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Document 52012AE1314

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Eine europäische Perspektive für Reisende: Mitteilung über die Rechte der Benutzer aller Verkehrsträger“ COM(2011) 898 final

OJ C 229, 31.7.2012, p. 122–125 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

31.7.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 229/122


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Eine europäische Perspektive für Reisende: Mitteilung über die Rechte der Benutzer aller Verkehrsträger“

COM(2011) 898 final

2012/C 229/24

Berichterstatter: Raymond HENCKS

Die Europäische Kommission beschloss am 19. Januar 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Eine europäische Perspektive für Reisende: Mitteilung über die Rechte der Benutzer aller Verkehrsträger

COM(2011) 898 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 10. Mai 2012 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 481. Plenartagung am 23./24. Mai 2012 (Sitzung vom 23. Mai) mit 135 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt im Wesentlichen die Politik der Europäischen Union zur Gewährleistung gemeinsamer und vergleichbarer Rechte und Bedingungen für alle Reisenden bei sämtlichen öffentlichen Verkehrsträgern, d.h. im Schienen-, Luft-, See-, Binnenschiffs- sowie Linien- und Reisebusverkehr, und unterstützt die vorgeschlagenen Maßnahmen zum Abbau der Hindernisse, die die Bürger von der wirksamen Ausübung ihrer Rechte abhalten, in einem intermodal ausgerichteten Ansatz.

1.2   Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die in der Mitteilung aufgelisteten zehn spezifischen Passagierrechte um drei weitere Rechte ergänzt werden sollten, namentlich das Recht auf Sicherheit und Gefahrenabwehr, das sowohl die technische Sicherheit des Transportmaterials als auch die physische Sicherheit der Fluggäste umfasst, und das Recht auf Mindestqualitätsstandards für Dienstleistungen, Umweltschutz, Komfort und Barrierefreiheit.

1.3   Ausgehend von diesen 13 Rechten sollten die geltenden einschlägigen Rechtsvorschriften einer Überprüfung unterzogen werden, um sie gegebenenfalls zu verbessern und zu stärken.

1.4   Dabei sollte der Verbesserung der Informationen für die Reisenden, den Bedingungen und Rechten von Menschen mit Behinderungen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität, der Entschädigung von Fluggästen bei Flugverkehrsstörungen, Annullierung der Reise oder Gepäcksverlust, der Aufführung der Elemente, die in den Endpreis für Flugverkehrsdienste einfließen, dem Abtreten eines Reisevertrags an einen Dritten, den Bedingungen für eine Beschwerde und den Rechtsmitteln sowie der Festlegung der Rechte der Organisationen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, die die Passagiere vertreten und am besten in der Lage sind, den Bürger bei der Ausübung ihrer Rechte mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

1.5   Um die Überprüfung von Effizienz und Effektivität der Verkehrsdienste zu erleichtern, sie besser an die sich wandelnden Bedürfnisse der Bürger anzupassen und die Passagierrechte zu gewährleisten, schlägt der Ausschuss vor, ein unabhängiges Bewertungsverfahren unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips einzurichten, indem im Dialog mit den betroffenen Akteuren, insbesondere den Organisationen, die die Passagiere vertreten (einschl. Menschen mit Behinderungen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität), mit Hilfe gemeinsamer Indikatoren eine europaweit harmonisierte Bewertungsmethodik erarbeitet wird.

1.6   In Bezug auf Beschwerden empfiehlt der Ausschuss, dass sämtliche Verkehrsunternehmen zusätzlich zu anderen Möglichkeiten zur Einreichung von Beschwerden eine Standard-E-Mail-Adresse für alle Beschwerden einrichten (Beschwerde@…) und verbindliche Mindestfristen für deren Beantwortung festgelegt werden.

1.7   Abschließend schlägt der Ausschuss die allgemeine Anwendung von Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung vor, ohne jedoch die Passagiere um ihr Recht zu bringen, vor Gericht zu gehen. Außerdem empfiehlt er, die Möglichkeit eines Rechtsinstruments für Sammelklagen in der EU in einem Rechtsakt klar zu erläutern und ihre Funktionsweise entsprechend festzulegen.

2.   Einleitung

2.1   Zunächst muss klargestellt werden, dass die Mitteilung, die Gegenstand dieser Stellungnahme ist, sich auf die Rechte der Benutzer des Personenverkehrs bezieht, der von öffentlichen oder privaten Verkehrsunternehmen bedient wird; der verkehr durch professionelle Verkehrsunternehmen (Taxi, Minibus mit weniger als 12 Plätzen usw.) ist vom Anwendungsbereich der nachstehend analysierten Bestimmungen ausgenommen. Dies ist umso bedauernswerter, da in dem „Aktionsplan urbane Mobilität“ (COM(2009) 490 final), der sowohl den von Verkehrsunternehmen bedienten öffentlichen als auch den Individualverkehr behandelt, betont wird, dass Gebühren, Qualität, Zugänglichkeit für Personen mit eingeschränkter Mobilität, Reiseinformationen und Passagierrechten besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss.

