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Document 32008F0947

Rahmenbeschluss 2008/947/JI des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen

OJ L 337, 16.12.2008, p. 102–122 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
Special edition in Croatian: Chapter 19 Volume 016 P. 148 - 168

Legal status of the document In force: This act has been changed. Current consolidated version: 28/03/2009

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec_framw/2008/947/oj

16.12.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 337/102


RAHMENBESCHLUSS 2008/947/JI DES RATES

vom 27. November 2008

über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 31 Absatz 1 Buchstaben a und c und Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b,

auf Initiative der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik (1),

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Europäische Union hat sich den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts als Ziel gesteckt. Dies setzt voraus, dass alle Mitgliedstaaten ein in seinen tragenden Elementen gleiches Verständnis von Freiheit, Sicherheit und Recht haben, das auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit beruht.

(2)

Die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union soll für alle Bürger zu einem hohen Maß an Sicherheit führen. Einer der Ecksteine hierfür ist der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung justizieller Entscheidungen, der in den Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates in Tampere vom 15. und 16. Oktober 1999 festgelegt und im Haager Programm vom 4. und 5. November 2004 zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union (3) bekräftigt wurde. Im Maßnahmenprogramm vom 29. November 2000, das zum Zweck der Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen angenommen wurde, hat sich der Rat für die Zusammenarbeit im Bereich der Bewährungsstrafen und bedingten Entlassungen ausgesprochen.

(3)

Der Rahmenbeschluss 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union (4) betrifft die gegenseitige Anerkennung und die Vollstreckung von freiheitsentziehenden Strafen oder Maßnahmen. Insbesondere für Fälle, in denen gegen eine Person, die ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Urteilsstaat hat, eine nicht freiheitsentziehende Strafe, die mit der Überwachung von Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen verbunden ist, verhängt wurde, sind weitere gemeinsame Vorschriften nötig.

(4)

Das Übereinkommen des Europarates vom 30. November 1964 über die Überwachung bedingt verurteilter oder bedingt entlassener Personen wurde nur von 12 Mitgliedstaaten, zum Teil unter Erklärung zahlreicher Vorbehalte, ratifiziert. Mit dem vorliegenden Rahmenbeschluss steht ein wirksameres Instrument zur Verfügung, da dieser sich auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung stützt und alle Mitgliedstaaten teilnehmen.

(5)

Dieser Rahmenbeschluss achtet die Grundrechte und wahrt die in Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union anerkannten Grundsätze, die auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere in deren Kapitel VI, zum Ausdruck kommen. Keine Bestimmung dieses Rahmenbeschlusses sollte in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie es untersagt, die Anerkennung eines Urteils und/oder die Überwachung einer Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion abzulehnen, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Bewährungsmaßnahme oder alternative Sanktion zum Zwecke der Bestrafung einer Person aus Gründen ihres Geschlechts, ihrer Rasse, Religion, ethnischen Herkunft, Staatsangehörigkeit, Sprache, politischen Überzeugung oder sexuellen Ausrichtung verhängt wurde oder dass die Stellung dieser Person aus einem dieser Gründe beeinträchtigt sein könnte.

(6)

Dieser Rahmenbeschluss sollte jedem Mitgliedstaat die Freiheit zur Anwendung seiner verfassungsmäßigen Regelungen des Rechts auf rechtliches Gehör, der Vereinigungsfreiheit, der Pressefreiheit, der Freiheit der Meinungsäußerung in anderen Medien und der Religionsfreiheit belassen.

(7)

Die Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses sollten im Einklang mit dem Recht der Unionsbürger, sich gemäß Artikel 18 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in den Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, angewandt werden.

(8)

Die gegenseitige Anerkennung und Überwachung von Bewährungsstrafen, bedingten Verurteilungen, alternativen Sanktionen und Entscheidungen über bedingte Entlassungen soll die Aussichten auf Resozialisierung der verurteilten Person erhöhen, indem ihr die Möglichkeit verschafft wird, die familiären, sprachlichen, kulturellen und sonstigen Beziehungen aufrechtzuerhalten; es soll aber auch die Kontrolle der Einhaltung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen verbessert werden mit dem Ziel, neue Straftaten zu unterbinden und damit dem Gedanken des Opferschutzes und des Schutzes der Allgemeinheit Rechung zu tragen.

(9)

Es gibt mehrere Arten von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen, die in den Mitgliedstaaten allgemein vorgesehen sind und zu deren Überwachung sich alle Mitgliedstaaten grundsätzlich bereit erklärt haben. Die Überwachung derartiger Maßnahmen und Sanktionen sollte obligatorisch sein, vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen nach diesem Rahmenbeschluss. Die Mitgliedstaaten können erklären, dass sie zusätzlich bereit sind, andere Arten von Bewährungsmaßnahmen und/oder andere Arten alternativer Sanktionen zu überwachen.

(10)

Die Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen, deren Überwachung grundsätzlich obligatorisch ist, umfassen unter anderem Auflagen betreffend das Verhalten (z. B. Verpflichtung zur Einstellung des Alkoholkonsums), den Wohnort (z. B. Verpflichtung zum Wohnortwechsel aufgrund häuslicher Gewalt), die Ausbildung und Schulung (z. B. Verpflichtung zur Teilnahme an einem Kurs für sicheres Fahren), die Freizeitgestaltung (z. B. Verpflichtung, einen bestimmten Sport nicht mehr auszuüben oder an bestimmten Sportveranstaltungen nicht mehr teilzunehmen) sowie Beschränkungen oder Modalitäten der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit (z. B. Verpflichtung, die Erwerbstätigkeit in ein anderes berufliches Umfeld zu verlagern; diese Verpflichtung erstreckt sich nicht auf die Überwachung der Einhaltung eines als Teil der Sanktion angeordneten Berufsverbots).

(11)

Im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Verfahren könnte gegebenenfalls auf die elektronische Überwachung zurückgegriffen werden, um Bewährungsmaßnahmen oder alternative Sanktionen zu überwachen.

(12)

Der Mitgliedstaat, in dem die betreffende Person verurteilt wurde, kann das Urteil und gegebenenfalls die Bewährungsentscheidung an den Mitgliedstaat übermitteln, in dem die verurteilte Person ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt hat, damit dessen oder deren Anerkennung erfolgt und die darin angeordneten Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen überwacht werden.

(13)

Die zuständige Behörde des Ausstellungsmitgliedstaats sollte jeweils anhand einer Einzelfallentscheidung über die Übermittlung des Urteils und gegebenenfalls der Bewährungsentscheidung an einen anderen Mitgliedstaat entscheiden, wobei sie auch Erklärungen nach den Artikeln 5 Absatz 4, 10 Absatz 4 und 14 Absatz 3 Rechnung tragen sollte.

