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Document 32000R0509

Verordnung (EG) Nr. 509/2000 der Kommission vom 9. März 2000 zur Festlegung pauschaler Einfuhrwerte für die Bestimmung der im Sektor Obst und Gemüse geltenden Einfuhrpreise

OJ L 63, 10.3.2000, p. 10–11 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2000/509/oj

32000R0509

Verordnung (EG) Nr. 509/2000 der Kommission vom 9. März 2000 zur Festlegung pauschaler Einfuhrwerte für die Bestimmung der im Sektor Obst und Gemüse geltenden Einfuhrpreise

Amtsblatt Nr. L 063 vom 10/03/2000 S. 0010 - 0011


Entscheidung der Kommission

vom 25. Juli 2000

über den vom Königreich Belgien mitgeteilten Entwurf einzelstaatlicher Rechtsvorschriften über die Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung von zinnorganischen Verbindungen

(Bekanntgegeben unter Aktenzeichen K(2000) 2016)

(Nur der französische und der niederländische Text sind verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2000/509/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 95 Absatz 6,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I. FAKTEN

1. Gemeinschaftsvorschriften: Richtlinie 1999/51/EG

(1) Die Richtlinie 76/769/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen(1), zuletzt geändert durch die Richtlinie 1999/77/EG der Kommission(2), regelt das Verbot und die Beschränkungen der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen. Die Richtlinie 76/769/EWG wird in regelmäßigen Abständen geändert, um weitere für den Menschen oder die Umwelt gefährliche Stoffe in den Anhang der Richtlinie aufzunehmen.

(2) Die Richtlinie 89/677/EWG des Rates(3) zur achten Änderung der Richtlinie 76/769/EWG harmonisiert unter anderem das Inverkehrbringen und die Verwendung von zinnorganischen Verbindungen. Die Bestimmungen über zinnorganische Verbindungen wurden durch die Richtlinie 1999/51/EG der Kommission(4) geändert, wodurch Anhang I der Richtlinie 76/769/EWG zum fünften Mal an den technischen Fortschritt angepasst wurde.

(3) Die Richtlinie 1999/51/EG untersagt das Inverkehrbringen und die Verwendung von zinnorganischen Verbindungen als Stoffe und Komponenten von Zubereitungen, wenn sie als Biozide in chemisch nicht gebundenen anwuchsverhindernden Farben Anwendung finden.

(4) Die Richtlinie untersagt ferner die Verwendung von zinnorganischen Verbindungen als Stoffe und Komponenten von Zubereitungen, wenn sie als Biozide zur Verhinderung des durch Mikroorganismen, Pflanzen oder Tiere verursachten Anwuchses verwendet werden auf:

a) Bootskörpern von:

- Schiffen mit einer Gesamtlänge gemäß der Definition in der Norm ISO 8666 von weniger als 25 m,

- Wasserfahrzeugen jeglicher Länge, die vorwiegend auf Binnenwasserstraßen und Seen eingesetzt werden;

b) Kästen, Schwimmern, Netzen sowie anderen Geräten oder Einrichtungen für die Fisch- oder Muschelzucht;

c) völlig oder teilweise untergetauchten Geräten oder Einrichtungen jeder Art.

Solche Stoffe und Zubereitungen

- dürfen nur in Verpackungen von 20 Litern oder mehr in Verkehr gebracht werden,

- dürfen nicht an die breite Öffentlichkeit, sondern nur zur berufsmäßigen Verwendung verkauft werden.

(5) Unbeschadet der Anwendung sonstiger Gemeinschaftsvorschriften über die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe und Zubereitungen muss auf der Verpackung solcher Zubereitungen folgendes leserlich und unverwischbar angegeben sein:

"Nicht zu verwenden bei Schiffen mit einer Gesamtlänge von weniger als 25 m oder auf Schiffen jeglicher Länge, die vorwiegend auf Binnenwasserstraßen und Seen eingesetzt werden, sowie bei Geräten und Einrichtungen jeder Art, die in der Fisch- und Muschelzucht eingesetzt werden.

Nur zur berufsmäßigen Verwendung."

(6) Die Bestimmungen unter Erwägungsgrund 4 Buchstabe a) und die speziellen Kennzeichnungsbestimmungen gelten für Schweden und Österreich ab 1. Januar 2003 und werden von der Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und anderen Beteiligten vor diesem Zeitpunkt überprüft werden.

