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Document 52015AE4053

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung der Kosteneffizienz von Emissionsminderungsmaßnahmen und zur Förderung von Investitionen in CO2-effiziente Technologien [COM(2015) 337 final — 2015/0148 (COD)]

OJ C 71, 24.2.2016, p. 57–64 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

24.2.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 71/57


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung der Kosteneffizienz von Emissionsminderungsmaßnahmen und zur Förderung von Investitionen in CO2-effiziente Technologien

[COM(2015) 337 final — 2015/0148 (COD)]

(2016/C 071/10)

Berichterstatter:

Antonello PEZZINI

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 7. bzw. 21. September 2015, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 192 und 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung der Kosteneffizienz von Emissionsminderungsmaßnahmen und zur Förderung von Investitionen in CO2-effiziente Technologien“

[COM(2015) 337 final — 2015/0148 (COD)].

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 18. November 2015 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 512. Plenartagung am 9./10. Dezember 2015 (Sitzung vom 9. Dezember) mit 138 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 1 Enthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Ausschuss ist davon überzeugt, dass eine nachhaltige Reindustrialisierung mit einem wettbewerbsfähigen Wachstum und der Schaffung neuer und besserer Arbeitsplätze für Europa von zentraler Bedeutung ist, und dass das CO2-Emissionshandelssystem der EU (EU-EHS) in diesem Rahmen ein Schlüsselinstrument der europäischen Politik zur Bekämpfung des Klimawandels und für die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft sein muss.

1.2.

Der Ausschuss ist der Ansicht, dass das Emissionshandelssystems der EU als Instrument für die Senkung der EU-Energieemissionen ein Preissignal für CO2 geben, aber auch nachhaltige Investitionen in neue CO2-arme Technologien begünstigen muss.

1.3.

Nach Ansicht des EWSA muss der CO2-Markt über einen detaillierten und gut abgestimmten Rahmen verfügen und für alle wichtigen internationalen Akteure stabiler, flexibler und offener werden, um das Ziel einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Verarbeitungsindustrie zu erreichen.

1.4.

Die Kommission muss sich nach Auffassung des Ausschusses strikt an das Mandat halten, das vom Europäischen Rat in seiner Sitzung vom 23./24. Oktober 2014 im Rahmen für die Energie- und Klimapolitik bis 2030 vereinbart wurde. Dies betrifft insbesondere die klaren Hinweise auf die Bestimmungen zur Verlagerung der Kohlenstoffemissionen (Carbon Leakage), die im Rahmen der Reform des EU-EHS auszuarbeiten sind.

1.5.

Nach Ansicht des Ausschusses sollten angemessene Mechanismen für die Umstellung gewährleistet werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen zu wahren und den Risiken von Investitionsverlagerungen und von unlauterem Wettbewerb seitens Ländern, in denen es keine vergleichbaren klimapolitischen Instrumente gibt, vorzubeugen.

1.6.

Der EWSA empfiehlt, einen angemessenen globalen Regelungsrahmen zu gewährleisten — insbesondere in Bezug auf die Mengen der kostenlosen Zuteilungen, die Zulässigkeit des Carbon Leakage, die Überarbeitung der Benchmarking-Parameter und den Ausgleich der durch die Strompreise entstehenden Kosten. Damit soll in allen Mitgliedstaaten lückenlos die kostenlose Zuteilung und die vollständige Kompensierung der indirekten Kosten von 10 % der effizientesten Anlagen in Bereichen mit einem hohen Risiko des Carbon Leakage gewährleistet werden.

1.7.

Der EWSA empfiehlt bei der Reform folgende Aspekte zu berücksichtigen:

Abschaffung des sektorübergreifenden Korrekturfaktors für die direkten Kosten;

EU-weit harmonisierte Mechanismen für den Ausgleich der indirekten Kosten in der gesamten EU, um Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen (1);

Prämien- und keine Bestrafungssysteme für die Spitzenreiter, unabhängig von der Art der Leistung, einschließlich Abscheidung und Nutzung von CO2;

Festlegung von Benchmarks anhand solider und einmalig zu Beginn des Zeitraums festgelegter Industriedaten;