(14)

Das Urteil und gegebenenfalls die Bewährungsentscheidung können auch an einen anderen Mitgliedstaat als den Mitgliedstaat, in dem die verurteilte Person ihren Wohnsitz hat, übermittelt werden, wenn die zuständige Behörde dieses Vollstreckungsstaats unter Berücksichtigung der Voraussetzungen, die in der einschlägigen Erklärung dieses Staates gemäß diesem Rahmenbeschluss dargelegt sind, dieser Übermittlung zustimmt. Die Zustimmung kann im Hinblick auf die Resozialisierung insbesondere erfolgen, wenn die verurteilte Person die Absicht hat, sich ohne ihr Aufenthaltsrecht zu verlieren in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, weil sie dort im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht einen Arbeitsvertrag erhalten hat, wenn sie Angehörige einer Person ist, die ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hat, oder wenn sie in diesem Mitgliedstaat ein Studium oder eine Ausbildung aufnehmen möchte.

(15)

Die Mitgliedstaaten sollten für die Anerkennung eines Urteils und gegebenenfalls einer Bewährungsentscheidung ihre eigenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Verfahren anwenden. Bei bedingten Verurteilungen oder alternativen Sanktionen, bei denen das Urteil keine Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßnahme enthält, die bei einem Verstoß gegen die betreffenden Auflagen oder Weisungen zu vollstrecken ist, könnte dies bedeuten, dass Mitgliedstaaten, welche die einschlägige Erklärung im Einklang mit diesem Rahmenbeschluss abgegeben haben, sich bei der Entscheidung über die Anerkennung einverstanden erklären, die betreffenden Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen zu überwachen und keine andere Zuständigkeit als lediglich jene für den Erlass der Folgeentscheidungen zu übernehmen, die in der Änderung von in der Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion enthaltenen Auflagen oder Weisungen oder in der Änderung der Dauer der Bewährungszeit bestehen. Somit hat die Anerkennung in diesen Fällen keine weitere Wirkung als dem Vollstreckungsstaat zu ermöglichen, derartige Folgeentscheidungen zu treffen.

(16)

Ein Mitgliedstaat kann die Anerkennung eines Urteils und gegebenenfalls einer Bewährungsentscheidung ablehnen, wenn das betreffende Urteil gegen eine Person ergangen ist, die, wie beispielsweise im Falle eines Geisteskranken, nicht als schuldig befunden wurde, oder wenn das Urteil oder gegebenenfalls die Bewährungsentscheidung eine medizinisch-therapeutische Maßnahme enthält, die der Vollstreckungsstaat gemäß seinem innerstaatlichen Recht bei solchen Personen nicht überwachen kann.

(17)

Der Versagungsgrund im Zusammenhang mit der Territorialität sollte nur in Ausnahmefällen geltend gemacht werden, wobei auf eine möglichst umfassende Zusammenarbeit nach diesem Rahmenbeschluss zu achten und auch seinen Zielen Rechnung zu tragen ist. Jede Entscheidung über die Anwendung dieses Versagungsgrunds sollte auf einer Einzelfallanalyse und auf Konsultationen zwischen den zuständigen Behörden des Ausstellungs- und des Vollstreckungsstaats beruhen.

(18)

Sehen die Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen eine gemeinnützige Leistung vor, so sollte der Vollstreckungsstaat berechtigt sein, die Anerkennung des Urteils und gegebenenfalls der Bewährungsentscheidung abzulehnen, wenn die gemeinnützige Leistung normalerweise in weniger als sechs Monaten abgeleistet wäre.

(19)

Das Formblatt der Bescheinigung ist so ausgestaltet, dass der wesentliche Inhalt des Urteils und gegebenenfalls der Bewährungsentscheidung in der Bescheinigung erfasst wird; dieses sollte in die Amtsprache bzw. eine der Amtssprachen des Vollstreckungsstaats übersetzt werden. Die Bescheinigung sollte die zuständigen Behörden dieses Staates beim Erlassen der unter diesen Rahmenbeschluss fallenden Entscheidungen unterstützen, einschließlich der Entscheidungen über die Anerkennung und die Übernahme der Zuständigkeit für die Überwachung der Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen, der Entscheidungen über die Anpassung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen sowie der Folgeentscheidungen, insbesondere im Fall der Nichterfüllung einer Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion.

(20)

In Anbetracht des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, auf den sich dieser Rahmenbeschluss stützt, sollten der Ausstellungsstaat und der Vollstreckungsstaat bei der Anwendung dieses Rahmenbeschlusses unmittelbare Kontakte zwischen ihren zuständigen Behörden fördern.

(21)

Alle Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass jeder verurteilten Person, gegen die eine Entscheidung nach diesem Rahmenbeschluss ergeht, im Einklang mit ihrem innerstaatlichen Recht Rechte und Rechtsbehelfe zustehen, ungeachtet dessen, ob die für Entscheidungen nach diesem Rahmenbeschluss zuständigen Behörden justizielle Stellen sind oder nicht.

(22)

Sämtliche weitere mit der Bewährungsstrafe, der bedingten Verurteilung oder der alternativen Sanktion in Zusammenhang stehende Entscheidungen, die zur Verhängung einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßnahme führen, sollten durch eine Justizbehörde erlassen werden.

(23)

Da alle Mitgliedstaaten das Übereinkommen des Europarates vom 28. Januar 1981 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten ratifiziert haben, sollten die bei der Durchführung dieses Rahmenbeschlusses zu verarbeitenden personenbezogenen Daten gemäß den Grundsätzen dieses Übereinkommens geschützt werden.

(24)

Da die Ziele dieses Rahmenbeschlusses, nämlich die Erleichterung der Resozialisierung einer verurteilten Person, die Verbesserung des Opferschutzes und des Schutzes der Allgemeinheit sowie die Erleichterung der Anwendung angemessener Bewährungsmaßnahmen und alternativer Sanktionen auf Straftäter, die nicht im Urteilsmitgliedstaat leben, wegen des grenzüberschreitenden Charakters der damit verbundenen Situationen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können und daher wegen des Umfangs der Maßnahme besser auf Unionsebene zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft niedergelegten Subsidiaritätsprinzip, wie es in Artikel 2 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union angewandt wird, tätig werden. Entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Artikel 5 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft geht dieser Rahmenbeschluss nicht über das zur Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus —

HAT FOLGENDEN RAHMENBESCHLUSS ANGENOMMEN:

Artikel 1

Ziele und Anwendungsbereich

(1)   Ziel dieses Rahmenbeschlusses ist die Erleichterung der Resozialisierung einer verurteilten Person, die Verbesserung des Opferschutzes und des Schutzes der Allgemeinheit sowie die Erleichterung der Anwendung angemessener Bewährungsmaßnahmen und alternativer Sanktionen auf Straftäter, die nicht im Urteilsstaat leben. Um diese Ziele zu erreichen, werden in diesem Rahmenbeschluss Regeln festgelegt, nach denen ein anderer Mitgliedstaat als der Mitgliedstaat, in dem die betreffende Person verurteilt wurde, die Urteile und gegebenenfalls die Bewährungsentscheidungen anerkennt und die auf der Grundlage eines Urteils verhängten Bewährungsmaßnahmen oder die in einem solchen Urteil enthaltenen alternativen Sanktionen überwacht und alle Folgeentscheidungen im Zusammenhang mit diesem Urteil trifft, soweit in dem vorliegenden Rahmenbeschluss nichts anderes vorgesehen ist.