(7) Darüber hinaus dürfen zinnorganische Verbindungen nicht als Stoffe und Komponenten von Zubereitungen verwendet werden, die zur Aufbereitung von Brauchwasser im industriellen, gewerblichen und kommunalen Bereich bestimmt sind.

(8) Die Richtlinie legt damit fest, dass zinnorganische Verbindungen nur in anwuchsverhindernden Erzeugnissen mit kontrollierter Wirkstofffreisetzung für Schiffe mit einer Länge von mehr als 25 m verwendet werden dürfen, die nicht vorwiegend auf Binnenwasserstraßen und Seen eingesetzt werden. Österreich und Schweden wird, in Anbetracht der spezifischen Bedürfnisse zum Schutz der besonders empfindlichen Umwelt der Ostsee und der Binnenwasserstraßen zugestanden, ihre bestehenden strengeren Rechtsvorschriften beizubehalten.

(9) Die Richtlinie regelt ferner, dass die sonstigen zugelassenen Verwendungen vor dem 1. Januar 2003 überarbeitet werden. Im zweiten Erwägungsgrund wird speziell auf die Entwicklungen in der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) verwiesen, die die von zinnorganischen Verbindungen ausgehenden Risiken anerkennt. Der Ausschuss für den Schutz der Meeresumwelt der IMO fordert ein globales Verbot der Verwendung von zinnorganischen Verbindungen als Biozide in anwuchsverhindernden Erzeugnissen für Schiffe ab 1. Januar 2003.

2. Einzelstaatliche Bestimmungen

(10) Belgien beabsichtigt, die Bestimmungen der Richtlinie 1999/51/EG über zinnorganische Verbindungen durch Änderung des Königlichen Erlasses vom 25. Februar 1996 über Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen in innerstaatliches Recht umzusetzen. Der bestehende Artikel 1 Absatz 2 soll durch einen neuen Wortlaut ersetzt werden, der genau dieselben Bestimmungen enthält wie die Gemeinschaftsrichtlinie.

(11) Belgien beabsichtigt ferner, nach Umsetzung der Richtlinie, ab dem 1. Januar 2003 den genannten Artikel 1 Absatz 2 des Königlichen Erlasses vom 25. Februar 1996 durch folgende Bestimmung zu ersetzen:

"Zinnorganische Verbindungen dürfen nicht zur Verwendung als Stoffe und Komponenten von Zubereitungen in Verkehr gebracht werden, wenn sie als Biozide in anwuchsverhindernden Farben Anwendung finden."

3. Vergleich zwischen dem Entwurf einzelstaatlicher Bestimmungen und der Richtlinie 1999/51/EG

(12) Ein Vergleich der geltenden Gemeinschaftsvorschriften mit dem Entwurf der einzelstaatlichen Bestimmungen, die Belgien ab 1. Januar 2003 anzuwenden beabsichtigt, zeigt, dass die einzelstaatlichen Maßnahmen restriktiver sind, da sie auf ein vollständiges Verbot des Inverkehrbringens und der Verwendung von zinnorganischen Verbindungen in anwuchsverhindernden Farben hinauslaufen.

II. VERFAHREN

(13) Die Richtlinie 1999/51/EG wurde am 26. Mai 1999 erlassen. Die Mitgliedstaaten mussten die erforderlichen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, um der Richtlinie nachzukommen, bis zum 29. Februar 2000 erlassen, um sie ab 1. September 2000 anzuwenden.

(14) Mit Schreiben vom 21. Februar 2000 teilte der Ständige Vertreter Belgiens der Kommission mit, dass Belgien die Bestimmungen der Richtlinie 1999/51/EG ordnungsgemäß in einzelstaatliches Recht umsetzen werde, jedoch beabsichtige, gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG-Vertrag ab 1. Januar 2003 strengere Maßnahmen anzuwenden. Belgien hält die Einführung derartiger einzelstaatlicher Maßnahmen für erforderlich, um die Umwelt vor schädlichen Auswirkungen anwuchsverhindernder Farben auf der Basis von zinnorganischen Verbindungen zu schützen. Das Schreiben ist am 23. Februar bei der Kommission eingegangen.

(15) Mit Schreiben vom 23. März 2000 setzte die Kommission die belgischen Behörden davon in Kenntnis, dass sie die Mitteilung gemäß Artikel 95 Absatz 5 erhalten habe und dass die sechsmonatige Frist für die Prüfung der Mitteilung gemäß Artikel 95 Absatz 6 am 24. Februar 2000, also am Tag ihres Eingang bei der Kommission, begonnen habe.

