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Document 52013AE0955
Opinion of the European Economic and Social Committee on ‘Establishing sustainable development goals — European civil society’s contribution to the EU position’ (exploratory opinion)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Aufstellung von Nachhaltigkeitszielen — der Beitrag der europäischen Zivilgesellschaft zur Position der EU“ (Sondierungsstellungnahme)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Aufstellung von Nachhaltigkeitszielen — der Beitrag der europäischen Zivilgesellschaft zur Position der EU“ (Sondierungsstellungnahme)
OJ C 341, 21.11.2013, p. 11–15
(BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
21.11.2013 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/11 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Aufstellung von Nachhaltigkeitszielen — der Beitrag der europäischen Zivilgesellschaft zur Position der EU“ (Sondierungsstellungnahme)
2013/C 341/03
Berichterstatterin: An LE NOUAIL MARLIÈRE
Die Europäische Kommission beschloss am 6. Dezember 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
Aufstellung von Nachhaltigkeitszielen – der Beitrag der europäischen Zivilgesellschaft zur Position der EU
(Sondierungsstellungnahme).
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 3. September 2013 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 492. Plenartagung am 18./19. September 2013 (Sitzung vom 18. September) mit 92 gegen 52 Stimmen bei 21 Enthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Der Ausschuss empfiehlt den EU-Institutionen und der am 17. Dezember 2013 von der 67. UN-Generalversammlung eingerichteten "Open Working Group", sowohl in der Phase der Definition der Nachhaltigkeitsziele als auch bei den globalen Verhandlungen über universal gültige Ziele auf der Durchführung von Ex-ante- Wirtschafts-, Sozial- und Umweltfolgenabschätzungen zu beharren, um einen Ausgleich eventueller positiver oder negativer Abweichungen zwischen geografischen oder wirtschaftlichen Bereichen zu ermöglichen. |
1.2 |
Die grundlegenden Sozialprogramme für die Verwirklichung von Nachhaltigkeitszielen in den Bereichen Bildung, Gesundheit oder zur Unterstützung arbeitsloser junger Menschen dürfen keinesfalls gekürzt werden. |
1.3 |
Der Ausschuss begrüßt die Absicht der EU, an der Umsetzung der Europa-2020-Strategie über das Europäische Semester festzuhalten, dabei sinnvollerweise der Wechselbeziehung zwischen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Maßnahmen Rechnung zu tragen und sie mit der integrierten europäischen Nachhaltigkeitsstrategie zu verknüpfen. |
1.4 |
Die europäische Zivilgesellschaft sollte durch die Beteiligung der Organisationen der Zivilgesellschaft, der Sozialpartner sowie der nationalen Wirtschafts- und Sozialräte und vergleichbarer Einrichtungen einbezogen werden. |
1.5 |
Der Ausschuss fordert die Mitgliedstaaten und die EU-Institutionen auf,
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1.6 |
Der Ausschuss ermutigt die EU,
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2. Einleitung
2.1 |
Eines der bedeutendsten Ergebnisse der Rio+20-Konferenz war der Beschluss, einen Prozess einzuleiten, an dessen Ende die Ausgestaltung globaler Nachhaltigkeitsziele steht. Der Auftakt erfolgte im Januar 2013 mit der Einsetzung der "Open Working Group on Sustainable Development Goals", einer zwischenstaatlichen offenen Arbeitsgruppe, die der UN-Generalversammlung zwischen September 2013 und September 2014 einen Bericht einschl. Vorschlag vorlegen soll. Laut der Abschlusserklärung der Rio+20-Konferenz muss dieser Prozess mit den Diskussionen über die Post-2015-Entwicklungsagenda koordiniert und in Einklang gebracht werden. |