Zuteilung kostenloser Zertifikate an die Sektoren auf der Grundlage tatsächlicher und nicht historischer Produktionszahlen;

Möglichkeit des Fall-back-Konzepts in Phase 4 für die Sektoren ohne vorherige Referenzparameter;

flexiblere Festlegung des Risikos des Carbon Leakage durch die aktuellen qualitativen Risikokriterien ohne Einführung von Schwellenwerten;

teilweise Nutzung der Stabilitätsreserve zur Unterstützung des phasing-out jener Sektoren, die aus der Carbon-Leakage-Liste gestrichen wurden;

Ausnahme vom Mechanismus für Anlagen mit CO2-Emissionen unter 50 000 Tonnen;

umfassende Berücksichtigung der sozialen Dimension beim EU-EHS, um die Umstellung der Prozesse, technischen Fertigkeiten und beschäftigungsrelevanten Fähigkeiten auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft zu unterstützen;

Untersuchung der Möglichkeiten, wie die Prämiensysteme für die Spitzenreiter auf die Zivilgesellschaft ausgedehnt werden können, indem Familien, Gemeinden und öffentliche Verwaltungen, die ihren eigenen Verbrauch an CO2-erzeugender Energie spürbar senken und die Emissionen durch grüne Investitionen ausgleichen, EHS-Boni erhalten.

unabhängige Vorabstudie, um die optimalen Verfahren für das Funktionieren des EU-EHS im Hinblick auf die Erreichung der angestrebten Klimaschutzziele zu ermitteln.

1.8.

Der Ausschuss empfiehlt schließlich ein Höchstmaß an Kohärenz und Synergien und möglichst wenige Überschneidungen — sowie die Beseitigung unnötigen Verwaltungsaufwands — zwischen den neuen Vorschriften im Rahmen der Überprüfung des EU-Emissionshandelssystems und den parallelen und ergänzenden Vorschriften, mit denen sie interagieren.

1.9.

Der EWSA ist der Auffassung, dass gestützt auf multilaterale und bilaterale internationale Übereinkünfte ein Rahmen für den Tausch von internationalen Gutschriften gewährleistet werden sollte, der bei der Erreichung der umfassenderen Emissionsreduktionsziele in Europa eine Rolle spielen sollte.

1.10.

Der Ausschuss hält es für wichtig, nach der Pariser Konferenz Ende 2015 eine diesbezügliche Initiativstellungnahme zu erarbeiten.

2.   Einführung

2.1.

Das Emissionshandelssystem der EU (EU-EHS-Emissions Trading System) trat am 1. Januar 2005 in Kraft und ist dank seiner Möglichkeit zur Senkung der Treibhausgasemissionen eines der wichtigsten Instrumente der Klimapolitik der EU.

2.2.

Seit seiner Schaffung sollte das EU-EHS auf Unionsebene einen Bezugspunkt für CO2 darstellen, der es ermöglicht, die Emissionen in sämtlichen Sektoren der europäischen Wirtschaft, die für etwa die Hälfte der Treibhausgasemissionen der EU verantwortlich sind, zu reduzieren.

2.3.

Der EWSA hat das EU-EHS seit jeher als ein Schlüsselinstrument der EU-Klima- und Energiepolitik zur Reduzierung der Emissionen der europäischen Industrie betrachtet. Er drängt daher auf eine echte Reform dieses Systems, um die EU-Klimaziele für 2030 zu erreichen. Dabei müssen die industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas erhalten und Investitionsverlagerungen verhindert werden.

2.4.

Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung vom 21. März 2014 Maßnahmen zum vollen Ausgleich der direkten und indirekten Kosten gefordert, die den im internationalen Wettbewerb stehenden Sektoren durch die EU-Klimapolitik verursacht werden, solange nicht ein umfassendes internationales Klimaabkommen weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen schafft.

2.4.1.

Gleichwohl schließt sich der EWSA den Bemerkungen des Europäischen Rechnungshofs an, der auf erhebliche Schwächen bei der Umsetzung des EU-EHS aufmerksam macht, und spricht eine Reihe von Empfehlungen zur Verbesserung der Integrität und Umsetzung dieses Systems unter Bekräftigung des Begriffs der industriellen Effizienz, welche die uneingeschränkte wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der EU gewährleisten soll, aus.