III. BEURTEILUNG

1. Prüfung der Zulässigkeit

(16) Die Mitteilung der belgischen Behörden vom 21. Februar 2000 zielt auf die Billigung der Einführung einzelstaatlicher Bestimmungen ab, die mit der Richtlinie 1999/51/EG, einer Harmonisierungsmaßnahme auf Grundlage von Artikel 95 EG-Vertrag, nicht vereinbar sind.

(17) Nach Artikel 95 Absatz 5 des EG-Vertrags "teilt ein Mitgliedstaat, der es nach dem Erlass einer Harmonisierungsmaßnahme durch den Rat oder die Kommission für erforderlich hält, auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse gestützte einzelstaatliche Bestimmungen zum Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen Problems für diesen Mitgliedstaat, das sich nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt, einzuführen, die in Aussicht genommenen Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Einführung der Kommission mit".

(18) Belgien hat der Kommission gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG-Vertrag den genauen Wortlaut der Bestimmungen mitgeteilt, die zum 1. Januar 2003 erlassen werden sollen, und die Mitteilung mit den Gründen versehen, die nach Ansicht Belgiens die Einführung dieser Bestimmungen rechtfertigen.

(19) Die Kommission vertritt daher die Auffassung, dass die Mitteilung Belgiens vom 21. Februar 2000 zwecks Billigung der Einführung einzelstaatlicher Bestimmungen, die von den Bestimmungen der Richtlinie 1999/51/EG abweichen, im Sinne des Artikels 95 Absatz 5 EG-Vertrag zulässig ist.

2. Prüfung in der Sache

(20) Gemäß Artikel 95 EG-Vertrag muss die Kommission sicherstellen, dass alle Voraussetzungen, die es einem Mitgliedstaat gestatten, die in diesem Artikel vorgesehenen Ausnahmemöglichkeiten für sich in Anspruch zu nehmen, erfuellt sind.

(21) Die Kommission muss somit prüfen, ob die Voraussetzungen gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG-Vertrag erfuellt sind. Diese erfordern a) neue wissenschaftliche Erkenntnisse in Bezug auf den Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt, b) die den betreffenden Mitgliedstaat veranlassen, die Einführung einzelstaatlicher Bestimmungen aufgrund eines spezifischen Problems für diesen Mitgliedstaat für erforderlich zu halten, c) das sich für den betreffenden Mitgliedstaat nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergeben hat.

(22) Darüber hinaus muss die Kommission, sofern ihres Erachtens die Einführung derartiger einzelstaatlicher Bestimmungen gerechtfertigt ist, gemäß Artikel 95 Absatz 6 EG-Vertrag prüfen, ob die betreffenden Bestimmungen ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen und ob sie das Funktionieren des Binnenmarktes behindern.

2.1. Zinnorganische Verbindungen - allgemeine Informationen

(23) Zinnorganische Verbindungen sind eine Gruppe von Stoffen, die sich aus Zinn und einer variablen Anzahl organischer Gruppen zusammensetzen, die direkt an das Zinnatom gebunden sind. Zinnorganische Verbindungen sind sehr wirksame anwuchsverhindernde Mittel(5) für Schiffe; die wichtigsten und wirksamsten Verbindungen sind Tributylzinn, TBT, und Bis(tributylzinn)oxid TBTO.

(24) Tributylzinnverbindungen sind gemäß der Richtlinie 67/548/EWG des Rates vom 27. Juni 1967 über die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe(6), zuletzt geändert durch die Richtlinie 1999/33/EG(7), eingestuft als:

- gesundheitsschädlich bei Berührung mit der Haut

- giftig beim Verschlucken

- reizt die Augen und die Haut

- giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen und durch Verschlucken

- sehr giftig für Wasserorganismen, kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben

(25) Damit ein anwuchsverhinderndes Erzeugnis wirksam ist, muß der Wirkstoff biologisch verfügbar sein und folglich konstant in die direkte Umgebung freigesetzt werden. Infolge dieser Freisetzung in die aquatische Umwelt und der hohen akuten und chronischen Toxizität zinnorganischer Verbindungen können Schädigungen der exponierten Ökosysteme auftreten.