2.2 |
Diese Sondierungsstellungnahme steht in Zusammenhang mit der vom EWSA im Juni 2013 verabschiedeten Initiativstellungnahme der Fachgruppe NAT "Grüne Wirtschaft – Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in Europa" (1) und mit der Stellungnahme der Fachgruppe REX zu der Mitteilung der Europäischen Kommission "Ein menschenwürdiges Leben für alle: Beseitigung der Armut und Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für die Welt" (2). Im Rahmen einer europäischen Vision der nachhaltigen Entwicklung muss das europäische Sozialmodell, ohne das eine erfolgreiche Umstellung auf eine grüne Wirtschaft schier unmöglich ist, gewahrt und gestärkt werden. Das Warten auf den Abschluss eines internationalen Übereinkommens zur Festlegung von Nachhaltigkeitszielen darf keinesfalls als Vorwand dienen, dass die Industrieländer von ihren Zusagen für Finanzhilfen im Rahmen der Entwicklungs- und Zusammenarbeitspolitik abweichen oder diese kürzen. |
2.3 |
In ihrem Befassungsschreiben stellt die Europäische Kommission die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung in den Zusammenhang einer inklusiven grünen Wirtschaft und der Armutsbekämpfung und ersucht den Ausschuss, auszuloten, wie in einem künftigen Rahmen universal gültiger Nachhaltigkeitsziele die Integration der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Dimension sichergestellt werden kann. Dabei sollte er die Standpunkte seiner internationalen Partnerorganisationen einholen. |
2.4 |
Der Ausschuss hat im Rahmen von zwei Sitzungen seiner Beobachtungsstelle für nachhaltige Entwicklung Vertreter der von der UN auf der Rio+20-Konferenz anerkannten Hauptgruppen (Major Groups) angehört. |
2.5 |
Die Vereinten Nationen haben ihrerseits eine hochrangige Open Working Group eingesetzt, der Regierungsvertreter angehören und die im September 2013 einen ersten Bericht vorlegen soll. Der UN-Untergeneralsekretär und Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms (UNEP) Achim Steiner sprach am 14. Mai 2013 vor dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und anderen Vertretern der europäischen Zivilgesellschaft über die Förderung der nachhaltigen Entwicklung nach Rio+20. Er betonte die Notwendigkeit eines umfassend inklusiven Konsultationsprozesses zu den Nachhaltigkeitszielen unter Einbeziehung der Regierungen, der Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft. Kitty van der Heijden, niederländische Botschafterin für nachhaltige Entwicklung und Mitglied der von der UN-Generalversammlung eingerichteten Open Working Group für die Entwicklung von SDG, berichtete ebenfalls über ihre Erfahrungen. |
3. Allgemeine Bemerkungen
3.1 Die Idee, Nachhaltigkeitsziele in die Rio+20-Abschlusserklärung aufzunehmen, ging von den Regierungen Kolumbiens, Guatemalas und Perus aus. Aufbauend auf der Agenda 21 und dem Durchführungsplan von Johannesburg regten sie in einem gemeinsamen Vorschlag an, einen begrenzten Katalog an messbaren Zielen aufzustellen, um ein erneutes politisches Engagement für die nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten. Laut dem Vorschlag dieser drei lateinamerikanischen Länder (und dem späteren Beitrag der Vereinten Arabischen Emirate) sollten acht mögliche Aktionsbereiche für die Nachhaltigkeitsziele festgelegt werden, namentlich Ernährungssicherheit, Wasser, Energie, Städte, Ozeane, natürliche Systeme, Ressourceneffizienz und Beschäftigung.