2.5.

Der Europäische Rat hat am 23./24. Oktober 2014 den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 festgelegt. Er hat ferner Schlussfolgerungen angenommen und insbesondere einige wichtige Ziele gebilligt:

ein verbindliches Ziel der EU, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 % im Vergleich zu 1990 im Zuge einer linearen Verringerung von jährlich 1,74 % zu reduzieren;

ein verbindliches Ziel auf EU-Ebene, bis 2030 mindestens 27 % des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen zu decken, allerdings ohne verbindliche Zielvorgaben für die Mitgliedstaaten;

ein Richtziel, die Energieeffizienz bis 2030 um mindestens 27 % zu verbessern, das nicht verbindlich ist, aber auf 30 % angehoben werden kann;

die rasche Vollendung des Energiebinnenmarkts zu unterstützen, damit das 10 %-Ziel für den aktuellen Stromverbund spätestens 2020 erreicht wird.

2.5.1.

Das offiziell vom Rat „Umwelt“ auf seiner Tagung am 6. März 2015 festgelegte EU-Ziel, die internen Treibhausgasemissionen um mindestens 40 % zu reduzieren, stellt die Grundlage für den Beitrag der EU zu den Verhandlungen über ein neues globales Klimaschutzübereinkommen dar.

2.5.2.

Alle genannten Aspekte des Rahmens werden vom Rat regelmäßig geprüft, der auch in Zukunft strategische Leitlinien für vom EHS erfasste Sektoren und für nicht unter das EHS fallende Sektoren sowie für den Verbund und die Energieeffizienz vorgeben wird.

2.5.3.

Die Instrumente und Maßnahmen müssen sich an einem globalen und technologieneutralen Konzept orientieren, um die Emissionen zu senken und die Energieeffizienz zu fördern.

2.6.

Am 13. Mai 2015 haben sich der Rat und das EP mit dem Beschluss zu einer Marktstabilitätsreserve auf die Reform des EU-EHS geeinigt:

2018 wird eine Marktstabilitätsreserve eingerichtet, die am 1.1.2019 in Kraft tritt;

„einbehaltene“ Zertifikate (die 900 Mio. Zertifikate, deren für die Jahre 2014-2016 vorgesehene Versteigerung bis 2019-2020 zurückgestellt wurde) werden in die Marktreserve eingestellt;

nicht zugeteilte Zertifikate werden 2020 direkt in die Marktstabilitätsreserve überführt; über ihre zukünftige Nutzung wird im Rahmen einer umfassenderen Überprüfung des EU-EHS entschieden;

der 10 %-Solidaritätsanteil an den Zertifikaten wird vorübergehend, d. h. bis Ende 2025, vom Geltungsbereich der Marktstabilitätsreserve ausgenommen;

bei der Überprüfung des EU-EHS muss die etwaige Nutzung einer beschränkten Anzahl an Zertifikaten vor 2021 erwogen werden, um die vorhandenen Mittel für die Förderung von CCS (Abscheidung und Speicherung von CO2) zu nutzen;

bei den Überprüfungen des EU-EHS und der Marktstabilitätsreserve werden berücksichtigt:

die Verlagerung von CO2-Emissionen und Wettbewerbsaspekte und

beschäftigungs- und BIP-relevante Fragen.

2.7.

Im Rahmen der Energiestrategie der EU und im Hinblick auf die Klimakonferenz in Paris hat die Kommission ein Maßnahmenpaket vorgeschlagen, durch das u. a. das EU-System für den Handel mit Emissionsrechten gemäß den Vorgaben des Rates überarbeitet wird, unter Wahrung der Prioritäten der Reindustralisierung der europäischen Wirtschaft und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit jener Industriesektoren, die der Gefahr der Produktionsverlagerung am stärksten ausgesetzt sind.

2.8.

Die Maßnahmen zur Überprüfung des EU-Emissionshandelssystems betreffen nicht nur die Energiepolitik, sondern auch zahlreiche andere EU-Politiken.

2.9.

