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Document 52012IE1719

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Geschäftsmodelle für nachhaltiges Wachstum, kohlenstoffarme Wirtschaft, industrieller Wandel (Initiativstellungnahme)

OJ C 133, 9.5.2013, p. 8–15 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

9.5.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 133/8


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Geschäftsmodelle für nachhaltiges Wachstum, kohlenstoffarme Wirtschaft, industrieller Wandel (Initiativstellungnahme)

2013/C 133/02

Berichterstatter: Joost VAN IERSEL

Ko-Berichterstatter: Enrico GIBELLIERI

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 12. Juli 2012, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Geschäftsmodelle für nachhaltiges Wachstum, kohlenstoffarme Wirtschaft, industrieller Wandel

(Initiativstellungnahme).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI) nahm ihre Stellungnahme am 22. Januar 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 487. Plenartagung am 13./14. Februar 2013 (Sitzung vom 13. Februar) mit 57 gegen 4 Stimmen bei 3 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Weite Teile der europäischen Industrie leiden unter der Krise. Dennoch sind immer mehr Unternehmen in Europa und weltweit bemüht, sich auf die zahlreichen globalen Herausforderungen wie die Auswirkungen der demografischen Entwicklung und des Klimawandels und insbesondere Emissionsreduktionsziele einzustellen.

1.2

Veränderte Denkweisen bereiten den Boden für neue oder angepasste Geschäftsmodelle. Nachhaltigkeit ist im Rahmen des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD), bei Unternehmensinitiativen auf nationaler Ebene und im Zuge der Aufstellung branchenspezifischer Fahrpläne für eine Senkung der Kohlenstoffintensität auf EU-Ebene eine Frage von strategischer Bedeutung. Schwerpunktverlagerungen und Strukturveränderungen in Unternehmen und in internationalen Wertschöpfungsketten bringen neue Geschäftsmodelle hervor.

1.3

Eine wichtige Rolle spielt eine proaktive Verpflichtung der Unternehmensführung auf Nachhaltigkeit, die damit auch die vor- und nachgelagerten Bereiche beeinflusst. Das erforderliche Engagement und die notwendigen Innovationen finden auf allen Ebenen statt und werden durch einen interaktiven Dialog mit Betriebsräten und spezifische Programme in Unternehmen sowie über den sektoralen sozialen Dialog auf nationaler und europäischer Ebene unterstützt.

1.4

Beim Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft müssen aktuellste Kenntnisse und die Verfügbarkeit hochqualifizierter Arbeitsplätze sichergestellt werden, um weitestmöglich Unstetigkeit oder vorübergehende Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Neben unternehmenseigenen Maßnahmen sollten EU-weite, nationale und regionale Programme aufgelegt werden.

1.5

Neue Perspektiven und Entwicklungen werden die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen und Wertschöpfungsketten stärken und Investitionen und Beschäftigung sichern. Eine kohlenstoffarme Wirtschaft erfordert eine ständige abgestimmte Koordinierung zwischen öffentlichen und privaten Akteuren, u.a. hinsichtlich der Finanzierung. Die staatliche Politik sollte sich Standpunkte und Praktiken aus der Privatwirtschaft zunutze machen und zielorientierte unternehmensgetriebene Ansätze übernehmen, die häufig staatlichen Praktiken gegenüber voraus sind.

1.6

Der Ausschuss fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, zur Unterstützung der Wachstumsinitiative die Bereitstellung bislang ungenutzter oder gar ganz neuer Mittel für die Finanzierung dringender Maßnahmen in Betracht zu ziehen. Die Kommission sollte FuE und Innovation anregen, indem sie im anstehenden „Horizont 2020“-Rahmenprogramm, dessen Mittelausstattung keinesfalls gekürzt werden darf, die Priorität auf Initiativen zur Förderung einer emissionsarmen Zukunft legt. Sie sollte auch in enger Zusammenarbeit mit europäischen Technologieplattformen und Industriezweigen, die die gesamte Innovationskette umfassen, die Einrichtung operationeller öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP) fördern.

1.7

Eine kohärente Vorgehensweise ist wesentlich. Der Ausschuss unterstreicht die Notwendigkeit eines mit allen Interessenträgern zu erörternden, klar definierten, kohärenten und langfristigen EU-Rahmens, der Vermeidung von Überregulierung, einer engen Verknüpfung von FEI- und Energie-/Klimapolitik sowie einer leistungsfähigen Energieinfrastruktur und wirksamer Speicherkapazitäten. Bewährten Verfahrensweisen und wirksamen, gemeinsam vereinbarten Regelungen ist Rechnung zu tragen. Ein solcher EU-Rahmen wird auch die Akzeptanz seitens der Öffentlichkeit und der unmittelbar Betroffenen stärken.

1.8

Auf die EU entfallen ca. 10 % der weltweiten Klimagasemissionen. Ihr Anteil soll bis 2040/2050 auf 5 % gesenkt werden. Es spricht nichts dagegen, dass die EU in den internationalen Verhandlungen über ein verbindliches Weltklimaübereinkommen eine führende Rolle übernimmt. Der Ausschuss betont allerdings, dass Verzerrungen vermieden werden müssen. Solange es hinsichtlich Emissionssenkungen und CO2-Bepreisung nicht weltweit gleiche Ausgangsbedingungen für alle gibt, müssen Ungleichgewichte zwischen der EU und dem Rest der Welt durch europäische Maßnahmen in globalen Sektoren ausgeglichen werden.

