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Document 61995CJ0408

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1 Handlungen der Organe - Richtlinien - Möglichkeit für eine natürliche oder juristische Person, vor einem nationalen Gericht die Frage der Gültigkeit von Richtlinienbestimmungen aufzuwerfen, ohne gegen diese Bestimmungen Nichtigkeitsklage erhoben zu haben - Bestimmungen, die sich in allgemeiner Form an die Mitgliedstaaten richten und nicht unmittelbar anwendbar sind - Recht der natürlichen oder juristischen Person, die Frage vor dem nationalen Gericht aufzuwerfen

(EG-Vertrag, Artikel 173; Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 28k, eingefügt durch die Richtlinien 91/680, Artikel 1 Nr. 22, und 92/12, Artikel 28)

2 Handlungen der Organe - Verfahren des Zustandekommens - Ordnungsgemässe Anhörung des Parlaments - Wesentliches Formerfordernis - Erneute Anhörung im Falle einer wesentlichen Änderung des ursprünglichen Vorschlags der Kommission - Wesentliche Änderung - Kriterien - Änderung, die dem Wunsch des Parlaments entspricht - Kriterien

(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 28k, eingefügt durch die Richtlinien 91/680, Artikel 1 Nr. 22, und 92/12, Artikel 28)

Leitsätze

3 Eine natürliche oder juristische Person kann vor einem nationalen Gericht die Ungültigkeit von Richtlinienbestimmungen wie Artikel 1 Nummer 22 der Richtlinie 91/680 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388 im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen und Artikel 28 der Richtlinie 92/12 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren auch dann geltend machen, wenn sie gegen diese Bestimmungen keine Nichtigkeitsklage im Sinne von Artikel 173 des Vertrages erhoben hat und wenn bereits eine Entscheidung eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaats in einem gesonderten Verfahren vorliegt.

Soweit es um die Gültigkeit von Bestimmungen in Gemeinschaftsrichtlinien geht, die sich in allgemeiner Form an die Mitgliedstaaten und nicht an natürliche oder juristische Personen richten und die auf die betreffenden Wirtschaftsteilnehmer nicht unmittelbar anwendbar sind, ist nämlich nicht offenkundig, daß eine auf Artikel 173 des Vertrages gestützte Klage gegen diese Bestimmungen zulässig gewesen wäre. Was die Entscheidung eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaats anbelangt, so ist es im Rahmen des Verfahrens gemäß Artikel 177 des Vertrages nicht Sache des Gerichtshofes, die Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens anhand einer Entscheidung zu überprüfen, die ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen eines gesonderten Verfahrens zu einem ähnlichen Problem getroffen hat.

4 Die Pflicht, das Parlament in den vom Vertrag vorgesehenen Fällen während des Gesetzgebungsverfahrens anzuhören, erfordert immer dann eine erneute Anhörung, wenn der endgültig verabschiedete Text als Ganzes gesehen in seinem Wesen von dem Text abweicht, zu dem das Parlament bereits angehört worden ist, sofern die Änderungen nicht im wesentlichen einem vom Parlament selbst geäusserten Wunsch entsprechen.

In bezug auf die Vorschläge für die Richtlinien 91/680 und 92/12, deren Ziel darin bestand, das Mehrwertsteuer- und Verbrauchsteuersystem dem Bestehen eines Binnenmarktes anzupassen, war eine erneute Anhörung des Parlaments zu den Artikeln 1 Nummer 22 der Richtlinie 91/680 und 28 der Richtlinie 92/12 nicht erforderlich.

Diese Bestimmungen, die es den Mitgliedstaaten gestatten, bis zum 30. Juni 1999 für Lieferungen durch Tax-free-Verkaufsstellen in bestimmtem Umfang Steuerfreiheit zu gewähren, sollen nämlich die Beibehaltung einer früheren Regelung ermöglichen, wenn die Mitgliedstaaten dies wünschen, und sind als Option für Ausnahmen anzusehen, die auf den Anwendungsbereich der Richtlinien 91/680 und 92/12 begrenzt sind; sie können daher nicht als wesentliche Änderungen eingestuft werden.

Zudem hat der Rat durch den Beschluß, die Befugnis der Mitgliedstaaten zur Gewährung von Steuerfreiheit während einer Übergangszeit beizubehalten, im wesentlichen den Wünschen des Parlaments entsprochen, das nicht nur Gelegenheit hatte, sich zur Frage steuerfreier Verkäufe zu äussern, sondern im übrigen auch ihre Beibehaltung befürwortet hat, indem es in seiner Stellungnahme zur Richtlinie 91/680 Änderungen vorschlug, die mit der endgültigen Fassung der Richtlinie voll und ganz im Einklang stehen, und in seiner Stellungnahme zur Richtlinie 92/12 die befristete Beibehaltung der bestehenden Ausnahmeregelung für verbrauchsteuerfreie Verkäufe bis zum 31. Dezember 1995 vorschlug.

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