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Document 52014IE0773

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Digitale Gesellschaft: Zugang, allgemeine und berufliche Bildung, Beschäftigung, Instrumente für die Förderung der Gleichbehandlung“ — (Initiativstellungnahme)

OJ C 451, 16.12.2014, p. 25–30 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

16.12.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 451/25


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Digitale Gesellschaft: Zugang, allgemeine und berufliche Bildung, Beschäftigung, Instrumente für die Förderung der Gleichbehandlung“

(Initiativstellungnahme)

(2014/C 451/04)

Berichterstatterin:

Isabel CAÑO AGUILAR

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 22. Januar 2014 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Digitale Gesellschaft: Zugang, allgemeine und berufliche Bildung, Beschäftigung, Instrumente für die Förderung der Gleichbehandlung.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 18. Juni 2014 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 500. Plenartagung am 9./10. Juli 2014 (Sitzung vom 10. Juli) mit 128 Stimmen ohne Gegenstimme folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Die Europäische Union darf nicht länger nur Nutzer der digitalen Welt sein, sie muss sich zum Entwickler und Hersteller wandeln und hierfür Talente fördern. Mit diesem Ziel vor Augen lauten die Prioritäten Information, Bildung und Erziehung.

1.2

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Barrierefreiheit in der digitalen Gesellschaft ein vorrangiges Ziel für die gesamte europäische Gesellschaft sein muss. Die politischen Maßnahmen in diesem Bereich sind unzureichend, um die immer größere digitale Kluft zu schließen.

1.3

Der EWSA empfiehlt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang von Menschen mit Behinderungen zur digitalen Gesellschaft und ihre Gleichstellung mit Blick auf die neuen Technologien zu gewährleisten.

1.4

Die digitale Gesellschaft darf kein weiterer Faktor für soziale Ausgrenzung sein. Der EWSA verweist insbesondere darauf, dass angemessene Maßnahmen gesetzt werden müssen, damit die älteren Menschen nicht ausgegrenzt, sondern ganz im Gegenteil umfassend in die Nutzung der Technologien eingebunden werden, die Teil unseres Alltags sind.

1.5

Es bedarf eines gemeinsamen Vorgehens der europäischen und nationalen Behörden, um sicherzustellen, dass IT-Geräte und -Programme zu erschwinglicheren Preisen zur Verfügung stehen und auch der Mehrsprachigkeit Rechnung tragen.

1.6

Die europäische Bildungspolitik muss die Bürger auf das Leben vorbereiten. Der EWSA betont, dass die Berufsverbände der Bildungsträger konsultiert werden müssen.

1.7

Die Unterstützung der öffentlichen Bildung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Mitgliedstaaten ist von entscheidender Bedeutung, um das Ziel der Gleichbehandlung zu verwirklichen.

1.8

Der EWSA verweist auf die Bedeutung öffentlicher Bibliotheken für digitale Medienbildung und den Aufbau digitaler Medienkompetenz.

1.9

Der EWSA empfiehlt die Förderung von Modellen offener Innovation (Open Innovation) und offener Normen (Open Standards), um zu verhindern, dass unzulässige Maßnahmen zum Schutz der Rechte geistigen Eigentums den Innovationsprozess in der digitalen Wirtschaft beeinträchtigen.

1.10

Der EWSA empfiehlt außerdem, den Empfehlungen der europäischen Stiftung für Qualität im E-Learning (European Foundation for Quality in e-Learning — EFQUEL) im Bildungswesen Rechnung zu tragen.

1.11

Der EWSA bekräftigt die Bedeutung der allgemeinen und beruflichen Bildung für die Bekämpfung der Wirtschaftskrise und den Konjunkturaufschwung und verweist diesbezüglich auf die Rolle des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP). Der EWSA schlägt daher vor:

die Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte zu fördern;

den Erwerb von Sprachkenntnissen zu fördern;

offene Bildungsressourcen auf die berufliche Bildung auszurichten.

1.12

Die Initiative „Horizont 2020“ muss zur Stärkung der europäischen Position in der Digitaltechnologie beitragen, in die die europäischen Unternehmen weniger investieren als ihre asiatischen und US-amerikanischen Konkurrenten.

1.13

Nach Ansicht des EWSA ist die Förderung der europäischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) äußerst wichtig, da sie innovative Projekte anstoßen können, die für eine Industrie im ständigen Wandel von entscheidender Bedeutung sind. Die steuerlichen Maßnahmen und eine Erleichterung des Zugangs zu Finanzierung für KMU würden außerdem erheblich zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise beitragen.

