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Document 52016IR4438

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Aktionsplan für die Integration von Drittstaatsangehörigen

OJ C 185, 9.6.2017, p. 55–61 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

9.6.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 185/55


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Aktionsplan für die Integration von Drittstaatsangehörigen

(2017/C 185/08)

Berichterstatter:

Karl VANLOUVE (BE/EA), Mitglied des flämischen Parlaments und Mitglied des belgischen Senats

Referenzdokument:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Aktionsplan für die Integration von Drittstaatsangehörigen

COM(2016) 377 final

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Allgemeiner Rahmen und Grundprinzipien

1.

begrüßt den Aktionsplan der Europäischen Kommission für die Integration von Drittstaatsangehörigen (1) vor dem Hintergrund einer zunehmend größeren Diversität der europäischen Gesellschaft und dem Erfordernis, sie vollständig in die Gesellschaft zu integrieren; hebt die Bedeutung von Integration hervor, die ein zweiseitiger Prozess ist, an dem sowohl die Drittstaatsangehörigen als auch die Aufnahmegesellschaft beteiligt sind;

2.

ist der Ansicht, dass die Integration als dynamischer, interaktiver und vorübergehender Prozess zu betrachten ist, der Drittstaatsangehörige zur vollständigen Teilhabe an der Aufnahmegesellschaft sowie zu einem eigenständigen Leben befähigt; und fordert zu Interaktion mit der Aufnahmegesellschaft sowie zur Teilhabe an dieser Gesellschaft auf;

3.

betont, dass die Integration gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (2) eine Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ist; der Vertrag ermöglicht die Festlegung von Maßnahmen auf europäischer Ebene, mit denen die Bemühungen der Mitgliedstaaten um die Integration von sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörigen gefördert und unterstützt werden — unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten; ruft dazu auf, die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips weiter zu überwachen, und erinnert daran, dass die Maßnahmen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich im Einklang mit dem EU-Besitzstand stehen müssen, der auch die Gemeinsamen Grundprinzipien für die Integration von Migranten in die EU umfasst;

4.

weist darauf hin, dass die eigentliche Integrationspolitik vor allem auf der politischen Ebene umgesetzt wird, die den Bürgern am nächsten steht. Daher wäre es äußerst ratsam, nach einem Konzept der Multi-Level-Governance vorzugehen, wobei natürlich die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften besonders zu berücksichtigen sind, da sie am unmittelbarsten mit den Herausforderungen und Chancen der Integration konfrontiert sind;

5.

macht auf die Bedeutung der Verwendung der korrekten Terminologie in Bezug auf die unterschiedlichen Kategorien von Neuankömmlingen in der politischen Debatte aufmerksam. Der Aktionsplan befasst sich nur mit neu angekommenen Personen (Migranten, Flüchtlinge und Personen, die subsidiären Schutz genießen), die Angehörige von Drittstaaten sind und sich rechtmäßig in der EU aufhalten. Nicht betroffen sind somit Staatsangehörige von EU-Mitgliedstaaten, deren Eltern oder Großeltern einen Migrationshintergrund aus einem Drittstaat haben, sowie EU-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben, und ihre Familienangehörigen;

6.

betont, dass die Integration kein eigenständiger Politikbereich sein kann und naturgemäß in die verschiedenen klassischen Politikbereiche wie Bildung, Beschäftigung, Wohlfahrt, Gesundheit, Wohnen usw. hineinspielen muss, weswegen die Integrationspolitik im Idealfall bereichsübergreifend umgesetzt wird, wobei in jedem Politikbereich die Herausforderungen und Chancen der Integration zu berücksichtigen sind;

7.

unterstreicht, dass die Integration als ein wechselseitiger Prozess mit Rechten und Pflichten sowohl für die Drittstaatsangehörigen als auch für die Aufnahmegesellschaft verbunden ist, wobei beide Seiten ihren Teil der Verantwortung übernehmen müssen;

8.

weist darauf hin, dass die Integration im Idealfall der abschließende Baustein einer Asyl- und Migrationspolitik ist, weswegen der Aktionsplan nicht losgelöst gesehen werden darf von u. a. den Vorschlägen der Europäischen Kommission für das gemeinsame europäische Asylsystem (3) und den neuen Partnerschaftsrahmen für die Zusammenarbeit mit Drittländern im Kontext der Europäischen Migrationsagenda (4);