(2)   Der Rahmenbeschluss gilt nur für:

a)

die Anerkennung von Urteilen und gegebenenfalls Bewährungsentscheidungen;

b)

die Übernahme der Zuständigkeit für die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen;

c)

alle Folgeentscheidungen, die mit den in den Buchstaben a und b genannten Entscheidungen zusammenhängen;

im Sinne dieses Rahmenbeschlusses.

(3)   Der Rahmenbeschluss gilt nicht für

a)

die Vollstreckung eines Urteils in Strafsachen, durch das eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird und das in den Anwendungsbereich des Rahmenbeschlusses 2008/909/JI fällt;

b)

die Anerkennung und Vollstreckung von Geldbußen oder Geldstrafen und Einziehungsentscheidungen, die in den Anwendungsbereich des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen (5) und des Rahmenbeschlusses 2006/783/JI des Rates vom 6. Oktober 2006 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Einziehungsentscheidungen fallen (6).

(4)   Dieser Rahmenbeschluss berührt nicht die Verpflichtung zur Achtung der Grundrechte und der allgemeinen Rechtsgrundsätze gemäß Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses bezeichnet der Ausdruck

1.

„Urteil“ die rechtskräftige Entscheidung oder Anordnung eines Gerichts des Ausstellungsstaats, durch die festgestellt wird, dass eine natürliche Person eine Straftat begangen hat, und gegen sie

a)

eine Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßnahme, sofern eine bedingte Entlassung auf der Grundlage dieses Urteils oder aufgrund einer nachfolgenden Bewährungsentscheidung gewährt wurde;

b)

eine Bewährungsstrafe;

c)

eine bedingte Verurteilung;

d)

eine alternative Sanktion verhängt wird.

2.

„Bewährungsstrafe“ eine Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßnahme, deren Vollstreckung mit der Verurteilung unter Auferlegung einer oder mehrerer Bewährungsmaßnahmen ganz oder teilweise bedingt ausgesetzt wird. Diese Bewährungsmaßnahmen können entweder im Urteil selbst oder in einer eigenständigen Bewährungsentscheidung einer zuständigen Behörde auferlegt werden;

3.

„bedingte Verurteilung“ ein Urteil, bei dem die Straffestsetzung dadurch bedingt zurückgestellt wird, dass eine oder mehrere Bewährungsmaßnahmen auferlegt werden, oder bei dem eine oder mehrere Bewährungsmaßnahmen statt einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßnahme auferlegt werden. Diese Bewährungsmaßnahmen können entweder im Urteil selbst oder in einer eigenständigen Bewährungsentscheidung einer zuständigen Behörde auferlegt werden;

4.

„alternative Sanktion“ eine Sanktion, die keine Freiheitsstrafe, freiheitsentziehende Maßnahme oder Geldstrafe ist und mit der eine Auflage oder Weisung ergeht;

5.

„Bewährungsentscheidung“ ein Urteil oder eine auf der Grundlage eines derartigen Urteils ergangene rechtskräftige Entscheidung einer zuständigen Behörde des Ausstellungsstaats, mit dem/der

a)

eine bedingte Entlassung gewährt wird oder

b)

Bewährungsmaßnahmen auferlegt werden;

6.

„bedingte Entlassung“ eine von einer zuständigen Behörde erlassene rechtskräftige Entscheidung oder sich aus dem innerstaatlichen Recht ergebende Rechtsfolge, wonach eine verurteilte Person nach der Verbüßung eines Teils einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßnahme unter Auferlegung einer oder mehrerer Bewährungsmaßnahmen vorzeitig entlassen wird;

7.

„Bewährungsmaßnahmen“ Auflagen und Weisungen, die einer natürlichen Person nach Maßgabe des nationalen Rechts des Ausstellungsstaats im Zusammenhang mit einer Bewährungsstrafe, einer bedingten Verurteilung oder einer bedingten Entlassung von einer zuständigen Behörde auferlegt werden;

8.

„Ausstellungsstaat“ den Mitgliedstaat, in dem ein Urteil ergangen ist;

9.

„Vollstreckungsstaat“ den Mitgliedstaat, in dem die Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen auf der Grundlage einer Entscheidung nach Artikel 8 überwacht werden.

Artikel 3

Benennung der zuständigen Behörden

(1)   Jeder Mitgliedstaat teilt dem Generalsekretariat des Rates mit, welche Behörde(n) nach seinem nationalen Recht gemäß diesem Rahmenbeschluss zuständig ist bzw. sind, wenn dieser Mitgliedstaat der Ausstellungsstaat oder der Vollstreckungsstaat ist.

(2)   Die Mitgliedstaaten können bei der Festlegung der für Entscheidungen nach diesem Rahmenbeschluss zuständigen Behörden auch nicht justizielle Stellen benennen, sofern diese nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Verfahren für vergleichbare Entscheidungen zuständig sind.

(3)   Wird eine Entscheidung nach Artikel 14 Absatz 1 Buchstaben b oder c von einer anderen zuständigen Behörde als einem Gericht erlassen, so stellt der Mitgliedstaat sicher, dass diese Entscheidung auf Antrag der betroffenen Person von einem Gericht oder einer anderen unabhängigen gerichtsähnlichen Instanz überprüft werden kann.

(4)   Das Generalsekretariat des Rates macht die erhaltenen Angaben allen Mitgliedstaaten und der Kommission zugänglich.

Artikel 4

Arten der Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen

(1)   Dieser Rahmenbeschluss gilt für folgende Bewährungsmaßnahmen und alternative Sanktionen:

a)

Verpflichtung der verurteilten Person, einer bestimmten Behörde jeden Wohnsitzwechsel oder Arbeitsplatzwechsel mitzuteilen;

b)

Verpflichtung, bestimmte Orte, Plätze oder festgelegte Gebiete im Ausstellungs- oder Vollstreckungsstaat nicht zu betreten;

c)

Verpflichtung, die Beschränkungen für das Verlassen des Hoheitsgebiets des Vollstreckungsstaats beinhaltet;

d)

Weisungen, die das Verhalten, den Aufenthalt, die Ausbildung und Schulung oder die Freizeitgestaltung betreffen oder die Beschränkungen oder Modalitäten der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit beinhalten;

e)

Verpflichtung, sich zu bestimmten Zeiten bei einer bestimmten Behörde zu melden;

f)

Verpflichtung, den Kontakt mit bestimmten Personen zu meiden;

g)

Verpflichtung, den Kontakt mit bestimmten Gegenständen, die von der verurteilten Person für die Begehung einer Straftat verwendet wurden oder verwendet werden könnten, zu meiden;

h)

Verpflichtung, den durch die Tat verursachten Schaden finanziell wieder gutzumachen und/oder Verpflichtung, einen Nachweis über die Einhaltung dieser Verpflichtung zu erbringen;

i)

Verpflichtung, eine gemeinnützige Leistung zu erbringen;

j)

Verpflichtung, mit einem Bewährungshelfer oder einem Vertreter eines Sozialdienstes zusammenzuarbeiten, der für verurteilte Personen zuständig ist;

k)

Verpflichtung, sich einer Heilbehandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen.

