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Document 32008L0062

Richtlinie 2008/62/EG der Kommission vom 20. Juni 2008 mit Ausnahmeregelungen für die Zulassung von Landsorten und anderen Sorten, die an die natürlichen örtlichen und regionalen Gegebenheiten angepasst und von genetischer Erosion bedroht sind, sowie für das Inverkehrbringen von Saatgut bzw. Pflanzkartoffeln dieser Sorten (Text von Bedeutung für den EWR)

ABl. L 162 vom 21.6.2008, p. 13–19 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Dieses Dokument wurde in einer Sonderausgabe veröffentlicht. (HR)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dir/2008/62/oj

21.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 162/13


RICHTLINIE 2008/62/EG DER KOMMISSION

vom 20. Juni 2008

mit Ausnahmeregelungen für die Zulassung von Landsorten und anderen Sorten, die an die natürlichen örtlichen und regionalen Gegebenheiten angepasst und von genetischer Erosion bedroht sind, sowie für das Inverkehrbringen von Saatgut bzw. Pflanzkartoffeln dieser Sorten

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf die Richtlinie 66/401/EWG des Rates vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Futterpflanzensaatgut (1), insbesondere auf Artikel 22a Absatz 1 Buchstabe b,

gestützt auf die Richtlinie 66/402/EWG des Rates vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Getreidesaatgut (2), insbesondere auf Artikel 22a Absatz 1 Buchstabe b,

gestützt auf die Richtlinie 2002/53/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten (3), insbesondere auf Artikel 4 Absatz 6, Artikel 20 Absatz 2 und Artikel 21,

gestützt auf die Richtlinie 2002/54/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über den Verkehr mit Betarübensaatgut (4), insbesondere auf Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe b,

gestützt auf die Richtlinie 2002/56/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über den Verkehr mit Pflanzkartoffeln (5), insbesondere auf Artikel 10 Absatz 1 und Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe b,

gestützt auf die Richtlinie 2002/57/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über den Verkehr mit Saatgut von Öl- und Faserpflanzen (6), insbesondere auf Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe b,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Fragen der Biodiversität und der Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, wie verschiedene Entwicklungen auf internationaler und auf Gemeinschaftsebene zeigen. Als Beispiele seien genannt: der Beschluss 93/626/EWG des Rates vom 25. Oktober 1993 über den Abschluss des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (7), der Beschluss 2004/869/EG des Rates vom 24. Februar 2004 über den Abschluss des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft im Namen der Europäischen Gemeinschaft (8), die Verordnung (EG) Nr. 870/2004 des Rates vom 24. April 2004 über ein Gemeinschaftsprogramm zur Erhaltung, Charakterisierung, Sammlung und Nutzung genetischer Ressourcen in der Landwirtschaft und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1467/94 (9) und die Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (10). Im Rahmen der Gemeinschaftsvorschriften über das Inverkehrbringen von Saatgut landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (Richtlinien 66/401/EWG, 66/402/EWG, 2002/53/EG, 2002/54/EG, 2002/56/EG und 2002/57/EG) sollten besondere Bedingungen festgelegt werden, um diesen Fragen Rechnung zu tragen.

(2)

Im Hinblick auf die In-situ-Erhaltung und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen sollten Landsorten und andere Sorten, die an natürliche örtliche und regionale Gegebenheiten angepasst und von genetischer Erosion bedroht sind („Erhaltungssorten“), angebaut und in den Verkehr gebracht werden, selbst wenn sie nicht die allgemeinen Anforderungen für die Zulassung von Sorten und das Inverkehrbringen von Saatgut bzw. Pflanzkartoffeln erfüllen. Um dieses Ziel zu verwirklichen, ist es notwendig, Ausnahmeregelungen für die Zulassung von Erhaltungssorten zur Aufnahme in die nationalen Sortenkataloge für landwirtschaftliche Pflanzenarten sowie zur Erzeugung und für das Inverkehrbringen von Saatgut bzw. Pflanzkartoffeln dieser Sorten vorzusehen.