9.

verweist angesichts der wesentlichen Bedeutung eines Arbeitsplatzes für die gesellschaftliche Integration von Drittstaatsangehörigen im Zusammenhang mit dem Vorschlag der Kommission für legale Einwanderung und der Überarbeitung der Richtlinie über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer umfassende Qualifikationen voraussetzenden Beschäftigung auch auf die „Blaue Karte“ (5);

Herausforderungen und Chancen der Integration

10.

teilt die Einschätzung der Kommission, dass eine Nicht-Integration einen erheblichen Verlust sowohl für die Drittstaatsangehörigen als auch für die Aufnahmegesellschaft bedeuten würde und dass die sozialen und wirtschaftlichen Kosten der Nicht-Integration eindeutig höher ausfallen könnten als die Investitionen in Integrationsmaßnahmen mit dem ihnen innewohnenden Potenzial;

11.

ist davon überzeugt, dass eine gute Integrationspolitik eine der erforderlichen Voraussetzungen ist, um das verhältnismäßig schlechtere Abschneiden von Drittstaatsangehörigen in Bezug auf Arbeitsmarkt, Bildung, Einkommen, Wohnsituation, Gesundheit, zivilgesellschaftliches Engagement und sozialen Zusammenhalt anzugehen, das aus den Indikatoren der OECD hervorgeht (6);

12.

unterstützt die Kommission in ihrer Forderung nach mehr maßgeschneiderten Konzepten und ist davon überzeugt, dass in der Integrationspolitik die große Diversität innerhalb der verschiedenen Gruppen von Drittstaatsangehörigen sowie ihre unterschiedlichen Bedürfnisse stärker berücksichtigt werden müssen. Eine gute Integrationspolitik fußt somit auf maßgeschneiderten Konzepten und nicht auf einem Einheitskonzept. Zu berücksichtigen sind unter anderem Sprachkenntnisse, der kulturelle Hintergrund, das Bildungsniveau, die voraussichtliche Dauer des Aufenthalts, der Grund für die Migration, Qualifikationen, Berufserfahrung, eventuelle Traumata usw. Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften verfügen über gute Voraussetzungen, um der großen Diversität unter den Drittstaatsangehörigen und ihren besonderen Bedürfnissen Rechnung tragen zu können, und können in diesem Bereich ein Forum für den Austausch von Wissen und Erfahrungen bieten. In diesem Zusammenhang verweist der Ausschuss der Regionen auf bewährte Verfahren, bei denen von einer individuellen Perspektive ausgehend mit Kursen für die gesellschaftliche und die staatsbürgerliche Integration gearbeitet wird, die auf die Bedürfnisse der Drittstaatsangehörigen abgestimmt sind;

13.

begrüßt die Überzeugung von Kommission und Europäischem Parlament (7), dass durch die Integrationspolitik im Allgemeinen und insbesondere durch die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen kein Nachteil in Bezug auf die Maßnahmen für andere schutzbedürftige Gruppen in der Aufnahmegesellschaft entstehen darf;

Gesellschaftlicher Zusammenhalt

14.

betont, dass unsere europäische Gesellschaft auf grundlegenden Normen und Werten wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Gleichstellung von Frauen und Männern, den Menschenrechten, Solidarität, Toleranz usw. beruht; begrüßt, dass das Verhältnis zwischen der Integration und diesen Normen und Werten auf der Tagung des Rates (Allgemeine Angelegenheiten) vom 24. Mai 2016 zur Rechtsstaatlichkeit (8) erörtert wurde, und fordert die künftigen EU-Ratsvorsitze (Malta, Estland) auf, diesen Dialog fortzusetzen, um unter den Mitgliedstaaten, den EU-Institutionen, den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und der Zivilgesellschaft ein tieferes Verständnis bezüglich des Schutzes dieser Normen und Werte zu entwickeln und zu erörtern, wie sie zur Integration beitragen können;

15.