1.9

Den jüngsten Entwicklungen muss Rechnung getragen werden. Der Ausschuss plädiert für eine aktuelle Bewertung der CO2-Reduktionsziele, nachdem eine besorgniserregende Verlagerung von Unternehmenstätigkeiten in Drittländer, insbesondere die USA, mit einer pragmatischen und vorausschauenden Energiepolitik festzustellen ist, die sich verheerend auf die Investitionen und Beschäftigung in Europa auswirkt.

1.10

Eine offene, lernende Gesellschaft benötigt flexible Partizipationsmöglichkeiten, Regeln und Verantwortlichkeiten. Eine neue Innovationskultur, die auf der Partizipation der betroffenen Gruppen aufbaut, muss entwickelt werden. Sie muss auf einem gesellschaftlichen Grundkonsens beruhen. Wichtige Voraussetzungen sind ein umfassendes Verständnis der Herausforderungen und die Einsicht, dass die komplexen globalen Probleme nur durch ein Zusammenwirken von Industrie, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik bewältigt werden können. Alle Interessenträger – Unternehmen und Beschäftigte, NGO, Sozialpartner, Zulieferer und Kunden sowie Verbraucher – sollten einbezogen werden. Transparenz sollte gesichert sein.

1.11

Der Ausschuss fordert, dass die in seiner Stellungnahme hervorgehobenen Lösungsansätze in die neue Industriepolitik und in andere wesentliche Politiken einfließen. Die EU sollte im Bereich Klimapolitik und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit in enger Zusammenarbeit mit der Industrie Lösungen erarbeiten, die sowohl die technische Machbarkeit als auch die wirtschaftliche Tragfähigkeit berücksichtigen.

2.   Einleitung

2.1

Technologie und Innovation, globalisierte Finanzmärkte und Handel, kundenorientierte Produkte, dynamische Wertschöpfungsketten und stoffliche Verwertung spielen eine entscheidende Rolle in der heutigen Wirtschaft.

2.2

Gleichzeitig ergeben sich zusätzliche Problemstellungen im Zusammenhang mit der wachsenden Weltbevölkerung, Einkommensverteilung, Rohstoffen, Wasser- und Nahrungsmittelversorgung. Klimawandel, nachhaltige Entwicklung und Energie – in Bezug auf Energieeffizienz, Klimafreundlichkeit, erneuerbare Energieträger und Zugang zu Ressourcen – stehen auf der internationalen Agenda ganz oben. Die neuen Zielsetzungen müssen in Europa in einem von Unsicherheit und Wachstumseinbrüchen gekennzeichneten Klima angegangen werden.

2.3

Die multinationalen Unternehmen, ihre Beschäftigten und ihre vor- und nachgeschalteten Wertschöpfungsketten werden zunehmend von der vielschichtigen Problematik der aktuellen Lage berührt. Die europäischen Wertschöpfungsketten sind im internationalen Wettbewerb immer noch führend, und ihre Stellung muss gesichert werden.

2.4

In dieser Stellungnahme werden jüngste Entwicklungen in den Denkweisen und Einstellungen in Branchen und Unternehmen erörtert, die derzeit den Boden für neue Geschäftsmodelle bereiten. Die enormen Problemstellungen können nur durch staatliche wie auch privatwirtschaftliche Ansätze gelöst werden, die einvernehmlich zugrunde gelegten Analysen, eine abgestimmte Koordination sowie Initiativen zur Förderung von Wachstum und zukunftsfähigen Arbeitsplätzen umfassen. Öffentliche und private Interessenträger müssen auf dem Weg in die Zukunft partnerschaftlich zusammenarbeiten.

2.5

Allgemein herrscht Einvernehmen darüber, dass die jahrzehntelange Zunahme der CO2-Emissionen den Treibhauseffekt verstärkt und zu einem Anstieg der Durchschnittstemperaturen, merklichen Veränderungen von Klimamustern und weiteren, nicht abschätzbaren Folgen geführt haben, wie einem Anstieg des Meeresspiegels oder ökologischen und ökosystemischen Veränderungen mit (negativer) Auswirkung auf die Landwirtschaft, wodurch wiederum die Lebensmittelpreise unverhältnismäßig ansteigen und Hungersnot und Armut entstehen.

2.6

Die Klimawandelproblematik weitet sich aus (1). Wie vielschichtig auch immer die Lage sein mag, die Erfahrung zeigt, dass es unverzichtbar ist, in den Bereichen CO2-Emissionsminderung und Fahrpläne für eine Senkung der Kohlenstoffintensität auf globaler Ebene vorzugehen.

2.7

Mittlerweile sind trotz eines fehlenden stabilen langfristigen Rahmens viele Unternehmen bemüht, ihre vor- und nachgelagerten Märkte umfassende nachhaltige Geschäftsstrategien zu entwickeln und nachhaltigere, weniger kohlenstoffintensive Erzeugnisse und Dienste zu produzieren. Auch Umstrukturierungs-, Optimierungs- und Anpassungsmaßnahmen bewirken tiefgreifende Veränderungen. Globale Lösungen müssen bei kohlenstoffarmer Technologie und Innovation ansetzen.

2.8

Die Wertschöpfungsketten sind nach wie vor ein wichtiger sozioökonomischer Aktivposten. Nachhaltige Produktion setzt Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, neue Kompetenzen und hochwertige Arbeitsplätze voraus. Schlüsseltechnologien wie Bio- und Nanotechnologie und neue Werkstoffe werden umso mehr benötigt, als die rasch sinkenden Kosten für Kommunikation und Koordination die geographische Verteilung von verschiedenen Tätigkeiten innerhalb einer Wertschöpfungskette erleichtern. Auch wenn die Kosten nicht linear sinken, bewirkt dies häufig eine Verlagerung von arbeitsintensiven und digitalen Arbeitsabläufen.

