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Document 62010CJ0378

    Leitsätze des Urteils

    Rechtssache C-378/10

    VALE Építési kft

    (Vorabentscheidungsersuchen des Legfelsőbb Bíróság)

    „Art. 49 AEUV und 54 AEUV — Niederlassungsfreiheit — Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität — Grenzüberschreitende Umwandlung — Ablehnung der Eintragung in das Handelsregister“

    Leitsätze des Urteils

    1. Vorabentscheidungsverfahren – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Grenzen – Allgemeine oder hypothetische Fragen – Fragen zur Entscheidung eines Mitgliedstaats, gegenüber einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat die Eintragung in das Handelsregister abzulehnen – Zulässigkeit

      (Art. 267 AEUV)

    2. Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Bestimmungen des Vertrags – Anwendungsbereich – Grenzüberschreitende Umwandlung einer Gesellschaft – Nationale Regelung, die nur die Umwandlung von inländischen Gesellschaften zulässt und dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Gesellschaften ausschließt – Einbeziehung

      (Art. 49 AEUV und 54 AEUV)

    3. Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Nationale Regelung, die die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft generell ausschließt – Beschränkung der Niederlassungsfreiheit – Rechtfertigung – Fehlen

      (Art. 49 AEUV und 54 AEUV)

    4. Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Grenzüberschreitende Umwandlung einer Gesellschaft – Vom Aufnahmemitgliedstaat vorgenommene Anwendung der nationalen Regelung über innerstaatliche Umwandlungen, die die Gründung und die Funktionsweise von Gesellschaften regelt – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Einhaltung der Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz

      (Art. 49 AEUV und 54 AEUV)

    1.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 18-19)

    2.  Eine aus einer grenzüberschreitenden Umwandlung hervorgehende Gesellschaft unterliegt zwangsläufig allein dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaats, das die erforderliche Anknüpfung wie auch die Gründung und die Funktionsweise der Gesellschaft regelt. Somit kann die Wendung „soweit dies nach diesem Recht möglich ist“ am Ende von Randnr. 112 des Urteils vom 16. Dezember 2008, Cartesio, C-210/06, nicht dahin verstanden werden, dass damit die Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Umwandlung von Gesellschaften von vornherein den Regeln des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit entzogen werden sollen; vielmehr soll damit schlicht die Erwägung zum Ausdruck gebracht werden, dass eine aufgrund einer nationalen Rechtsordnung gegründete Gesellschaft nur vermittels der nationalen Rechtsvorschriften existiert, die somit die Gründung der Gesellschaft „ermöglichen“, wenn die hierfür aufgestellten Bedingungen erfüllt sind.

      Daher fällt eine nationale Regelung, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft nicht erlaubt, in den Anwendungsbereich der Art. 49 AEUV und 54 AEUV.

      (vgl. Randnrn. 30-33)

    3.  Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft mittels Gründung der letztgenannten Gesellschaft generell nicht zulässt.

      Zum einen kann eine unterschiedliche Behandlung, die davon abhängt, ob es sich um eine grenzüberschreitende oder eine innerstaatliche Umwandlung handelt, nicht mit dem Fehlen von Vorschriften des abgeleiteten Unionsrechts gerechtfertigt werden. Zum anderen können zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Schutz der Interessen von Gläubigern, Minderheitsgesellschaftern und Arbeitnehmern sowie der Wahrung der Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen und der Lauterkeit des Handelsverkehrs zwar eine die Niederlassungsfreiheit beschränkende Maßnahme rechtfertigen, wenn eine solche Maßnahme zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was zu ihrer Erreichung erforderlich ist. Eine solche Rechtfertigung gibt es jedoch nicht, wenn die betreffende nationale Regelung grenzüberschreitende Umwandlungen generell ausschließt, was dazu führt, dass sie auch dann nicht vorgenommen werden können, wenn die genannten Interessen nicht bedroht sind. Jedenfalls geht eine solche Regelung über das hinaus, was zur Erreichung der im Schutz der genannten Interessen bestehenden Ziele erforderlich ist.

      (vgl. Randnrn. 38, 39-41, Tenor 1)

    4.  Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind im Kontext einer grenzüberschreitenden Umwandlung einer Gesellschaft dahin auszulegen, dass der Aufnahmemitgliedstaat befugt ist, das für einen solchen Vorgang maßgebende innerstaatliche Recht festzulegen und somit die Bestimmungen seines nationalen Rechts über innerstaatliche Umwandlungen anzuwenden, die – wie die Anforderungen an die Erstellung einer Bilanz und eines Vermögensverzeichnisses – die Gründung und die Funktionsweise einer Gesellschaft regeln. Der Äquivalenzgrundsatz und der Effektivitätsgrundsatz verwehren es jedoch dem Aufnahmemitgliedstaat,

      bei grenzüberschreitenden Umwandlungen die Eintragung der die Umwandlung beantragenden Gesellschaft als „Rechtsvorgängerin“ zu verweigern, wenn eine solche Eintragung der Vorgängergesellschaft im Handelsregister bei innerstaatlichen Umwandlungen vorgesehen ist, und

      sich zu weigern, den von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Dokumenten im Verfahren zur Eintragung der Gesellschaft gebührend Rechnung zu tragen.

