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Document 62000CV0002

    Leitsätze

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Völkerrechtliche Verträge - Abschluss - Vorheriges Gutachten des Gerichtshofes - Gegenstand - Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten - Wahl der Rechtsgrundlage des Aktes über den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages

    (Artikel 300 Absatz 6 EG)

    2. Völkerrechtliche Verträge - Abschluss - Vorheriges Gutachten des Gerichtshofes - Keine Klage gegen den Akt, der zur Unterzeichnung eines geplanten Abkommens ermächtigt - Keine Auswirkung auf die Zulässigkeit eines Antrags auf Erstellung eines Gutachtens zum Akt über den Abschluss des Vertrages

    (Artikel 300 Absatz 6 EG)

    3. Völkerrechtliche Verträge - Abschluss - Vorheriges Gutachten des Gerichtshofes - Gegenstand - Behebung der Schwierigkeiten, die mit der Umsetzung eines geplanten Abkommens verbunden sind - Ausschluss

    4. Völkerrechtliche Verträge - Abkommen, das teils in die Zuständigkeit der Gemeinschaft, teils in diejenige der Mitgliedstaaten fällt - Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit bei der Aushandlung, dem Abschluss und der Durchführung

    5. Handlungen der Organe - Wahl der Rechtsgrundlage - Kriterien - Gemeinschaftsrechtsakt, der zwei Zielsetzungen verfolgt oder zwei Komponenten hat - Bezugnahme auf die wesentliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente

    6. Völkerrechtliche Verträge - Abschluss - Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit - Hauptsächlich die Umweltpolitik betreffendes Instrument - Rechtsgrundlage - Artikel 175 Absatz 1 EG - Gemischte Zuständigkeit der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten

    (Artikel 174 Absatz 4 EG und 175 EG)

    Leitsätze

    1. Ein Gutachten des Gerichtshofes gemäß Artikel 300 Absatz 6 EG kann namentlich zu Fragen eingeholt werden, die die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten für den Abschluss eines bestimmten Abkommens mit Drittländern betreffen.

    Die Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage hat verfassungsrechtliche Bedeutung. Da die Gemeinschaft nur über begrenzte Ermächtigungen verfügt, muss sie einen völkerrechtlichen Vertrag mit einer Bestimmung des EG-Vertrags verknüpfen, die sie ermächtigt, einen derartigen Rechtsakt zu genehmigen. Die Heranziehung einer falschen Rechtsgrundlage kann daher zur Ungültigkeit des Abschlussaktes selbst und damit der Zustimmung der Gemeinschaft führen, durch das von ihr geschlossene Abkommen gebunden zu sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Vertrag der Gemeinschaft keine ausreichende Zuständigkeit zur Ratifizierung des gesamten Abkommens verleiht, so dass die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten für den Abschluss des geplanten Abkommens mit Drittländern zu prüfen ist, oder wenn die für diesen Abschlussakt geeignete Rechtsgrundlage ein anderes als das von den Gemeinschaftsorganen tatsächlich angewandte Rechtsetzungsverfahren vorsieht. Wäre der Akt über den Abschluss des Abkommens wegen einer falschen Rechtsgrundlage unwirksam, so könnte dies nämlich sowohl auf Gemeinschaftsebene als auch in der Völkerrechtsordnung zu Verwicklungen führen, die durch das in Artikel 300 Absatz 6 EG vorgesehene außergewöhnliche Verfahren einer vorherigen Anrufung des Gerichtshofes gerade verhindert werden sollen.

    (vgl. Randnrn. 3, 5-6)

    2. Der Akt, der zur Unterzeichnung eines völkerrechtlichen Vertrages ermächtigt, und der Akt, mit dem dessen Abschluss verkündet wird, sind zwei verschiedene Rechtsakte, die für die Betroffenen ganz unterschiedliche Verpflichtungen begründen, wobei der zweite Akt keineswegs die Bestätigung des ersten darstellt. Unter diesen Umständen steht die Tatsache, dass keine Klage auf Nichtigerklärung des erstgenannten Aktes erhoben wurde, der Erhebung einer solchen Klage gegen den Akt über den Abschluss des geplanten Abkommens nicht entgegen und führt auch nicht zur Unzulässigkeit eines Antrags auf Erstellung eines Gutachtens über die Vereinbarkeit dieses Aktes mit dem EG-Vertrag. Im Übrigen kann der Umstand, dass bestimmte Fragen im Rahmen anderer Verfahrensarten, insbesondere im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG, behandelt werden können, nicht geltend gemacht werden, um die Möglichkeit auszuschließen, den Gerichtshof vorab nach Artikel 300 Absatz 6 EG zu befassen.