3.2 Gemäß der Rio+20-Abschlusserklärung "Die Zukunft, die wir wollen" ("The Future We Want") sollten die Nachhaltigkeitsziele
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auf der Agenda 21 und dem Durchführungsplan von Johannesburg aufbauen; |
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bereits bestehende Zusagen fortschreiben; |
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auf vorrangige Bereiche für die Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung ausgerichtet sein, die aus der Rio+20-Abschlusserklärung abgeleitet werden; |
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die drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung und ihre Verknüpfungen berücksichtigen und integrieren; |
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im Einklang mit der Post-2015-Entwicklungsagenda der Vereinten Nationen stehen und in diese aufgenommen werden; |
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keinesfalls die Aufmerksamkeit von der Verwirklichung der Millennium-Entwicklungsziele ablenken; |
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auf eine aktive Beteiligung der jeweiligen einschlägigen Interessenträger in diesem Prozess abheben. |
Außerdem sollten sie maßnahmenorientiert, präzise, leicht zu vermitteln, in ihrer Zahl begrenzt, ehrgeizig, global angelegt und universell gültig sein (wobei gleichzeitig den unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten Rechnung zu tragen ist).
3.3 Der Fahrplan nach Rio+20 sollte auf eine Welt abheben, in der alle Menschen Menschenrechte und Gerechtigkeit genießen und in Freiheit von der Ungerechtigkeit der Armut auf einem ökologisch tragfähigen Planeten leben.
3.3.1 |
Laut Oxfam International (Oxfam, Post-2015 Development Goals, Oxfam International Position, Januar 2013) bspw. sollte der Post-2015-Rahmen diese Vision untermauern, damit im Einklang stehende Ziele setzen und Fortschritte bei ihrer Verwirklichung aufzeigen. Um das Wohlergehen aller Menschen mit den Mitteln unseres Planeten zu erreichen, wäre eine grundlegende Neuausrichtung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung notwendig. |
3.3.2 |
Ebenfalls laut Oxfam International muss in der Debatte über die Post-2015-Agenda zunächst klargestellt werden, was der Sinn eines Rahmens ist und wie er echte Veränderungen für Menschen, die in Armut leben, anstoßen kann. Es gilt, eine gemeinsame Vision des "Wie" zu finden, um das "Was" festzulegen. Zweck dieser Ziele sollte es sein, den politischen Willen zu mobilisieren und die Regierungen zum Handeln anzuspornen, um Armut und Ungerechtigkeit ein Ende zu setzen und den Planeten zu schützen, indem
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3.4 Ökologisierung der Industrie und Schaffung von Arbeitsplätzen
3.4.1 |
Für eine dauerhafte Erholung der Realwirtschaft wäre unweigerlich ein ressourceneffizienteres Produktionsmodell vonnöten. Europa sollte gleichzeitig eine ehrgeizigere und umfassendere EU-Klimapolitik zur Verwirklichung der breiter angelegten 2050-Klimaziele unterstützen sowie seine industrielle Grundlage und seine damit verbundenen Branchen und Kompetenzen fördern. |
3.4.2 |
Wie das Ziel einer ressourceneffizienten CO2-armen Wirtschaft erreicht und die Umstellung auf diese bewältigt werden kann sind die Schlüsselfragen, die es zu beantworten gilt. Das Hauptaugenmerk sollte dabei auf Industriepolitik und Beschäftigungsperspektiven in einer grünen Wirtschaft gerichtet werden, die ihre industrielle Basis aufrechterhält (Béla Galgóczi, Greening industries and creating jobs, European Trade Union Institue, 2012). |
3.4.3 |