ist davon überzeugt, dass für eine erfolgreiche Integration Verständnis und Akzeptanz dieser europäischen Normen und Werte sowohl bei den Drittstaatsangehörigen als auch in der Aufnahmegesellschaft ausschlaggebende Bedeutung haben. Dies entspricht dem Gedanken, dass Integrationsmaßnahmen möglichst mit Maßnahmen für die staatsbürgerliche Integration und Gemeinschaftsbildung verknüpft werden sollten und dass daher geeignete Instrumente für die Schaffung gegenseitigen Verständnisses auf den verschiedenen Ebenen mit angemessener Unterstützung durch die europäische Ebene entwickelt und gefördert werden müssen, die politische Bildung bzw. Staatsbürgerkunde sowohl im Rahmen des klassischen Unterrichts als auch durch innovative Lehrformate umfassen;

16.

betont die Notwendigkeit, die Verfahren auszubauen, die zum einen zur Stärkung der Solidarität und der Zusammenarbeit zwischen allen Regionen der EU beitragen und zum anderen die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden und dem Fachpersonal fördern. Die Sensibilisierung der Regierungen der Mitgliedstaaten mit Zuständigkeiten im Bereich Asyl ist eine wesentliche Aufgabe;

17.

verweist in diesem Zusammenhang auf bewährte Verfahren zur staatsbürgerlichen Integration, bei denen Drittstaatsangehörigen soziale Orientierungskurse angeboten werden, um sie interaktiv mit den europäischen Normen und Werten sowie den Lebensgewohnheiten im Aufnahmeland vertraut zu machen. Ziel ist es, sie dabei zu unterstützen, die erforderlichen Instrumente zu erlangen, um in vollem Umfang an der Gesellschaft teilhaben zu können;

18.

schlägt vor, Initiativen in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten, wo Drittstaatsangehörige dazu aufgefordert sind, eine Verpflichtungs- bzw. Partizipationserklärung zu unterzeichnen, in der u. a. grundlegende Normen und Werte aufgeführt sind, zu ermitteln; es sollte untersucht werden, wie diese Initiativen die betreffende Gesellschaft beeinflussen; die Erfahrungen mit solchen Verfahren sollten ausgetauscht werden, damit lokale und regionale Gebietskörperschaften hiervon profitieren können; weist ferner darauf hin, dass sich nicht nur Drittstaatsangehörige, sondern auch die einheimische Bevölkerung aktiv zu diesen grundlegenden Normen und Werten bekennen sollte;

19.

verweist erneut darauf, dass die Integration ein wechselseitiger Prozess ist, bei dem auch das Aufnahmeland eine Rolle zu übernehmen hat. Das bedeutet, dass die Aufnahmegesellschaft den Drittstaatsangehörigen eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen muss, indem Hindernisse beseitigt, der Zugang zu Grundversorgungsleistungen sichergestellt und Integrationsangebote gemacht werden, um Drittstaatsangehörige mit der Gesellschaft, in der sie leben, vertraut zu machen. Insbesondere bei der Familienmigration kann die Aufnahmegesellschaft eine wichtige Rolle beim Integrationsprozess spielen. In erster Linie sind hier die Mitgliedstaaten und die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften gefragt, aber auch nichtstaatliche Organisationen, die Zivilgesellschaft, der Privatsektor, religiöse Gemeinschaften oder Gemeinschaften ethnischer Minderheiten in der Aufnahmegesellschaft sind wichtige Partner in der Integrationspolitik;

20.

verweist zudem darauf, dass all diesen Akteuren eine Verantwortung dabei zukommt, die Aufnahmegesellschaft auf die Ankunft von Drittstaatsangehörigen vorzubereiten und ihre Akzeptanz zu fördern, und unterstreicht in diesem Zusammenhang, wie wichtig es ist, die Aufnahmegesellschaft angemessen zu informieren;

Politische Prioritäten zur Unterstützung der Integration

Maßnahmen im Vorfeld von Ausreise und Ankunft

21.

ist davon überzeugt, dass der Integrationsprozess nach Möglichkeit frühzeitig bzw. sogar noch im Herkunftsland beginnen sollte;

22.