2.9

Immer mehr Unternehmen gelangen zu der Einsicht, dass der bereits in den 90er Jahren formulierte und erneut aktuelle Ansatz „People, Planet, Profit“, d.h. das magische Dreieck der Nachhaltigkeit, als Leitbild dienen sollte, trotz der häufig damit verbundenen Komplikationen und konkurrierenden Ziele. Daraus sollte ein unternehmensgetriebenes wirtschaftliches, soziales und ökologisches Konzept als Antwort auf die aktuellen globalen Ansichten, Entwicklungen und Indikatoren entstehen.

2.10

Ein zielorientierter unternehmensgetriebener Ansatz, wie er in einigen europäischen Ländern erkennbar ist, wird die Position von in Europa ansässigen Unternehmen stärken. Damit bietet sich ein zukunftsfähiges strategisches Konzept, auf das sich Geschäftsführer, Verwaltungsräte, Beschäftigte, Zulieferer, Kunden, Sozialpartner und andere Interessenträger festlegen.

3.   Analytische Bemerkungen

3.1

Die bisherige Vorherrschaft der westlichen Welt wird allmählich durch ein polyzentrisches System mit verschiedenen Gravitationszentren abgelöst. Bindeglied zwischen den verschiedenen Gravitationszentren sind häufig multinationale Unternehmen. Die Entwicklung der Weltwirtschaft ist fortwährend verschiedenen (verzerrenden) politischen und wirtschaftlichen Impulsen ausgesetzt.

3.2

Auch die Klimaschutz- und Energieziele üben Einfluss aus. Die Vereinten Nationen, die OECD und die EU, aber auch die Privatwirtschaft erstellen Analysen und konzipieren ratsame Politiken, um auf diese neuen Herausforderungen zu reagieren. Es ist nun an Kommission und Rat, bei der Agendasetzung, der Festlegung der Spielregeln und der Schaffung investitions- und innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen eine führende Rolle zu übernehmen.

3.3

Der 1999 eingeführte Dow Jones Nachhaltigkeits-Index und die „Global Reporting Initiative“ sowie ein breit gefächertes Spektrum an Akteuren, darunter führende Unternehmen und ihre Beschäftigten, Sozialpartner und alle Arten von NGO, fördern Nachhaltigkeitsbewusstsein. Der Weltwirtschaftsrat für Nachhaltige Entwicklung (WBCSD) in Genf ist ein aktives Unternehmensnetzwerk, das in den globalen Klimaschutzverhandlungen die Wirtschaftsinteressen formuliert. Der WBCSD ist ferner führendes Forum für die Entwicklung neuer Unternehmensstrategien und fördert vielschichtige gemeinsame Projekte von Unternehmen. Zu seinen wichtigsten Initiativen zählen „Vision 2050“ aus dem Jahr 2010 und das 2012 darauf folgende Diskussionspapier „Changing Pace“, in dem der Beitrag von Regelungsmaßnahmen zur Förderung der guten Unternehmenspraxis erläutert wird (2).

3.4

In „Changing Pace“ wird argumentiert, dass die Regierungen eine klare Prioritätenrangfolge und die erforderlichen Regeln festlegen müssen, um diese Prioritäten bestmöglich in Wachstums- und Kaufkraftziele umzusetzen und zu verwirklichen. Dem Diskussionspapier zufolge ist es Sinn und Zweck von Unternehmen, immer bessere, erschwingliche und nachhaltige Güter und Dienste für immer mehr Menschen bereitzustellen und dabei Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Wert zu schaffen (3).

3.5

Zunächst werden mittel- und langfristige globale Megatrends, die öffentlichen Maßnahmen und ihre Ziele erläutert und danach die politischen Optionen aus Sicht der Unternehmen beleuchtet. Das Kapitel über die menschlichen Wertvorstellungen geht explizit auf verantwortungsvolle Bürger und Verbraucher ein.

3.6

Die allgemein anerkannten Analysen und die von Regierungen tatsächlich verwirklichten Zielvorgaben klaffen auseinander. Die europäische Wirtschaft scheint von der Krise überfordert zu werden: Viele Unternehmen müssen ihre Produktionskapazität an die sinkende Nachfrage in der westlichen Welt und offenbar auch in China und Indien anpassen.

3.7

Die EU hat durch die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls und die Umsetzung einschlägiger Rechtsvorschriften eine führende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels und der Förderung von Energieeffizienz übernommen. Andere globale Akteure haben währenddessen bislang weder vergleichbare Grundsätze angenommen noch verbindliche Rechtsvorschriften festgelegt. Diese unausgewogene und unbefriedigende Situation besteht weiter, ungeachtet der jüngsten UN-Konferenzen. Für die Industrie in der EU bedeutet dies einen Mangel an Klarheit, der unter den Arbeitnehmern der betroffenen Unternehmen für Verunsicherung und Unruhe sorgt. Ein gut koordinierter und ausgewogener Ansatz mitsamt einer zwischen öffentlichen und privaten Akteuren abgestimmten Vorgehensweise sind unerlässlich.

3.8

Die Unternehmen ergreifen derzeit Rationalisierungsmaßnahmen. Obwohl Technologie, Innovation und starke Wertschöpfungsketten gute Ergebnisse ermöglichen, leiden die Unternehmen und die Beschäftigungslage unter negativen Auswirkungen. In ganz Europa bewegen sich die Arbeitslosenzahlen auf historischen Höchstständen, und die Jugendarbeitslosigkeit ist nahezu überall besorgniserregend. Neue Perspektiven tun dringend Not.