Der Industrie kommt eine wesentliche Rolle in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Handel und in geringerem Maße auch bei Investitionen zu. Die Umstellung auf einen kohlenstoffarmen Entwicklungsmodus bei gleichzeitiger Förderung der Energieeffizienz, Aufwertung der nachhaltigen Arbeit und Verbesserung des Gesundheitsschutzes ist unabdinglich geworden. |
3.4.4 |
Das Wirtschaftswachstum in Europa ist so schwach wie beinahe seit 1929 nicht mehr; die Verwirklichung künftiger Nachhaltigkeitsziele indes setzt die Erfüllung von zwei grundlegenden Bedingungen voraus: erstens Emissionsarmut und zweitens Demokratie. |
3.4.5 |
Die EU muss ihre Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen fortsetzen, um genügend Arbeitsplätze für ihre Erwerbsbevölkerung zu schaffen. Gleichzeitig muss sie den durch das stärkere Wachstum bedingten künftigen Entwicklungserfordernissen in anderen Weltregionen in so unterschiedlichen Bereichen wie Dienstleistungen, Bildung, Gesundheit, Umwelt, Verkehr, Energie, Wohnungsbau, Stadtentwicklung, Landwirtschaft, Ernährung usw. Rechnung tragen. |
3.5 Beschäftigung, soziale Inklusion und nachhaltiges Wachstum müssen im Mittelpunkt der Maßnahmen auf EU- und internationaler Ebene stehen
3.5.1 |
Der Internationale Währungsfonds (IMF) hat eingeräumt, dass sich die verordneten Sparmaßnahmen drastischer ausgewirkt haben als geplant. Daraus muss die Lehre gezogen werden, dass Sparmaßnahmen besser dosiert werden müssen. Die grundlegenden Sozialprogramme in den Bereichen Bildung, Gesundheit oder zur Unterstützung arbeitsloser junger Menschen dürfen nicht gekürzt werden. Aufgrund der internationalen Finanzkrise weisen die EU-Mitgliedstaaten einen kritischen Finanzierungsbedarf auf, und die Refinanzierung der Realwirtschaft wird in dem vom Europäischen Rat vereinbarten mehrjährigen Finanzrahmen der EU nur unzureichend abgedeckt. Mit den von der Troika aus Weltbank, Internationalem Währungsfonds und Rat der Europäischen Union empfohlenen Maßnahmen können die notwendigen Bedingungen für den Konjunkturaufschwung im Sinne eines nachhaltigen und tragfähigen Wachstums nicht geschaffen werden. |
3.5.2 |
Intelligente Sozialpolitik wie die Programme zur Begleitung von Arbeitslosen bei ihrer Arbeitssuche oder Sozialschutzsysteme für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft dürfen nicht nur als Kostenfaktor angesehen werden. Sie sind eine Investition in die Zukunft. |
3.5.3 |
In der gesamten Eurozone sind insbesondere junge Menschen von der Krise betroffen; so liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 22 %; in einigen Ländern wie Spanien oder Griechenland übersteigt sie sogar 50 %. 2010 lag die Beschäftigungsquote von jungen Menschen (15 bis 24 Jahre) in befristeten Beschäftigungsverhältnissen bei über 50 % und erreichte sogar beinahe 70 % (Eurofound, Third European Quality of Life Survey (Dritte Europäische Erhebung zur Lebensqualität), 2012; |
3.5.4 |
Überall hat die Bevölkerung den Preis für die verheerenden Folgen der bewiesenermaßen unverantwortlichen Praktiken der Finanzwelt bezahlt. |
3.5.5 |
Die EU muss die soziale Dimension und insbesondere den sozialen Dialog noch weiter inhaltlich stärken, wie dies im Fahrplan für die Vollendung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion vorgesehen war. Sie muss die Mitgliedstaaten bei der Einrichtung von Jugendgarantie-Mechanismen, der stärkeren Diversifizierung der Industrie und dem Ausbau ihrer Innovationskraft, der Verbesserung der Wirksamkeit der Arbeitsmarktdienste, der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Aufstockung der Sozialinvestitionen unterstützen (ILO-Generaldirektor Guy Ryder am 14. Februar 2013: Arbeitsplätze, soziale Inklusion und Wachstum sollten ganz oben auf der EU-Agenda stehen.). |
