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Document 61997TJ0298

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1 Verfahren - Zulässigkeit - Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung - Antrag, der in ein und demselben Schriftsatz zusammen mit der Klage eingereicht wird - Unzulässigkeit

(Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 104 § 3)

2 Nichtigkeitsklage - Zuständigkeit des Gemeinschaftsrichters - Antrag, der darauf gerichtet ist, den Gemeinschaftsorganen und den Mitgliedstaaten Anordnungen zu erteilen, Mitgliedstaaten aus irgendeinem Grund zu verurteilen oder darauf, daß sich der Gemeinschaftsrichter an die Stelle der genannten Organe setzt - Unzulässigkeit

(EG-Vertrag, Artikel 173 [nach Änderung jetzt Artikel 230 EG] und Artikel 176 [jetzt Artikel 233 EG])

3 Staatliche Beihilfen - Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten - Beeinträchtigung des Wettbewerbs - Beurteilungskriterien - Tatsächliche Beeinträchtigung des Handelsverkehrs und tatsächliche Wettbewerbsverzerrung - Bedeutung

(EG-Vertrag, Artikel 92 Absatz 1 [nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG] und Artikel 93 Absätze 1, 2 und 3 [jetzt Artikel 88 Absätze 1, 2 und 3 EG])

4 Staatliche Beihilfen - Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten - Beeinträchtigung des Wettbewerbs - Beurteilungskriterien - Geringfügigkeit der Beihilfe - Bedeutung

(EG-Vertrag, Artikel 92 [nach Änderung jetzt Artikel 87 EG])

5 Staatliche Beihilfen - Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten - Beeinträchtigung des Wettbewerbs - Beurteilungskriterien - Keine Berücksichtigung der Steuerbelastung der Beihilfen

(EG-Vertrag, Artikel 92 [nach Änderung jetzt Artikel 87 EG])

6 Staatliche Beihilfen - Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten - Beeinträchtigung des Wettbewerbs - Beurteilungskriterien - Beihilfebegünstigtes Unternehmen, das selbst nicht an den Ausfuhren beteiligt ist

(EG-Vertrag, Artikel 92 [nach Änderung jetzt Artikel 87 EG])

7 Staatliche Beihilfen - Bestehende und neue Beihilfen - Beihilfen, die vor der Liberalisierung eines ursprünglich dem Wettbewerb entzogenen Marktes eingeführt wurden - Qualifizierung als bestehende Beihilfen

(EG-Vertrag, Artikel 92 Absatz 1 [nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG] und Artikel 93 Absatz 3 [jetzt Artikel 88 Absatz 3 EG])

8 Staatliche Beihilfen - Bestehende und neue Beihilfen - Entscheidung der Kommission, mit der die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird - Zeitliche Beschränkung der Wirkungen

(EG-Vertrag, Artikel 93 Absätze 1 und 2 [nach Änderung jetzt Artikel 88 Absätze 1 und 2 EG])

9 Gemeinschaftsrecht - Auslegung - Handlungen der Organe - Begründung - Berücksichtigung

10 Staatliche Beihilfen - Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe - Kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - Rückforderungsmodalitäten

(EG-Vertrag, Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 [nach Änderung jetzt Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 1 EG])

11 Staatliche Beihilfen - Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe - Unter Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften des Artikels 93 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 EG) gewährte Beihilfe - Berechtigtes Vertrauen - Fehlen außergewöhnlicher Umstände

(EG-Vertrag, Artikel 93 [jetzt Artikel 88 EG])

12 Handlungen der Organe - Begründungspflicht - Umfang - Berücksichtigung des Kontextes und sämtlicher Rechtsvorschriften

(EG-Vertrag, Artikel 90 [jetzt Artikel 253 EG])

Leitsätze

1 Gemäß Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ist jeder Antrag auf Aussetzung des Vollzugs von Maßnahmen eines Organs mit besonderem Schriftsatz einzureichen. Demzufolge ist ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs unzulässig, wenn er in ein und demselben Schriftsatz zusammen mit der Klage eingereicht wird. (vgl. Randnrn. 37-38)