weist darauf hin, dass Kenntnisse in der Sprache des Aufnahmelandes für eine gute Integration unverzichtbar sind und dass das Erlernen einer Fremdsprache oft einige Zeit dauert. So bieten mehrere EU-Mitgliedstaaten schon heute bereits vor der Ankunft der Drittstaatsangehörigen im Aufnahmeland Sprachkurse bzw. Sprachtests an. Auf diese Weise wird der Zeitraum verkürzt (bzw. ist dieser gar nicht erst vorhanden), in dem die Drittstaatsangehörigen im Aufnahmeland nicht in der Landessprache kommunizieren können, was die Interaktion mit der Aufnahmegesellschaft vor Ort erleichtert. Selbstverständlich darf dies keine Bedingung für die Gewährung von Schutz für Flüchtlinge oder für Personen sein, die subsidiären Schutz genießen;

23.

betont, dass für ein maßgeschneidertes Konzept Aufnahmegespräche mit den Drittstaatsangehörigen unerlässlich sind, um ein besseres Bild der Erwartungen der Drittstaatsangehörigen und der Aufnahmegesellschaft zu erhalten. Diese Aufnahmegespräche sollten, wenn möglich, zum Teil schon im Herkunftsland geführt werden, damit sich die Drittstaatsangehörigen gleich nach ihrer Ankunft in der Aufnahmegesellschaft völlig auf den eigentlichen Integrationsprozess konzentrieren können;

24.

unterstreicht die Bedeutung von flankierenden Maßnahmen zur Information der Aufnahmegesellschaft vor der Ankunft der Drittstaatsangehörigen, vor allem dort, wo Flüchtlinge neu angesiedelt werden;

Bildung

25.

begrüßt den Schwerpunkt der Kommission auf der Bildung als einen politischen Kernbereich für eine erfolgreiche Integrationspolitik und ruft dazu auf, diesbezüglich die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips auch weiterhin zu wahren;

26.

unterstreicht, dass das Erlernen der Amtssprachen des Aufnahmelandes vorrangige Bedeutung hat, um den Drittstaatsangehörigen und ihren Kindern möglichst rasch Kontakt zur Aufnahmegesellschaft zu ermöglichen, sodass sie ihre Rechte ausüben und ihre Pflichten erfüllen können. Auch hier sollten maßgeschneiderte Bildungskonzepte zum Einsatz kommen, die auf das Profil der Drittstaatsangehörigen und ihre besonderen Bedürfnisse abgestimmt sind;

27.

verweist auf die bewährten Verfahren an Grund- und weiterführenden Schulen im Bereich von Aufnahmeunterricht bzw. Willkommensklassen für Drittstaatsangehörige mit einer anderen Muttersprache, bei denen Schulen maßgeschneiderte Lösungen in eigenen Klassen, durch eine spezielle Förderung in regulären Klassen oder in Form einer Mischung anbieten können (9);

28.

macht auf bewährte Verfahren im Bereich sprachüberbrückender Maßnahmen aufmerksam, wie z. B. Sprach- und Integrationsmittler, die Lehrkräfte und Mentoren an Schulen unterstützen, um dafür zu sorgen, dass Drittstaatsangehörige, die die Sprache des Aufnahmelands noch nicht beherrschen, dennoch in Kontakt mit den Bildungseinrichtungen treten können, die ihre Kinder besuchen;

29.

begrüßt angesichts der Notwendigkeit der Information aller über Recht, Kultur, Normen und Werte der Aufnahmegesellschaft den Vorschlag der Kommission, die Frage weiter zu prüfen, ob und wie in den Schulen der Sekundarstufe Staatsbürgerkunde unterrichtet werden kann; empfiehlt dies auch für die Erwachsenen- und Berufsbildung;

30.

fordert mehr Aufmerksamkeit für die Zielgruppe der 16- bis 18-jährigen Drittstaatsangehörigen, die sich häufig am Ende des schulpflichtigen Alters befinden und oft nicht über einen entsprechenden Schulabschluss verfügen, der sie für die Aufnahme einer Berufsausbildung bzw. eines Studiums oder den erfolgreichen Eintritt in den Arbeitsmarkt qualifiziert;

Integration in den Arbeitsmarkt und Zugang zur beruflichen Bildung

31.

begrüßt, dass die Kommission die Integration in den Arbeitsmarkt als Priorität sieht in Bezug auf die Möglichkeiten der Drittstaatsangehörigen, sich in der Gesellschaft zu etablieren und an ihr teilzuhaben — angesichts des Problems, dass die Beschäftigungsquote von neu angekommenen Drittstaatsangehörigen, insbesondere von Frauen, im Vergleich mit den Inländern im Allgemeinen unter dem Durchschnitt liegt (10);