Der EWSA hat eine Studie über die Auswirkungen von Maßnahmen in Auftrag gegeben, die durch die Umweltschutzinstrumente der EU finanziert werden (2). Darin wird betont, wie wichtig die effiziente Verwendung der Erlöse aus den marktbasierten Instrumenten ist, um Umweltverbesserungen im Sinne der Förderung einer grünen Wirtschaft zu erzielen, sowie jener aus dem EU-EHS, die eine besonders wichtige Möglichkeit für die Finanzierung derartiger Verbesserungen und für den industriellen und beschäftigungsrelevanten Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft darstellen.

3.   Vorschläge der Kommission

3.1.

Die Initiative der Kommission zur Änderung der Richtlinie EU-EHS 2003/87/EG würde durch eine Reihe von Vorschlägen den Umfang der jährlichen Emissionsminderung erhöhen, indem die Menge der jährlich im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) vergebenen Zertifikate ab 2021 um einen linearen Faktor von über 2,2 % verringert würde, um im Jahr 2030 eine Reduzierung von 43 % gegenüber 2005 zu erreichen.

3.2.

Der Vorschlag sieht verschiedene Finanzierungsmechanismen vor, mit denen Wirtschaftsakteure unterstützt werden sollen, die gegen die Verlagerung von CO2-Emissionen ankämpfen und sich den großen Innovations- und Investitionsherausforderungen stellen müssen, die für die Modernisierung ihrer Anlagen und die Energieeffizienz notwendig sind, um zur Emissionsminderung beizutragen.

4.   Die weltweiten Emissionshandelssysteme

4.1.

Emissionshandelssysteme nehmen jenseits der Grenzen der EU weltweit zu und sind in Gestalt nationaler oder subnationaler Systeme in verschiedenen Ländern in Kraft.

4.2.

In den USA hat Präsident Obama die Regeln für den „Clean Power Plan“ CPP angekündigt, in dem für jeden Staat die einzelnen Standards zur Reduzierung der CO2-Emissionen aus den Kraftwerken — hauptsächlich Kohle und Gas — bis 2030 vorgegeben werden.

4.2.1.

In Kalifornien trat 2012 das „cap-and-trade“-Programm in Kraft. In Connecticut, Delaware, Maine, Maryland, Massachusetts, New Hampshire, New York, Rhode Island und Vermont wurde die „Regional Greenhouse Gas Initiative“ (RGGI) eingeführt.

4.3.

In Australien ist ein Emissionshandelssystem in Kraft, das nach Maßgabe eines Abkommens mit der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2012 bis 2018 mit dem europäischen System zusammengeführt werden soll.

4.4.

In Kanada wurde das Québec’s Cap-and-Trade System for Greenhouse Gas Emissions 2012 eingeführt, das seit 2013 85 % der Emissionen in Quebec erfasst.

4.5.

In Neuseeland wurde 2008 ein Emissionshandelssystem NZ-ES gestartet, das auch Wälder und die Landwirtschaft, flüssige fossile Brennstoffe, Elektrizitätswerke und industrielle Verfahren erfasst.

4.6.

Die EU und China haben sich auf ihrem bilateralen Gipfeltreffen Ende Juni 2015 auf eine Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Klimawandels verständigt.

4.7.

In Südkorea gibt es seit Januar 2015 das Programm KETS, das erste Programm in Asien auf nationaler Ebene und das zweite weltweit nach dem EU-EHS.

4.8.

In Japan wurde im April 2010 das Tokyo Cap-and-Trade-Programm (TMG-EHS) als erstes obligatorisches Handelssystem eingeführt.

4.9.

In der Schweiz wurde das CH-EHS im Jahr 2008 für 5 Jahre auf freiwilliger Basis als Alternative zur CO2-Steuer auf fossile Brennstoffe aufgelegt und ist mittlerweile seit 2013 obligatorisch für die großen energieintensiven Industrien.

5.   Allgemeine Bemerkungen

5.1.

Nach Ansicht des Ausschusses stellt das EU-EHS ein effizientes Schlüsselinstrument für die Senkung der EU-Energieemissionen dar, wenn es marktbasiert ist und so ein den Zielen entsprechendes Preissignal für CO2 gibt, aber auch Investitionen in CO2-arme Technologien und den Ausbau der erneuerbaren Energieträger sowie die Steigerung der Energieeffizienz begünstigt.

5.1.1.

