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Document 62022TJ0555

    Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 8. Mai 2024.
    Französische Republik gegen Europäische Kommission.
    Sprachenregelung – Bekanntmachung eines allgemeinen Auswahlverfahrens zur Einstellung von Beamten der Funktionsgruppe Administration und Experten in den Fachbereichen Verteidigungsindustrie und Weltraum – Beschränkung der Wahl der Sprache 2 auf Englisch – Verordnung Nr. 1 – Art. 1d Abs. 1, Art. 27 und Art. 28 Buchst. f des Statuts – Diskriminierung aufgrund der Sprache – Dienstliches Interesse – Verhältnismäßigkeit.
    Rechtssache T-555/22.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:T:2024:297

    Rechtssache T‑555/22

    Französische Republik

    gegen

    Europäische Kommission

    Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 8. Mai 2024

    „Sprachenregelung – Bekanntmachung eines allgemeinen Auswahlverfahrens zur Einstellung von Beamten der Funktionsgruppe Administration und Experten in den Fachbereichen Verteidigungsindustrie und Weltraum – Beschränkung der Wahl der Sprache 2 auf Englisch – Verordnung Nr. 1 – Art. 1d Abs. 1, Art. 27 und Art. 28 Buchst. f des Statuts – Diskriminierung aufgrund der Sprache – Dienstliches Interesse – Verhältnismäßigkeit“

    Beamte – Auswahlverfahren – Ablauf eines allgemeinen Auswahlverfahrens – Sprachen für die Teilnahme an den Prüfungen – Beschränkung der Wahl der zweiten Sprache – Diskriminierung aufgrund der Sprache – Rechtfertigung im Hinblick auf das dienstliche Interesse – Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Beweislast

    (Charta der Grundrechte, Art. 21 Abs. 1 und Art. 22; Beamtenstatut, Art. 1d Abs. 1, Art. 27 und Art. 28 Buchst. f und Anhang III Art. 1 Abs. 1 Buchst. f; Verordnung Nr. 1 des Rates, Art. 1)

    (vgl. Rn. 23-29, 35-39, 65-69, 72, 88, 89)

    Zusammenfassung

    Auf Klage der Französischen Republik, unterstützt durch drei weitere Mitgliedstaaten als Streithelfer, nämlich das Königreich Belgien, die Republik Griechenland und die italienische Republik, erklärt das Gericht die Bekanntmachung des allgemeinen Auswahlverfahrens EPSO/AD/400/22 für nichtig. Dieses Auswahlverfahren bezweckte die Erstellung von Reservelisten zur Einstellung von Beamten der Funktionsgruppe Administration und Experten in den Fachbereichen Verteidigungsindustrie und Weltraum bei der Kommission. Im Rahmen dieser Klage äußert sich das Gericht erstmals zur Rechtmäßigkeit einer Sprachenregelung eines allgemeinen Auswahlverfahrens, die die Wahl der zweiten Sprache dieses Auswahlverfahrens auf eine einzige Amtssprache der Union (Englisch) beschränkt und vorsieht, dass alle maßgeblichen Prüfungen dieses Auswahlverfahrens nur in dieser Sprache abgelegt werden.

    Im vorliegenden Fall machte die Französische Republik geltend, die in Rede stehende Bekanntmachung des Auswahlverfahrens verstoße gegen Art. 1d des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) in Verbindung mit den Art. 21 und 22 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union betreffend den Grundsatz der Nichtdiskriminierung und die Achtung der sprachlichen Vielfalt. Die Klägerin erläuterte, in Anbetracht der Verwendung und des Nutzens anderer Amtssprachen der Union in der Kommission als Englisch, insbesondere des Französischen, könne die Begründung, dass die eingestellten Personen sofort einsatzfähig sein müssten, eine solche Beschränkung nicht rechtfertigen, da sie nicht den tatsächlichen dienstlichen Anforderungen entspreche. Jedenfalls habe die Kommission die Verhältnismäßigkeit dieser Diskriminierung nicht nachgewiesen.

    Würdigung durch das Gericht

    Vorab weist das Gericht darauf hin, dass die Beschränkung der Wahl der zweiten Sprache durch die Bewerber eines Auswahlverfahrens auf eine begrenzte Zahl von Sprachen unter Ausschluss der anderen Amtssprachen eine nach Art. 1d Abs. 1 des Statuts grundsätzlich verbotene Diskriminierung aufgrund der Sprache darstellt. Bestimmte potenzielle Bewerber, die eine ausreichende Kenntnis mindestens einer der bezeichneten Sprachen besitzen, werden nämlich begünstigt, weil sie am Auswahlverfahren teilnehmen und somit als Beamte oder sonstige Bedienstete der Union eingestellt werden können, während andere Bewerber, die keine solche Kenntnis besitzen, ausgeschlossen werden.

