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Document 52012AE1598

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Verkehrs-Weißbuch: Einbindung und Teilhabe der Zivilgesellschaft“ (Sondierungsstellungnahme)

OJ C 299, 4.10.2012, p. 170–173 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

4.10.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 299/170


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Verkehrs-Weißbuch: Einbindung und Teilhabe der Zivilgesellschaft“ (Sondierungsstellungnahme)

2012/C 299/31

Berichterstatter: Stefan BACK

Die Europäische Kommission beschloss am 11. Januar 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen:

"Verkehrs-Weißbuch: Einbindung und Teilhabe der Zivilgesellschaft"

(Sondierungsstellungnahme).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 25. Juni 2012 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 482. Plenartagung am 11./12. Juli 2012 (Sitzung vom 11. Juli) mit 140 gegen 3 Stimmen bei 7 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss sollte die Einrichtung eines Rahmens für einen offenen und transparenten Meinungsaustausch zwischen der Zivilgesellschaft, der Europäischen Kommission und sonstigen einschlägigen Interessenträgern wie nationale Behörden auf unterschiedlichen Ebenen zum Verkehrs-Weißbuch anstoßen. Auf diese Weise können Akzeptanz und Verständnis in der Zivilgesellschaft erhöht und sinnvolles Feedback für die politischen Entscheidungsträger und die Verantwortlichen für die Umsetzung dieser Entscheidungen geliefert werden.

1.2   Der Dialog sollte auf mehreren Ebenen stattfinden, d.h. die Zivilgesellschaft und Behörden auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene umfassen. Zivilgesellschaft ist hier im weitesten Sinne zu verstehen, einschließlich aber nicht ausschließlich Unternehmen, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Nutzer, NRO und Wissenschaft.

1.3   Im Dialog muss eine Kommunikation in beide Richtungen sichergestellt werden. Dieser Dialog muss der Europäischen Kommission Gelegenheit bieten, ihre Vorschläge und Maßnahmen zu vermitteln, und gleichzeitig insbesondere der Zivilgesellschaft sowie den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften die Möglichkeit eröffnen, mit der Europäischen Kommission, dem EWSA und weiteren einschlägigen Organisationen in Verbindung zu treten, um in Bezug auf die EU-Verkehrspolitik und ihre Durchführung Anmerkungen vorzubringen, auf Probleme hinzuweisen und Fragen zu stellen – in der Gewissheit, dass diese auch aufgegriffen werden. Ein offener und konstruktiver Dialog ist für eine größere Akzeptanz der Maßnahmen einschl. Legislativvorschläge und Infrastrukturpläne unerlässlich.

1.4   Es sollte möglich sein, auf konkrete Probleme z.B. in Bezug auf die Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen, die Qualität des Nahverkehrs und die Angemessenheit der verkehrspolitischen Ziele wie Verkehrsverlagerung oder Verkehr über eine bestimmte Entfernung hinaus unter bestimmten Umständen hinzuweisen.

1.5   Durch einen derartigen Dialog könnten die Ziele der EU-Verkehrspolitik und der vorgeschlagenen Maßnahmen für ihre Durchführung besser nachvollzogen und akzeptiert werden. Außerdem könnte er dazu beitragen, dass die EU-Institutionen die gelebte Wirklichkeit und die Notwendigkeit besser begreifen, die unterschiedlichen Gegebenheiten in den verschiedenen Gebieten der EU zu berücksichtigen und die Möglichkeiten zu verbessern, zufriedenstellende Lösungen für konkrete Probleme zu finden und Antworten auf die vorgebrachten Bedenken zu geben.

1.6   Kontinuität und Nachgang zu aufgeworfenen Fragen sind ebenso wichtige Elemente in einem erfolgreichen Dialog wie eine rechtzeitige Kommunikation seitens der Europäischen Kommission im Vorfeld geplanter Initiativen. Zur Gewährleistung eines wirksamen, offenen und transparenten Dialogs sollte eine Vereinbarung mit der Europäischen Kommission über ihre Mitwirkung getroffen werden. Der Ausschuss hält fest, dass die Europäische Kommission dem Dialog über Infrastrukturvorhaben und -maßnahmen, die mit Verhaltensänderungen einhergehen, besondere Aufmerksamkeit beimisst. Allerdings sollte dieser Dialog seiner Meinung nach umfassender angelegt sein; er könnte einen Mehrwert für die meisten dieser Initiativen bringen.