3.9

Die europäische Arbeitsmarktkrise trübt die Aussichten für eine ehrgeizige Klimaschutzpolitik. Die umfangreichen Entlassungen in Unternehmen und der eingeschränkte oder ganz unmögliche Zugang junger Menschen zum Arbeitsmarkt untergraben den Transfer von Wissen und Kompetenzen, die für die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft unverzichtbar sind.

3.10

Doch entstehen durch eine allgemeine Sensibilisierung für den Klimawandel und andere Problemstellungen auch neue Chancen. Europäische Unternehmen übernehmen diese Agenda schrittweise in ihre Strategien und sind bemüht, sich dadurch Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Eine vergleichbare Entwicklung zeichnet sich auch in führenden Unternehmen in den USA, in Japan und sogar in Schwellenländern wie China ab. In vielen europäischen Unternehmen herrscht von der Geschäftsleitung bis zum Fertigungsbereich die Überzeugung, dass sich derartige Anpassungen letztendlich lohnen und so allen Beteiligten zum Vorteil gereichen werden. Die interessantesten Ergebnisse sind mit ökoeffektiven Lösungen („Cradle to Cradle“-Konzept) und mit der Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft, in der wertvolle Ressourcen und Stoffe wiederverwertet werden, erzielt worden.

3.11

Der Ausschuss betont schlussendlich, dass eine wirksame Koordinierung von Analysen, Standpunkten und Agendasetzungen von öffentlichen und privaten Interessenträgern unbedingt erforderlich ist, und zwar auf mehreren Ebenen – international, europäisch, national und regional –, um einerseits die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu sichern und andererseits Nachhaltigkeit und soziale Innovation zu gewährleisten. Eine Schlüsselfunktion kommt dabei der Technologie und der Innovationsförderung sowie der Sicherstellung fortschrittlichster Fach-, Sach- und Managementkompetenz zu.

4.   Unternehmensinitiativen und -praktiken

4.1

In immer mehr Unternehmen werden Nachhaltigkeitsziele als Teil ihrer Unternehmenskultur, ihrer CSR-Strategien und ihres Risikomanagements verankert. So wie sich auf globaler Ebene verschiedene führende Unternehmen die Grundsätze von „Changing Pace“ (4) zueigen gemacht haben, werden in Europa vergleichbare Initiativen auf Branchen- und Unternehmensebene ergriffen.

4.2

Diese Entwicklung geht in den verschiedenen Branchen und Unternehmen unterschiedlich schnell vonstatten. Eine Umorientierung hin zu neuen Zielen erfordert Zeit und umfangreiche Anstrengungen, vor allem in Zeiten schwachen Wachstums. Auch allgemeine gesellschaftliche Trends, die von NGO und kritischen Verbrauchern zum Ausdruck gebracht werden, tragen zur Entwicklung von neuen Ansätzen und Methoden bei.

4.3

Diese Entwicklung wird in Studien von der Kommission und Sachverständigen bestätigt. Die Schlussfolgerung eines Berichts aus dem Jahr 2011 lautet sinngemäß: „Die Umweltleistung der EU-Industrie zeichnet sich durch erhebliche Fortschritte bei der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltauswirkungen in den vergangenen zwanzig Jahren aus, wobei mehr Nachhaltigkeit und eine bessere Ressourceneffizienz der Unternehmen dabei eine wichtige Rolle spielen (5).

4.4

Mit Blick auf die Sicherung der Widerstandsfähigkeit ihrer Unternehmen in der Zukunft machen Geschäftsführer und Vorstände diese Neuausrichtung häufig zu ihrem eigenen Anliegen und übernehmen unmittelbare Verantwortung dafür, was strukturiertere und zielorientiertere Entwicklungsprozesse innerhalb der Unternehmen gewährleistet. Im WBCSD-Netzwerk ist diese Art persönliches Engagement an der Tagesordnung. Unternehmen in verschiedenen Ländern nehmen sich ein Beispiel daran. Die Verknüpfung zwischen Geschäftstätigkeit und Nachhaltigkeit tritt immer deutlicher zutage und wird stetig greifbarer.

4.5

Europäische Unternehmen ergreifen viele Initiativen, um Umweltziele und wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit miteinander zu vereinbaren. Diese Entwicklung nahm ihren Anfang in Nordeuropa, hat an Momentum gewonnen und erfasst mittlerweile den ganzen Kontinent. Die Ziele einzelner Unternehmen werden in Grundsatzerklärungen, in Vorhaben und in der Zusammenarbeit mit der Wissenschaft, NGO, Sozialpartnern und anderen Interessenträgern zum Ausdruck gebracht. Beispiele für Organisationen auf einzelstaatlicher Ebene:

der 1993 in Deutschland gegründete Ulmer Initiativkreis Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung e.V.;

Das französische Mitglied im WBCSD, der Unternehmensverband Entreprises pour l’Environnement in Frankreich, dem 40 Großunternehmen angehören; ferner eine Initiative der Arbeitgeberorganisation Mouvement des Entreprises de France (MEDEF), in deren Rahmen sich 250 Unternehmen auf Rio+20-Ziele verpflichten;

Eine Gruppe britischer Unternehmen arbeitet in vergleichbarer Weise im Rahmen des „Accounting for sustainability community“-Projekts des Prince of Wales an der Aufstellung von Nachhaltigkeitsbilanzen;

In der 2012 gegründeten Dutch Sustainable Growth Coalition arbeiten im Rahmen der Arbeitgeberorganisation VNO-NCW sieben führende Unternehmen aus verschiedenen Bereichen zusammen. Sie entwickeln Ziele, Verfahren und Methoden für langfristiges nachhaltiges Wachstum unter Einbeziehung der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette;

der Verband UK Sustainable Investment and Finance Association hat jüngst eine Initiative aufgelegt, in der er Unternehmen und Besitzer von Vermögenswerten zu langfristigen Investitionen aufruft. Das Banking Environment Initiative Forum 2012 der Umweltinitiative der Banken (BEI), die erste Jahreskonferenz für globale Banken und Unternehmen, die nachhaltige Investitionen fördern, fand im November 2012 in London statt.