    Dem weiten Gestaltungsspielraum, über den die Unionsorgane – und auch das Europäische Amt für Personalauswahl (EPSO), wenn es Befugnisse ausübt, die ihm von den Organen übertragen worden sind – bei der Organisation ihrer Dienststellen verfügen, sind demnach durch Art. 1d des Statuts Grenzen gesetzt. Ungleichbehandlungen aufgrund der Sprache durch eine Beschränkung der Sprachenregelung eines Auswahlverfahrens auf eine beschränkte Zahl von Amtssprachen sind deshalb nur zulässig, sofern die Einschränkung objektiv gerechtfertigt ist und sich nach den tatsächlichen dienstlichen Anforderungen richtet. Werden spezielle Sprachkenntnisse verlangt, muss dies auf klaren, objektiven und vorhersehbaren Kriterien beruhen, anhand deren die Bewerber nachvollziehen können, warum sie diese Voraussetzung erfüllen müssen, und die Unionsgerichte überprüfen können, ob die Voraussetzung rechtmäßig ist.

    Eine Diskriminierung aufgrund der Sprache kann durch das dienstliche Interesse gerechtfertigt werden, über Beamte zu verfügen, die die von der betreffenden Dienststelle verwendete Sprache oder Sprachen beherrschen, so dass sie sofort einsatzfähig sind. Jedoch obliegt einem Organ, das die Sprachenregelung für ein Auswahlverfahren auf eine begrenzte Zahl von Amtssprachen der Union beschränkt, der Nachweis, dass diese Beschränkung geeignet ist, den tatsächlichen Anforderungen der von den einzustellenden Personen zu erfüllenden Aufgaben zu entsprechen, dass sie in Bezug auf diese tatsächlichen Anforderungen verhältnismäßig ist und auf klaren, objektiven und vorhersehbaren Kriterien beruht. Das Gericht hat seinerseits konkret zu prüfen, ob diese Beschränkung objektiv gerechtfertigt und in Bezug auf die tatsächlichen Anforderungen der von den einzustellenden Personen zu erfüllenden Aufgaben verhältnismäßig ist.

    Was erstens die objektive Rechtfertigung der Sprachbeschränkung durch die tatsächlichen dienstlichen Anforderungen anbelangt, muss eine solche Beschränkung einen Bezug zu den Aufgaben aufweisen, die von den einzustellenden Personen zu erfüllen sind. Mit anderen Worten ist es Sache der Kommission, nachzuweisen, dass die in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens beschriebenen Aufgaben als solche Englischkenntnisse auf dem Niveau B2 erfordern. Im vorliegenden Fall knüpft die Kommission das Erfordernis, dass die einzustellenden Personen die englische Sprache auf Niveau B2 beherrschen müssen, um sofort einsatzfähig zu sein, jedoch nicht an die besonderen Aufgaben, die sie zu erfüllen haben, sondern nur daran, dass diese Personen diese Aufgaben in Dienststellen ausüben müssen, in denen das derzeitige Personal für die Wahrnehmung dieser Aufgaben hauptsächlich Englisch verwendet. Eine solche Argumentation, die lediglich darauf hinausläuft, dass die Aufgaben in englischer Sprache ausgeübt werden müssen, weil sie bereits in dieser Sprache ausgeübt werden, kann grundsätzlich nicht belegen, dass die streitige Sprachbeschränkung geeignet ist, den tatsächlichen dienstlichen Anforderungen in Bezug auf die von den eingestellten Personen zu erfüllenden Aufgaben zu entsprechen. Außerdem steht das Vorliegen einer angeblich „erwiesenen Tatsache“ nicht im Einklang mit der Situation einer Dienststelle, die erst jüngst geschaffen wurde und die sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens voll in der Phase des Personalaufbaus befand. Jedenfalls stellt das Gericht fest, dass das Vorbringen der Kommission durch die zu diesem Zweck vorgelegten Unterlagen nicht hinreichend untermauert worden ist. Folglich hat die Kommission nicht nachgewiesen, dass die Sprachbeschränkung gerechtfertigt war.

    Was zweitens die Verhältnismäßigkeit der Sprachbeschränkung angeht, haben die Organe das legitime Ziel, das die Begrenzung der Sprachen des Auswahlverfahrens rechtfertigt, und die Möglichkeiten für die eingestellten Beamten, die für das dienstliche Interesse erforderlichen Sprachen in den Organen zu erlernen, zum Ausgleich zu bringen. Da die Kommission keine solche Abwägung vorgenommen hat, hat sie nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass die streitige Sprachbeschränkung in einem angemessenen Verhältnis zu den dienstlichen Erfordernissen stand.

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