2.2   Zur Verwirklichung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der Europäischen Union muss der öffentliche Verkehr gefördert und ausgebaut, um den Individualverkehr so weit wie möglich zu verringern.

2.3   Für Ausbau und Förderung des öffentlichen Verkehrs ist daher die Anerkennung und Gewährleistung der Passagierrechte eine Grundvoraussetzung, wobei die Beziehungen zwischen Verkehrsnutzer und Beförderer in ein neues Gleichgewicht gebracht werden müssen.

2.4   Die Europäische Union beschäftigt sich seit 2001 intensiv mit dem Schutz der Reisenden und der Stärkung ihrer Rechte in Bezug auf die verschiedenen Verkehrsträger. Sie hat hierfür nach und nach einen Rechtsrahmen geschaffen, um ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten, damit die Reisenden einschl. Menschen mit Behinderungen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität im Schienen-, Luft-, See-, Binnenschiffs- sowie Linien- und Reisebusverkehr vergleichbare Rechte und Bedingungen in der gesamten EU vorfinden, wobei die Rechtsvorschriften für den Schiffs- und den Busverkehr allerdings erst ab Dezember 2012 bzw. März 2013 in Kraft treten.

2.5   Die Europäische Kommission hat 2010 eine umfassende zweijährige Kampagne unter dem Motto „Ihre Rechte als Reisende immer dabei“ gestartet und insbesondere eine Website eingerichtet (http://ec.europa.eu/transport/passenger-rights/de/index.html), auf der die Passagierrechte für jeden einzelnen Verkehrsträger in allen Amtssprachen der EU zusammengefasst sind. Außerdem wurden kostenlose Broschüren über die Passagierrechte verteilt und einschlägige Plakate in allen Bahnhöfen und Flughäfen der Mitgliedstaaten angebracht. Die Europäische Kommission hat vor Kurzem die Fortführung dieser Kampagne bis 2014 beschlossen.

2.6   Der öffentliche Verkehr ist jedoch nach wie vor von einem Informations-, Kompetenz- und Situationsgefälle zwischen zum einen den Passagieren und zum anderen den Beförderungsunternehmen gekennzeichnet. Außerdem scheinen viele Reisende ihre Rechte noch nicht wirklich zu kennen bzw. sie wissen nicht, wie sie diese im Bedarfsfall geltend machen oder korrekt nutzen können. Aus den Studien und Untersuchungen der Europäischen Kommission geht hervor, dass nur jeder fünfte europäische Verbraucher in einem Streitfall mit einem Streitwert unter 1 000 EUR aufgrund der hohen Kosten sowie der komplexen und langwierigen Verfahren keine Schadenersatzklage vor Gericht erhebt.

2.7   Außerdem ist die Anwendung der Gesetze durch die nationalen Behörden laut Europäischer Kommission noch immer uneinheitlich, was bei den Reisenden und den Unternehmen gleichermaßen für Verwirrung sorgt und Marktverzerrungen verursacht.

2.8   Die Europäische Kommission will daher die geltenden Bestimmungen stärker durchsetzen und sie erforderlichenfalls verbessern. Diesbezüglich hat sie eine öffentliche Konsultation im Hinblick auf eine eventuelle Änderung der Fluggastrechte-Verordnung auf den Weg gebracht.

3.   Wesentlicher Inhalt der Kommissionsmitteilung

3.1   In der Mitteilung werden die für alle öffentlichen Verkehrsträger geltenden Rechte und Grundsätze zusammengefasst. Außerdem werden einige Bereiche genannt, in denen Lücken geschlossen werden können, und Hindernisse ermittelt, die die Bürger von der Ausübung ihrer sich aus den EU-Vorschriften ergebenden Rechte abhalten.

3.2   In der Mitteilung werden drei Eckpfeiler genannt, namentlich Diskriminierungsfreiheit, genaue, zeitgerechte und zugängliche Informationen sowie unverzügliche und angemessene Hilfeleistungen, aus denen zehn spezifische Passagierrechte abgeleitet werden, die in einem stärker intermodal angelegten Konzept auf alle Verkehrsträger Anwendung finden:

1)

Diskriminierungsfreier Zugang zu Verkehrsdiensten;

2)

Recht auf Mobilität: Zugang und unentgeltliche Hilfeleistungen für Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität (PRM);

3)

Recht auf Information vor dem Kauf und während der einzelnen Reiseabschnitte, insbesondere bei Verkehrsproblemen;

4)

Rücktrittsrecht (Erstattung des vollen Fahrscheinpreises) bei Änderung der planmäßigen Reise;

5)

Recht auf Erfüllung des Beförderungsvertrags bei Verkehrsproblemen (anderweitige Beförderung oder Umbuchung);

6)

Recht auf Unterstützungsleistungen bei großen Verspätungen der Abreise oder von Anschlüssen;

7)

Recht auf Ausgleichsleistungen unter bestimmten Umständen;

8)

Haftung der Beförderungsunternehmen für Reisende und deren Gepäck;

9)

Recht auf ein zügig funktionierendes, zugängliches System zur Bearbeitung von Beschwerden;

10)

Recht auf die uneingeschränkte und wirksame Durchsetzung der EU-Vorschriften.

