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Document 62012CJ0605
Welmory
Welmory
Rechtssache C‑605/12
Welmory sp. z o.o.
gegen
Dyrektor Izby Skarbowej w Gdańsku
(Vorabentscheidungsersuchen, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny)
„Vorabentscheidungsersuchen — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem — Richtlinie 2006/112/EG — Art. 44 — Begriff der ‚festen Niederlassung‘ des Empfängers einer Dienstleistung — Ort, an dem die Dienstleistungen als an Steuerpflichtige erbracht gelten — Innergemeinschaftlicher Umsatz“
Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 16. Oktober 2014
Vorabentscheidungsverfahren – Anrufung des Gerichtshofs – Festlegung der vorzulegenden Fragen – Ausschließliche Zuständigkeit des nationalen Gerichts – Möglichkeit für die Parteien, die Fassung der Fragen zu ändern – Fehlen
(Art. 267 AEUV)
Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Dienstleistungen – Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts – „Feste Niederlassung“ im Sinne von Art. 44 der Richtlinie 2006/112 – Begriff – Grad an Beständigkeit und Struktur der Niederlassung, die es von der personellen und technischen Ausstattung her ermöglicht, Dienstleistungen zu empfangen und zu verwenden – Einbeziehung
(Verordnung Nr. 282/2011 des Rates, vierter Erwägungsgrund; Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 9 Abs. 1 und Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2008/8 geänderten Fassung, Art. 44)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Rn. 33, 34)
Ein erster Steuerpflichtiger, der den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat hat und der Dienstleistungen empfängt, die von einem zweiten, in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Steuerpflichtigen erbracht werden, verfügt im Hinblick auf die Bestimmung des Ortes der Besteuerung dieser Dienstleistungen in diesem anderen Mitgliedstaat über eine „feste Niederlassung“ im Sinne von Art. 44 der Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8 geänderten Fassung, wenn diese Niederlassung einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es von der personellen und technischen Ausstattung her ermöglicht, Dienstleistungen für ihre wirtschaftliche Tätigkeit zu empfangen und zu verwenden. Ob dies der Fall ist, ist von dem vorlegenden Gericht festzustellen.
In Bezug auf den Ort der steuerlichen Anknüpfung ist der Wortlaut von Art. 44 der Richtlinie 2006/112 dem von Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ähnlich. Zudem handelt es sich sowohl bei Art. 44 der Richtlinie 2006/112 als auch bei Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie um Vorschriften, die den Ort der steuerlichen Anknüpfung bei Dienstleistungen bestimmen und dasselbe Ziel verfolgen, so dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung von Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie mit den nötigen Abänderungen grundsätzlich auf die Auslegung von Art. 44 der Richtlinie 2006/112 übertragen werden kann. Diese Überlegung wird durch die Verordnung Nr. 282/2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112 gestützt, deren Ziel es gemäß ihrem vierten Erwägungsgrund ist, eine einheitlichere Anwendung des Mehrwertsteuersystems durch eine Anpassung der Vorschriften zur Durchführung der Mehrwertsteuerrichtlinie insbesondere in Bezug auf den Steuerpflichtigen, die Lieferung von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen sowie den Ort der steuerbaren Umsätze sicherzustellen.
Darüber hinaus ist der zweckdienlichste und damit der vorrangige Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Ortes der Dienstleistung aus steuerlicher Sicht der Ort, an dem der Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Dabei ist nicht der Umstand entscheidend, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit wie die von einer Gesellschaft eines Mitgliedstaats ausgeübte und im Ausgangsverfahren streitige Tätigkeit des Betriebs eines elektronischen Auktionssystems, in dessen Rahmen zum einen der Gesellschaft eines zweiten Mitgliedstaats eine Internet-Auktionsseite zur Verfügung gestellt wird und zum anderen an die Kunden in diesem zweiten Mitgliedstaat „Bids“ ausgegeben und verkauft werden, ausgeübt werden kann, ohne dass eine tatsächliche personelle und sachliche Struktur in diesem zweiten Mitgliedstaat erforderlich wäre. Trotz ihres besonderen Charakters erfordert eine solche wirtschaftliche Tätigkeit zumindest eine geeignete Struktur namentlich im Hinblick auf ihre personelle und technische Ausstattung, wie beispielsweise eine Computerausstattung, Server und entsprechende Computerprogramme.
Die Berücksichtigung einer anderen Niederlassung ist nur dann von Interesse, wenn die Anknüpfung an den Sitz nicht zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt oder wenn sie einen Konflikt mit einem anderen Mitgliedstaat zur Folge hat.