1.14

Die Unterstützung von Start-up-Unternehmen in der digitalen Technologie kann das Wachstum der europäischen Hard- und Softwarebranche ankurbeln. Der EWSA begrüßt die Initiative zur Unterstützung von Programmen zur Risikofinanzierung im Rahmen der Digitalen Agenda, fordert jedoch verstärkte Unterstützung seitens des Finanzsystems.

1.15

Der EWSA schlägt ein Maßnahmenpaket zur Förderung der Teilhabe von Frauen an der digitalen Gesellschaft vor.

2.   Hintergrund

2.1

Eine Reihe von politischen Maßnahmen, Programmen und Initiativen der EU beziehen sich auf die Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in der Bildung:

Programm „eLearning“ (2004-2006);

Programm „Lebenslanges Lernen“ (2007-2013), in dem die Förderung von IKT in der Bildung eine Querschnittspriorität als Teil der sektoralen Programme Comenius, Erasmus, Grundtvig und Leonardo ist;

Programm „Erasmus+“ (2014-2020), das sich in die Europa-2020-Strategie, den strategischen Rahmen „Allgemeine und berufliche Bildung 2020“ (ET 2020) und die Initiative „Neue Denkansätze für die Bildung“ einreiht;

Mitteilung zu neuen Technologien und frei zugänglichen Lehr- und Lernmaterialien: „Die Bildung öffnen: Innovatives Lehren und Lernen für alle mithilfe neuer Technologien und frei zugänglicher Lehr- und Lernmaterialien“, COM(2013) 654 final.

2.2

Die Digitale Agenda für Europa (2010), die Schlüsselstrategie der EU zur Verwirklichung der Ziele von „Horizont 2020“, enthält zahlreiche Maßnahmen, u. a. in Bezug auf:

Interoperabilität und Normung;

Hochgeschwindigkeitsinternet;

E-Learning;

Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen;

digitale Kompetenzen, Qualifikationen und Inklusion.

2.3

Der EWSA hat sich in verschiedenen Stellungnahmen mit diesen Aspekten auseinandergesetzt (1).

2.4

In dieser Initiativstellungnahme werden Aspekte in Verbindung mit dem Zugang zur digitalen Gesellschaft, Bildung, Gleichbehandlung und Beschäftigung beleuchtet.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1   Zugang zur digitalen Gesellschaft

3.1.1

IKT-gestützte Instrumente kommen immer stärker in allen Lebensbereichen zum Einsatz. Der Zugang zur digitalen Gesellschaft ist ein Recht und eröffnet neue Möglichkeiten, die ausgeschöpft werden müssen.

3.1.2

Der EWSA hat wiederholt auf die Bedeutung von Breitband für die europäische Gesellschaft und die europäische Wirtschaft hingewiesen (2) und daher den Ausbau des satellitengestützten Breitband-Internetzugangs in allen 28 Mitgliedstaaten begrüßt. Viele Ursachen für die digitale Kluft bestehen jedoch weiter und werden durch hohe, aufgrund der Wirtschafts- und Sozialkrise weiter steigende Armut verschärft.

3.1.3

Die digitale Kluft wird nicht kleiner, was u. a. auf folgende Aspekte zurückzuführen ist: Bildung (der Anteil der Internetnutzer bei Menschen mit hohem Bildungsniveau ist dreimal so hoch wie bei Menschen mit niedrigem Bildungsniveau, bei denen dieser Anteil bei 33 % liegt), Alter (junge Menschen nutzen das Internet generell, Studierende quasi ausnahmslos, wohingegen die Nutzungsrate bei älteren Menschen weitaus niedriger ausfällt), Information (die mehrheitlich auf Englisch verfügbar ist), Unterschiede zwischen ländlichen Gebieten, Städten, Inselregionen usw.

3.1.4

Die Behörden stehen oftmals vor erheblichen Schwierigkeiten, um die IKT-Kosten in der Bildung vor dem Hintergrund der öffentlichen Sparpolitik zu stemmen, die offenbar durch den Stabilitätspakt noch weiter verschärft wird. Eine der möglichen Finanzierungsoptionen, namentlich die Besteuerung der Nutzer, kann die Barrierefreiheit und die Gleichstellung im Bildungswesen gefährden.