    (vgl. Randnrn. 11-12)

    3. Das Verfahren des Artikels 300 Absatz 6 EG dient nicht dazu, die Schwierigkeiten zu beheben, die mit der Umsetzung eines geplanten Abkommens verbunden sind, bezüglich dessen die Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten geteilt sind.

    (vgl. Randnr. 17)

    4. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen ist sowohl bei der Aushandlung und dem Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages wie bei der Erfuellung der eingegangenen Verpflichtungen sicherzustellen, wenn sein Gegenstand teils in die Zuständigkeit der Gemeinschaft und teils in die der Mitgliedstaaten fällt. Diese Pflicht zur Zusammenarbeit ergibt sich aus der Notwendigkeit einer geschlossenen völkerrechtlichen Vertretung der Gemeinschaft.

    (vgl. Randnr. 18)

    5. Im Rahmen des Zuständigkeitssystems der Gemeinschaft darf die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts - einschließlich des Rechtsakts, der im Hinblick auf den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages erlassen wird - nicht allein auf der Überzeugung seines Verfassers beruhen, sondern muss sich auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen. Zu diesen Umständen gehören insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts. Ergibt die Prüfung eines gemeinschaftlichen Rechtsakts, dass er zwei Zielsetzungen verfolgt oder zwei Komponenten hat, und lässt sich eine davon als wesentliche oder überwiegende ausmachen, während die andere nur von untergeordneter Bedeutung ist, so ist der Rechtsakt nur auf eine Rechtsgrundlage zu stützen, und zwar auf die, die die wesentliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente erfordert. Ist dargetan, dass mit dem Rechtsakt gleichzeitig mehrere Ziele verfolgt werden, die untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass das eine im Verhältnis zum anderen zweitrangig ist und mittelbaren Charakter hat, so kann ein solcher Rechtsakt ausnahmsweise auf die verschiedenen einschlägigen Rechtsgrundlagen gestützt werden.

    (vgl. Randnrn. 22-23)

    6. Selbst wenn die durch das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit geschaffenen Kontrollverfahren in den meisten Fällen oder zumindest, gemessen am Handelswert, überwiegend auf den Handelsverkehr mit lebenden veränderten Organismen angewandt werden sollten, ändert dies nichts daran, dass dieses Protokoll nach seinem Zusammenhang, seiner Zielsetzung und seinem Inhalt ein im Wesentlichen zur Ausschaltung biotechnologischer Risiken und nicht zur Förderung, Erleichterung oder Regelung des Handelsverkehrs bestimmtes Instrument ist. Der Umstand, dass mit zahlreichen völkerrechtlichen Handelsabkommen mehrere Ziele verfolgt werden, und die weite Auslegung des Begriffes der gemeinsamen Handelspolitik in der Rechtsprechung des Gerichtshofes sind nicht geeignet, die Feststellung in Frage zu stellen, dass das Protokoll ein hauptsächlich die Umweltpolitik betreffendes Instrument ist, selbst wenn die Sicherheitsmaßnahmen den Handel mit lebenden veränderten Organismen beeinträchtigen können.

    Daraus folgt, dass der Abschluss des Protokolls im Namen der Gemeinschaft auf eine einheitliche Rechtsgrundlage gestützt werden muss, die sich speziell auf die Umweltpolitik bezieht.

    Da sich das Protokoll von Cartagena nicht auf die Festlegung von .Einzelheiten der Zusammenarbeit" im Bereich des Umweltschutzes beschränkt, sondern u. a. genaue Regeln für die Kontrollverfahren im Bereich der grenzüberschreitenden Verbringung, der Risikobeurteilung und -bewältigung sowie von Handhabung, Transport, Verpackung und Identifizierung der lebenden veränderten Organismen aufstellt, ist Artikel 175 Absatz 1 EG die geeignete Rechtsgrundlage für den Abschluss dieses Protokolls im Namen der Gemeinschaft.

    Da die auf Gemeinschaftsebene im Geltungsbereich des Protokolls durchgeführte Harmonisierung diesen Bereich zudem nur ganz partiell abdeckt, ist die Zuständigkeit für den Abschluss des Protokolls zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten geteilt.

    (vgl. Randnrn. 37, 40, 42-44, 46-47)

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