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Document 62015CJ0110

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 22. September 2016.
Microsoft Mobile Sales International Oy gegen Ministero per i beni e le attività culturali (MiBAC) u. a.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Geistiges Eigentum – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Richtlinie 2001/29/EG – Ausschließliches Vervielfältigungsrecht – Ausnahmen und Beschränkungen – Art. 5 Abs. 2 Buchst. b – Ausnahme für Privatkopien – Gerechter Ausgleich – Abschluss privatrechtlicher Vereinbarungen zur Festlegung der Kriterien für die Befreiung von der Entrichtung des gerechten Ausgleichs – Beschränkung des Erstattungsanspruchs auf Endnutzer.
Rechtssache C-110/15.

Court reports – general

Rechtssache C‑110/15

Microsoft Mobile Sales International Oy u. a.

gegen

Ministero per i beni e le attività culturali (MiBAC) u. a.

(Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato)

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Rechtsangleichung — Geistiges Eigentum — Urheberrecht und verwandte Schutzrechte — Richtlinie 2001/29/EG — Ausschließliches Vervielfältigungsrecht — Ausnahmen und Beschränkungen — Art. 5 Abs. 2 Buchst. b — Ausnahme für Privatkopien — Gerechter Ausgleich — Abschluss privatrechtlicher Vereinbarungen zur Festlegung der Kriterien für die Befreiung von der Entrichtung des gerechten Ausgleichs — Beschränkung des Erstattungsanspruchs auf Endnutzer“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 22. September 2016

  1. Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Grenzen – Offensichtlich unerhebliche Fragen, hypothetische Fragen, die in einem eine zweckdienliche Antwort ausschließenden Zusammenhang gestellt werden, und Fragen, die in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stehen

    (Art. 267 AEUV)

  2. Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen – Anrufung des Gerichtshofs – Auslegungsfrage, die in einem ähnlichen Fall bereits beantwortet wurde – Zulässigkeit einer neuen Vorlage

    (Art. 267 AEUV)

  3. Rechtsangleichung – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Richtlinie 2001/29 – Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft – Vervielfältigungsrecht – Ausnahme für Privatkopien – Gerechter Ausgleich – Finanzierung des Ausgleichs durch eine Abgabe auf Anlagen, Geräte und Medien zur Vervielfältigung – Nationale Regelung, nach der die Befreiung voraussetzt, dass privatrechtliche Vereinbarungen geschlossen werden, und der Erstattungsanspruch dem Endnutzer der Geräte und Träger vorbehalten ist – Unzulässigkeit

    (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 20; Richtlinie 2001/29 des Europäischen Parlaments und des Rates, 31. Erwägungsgrund und Art. 5 Abs. 2 Buchst. b)

  4. Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen – Auslegung – Zeitliche Wirkung der Auslegungsurteile – Rückwirkung – Begrenzung durch den Gerichtshof – Voraussetzungen – Bedeutung der finanziellen Konsequenzen des Urteils für den betreffenden Mitgliedstaat – Kein entscheidendes Kriterium

    (Art. 267 AEUV)

  1.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 18, 19)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 22)

  3.  Das Recht der Europäischen Union, insbesondere Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach zum einen die Befreiung von der Entrichtung der Abgabe für Privatkopien für Hersteller und Importeure von Geräten und Trägern, die für einen eindeutig anderen Gebrauch als die Anfertigung von Privatkopien bestimmt sind, voraussetzt, dass zwischen einer Einrichtung, die über ein gesetzliches Monopol zur Vertretung der Interessen von Werkurhebern verfügt, und den zur Zahlung des Ausgleichs Verpflichteten oder deren Berufsverbänden Vereinbarungen geschlossen werden, und die zum anderen vorsieht, dass die Erstattung einer solchen Abgabe bei zu Unrecht erfolgter Entrichtung nur der Endnutzer dieser Geräte und Träger verlangen kann.

    Ein System der Finanzierung des gerechten Ausgleichs ist nämlich nur dann mit den Anforderungen des im 31. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 angeführten „angemessenen Ausgleichs“ zwischen den Rechten und Interessen der Urheber, die den gerechten Ausgleich erhalten, und den Rechten und Interessen der Nutzer von Schutzgegenständen vereinbar, wenn die betreffenden Vervielfältigungsgeräte und -medien zur Anfertigung von Privatkopien genutzt werden können und daher dem Urheber des geschützten Werkes durch sie ein Schaden entstehen kann. Zudem sind die in Art. 5 der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Ausnahmen unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung anzuwenden. Dieser stellt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, der in Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt ist und verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist. Die Mitgliedstaaten dürfen daher keine Modalitäten für einen gerechten Ausgleich vorsehen, die dazu führten, dass verschiedene Kategorien von Wirtschaftsteilnehmern, die vergleichbare von der für Privatkopien geltenden Ausnahme erfasste Güter vermarkten, oder verschiedene Gruppen von Nutzern geschützter Gegenstände ohne Rechtfertigung ungleich behandelt werden. Dies trifft auf eine nationale Regelung zu, die keine allgemein anwendbare Bestimmung vorsieht, die diejenigen Hersteller und Importeure von der Entrichtung der Abgabe für Privatkopien befreit, die nachweisen, dass die Geräte und Träger von anderen als natürlichen Personen zu eindeutig anderen Zwecken als der Anfertigung von Privatkopien erworben wurden, und sich darauf beschränkt, einer privaten Einrichtung eine Handlungspflicht dahin aufzuerlegen, dass sie den Abschluss von Vereinbarungen mit den zur Entrichtung der Abgabe für Privatkopien Verpflichteten fördern muss. Folglich könnten Hersteller und Importeure, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob sie eine Vereinbarung mit dieser Einrichtung geschlossen haben oder nicht. Ferner gibt es, da der Abschluss solcher Vereinbarungen der freien Aushandlung zwischen der Einrichtung und den zur Zahlung des gerechten Ausgleichs Verpflichteten oder deren Berufsverbänden überlassen bleibt, selbst wenn man unterstellt, dass solche Vereinbarungen mit allen geschlossen werden, die Anspruch auf eine Befreiung von der Entrichtung der Abgabe für Privatkopien haben, keine Garantie, dass die Hersteller und Importeure, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, gleich behandelt werden, denn die Regelungen solcher Vereinbarungen sind das Ergebnis privatrechtlicher Verhandlungen.

    Darüber hinaus ist nach dem 31. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 ein angemessener Ausgleich zwischen den Rechtsinhabern und den Nutzern von Schutzgegenständen zu sichern. Eine Regelung des gerechten Ausgleichs muss daher Mechanismen, u. a. für die Rückerstattung, vorsehen, die dazu dienen, eine etwaige „Überkompensation“ zu Ungunsten einer bestimmten Kategorie von Nutzern zu korrigieren, die nicht mit dem in diesem Erwägungsgrund aufgestellten Erfordernis vereinbar wäre. Ein Erstattungsanspruch wie der genannte kann insoweit nicht als wirksam angesehen werden, da er unstreitig natürlichen Personen nicht zusteht, und zwar auch dann nicht, wenn sie die Geräte und Träger zu eindeutig anderen Zwecken als der Anfertigung von Privatkopien erwerben.

    (vgl. Rn. 29, 42, 44, 45, 47, 49, 54-56 und Tenor)

  4.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 59-61)

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