3.1.5

Barrierefreiheit ist ein Menschenrecht (3). In Artikel 20, 21 und 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die integraler Bestandteil des Lissabon-Vertrags ist, werden jegliche Diskriminierung wegen einer Behinderung verboten und der Anspruch von Menschen mit Behinderung auf spezifische Maßnahmen anerkannt; auch gemäß dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNCPRD) haben die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen mit dem Ziel zu treffen, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien, einschließlich Internet, zu gewährleisten (4).

3.1.6

Menschen mit Behinderungen laufen zweimal mehr Gefahr, arbeitslos zu werden. Die neuen Technologien (einschl. Internet) sind das Tor zu Freizeitbeschäftigung, Bildung, Kultur und vielen anderen öffentlichen und privaten Dienstleistungen. Außerdem fördern sie die demokratische Teilhabe. Daher sind barrierefreie IKT unerlässlich, damit Menschen mit Behinderungen unter gleichen Bedingungen auf einem immer größeren digitalen Markt konkurrieren und Teil der so genannten digitalen Gesellschaft sein können.

3.1.7

Die digitale Gesellschaft darf kein zusätzlicher Faktor für soziale Ausgrenzung sein, ganz im Gegenteil: schutzbedürftige Bürger müssen in der digitalen Gesellschaft ein Mittel finden, mit dessen Hilfe sie ihre soziale Ausgrenzung überwinden können.

3.2   Bildung in der digitalen Gesellschaft

3.2.1

Für die digitale Gesellschaft ist die Aufgeschlossenheit gegenüber einem institutionellen Wandel unerlässlich. Die EU muss Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung unterstützen, die allen Bürgern offen stehen und Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen der Bürger in einem breiten Themenbereich, soziale, bürgerliche und kulturelle Kompetenzen, die Lernfähigkeit sowie Kreativität, Innovation und Teamgeist fördern.

3.2.2

Die Verantwortlichen des Bildungssystems müssen für ein positives Lernklima in den Schulen Sorge tragen, das eine aufgeschlossene Einstellung gegenüber Innovation, Qualität und Zusammenarbeit in der pädagogischen Praxis fördert und zur aktiven Einbindung aller Schüler in den Lehrprozess wie auch zur Verbreitung bewährter Verfahren, zu aktiver Bürgerschaft, zum Austausch von Erfahrungen in der Schule sowie zur Schaffung einer Bewertungskultur anregt.

3.2.3

Die Bildungspolitik der EU hat die Bildungsbehörden in den Mitgliedstaaten noch nicht ausreichend mobilisieren können, um eine Grundausbildung der Lehrer im Umgang mit IKT und den Einsatz von IKT im Unterricht in allen Bildungseinrichtungen, insbesondere in der Primär- und Sekundarstufe sowie in der beruflichen Bildung, zu gewährleisten. Sie hat vor allem nicht bewirkt, dass die Mitgliedstaaten die für ein modernes, innovatives und qualitativ hochwertiges IKT-gestütztes Bildungssystem erforderlichen Investitionen tätigen.

3.2.4

Die Bildungsministerien müssen spezifische Schulungsprogramme für Lehrkräfte aufstellen und Impulse geben, die bisherigen Konzepte für das Lernen zu überdenken.

3.2.5

Der EWSA verweist auf die Bedeutung öffentlicher Bibliotheken für digitale Medienbildung und den Aufbau digitaler Medienkompetenz.

3.2.6

Bereits ab ihrer Einschulung könnte das Interesse der Kinder für die Computerwelt und vielleicht sogar das Programmieren auf spielerische Art geweckt werden, damit die europäischen Bürger nicht mehr länger nur IKT-Nutzer sind, sondern so schnell wie möglich zu Kreativkräften und Herstellern werden. Die EU verfügt zwar über Exzellenzzentren für die Forschung (z. B. die Forschung zu elektronischen Nanokomponenten), sie muss aber noch viel mehr tun.

3.2.7

In den europäischen Bildungssystemen gibt es sehr wohl Beispiele für qualitativ hochwertige Bildung von der Grundschule bis zur Universität und zur beruflichen Bildung. Die Lehrpläne müssen allerdings überarbeitet werden, um den Einsatz von IKT im Unterricht und ihre Bewertung darin aufzunehmen.

3.2.8

Der EWSA empfiehlt die Förderung von Modellen offener Innovation (Open Innovation) und offener Normen (Open Standards), damit unzulässige Maßnahmen zum Schutz der Rechte geistigen Eigentums den Innovationsprozess in der digitalen Wirtschaft nicht beeinträchtigen.