(26) TBTO wird in starkem Maß im Sediment absorbiert. TBT wird im wesentlichen zu Dibutylzinn, Monobutylzinn und schließlich zu Zinnoxid abgebaut. Wie schnell dieser Abbau vor sich geht, hängt weitgehend von der umgebenden Matrix ab. Die Halbwertzeiten im Wasser betragen zwei Wochen, in Biota zwei Monate und in Sedimenten 0,5 bis 20 Jahre. TBT weist in der Umwelt eine gewisse Bioakkumulation auf.

(27) TBT wirkt sich störend auf den Stoffwechsel exponierter Organismen (Enzymhemmung und Denaturierung von Proteinen) und das Hormonsystem bestimmter Schnecken aus (es bewirkt das Auftreten männlicher Geschlechtsmerkmale bei weiblichen Tieren, ein Phänomen, das als Imposex bezeichnet wird).

(28) Die Risiken von TBT für die aquatische Umwelt sind allgemein anerkannt. Bereits 1989 traf die Gemeinschaft erste Maßnahmen (Richtlinie 89/677/EWG), um die mit der Verwendung zinnorganischer Verbindungen in anwuchsverhindernden Farben verbundenen Risiken zu verringern, indem ihre Verwendung auf die berufsmäßige Verwendung für Schiffe von mindestens 25 m Länge beschränkt wurde.

(29) Eine von der Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten durchgeführte gründliche Neubewertung führte zum Erlass der Richtlinie 1999/51/EG, die eine erhebliche Verstärkung dieser Schutzmaßnahmen herbeigeführt hat. Die Richtlinie führt ein vollständiges Verbot der Verwendung derjenigen Typen von anwuchsverhindernden Farben ein, bei denen mit einer höheren und unkontrollierten Freisetzung von zinnorganischen Verbindungen zu rechnen ist, sowie ein Verbot der Verwendung bei Schiffen jeglicher Größe, die vorwiegend auf Binnenwasserstraßen und Seen eingesetzt werden. Im Rahmen der Neubewertung beauftragte die Kommission externe Berater(8) mit einer einschlägigen Studie und ersuchte auf der Grundlage dieser Studie den Wissenschaftlichen Ausschuss für Toxizität, Ökotoxizität und Umwelt (SCTEE) um Stellungnahme, die dieser am 27. November 1998 abgab.

2.2. Der Standpunkt Belgiens

(30) Die belgischen Behörden vertreten die Ansicht, dass die vorgeschlagene Maßnahme auf den Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren sowie der Umwelt abzielt. Dies wird durch eine Reihe von Fakten untermauert, die auch der Ausarbeitung der Richtlinie 1999/51/EG zugrunde liegen.

(31) Ihrer Ansicht nach hatte sich bereits zum Zeitpunkt der Ausarbeitung der Richtlinie 1999/51/EG gezeigt, dass die Konzentrationen von TBT aus anwuchsverhindernden Farben, die zur Behandlung von Bootskörpern verwendet werden, auf stark befahrenen Schifffahrtswegen und in Häfen eine Höhe erreichen, die für Austern und Trompetenschnecken schädlich sind und zur Verdickung der Schalen sowie zu Imposex bei diesen Organismen führen. Diese und andere Auswirkungen sind Beispiele für die von TBT in sehr niedrigen Konzentrationen verursachten hormonellen Störungen bei bestimmten Tierarten.

(32) Die belgischen Behörden erkennen an, dass man sich aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen, d. h. der möglichen Auswirkungen eines einseitigen europäischen TBT-Verbots für europäische Werften mit einer Standortverlagerung der Tätigkeiten und damit der Umgehung eines von der Europäischen Gemeinschaft verfügten Verbots TBT-haltiger Farben, auf europäischer Ebene für ein eingeschränktes Verbot von TBT-haltigen Farben entschieden hat und dass in Bezug auf ein vollständiges Verbot auf eine Entscheidung der IMO und auf den Zeithorizont 1. Januar 2003 verwiesen wird.

(33) In der Mitteilung stellen die belgischen Behörden fest, dass eine kürzlich durchgeführte Untersuchung gezeigt hat, dass bei Plattfischen durch Exposition gegenüber TBT die Infektionsresistenz zurückgeht. Diese Fische leben auf dem Meeresboden und sind relativ hohen TBT-Konzentrationen ausgesetzt.