1.7   Die Einbindung junger Menschen ist ebenfalls ein wesentliches Element in diesem Dialog, um Interesse für die verkehrspolitischen Ziele der EU zu wecken und deren Akzeptanz sicherzustellen.

1.8   Der Dialog sollte überwiegend auch auf Online-Kommunikation beruhen, einschl. eines eigenen Internetportals. Außerdem sollte die Nutzung sozialer Medien wie Facebook oder Twitter in Erwägung gezogen werden. Dieser Internetdialog muss angemessen gehandhabt werden, um sicherzustellen, dass das System auch wirklich funktioniert. Ein Bereich des für den Dialog eingerichteten Internetportals sollte junge Menschen als Zielgruppe ansprechen. Außerdem sollte das Portal einschlägige Links beispielsweise zur Kommissionswebsite zur Bürgerinitiative enthalten.

1.9   Das Internet sollte allerdings nicht das einzige Kommunikationsmittel sein. So könnte dieser Online-Dialog durch im Bedarfsfall organisierte Konferenzen oder sonstige Veranstaltungen ergänzt werden, die ein Diskussionsforum für zwei oder drei spezifische Themen bieten. Gleichermaßen sollte der Ausschuss direkt mit Vertretern der Zivilgesellschaft in Kontakt treten, wann immer dies zweckdienlich erscheint. Die in diesem Kontext aufgeworfenen Fragen und Bedenken sollten an die Europäische Kommission weitergeleitet werden.

1.10   Gegebenenfalls könnten die Fragen oder Probleme, die im Zuge dieses Dialogs ermittelt werden, in Initiativarbeiten des Ausschusses behandelt werden und in seine Stellungnahmen zu einschlägigen Themen, mit denen er befasst wird, einfließen.

1.11   Im Sinne der Teilhabe der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften an diesem Dialog sollte der EWSA Kontakt mit dem Ausschuss der Regionen (AdR) aufnehmen, um die Einbindung des AdR in diesen Dialog und seine Lenkung unter Berücksichtigung der Rolle des jeweiligen Ausschusses zu vereinbaren.

1.12   Im EWSA sollte ein Lenkungsausschuss im Rahmen der Fachgruppe TEN für diesen Dialog zuständig sein, der vom Sekretariat der Fachgruppe TEN unterstützt wird und mit dem AdR und der Europäischen Kommission ständig zusammenarbeitet.

1.13   Einzelheiten zur Lenkung und Verwaltung des Internet-Dialogs, den erforderlichen Ressourcen und Haushaltsaspekten sollten von einer Task Force geklärt werden, die ihre Empfehlungen bis Ende 2012 vorlegen soll. Es sollten schlanke und einfache Management- und Verwaltungslösungen nach Möglichkeit im Rahmen der vorhandenen Ressourcen gesucht werden. Zur Verwaltung des Dialogs könnte die Option einer Kostenteilung mit dem AdR in Erwägung gezogen werden.

1.14   Der Startschuss für diesen Dialog sollte Anfang 2013 fallen.

2.   Einleitung

2.1   Im "Weißbuch: Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem" (im Folgenden "der Fahrplan") werden zehn Ziele für ein wettbewerbsorientiertes ressourcenschonendes Verkehrssystem aufgestellt, die als Orientierungswerte zur Erreichung des Ziels einer Verringerung der Treibhausgasemissionen um 60 % dienen. Die langfristigen Ziele bilden die globale Vision für 2050, während andere Ziele als Zwischenziele bis 2020 bzw. 2030 angelegt sind. Das Weißbuch enthält ferner eine Strategie mit 40 Initiativen, die zur Erreichung dieser Ziele in den nächsten zehn Jahren beitragen sollen.

2.2   Die in dem Fahrplan dargelegten 40 Initiativen sollen bis 2020 umgesetzt werden. Einige dieser Initiativen sind Legislativvorschläge, viele beruhen jedoch auf nationalen oder lokalen Gesetzesinitiativen oder auf der Förderung von Verhaltensänderungen, da die EU in diesem Bereich nur begrenzte Zuständigkeit hat oder aber die Rechtsetzung kein geeignetes Mittel ist, um die für den Erfolg einer bestimmten Initiative erforderlichen Verhaltensänderungen zu bewirken. Verhaltensänderungen sind übrigens auch für den Erfolg einer Reihe von Legislativvorschlägen von grundlegender Bedeutung.