(2)   Jeder Mitgliedstaat teilt dem Generalsekretariat des Rates bei der Umsetzung dieses Rahmenbeschlusses mit, welche Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen neben den in Absatz 1 genannten er zu überwachen bereit ist. Das Generalsekretariat des Rates macht die erhaltenen Angaben allen Mitgliedstaaten und der Kommission zugänglich.

Artikel 5

Kriterien für die Übermittlung eines Urteils und gegebenenfalls einer Bewährungsentscheidung

(1)   Die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats kann ein Urteil und gegebenenfalls eine Bewährungsentscheidung an die zuständige Behörde des Mitgliedstaats übermitteln, in dem die verurteilte Person ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern diese in den betreffenden Mitgliedstaat zurückgekehrt ist oder zurückzukehren beabsichtigt.

(2)   Die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats kann auf Antrag der verurteilten Person das Urteil und gegebenenfalls die Bewährungsentscheidung an eine zuständige Behörde in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat übermitteln, in dem die verurteilte Person ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern letztgenannte Behörde der Übermittlung zugestimmt hat.

(3)   Bei der Umsetzung dieses Rahmenbeschlusses legen die Mitgliedstaaten fest, unter welchen Voraussetzungen ihre zuständigen Behörden der Übermittlung eines Urteils und gegebenenfalls einer Bewährungsentscheidung nach Absatz 2 zustimmen können.

(4)   Jeder Mitgliedstaat setzt das Generalsekretariat des Rates anhand einer Erklärung von der Festlegung nach Absatz 3 in Kenntnis. Die Mitgliedstaaten können den Inhalt dieser Festlegung jederzeit ändern. Das Generalsekretariat macht die erhaltenen Angaben allen Mitgliedstaaten und der Kommission zugänglich.

Artikel 6

Verfahren für die Übermittlung eines Urteils und gegebenenfalls einer Bewährungsentscheidung

(1)   Übermittelt die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats in Anwendung von Artikel 5 Absätze 1 oder 2 ein Urteil und gegebenenfalls eine Bewährungsentscheidung an einen anderen Mitgliedstaat, so sorgt sie dafür, dass eine Bescheinigung beigefügt wird, für die das in Anhang I wiedergegebene Formblatt zu verwenden ist.

(2)   Das Urteil und gegebenenfalls die Bewährungsentscheidung wird zusammen mit der in Absatz 1 genannten Bescheinigung von der zuständigen Behörde des Ausstellungsstaats unmittelbar an die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats in einer Form übermittelt, die einen schriftlichen Nachweis unter Bedingungen ermöglicht, die dem Vollstreckungsstaat die Feststellung der Echtheit gestatten. Das Original des Urteils und gegebenenfalls der Bewährungsentscheidung oder beglaubigte Abschriften davon sowie das Original der Bescheinigung werden der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaats auf Verlangen übermittelt. Sämtliche offiziellen Mitteilungen erfolgen ebenfalls unmittelbar zwischen den genannten zuständigen Behörden.

(3)   Die in Absatz 1 genannte Bescheinigung ist von der zuständigen Behörde des Ausstellungsstaats zu unterzeichnen; hierbei bescheinigt die Behörde die Richtigkeit des Inhalts der Bescheinigung.

(4)   Neben den in Artikel 4 Absatz 1 genannten Maßnahmen und Sanktionen darf die in Absatz 1 dieses Artikels genannte Bescheinigung nur solche Maßnahmen und Sanktionen enthalten, die von dem jeweiligen Vollstreckungsstaat nach Artikel 4 Absatz 2 mitgeteilt wurden.

(5)   Die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats übermittelt das Urteil und gegebenenfalls die Bewährungsentscheidung zusammen mit der in Absatz 1 genannten Bescheinigung jeweils nur einem Vollstreckungsstaat.

(6)   Ist der zuständigen Behörde des Ausstellungsstaats nicht bekannt, welche Behörde im Vollstreckungsstaat zuständig ist, so versucht sie, diese beim Vollstreckungsstaat mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln — auch über die durch die Gemeinsame Maßnahme 98/428/JI des Rates vom 29. Juni 1998 zur Einrichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes (7) errichteten Kontaktstellen des Europäischen Justiziellen Netzes — in Erfahrung zu bringen.

(7)   Ist eine Behörde im Vollstreckungsstaat, die ein Urteil sowie gegebenenfalls eine Bewährungsentscheidung zusammen mit der in Absatz 1 genannten Bescheinigung erhält, nicht zuständig, dieses Urteil und gegebenenfalls die Bewährungsentscheidung anzuerkennen und die sich daraus ergebenden erforderlichen Maßnahmen zur Überwachung der Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion zu treffen, so übermittelt sie dieses Urteil und gegebenenfalls die Bewährungsentscheidung zusammen mit der in Absatz 1 genannten Bescheinigung von Amts wegen der zuständigen Behörde und unterrichtet dementsprechend die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats unverzüglich in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht.

Artikel 7

Folgen für den Ausstellungsstaat

(1)   Nachdem die zuständige Behörde im Vollstreckungsstaat das ihr übermittelte Urteil und gegebenenfalls die ihr übermittelte Bewährungsentscheidung anerkannt und die zuständige Behörde im Ausstellungsstaat von dieser Anerkennung unterrichtet hat, ist der Ausstellungsstaat nicht mehr für die Überwachung der auferlegten Bewährungsmaßnahmen oder der verhängten alternativen Sanktionen noch für weitere Maßnahmen nach Artikel 14 Absatz 1 zuständig.

(2)   Die in Absatz 1 genannte Zuständigkeit geht wieder auf den Ausstellungsstaat über,

a)

sobald dessen zuständige Behörde die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats von der Zurückziehung der in Artikel 6 Absatz 1 genannten Bescheinigung gemäß Artikel 9 Absatz 4 unterrichtet hat;

b)

in Fällen gemäß Artikel 14 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 14 Absatz 5 und

c)

in Fällen gemäß Artikel 20.

Artikel 8

Entscheidung des Vollstreckungsstaats

(1)   Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats erkennt das Urteil sowie gegebenenfalls die Bewährungsentscheidung, die nach Artikel 5 und in Anwendung des Verfahrens nach Artikel 6 übermittelt worden sind, an und ergreift unverzüglich alle für die Überwachung der Bewährungsmaßnahmen oder der alternativen Sanktionen erforderlichen Maßnahmen, es sei denn, sie beschließt, einen der Gründe für die Versagung der Anerkennung und der Überwachung nach Artikel 11 geltend zu machen.