Der EWSA ist besorgt angesichts eines möglicherweise sich beschleunigenden Prozesses der Verlagerung von Investitionen als eine spezifische Form der Verlagerung von CO2-Emissionen in bedrohten Branchen. Dies könnte die Wettbewerbsfähigkeit dieser Wirtschaftszweige und ihre Fähigkeit, die für eine ressourceneffiziente und kohlenstoffarme Wirtschaft notwendigen Maßnahmen im Einklang mit unlängst verabschiedeten Stellungnahmen (3) zu ergreifen, weiter schwächen.

5.2.

Der EWSA ist überzeugt, dass der CO2-Markt für alle wichtigen internationalen Akteure stabiler, flexibler und offener werden muss.

5.3.

Der vom Europäischen Rat am 23./24. Oktober 2014 festgelegte Rahmen für die Energiepolitik bis 2030 enthält ehrgeizige Ziele zur einseitigen Reduzierung, aber auch klare Hinweise in Bezug auf die Bestimmungen bezüglich des Carbon Leakage, die im Rahmen der Reform des EU-EHS konzipiert werden müssen.

5.3.1.

Der EWSA ist ferner der Auffassung, dass die Reform des EU-EHS politisch abgestimmt werden sollte, insbesondere mit der Reform der nicht unter das EHS fallenden Sektoren (Lastenteilungsentscheidung) und der politischen Maßnahmen für erneuerbare Energien (EED) und Energieeffizienz (EED und EPBD).

5.4.

Nach Einschätzung des EWSA sollten bei der Reform u. a. folgende Aspekte berücksichtigt werden:

Abschaffung des sektorübergreifenden Korrekturfaktors für die direkten Kosten;

EU-weit harmonisierte Mechanismen für den Ausgleich der indirekten Kosten;

Prämien- und keine Bestrafungssysteme für die Spitzenreiter, unabhängig von der Art der Spitzenleistung, einschließlich Abscheidung und Nutzung von CO2;

Festlegung von Benchmarks anhand solider und einmalig zu Beginn des Zeitraums festgelegter Industriedaten;

Zuteilung kostenloser Zertifikate an die Sektoren auf der Grundlage tatsächlicher Produktionszahlen;

Möglichkeit des Fall-back-Konzepts in Phase 4 für die Sektoren ohne vorherige Referenzparameter;

flexiblere Ermittlung des Risikos des Carbon Leakage anhand aktueller qualitativer Risikokriterien;

teilweise Nutzung der Stabilitätsreserve zur Unterstützung des phasing-out jener Sektoren, die aus der Carbon-Leakage-Liste gestrichen wurden;

Ausnahme vom Mechanismus für Anlagen mit CO2-Emissionen unter 50 000 Tonnen;

umfassende Berücksichtigung der sozialen Dimension beim EU-EHS, um die Umstellung der Prozesse, technischen Fertigkeiten und beschäftigungsrelevanten Fähigkeiten auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft voll und ganz zu unterstützen.

5.4.1.

Allen von Verlagerung bedrohten Unternehmen sollte eine bestimmte Anzahl an Emissionsrechten kostenfrei zugeteilt werden.

5.5.

Nach Ansicht des Ausschusses sollten angemessene Mechanismen für die Umstellung auf eine ausgewogene Reduzierung der kostenlosen CO2-Emissionszertifikate gewährleistet werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen zu wahren und den Risiken von Investitionsverlagerungen und von unlauterem Wettbewerb in der europäischen Wirtschaft und den europäischen Beschäftigungssektoren seitens Ländern, in denen es keine vergleichbaren Vorschriften gibt, vorzubeugen.

5.5.1.

Insbesondere gilt es, ein angemessenes globales Regelungspaket in Bezug auf die Mengen der kostenlosen Zuteilungen, auf die Zulässigkeit des Carbon Leakage, die Überarbeitung der Benchmarking-Parameter und den Ausgleich der durch die Strompreise entstehenden Kosten zu gewährleisten. Damit soll in allen Mitgliedstaaten voll und ganz die kostenlose Zuteilung und die vollständige Kompensierung der indirekten Kosten von 10 % der effizientesten Anlagen in Bereichen mit einem hohen Risiko des Carbon Leakage gewährleistet werden.

5.5.2.