(vgl. Rn. 43, 44, 53, 58, 60, 65 und Tenor)
Rechtssache C‑605/12
Welmory sp. z o.o.
gegen
Dyrektor Izby Skarbowej w Gdańsku
(Vorabentscheidungsersuchen, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny)
„Vorabentscheidungsersuchen — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem — Richtlinie 2006/112/EG — Art. 44 — Begriff der ‚festen Niederlassung‘ des Empfängers einer Dienstleistung — Ort, an dem die Dienstleistungen als an Steuerpflichtige erbracht gelten — Innergemeinschaftlicher Umsatz“
Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 16. Oktober 2014
Vorabentscheidungsverfahren — Anrufung des Gerichtshofs — Festlegung der vorzulegenden Fragen — Ausschließliche Zuständigkeit des nationalen Gerichts — Möglichkeit für die Parteien, die Fassung der Fragen zu ändern — Fehlen
(Art. 267 AEUV)
Harmonisierung des Steuerrechts — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem — Dienstleistungen — Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts — „Feste Niederlassung“ im Sinne von Art. 44 der Richtlinie 2006/112 — Begriff — Grad an Beständigkeit und Struktur der Niederlassung, die es von der personellen und technischen Ausstattung her ermöglicht, Dienstleistungen zu empfangen und zu verwenden — Einbeziehung
(Verordnung Nr. 282/2011 des Rates, vierter Erwägungsgrund; Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 9 Abs. 1 und Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2008/8 geänderten Fassung, Art. 44)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Rn. 33, 34)
Ein erster Steuerpflichtiger, der den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat hat und der Dienstleistungen empfängt, die von einem zweiten, in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Steuerpflichtigen erbracht werden, verfügt im Hinblick auf die Bestimmung des Ortes der Besteuerung dieser Dienstleistungen in diesem anderen Mitgliedstaat über eine „feste Niederlassung“ im Sinne von Art. 44 der Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8 geänderten Fassung, wenn diese Niederlassung einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es von der personellen und technischen Ausstattung her ermöglicht, Dienstleistungen für ihre wirtschaftliche Tätigkeit zu empfangen und zu verwenden. Ob dies der Fall ist, ist von dem vorlegenden Gericht festzustellen.
In Bezug auf den Ort der steuerlichen Anknüpfung ist der Wortlaut von Art. 44 der Richtlinie 2006/112 dem von Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ähnlich. Zudem handelt es sich sowohl bei Art. 44 der Richtlinie 2006/112 als auch bei Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie um Vorschriften, die den Ort der steuerlichen Anknüpfung bei Dienstleistungen bestimmen und dasselbe Ziel verfolgen, so dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung von Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie mit den nötigen Abänderungen grundsätzlich auf die Auslegung von Art. 44 der Richtlinie 2006/112 übertragen werden kann. Diese Überlegung wird durch die Verordnung Nr. 282/2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112 gestützt, deren Ziel es gemäß ihrem vierten Erwägungsgrund ist, eine einheitlichere Anwendung des Mehrwertsteuersystems durch eine Anpassung der Vorschriften zur Durchführung der Mehrwertsteuerrichtlinie insbesondere in Bezug auf den Steuerpflichtigen, die Lieferung von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen sowie den Ort der steuerbaren Umsätze sicherzustellen.
Darüber hinaus ist der zweckdienlichste und damit der vorrangige Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Ortes der Dienstleistung aus steuerlicher Sicht der Ort, an dem der Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Dabei ist nicht der Umstand entscheidend, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit wie die von einer Gesellschaft eines Mitgliedstaats ausgeübte und im Ausgangsverfahren streitige Tätigkeit des Betriebs eines elektronischen Auktionssystems, in dessen Rahmen zum einen der Gesellschaft eines zweiten Mitgliedstaats eine Internet-Auktionsseite zur Verfügung gestellt wird und zum anderen an die Kunden in diesem zweiten Mitgliedstaat „Bids“ ausgegeben und verkauft werden, ausgeübt werden kann, ohne dass eine tatsächliche personelle und sachliche Struktur in diesem zweiten Mitgliedstaat erforderlich wäre. Trotz ihres besonderen Charakters erfordert eine solche wirtschaftliche Tätigkeit zumindest eine geeignete Struktur namentlich im Hinblick auf ihre personelle und technische Ausstattung, wie beispielsweise eine Computerausstattung, Server und entsprechende Computerprogramme.
Die Berücksichtigung einer anderen Niederlassung ist nur dann von Interesse, wenn die Anknüpfung an den Sitz nicht zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt oder wenn sie einen Konflikt mit einem anderen Mitgliedstaat zur Folge hat.
(vgl. Rn. 43, 44, 53, 58, 60, 65 und Tenor)