32.

fordert dazu auf, eventuell über Praktikumsmöglichkeiten sowie durch Leistungen in der Berufsberatung und der Rechtsberatung Systeme einzurichten, über die Drittstaatsangehörige möglichst rasch Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Auf diese Weise können sie ihre Sprachfertigkeit durch den Kontakt mit Arbeitskollegen praktisch üben und Netze schaffen, über die sie einen Arbeitsplatz finden und selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können;

33.

begrüßt im Zusammenhang mit der Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration Maßnahmen für nicht mehr schulpflichtige Drittstaatsangehörige zum nachträglichen Erwerb berufsbezogener Grundbildung und zur Verbesserung ihrer Ausbildungsreife;

34.

ist davon überzeugt, dass eine gezielte wirtschaftliche Arbeitsmigration dazu beitragen kann, die Herausforderungen der Alterung der Erwerbsbevölkerung, des Fachkräftemangels und des Drucks auf die Sozialsysteme zu bewältigen, weist jedoch darauf hin, dass die Aufnahme und die dazugehörige Integration von Flüchtlingen und der Grundsatz der Familienzusammenführung in erster Linie als Aspekte, die im Interesse sowohl der Aufnahmegesellschaft als auch der Migranten stehen und auf Grundrechten und internationalen Verpflichtungen beruhen, betrachtet werden müssen und nicht fälschlicherweise als die Lösung unserer Arbeitsmarktprobleme gesehen werden dürfen;

35.

erkennt die Notwendigkeit einer raschen und ordnungsgemäßen Beurteilung und Validierung der Kompetenzen und Qualifikationen von Drittstaatsangehörigen aus der Hochschulbildung und der beruflichen Bildung an, da dies Vorrang hat, um sie in den Arbeitsmarkt einzugliedern bzw. sie durch berufliche Bildung auf den Eintritt in den Arbeitsmarkt vorzubereiten; sieht daher unter anderem der Ausarbeitung der Vorschläge der Kommission im Rahmen ihrer neuen Europäischen Agenda für Kompetenzen mit Spannung entgegen (11);

36.

unterstreicht im Zusammenhang mit der Überarbeitung der Richtlinie über die „Blaue Karte“ (12), dass es für die europäischen Volkswirtschaften von wesentlicher Bedeutung ist, dass hoch qualifizierte Arbeitskräfte für die Besetzung von tatsächlich freien Stellen zu uns kommen;

37.

begrüßt die Tagung des Dreigliedrigen Sozialgipfels vom 16. März 2016 über die Flüchtlingskrise, fordert jedoch dazu auf, auch Beiträge aus dem Bildungsbereich zu berücksichtigen, der als wichtiger Partner dazu beitragen kann, die Debatte über die (Arbeitsmarkt-)Integration voranzubringen;

Zugang zu Grundversorgungsleistungen

38.

betont erneut, dass eine klare Unterscheidung zu treffen ist zwischen (Wirtschafts-)Migranten und Flüchtlingen bzw. von Personen, die subsidiären Schutz genießen, insbesondere in der politischen Debatte über den Zugang zu Grundversorgungsleistungen, da unterschiedliche Zielgruppen unterschiedliche Bedürfnisse haben können, was einen grundlegend anderen Ansatz erforderlich macht; unterstreicht jedoch, dass die Notwendigkeit der Ermöglichung einer erfolgreichen Integration alle sich rechtmäßig in der EU aufhaltenden Drittstaatsangehörigen betrifft;

39.

unterstreicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Sozialsysteme und nimmt die politische Debatte in mehreren Mitgliedstaaten zur Kenntnis, in der das Versicherungsprinzip empfohlen wird, weswegen auch bei Drittstaatsangehörigen der schrittweise Aufbau bestimmter sozialer Rechte auf der Grundlage gezahlter Beiträge gewählt wird;

40.

fordert im Rahmen der Gesundheitsversorgung eine stärkere Beachtung des Aspekts der psychischen Gesundheit, der vor allem bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen mit Kriegs- oder anderen traumatischen Erfahrungen wichtig sein kann, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen;

41.