4. Ökologisierung des Europäischen Semesters
4.1 |
Aus den ersten vom Ausschuss organisierten Anhörungen ist ersichtlich geworden, dass die zum einen von der EU und zum anderen von den UN über Direktkonsultationen gesammelten Beiträge der Zivilgesellschaft in ihrem Zusammenwirken nicht dem Bewusstseinsförderungs- und Transparenzanspruch der europäischen Bürger gerecht werden. Die Beiträge der Vertretungsorganisationen der Zivilgesellschaft gehen zusammen mit den Beiträgen von privaten Interessengruppen sowie von Regierungen ein und folgen dabei einem Zeitplan, der es kaum zulässt, im Interesse der Unabhängigkeit der Organisationen und des sozialen Dialogs Debatten zu organisieren. Mit Blick auf die Folgearbeiten zu Rio+20 und der Tätigkeiten der Open Working Group entsteht außerdem der Eindruck, dass hier nur ein bereits vorgezeichneter Weg neu aufgezeigt wird und die Würfel an anderer Stelle bereits gefallen sind. |
4.2 |
Glücklicherweise hat die EU sich dafür entschieden, über die Ökologisierung der EU-2020-Strategie und des Europäischen Semesters einen harmonisierten europäischen Beitrag auszuarbeiten, um so auf internationaler Ebene mit einer Stimme zu sprechen. |
4.3 |
Jetzt ist es wichtig, die Anliegen der Nachhaltigkeit in die zentralen Politikbereiche hineinzutragen, und das ist heute die Europa-2020-Strategie mit dem Europäischen Semester als ihr zentrales Governance-Element. Der Ausschuss hat mit großem Interesse die Aussagen von Kommission und Rat vernommen, dass die EU beabsichtigt, die Ergebnisse und Prozesse, die auf der Rio+20-Konferenz vereinbart wurden, in der EU durch die Europa-2020-Strategie umzusetzen und voranzutreiben. Der Ausschuss wird darauf achten, ob dies tatsächlich der Fall ist (Rat der Europäischen Union, Rio+20: Ergebnisse und Folgemaßnahmen der VN-Konferenz über nachhaltige Entwicklung (2012) – Schlussfolgerungen des Rates vom 25. Oktober 2012 (Dok. 15477/12). |
4.4 |
Der Ausschuss verfolgt aufmerksam, wie sich der Kreis der am Europäischen Semester Beteiligten erweitert. Die Generaldirektion Umwelt ist dieses Jahr noch in stärkerem Maße als zuvor eingebunden, der Rat "Umwelt" hat im vergangenen Dezember erstmals über den Jahreswachstumsbericht diskutiert. Der Ausschuss wird dazu beitragen, dass auch die Zivilgesellschaft die Möglichkeit erhält, Nachhaltigkeitsaspekte in den Prozess einzubringen, und zwar auf Ebene der nationalen Wirtschafts- und Sozialräte, von denen einige nun auch für diese Fragen ausdrückliche Kompetenzen haben, und auch auf Ebene der nationalen Nachhaltigkeitsräte. |
4.5 |
In Bezug auf den Jahreswachstumsbericht ist festzuhalten, dass der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Krisen, der Finanz-, Wirtschafts-, Sozial-, aber eben auch Umweltkrise von uns nicht deutlich genug gesehen wird, ebenso wenig die dringende Notwendigkeit, mit der Transformation unserer gesamten Wirtschaft hin zu mehr Ökologisierung ernst zu machen, nicht nur trotz, sondern gerade wegen der Krise. Ein "Weiter so wie bisher" (Business as usual) ist nicht mehr möglich. |
4.6 |
In dem Kontext des Jahreswachstumsberichts steht zu hoffen, dass die EU mit einer Stimme spricht. Die EU kann nicht in den weltweiten Verhandlungen für die Ökologisierung der Wirtschaft eintreten und in ihren eigenen wichtigsten wirtschaftspolitischen Dokumenten das Thema relativ stiefmütterlich behandeln. |
4.7 |
Auch die fehlende Erwähnung eines qualifizierten Wachstumsbegriffs ist in diesem Zusammenhang etwas befremdlich. Wie kann es sein, dass die EU international ein Vorreiter in der "Beyond GDP"-Debatte ist, aber in ihrem Wachstumsbericht ausschließlich auf das BIP setzt? Dabei behandelt der Bericht die sozialen Probleme schon, die Zielsetzung, innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten gut zu leben (übrigens der Titel des 7. Umweltaktionsprogramms), tritt jedoch nicht unmittelbar ans Licht. |