(34) TBT kann ferner zur Schwächung des Immunsystems bei Säugetieren, wie Seeottern, führen, die sich von Schalentieren ernähren, deren Lebensraum durch TBT kontaminiert ist. Auch beim Menschen kann eine Exposition gegenüber TBT zu Effekten auf das Immunsystems führen, was einer der Gründe für den niedrigen Wert der zulässigen Tagesdosis (ADI) von 0,25 μg/kg/Tag ist, der vom SCTEE als annehmbar betrachtet wird. Daten zum Auftreten von zinnorganischen Verbindungen in Fischen, Schalen- und Krustentieren liegen nur begrenzt vor. Die verfügbaren Daten zeigen jedoch, dass ein Überschreiten der ADI bei Menschen auftreten kann, die Fisch und Schalentiere, wie Muscheln, in größeren Mengen zu sich nehmen. Zur Unterstützung dieser Argumente verweisen die belgischen Behörden auf eine Studie(9) vom Juni 1999.

(35) Ferner wird festgestellt, dass in einer Analyse von Baggerschlamm aus belgischen Häfen TBT-Konzentrationen über 7 μg/kg, dem Grenzwert für die aquatische Umwelt, gefunden wurden. Im Juni 1999 entnommene Proben ergaben Werte von mehr als dem Zweifachen dieses Grenzwerts.

(36) Nach Auskunft der belgischen Behörden zeigen die vorliegenden wissenschaftlichen Informationen, dass innerhalb von zwei Wochen nach Aufbringen einer frischen TBT-haltigen Farbschicht durchschnittlich 110 μg TBT/cm2/Tag mit Peaks bis zu 1128 μg TBT/cm2/Tag freigesetzt wurden. Die in belgischen Häfen durchgeführte Behandlung mit anwuchsverhindernder Farbe erhöht wahrscheinlich die Kontamination in den Hafengebieten und den nahe gelegenen Schifffahrtswegen, was die hohen TBT-Werte im Baggerschlamm erklärt.

(37) Die belgischen Behörden weisen ferner darauf hin, dass Imposex nicht auf Trompetenschnecken beschränkt ist, sondern weltweit bei 72 Arten von Meeresschnecken festgestellt wurde.

(38) Es wird hervorgehoben, dass der Ausschuss zum Schutz der Meeresumwelt der IMO auf seiner 43. Sitzung vom 28. Juni bis 2. Juli 1999 weitere Schritte unternommen hat, um der auf Diplomatenebene stattfindenden Konferenz der IMO im Jahr 2001 die Entscheidung zu ermöglichen, die Verwendung von zinnorganischen Verbindungen in anwuchsverhindernden Farben für Seeschiffe ab 1. Januar 2003 zu verbieten.

(39) Die belgischen Behörden machen ferner geltend, dass anwuchsverhindernde Farben ohne zinnorganische Verbindungen von gleicher Haltbarkeit und Wirkung erhältlich sind. Ihr Kostenpreis liegt zwar zur Zeit noch erheblich über dem von TBT-haltigen Farben, doch ist damit zu rechnen, dass er niedriger wird, wenn die Produktion in großem Maßstab erfolgt, wie dies seinerzeit auch bei den TBT-haltigen Farben der Fall war.

(40) Da die oben erwähnten Schadwirkungen einer Kontamination der Meeresumwelt durch TBT festgestellt wurden, als TBT für Schiffe von weniger als 25 m Länge bereits seit einiger Zeit verboten war, gehen die belgischen Behörden davon aus, dass durchgreifendere Maßnahmen, d. h. ein vollständiges Verbot anwuchsverhindernder Farben auf der Basis von zinnorganischen Verbindungen, erforderlich sein werden, um das Auftreten weiterer Umweltschäden zu verhindern.

(41) Wegen der Nähe zu den Häfen und einem der befahrensten Schifffahrtswege ist die Meeresumwelt an der belgischen Küste den Auswirkungen der TBT-Verschmutzung durch Seeschiffe besonders stark ausgesetzt. Das reichlich vorhandene Sediment in diesem Gebiet stellt ein Reservoir von TBT dar, das - da es hier vor raschem Abbau geschützt ist - noch viele Jahre nach dem Verbot seiner Verwendung eine Bedrohung für die aquatische Umwelt darstellen wird.

(42) Um zu verhindern, dass TBT-verseuchter Baggerschlamm die Umwelt gefährdet, muss er besonders behandelt werden, was hohe Kosten für die Gemeinschaft mit sich bringt. Diese Kosten werden umso höher liegen, je länger Farben auf Basis von zinnorganischen Verbindungen verwendet werden. Im Hinblick auf diese Kosten ist ein Aufschieben des vollständigen Verbots von TBT für Belgien wirtschaftlich nicht länger vertretbar.