Ferner sollte untersucht werden, ob die Prämiensysteme für die Spitzenreiter auf die Zivilgesellschaft ausgedehnt werden könnten, indem Familien, Gemeinden und öffentliche Verwaltungen, die ihren eigenen Verbrauch an CO2-erzeugender Energie spürbar senken und die Emissionen durch grüne Investitionen ausgleichen, EHS-Boni zugeteilt werden.

5.6.

Nach Ansicht des EWSA sollte der Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) beibehalten, verbessert und ausgeweitet werden, und das EU-EHS sowie die neuen, in anderen Regionen der Welt entstehenden Systeme sollten entsprechend miteinander verzahnt werden.

5.7.

Der Klimawandel erfordert eine globale Lösung mittels eines Übereinkommens, das für alle großen Wirtschaftsräume der Welt klar umrissene und zuverlässige Ziele enthält.

6.   Besondere Bemerkungen

6.1.

Der Ausschuss empfiehlt, die Modalitäten für die Aufteilung der Zertifikate zu überarbeiten und einen angemessenen Anteil kostenloser Zertifikate zu gewährleisten, um die Erfordernisse der anspruchsberechtigten Betreiber zu erfüllen. Die Definition der Sektoren, bei denen ein Risiko der Verlagerung besteht, birgt ab 2020 die Gefahr, das Carbon-Leakage-Verzeichnis mit einem Schwellenwert von 0,18 als Voraussetzung für die Förderfähigkeit beträchtlich zu kürzen.

6.2.

Der EWSA blickt mit Sorge auf die Verschärfung der Benchmarks, durch die Betriebe, die sich in Schwierigkeiten befinden, noch weiter benachteiligt würden: bei der sektorenübergreifenden Reduzierung der Richtwerte durch einen einheitlichen linearen Korrekturfaktor zwischen 0,5 % und 1,5 % jährlich wird die Lebensdauer der Anlagen und der reale Stand der Technologie in stark diversifizierten Sektoren nicht berücksichtigt.

6.3.

Nach Ansicht des EWSA sollten die Benchmarks für die Verlagerung von CO2-Emissionen technisch und wirtschaftlich durchführbar sein, um den realen technischen Fortschritt widerzuspiegeln, und er empfiehlt, dass die Methode zur Kürzung des Verzeichnisses jener Sektoren auf der Carbon-Leakage-Liste von 177 auf 52 im Zeitraum 2021-2030 von den Sozialpartnern mitgetragen und von phasing-out-Maßnahmen flankiert wird.

6.4.

Der EWSA ist ferner der Auffassung, dass der sektorenübergreifende Korrekturfaktor abgeschafft werden muss. Ein unzweckmäßig kalkulierter Korrekturfaktor würde Unsicherheit bei der kostenlosen Zuteilung schaffen und die gefährdetsten Anlagen in unverhältnismäßige Kosten stürzen.

6.5.

Der EWSA plädiert für einen EU-weit harmonisierten Kompensierungsmechanismus für die indirekten Kosten anhand bereits erstellter Parameter (4), der die derzeitigen Verzerrungen des Binnenmarktes behebt und die gegenwärtige Regelung auf der Grundlage der staatlichen Beihilfen verbindlich macht, indem die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, mindestens einen Teil der Versteigerungserlöse in eine hinlängliche Kompensierung der indirekten Kosten fließen zu lassen, welche die ökologischen Spitzenreiter in den gefährdeten Sektoren tragen müssen.

6.6.

Der Ausschuss fordert eine flexiblere und dynamischere Zuteilung der kostenlosen Zertifikate auf der Grundlage aktualisierter effektiver Produktionsvolumen. Zu diesem Zweck sollten Anlagen mit verbesserter Effizienz dadurch unterstützt werden, dass sie weiterhin dieselbe Menge kostenloser Zertifikate zugeteilt bekommen.

6.7.

Eine flexiblere Gestaltung des Kriteriums für die Ermittlung des Risiko eines Carbon Leakage ist notwendig, um die Auswirkung des Kohlenstoffpreises auf die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Sektoren, insbesondere für die KMU, nach einem 2008 festgelegten qualitativen Kriterium besser widerzuspiegeln.

6.8.