4.6

Die gewählten Herangehensweisen unterscheiden sich noch erheblich, was mit dem wirtschaftlichen Entwicklungsstand und dem Grad der Verflechtung der nationalen Volkswirtschaft und FuE mit Entwicklungen jenseits der nationalen und europäischen Grenzen zu tun hat. In absehbarer Zukunft jedoch werden Unternehmen europaweit in ein und demselben globalen Umfeld tätig sein, was vergleichbare Denkweisen und Konzepte erfordert. In den Bereichen Unternehmensführung sowie allgemeine und berufliche Bildung müssen entsprechend Vorbereitungen getroffen werden.

4.7

Einige Gemeinsamkeiten lassen sich festmachen:

internationale politische Verhandlungen bringen aufgrund unterschiedlicher Standpunkte, Strategien und sozioökonomischer Zwänge bislang zwar kaum greifbare Ergebnisse, in Unternehmenskreisen besonders der westlichen Welt hat aber ein Umdenken eingesetzt;

in letzter Zeit zeichnet sich der Trend ab, dass sich die Unternehmensführung zu Nachhaltigkeit bekennt und engagiert eine zielorientiertere Herangehensweise fördert. In unternehmensinternen Diskussionen und Verfahren wird der Schwerpunkt verstärkt auf Nachhaltigkeit gesetzt. Damit wird ein neues Kapitel aufgeschlagen, das künftige Geschäftsmodelle, Berufsbildungs- und Karriereplanung und die Denkweisen der Unternehmensmitarbeiter beeinflussen wird;

es gibt eine Umorientierung auf eher langfristige Strategien, wobei jedoch wirksame kurzfristige Lösungen weiterverfolgt werden;

Zulieferer und Kunden werden häufig einbezogen;

neben den traditionellen Dialogpartnern wie die Beschäftigten und Sozialpartner werden zunehmend NGO konsultiert und die Ansichten der Kunden stärker berücksichtigt;

das Augenmerk gilt verstärkt der beruflichen Aus- und Fortbildung sowie der Hochschul- und Business School-Bildung. Junge Arbeitnehmer begrüßen diese Umorientierung, die ihnen letztlich den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert;

diese Trends müssen vor dem Hintergrund der öffentlichen Zielsetzungen für Nachhaltigkeit und europäische Wettbewerbsfähigkeit gesehen werden.

5.   Nachhaltige Strategien zur Senkung der Kohlenstoffintensität

5.1

Strategien zur Senkung der Kohlenstoffintensität sind wichtig, um nachhaltiges Wachstum zu fördern. Sie sind mit der EU-Industriepolitik verknüpft.

5.2

Die europäische Industrie muss im Zusammenhang mit CO2-Emissionen, erneuerbaren Energieträgern und Energieeffizienz derzeit auf europäischer, nationaler und sogar lokaler Ebene eine breite und komplizierte Palette an Zielvorgaben und Instrumenten berücksichtigen. Diese Zielvorgaben und Instrumente sind teilweise widersprüchlich, überschneiden sich und sind unzureichend koordiniert. Im Interesse von Wirksamkeit und Kosteneffizienz benötigen die Unternehmen einfachere, berechenbare und stärker integrierte politische Maßnahmen.

5.3

Die Entwicklung hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ist vor allem durch die Bemühungen vorangetrieben worden, die durch die Öl- und Energiepreissteigerungen bedingten Kosten zu senken, also schon vor dem Aufkommen der Umweltschutzkultur, die ihren Ursprung in den realen oder erwarteten Folgen des durch Treibhausgase verursachten Klimawandels hat.

5.4

Nach Meinung des Ausschusses sollte ein in den Mitgliedstaaten konsequent angewandter, kohärenter und konsistenter Rahmen für eine sicherere, wettbewerbsfähige und kohlenstoffarme Energieversorgung auf vier Säulen beruhen:

einer zusammenhängenden Energie- und Klimaschutzpolitik für die Sektoren, die in einem auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Emissionshandelssystem (ETS) erfasst sind;

Nutzung des potenziellen Beitrags von nicht im EU-ETS erfassten Sektoren;

eine engere Verknüpfung zwischen FuE und Innovation auf der einen und der Energie- und Klimaschutzpolitik auf der anderen Seite;

eine Energieinfrastruktur sowie Regelwerke, die effizienten Energietransport, eine intelligente Nutzung der Energienetze, modernste Speichertechnik und flexible Nachfragesteuerung ermöglichen.