(2)   Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats kann die Entscheidung über die Anerkennung des Urteils und gegebenenfalls der Bewährungsentscheidung aufschieben, wenn die in Artikel 6 Absatz 1 genannte Bescheinigung unvollständig ist oder offensichtlich nicht dem Urteil oder gegebenenfalls der Bewährungsentscheidung entspricht, und zwar bis zum Ablauf einer gesetzten angemessenen Frist für die Ergänzung oder Berichtigung der Bescheinigung.

Artikel 9

Anpassung der Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen

(1)   Ist die Art oder Dauer der einschlägigen Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion oder die Dauer der Bewährungszeit mit dem Recht des Vollstreckungsstaats nicht vereinbar, so kann die zuständige Behörde dieses Staates sie an die nach ihrem eigenen Recht für entsprechende Straftaten geltende Art und Dauer der Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen oder bestehende Dauer der Bewährungszeit anpassen. Die angepasste Bewährungsmaßnahme, alternative Sanktion oder Dauer der Bewährungszeit muss so weit wie möglich der im Ausstellungsstaat verhängten Bewährungsmaßnahme, alternativen Sanktion oder Dauer der Bewährungszeit entsprechen.

(2)   Ist die Bewährungsmaßnahme, alternative Sanktion oder Bewährungszeit angepasst worden, weil ihre Dauer die im Recht des Vollstreckungsstaats vorgesehene Höchstdauer überschreitet, so darf die Dauer der angepassten Bewährungsmaßnahme, alternativen Sanktion oder Bewährungszeit nicht unter der für entsprechende Straftaten nach dem Recht des Vollstreckungsstaats vorgesehenen Höchstdauer liegen.

(3)   Die angepasste Bewährungsmaßnahme, alternative Sanktion oder Bewährungszeit darf nicht strenger oder länger als die ursprünglich auferlegte Bewährungsmaßnahme, alternative Sanktion oder Bewährungszeit sein.

(4)   Nach Erhalt der Information gemäß Artikel 16 Absatz 2 oder Artikel 18 Absatz 5 kann die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats entscheiden, die in Artikel 6 Absatz 1 genannte Bescheinigung zurückzuziehen, solange die Überwachung im Vollstreckungsstaat noch nicht begonnen hat. In diesen Fällen muss diese Entscheidung auf jeden Fall so schnell wie möglich ergehen und mitgeteilt werden, spätestens aber innerhalb von zehn Tagen nach Erhalt der Information.

Artikel 10

Beiderseitige Strafbarkeit

(1)   Die folgenden Straftaten führen, wenn sie im Ausstellungsstaat nach der Ausgestaltung in dessen Recht mit einer freiheitsentziehenden Strafe oder Maßnahme im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht sind, gemäß diesem Rahmenbeschluss auch ohne Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit zur Anerkennung des Urteils und gegebenenfalls der Bewährungsentscheidung sowie zur Übernahme der Überwachung der Bewährungsmaßnahmen und der alternativen Sanktionen:

Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung,

Terrorismus,

Menschenhandel,

sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornographie,

illegaler Handel mit Drogen und psychotropen Stoffen,

illegaler Handel mit Waffen, Munition und Sprengstoffen,

Korruption,

Betrugsdelikte, einschließlich Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften im Sinne des Übereinkommens vom 26. Juli 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (8),

Wäsche von Erträgen aus Straftaten,

Geldfälschung, einschließlich der Euro-Fälschung,

Cyberkriminalität,

Umweltkriminalität, einschließlich des illegalen Handels mit bedrohten Tierarten und mit bedrohten Pflanzen- und Baumarten,

Beihilfe zur illegalen Einreise und zum illegalen Aufenthalt,

vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung,

illegaler Handel mit menschlichen Organen und menschlichem Gewebe,

Entführung, Freiheitsberaubung und Geiselnahme,

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit,

Diebstahl in organisierter Form oder mit Waffen,

illegaler Handel mit Kulturgütern, einschließlich Antiquitäten und Kunstgegenständen,

Betrug,

Erpressung und Schutzgelderpressung,

Nachahmung und Produktpiraterie,

Fälschung von amtlichen Dokumenten und Handel damit,

Fälschung von Zahlungsmitteln,

illegaler Handel mit Hormonen und anderen Wachstumsförderern,

illegaler Handel mit nuklearen und radioaktiven Substanzen,

Handel mit gestohlenen Kraftfahrzeugen,

Vergewaltigung,

Brandstiftung,

Verbrechen, die in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs fallen,

Flugzeug- und Schiffsentführung,

Sabotage.

(2)   Der Rat kann einstimmig und nach Anhörung des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 39 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union jederzeit beschließen, weitere Arten von Straftaten in die Liste des Absatzes 1 dieses Artikels aufzunehmen. Der Rat prüft im Lichte des ihm gemäß Artikel 26 Absatz 1 dieses Rahmenbeschlusses unterbreiteten Berichts, ob es sich empfiehlt, diese Liste auszuweiten oder zu ändern.

(3)   Bei Straftaten, die nicht unter Absatz 1 fallen, kann der Vollstreckungsstaat die Anerkennung des Urteils und gegebenenfalls der Bewährungsentscheidung sowie die Übernahme der Überwachung der Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen davon abhängig machen, dass die dem Urteil zugrunde liegenden Handlungen auch nach dem Recht des Vollstreckungsstaats eine Straftat darstellen, unabhängig von den Tatbestandsmerkmalen oder der Bezeichnung der Straftat.

(4)   Jeder Mitgliedstaat kann zum Zeitpunkt der Annahme des Rahmenbeschlusses oder zu einem späteren Zeitpunkt in einer dem Generalsekretariat des Rates notifizierten Erklärung mitteilen, dass er Absatz 1 nicht anwenden wird. Diese Erklärung kann jederzeit zurückgenommen werden. Die Erklärungen oder Rücknahmen werden im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Artikel 11