      (vgl. Randnr. 62, Tenor 2)

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    Rechtssache C-378/10

    VALE Építési kft

    (Vorabentscheidungsersuchen des Legfelsőbb Bíróság)

    „Art. 49 AEUV und 54 AEUV — Niederlassungsfreiheit — Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität — Grenzüberschreitende Umwandlung — Ablehnung der Eintragung in das Handelsregister“

    Leitsätze des Urteils

    1. Vorabentscheidungsverfahren — Zuständigkeit des Gerichtshofs — Grenzen — Allgemeine oder hypothetische Fragen — Fragen zur Entscheidung eines Mitgliedstaats, gegenüber einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat die Eintragung in das Handelsregister abzulehnen — Zulässigkeit

      (Art. 267 AEUV)

    2. Freizügigkeit — Niederlassungsfreiheit — Bestimmungen des Vertrags — Anwendungsbereich — Grenzüberschreitende Umwandlung einer Gesellschaft — Nationale Regelung, die nur die Umwandlung von inländischen Gesellschaften zulässt und dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Gesellschaften ausschließt — Einbeziehung

      (Art. 49 AEUV und 54 AEUV)

    3. Freizügigkeit — Niederlassungsfreiheit — Nationale Regelung, die die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft generell ausschließt — Beschränkung der Niederlassungsfreiheit — Rechtfertigung — Fehlen

      (Art. 49 AEUV und 54 AEUV)

    4. Freizügigkeit — Niederlassungsfreiheit — Grenzüberschreitende Umwandlung einer Gesellschaft — Vom Aufnahmemitgliedstaat vorgenommene Anwendung der nationalen Regelung über innerstaatliche Umwandlungen, die die Gründung und die Funktionsweise von Gesellschaften regelt — Zulässigkeit — Voraussetzungen — Einhaltung der Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz

      (Art. 49 AEUV und 54 AEUV)

    1.  Siehe Text der Entscheidung.

      (vgl. Randnrn. 18-19)

    2.  Eine aus einer grenzüberschreitenden Umwandlung hervorgehende Gesellschaft unterliegt zwangsläufig allein dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaats, das die erforderliche Anknüpfung wie auch die Gründung und die Funktionsweise der Gesellschaft regelt. Somit kann die Wendung „soweit dies nach diesem Recht möglich ist“ am Ende von Randnr. 112 des Urteils vom 16. Dezember 2008, Cartesio, C-210/06, nicht dahin verstanden werden, dass damit die Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Umwandlung von Gesellschaften von vornherein den Regeln des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit entzogen werden sollen; vielmehr soll damit schlicht die Erwägung zum Ausdruck gebracht werden, dass eine aufgrund einer nationalen Rechtsordnung gegründete Gesellschaft nur vermittels der nationalen Rechtsvorschriften existiert, die somit die Gründung der Gesellschaft „ermöglichen“, wenn die hierfür aufgestellten Bedingungen erfüllt sind.

      Daher fällt eine nationale Regelung, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft nicht erlaubt, in den Anwendungsbereich der Art. 49 AEUV und 54 AEUV.

      (vgl. Randnrn. 30-33)

    3.  Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft mittels Gründung der letztgenannten Gesellschaft generell nicht zulässt.

      Zum einen kann eine unterschiedliche Behandlung, die davon abhängt, ob es sich um eine grenzüberschreitende oder eine innerstaatliche Umwandlung handelt, nicht mit dem Fehlen von Vorschriften des abgeleiteten Unionsrechts gerechtfertigt werden. Zum anderen können zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Schutz der Interessen von Gläubigern, Minderheitsgesellschaftern und Arbeitnehmern sowie der Wahrung der Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen und der Lauterkeit des Handelsverkehrs zwar eine die Niederlassungsfreiheit beschränkende Maßnahme rechtfertigen, wenn eine solche Maßnahme zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was zu ihrer Erreichung erforderlich ist. Eine solche Rechtfertigung gibt es jedoch nicht, wenn die betreffende nationale Regelung grenzüberschreitende Umwandlungen generell ausschließt, was dazu führt, dass sie auch dann nicht vorgenommen werden können, wenn die genannten Interessen nicht bedroht sind. Jedenfalls geht eine solche Regelung über das hinaus, was zur Erreichung der im Schutz der genannten Interessen bestehenden Ziele erforderlich ist.

      (vgl. Randnrn. 38, 39-41, Tenor 1)

    4.  Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind im Kontext einer grenzüberschreitenden Umwandlung einer Gesellschaft dahin auszulegen, dass der Aufnahmemitgliedstaat befugt ist, das für einen solchen Vorgang maßgebende innerstaatliche Recht festzulegen und somit die Bestimmungen seines nationalen Rechts über innerstaatliche Umwandlungen anzuwenden, die – wie die Anforderungen an die Erstellung einer Bilanz und eines Vermögensverzeichnisses – die Gründung und die Funktionsweise einer Gesellschaft regeln. Der Äquivalenzgrundsatz und der Effektivitätsgrundsatz verwehren es jedoch dem Aufnahmemitgliedstaat,

      bei grenzüberschreitenden Umwandlungen die Eintragung der die Umwandlung beantragenden Gesellschaft als „Rechtsvorgängerin“ zu verweigern, wenn eine solche Eintragung der Vorgängergesellschaft im Handelsregister bei innerstaatlichen Umwandlungen vorgesehen ist, und

      sich zu weigern, den von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Dokumenten im Verfahren zur Eintragung der Gesellschaft gebührend Rechnung zu tragen.

      (vgl. Randnr. 62, Tenor 2)

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