2 Der Gemeinschaftsrichter ist im Rahmen seiner Zuständigkeit zur Nichtigerklärung nach Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) nicht befugt, den Gemeinschaftsorganen oder den Mitgliedstaaten Anordnungen zu erteilen, Mitgliedstaaten aus irgendeinem Grund zu verurteilen oder sich an die Stelle der Gemeinschaftsorgane zu setzen. Es ist Sache des betreffenden Organs, gemäß Artikel 176 EG-Vertrag (jetzt Artikel 233 EG) die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen und unter der Kontrolle des Gemeinschaftsrichters die ihm insofern zustehende Entscheidungsbefugnis unter Beachtung sowohl des Tenors als auch der Gründe des durchzuführenden Urteils sowie der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts auszuüben. (vgl. Randnr. 42)

3 Die Auslegung von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG), wonach von dieser Bestimmung nur die Beihilfen erfaßt werden, die effektiv eine Auswirkung auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten haben und den Wettbewerb verfälschen, ist mit dem durch die Artikel 92 ff. des Vertrages eingeführten System der Kontrolle staatlicher Beihilfen unvereinbar. Im Rahmen ihrer Beurteilung neuer Beihilfen, die ihr gemäß Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 3 EG) vor deren Durchführung mitzuteilen sind, hat die Kommission nämlich zu prüfen, ob diese Beihilfen geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen.

Eine tatsächliche Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten und eine effektive Verfälschung des Wettbewerbs sind ebensowenig bei der ständigen Kontrolle bestehender Beihilfen nach Artikel 93 Absätze 1 und 2 des Vertrages vorausgesetzt, bei der die Kommission, insbesondere wenn sich die Wettbewerbsverhältnisse verändert hätten, zu prüfen hat, ob bestehende Beihilfen weiterhin mit dem Vertrag vereinbar sind, und gegebenenfalls die Abschaffung unvereinbar gewordener Beihilfen mit Wirkung für die Zukunft anzuordnen hat.

Schließlich ist die Kommission deshalb auch dann, wenn eine neue Beihilfe ohne ihre vorherige Unterrichtung gewährt worden ist, nicht zum Nachweis einer tatsächlichen Auswirkung dieser Beihilfe auf den Handel und den Wettbewerb verpflichtet. Dies würde nämlich die Mitgliedstaaten, die entgegen ihrer Unterrichtungspflicht Beihilfen zahlen, zum Nachteil derjenigen begünstigen, die Beihilfen bereits in der Planungsphase anmelden. (vgl. Randnrn. 76-79)

4 Die geringe Größe der begünstigten Unternehmen und der verhältnismäßig geringe Betrag der gewährten Beihilfen lassen es nicht zu, jegliche Auswirkung auf den Wettbewerb und den Handel auszuschließen, wenn die Marktstruktur, wie im gewerblichen Güterkraftverkehr, durch die Präsenz einer großen Anzahl kleiner Unternehmen geprägt wird. In diesem Kontext können die Auswirkungen selbst einer verhältnismäßig geringen Beihilfe auf den Wettbewerb und den Handel nicht unerheblich sein und kann eine solche Beihilfe nicht als geringfügig betrachtet werden. (vgl. Randnr. 86)

5 Die Kommission darf nach dem vom Vertrag geschaffenen System der Kontrolle staatlicher Beihilfen bei der Würdigung ihrer Vereinbarkeit mit dem Vertrag nicht die Steuerbelastung der gewährten Beihilfen berücksichtigen. Diese Belastung hängt nämlich nicht speziell mit der Beihilfe selbst zusammen, sondern wird erst in einem späteren Stadium erhoben und erfaßt die streitigen Beihilfen wie jede andere Einnahme auch. Sie kann folglich keinen Gesichtspunkt darstellen, der bei der Würdigung der besonderen Auswirkung der Beihilfe auf Handel und Wettbewerb und insbesondere bei der Einschätzung des Vorteils der Empfänger dieser Beihilfe im Vergleich mit den konkurrierenden Unternehmen einzubeziehen wäre, die eine solche nicht erhalten haben und deren Einnahmen ebenfalls der Besteuerung unterliegen. Außerdem verfügt die Kommission im allgemeinen nicht über die erforderlichen Daten für die Ermittlung der Auswirkungen der Steuerbelastung auf den Vorteil für das begünstigte Unternehmen. Diese Ermittlung erfolgt grundsätzlich erst bei der Rückforderung der Beihilfe nach den Modalitäten des nationalen Rechts und fällt daher ausschließlich in die Zuständigkeit der Behörden des betreffenden Mitgliedstaats. (vgl. Randnr. 89)