(3)

Diese Ausnahmen sollten sich auf die grundlegenden Anforderungen für die Zulassung einer Sorte und die formalen Anforderungen gemäß der Richtlinie 2003/90/EG der Kommission vom 6. Oktober 2003 mit Durchführungsbestimmungen zu Artikel 7 der Richtlinie 2002/53/EG des Rates hinsichtlich der Merkmale, auf welche sich die Prüfungen mindestens zu erstrecken haben, und der Mindestanforderungen für die Prüfung bestimmter Sorten landwirtschaftlicher Pflanzenarten (11) beziehen.

(4)

Den Mitgliedstaaten sollte es insbesondere erlaubt sein, eigene Vorschriften in Bezug auf Unterscheidbarkeit, Beständigkeit und Homogenität zu erlassen. Diese Vorschriften sollten sich — hinsichtlich der Unterscheidbarkeit und Beständigkeit — mindestens auf die Merkmale stützen, die in dem vom Antragsteller in Verbindung mit dem Antrag auf die Zulassung von Sorten gemäß den Anhängen I und II der Richtlinie 2003/90/EG auszufüllenden technischen Fragebogen enthalten sind. Bei der Feststellung der Homogenität anhand von „Abweichern“ (Off-Types) sollten sich die Vorschriften auf festgelegte Normen stützen.

(5)

Es sollten formale Anforderungen vorgesehen werden, nach denen eine Sorte ohne amtliche Prüfung zugelassen werden kann. Zudem ist es notwendig, hinsichtlich der Bezeichnung gewisse Abweichungen von den Anforderungen der Richtlinie 2002/53/EG und der Verordnung (EG) Nr. 930/2000 der Kommission vom 4. Mai 2000 mit Durchführungsbestimmungen über die Eignung von Sortenbezeichnungen für landwirtschaftliche Pflanzenarten und für Gemüsearten (12) vorzusehen.

(6)

Was die Erzeugung und das Inverkehrbringen von Saatgut und Pflanzkartoffeln von Erhaltungssorten anbelangt, so sollte eine Abweichung in Bezug auf die amtliche Zertifizierung vorgesehen werden.

(7)

Um zu gewährleisten, dass das Inverkehrbringen von Saatgut und Pflanzkartoffeln von Erhaltungssorten im Kontext der Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen erfolgt, sollten Beschränkungen vorgesehen werden, insbesondere in Bezug auf die Ursprungsregion. Um zur In-situ-Erhaltung und nachhaltigen Nutzung dieser Sorten beizutragen, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, zusätzliche Regionen zuzulassen, in denen höhere Mengen von Saatgut, als zur Erhaltung der betreffenden Sorte in der Ursprungsregion erforderlich, in den Verkehr gebracht werden dürfen, sofern diese zusätzlichen Regionen hinsichtlich der natürlichen und naturnahen Lebensräume vergleichbar sind. Um die Verbindung zur Ursprungsregion aufrechtzuerhalten, sollte dies nicht gelten, wenn ein Mitgliedstaat zusätzliche Erzeugerregionen zugelassen hat.

(8)

Für jede Erhaltungssorte innerhalb einer Pflanzenart sollten Höchstmengen für das Inverkehrbringen festgelegt werden sowie eine Gesamtmenge für alle Erhaltungssorten der betreffenden Art zusammengenommen. Um sicherzustellen, dass diese Mengen eingehalten werden, sollten die Mitgliedstaaten die Erzeuger dazu verpflichten, die Mengen der Erhaltungssorten, die sie erzeugen wollen, zu melden, und Mengenzuweisungen an die Erzeuger vornehmen.

(9)

Die Rückverfolgbarkeit von Saatgut und Pflanzkartoffeln sollte durch geeignete Verschließungs- und Etikettierungsanforderungen sichergestellt werden.

(10)

Um für die ordnungsgemäße Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften zu sorgen, sollten Feldbestände überwacht, Saatgut geprüft und amtliche Nachkontrollen durchgeführt werden. Die Mengen des in den Verkehr gebrachten Saatguts von Erhaltungssorten sollten von den Lieferanten an die Mitgliedstaaten und von den Mitgliedstaaten an die Kommission gemeldet werden.

(11)

Nach drei Jahren sollte die Kommission prüfen, ob die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, insbesondere die Bestimmungen über Mengenbeschränkungen, wirksam sind.