2.3   In einem Schreiben vom 11. Januar 2012 ersuchte die Europäische Kommission den Ausschuss "um seine Ansichten zu der Frage […], wie die Zivilgesellschaft dazu angeregt werden kann, sich die Ziele des Weißbuchs zu eigen zu machen und zur Verwirklichung der langfristigen Vision für den Verkehr beizutragen". In diesem Schreiben wird insbesondere auf die Notwendigkeit hingewiesen, nationale und europäische Interessen in Bezug auf wichtige TEN-V-Infrastrukturvorhaben miteinander zu vereinbaren und der Frage nachzugehen, wie die Zivilgesellschaft dazu angeregt werden kann, die in dem Weißbuch erläuterten langfristigen Verkehrsziele zu unterstützen und hierzu beizutragen.

2.4   Es ließe sich ein Vergleich mit der Rolle des Ausschusses bei der Durchführung der Europa-2020-Strategie anstellen: Der Ausschuss hat einen neuen bereichsübergreifenden "Lenkungsausschusses Europa 2020" für die effizientere Zusammenarbeit zwischen seinen Arbeitsorganen und den nationalen Interessenträgern eingerichtet, um spezielle Initiativen und bewährte Verfahren im laufenden Reformprozess in den Mitgliedstaaten zu ermitteln und zu planen. Am 23. Februar 2011 wurde ein Bericht über die Bewertung der Erstellung der nationalen Reformprogramme durch die Zivilgesellschaft und ihre Beteiligung an diesem Prozess veröffentlicht, um der Europäischen Kommission Denkanstöße für die Frühjahrestagung des Rates zu liefern.

2.5   In der Binnenmarktakte ist ebenfalls ein Kapitel dem Thema "Einbeziehung der Zivilgesellschaft und regelmäßige Bewertung" gewidmet. Darin ist festgehalten, dass die öffentliche Konsultation eindeutig ergeben hat, dass die Zivilgesellschaft enger in die weitere Entwicklung des Binnenmarkts einbezogen werden möchte als das bislang der Fall ist. Die Europäische Kommission wird daher regelmäßig eine 20-Punkte-Liste veröffentlichen, auf der sie die Haupterwartungen, die Bürger und Unternehmen an den Binnenmarkt stellen, aufführen wird. Diese Liste wird dem Binnenmarktforum vorgelegt werden, das den verschiedenen Marktakteuren (Unternehmen, Sozialpartnern, Nichtregierungsorganisationen (NRO) und Bürgervertretern, Behörden unterschiedlicher staatlicher Ebenen und Parlamenten) regelmäßig Gelegenheit zu einem Zusammentreffen bietet. Das Binnenmarktforum wird den Stand des Binnenmarkts bewerten und empfehlenswerte Praktiken austauschen. Es wird außerdem dazu beitragen, dass die Bewertung der Politik zu einer gängigen Praxis wird, und in dieser Hinsicht seine Funktion bei der Begleitung der Umsetzung der Binnenmarktakte und der Messung ihrer Auswirkungen in den Mitgliedstaaten voll und ganz erfüllen. Auch den Sozialpartnern muss eine größere Rolle zuerkannt und die Möglichkeit eingeräumt werden, sich zu Fragen des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts zu äußern.

2.6   Auf der Grundlage einer Studie wurde im Herbst 2011 eine erste Liste der Erwartungen veröffentlicht.

2.7   Der Ausschuss untersucht derzeit auch Konzeptideen für die Einrichtung eines europäischen Forums für Energiemix. Der Vorschlag zur Schaffung einer ständigen Struktur mit einem Lenkungsausschuss und einem ständigen Sekretariat, in deren Rahmen Jahreskonferenzen und bis zu sechs Sitzungen der Arbeitsgruppen pro Jahr stattfinden, wird derzeit auf seine Finanzierbarkeit, institutionellen Aspekte, seine Angemessenheit und seine Rechtsgrundlage geprüft. Dieses Konzept beinhaltet auch ein Netz nationaler Foren für Energiemix.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1   Die Aufgabe, der der Ausschuss nun gegenüber steht, ist seiner Meinung nach mit den oben genannten Aufgaben vergleichbar. Sie ist auf die Förderung der im Weißbuch dargelegten langfristigen Verkehrsziele und einschlägige Beiträge seitens der Zivilgesellschaft sowie die Akzeptanz von Infrastrukturvorhaben ausgerichtet. Die Europäische Kommission möchte offenbar auch die Sichtweisen der Zivilgesellschaft zu der Frage vernehmen, ob die Verringerung der Treibhausgasemissionen um 60 % und die diesbezüglichen zehn Ziele des Weißbuchs mit den der Europäischen Kommission derzeit zur Verfügung stehenden Instrumenten erreicht werden können.