ist sich bewusst, dass die Mitgliedstaaten das Recht haben, von Migranten, die kein Anrecht auf völkerrechtlichen Schutz haben, zu verlangen, dass sie bei ihrer Ankunft im Aufnahmeland selbst für ihren Unterhalt sorgen können und daher keine Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen;

42.

weist darauf hin, dass Sozialwohnungen immer genügend Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, unbeschadet dessen, dass die Bewohner — egal ob es sich um Drittstaatsangehörige handelt oder nicht — letztlich eigenständig werden und so eine Wohnung auf dem privaten Markt finden können sollten;

43.

begrüßt den Standpunkt der Kommission, dass Maßnahmen zur Unterstützung der Integration von Drittstaatsangehörigen nicht zulasten von Maßnahmen für andere gefährdete oder benachteiligte Gruppen in der Aufnahmegesellschaft gehen dürfen;

Aktive Teilhabe und soziale Inklusion

44.

begrüßt, dass die Kommission in diesem Kapitel ihres Aktionsplans auf die aktive Bürgerschaft abzielt, wobei Drittstaatsangehörige nicht immer „die Neuen“ bleiben, sondern unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit möglichst rasch Teil der Aufnahmegesellschaft werden, weswegen er nicht nur Integrationsmaßnahmen, sondern auch Integrationskurse und Gemeinschaftsbildung empfiehlt;

45.

stimmt mit der Kommission darin überein, dass sich die Integration nicht allein auf das Erlernen der Sprache oder das Erlangen eines Arbeitsplatzes beschränkt, sondern dass es auch darum geht, eine aktive Rolle in der Gemeinschaft und der Zivilgesellschaft auszuüben. Auch deswegen ist es so wichtig, dass die Integration von Drittstaatsangehörigen nicht nur von der Politik vorgeschlagen bzw. vorgeschrieben wird, sondern auch die Zivilgesellschaft hieran beteiligt wird;

46.

vertritt die Auffassung, dass neben dem formalen Erlernen der Amtssprachen der Aufnahmegesellschaft über Unterricht auch der Kontakt zur Zivilgesellschaft dem Drittstaatsangehörigen einen informellen Rahmen bietet, den er braucht, um sich in diesen neuen Sprachen zu üben, und dass er so auf sehr praktische Art mit den Amtssprachen des Aufnahmelandes vertraut wird;

47.

teilt die Überzeugung der Kommission, dass durch zivilgesellschaftliches Engagement der Drittstaatsangehörigen in der Aufnahmegesellschaft der Dialog und das gegenseitige Verständnis zwischen den Neuankömmlingen und der Aufnahmegesellschaft gefördert werden, die Akzeptanz in der Aufnahmegesellschaft gesteigert wird und Diskriminierung und Rassismus bekämpft werden;

48.

unterstützt die Kommission in ihrer Aufforderung an die Mitgliedstaaten, Rechtsvorschriften zum Schutz vor Rassismus und Fremdenfeindlichkeit umzusetzen und aktiv für Gleichbehandlung und die Bekämpfung von Diskriminierung zu sorgen, um eine gemeinsame Bürgerschaft zu stärken;

Politische Instrumente zur Integrationsförderung

Politische Koordinierung

49.

begrüßt die Bemühungen der Kommission, beim Ausbau des derzeitigen Netzes der nationalen Kontaktstellen für Integration zu einem europäischen Integrationsnetz den Austausch bewährter Verfahren zu stärken, insbesondere bei der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften;

50.

fordert die Kommission auf, das europäische Integrationsnetz zu einer Plattform zu machen, um das gemeinschaftliche Handeln mit geteilter Verantwortung zwischen den verschiedenen Ebenen — Zentralstaat, Region, Kommune — bei der Festlegung ihrer Maßnahmen zur Unterstützung der Integration und bei der Koordinierung und der Aufteilung der Zuständigkeiten zu ermutigen und zu unterstützen (13);

Finanzierung

51.

bedauert — unbeschadet der Tatsache, dass die Mitgliedstaaten hierfür zuständig sind —, dass die Mitgliedstaaten im Kontext des mehrjährigen Finanzrahmens 2014-2020 über ihre nationalen Programme im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) weniger Mittel für die Integration bereitgestellt haben, während der Bedarf jedoch vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen Migrations-, Asyl- und humanitären Krise zugenommen hat;

52.