(12)

Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für das landwirtschaftliche, gartenbauliche und forstliche Saat- und Pflanzgutwesen —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

KAPITEL I

GEGENSTAND UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Artikel 1

Gegenstand

(1)   Mit dieser Richtlinie werden für die von den Richtlinien 66/401/EWG, 66/402/EWG, 2002/54/EG, 2002/56/EG und 2002/57/EG abgedeckten landwirtschaftlichen Pflanzenarten gewisse Ausnahmeregelungen in Bezug auf die In-situ-Erhaltung und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen durch Anbau und Inverkehrbringen geschaffen, und zwar:

a)

für die Zulassung zur Aufnahme von Landsorten und anderen Sorten, die an die natürlichen örtlichen und regionalen Gegebenheiten angepasst und von genetischer Erosion bedroht sind, in die nationalen Sortenkataloge für landwirtschaftliche Pflanzenarten gemäß der Richtlinie 2002/53/EG;

b)

für das Inverkehrbringen von Saatgut bzw. Pflanzkartoffeln dieser Sorten.

(2)   Sofern in dieser Richtlinie nicht anders bestimmt, gelten die Richtlinien 66/401/EWG, 66/402/EWG, 2002/53/EG, 2002/54/EG, 2002/56/EG und 2002/57/EG.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a)

„In-situ-Erhaltung“: die Erhaltung von genetischem Material in seiner natürlichen Umgebung und — im Falle von Kulturpflanzenarten — in der landwirtschaftlich genutzten Umgebung, in der sie ihre besonderen Eigenschaften entwickelt haben;

b)

„genetische Erosion“: allmählicher Verlust der genetischen Vielfalt zwischen und innerhalb von Populationen oder Sorten derselben Arten oder Einschränkung der genetischen Grundlage einer Art aufgrund menschlichen Eingreifens oder von Veränderungen der Umwelt;

c)

„Landsorte“: eine Reihe von Populationen oder Klonen einer Pflanzenart, die an die natürlichen Umweltbedingungen ihrer Region angepasst sind;

d)

„Saatgut“: Saatgut und Pflanzkartoffeln, sofern Pflanzkartoffeln nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind.

KAPITEL II

ZULASSUNG VON ERHALTUNGSSORTEN

Artikel 3

Erhaltungssorte

Die Mitgliedstaaten können Landsorten und andere Sorten gemäß Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a in den nationalen Sortenkatalogen für landwirtschaftliche Pflanzenarten zulassen, sofern sie die in den Artikeln 4 und 5 genannten Anforderungen erfüllen. Derartige Sorten sind in dem gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten als „Erhaltungssorten“ zu bezeichnen.

Artikel 4

Grundlegende Anforderungen

(1)   Damit eine Landsorte oder andere Sorte gemäß Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a als Erhaltungssorte zugelassen werden kann, muss sie hinsichtlich der Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen von Interesse sein.

(2)   Abweichend von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 2003/90/EG können die Mitgliedstaaten eigene Vorschriften in Bezug auf Unterscheidbarkeit, Beständigkeit und Homogenität der Erhaltungssorten erlassen.

In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass — hinsichtlich der Unterscheidbarkeit und Beständigkeit — mindestens die in den folgenden Unterlagen genannten Merkmale gelten:

a)

technische Fragebögen zu den in Anhang I der Richtlinie 2003/90/EG für die jeweiligen Arten aufgeführten Testprotokollen des Gemeinschaftlichen Sortenamts (CPVO) oder

b)

technische Fragebögen zu den in Anhang II der Richtlinie 2003/90/EG für die jeweiligen Arten aufgeführten Richtlinien des Internationalen Verbands zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV).

Für die Beurteilung der Homogenität gilt die Richtlinie 2003/90/EG.

Wird jedoch das Homogenitätsniveau auf der Grundlage von „Abweichern“ (Off-Types) ermittelt, so gilt ein Populationsstandard von 10 % und eine Akzeptanzwahrscheinlichkeit von mindestens 90 %.

Artikel 5

Formale Anforderungen

Abweichend von Artikel 7 Absatz 1 erster Satz der Richtlinie 2002/53/EG wird keine amtliche Prüfung verlangt, wenn die folgenden Informationen für eine Entscheidung über die Zulassung der Erhaltungssorten ausreichen:

a)

Beschreibung der Erhaltungssorte und ihre Bezeichnung;

b)

Ergebnisse nichtamtlicher Prüfungen;

c)

Erkenntnisse, die aufgrund praktischer Erfahrungen bei Anbau, Vermehrung und Nutzung gewonnen wurden, wie sie dem betreffenden Mitgliedstaat vom Antragsteller mitgeteilt wurden;

d)

sonstige Informationen, insbesondere von Seiten der für pflanzengenetische Ressourcen zuständigen Behörden oder anderer einschlägiger von den Mitgliedstaaten anerkannter Organisationen.