Nach Ansicht des EWSA sollten die drei Fonds des EU-EHS — Stabilitätsreserve, Innovationsfonds und Modernisierungsfonds — in einem Gesamtrahmen betrachtet werden, um korrekte Funktionsweisen und angemessene Verwaltungs- und Kontrollsysteme sicherzustellen sowie Doppelungen und Überschneidungen zu vermeiden.

6.9.

Der EWSA ist der Auffassung, dass

ein Teil der Stabilitätsreserve zur Unterstützung des phasing-out jener Sektoren, die aus der Carbon-Leakage-Liste gestrichen wurden, verwendet werden sollte;

der Modernisierungsfonds nicht nur Ländern mit einem BIP unter 60 % des EU-Durchschnitts zur Verfügen zu stehen hat, sondern auch für Stromerzeugungsmaßnahmen in den NUTS-2-Gebieten für die transparente Förderung von Investitionen ohne Wettbewerbsverzerrungen auf dem Energiebinnenmarkt geöffnet werden sollte;

der Innovationsfonds für neue Technologien und CO2-arme Industrieprozesse insbesondere in Sektoren, die sich im schrittweisen phasing-out befinden, zu nutzen ist;

die freiwilligen CO2-Versteigerungen wie z. B. „CarboMark“ als zusätzliche und freiwillig von den Waldeigentümern eingegangene Verpflichtungen weitergeführt werden sollten, um den indirekten ökologischen Nutzen des Waldes zu maximieren, durch den die Klimaschutzfunktion des Waldökosystems auch ökonomisch anerkannt werden könnte.

6.10.

Der Ausschuss plädiert dafür, dass die für Kleinanlagen mit CO2-Emissionen von weniger als 25 000 Tonnen vorgesehenen Maßnahmen auch auf Anlagen mit CO2-Emissionen von weniger als 50 000 Tonnen ausgeweitet werden, die EU-weit rund 75 % der unter das EHS fallenden Anlagen ausmachen, aber nur 5 % der Gesamtemissionen ausstoßen.

6.11.

Was die Emissionen im Rahmen des mineralogischen Prozesses anbelangt, so ist ihr Reduzierungspotenzial seitens der Betreiber praktisch gleich Null, weshalb die Betreiber ihre gesamten Zertifikate kostenlos zugeteilt bekommen sollten.

6.12.

Da die Maßnahmen zur Überprüfung des EU-Emissionshandelssystems nicht nur die Energiepolitik, sondern viele andere Unionspolitiken betreffen, empfiehlt der Ausschuss ein Höchstmaß an Kohärenz — und die Beseitigung unnötigen Verwaltungsaufwands bezüglich der neuen und der mit diesen interagierenden Vorschriften.

Brüssel, den 9. Dezember 2015.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Vgl. Modernisierung der staatlichen Beihilfe für einen integrierten EU-Energiebinnenmarkt — Joaquín Almunia, für Wettbewerbspolitik zuständiger Vizepräsident der Europäischen Kommission, Brüssel, 2. Dezember 2013 — Energie: der Bereich, wo „mehr Europa“ am dringlichsten ist. Entwicklung gemeinsamer Grundsätze für die Bewertung staatlicher Beihilfen. Damit Beihilfen mit dem Binnenmarkt vereinbar sind, müssen sie zu einem gemeinsamen EU-Ziel beitragen, nachgewiesenes Marktversagen korrigieren/Eigenkapitalbelange angehen, ein angemessenes Instrument sein, einen Anreizeffekt sicherstellen, verhältnismäßig/aufs Minimum beschränkt sein und unangemessene Wettbewerbs- und Handelsverzerrungen verhindern. Siehe auch „Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020“ (ABl. C 200 vom 28.6.2014, S. 1).

(2)  www.eesc.europa.eu/envistud.

(3)  Marktwirtschaftliche Instrumente — kohlenstoffarme Wirtschaft in der EU (ABl. C 226 vom 16.7.2014 S. 1), Rahmen für die Klima- und Energiepolitik 2020-2030 (ABl. C 424 vom 26.11.2014 S. 39), Das Paris-Protokoll (ABl. C 383 vom 17.11.2015, S. 74).

(4)  Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020 (ABl. C 200 vom 28.6.2014, S. 1).


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