Gründe für die Versagung der Anerkennung sowie für die Versagung der Überwachung

(1)   Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats kann die Anerkennung des Urteils oder gegebenenfalls der Bewährungsentscheidung und die Übernahme der Zuständigkeit für die Überwachung der Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen versagen, wenn

a)

die Bescheinigung nach Artikel 6 Absatz 1 unvollständig ist oder dem Urteil oder der Bewährungsentscheidung offensichtlich nicht entspricht und nicht innerhalb einer von der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaats gesetzten angemessenen Frist vervollständigt oder berichtigt wurde;

b)

die in Artikel 5 Absatz 1, Artikel 5 Absatz 2 oder Artikel 6 Absatz 4 dargelegten Kriterien nicht erfüllt sind;

c)

die Anerkennung des Urteils und die Übernahme der Zuständigkeit für die Überwachung der Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen dem Grundsatz ne bis in idem zuwiderlaufen würde;

d)

sich das Urteil in Fällen nach Artikel 10 Absatz 3 und, falls der Vollstreckungsstaat eine Erklärung gemäß Artikel 10 Absatz 4 abgegeben hat, in Fällen gemäß Artikel 10 Absatz 1 auf Handlungen bezieht, die nach dem Recht des Vollstreckungsstaats keine Straftat darstellen würden. In Steuer-, Zoll- und Währungsangelegenheiten kann die Vollstreckung des Urteils oder gegebenenfalls der Bewährungsentscheidung nicht aus dem Grund abgelehnt werden, dass das Recht des Vollstreckungsstaats keine gleichartigen Steuern vorschreibt oder keine gleichartigen Steuer-, Zoll- und Währungsbestimmungen enthält wie das Recht des Ausstellungsstaats;

e)

die Vollstreckung der Strafe nach dem Recht des Vollstreckungsstaats verjährt ist und sich auf eine Handlung bezieht, für die er nach seinem nationalen Recht zuständig ist;

f)

nach dem Recht des Vollstreckungsstaats Immunität besteht, die die Überwachung der Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen unmöglich macht;

g)

die verurteilte Person nach dem Recht des Vollstreckungsstaats aufgrund ihres Alters für die dem Urteil zugrunde liegenden Handlungen strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden kann;

h)

das Urteil in Abwesenheit ergangen ist, es sei denn, aus der Bescheinigung geht hervor, dass die Person persönlich vorgeladen oder über einen gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des Ausstellungsstaats zuständigen Vertreter über Termin und Ort der Verhandlung, die zu dem Abwesenheitsurteil geführt hat, unterrichtet worden ist, oder dass die betreffende Person gegenüber einer zuständigen Behörde angegeben hat, dass sie die Entscheidung nicht anficht;

i)

das Urteil oder gegebenenfalls die Bewährungsentscheidung eine medizinisch-therapeutische Maßnahme enthält, die unbeschadet des Artikels 9 vom Vollstreckungsstaat gemäß seinem Rechts- oder Gesundheitssystem nicht überwacht werden kann;

j)

die Dauer der Bewährungsmaßnahme oder der alternativen Sanktion weniger als 6 Monate beträgt; oder

k)

das Urteil sich auf Straftaten erstreckt, die nach dem Recht des Vollstreckungsstaats ganz oder zum großen oder zu einem wesentlichen Teil in dessen Hoheitsgebiet oder an einem diesem gleichgestellten Ort begangen worden sind.

(2)   Jede Entscheidung gemäß Absatz 1 Buchstabe k in Bezug auf Straftaten, die zum Teil im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats oder an einem diesem gleichgestellten Ort begangen wurden, wird von der zuständigen Behörde im Vollstreckungsstaat nur unter außergewöhnlichen Umständen und von Fall zu Fall unter Würdigung der jeweiligen besonderen Umstände und insbesondere der Frage getroffen, ob die betreffenden Taten zum großen oder zu einem wesentlichen Teil im Ausstellungsstaat begangen worden sind.

(3)   Bevor die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats in den Fällen des Absatzes 1 Buchstaben a, b, c, h, i, j und k beschließt, die Anerkennung des Urteils oder gegebenenfalls der Bewährungsentscheidung und die Übernahme der Zuständigkeit für die Überwachung der Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen zu versagen, konsultiert sie auf geeignete Art und Weise die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats und bittet diese soweit erforderlich um die unverzügliche Übermittlung aller erforderlichen zusätzlichen Informationen.

(4)   Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats, die beschlossen hat, einen Versagungsgrund nach Absatz 1 dieses Artikels, insbesondere den Grund nach Absatz 1 Buchstabe d oder Buchstabe k geltend zu machen, kann dennoch im Einvernehmen mit der zuständigen Behörde des Ausstellungsstaats beschließen, die Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen, die in dem Urteil und gegebenenfalls in der an sie übermittelten Bewährungsentscheidung auferlegt bzw. verhängt wurden, zu überwachen, ohne die Zuständigkeit für die Entscheidungen nach Artikel 14 Absatz 1 Buchstaben a, b und c zu übernehmen.

Artikel 12

Frist

(1)   Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats entscheidet so bald wie möglich, jedoch innerhalb von 60 Tagen nach Eingang des Urteils und gegebenenfalls der Bewährungsentscheidung zusammen mit der in Artikel 6 Absatz 1 genannten Bescheinigung, ob sie das Urteil und gegebenenfalls die Bewährungsentscheidung anerkennt oder nicht und ob sie die Zuständigkeit für die Überwachung der Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen übernimmt oder nicht. Sie unterrichtet die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats unverzüglich in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, über ihre Entscheidung.

(2)   Ist es der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaats in Ausnahmefällen nicht möglich, die Frist gemäß Absatz 1 einzuhalten, so unterrichtet sie unverzüglich die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats in jeder beliebigen Form und gibt dabei die Gründe für die Verzögerung und die Zeit, die voraussichtlich für eine endgültige Entscheidung benötigt wird, an.

Artikel 13

Maßgebliches Recht

(1)   Die Überwachung und Anwendung der Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen richtet sich nach dem Recht des Vollstreckungsstaats.

(2)   Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats kann eine Verpflichtung nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h, den durch die Tat verursachten Schaden wieder gutzumachen, überwachen, indem sie die verurteilte Person verpflichtet, einen Nachweis über die Einhaltung der Verpflichtung zu erbringen.

Artikel 14

Zuständigkeit für alle Folgeentscheidungen und maßgebliches Recht

(1)   Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats ist für alle Folgeentscheidungen im Zusammenhang mit einer Bewährungsstrafe, einer bedingten Entlassung, einer bedingten Verurteilung und einer alternativen Sanktion zuständig, insbesondere wenn die verurteilte Person eine Bewährungsmaßnahme oder alternative Sanktion nicht einhält oder eine neue Straftat begeht.

Zu solchen Folgeentscheidungen gehören insbesondere

a)

die Änderung der mit der Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion verbundenen Auflagen oder Weisungen oder die Änderung der Dauer der Bewährungszeit;

b)

der Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung des Urteils oder der Widerruf der Entscheidung über eine bedingte Entlassung; und

c)

die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßnahme im Falle einer alternativen Sanktion oder bedingten Verurteilung.

(2)   Auf die nach Absatz 1 getroffenen Entscheidungen sowie auf alle weiteren Folgen aus dem Urteil, einschließlich gegebenenfalls der Vollstreckung und erforderlichenfalls der Anpassung der Freiheitsstrafe oder der freiheitsentziehenden Maßnahme, ist das Recht des Vollstreckungsstaats anwendbar.