3.2.9

Mit der vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) entwickelten SPI (Simple Publishing Interface) soll die Kommunikation zwischen Anwendungen für die Erstellung von Inhalten und Datenbanken erleichtert werden, die kontinuierlich Bildungsressourcen und Metadaten verwalten.

3.2.10

Die Interoperabilität kann auch die Nutzung von unterstützenden Technologien erleichtern, die notwendig sind, damit Menschen mit Behinderungen IKT nutzen können.

3.3   Bildung: Ein Mittel gegen die Wirtschaftskrise

3.3.1

Allgemeine und berufliche Bildung bereichern das Leben der Menschen und statten sie mit den erforderlichen Kompetenzen für eine demokratische Gesellschaft aus. Die soziale und wirtschaftliche Entwicklung hängt stark von der beruflichen Bildung ab, da sie den Zugang zu Kompetenzen und zum Arbeitsmarkt öffnet. Sie kann zur Verbesserung der Lebensqualität insbesondere benachteiligter Bevölkerungsgruppen und gesellschaftlicher Randgruppen beitragen. Sie ist jedoch nicht nur ein Bindeglied zwischen Bildung und Beschäftigung, sondern auch für sich allein genommen von großer Bedeutung. Das statistische Amt der UNESCO hat ermittelt, dass es eine Korrelation zwischen Wirtschaftsentwicklung und beruflicher Bildung gibt.

3.3.2

Erasmus+ ist die Schlüsselstrategie der EU in diesem Bereich und in Augen des EWSA „ein zentrales Instrument zur Intensivierung der Förderung von Bildung und Ausbildung sein sollte, um die Fähigkeiten der Bürger zu fördern, gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in zahlreichen Mitgliedstaaten vorzugehen (...)“. Die Mitgliedstaaten, bei denen die Zuständigkeit für diesen Bereich liegt, müssen jedoch Anstrengungen unternehmen, um die berufliche Bildung mit den notwendigen Ressourcen auszustatten und ihr das Ansehen in der Öffentlichkeit zu verleihen, das sie als Bestandteil des Bildungssystems haben muss.

3.3.3

Der EWSA betont, dass das Europäische Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP) sich in seiner Arbeit zu lebenslangem Lernen und beruflicher Bildung mit Aspekten wie Erwachsenenbildung, Qualifikationen und Kompetenzen, Validierung und Qualitätssicherungsverfahren auseinandersetzt, die von grundlegender Bedeutung für die Menschen sind, die größere Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Der Haushalt des CEDEFOP sollte aufgestockt werden.

3.3.4

Der EWSA schlägt vor:

der beruflichen Bildung mehr Gewicht beizumessen;

die Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte zu fördern;

den Erwerb von Sprachkenntnissen zu fördern, der für die Mobilität von Arbeitnehmern unerlässlich ist;

offene Bildungsressourcen auf die berufliche Bildung auszurichten.

3.4   Digitale Wirtschaft und Beschäftigung

3.4.1

Die EU weist eine hohe Arbeitslosenquote auf, steht laut Europäischer Kommission aber gleichzeitig vor einem Arbeitskräftemangel von 9 00  000 qualifizierten Arbeitnehmern im IKT-Bereich.

3.4.2

IKT haben weitreichende Auswirkungen auf die Beschäftigung; der Erfolg der Digitalen Agenda hängt von der Zahl an Hochtechnologie-Unternehmen ab. Im Jahr 2008 generierten IKT einen Mehrwert von 574 Mrd. EUR für die EU und boten einen Arbeitsplatz für 8,3 Mio. Arbeitnehmer. Die europäischen Unternehmen, die mit Schwierigkeiten wie fragmentierten Märkten und unzureichender Finanzierung zu kämpfen haben, müssen ihre Position gegenüber den mehrheitlich nordamerikanischen Großkonzernen, die den Weltmarkt dominieren, stärken.

3.4.3

Wie jede technologische Neuerung haben auch die IKT beträchtliche Auswirkungen auf die Beschäftigung. Diese Auswirkungen müssen untersucht werden, um dann neue Berufsbilder zu entwickeln, die entsprechenden Qualifikationen und Kompetenzen festzulegen und für deren Zertifizierung zu sorgen, und zwar sowohl für Bürger, die aufgrund der IKT vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, als auch für diejenigen, deren Inklusion durch IKT gefördert wird.