Artikel 6

Zulassungsausschluss

Eine Erhaltungssorte wird nicht zur Aufnahme in die nationalen Sortenkataloge zugelassen,

a)

wenn sie bereits im gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten als Sorte und nicht als „Erhaltungssorte“ aufgeführt ist oder wenn sie in den letzten zwei Jahren bzw. in den zwei Jahren nach Ablauf des Zeitraums gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Richtlinie 2002/53/EG aus dem gemeinsamen Katalog gestrichen wurde oder

b)

wenn sie durch ein gemeinschaftliches Sortenschutzrecht gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates (13) oder durch ein nationales Sortenschutzrecht geschützt ist oder ein entsprechender Antrag gestellt wurde.

Artikel 7

Bezeichnung

(1)   Hinsichtlich der Bezeichnungen von Erhaltungssorten, die vor dem 25. Mai 2000 bekannt waren, können die Mitgliedstaaten Abweichungen von der Verordnung (EG) Nr. 930/2000 erlauben, sofern solche Abweichungen ältere gemäß Artikel 2 der genannten Verordnung geschützte Rechte eines Dritten unangetastet lassen.

(2)   Unbeschadet von Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2002/53/EG können die Mitgliedstaaten mehr als eine Bezeichnung für eine Sorte zulassen, wenn die betreffenden Bezeichnungen traditionell bekannt sind.

Artikel 8

Ursprungsregion

(1)   Wenn ein Mitgliedstaat eine Erhaltungssorte zulässt, ermittelt er die Region bzw. die Regionen, in der bzw. in denen diese Sorte traditionell angebaut wird und an deren natürliche Gegebenheiten sie angepasst ist (im Folgenden „Ursprungsregion“). Hierbei berücksichtigt er Informationen von Seiten der für pflanzengenetische Ressourcen zuständigen Behörden oder anderer einschlägiger von den Mitgliedstaaten anerkannter Organisationen.

Wenn die Ursprungsregion in mehr als einem Mitgliedstaat liegt, ist sie von allen betroffenen Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen zu ermitteln.

(2)   Der Mitgliedstaat bzw. die Mitgliedstaaten, der/die die Ermittlung der Ursprungsregion vornimmt/vornehmen, meldet/melden der Kommission die betreffende Region.

Artikel 9

Sicherung des Fortbestands

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Erhaltungszüchtung einer Erhaltungssorte in ihrer Ursprungsregion gesichert wird.

KAPITEL III

ERZEUGUNG UND INVERKEHRBRINGEN VON SAATGUT

Artikel 10

Zertifizierung

(1)   Abweichend von den Zertifizierungsanforderungen gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 66/401/EWG, Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 66/402/EWG, Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2002/54/EG, Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2002/56/EG und Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2002/57/EG können die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von Saatgut einer Erhaltungssorte erlauben, wenn es den Bestimmungen der Absätze 2, 3 und 4 dieses Artikels entspricht.

(2)   Das Saatgut muss von Saatgut abstammen, das nach den Regeln systematischer Erhaltungszüchtung erzeugt wurde.

(3)   Das Saatgut — ausgenommen Saatgut von Oryza sativa — muss die Zertifizierungsanforderungen für zertifiziertes Saatgut gemäß den Richtlinien 66/401/EWG, 66/402/EWG, 2002/54/EG, 2002/56/EG und 2002/57/EG erfüllen, mit Ausnahme der Mindestanforderungen in Bezug auf die Sortenreinheit und der Anforderungen in Bezug auf die amtliche Prüfung bzw. amtlich überwachte Prüfung.

Das Saatgut von Oryza sativa muss die Zertifizierungsanforderungen für „zertifiziertes Saatgut der zweiten Vermehrung“ gemäß der Richtlinie 66/402/EWG erfüllen, mit Ausnahme der Mindestanforderungen in Bezug auf die Sortenreinheit und der Anforderungen in Bezug auf die amtliche Prüfung bzw. amtlich überwachte Prüfung.