5.5

Das EU-ETS wird das wichtigste politische Instrument der EU sein, um Emissionssenkungs-Zielvorgaben auf harmonisierte und kosteneffiziente Weise umzusetzen. Seine Anwendung sollte marktgestützt erfolgen. Der Ausschuss verweist auf drei kritische, noch ungelöste Fragen:

das ETS sollte den Unternehmen langfristige Investitionssicherheit bieten, was bislang noch nicht der Fall ist;

eine kostspielige und schädliche Überregulierung in Europa muss vermieden und eine abgestimmte Koordinierung zwischen öffentlichen und privaten Akteuren gefördert werden;

das ETS sollte Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Branchen berücksichtigen. Dieser Aspekt wird mit ehrgeizigeren Zielen noch kritischer werden, zumal wenn andere globale Player nicht bereit oder nicht in der Lage sind, Nachhaltigkeitsziele zur Senkung der Kohlenstoffintensität aufzustellen oder umzusetzen. Europäische Alleingänge, die Investitionen und Beschäftigung in globalen Sektoren abträglich sind, müssen vermieden werden.

5.6

Außerdem herrscht allgemein Einvernehmen darin, dass die öffentliche Infrastruktur, d.h. das europäische Energieversorgungsnetz, umfangreiche Vorleistungen erfordert. Es ist grundlegend wichtig, dass sich öffentliche Interessenträger bereit erklären, Anfangsinvestitionen bereitzustellen, um das Vertrauen der privatwirtschaftlichen Investoren zu stärken. Hiermit sollte sich der Rat im Rahmen der EU-Wachstumsinitiative befassen.

5.7

Dies dürfte dann auch der Verlagerung bestimmter industrieller Tätigkeiten aus Europa in andere Regionen entgegenwirken, die zu beobachten ist, obwohl bei der Aufstellung und Durchführung der Klimastrategie bis 2020 die Gefahr der Verlagerung von CO2-Emissionen (carbon leakage) berücksichtigt worden ist.

5.8

Vorschläge für eine Verbesserung des Aufbaus des ETS sollten die in Ziffern 5.4 und 5.5 angesprochenen Fragen aufgreifen. Die aktuelle Debatte über die Anpassung des EU-ETS geht an diesen Fragen oder an einem möglichen Umbau des Emissionshandelssystems vorbei. Eine Anpassung der Leitlinien sollte ab 2020 für einen stabilen Kohlenstoffpreis sorgen, so dass die Marktteilnehmer langfristige Investitionen in kohlenstoffarme Lösungen planen können sollten. Durch konzeptionelle Verbesserungen des ETS könnten kurzfristig erforderliche politische Eingriffe vermieden werden.

5.9

Eine Verbesserung des ETS-Konzepts ist auch erforderlich, um die Akzeptanz seitens der Öffentlichkeit und der Beschäftigten zu erhöhen. Es ist davon auszugehen, dass einige „traditionelle“ Arbeitsplätze rasch verschwinden werden, indes ist die Ersetzung durch Arbeitsplätze in „grünen“, weniger kohlenstoffintensiven Sektoren noch nicht richtig in Gang gekommen. Der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft wird in den traditionellen Bereichen industrieller Produktion aufgrund der damit einhergehenden höchst abrupten Veränderungen häufig als Bedrohung empfunden. Der soziale Dialog muss auf mehreren Ebenen geführt werden, um für Transparenz zu sorgen und die Akzeptanz seitens der Betroffenen zu fördern, und auch um Ausbildungs- und Umschulungsprogramme für alle Arbeitnehmer zur Anpassung ihrer Qualifikationen an die neuen Arbeitsmarkterfordernisse aufzulegen.

5.10

Am wichtigsten ist eine neue FEI-Politik, die auf Wertschöpfung in komplexen (internationalen) Wertschöpfungsketten in der Perspektive einer kohlenstoffarmen Wirtschaft abhebt. Die aktuelle technologische Ausrichtung muss verbreitert werden. Der Klimawandel, die sich abzeichnende Verknappung strategischer Ressourcen und dadurch absehbare Preissteigerungen bewirken ein Umdenken im Energie- und Rohstoffsektor. Auch müssen Aufholprozesse in den Schwellen- und Entwicklungsländern sowie Technologietransfer bedacht werden. Die Nachfrage nach Ressourcen steigt, während der Umbau der Energiesysteme und die Verbesserung der Ressourceneffizienz mit Risiken und sehr hohen Kosten verbunden sind. Ein Erfolg hängt auch von verschiedenen, eng miteinander verzahnten Industriebereichen und Kompetenzfeldern ab. All diese Aspekte machen es erforderlich, dass die EU technologisch einen koordinierten Weg einschlägt (6) und durch konsequente politische Entscheidungen untermauert.

5.11

Integrierte Ansätze zielen darauf ab, die Ökobilanz über die Produktion hinaus unter Einbeziehung des gesamten Lebenszyklus wie Konzeption, Rohstoffgewinnung, Verteilung, Montage und Entsorgung zu verbessern. Eine integrierte Produktpolitik muss zwischen den öffentlichen und privaten Akteuren ausgehandelt werden. Sie muss genau definiert werden, um eine Überregulierung zu vermeiden. In Frage kommen in diesem Zusammenhang ggf. Vereinbarungen zwischen Herstellern und Regierungen bzw. EU über Umweltkennzeichnung, Energieverbrauchsangaben, Ökodesign, Verbote von Stoffen und Erfassung des ökologischen Fußabdrucks in der Produktkennzeichnung. Um wirksam zu sein, sollten Produktkennzeichnungen angemessene und korrekte Verbraucherinformationen enthalten und auch den Vorgaben der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken entsprechen, die umfassend umgesetzt werden sollte.

5.12

Ferner sind umfangreiche Ausgaben für Grundlagen- und angewandte FuE notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung des Ziels einer sicheren, global wettbewerbsfähigen, erschwinglichen und effizienten Energieversorgung Europas, das durch eine effiziente Energieinfrastruktur und ein geeignetes Regelwerk abgesichert wird (7).