(3)   Jeder Mitgliedstaat kann zum Zeitpunkt der Annahme dieses Rahmenbeschlusses oder später erklären, dass er als Vollstreckungsstaat die Übernahme der Zuständigkeit nach Absatz 1 Buchstaben b und c in Fällen oder Kategorien von Fällen, die von diesem Mitgliedstaat zu spezifizieren sind, ablehnen wird, insbesondere

a)

in Fällen einer alternativen Sanktion, in denen das Urteil keine Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßnahme vorsieht, die im Falle der Nichteinhaltung der Auflagen oder Weisungen zu vollstrecken ist;

b)

in Fällen einer bedingten Verurteilung;

c)

in Fällen, in denen die dem Urteil zugrunde liegenden Handlungen unabhängig von den Tatbestandsmerkmalen oder der Bezeichnung der Straftat nach dem Recht des Vollstreckungsstaats keine Straftat darstellen.

(4)   Nutzt ein Mitgliedstaat eine der Möglichkeiten nach Absatz 3, so überträgt die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats im Falle der Nichteinhaltung einer Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion die Zuständigkeit zurück an die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats, wenn die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats eine Folgeentscheidung im Sinne von Absatz 1 Buchstaben b oder c für erforderlich hält.

(5)   Die in Absatz 3 dieses Artikels genannten Fälle lassen die Verpflichtung nach Artikel 8 Absatz 1 unberührt, das Urteil und gegebenenfalls die Bewährungsentscheidung anzuerkennen sowie unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen für die Überwachung der Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen zu treffen.

(6)   Erklärungen nach Absatz 3 erfolgen durch Notifizierung an das Generalsekretariat des Rates. Eine Erklärung kann jederzeit zurückgenommen werden. Die in diesem Artikel genannten Erklärungen oder Rücknahmen werden im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Artikel 15

Konsultation zwischen den zuständigen Behörden

Die zuständigen Behörden des Ausstellungsstaats und des Vollstreckungsstaats können einander jederzeit konsultieren, um die reibungslose und effiziente Anwendung dieses Rahmenbeschlusses zu erleichtern.

Artikel 16

Pflichten der beteiligten Behörden im Falle der Zuständigkeit des Vollstreckungsstaats für Folgeentscheidungen

(1)   Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats unterrichtet die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats unverzüglich in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, über alle Entscheidungen in Bezug auf

a)

die Änderung der Bewährungsmaßnahme oder der alternativen Sanktion;

b)

den Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung des Urteils oder den Widerruf der Entscheidung über eine bedingte Entlassung;

c)

die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßnahme wegen Nichteinhaltung einer Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion;

d)

die Beendigung der Bewährungsmaßnahmen oder der alternativen Sanktion.

(2)   Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats unterrichtet die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats auf deren Ersuchen über die im nationalen Recht des Vollstreckungsstaats für die dem Urteil zugrunde liegende Straftat vorgesehene Höchstdauer der freiheitsentziehenden Maßnahme, die im Falle der Nichteinhaltung der Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen gegen die verurteilte Person verhängt werden kann. Diese Information wird unmittelbar nach Erhalt des Urteils und gegebenenfalls der Bewährungsentscheidung zusammen mit der in Artikel 6 Absatz 1 genannten Bescheinigung übermittelt.

(3)   Die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats unterrichtet die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats unverzüglich in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, über alle Umstände oder Erkenntnisse, die nach ihrer Auffassung den Erlass einer oder mehrerer der in Absatz 1 Buchstaben a, b oder c genannten Entscheidungen bewirken könnten.

Artikel 17

Pflichten der beteiligten Behörden im Falle der Zuständigkeit des Ausstellungsstaats für Folgeentscheidungen

(1)   Ist die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats infolge der Anwendung von Artikel 14 Absatz 3 für Folgeentscheidungen nach Artikel 14 Absatz 1 zuständig, so unterrichtet die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats diese unverzüglich

a)

über jede Erkenntnis, die voraussichtlich den Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung des Urteils oder den Widerruf der Entscheidung über eine bedingte Entlassung bewirkt;

b)

über jede Erkenntnis, die voraussichtlich die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßnahme zur Folge hat;

c)

über alle weiteren Sachverhalte und Umstände, die die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats anfordert und die für letztere von entscheidender Bedeutung sind, um Folgeentscheidungen nach Maßgabe ihres nationalen Rechts treffen zu können.

(2)   Hat ein Mitgliedstaat von der Möglichkeit nach Artikel 11 Absatz 4 Gebrauch gemacht, so unterrichtet die zuständige Behörde dieses Staats die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats im Falle der Nichteinhaltung einer Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion durch die verurteilte Person.

(3)   Die Mitteilung der in Absatz 1 Buchstaben a und b und in Absatz 2 genannten Erkenntnisse erfolgt unter Verwendung des in Anhang II wiedergegebenen Formblatts. Die Mitteilung der in Absatz 1 Buchstabe c genannten Sachverhalte und Umstände erfolgt in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, soweit möglich auch unter Verwendung des in Anhang II wiedergegebenen Formblatts.

(4)   Ist nach dem innerstaatlichen Recht des Ausstellungsstaats eine gerichtliche Vernehmung der verurteilten Person durchzuführen, bevor über die Verhängung einer Strafe entschieden wird, so kann zur Erfüllung dieser Verpflichtung mutatis mutandis auf das in völkerrechtlichen Übereinkünften oder im Recht der Europäischen Union vorgesehene Verfahren zurückgegriffen werden, wonach Vernehmungen per Videokonferenz durchgeführt werden können.

(5)   Die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats unterrichtet die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats unverzüglich über alle Entscheidungen in Bezug auf

a)

den Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung des Urteils oder den Widerruf der Entscheidung über eine bedingte Entlassung;

b)

die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßnahme, wenn diese im Urteil enthalten ist;

c)

die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßnahme, wenn diese im Urteil nicht enthalten ist;

d)

die Beendigung der Bewährungsmaßnahmen oder der alternativen Sanktion.

Artikel 18

Unterrichtung durch den Vollstreckungsstaat in allen Fällen

Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats unterrichtet die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats unverzüglich in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, über

1.

die Übermittlung des Urteils und gegebenenfalls der Bewährungsentscheidung zusammen mit der in Artikel 6 Absatz 1 genannten Bescheinigung an die Behörde, die für die Anerkennung und für die zur Überwachung der Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen nach Artikel 6 Absatz 7 zu ergreifenden Maßnahmen zuständig ist;

2.

den Umstand, dass die Überwachung der Bewährungsmaßnahmen oder der alternativen Sanktionen in der Praxis unmöglich ist, weil nach der Übermittlung des Urteils und gegebenenfalls der Bewährungsentscheidung zusammen mit der in Artikel 6 Absatz 1 genannten Bescheinigung an den Vollstreckungsstaat die verurteilte Person im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats nicht auffindbar ist; in diesem Fall besteht für den Vollstreckungsstaat keine Verpflichtung zur Überwachung der Bewährungsmaßnahmen oder der alternativen Sanktionen;

3.

die endgültige Entscheidung, das Urteil und gegebenenfalls die Bewährungsentscheidung anzuerkennen und die Zuständigkeit für die Überwachung der Bewährungsmaßnahme oder der alternativen Sanktion zu übernehmen;

4.

eine Entscheidung, das Urteil und gegebenenfalls die Bewährungsentscheidung nicht anzuerkennen und die Zuständigkeit für die Überwachung der Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen gemäß Artikel 11 nicht zu übernehmen, zusammen mit den Gründen für die Entscheidung;

5.

eine Entscheidung, die Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen gemäß Artikel 9 anzupassen, zusammen mit den Gründen für die Entscheidung;

6.

eine Entscheidung über Amnestie oder Begnadigung, die bewirkt, dass aus den Gründen nach Artikel 19 Absatz 1 die Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen nicht überwacht werden, gegebenenfalls zusammen mit den Gründen für die Entscheidung.