begrüßt die Absicht der Kommission, die finanzielle Unterstützung der Mitgliedstaaten durch die EU für die Integration von Drittstaatsangehörigen im Rahmen des AMIF im Haushaltsentwurf 2017 zu erhöhen;

53.

hält es für dringend erforderlich, Synergien zwischen den verschiedenen europäischen Fonds zu finden, die integrationspolitische Maßnahmen unterstützen können. In erster Linie geht es dabei natürlich um den AMIF, aber auch über den Fonds für die innere Sicherheit (ISF), den Europäischen Sozialfonds (ESF), den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), den Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) und den Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen sollten Integrationsprojekte gefördert werden können (14);

54.

fordert die Europäische Kommission auf, die Einführung eines spezifischen thematischen Ziels für die Integration im Rahmen der Kohäsionspolitik für die Zeit nach 2020 zu erwägen, um eine wirkungsvollere und gezieltere Verwendung der ESIF-Mittel für Integrationsprojekte zu gewährleisten. In Bezug auf den Programmplanungszeitraum 2014-2020 sollten den Verwaltungsbehörden weitere möglichst klare und detaillierte Leitlinien zu den über die ESIF zu finanzierenden Integrationsmaßnahmen an die Hand gegeben werden;

55.

ruft dazu auf, es den Mitgliedstaaten, den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und der Zivilgesellschaft möglichst leicht zu machen, Vorschläge für nationale Programme im Rahmen der verschiedenen Fonds einzureichen, und begrüßt daher u. a. den Vorschlag der Kommission, Partnerschaftsmechanismen stärker zu nutzen;

56.

fordert einen verstärkten und gezielteren Einsatz von Interreg zur Förderung von Integrationsprojekten, auch mittels einer Umformulierung der Regeln und Prioritäten der entsprechenden operationellen Programme; unterstreicht die zentrale Rolle, die die europäische territoriale Zusammenarbeit bei der Verbesserung der Integrationsmaßnahmen insbesondere auf lokaler Ebene spielen kann, indem Synergien und der Austausch bewährter Verfahren gefördert werden;

57.

fordert die Kommission auf, übermäßigen Verwaltungsaufwand und Bürokratie bei den Kontrollmechanismen der verschiedenen EU-Fonds, die für Integrationsprojekte genutzt werden, abzubauen, damit die gesamte Energie der Mitgliedstaaten und der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften wirkungsvoll in integrationspolitische Maßnahmen vor Ort fließen kann, ohne dass die zu Recht strengen Kontrollen, die für eine effiziente Verwendung öffentlicher Mittel sorgen, hierunter leiden;

58.

fordert die Kommission ferner auf, den für die Integrationspolitik erforderlichen maßgeschneiderten Ansatz auch auf die Kontrollmechanismen der verschiedenen EU-Fonds auszuweiten, die für Integrationsprojekte genutzt werden, ohne dass die strengen Kontrollen, die für eine ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Mittel durchgeführt werden müssen, hierunter leiden;

Die Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften

59.

macht erneut darauf aufmerksam, dass die eigentliche Integrationspolitik vor allem auf der lokalen und regionalen Ebene umgesetzt wird und dass diese Ebene am unmittelbarsten mit den Herausforderungen und Chancen der Integration konfrontiert ist;

60.

fordert die Kommission deshalb auf, den besonderen Bedürfnissen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften Rechnung zu tragen, sie mehr als früher in die Integrationspolitik, die von europäischer Ebene aus erarbeitet, durchgeführt oder angeregt wird, einzubeziehen und dabei umfassend zu unterstützen;

61.

legt der Kommission nahe, die Mitgliedstaaten und die Regionen zur Durchführung von Integrationsmaßnahmen anzuhalten und sie dabei finanziell zu unterstützen, insbesondere in Bezug auf Bildungs- und Berufsbildungswege, Integration in den Arbeits- und Wohnungsmarkt und den Austausch bewährter Verfahren der Regionen, die bereits Integrationsmaßnahmen wie die dezentrale Aufnahme durchgeführt haben;

62.

fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, den Ausschuss der Regionen als beratende Einrichtung der EU, in der Vertreter der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften Europas versammelt sind, als privilegierten Partner anzusehen, aber auch andere Formen der Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, ihren Verbänden oder anderen Partnerschaften, Netzen und Plattformen (wie z. B. die Versammlung der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften Europa-Mittelmeer, die Konferenz der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften der Östlichen Partnerschaft, die gemischten beratenden Ausschüsse, Arbeitsgruppen, die Konferenz der peripheren Küstenregionen Europas, der Rat der Gemeinden und Regionen Europas usw.) zu fördern, um möglichst viele Beiträge lokaler und regionaler Gebietskörperschaften einzuholen;

63.

fordert die Kommission auf, den Ausschuss der Regionen aktiv an ihrer Unterstützung des Austauschs bewährter Verfahren und ihrer Verbreitung unter den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu beteiligen, insbesondere in Bezug auf integrationspolitische Maßnahmen im Vorfeld von Ausreise und Ankunft in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung, Zugang zu Grundversorgungsleistungen sowie aktive Teilhabe und soziale Eingliederung; verweist diesbezüglich u. a. auf die vom Ausschuss der Regionen durchgeführte vergleichende Studie zur Integrationspolitik (15);

64.

fordert von der Europäischen Kommission weitere Fortschritte in der Frage der unbegleiteten Minderjährigen im Migrationsprozess, für deren Betreuung in manchen Fällen die Regionen zuständig sind; die Kommission sollte gegenüber den Mitgliedstaaten eine solidarische Verteilung der Lasten und Zuständigkeiten zwischen europäischer, nationaler und regionaler Ebene fördern. Daher erhoffen wir uns dringlich eine neue Gesamtstrategie der Kommission, die sie als Ergänzung zu dem „Aktionsplan für unbegleitete Minderjährige (2010-2014)“ erarbeiten sollte, damit die Lage der vermissten bzw. unbegleiteten Kinder Berücksichtigung findet;

65.

begrüßt den ausdrücklichen Verweis der Kommission auf SHARE mit seinem Projekt „SHARE-City-Curriculum“ (16), über das lokale und regionale Gebietskörperschaften Zugang zu einem Instrumentarium erhalten, das sie im Rahmen der Neuansiedlung von Flüchtlingen bei Maßnahmen für die Integration in die Aufnahmegesellschaft unterstützt;

66.

fordert die Kommission auf, den Ausschuss der Regionen aktiv am neuen Europäischen Integrationsnetz, dem Europäischen Migrationsforum, der Partnerschaft für die Integration von Drittstaatsangehörigen im Rahmen der EU-Städteagenda (17) sowie an der Überprüfung und Weiterverfolgung der „Integrationsindikatoren“ zu beteiligen.

Brüssel, den 8. Dezember 2016

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Markku MARKKULA


(1)  COM(2016) 377 final.

(2)  Artikel 79 Absatz 4 AEUV.

(3)  COM(2016) 272 final, COM(2016) 270 final und COM(2016) 271 final.

(4)  COM(2016) 385 final.

(5)  COM(2016) 378 final.

(6)  Integration von Zuwanderern: Indikatoren 2015, OECD (2015).

(7)  Die Integration von Flüchtlingen ist notwendig, es darf jedoch kein Nachteil für schutzbedürftige Gruppen entstehen, Pressemitteilung des Europäischen Parlaments, Ref.: 20160530STO29645 (2016).

(8)  Non-Paper des Vorsitzes für die Tagung des Rates (Allgemeine Angelegenheiten) am 24. Mai 2016 — Dialog über Rechtsstaatlichkeit (13. Mai 2016).

(9)  http://www.flanderstoday.eu/education/okan-schools-help-youngsters-feel-home-flanders.

(10)  Eurostat: Migrant integration in the EU labour market (2016).

(11)  COM(2016) 381 final.

(12)  Siehe Fußnote 5.

(13)  Artikel 79 Absatz 4 AEUV.

(14)  Synergies between the Asylum Migration and Integration Fund and other EU financial instruments in relation to asylum seekers and other migrants, Europäische Kommission (2015).

(15)  „Regulatorische Rahmenbedingungen bezüglich Beschäftigung und Finanzierung der Migrations- und Integrationspolitik in der EU“, Europäische Union (2016).

(16)  http://www.resettlement.eu/page/welcome-share-network.

(17)  http://urbanagendaforthe.eu/partnerships/inclusion-of-migrants-and-refugees/.


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