5.13

Sektorübergreifende systemische Innovationen und integrierte Wertschöpfungsketten sind wichtig für Unternehmen, da die fossil basierten weltweiten Energiesysteme langfristig dekarbonisiert werden müssen und die Ressourcenverknappung eine ressourceneffiziente Wirtschaftsweise erforderlich macht. Nachhaltigkeit setzt sich Schritt für Schritt auf allen Märkten durch und führt dazu, dass traditionelle Sektorgrenzen verwischt werden und neue Wertschöpfungsketten entstehen.

5.14

Die aktuelle Debatte spornt auch zu einer wachsenden Zahl von Bottom-up-Initiativen in Unternehmen an. Großunternehmen wie auch KMU entwickeln die ganze Wertschöpfungskette umfassende kohlenstoffarme Geschäftsstrategien und –modelle. Die vorausschauende Vorwegnahme des zukünftigen Energiebedarfs wird sich als Wettbewerbsvorteil niederschlagen. Dies erfordert geeignete Rechtsvorschriften. Die interne Entwicklung innovativer Ideen und Verfahren in Produktion und Organisation ist in vielen Unternehmen – von der Geschäftsleitung bis zum Fertigungsbereich – mittlerweile gängige Praxis.

5.15

Beispiele:

5.15.1

Im Gebäudebereich, auf den ein erheblicher Teil des Endenergieverbrauchs entfällt, kann der Verbrauch fossiler Energieträger umfassend und gleichzeitig kostenwirksam verringert werden, indem die Energieleistung bestehender und neuer Gebäude durch u.a. verbesserte Isolierung und Heizsysteme optimiert wird. Zu nennen wären auch Energietransport-Infrastrukturvorhaben von Unternehmen und Kommunen und der Transport von dezentral erzeugter nachhaltiger Energie. Auf diese Aspekte und ihren spezifischen Kontext geht der Ausschuss in einer separaten Stellungnahme ein (8).

5.15.2

Der Verband der europäischen Kohlenindustrie (EURACOAL) schlägt eine dreistufige Saubere-Kohle-Strategie vor, die am Energiefahrplan 2050 ansetzt und auf modernste Kohlekraftwerke und dadurch Emissionssenkung, die Entwicklung hocheffizienter, flexibler Technologien der nächsten Generation, Demonstration und Einsatz von Technologien für die Abscheidung, den Transport und die Speicherung von CO2 (CCS) und CCS für andere Brennstoffe und Branchen abhebt. Die Exportmöglichkeiten für Saubere-Kohle-Technologien aus der EU sind ausbaufähig.

5.15.3

Die forstbasierte Industrie, die erneuerbare Rohstoffe verarbeitet und naturgemäß erneuerbare Energieträger nutzt, ist sehr proaktiv. Ein sektorspezifisches Maßnahmenpaket einschl. FuE ist notwendig, um bahnbrechenden Technologien und neue Produkten zu Markterfolg zu verhelfen. Es muss ein gesundes Verhältnis zwischen Rohstoffen und der energetischen Nutzung von Rohstoffen gefunden werden. In den Strategien müssen die weltweiten Entwicklungen, andere Politikbereiche und die Investitionszyklen der Branchen berücksichtigt werden.

5.15.4

Es gibt bereits bereichsübergreifende Initiativen. Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) wie SPIRE (Sustainable Process Industry through Resource and Energy Efficiency) und EMIRI (Energy Materials Industrial Research Initiative) sollten unter dem „Horizont 2020“-Rahmenprogramm prioritär und angemessen gefördert werden.

5.16

Derzeit arbeiten in der EU zahlreiche andere Branchen an der Aufstellung langfristiger Fahrpläne zur Senkung der Kohlenstoffintensität.

5.17

Teil der Lösung und ein wichtiger Beitrag auf dem Weg zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ist der Umstieg Europas auf eine Bioökonomie. Verschiedene Unternehmen entwickeln neue biobasierte Produkte und Lösungen, die den wachsenden Ansprüchen und Anforderungen gerecht werden.

6.   EU, Regierungen, Interessenträger

6.1

All diese Entwicklungen müssen durch geeignete technologische, wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen flankiert und untermauert werden. Diese umfassen zielorientierte Forschungs- und Investitionsprogramme in Unternehmen und einen fein-abgestimmten Dialog auf Sektor- und Unternehmensebene mit EU- und nationalen Behörden und relevanten Interessenträgern.

6.2

Die EU und die Mitgliedstaaten sollten zur Unterstützung der Wachstumsinitiative die Bereitstellung bislang ungenutzter oder gar ganz neuer Mittel für die Finanzierung dringender Maßnahmen in Betracht ziehen. Das 7. und 8. Forschungsrahmenprogramm sollten bahnbrechende Technologien und innovative Vorhaben fördern. Die EIB sollte auch eine unterstützende Rolle übernehmen. Der Ausschuss empfiehlt ferner, Steuervergünstigungen als mögliches Instrument in diesem Kontext in Betracht zu ziehen.

6.3

Die zumeist von der Industrie getragenen EU-Technologieplattformen bieten ein Forum für Unternehmen, Forschungsinstitute, Wissenschaft und auch den öffentlichen Sektor zum Austausch über zukunftsorientierte Entwicklungen (9). Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Analyse von globalen Entwicklungen und Erwartungen sowie bei der gemeinsamen Festlegung von Ziel- und Zeitvorgaben.