Das Saatgut muss eine ausreichende Sortenreinheit aufweisen.

(4)   In Bezug auf Pflanzkartoffeln können die Mitgliedstaaten festlegen, dass Artikel 10 der Richtlinie 2002/56/EG betreffend die Größensortierung nicht zur Anwendung kommt.

Artikel 11

Region der Saatguterzeugung

(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass das Saatgut einer Erhaltungssorte nur in der Ursprungsregion erzeugt wird.

Falls die Zertifizierungsanforderungen gemäß Artikel 10 Absatz 3 sich in der betreffenden Region aufgrund eines speziellen Umweltproblems nicht erfüllen lassen, können die Mitgliedstaaten zusätzliche Regionen für die Saatguterzeugung zulassen, unter Berücksichtigung der Informationen von Seiten der für pflanzengenetische Ressourcen zuständigen Behörden oder anderer einschlägiger von den Mitgliedstaaten anerkannter Organisationen. Gleichwohl darf das in diesen zusätzlichen Regionen erzeugte Saatgut nur in den Ursprungsregionen verwendet werden.

(2)   Die Mitgliedstaaten melden der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten die zusätzlichen Regionen, die sie gemäß Absatz 1 für die Saatguterzeugung zulassen wollen.

Die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten können innerhalb von 20 Arbeitstagen nach Erhalt dieser Meldungen beantragen, dass der Ständige Ausschuss für das landwirtschaftliche, gartenbauliche und forstliche Saat- und Pflanzgutwesen mit der Angelegenheit befasst wird. Im Einklang mit Artikel 22a Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 66/401/EWG, Artikel 22a Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 66/402/EWG, Artikel 4 Absatz 6, Artikel 20 Absatz 2 und Artikel 21 der Richtlinie 2002/53/EG, Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2002/54/EG, Artikel 10 Absatz 1 und Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2002/56/EG bzw. Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2002/57/EG wird eine Entscheidung erlassen, in der ggf. Beschränkungen oder Bedingungen für die Benennung solcher Regionen festgelegt werden.

Wenn weder die Kommission noch andere Mitgliedstaaten einen Antrag gemäß dem zweiten Unterabsatz stellen, kann der betreffende Mitgliedstaat die von ihm gemeldeten zusätzlichen Regionen für die Saatguterzeugung zulassen.

Artikel 12

Saatgutprüfung

(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Prüfungen durchgeführt werden, um zu kontrollieren, ob das Saatgut von Erhaltungssorten die Zertifizierungsanforderungen gemäß Artikel 10 Absatz 3 erfüllt.

Diese Prüfungen müssen nach den gebräuchlichen internationalen Methoden bzw. sofern diese nicht existieren, nach anderweitigen geeigneten Methoden durchgeführt werden.

(2)   Bei den Prüfungen gemäß Absatz 1 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Proben aus homogenen Partien gezogen werden. Dabei sorgen sie dafür, dass die Vorschriften zum Partiegewicht und Probengewicht gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 66/401/EWG, Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 66/402/EWG, Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2002/54/EG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2002/57/EG befolgt werden.

Artikel 13

Bedingungen für das Inverkehrbringen

(1)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass das Saatgut einer Erhaltungssorte nur unter folgenden Bedingungen in den Verkehr gebracht werden darf:

a)

Es wurde in seiner Ursprungsregion oder in einer Region gemäß Artikel 11 erzeugt.

b)

Das Inverkehrbringen erfolgt in seiner Ursprungsregion.

(2)   Abweichend von Absatz 1 Buchstabe b kann ein Mitgliedstaat zusätzliche Regionen in seinem eigenen Hoheitsgebiet für das Inverkehrbringen von Saatgut einer Erhaltungssorte zulassen, sofern diese Regionen mit der Ursprungsregion hinsichtlich der natürlichen und naturnahen Lebensräume dieser Sorte vergleichbar sind.

Wenn die Mitgliedstaaten solche zusätzlichen Regionen zulassen, sorgen sie dafür, dass die zur Erzeugung der Mindestmenge von Saatgut gemäß Artikel 14 benötigte Menge für die Erhaltung der Sorte in der Ursprungsregion vorbehalten wird.

Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten über die Zulassung solcher zusätzlicher Regionen.

(3)   Wenn ein Mitgliedstaat zusätzliche Regionen für die Saatguterzeugung gemäß Artikel 11 zulässt, darf er nicht die in Absatz 2 dieses Artikels vorgesehene Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen.

Artikel 14

Mengenmäßige Beschränkungen

Jeder Mitgliedstaat sorgt dafür, dass die Menge des in den Verkehr gebrachten Saatguts einer jeden Erhaltungssorte die größere der beiden folgenden Mengen nicht übersteigt: 0,5 % des Saatguts derselben Art, das in dem jeweiligen Mitgliedstaat in einer Vegetationsperiode verwendet wird, oder die Menge, die benötigt wird, um eine Fläche von 100 ha einzusäen. Für die Arten Pisum sativum, Triticum spp., Hordeum vulgare, Zea mays, Solanum tuberosum, Brassica napus und Helianthus annuus gelten folgende Mengenbeschränkungen: 0,3 % bzw. die Menge, die benötigt wird, um eine Fläche von 100 ha einzusäen.

Gleichwohl darf die Gesamtmenge des in den einzelnen Mitgliedstaaten in den Verkehr gebrachten Saatguts von Erhaltungssorten 10 % des jährlich im betreffenden Mitgliedstaat verwendeten Saatguts der jeweiligen Art nicht übersteigen. Wenn sich dadurch eine kleinere Menge ergibt als die Menge, die benötigt wird, um eine Fläche von 100 ha einzusäen, kann die Höchstmenge des Saatguts der betreffenden Art, die in dem Mitgliedstaat jährlich verwendet wird, erhöht werden, so dass die zur Einsäung von 100 ha erforderliche Menge erreicht wird.

Artikel 15

Anwendung der mengenmäßigen Beschränkungen

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Erzeuger ihnen vor Beginn einer jeden Produktionsperiode die Größe und den Standort der Saatguterzeugungsfläche melden.

(2)   Ist aufgrund der Meldungen gemäß Absatz 1 anzunehmen, dass die in Artikel 14 festgelegten Mengen überschritten werden, so teilen die Mitgliedstaaten den einzelnen Erzeugern eine Menge zu, die sie in der jeweiligen Produktionsperiode in den Verkehr bringen dürfen.

Artikel 16

Überwachung der Feldbestände

Die Mitgliedstaaten sorgen durch amtliche Überwachung dafür, dass die Feldbestände einer Erhaltungssorte die Bestimmungen dieser Richtlinie, unter besonderer Berücksichtigung von Sorte, Ort der Saatguterzeugung und Mengen, erfüllen.

Artikel 17

Verschluss von Verpackungen und Behältnissen

(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass das Saatgut von Erhaltungssorten nur in geschlossenen Verpackungen oder Behältnissen mit einem Verschluss in den Verkehr gebracht wird.

(2)   Die Saatgutpackungen und -behältnisse werden vom Lieferanten so verschlossen, dass sie nicht geöffnet werden können, ohne dass das Verschlusssystem verletzt wird oder dass das Etikett des Lieferanten oder die Verpackung bzw. das Behältnis Spuren einer Manipulation zeigen.

(3)   Zur Sicherung der Verschließung gemäß Absatz 2 umfasst das Verschlusssystem mindestens das Etikett oder die Anbringung einer Verschlusssicherung.

Artikel 18

Etikettierung

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Verpackungen und Behältnisse für Saatgut von Erhaltungssorten ein Etikett des Lieferanten oder einen aufgedruckten oder aufgestempelten Vermerk mit folgenden Angaben tragen:

a)

die Worte „Gemeinschaftsregeln und -normen“;

b)

Name und Anschrift oder Identifizierung der für das Anbringen des Etiketts verantwortlichen Person;

c)

Jahr der Verpackung, Angabe als: „verpackt im Jahr …“ (Jahr) oder — außer für Pflanzkartoffeln — Jahr der letzten Probenahme zum Zwecke der letzten Keimprüfung, Angabe als: „Probenahme im Jahr …“ (Jahr);

d)

Art;

e)

Bezeichnung der Erhaltungssorte;

f)

das Wort „Erhaltungssorte“;

g)