6 Eine Beihilfe kann auch dann geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen, wenn das begünstigte Unternehmen, das im Wettbewerb zu den Erzeugern anderer Mitgliedstaaten steht, selbst nicht an Ausfuhren beteiligt ist. Eine solche Situation kann auch vorliegen, wenn in dem betreffenden Sektor keine Überkapazität festzustellen ist. Wenn nämlich ein Mitgliedstaat einem Unternehmen eine Beihilfe gewährt, kann die inländische Erzeugung dadurch beibehalten oder erhöht werden, so daß sich die Chancen der in den anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Unternehmen, ihre Erzeugnisse auf den Markt dieses Mitgliedstaats auszuführen, verringern. (vgl. Randnr. 91)

7 Bestehende Beihilfen sind solche, die vor dem Inkrafttreten des Vertrages oder dem Beitritt des betreffenden Mitgliedstaats zu den Europäischen Gemeinschaften eingeführt wurden oder die unter den in Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 3 EG) genannten Voraussetzungen ordnungsgemäß durchgeführt werden durften.

Ebenso ist eine Beihilferegelung für einen Markt, der ursprünglich dem Wettbewerb entzogen war, bei der Liberalisierung dieses Marktes als bereits bestehende Beihilferegelung anzusehen, weil sie zum Zeitpunkt ihrer Einführung nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) fiel, der wegen der in ihm genannten Voraussetzungen, nämlich der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten und der Auswirkung auf den Wettbewerb, nur für die dem Wettbewerb geöffneten Wirtschaftszweige gilt. (vgl. Randnrn. 142-143)

8 Bestehende Beihilfen im Sinne von Artikel 93 Absätze 1 und 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absätze 1 und 2 EG) können lediglich, soweit die Voraussetzungen gegeben sind, mit Wirkung für die Zukunft für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt werden. Gemäß diesen Bestimmungen und nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist nämlich die Kommission im Rahmen ihrer fortlaufenden Überprüfung bestehender Beihilfen lediglich befugt, die Aufhebung oder Umgestaltung solcher Beihilfen in einer von ihr bestimmten Frist anzuordnen. Diese können daher durchgeführt werden, solange die Kommission nicht ihre Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt hat. (vgl. Randnrn. 147-148)

9 Der verfügende Teil eines Rechtsakts ist untrennbar mit seiner Begründung verbunden und ist erforderlichenfalls unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen, die zu seinem Erlaß geführt haben. (vgl. Randnr. 163)

10 Die Rückforderungspflicht kann grundsätzlich nicht außer Verhältnis zu den mit den Artikeln 92 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 EG) sowie 93 und 94 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 EG und 89 EG) verfolgten Zielen stehen, weil die Beseitigung einer rechtswidrigen Beihilfe durch Rückforderung der gezahlten Beihilfe nebst Zinsen die denknotwendige Folge der Feststellung der Unvereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt ist und lediglich die Wiederherstellung der früheren Situation bezweckt. Insoweit ist es Sache des betreffenden Mitgliedstaats, bei der Rückforderung der Beihilfe die Modalitäten der Rückzahlung so festzulegen, daß die frühere Wettbewerbssituation wiederhergestellt wird, ohne daß dabei die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts Einbußen erleidet. (vgl. Randnr. 169)

11 Nur außergewöhnliche Umstände können ein schutzwürdiges Vertrauen der Begünstigten auf die Ordnungsmäßigkeit einer Beihilfe begründen. Außerdem setzt die Anerkennung eines solchen schutzwürdigen Vertrauens grundsätzlich voraus, daß die Beihilfe unter Einhaltung des Verfahrens nach Artikel 93 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 EG) gewährt worden ist. Ein umsichtiger Wirtschaftsteilnehmer muß sich nämlich normalerweise vergewissern können, ob dieses Verfahren beachtet worden ist. (vgl. Randnr. 171)

12 Die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Anforderungen des Artikels 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) entspricht, ist nicht nur anhand des Wortlauts dieses Aktes, sondern auch aufgrund von dessen Kontext sowie aufgrund sämtlicher einschlägiger Rechtsvorschriften zu beurteilen. (vgl. Randnr. 175)

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