Artikel 19

Amnestie, Begnadigung, Wiederaufnahme des Verfahrens

(1)   Der Ausstellungsstaat wie auch der Vollstreckungsstaat können eine Amnestie oder Begnadigung gewähren.

(2)   Über Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens, das Grundlage für die Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen ist, die nach diesem Rahmenbeschluss zu überwachen sind, kann ausschließlich der Ausstellungsstaat entscheiden.

Artikel 20

Ende der Zuständigkeit des Vollstreckungsstaats

(1)   Wenn die verurteilte Person flüchtet oder im Vollstreckungsstaat keinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt mehr hat, so kann die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats die Zuständigkeit für die Überwachung der Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen sowie für alle weiteren mit dem Urteil im Zusammenhang stehenden Entscheidungen wieder an die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats zurückübertragen.

(2)   Ist im Ausstellungsstaat ein neues Strafverfahren gegen die betreffende Person anhängig, so kann die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats ersuchen, der zuständigen Behörde des Ausstellungsstaats wieder die Zuständigkeit für die Überwachung der Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen sowie für alle weiteren mit dem Urteil in Zusammenhang stehenden Entscheidungen zu übertragen. In diesem Fall kann die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats der zuständigen Behörde des Ausstellungsstaats diese Zuständigkeit zurückübertragen.

(3)   Im Falle einer Rückübertragung der Zuständigkeit nach Absatz 1 an den Ausstellungsstaat nimmt dessen zuständige Behörde die Zuständigkeit wieder wahr. Die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats berücksichtigt bei der weiteren Überwachung der Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen die Dauer und den Grad der Einhaltung der Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen im Vollstreckungsstaat sowie jegliche im Vollstreckungsstaat ergangene Entscheidungen nach Artikel 16 Absatz 1.

Artikel 21

Sprachenregelung

Die in Artikel 6 Absatz 1 genannte Bescheinigung wird in die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des Vollstreckungsstaats übersetzt. Jeder Mitgliedstaat kann zum Zeitpunkt der Annahme dieses Rahmenbeschlusses oder später in einer beim Generalsekretariat des Rates hinterlegten Erklärung angeben, dass er eine Übersetzung in eine oder mehrere andere Amtssprachen der Organe der Europäischen Union akzeptiert.

Artikel 22

Kosten

Die Kosten, die bei der Anwendung dieses Rahmenbeschlusses entstehen, werden vom Vollstreckungsstaat getragen, ausgenommen solche, die ausschließlich im Hoheitsgebiet des Ausstellungsstaats entstehen.

Artikel 23

Verhältnis zu anderen Übereinkünften und Vereinbarungen

(1)   Dieser Rahmenbeschluss ersetzt im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander ab dem 6. Dezember 2011 die entsprechenden Bestimmungen des Übereinkommens des Europarates vom 30. November 1964 über die Überwachung bedingt verurteilter oder bedingt entlassener Personen.

(2)   Es steht den Mitgliedstaaten frei, die nach dem 6. Dezember 2008 geltenden bilateralen oder multilateralen Übereinkünfte oder Vereinbarungen auch weiterhin anzuwenden, sofern diese die Möglichkeit bieten, über die Ziele dieses Rahmenbeschlusses hinauszugehen und zu einer weiteren Vereinfachung oder Erleichterung der Verfahren zur Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen beitragen.

(3)   Es steht den Mitgliedstaaten frei, nach dem 6. Dezember 2008 bilaterale oder multilaterale Übereinkünfte oder Vereinbarungen zu schließen, sofern diese die Möglichkeit bieten, über die Vorschriften dieses Rahmenbeschlusses hinauszugehen, und zu einer Vereinfachung oder Erleichterung der Verfahren für die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen beitragen.

(4)   Die Mitgliedstaaten unterrichten den Rat und die Kommission bis zum 6. März 2009 über bestehende Übereinkünfte oder Vereinbarungen gemäß Absatz 2, die sie weiterhin anwenden wollen. Die Mitgliedstaaten unterrichten den Rat und die Kommission ferner über alle neuen Übereinkünfte oder Vereinbarungen im Sinne des Absatzes 3 binnen drei Monaten nach deren Unterzeichnung.

Artikel 24

Räumlicher Geltungsbereich

Dieser Rahmenbeschluss findet für Gibraltar Anwendung.

Artikel 25

Umsetzung

(1)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um den Vorschriften dieses Rahmenbeschlusses vor dem 6. Dezember 2011 nachzukommen.

(2)   Die Mitgliedstaaten teilen dem Generalsekretariat des Rates und der Kommission den Wortlaut der Bestimmungen mit, mit denen sie die sich aus diesem Rahmenbeschluss ergebenden Verpflichtungen in ihr innerstaatliches Recht umgesetzt haben.

Artikel 26

Überprüfung

(1)   Bis zum 6. Dezember 2014 erstellt die Kommission anhand der von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 25 Absatz 2 vorgelegten Angaben einen Bericht.

(2)   Anhand dieses Berichts wird der Rat Folgendes beurteilen:

a)

inwieweit die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen getroffen haben, um dem Rahmenbeschluss nachzukommen, und

b)

die Anwendung des Rahmenbeschlusses.

(3)   Dem Bericht werden erforderlichenfalls Legislativvorschläge beigefügt.

Artikel 27

Inkrafttreten

Dieser Rahmenbeschluss tritt am Tag seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Geschehen zu Brüssel am 27. November 2008.

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

M. ALLIOT-MARIE


(1)  ABl. C 147 vom 30.6.2007, S. 1.

(2)  Stellungnahme vom 25. Oktober 2007 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(3)  ABl. C 53 vom 3.3.2005, S. 1.

(4)  ABl. L 327 vom 5.12.2008, S. 27.

(5)  ABl. L 76 vom 22.3.2005, S. 16.

(6)  ABl. L 328 vom 24.11.2006, S. 59.

(7)  ABl. L 191 vom 7.7.1998, S. 4.

(8)  ABl. C 316 vom 27.11.1995, S. 49.


ANHANG I

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ANHANG II

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