3.4.4

Die „Große Koalition für digitale Arbeitsplätze“, die von der Europäischen Kommission im März 2013 ins Leben gerufen wurde, behandelt die wichtigsten Aspekte (Weiterbildung und Anpassung der Lehrpläne an die Anforderungen der digitalen Arbeitsplätze, Mobilität, Zertifizierung, Sensibilisierung, innovative Lern- und Lehrmethoden), verfügt jedoch über keine eigenen Mittel. Im Rahmen der Digitalen Agenda bestehen weitere Initiativen: die e-Skills-Strategie, das Beschäftigungspaket, die Initiativen „Die Bildung öffnen“, „Neue Denkansätze für die Bildung“ und „Chancen für junge Menschen“ sowie das EU-Kompetenzpanorama (EUSP).

3.4.5

Industrie und Bildungswesen müssen in diese Koalition eingebunden werden, damit über Unternehmenspraktika eine bessere Koordinierung mit dem IKT-Sektor erreicht wird.

3.4.6

Allerdings wird den besonderen Bedürfnissen von Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung ausgeschlossen sind, in den oben genannten Initiativen nicht ausreichend Rechnung getragen, insbesondere im Bereich des Erwerbs digitaler Kompetenzen (eSkills) und der Inklusion in den digitalen Arbeitsmarkt.

3.4.7

Die großen Hightech-Unternehmen in der EU investieren zwar in F+E, doch bleiben ihre Investitionen hinter den Investitionen der asiatischen und US-amerikanischen Unternehmen zurück. Der EWSA hofft, dass „Horizont 2020“ mit seinem Haushalt von 78,6 Mrd. EUR dazu beiträgt, die Stellung Europas auf den Weltmärkten zu stärken.

3.4.8

Nach Ansicht des EWSA ist die Förderung der europäischen KMU im IKT-Bereich äußerst wichtig, da sie innovative Projekte anstoßen können, die für eine Industrie im ständigen Wandel von entscheidender Bedeutung sind. Als Beitrag für einen Ausweg aus der Krise müssen Lösungen für die Finanzierungsschwierigkeiten entwickelt werden, mit denen Kleinunternehmen wie auch innovative Projekte (Start-up-Unternehmen) in der technologischen Innovation zu kämpfen haben.

3.5   Die Gesellschaft im digitalen Zeitalter muss inklusiv sein

3.5.1

Derzeit sind nur 30 % der rund 7 Mio. Arbeitnehmer im IKT-Bereich Frauen. Sie sind auf allen Ebenen unterrepräsentiert, vor allem aber in Entscheidungspositionen. Obwohl Frauen einen höheren Anteil an den Hochschulabschlüssen haben als Männer, werden sie in Sachen Beschäftigung, Lohn, Arbeitsbedingungen und Zugang zu Posten mit hoher Verantwortung nach wie vor benachteiligt.

3.5.2

Ein politischer Wandel ist insbesondere notwendig, weil die Zahl der IKT-Absolventinnen gesunken ist: nur 29 von 1  000 Frauen mit Master-Abschlüssen haben ihren Abschluss in IKT gemacht, und nur vier arbeiten dann auch direkt im IKT-Bereich.

3.5.3

Obwohl das BIP der Eurozone durch eine stärkere Integration von Frauen in den IKT-Bereich um 9 Mrd. EUR steigen könnte, lässt sich ihre unzureichende Einbindung in diesen Sektor durch verschiedene Gründe erklären (u. a. Traditionen und kulturelle Stereotypen). Dies ist jedoch nicht nur ein europäisches, sondern ein globales Problem.

3.5.4

Daher schlägt der EWSA vor:

zu erforschen, welche Faktoren für den Mangel an Frauen im IKT-Bereich im Allgemeinen verantwortlich sind und warum Frauen weniger oft wissenschaftliche Fächer, Mathematik oder Technologie belegen;

die Ausarbeitung von Plänen und Maßnahmen (mit eigenem Haushalt) zur Förderung der Gleichstellung in Betracht zu ziehen;

die Situation von Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu berücksichtigen, die beim Zugang zu Bildung und Beschäftigung im Vergleich zu Männern mit Behinderungen häufig diskriminiert werden; sie haben auch größere Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt, weshalb es ihnen schwerer fällt, ein unabhängiges Leben zu führen;

Berufsmodelle und -laufbahnen zu ermitteln, die als Inspirationsquelle für Frauen und Mädchen dienen können;

den Kodex für die vorbildliche Praxis der Frauenförderung in den IKT zu überarbeiten;

Werbekampagnen in den sozialen Medien zu lancieren;

bereits früh (ab der Grundschule) IT- und Programmierkurse in die Lehrpläne aufzunehmen, die das Interesse von Mädchen für IKT fördern können.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Die Barrierefreiheit muss ein vorrangiges Ziel nicht nur für die Behörden, sondern für die Gesellschaft insgesamt sein, da alle wirtschaftlichen und sozialen Akteure betroffen sind. Die diesbezügliche Politik der EU und ganz allgemein vieler Mitgliedstaaten ist bislang allerdings unzureichend gewesen.