(43) Die belgische Regierung vertritt daher die Ansicht, dass die Verwendung anwuchsverhindernder Farben ab dem 1. Januar 2003, dem vom Ausschuss der IMO für den Schutz der Meeresumwelt vorgeschlagenen Zeitpunkt, eingestellt werden sollte.

2.3. Bewertung des belgischen Standpunkts

(44) Die von den belgischen Behörden in der Mitteilung genannten Gründe für die Anwendung von Artikel 95 Absatz 5 sind nicht sehr umfassend. Im Folgenden werden ihre Erklärungen und Standpunkte im Licht der in diesem Artikel aufgeführten Kriterien bewertet.

2.3.1. Beweislast

(45) Es ist festzustellen, dass die Kommission in Anbetracht des durch Artikel 95 Absatz 6 festgelegten Zeitrahmens bei der Prüfung, ob die mitgeteilten einzelstaatlichen Maßnahmen gemäß Artikel 95 Absatz 5 gerechtfertigt sind, von den Gründen ausgehen muss, die der Mitgliedstaat vorgelegt hat. Dies bedeutet, dass nach den Bestimmungen des Vertrags der antragstellende Mitgliedstaat, nachweisen muss, dass die Maßnahmen gerechtfertigt sind. In Anbetracht des durch Artikel 95 vorgegebenen Verfahrensrahmens und insbesondere wegen der für die Beschlussfassung geltenden strikten Frist von sechs Monaten muss sich die Kommission in der Regel darauf beschränken, die Relevanz der vom betreffenden Mitgliedstaat vorgelegten Angaben zu prüfen, ohne dass sie selbst nach möglichen Rechtfertigungsgründen suchen muss.

(46) Sollten die vom ersuchenden Mitgliedstaat vorgelegten Elemente es der Kommission nicht ermöglichen zu prüfen, ob die Bedingungen des Artikels 95 Absatz 5 erfuellt sind, so dass die Kommission den Entwurf der einzelstaatlichen Maßnahmen ablehnt, so ist es dem Mitgliedstaat nicht verwehrt, sein Ersuchen erneut vorzulegen und um zusätzliche und/oder neue Elemente zu ergänzen, die notwendig sind, um festzustellen, ob die Bedingungen des Artikels 95 Absatz 5 erfuellt sind oder nicht.

2.3.2. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Schutz der Umwelt oder Arbeitsumwelt im Hinblick auf ein spezifisches Problem für den Mitgliedstaat, das sich nach Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergeben hat

(47) Die von den belgischen Behörden vorgebrachten Argumente betreffen den Umweltschutz. Jedoch stellen die belgischen Behörden selbst fest, dass ein Großteil der Informationen über die Umweltauswirkungen von TBT oder anderen zinnorganischen Verbindungen bereits bei der Ausarbeitung der Richtlinie 1999/51/EG bekannt waren und berücksichtigt wurden. Dies gilt insbesondere für die Arbeit der IMO, die speziell im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/51/EG erwähnt wird. Dort heißt es in der Tat ganz klar, dass die Entwicklung der Arbeiten und die Entscheidungen der IMO bei der Überprüfung der Richtlinie, die vor dem 1. Januar 2003 durchgeführt werden wird, vollständig berücksichtigt werden.

(48) Die belgischen Behörden machen geltend, dass eine kürzlich erschiene Studie gezeigt hat, dass die Exposition gegenüber TBT bei Plattfischen zu verminderter Infektionsresistenz führt. Es werden keine weiteren Informationen vorgelegt - weder der Text der Studie noch eine entsprechende Quellenangabe. Daher ist es unmöglich nachzuprüfen, ob diese Informationen erst nach Erlass der Richtlinie 1999/51/EG vorlagen oder bekannt geworden sind.

(49) Die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, insbesondere durch Exposition im Bereich der Arbeitsumwelt wurden sowohl im Rahmen der von der Kommission in Auftrag gegebenen Studie als auch der Stellungnahme des SCTEE bei der Ausarbeitung der Richtlinie 1999/51/EG beurteilt. Es ist daher nicht klar, ob die von den belgischen Behörden vorgelegten Informationen auf der Grundlage einer zitierten Studie vom Juni 1999(10) (deren Text nicht vorgelegt wird) neue wissenschaftliche Erkenntnisse im Sinne des Artikels 95 Absatz 5 darstellen. Die Informationen beziehen sich insbesondere auf die tägliche Aufnahme von TBT über die Nahrung und stehen folglich nicht im Zusammenhang mit dem Schutz des Menschen in der Arbeitsumwelt.