4.8 |
Die Debatte über die Zweckdienlichkeit der Festlegung weiterer Indikatoren kann sich glücklicherweise auf viele interessante Beiträge stützen und muss nun in konkrete Ergebnisse münden; hierfür ist ein Dialog erforderlich, in dem die institutionellen Akteure und die Vertreter der Zivilgesellschaft gleichberechtigte Partner und alle Interessenträger in die Verhandlungen eingebunden sind. |
4.9 |
Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass die Abschaffung umweltschädlicher Beihilfen und die Einführung von Umweltsteuern Teil des Jahreswachstumsberichts und der länderspezifischen Empfehlungen geworden sind und dieses Jahr auch die Abfall- und Wasserbewirtschaftung und verbessertes Recycling darin angesprochen werden. |
5. Verschmelzung der MDG und der SDG
5.1 Die MDG sollten im Rahmen des EU-Haushalts berücksichtigt werden (3)
5.1.1 |
Die Verringerung von Armut ist eine Frage von Gleichheit und Gerechtigkeit und betrifft den Zugang zu Diensten wie Gesundheitsvorsorge und Bildung sowie Beschäftigung. Die Verwirklichung der MDG war zu sehr gebergesteuert. Für den künftigen Rahmen sind folgende Faktoren notwendig:
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5.1.2 |
Aufgrund der Festlegung von Fristen für ihre Verwirklichung und ihres ergebnisorientierten Ansatzes hatten die acht Millennium-Entwicklungsziele eine maßgebliche Wirkung auf die internationale Entwicklungspolitik. Durch die Ausrichtung auf eine begrenzte Zahl an messbaren Zielen haben sie zu einer Steigerung und besseren Steuerung der Entwicklungshilfetätigkeit beigetragen. Allerdings ist mit zunehmend näherrückender Frist 2015 klar zu erkennen, dass diese Ziele gemischte Ergebnisse bringen werden, d.h. Erfolge wie auch Misserfolge. |
5.1.3 |
Die Nachhaltigkeitsziele müssen die bisherigen Millenniumsentwicklungsziele ergänzen. Die Nachhaltigkeitsziele unterscheiden sich in zweierlei Hinsicht klar von den Millenniumsentwicklungszielen: sie wären von globaler Reichweite (im Gegensatz zu den MDG, die in erster Linie auf den Süden ausgerichtet sind) und würden über die Meta-Norm der Verringerung der Armut hinausreichende Dimensionen umfassen (natürliche Ressourcen, Verbrauch, Produktion, Energie, Menschenrechte usw.). |
5.1.4 |
Die kommenden zwei Jahre sind von entscheidender Bedeutung für die Festlegung der nächsten Entwicklungsagenda. Beide Prozesse, namentlich die Überarbeitung der Millenniumsentwicklungsziele und die Festlegung der Nachhaltigkeitsziele, müssen entscheidende Fingerzeige für die Nachhaltigkeitsarchitektur nach 2015 liefern. In dieser Architektur sollte die Gleichstellung der Geschlechter als wichtigster Faktor zur Bekämpfung von Armut und Ungleichheiten übergreifend in alle öffentlichen Maßnahmen eingerechnet werden (4). Wir stehen vor einer immensen Aufgabe; für ihre Bewältigung muss den Menschenrechten und der Teilhabe der Organisationen der Zivilgesellschaft an der Beschlussfassung ein höherer Stellenwert bei einer auf Wirtschaft und Dienstleistungen als Mittel zur menschlichen Entwicklung ausgerichteten Vorgehensweise beigemessen werden (5). |
Brüssel, den 18. September 2013
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Henri MALOSSE
(1) ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 18.
(2) ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 144.
(3) ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 144.
(4) ABl. C 76 vom 14.3.2013, S. 8.
(5) ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 82;
ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 28.