4.2

Der EWSA schlägt vor, dass die EU und die nationalen Behörden gemeinsame Maßnahmen anregen, um eine substantielle Senkung der Kosten für IT-Material zu erreichen, u. a. die allgemeine Verbreitung der Nutzung von freier und quelloffener Software (Open Source Software — OSS) wie Linux zu fördern und Informationen und Kenntnisstand über europäische Inhalte zu verbessern.

4.3

Eine angemessene EU-Politik im 21. Jahrhundert muss auf einer aufgeschlossenen Haltung gegenüber dem Wandel fußen. Hauptziel der europäischen Systeme für allgemeine und berufliche Bildung sollte nicht nur die Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen des Arbeitsmarkts sein (ein Aspekt, auf den die Europäische Kommission ihre Bildungspolitik im Wesentlichen ausgerichtet hat), sondern das „Lernen fürs Leben“. In die Gestaltung der EU-Bildungspolitik sollten auch die europäischen Verbände der Lehrkräfte und Bildungseinrichtungen eingebunden sein, was derzeit nicht der Fall ist.

4.4

Da die Mitgliedstaaten über begrenzte Haushaltsmittel verfügen und — im Rahmen ihrer demokratischen Institutionen — die Entscheidungen treffen, die ihrer Meinung nach am besten für ihre Bürger sind, muss betont werden, dass Investitionen in das öffentliche Bildungswesen zur Verwirklichung der Gleichstellung beim Zugang zu Bildung unabdingbar sind, und zwar unabhängig vom sozialen Hintergrund oder den finanziellen Möglichkeiten der Schüler/Studenten.

4.5

Die Europäische Kommission muss darauf drängen, dass die Metadaten des Bildungswesens frei und von allgemeinem Interesse sind und nicht von Privatunternehmen patentiert werden können. Neben dem europäischen Normungsprogramms SPI ist auch das Programm „eContentplus“ der Europäischen Kommission über Metadaten von Bedeutung.

4.6

Zur Gewährleistung der Qualität und der Angemessenheit der allgemeinen und beruflichen Bildung müssen Lehrkräfte und Bildungseinrichtungen die Kontrolle über die Bildungsinhalte haben. Nach Ansicht des EWSA sollte den Empfehlungen der europäischen Stiftung für Qualität im E-Learning (European Foundation for Quality in e-Learning — EFQUEL) in Bezug auf Legislativmaßnahmen, Harmonisierung, Rechte des geistigen Eigentums usw. Rechnung getragen werden.

4.7

Der EWSA hat bereits seine Enttäuschung über die erhebliche Kürzung der Mittel für die Digitale Agenda für den Zeitraum 2014-2020 von ursprünglich 9,2 Mrd. EUR auf letztlich 1,14 Mrd. EUR zum Ausdruck gebracht.

4.8

Der EWSA bewertet die finanzielle Unterstützung innovativer KMU-Initiativen mit Risikokapital im Rahmen von Horizont 2020 als positiv. Besonders wichtig sind die Maßnahmen, die bewirken sollen, dass KMU und Start-up-Unternehmen Zugang zu umfangreicheren Finanzmitteln nicht nur seitens der Behörden, sondern auch der Märkte und des Finanzsystems erhalten.

4.9

Der EWSA empfiehlt die Aufnahme der Dimension „Barrierefreiheit“ in sämtliche digitale Initiativen, damit E-Learning-Programme, IKT und Bildungsmaterialien und -instrumente (on- und offline) für Menschen mit Behinderungen und schutzbedürftige Personen zugänglich sind. Außerdem muss der Inklusion von Menschen mit Behinderungen bei der Besetzung der neuen IKT-Arbeitsplätze, um die die EU bemüht ist, besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Brüssel, den 10. Juli 2014

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 127; ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 9; ABl. C 214 vom 8.7.2014, S. 31.

(2)  ABl. C 67 vom 6.3.2014, S. 137.

(3)  ABl. C 177 vom 11.6.2014, S. 15.

(4)  ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 116.


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