(50) Die belgischen Behörden machen geltend, dass Proben von Baggerschlamm aus belgischen Häfen im Juni 1999 gezeigt haben, dass die Konzentrationen von TBT mehr als das Zweifache über dem Wert von 7 μg/kg lagen. Weitere Einzelheiten werden nicht mitgeteilt. Obwohl diese Daten zu einem Zeitpunkt gemessen wurden, als die Richtlinie bereits erlassen war, stellen sie per se nicht unbedingt neue Informationen dar. Die von der Kommission anläßlich der Überarbeitung der Gemeinschaftsvorschriften in Auftrag gegebene Studie nennt Beispiele mehrerer Häfen weltweit (Hong Kong, Frankreich, Neuseeland, Niederlande) mit TBT-Konzentrationen in Hafensedimenten von 10 bis 2100 μg/kg im Zeitraum 1989 bis 1995. Dies zeigt eindeutig, dass die im Sediment in belgischen Häfen angetrofenen TBT-Konzentrationen zum Zeitpunkt der Ausarbeitung der Richtlinie weder unbekannt waren, noch dass sie einzigartig für Belgien sind. Das Problem ist jedoch offenbar spezifisch für solche Mitgliedstaaten, in denen viel befahrene Häfen liegen.

(51) Die belgischen Behörden weisen darauf hin, dass nach dem Aufbringen TBT-haltiger Farbe in Schiffswerften (was in belgischen Häfen durchgeführt wird) die Freisetzungen von TBT aus der frischen Farbe besonders hoch sind; dies stellt einen der Gründe dar, weshalb die TBT-Werte in belgischen Hafensedimenten so hoch liegen. Es werden jedoch weder spezifische Daten für Belgien, noch der Zeitpunkt genannt, an dem die Daten verfügbar wurden. Andererseits waren die hohen Freisetzungen von Bioziden (einschließlich TBT) aus frischen anwuchsverhindernden Farben bereits bei Ausarbeitung der Richtlinie 1999/51/EG hinlänglich bekannt, und auch in der von der Kommission in Auftrag gegebenen Studie(11) wird dies ausdrücklich dokumentiert. Außerdem gilt dieses Argument für alle Häfen weltweit, wo Arbeiten mit anwuchsverhindernden Farben in Trockendocks durchgeführt werden.

(52) Die weiteren Argumente der belgischen Behörden (siehe oben) geben Anlass zu folgenden Bemerkungen. Die von der Kommission in Auftrag gegebene Studie stellt bereits fest, daß Imposex nicht auf Trompetenschnecken beschränkt ist, sondern auch bei einer Reihe von anderen Meeresschnecken auftritt. Jedoch sind Trompetenschnecken die empfindlichste Art. Der Zweck der Maßnahmen des Ausschusses der IMO für den Schutz der Meeresumwelt auf seiner Sitzung vom 28. Juni bis 2. Juli 1999, nämlich darauf hinzuwirken, dass die auf Diplomatenebene stattfindende Konferenz der IMO die Verwendung anwuchsverhindernder Farben auf Seeschiffen ab 1. Januar 2003 verbieten kann, war bereits bekannt, als die Richtlinie 1999/51/EG erlassen wurde und wird speziell in den Erwägungsgründen erwähnt. Die Tatsache, dass alternative Farben ohne zinnorganische Verbindungen erhältlich sind, und mit der Zeit preisgünstiger werden, ist als Begründung des belgischen Antrags nicht relevant.

(53) Schließlich wird von den belgischen Behörden geltend gemacht, dass die Meeresumwelt der belgischen Küste wegen ihrer Nähe zu den Häfen und zu einem der meist befahrenen Schifffahrtswege besonders den Auswirkungen der TBT-Freisetzung durch Seeschiffe ausgesetzt sind. Zur Verhütung von Umweltschäden müssen die Sedimente ausgebaggert und dekontaminiert werden, was mit hohen Kosten verbunden ist. Es werden keine weiteren Daten vorgelegt, weder über die tatsächliche Kontamination entlang des belgischen Küstenstreifens, noch über die Kosten der Dekontamination. In der von der Kommission in Auftrag gegebenen Studie wird die Tatsache sehr wohl berücksichtigt, dass Küstenstreifen in der Nähe der großen Häfen und stark befahrener Schifffahrtswege Gebiete mit höherem Risiko darstellen. Auf das Beispiel des niederländischen Küstenstreifens wird ausführlich eingegangen. Allerdings geht aus den Daten der Niederlande hervor, dass die Verseuchung des Küstenstreifens eher auf die Abwässer und die Einleitung von Baggerschlamm aus stark frequentierten Häfen und nicht so sehr auf die Nähe stark befahrener Schifffahrtswege zurückzuführen ist.