Ursprungsregion;

h)

wenn die Region der Saatguterzeugung nicht mit der Ursprungsregion übereinstimmt, Angabe der Region der Saatguterzeugung;

i)

die von der für das Anbringen des Etiketts verantwortlichen Person vergebene Partienummer;

j)

das angegebene Netto- oder Bruttogewicht oder — außer für Pflanzkartoffeln — die angegebene Zahl der Körner;

k)

bei Angabe des Gewichts und bei Verwendung von granulierten Schädlingsbekämpfungsmitteln, Hüllmasse oder sonstigen festen Zusätzen: Art der chemischen Behandlung oder des Zusatzes sowie ungefähres Verhältnis zwischen dem Gewicht der Samenknäuel oder der reinen Körner und dem Gesamtgewicht (außer für Pflanzkartoffeln).

Artikel 19

Amtliche Nachkontrollen

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass das Saatgut durch amtliche Nachkontrollen anhand von Zufallsstichproben auf Sortenechtheit und Sortenreinheit überprüft wird.

KAPITEL IV

ALLGEMEINE UND SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 20

Berichtswesen

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die in ihrem Hoheitsgebiet tätigen Lieferanten für jede Produktionsperiode über die jeweilige Menge des in den Verkehr gebrachten Saatguts von Erhaltungssorten Mitteilung machen.

Die Mitgliedstaaten machen der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten über die jeweilige Menge des in ihrem Hoheitsgebiet in den Verkehr gebrachten Saatguts von Erhaltungssorten Mitteilung.

Artikel 21

Meldung der anerkannten, für pflanzengenetische Ressourcen zuständigen Organisationen

Die Mitgliedstaaten melden der Kommission die anerkannten Organisationen gemäß Artikel 5 Buchstabe d, Artikel 8 Absatz 1 und Artikel 11 Absatz 1.

Artikel 22

Bewertung

Bis zum 31. Dezember 2011 bewertet die Kommission die Umsetzung von Artikel 4, Artikel 13 Absatz 2, Artikel 14 und Artikel 15.

Artikel 23

Umsetzung

(1)   Die Mitgliedstaaten setzen bis spätestens 30. Juni 2009 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Rechtsvorschriften mit und fügen eine Tabelle der Entsprechungen zwischen der Richtlinie und diesen innerstaatlichen Rechtsvorschriften bei.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

(2)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie in dem unter diese Richtlinie fallenden Rechtsbereich erlassen.

Artikel 24

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 25

Adressaten

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 20. Juni 2008

Für die Kommission

Androulla VASSILIOU

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. 125 vom 11.7.1966, S. 2298/66. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 2007/72/EG der Kommission (ABl. L 329 vom 14.12.2007, S. 37).

(2)  ABl. 125 vom 11.7.1966, S. 2309/66. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/55/EG der Kommission (ABl. L 159 vom 13.6.2006, S. 13).

(3)  ABl. L 193 vom 20.7.2002, S. 1. Richtlinie zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 268 vom 18.10.2003, S. 1).

(4)  ABl. L 193 vom 20.7.2002, S. 12. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/117/EG (ABl. L 14 vom 18.1.2005, S. 18).

(5)  ABl. L 193 vom 20.7.2002, S. 60. Richtlinie zuletzt geändert durch die Entscheidung 2005/908/EG der Kommission (ABl. L 329 vom 16.12.2005, S. 37).

(6)  ABl. L 193 vom 20.7.2002, S. 74. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/117/EG.

(7)  ABl. L 309 vom 13.12.1993, S. 1.

(8)  ABl. L 378 vom 23.12.2004, S. 1.

(9)  ABl. L 162 vom 30.4.2004, S. 18.

(10)  ABl. L 277 vom 21.10.2005, S. 1. Verordnung zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 146/2008 (ABl. L 46 vom 21.2.2008, S. 1).

(11)  ABl. L 254 vom 8.10.2003, S. 7. Richtlinie geändert durch die Richtlinie 2007/48/EG (ABl. L 195 vom 27.7.2007, S. 29).

(12)  ABl. L 108 vom 5.5.2000, S. 3. Verordnung zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 920/2007 (ABl. L 201 vom 2.8.2007, S. 3).

(13)  ABl. L 227 vom 1.9.1994, S. 1.


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