander verbundene Grundrechte erinnern. Ferner muss die Allgemeine Erklärung der Sprachenrechte erwähnt werden, die auf der Weltkonferenz der Sprachenrechte (6.-8. Juni 1996) in Barcelona proklamiert und von 66 nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen sowie Juristenverbänden unterzeichnet wurde.

    (5)  Stellungnahme des AdR, CdR 33/2006, verabschiedet auf der 65. Plenartagung am 14. Juni 2006. Berichterstatter: Seamus MURRAY, Ziffer 1.10.

    (6)  Durch Artikel 21 der Grundrechtscharta der Europäischen Union wird die Diskriminierung aufgrund der Sprache verurteilt. In Artikel 22 heißt es, dass die EU die kulturelle, religiöse und sprachliche Vielfalt respektiert. Es kann bereits auf Gerichtsverfahren verwiesen werden, in denen Arbeitssituationen verhandelt wurden, in denen diese durch die nationale Gesetzgebung garantierten Rechte missachtet werden (General electric medical systems GEMS, Entscheidung des Berufungsgerichts von Versailles, 2. März 2006, Frankreich).

    (7)  Ziffer IV.2 der Mitteilung.

    (8)  Charta der Regional- und Minderheitensprachen vom 5. November 1992, ratifiziert von 21 Mitgliedern des Europarats, darunter 13 EU-Mitgliedstaaten.

    (9)  KOM(2004) 469 endg.

    (10)  „Weniger verbreitete Sprachen“.

    (11)  Les processus de modernisation dans l'enseignement des langues pour adultes (Modernisierungsprozesse im Sprachunterricht für Erwachsene), Doktorarbeit von Judith BARNA, Universität Charles de Gaulle — Lille 3, Frankreich, 2005.

    (12)  Am 14. Dezember 2005 auf der Vollversammlung des Wirtschafts- und Sozialrats von Aquitanien verabschiedete Stellungnahme, Langues et cultures d'Aquitaine (Sprachen und Kulturen von Aquitanien), Berichterstatter: Sèrgi JAVALOYES.

    (13)  Schlussfolgerungen des Rates zu dem Europäischen Indikator für Sprachenkompetenz (ABl. 2006/C 172/01).

    (14)  Vorgenannte Stellungnahme, CdR 33/2006.

    (15)  Eine Muttersprache und zwei lebende Fremdsprachen, Europäischer Rat von Barcelona, 15./16. März 2002, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Teil I, Ziffer 43.

    (16)  L'enseignement des langues étrangères comme politique publique (Fremdsprachenunterricht als öffentliche Politik), François GRIN, 2005.

    (17)  GRIN, 2005, a.a.O., Fußnoten 59 und 84: Alle haben vergessen, dass zu Zeiten des Völkerbunds zahlreiche Staaten die Einführung des Esperanto als internationale Sprache unterstützt haben oder dass die Vollversammlungen der UNESCO 1954 und 1985 Entschließungen verabschiedet haben, die das Esperanto befürworteten. Damals (im September 1922) wurde der Vorgang von Frankreich blockiert, das die Unterrichtung des Esperanto und die Propaganda für diese Sprache als gefährlichen Vektor des Internationalismus und Konkurrent für die Rolle der französischen Sprache in der Welt untersagt hatte. Ebenfalls ist hier die Einführungsvorlesung zum Thema „La Quête d'une langue parfaite dans l'histoire de la culture européenne“ (Die Suche nach einer perfekten Sprache in der Geschichte der europäischen Kultur) von Umberto ECO anzuführen, der 1992 den europäischen Lehrstuhl im Collège de France, Paris, erhielt.

    In diesem Zusammenhang verweist der Ausschuss darauf, dass der Unterricht in den alten, so genannten toten Sprachen nach und nach eingestellt wurde. Über die Frage, welche lingua franca (gemeinsame Sprache) eventuell am besten für die heutige europäische Welt geeignet wäre, hinaus trugen diese Sprachen insofern den Keim für eine erleichterte gegenseitige Verständigung zwischen Europäern in sich, als sie der Ursprung zahlreicher europäischer Sprachen (die sich in die Gruppe der indoeuropäischen und die der finnougrischen Sprachen unterteilen lassen) sind und ihre Kenntnis das rasche Erlernen anderer Sprachen ermöglicht.

    (18)  Für den Begriff Mehrsprachigkeit im Französischen (plurilinguisme und multilinguisme) gibt es mehrere Definitionen. Einige verstehen unter „plurilinguisme“ die Fähigkeit des Einzelnen, mehrere Sprachen zu sprechen, und unter „multilinguisme“ das soziale Umfeld in einem geographischen Gebiet, in dem mehrere Sprachen in Gebrauch sind (Europäische Konferenz über Mehrsprachigkeit, 2005). Andere wiederum definieren die beiden Begriffe genau umgekehrt (GRIN, 2005). In den Augen der Kommission deckt der Begriff „multilinguisme“ beide Aspekte ab, sowohl die Fähigkeiten des Einzelnen als auch das gemeinsame Umfeld.

    (19)  Wie zum Beispiel: Linguamón, Casa de les llengües, Projekt „Haus der gefährdeten Sprachen“, linguamon@linguamon.cat, das assoziative Netz Babel freiwilliger Dolmetscher und Übersetzer, die an den internationalen und regionalen Sozialforen mitwirken, oder der Verband ASEDIFRES, www.europe-avenir.com, Mitveranstalter der „Europäischen Konferenz über Mehrsprachigkeit“ im November 2005.

    (20)  Die Teilnehmerliste, die Ergebnisse und die vollständigen Berichte über die Arbeiten können von der in Fußnote 21 genannten Website abgerufen werden.

    (21)  Mitglieder dieses Forums sind: die Alliance française, das schwedische Kulturzentrum, das italienische Sprachen- und Kulturzentrum, das Institut der Universität London in Paris, das Institut Camões, das Institut Cervantes, das finnische Institut, das Goethe-Institut, das ungarische Institut und das niederländische Institut,

    http://www.forumdeslangues.net.


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