(54) Generell ist festzustellen, dass die von den belgischen Behörden zur Begründung ihres Antrags gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG-Vertrag vorgelegten Daten nicht die Schlussfolgerung zulassen, dass die als Entwurf mitgeteilten einzelstaatlichen Maßnahmen auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen betreffend den Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen Problems für Belgien, das sich nach Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergeben hat, basieren. Die Bedingungen gemäß Artikel 95 Absatz 5 sind folglich nicht erfuellt.

(55) In Anbetracht der Ergebnisse der Analyse der vorgelegten Daten besteht kein Grund zur Konsultation der anderen Mitgliedstaaten und Interessengruppen oder dafür, den SCTEE erneut um Stellungnahme zu bitten.

2.4. Keine willkürliche Diskriminierung/verschleierte Beschränkung des Handels und keine Behinderung des Funktionierens des Binnenmarktes

(56) Nach Artikel 95 Absatz 6 billigt die Kommission die betreffenden einzelstaatlichen Bestimmungen oder lehnt diese ab, "nachdem sie geprüft hat, ob sie ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung und eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen und ob sie das Funktionieren des Binnenmarkts behindern".

(57) Da der Antrag Belgiens die in Artikel 95 Absatz 5 (siehe Punkt 2.3) genannten grundlegenden Bedingungen nicht erfuellt, braucht die Kommission nicht zu prüfen, ob die einzelstaatlichen Bestimmungen ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung und eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen und ob sie das Funktionieren des Binnenmarkts behindern.

IV. SCHLUSSFOLGERUNG

(58) In Anbetracht der obigen Erwägungen ist die Kommission der Auffassung, dass der Antrag Belgiens vom 21. Februar 2000 im Hinblick auf die Einführung einzelstaatlicher Bestimmungen zur Abweichung von den Bestimmungen der Richtlinie 1999/51/EG über zinnorganische Verbindungen:

- zulässig ist,

- jedoch nicht den Voraussetzungen gemäß Artikel 95 Absatz 5 entspricht.

(59) Die Kommission beschließt daher, das Gesuch gemäß Artikel 95 Absatz 6 EG-Vertrag abzulehnen -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Der mit Schreiben vom 21. Februar 2000 vom Königreich Belgien der Kommission mitgeteilte Entwurf einzelstaatlicher Bestimmungen, die von der Richtlinie 1999/51/EG ab 1. Januar 2003 abweichen, wird hiermit abgelehnt.

Artikel 2

Diese Entscheidung ist an das Königreich Belgien gerichtet.

Brüssel, den 25. Juli 2000

Für die Kommission

Erkki Liikanen

Mitglied der Kommission

(1) ABl. L 262 vom 27.9.1976, S. 201.

(2) ABl. L 207 vom 6.8.1999, S. 18.

(3) ABl. L 398 vom 30.12.1989, S. 19.

(4) ABl. L 142 vom 5.6.1999, S. 22.

(5) Anwuchs bezeichnet das Phänomen, dass sich ein breites Spektrum von Organismen an Schiffskörpern und Unterwasserkonstruktionen ansiedeln kann. Ansammlungen solcher Organismen an Schiffskörpern können sich erheblich auf die Leistung eines Schiffes auswirken und zu verminderter Manövrierbarkeit und höherem Kraftstoffverbrauch führen.

(6) ABl. 196 vom 16.8.1967, S. 1.

(7) ABl. L 199 vom 30.7.1999, S. 57.

(8) WS Atkins International Led. Assessment of the Risks to Health and to the Environment of Tin Organic Compounds and of Arsenic in Certain Biocidal Products and of the Effects of Further Restrictions on their Marketing and Use, Schlussbericht, April 1998.

(9) A.C. Belfoid, M. Puperhart and F. Ariese, Organotin levels in seafood in relation to the tolerable daily intake (TDI) for Humans, Institute for Environmental Studies, Vrije Universiteit Amsterdam, Juni 1999.

(10) Siehe Fußnote 9.

(11) Siehe Fußnote 8, S. 1-7.

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