6.4

Die Festlegung von Marktzielen erfordert die gemeinsame Beratung und Prüfung mit Zulieferern und Kunden sowie mit Interessenträgern wie Sozialpartnern, NGO, Regionalbehörden und Verbrauchern. Rechtsetzung und Regulierung sind die Zuständigkeit der EU und Mitgliedstaaten, sollten aber niemals Einbahnstraße sein, sondern realisierbare Fahrpläne und laufende Entwicklungen und Planungen in führenden Unternehmen berücksichtigen (10). Dazu ist ein ständiger Austausch von Analysen und Meinungsbildern zwischen öffentlichem und privatem Sektor erforderlich.

6.5

Im Mittelpunkt der politischen Diskussion stehen häufig vor allem Top-down-Initiativen der EU (oder der Mitgliedstaaten) in den Bereichen Klimaschutz, demografische Entwicklung, Gesundheit, Nahrungsmittel, Wasser usw., ohne dass die Entwicklungen in den Unternehmen berücksichtigt würden. Der Ausschuss fordert die Einbeziehung von einschlägigen Analysen und Lösungskonzepten der Privatwirtschaft. Um die wesentlichen Probleme bewältigen zu können, sind vor allem privatwirtschaftliche Investitionen und qualifizierte Arbeitskräfte erforderlich.

6.6

Im Rahmen der Neuausrichtung müssen in den Unternehmen auch soziale Zielsetzungen, die das Engagement der Beschäftigten sichern, festgelegt werden. Die EU und die Mitgliedstaaten sollten im Rahmen des sektoralen und sektorübergreifenden sozialen Dialogs Maßnahmen für eine sozialverträgliche Bewerkstelligung des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft fördern und durchführen. Neben der Schwerpunktsetzung auf die auf dem Arbeitsmarkt (11) benötigten Kompetenzen muss auch der quantitativen und der zeitlichen Komponente Rechnung getragen werden.

6.7

Das gemeinsame Engagement von Regierungen/Verwaltungen, Unternehmen, Beschäftigten und Arbeitnehmervertretern zur Überwindung der historisch hohen Arbeitslosigkeit kann in aktualisierten Lehrplänen, in Schul- und Berufsbildungsprogrammen und in Lehrverträgen zum Ausdruck gebracht werden.

6.8

Eine wichtige und womöglich entscheidende Voraussetzung ist die Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen weltweit, bspw. durch globale Normen und Zertifizierung, transparente Rechtsetzung, symmetrischen Marktzugang, Schutz geistigen Eigentums und vergleichbaren Verbraucherschutz. Auch sollten die grundlegenden Arbeitsrechte gewahrt werden. Nach Meinung des Ausschusses sollte diesen Aspekten im Rahmen der europäischen Handelspolitik Rechnung getragen werden (12).

6.9

Der Ausschuss ist der Meinung, dass alle Akteure sich vergegenwärtigen sollten, welche Anforderungen und Verfahrensweisen sich Unternehmen und Unternehmensgruppen selbst auferlegt haben, da die Umsetzung neu festgelegter Ziele und die fristgerechte Verwirklichung wünschenswerter Ergebnisse zu einer sehr großen Belastung werden können.

Brüssel, den 13. Februar 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Siehe einschlägige Berichte des Weltklimarats (IPCC)

http://www.ipcc.ch/publications_and_data/publications_and_data_reports.shtml

(2)  Changing Pace, Public policy options to scale and accelerate business action towards Vision 2050, 2012.

http://www.wbcsd.org/changingpace.aspx

(3)  Siehe Fußnote 2.

(4)  Siehe Fußnoten 1, 2 und 3. Der WBCSD hat 200 Mitglieder. Ca. die Hälfte davon sind europäische Unternehmen.

(5)  Siehe die Broschüre der Europäischen Kommission „Sustainable Industry: Going for Growth & Resource Efficiency“ (Eine nachhaltige Industrie für ressourceneffizientes Wachstum und Arbeitsplätze, nur in EN) von Juli 2011. Siehe auch die „Study on the Competitiveness of European Companies and Resource Efficiency“ (Studie zur Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und zur Ressourceneffizienz, nur in EN) von Juli 2011 und die „Study on the Competitiveness of the EU eco-industry“ (Studie zur Wettbewerbsfähigkeit der EU-Ökoindustrie, nur in EN) von September 2009.

(6)  Allem voran durch das 8. Forschungsrahmenprogramm.

(7)  Siehe Ziffer 5.4, vierter Spiegelstrich.

(8)  Dossier CCMI/106, Stellungnahme zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Strategie für die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit des Baugewerbes und seiner Unternehmen“.

(9)  Siehe u.a. die EWSA-Stellungnahme zum Thema „Europäische Technologieplattformen (ETP) und industrieller Wandel“, ABl. C 299 vom 4.10.2012, S. 12.

(10)  Siehe u.a. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Der industrielle Wandel und die Entwicklung nachhaltiger energieintensiver Industrien in Anbetracht des Ziels der Ressourcenschonung in der Europa-2020-Strategie“, ABl. C 43 vom 15.2.2012, S. 1; die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Förderung nachhaltiger grüner Arbeitsplätze für das Energie- und Klimapaket der EU“, ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 110; sowie die Stellungnahme des EWSA zum „Energieeffizienzplan 2011“, ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 155.

(11)  Siehe die Stellungnahme des EWSA zu der Leitinitiative im Rahmen der Europa-2020-Strategie: Stellungnahme zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten: Europas Beitrag zur Vollbeschäftigung“ (COM(2010) 682 final), ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 142.

(12)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Auswärtige Dimension der EU-Industriepolitik: Trägt die EU-Handelspolitik den Interessen der europäischen Industrie gebührend Rechnung?“, ABl. C 218 vom 23.7.2011, S. 25.


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