3.2   Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass Artikel 11 Absatz 1 bis 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) die formelle Grundlage für ein solches Unterfangen ist. Gemäß diesen Bestimmungen haben die EU-Institutionen die Aufgabe, einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft zu pflegen, umfangreiche Anhörungen mit Unternehmen und den repräsentativen Verbänden durchzuführen und den Bürgern und Verbänden die Möglichkeit zu geben, ihre Ansichten öffentlich bekannt zu geben und auszutauschen. Der Ausschuss nimmt ebenfalls zur Kenntnis, dass dieser Artikel auch die Rechtsgrundlage für die Bürgerinitiative ist.

3.3   Nach Meinung des Ausschusses erscheint die Unterstützung seitens der Zivilgesellschaft insbesondere für folgende der zehn im Weißbuch dargelegten Ziele von Belang: 1 (Marktakzeptanz und Verhaltensänderung), 3 (Haltung von Betreibern, Verkehrsplanern und Verladern), 4 (Verhaltensänderungen), 5 und 7 (optimale Nutzung der Infrastruktur und der Verkehrsmanagementsysteme, Förderung einer effizienten grenzübergreifenden Planung), 8 und 10 (faires System) und 9 (Verhaltensmuster in Bezug auf Sicherheit und Gefahrenabwehr).

3.4   Die Unterstützung der Ziele des Fahrplans ist natürlich sinnvoll, um ein politisch günstiges Klima für seine Durchführung zu schaffen.

3.5   Wichtige allgemeine Fragenkomplexe, bei denen ein Dialog mit der organisierten Zivilgesellschaft von besonderer Bedeutung sein könnte, sind nach Ansicht des Ausschusses:

Vereinbarkeit von EU-Interessen und nationalen/regionalen/lokalen Interessen, insbesondere aus Sicht der Interessen der organisierten Zivilgesellschaft;

nichttechnische Möglichkeiten zur Förderung von verkehrspolitischen Zielen, einschl. Unternehmenspolitik, Geschäftsverhalten, Akzeptanz von Innovation und Verhaltensänderungen.

3.6   In all diesen Punkten ist die Unterstützung seitens der organisierten Zivilgesellschaft unerlässlich und vielleicht der beste Weg, um Informationen zu verbreiten und die öffentliche Unterstützung zu gewinnen, aber auch um Feedback über Probleme und Hindernisse einzuholen.

3.7   Idealerweise werden derartige Kommunikationskanäle auch für Benchmarking und Informationsaustausch genutzt.

3.8   Dieser Initiativkatalog vermittelt auch einen Eindruck, wo die Unterstützung der Zivilgesellschaft zur Verwirklichung der langfristigen Ziele erforderlich ist.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Um einen besseren Überblick über die Aspekte der 40 im Weißbuch dargelegten Initiativen bis 2020 zu bekommen, in denen die Unterstützung der Zivilgesellschaft besonders erforderlich ist, verweist der Ausschuss auf folgende Bereiche:

4.2   Ein einheitlicher europäischer Verkehrsraum

4.2.1   Für die geplanten Initiativen zur Förderung hochwertiger Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen ist die aktive Unterstützung der Sozialpartner erforderlich, die im Rahmen des sozialen Dialogs auch einen wertvollen Beitrag zu der Frage leisten könnten, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind (Artikel 9, 152 und 153 AEUV). In Bezug auf die Vermeidung von Konflikten und mögliche Maßnahmen für die gleiche Behandlung hinsichtlich Entlohnung sei darauf hingewiesen, dass diese Bereiche ausdrücklich von der EU-Zuständigkeit ausgenommen sind (Artikel 153 Absatz 5 AEUV) und dass die Normen, die bei der Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen anzusetzen sind, in der in der Dienstleistungsrichtlinie oder in der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern enthalten sind. Die praktischen Aspekte dieser Lösungen könnten im Verkehrsbereich besondere Probleme nach sich ziehen.

