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Document 62015CJ0294

    Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 13. Oktober 2016.
    Edyta Mikołajczyk gegen Marie Louise Czarnecka und Stefan Czarnecki.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung – Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Art. 1 Abs. 1 Buchst. a – Sachlicher Anwendungsbereich – Von einem Dritten nach dem Tod eines der Ehegatten in Gang gesetztes Verfahren zur Ungültigerklärung einer Ehe – Art. 3 Abs. 1 – Zuständigkeit der Gerichte des Aufenthaltsmitgliedstaats des ‚Antragstellers‘ – Reichweite.
    Rechtssache C-294/15.

    Court reports – general

    Rechtssache C‑294/15

    Edyta Mikołajczyk

    gegen

    Marie Louise Czarnecka

    und

    Stefan Czarnecki

    (Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Apelacyjny w Warszawie)

    „Vorlage zur Vorabentscheidung — Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen — Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung — Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 — Art. 1 Abs. 1 Buchst. a — Sachlicher Anwendungsbereich — Von einem Dritten nach dem Tod eines der Ehegatten in Gang gesetztes Verfahren zur Ungültigerklärung einer Ehe — Art. 3 Abs. 1 — Zuständigkeit der Gerichte des Aufenthaltsmitgliedstaats des ‚Antragstellers‘ — Reichweite“

    Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 13. Oktober 2016

    1. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung – Verordnung Nr. 2201/2003 – Geltungsbereich – Begriff „Ungültigerklärung einer Ehe“ – Von einem Dritten nach dem Tod eines der Ehegatten in Gang gesetztes Verfahren zur Ungültigerklärung einer Ehe – Einbeziehung

      (Verordnung Nr. 2201/2003 des Rates, Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3)

    2. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung – Verordnung Nr. 2201/2003 – Allgemeine Zuständigkeit – Alternative Zuständigkeitskriterien in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a fünfter und sechster Gedankenstrich – Begriff „Antragsteller“ – Autonome und einheitliche Auslegung

      (Verordnung Nr. 2201/2003 des Rates, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a fünfter und sechster Gedankenstrich)

    3. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung – Verordnung Nr. 2201/2003 – Alternative Zuständigkeitskriterien in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a fünfter und sechster Gedankenstrich – Begriff „Antragsteller“ – Von den Ehegatten verschiedene Person – Ausschluss

      (Verordnung Nr. 2201/2003 des Rates, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a fünfter und sechster Gedankenstrich)

    1.  Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1347/2000 ist dahin auszulegen, dass ein von einem Dritten nach dem Tod eines der Ehegatten in Gang gesetztes Verfahren über die Ungültigerklärung einer Ehe in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 2201/2003 fällt.

      Was erstens den Wortlaut dieser Bestimmung betrifft, zählt diese nämlich zu den Gegenständen, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, insbesondere die Ungültigerklärung einer Ehe, ohne nach dem Zeitpunkt der Einleitung eines solchen Verfahrens in Bezug auf den Tod eines der Ehegatten oder nach der Identität der zur Ingangsetzung eines solchen Gerichtsverfahrens befugten Person zu differenzieren.

      Eine solche Auslegung wird zweitens auch durch den systematischen Zusammenhang dieser Bestimmung bekräftigt. In dieser Hinsicht zählt Art. 1 Abs. 3 dieser Verordnung die vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossenen Materien abschließend auf. Nun zählt ein von einem Dritten nach dem Tod eines der Ehegatten in Gang gesetztes Eheungültigkeitsverfahren nicht zu diesen ausgeschlossenen Materien.

      Drittens wird diese Auslegung auch durch das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel bestätigt, die zur Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beiträgt, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist. Ein Ausschluss eines ein von einem Dritten nach dem Tod eines der Ehegatten in Gang gesetztes Eheungültigkeitsverfahren vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 2201/2003 wäre hingegen der Verfolgung dieses Ziels insofern abträglich, als dieser Ausschluss die mit dem Fehlen eines einheitlichen Regelungsrahmens in diesem Bereich verbundene Rechtsunsicherheit verstärken könnte, und zwar umso mehr, als die Verordnung Nr. 650/2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses weder Personenstandsfragen noch Familienverhältnisse abdeckt.

      (vgl. Rn. 27-30, 32-34, 37, Tenor 1)

    2.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Rn. 44, 45)

    3.  Art. 3 Abs. 1 Buchst. a fünfter und sechster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1347/2000 ist dahin auszulegen, dass eine andere Person als einer der Ehegatten, die ein Verfahren über die Ungültigerklärung einer Ehe in Gang setzt, sich nicht auf die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Zuständigkeitsgrundlagen stützen kann.

      Die in Art. 3 der Verordnung Nr. 2201/2003 festgelegten Zuständigkeitsregeln einschließlich der in seinem Abs. 1 Buchst. a fünfter und sechster Gedankenstrich vorgesehenen sind nämlich zur Wahrung der Interessen der Ehegatten konzipiert worden. Eine solche Auslegung entspricht auch dem Ziel dieser Verordnung, da diese flexible Kollisionsregeln eingeführt hat, um auf die Freizügigkeit der Personen Rücksicht zu nehmen und auch die Rechte des Ehegatten zu schützen, der den Staat des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts verlassen hat, gleichzeitig aber auch das Bestehen einer tatsächlichen Beziehung zwischen dem Verfahrensbeteiligten und dem Mitgliedstaat, der die Zuständigkeit wahrnimmt, zu gewährleisten. Daraus folgt, dass ein von einem Dritten in Gang gesetztes Eheungültigkeitsverfahren zwar in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 2201/2003 fällt, dieser Dritte aber an die zugunsten der Ehegatten festgelegten Zuständigkeitsregeln gebunden bleiben muss. Diese Auslegung nimmt dem Dritten im Übrigen nicht den Zugang zu Gericht, da er sich auf andere in Art. 3 dieser Verordnung vorgesehene Zuständigkeitskriterien stützen kann.

      (vgl. Rn. 49-51, 53, Tenor 2)

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