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Document 61993CJ0465

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

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Handlungen der Organe ° Verordnungen ° Inzidentanfechtung einer Verordnung vor dem vorlegenden Gericht im Rahmen einer Klage gegen eine nationale Durchführungsmaßnahme ° Erlaß einer einstweiligen Anordnung, durch die die Verordnung vorläufig unanwendbar wird ° Zulässigkeit ° Voraussetzungen ° Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der beantragten Anordnung ° Anrufung des Gerichtshofes im Wege des Vorabentscheidungsersuchens zur Prüfung der Gültigkeit ° Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden ° Berücksichtigung des Interesses der Gemeinschaft ° Beachtung der einschlägigen Gemeinschaftsrechtsprechung

(EG-Vertrag, Artikel 177, 185, 186 und 189 Absatz 2)

Leitsätze

Artikel 189 des Vertrages schließt die Befugnis der nationalen Gerichte nicht aus, in bezug auf einen nationalen Verwaltungsakt, der auf einer Gemeinschaftsverordnung beruht, deren Gültigkeit Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens ist, einstweilige Anordnungen zur vorläufigen Gestaltung oder Regelung der streitigen Rechtspositionen oder -verhältnisse zu treffen.

Denn der Gerichtshof hat aufgrund des Erfordernisses der Kohärenz des Systems des vorläufigen Rechtsschutzes bereits den nationalen Gerichten, die ihn mit derartigen Anträgen befasst hatten, die Möglichkeit eingeräumt, die Vollziehung eines auf der angefochtenen Verordnung beruhenden nationalen Verwaltungsakts auszusetzen, mit der Begründung, daß Artikel 185 des Vertrages dem Kläger im Rahmen einer Nichtigkeitsklage das Recht gibt, die Aussetzung der Durchführung der angefochtenen Handlung zu beantragen, und dem Gerichtshof die Befugnis verleiht, die Aussetzung anzuordnen. Zum einen ermächtigt der Vertrag den Gerichtshof nicht nur in Artikel 185, diese Aussetzung anzuordnen, sondern verleiht ihm in Artikel 186 ausserdem die Befugnis, die erforderlichen einstweiligen Anordnungen zu treffen, und zum andern darf der vorläufige Schutz, den die nationalen Gerichte den Bürgern aufgrund des Gemeinschaftsrechts gewähren müssen, nicht davon abhängen, ob diese die Aussetzung der Vollziehung eines nationalen Verwaltungsakts oder den Erlaß der in Rede stehenden einstweiligen Anordnungen beantragen, denn der Erlaß derartiger Anordnungen hat seiner Natur nach keine grösseren Auswirkungen auf die Gemeinschaftsrechtsordnung als die blosse Aussetzung der Vollziehung eines auf einer Gemeinschaftsverordnung beruhenden nationalen Verwaltungsakts.

Das nationale Gericht darf derartige einstweilige Anordnungen nur erlassen, wenn es erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der Handlung der Gemeinschaft hat und diese in seiner Entscheidung darlegt; wenn es, sofern der Gerichtshof mit dieser Gültigkeitsfrage noch nicht befasst ist, sie diesem selbst vorlegt; wenn die Entscheidung dringlich ist in dem Sinne, daß die einstweiligen Anordnungen erforderlich sind, um zu vermeiden, daß die sie beantragende Partei einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleidet, und wenn das Interesse der Gemeinschaft angemessen berücksichtigt wird. Diese Berücksichtigung verpflichtet das nationale Gericht, zu prüfen, ob der fraglichen Gemeinschaftsverordnung nicht jede praktische Wirksamkeit genommen wird, wenn sie nicht sofort angewandt wird, und insoweit der eventuellen Beeinträchtigung der in der gesamten Gemeinschaft eingeführten rechtlichen Regelung Rechnung zu tragen. Sie setzt im übrigen voraus, daß dieses Gericht die Möglichkeit hat, wenn der Erlaß von Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes ein finanzielles Risiko für die Gemeinschaft darstellt, von dem Antragsteller hinreichende Sicherheiten zu verlangen. Schließlich muß das nationale Gericht bei der Prüfung aller dieser Voraussetzungen die Entscheidungen des Gerichtshofes oder des Gerichts erster Instanz über die Rechtmässigkeit der Verordnung oder einen Beschluß im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes betreffend gleichartige einstweilige Anordnungen auf Gemeinschaftsebene beachten.

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