4.2.2   Sicherheit und Gefahrenabwehr im Verkehrswesen sowie die Freizügigkeit von Reisenden mit Behinderungen und älteren Reisenden in direkter Verbindung mit der Barrierefreiheit im gesamten Verkehrsmarkt sind nicht nur eine Frage der Rechtsetzung, sondern auch der Politik der Verkehrsunternehmen und des Faktors "Mensch".

4.2.3   Der einheitliche europäische Luftverkehrsraum, der einheitliche europäische Eisenbahnraum und das Konzept des "Blauen Gürtels" hängen ebenfalls wesentlich von Rechtsetzungsmaßnahmen und Verwaltungsverfahren ab, für die konkrete Nutzung der sich daraus eröffnenden Möglichkeiten, insbesondere in Bezug auf den einheitlichen europäischen Eisenbahnraum und den "Blauen Gürtel" einschl. der Nutzung intelligenter Verkehrssysteme (IVS) sowie des Marktzugangs zu Häfen, kommt es allerdings auf die Maßnahmen der Betreiber und sonstigen Betroffenen an.

4.2.4   Die Aspekte Qualität, Zugänglichkeit und Zuverlässigkeit der Verkehrsdienste betreffen sowohl den Güter- als auch den Personenverkehr. So sind Maßnahmen der verschiedenen Betreiber insbesondere im Güterverkehr ein wichtiger Erfolgsgarant. In Bezug auf den Personenverkehr wird die Einbindung der organisierten Zivilgesellschaft in erster Linie für die Bewertung der Wirksamkeit des Rechtsrahmens für Passagierrechte und die Qualität der Verkehrsinfrastruktur für Reisende mit Behinderungen und ältere Reisenden erforderlich sein.

4.3   Stärkung und Integration lokaler Initiativen

4.3.1   Die im Verkehrsweißbuch enthaltene Botschaft von Ressourceneffizienz, Anpassung und Nachhaltigkeit hat bereits zahlreiche bürgerinitiierte Aktionsprogramme in städtischen und ländlichen Gebieten in ganz Europa angestoßen, die auf unterschiedlichste innovative Weise verwirklicht werden. So trägt beispielsweise organisiertes Car-Sharing zur Verringerung des Kraftfahrzeugbestands bei; und durch die Schaffung eines äußerst raumbezogenen Verkehrs innerhalb einer Gemeinschaft (insbesondere auf Anfrage) kommen benachteiligte und isolierte Gruppen in den Genuss eines verbesserten Zugangs und erhöhter Mobilität. In Vorsorgeplänen von Gemeinschaften, oftmals mit dem Schwerpunkt Senkung des Energieverbrauchs, wurden ressourceneffizienter Verkehr und geeignete Verkehrsanbindungen als Schlüsselelement ermittelt. Diese praktischen Initiativen resultieren nicht nur in der Erstellung neuer Verkehrsmodelle, sondern fördern aufgrund ihres "Bottom-up"-Charakters auch effektive Möglichkeiten für alle Beteiligten, sich in diese Initiativen einzubringen und darüber zu informieren. Dadurch wird auch das öffentliche Wissen und Verständnis für die notwendigen Verhaltensänderungen im Verkehrsbereich erweitert.

4.3.2   Den vielen lokalen Initiativen in ganz Europa mangelt es jedoch an der erforderlichen Koordinierung und Strukturierung, um dem Ausmaß der künftigen Herausforderungen, insbesondere der geplanten erheblichen Verringerung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen, gerecht zu werden. Angesichts der ehrgeizigen Ziele des Weißbuchs müssen die Anstrengungen u.a. durch folgende Maßnahmen beträchtlich ausgebaut werden:

Weiterentwicklung und Ausbau bestehender Initiativen, insbesondere zur Stärkung der öffentlichen Teilhabe und Mitwirkung;

Vervielfachung derartiger Initiativen in ganz Europa ausgehend von bestehenden bewährten Verfahren und ebenfalls mit besonderem Augenmerk auf öffentlicher Teilhabe und Mitwirkung;

schrittweise Integration all dieser Initiativen im Rahmen gemeinsamer Kommunikationsplattformen und -mittel, um bewährte Verfahren auszutauschen, größere Gemeinschaften zu erreichen und ein umfassendes öffentliches Verständnis für die Herausforderung und möglichen Lösungen aufzubauen.

4.4   Innovationen für die Zukunft – Technologie und Verhalten

4.4.1   Die europäischen Forschungs-, Innovations- und Einführungsstrategie für den Verkehr ist nicht nur eine Frage von Forschung, Forschungsfinanzierung, Governance und Verbreitung intelligenter Mobilitätssysteme. Wie in dem Fahrplan hervorgehoben, muss die Strategie durch rechtliche Rahmenbedingungen gestützt werden. Marktakzeptanz und -durchdringung sind allerdings ebenfalls grundlegende Faktoren. Und hier kann die organisierte Zivilgesellschaft eine Rolle übernehmen.

4.4.2   Dieser Punkt ist eng an die Frage innovativer Mobilitätsmuster gekoppelt, für die die Einstellung der Betreiber, Verlader und – im Personenverkehr – der Verkehrsnutzer ausschlaggebend ist.

4.4.3   Dies gilt auch für den Güterverkehr, bei dem der Wille zur Nutzung technischer Innovationen und der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) genauso wichtig ist wie beispielsweise die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, um die Kapazitäten optimal zu nutzen.

4.4.4   Auch im Nahverkehr hängt vieles von der Akzeptanz durch die Zivilgesellschaft ab, um die erfolgreiche Markteinführung alternativer Antriebssysteme, die effiziente Organisation der Feinverteilung und die nachhaltige Planung des Individual- und des Güterverkehrs sicherzustellen.

4.5   Moderne Infrastruktur, intelligente Bepreisung und Finanzierung

4.5.1   Für den Aufbau des europäischen Mobilitätsnetzes sind es im Wesentlichen die optimale Nutzung der informationstechnischen Instrumente, die Sendungsverfolgungssysteme sowie optimale Fahrpläne und Verkehrsflüsse (e-Freight), die von den Marktakteuren akzeptiert werden müssen. Diese Akzeptanz ist notwendig, damit sich die Einführung dieser Elemente in TEN-V-Knoten auch lohnt. Dies ist eine Frage der Ergebnisoptimierung und des Kosten-Nutzen-Verhältnisses.

4.5.2   Im Rahmen des Korridoransatzes für das TEN-V als Umsetzungsinstrument für das Kernnetz sollten Infrastrukturvorhaben so gestaltet werden, dass die Bürger, die Zivilgesellschaft und die betroffenen Behörden ein Gefühl der Mitverantwortung für diese Vorhaben entwickeln. Dies sollte Maßnahmen wie eine frühzeitige Einbindung bereits ab der Planungsphase, den Austausch bewährter Verfahren in der gesamten EU, die Anwendung der neuesten Planungs- und Umsetzungsverfahren oder kontinuierliche und transparente Kommunikation umfassen. In diesem Zusammenhang kann die Unterstützung durch die Zivilgesellschaft auch dazu beitragen, ein Umfeld zu schaffen, das eine kohärente grenzübergreifende Infrastrukturplanung begünstigt.

4.5.3   Im Bereich der Finanzierung bleibt das Konzept der öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) in erster Linie eine Frage der Finanzierung, die wiederum von rechtlichen und technischen Aspekten abhängt. Aufgrund der Bedeutung der Einbindung der Zivilgesellschaft in Infrastrukturvorhaben und Dienste, bei denen auf ÖPP zurückgegriffen werden kann, besteht ein legitimes Interesse der Zivilgesellschaft an ihrer Beteiligung an der Konzeption und Umsetzung von ÖPP.

4.5.4   Preisgestaltung und Vorbeugung von Wettbewerbsverzerrungen sind in erster Linie eine Regulierungsfrage. Im Hinblick auf die Schaffung eines Klimas der Akzeptanz für diese Maßnahmen könnten sich allerdings Kontakte zur Zivilgesellschaft als zweckdienlich erweisen. Solche Kontakte könnten auch Informationen über etwaige soziale Probleme aufgrund erheblicher Kostenauswirkungen in dünn besiedelten Regionen oder die Lebensqualität wirtschaftlicher oder physisch schwacher Bevölkerungsgruppen abwerfen. Die Preisgestaltung muss als angemessen und fair anerkannt werden, soll sie allgemein akzeptiert werden. Auch in diesem Bereich kann der Beitrag der Zivilgesellschaft hilfreich sein.

Brüssel, den 11. Juli 2012

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


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