3.3   Auch wenn sich die Bedingungen und Modalitäten ihrer Anwendung gemäß den Besonderheiten der einzelnen Verkehrsträger verändern und weiterentwickeln können, besteht das wesentliche Ziel nun darin, diese Vorschriften verständlich zu gestalten und ihre Anwendung und Durchsetzung bei allen Verkehrsträgern zu konsolidieren, um eine einheitliche Vorgehensweise zu gewährleisten.

3.4   Um den Schutz der Reisenden auch jenseits der EU-Grenzen zu verbessern, werden Fragen im Zusammenhang mit Passagierrechten Gegenstand bilateraler und internationaler Vereinbarungen sein.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1   Es ist zu begrüßen, dass die Europäische Kommission eine Politik zur Gewährleistung einer Reihe gemeinsamer oder vergleichbarer Passagierrechte und Bedingungen für alle öffentlichen Verkehrsträger aufgelegt hat, die sowohl den Zielen der Verträge in Bezug auf den Verbraucherschutz (Titel XV, Artikel 169 AEUV) als auch der Ausrichtung der Charta der Grundrechte und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entspricht.

4.2   Der Ausschuss begrüßt, dass mit dieser Mitteilung in ein und demselben Dokument alle geltenden Vorschriften und Bestimmungen betreffend die Passagierrechte im öffentlichen Verkehr zusammengefasst werden, bedauert jedoch, dass keine konkrete Zahlen über den Umfang der Hindernisse genannt werden.

4.3   Der Ausschuss begrüßt die vorgeschlagenen Maßnahmen für den Abbau der Hindernisse, die die Bürger von der wirksamen Ausübung ihrer Rechte abhalten, und die seitens der Europäischen Kommission vorgesehenen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Reisenden für sämtliche Verkehrsträger, d.h. Schienen-, Luft-, See-, Binnenschiffs- sowie Linien- und Reisebusverkehr, in den Genuss vergleichbarer Rechte und Bedingungen kommen.

4.4   Eines dieser Hindernisse sind oftmals fehlende, mangelhafte oder unverständliche Informationen über die Rechte und Verpflichtungen der Reisenden beim Kauf eines Beförderungsscheins sowie vor und, im Falle von Verkehrsstörungen, während der Reise.

4.5   Um die Passagiere deutlich über ihre Rechte aufzuklären, schlägt der Ausschuss vor, dass jeder Passagier bei der Reservierung einer Reise oder dem Kauf eines Beförderungsscheins durch einen Link zu einem einschlägigen Internetportal sowie einen, auch für Menschen mit Behinderungen, klaren, prägnanten, verständlichen und zugänglichen Verweis auf jedem Beförderungsschein darüber aufgeklärt wird, wo er einschlägige Informationen erhalten kann, und zwar in Broschüren, die in den Verkaufsstellen bereitgehalten werden, oder im Internet. Die von der Europäischen Kommission 2010 auf den Weg gebrachte Informationskampagne für Reisende sollte in enger Zusammenarbeit mit den Verbraucherverbänden fortgeführt werden.

4.6   Darüber hinaus bestehen jedoch nach vor erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Verkehrsträgern zum Nachteil der Reisenden, insbesondere im Luftverkehr. Der Ausschuss hat in seiner einschlägigen Sondierungsstellungnahme (1) darauf hingewiesen, dass die Fluggastrechte in einigen Bereichen hinter den Passagierrechten bei anderen Verkehrsträgern zurückbleiben, und gefordert,

die Tragweite des Rechts auf Unterstützung festzulegen,

die Information der Fluggäste auch während der Reise zu verbessern;

das Recht auf Information auch auf den Abflugbereich auszudehnen;

den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ zu definieren;

gemeinsam mit Vertretungsorganisationen von Personen mit eingeschränkter Mobilität Leitlinien zur Klärung der Definitionen in der Verordnung Nr. 1107/2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität aufzustellen;

die Elemente, die in den Endpreis für Flugverkehrsdienste einfließen, im Einzelnen aufzuführen;

die Verpflichtung zur Entschädigung betroffener Fluggäste festzulegen, falls eine Fluggesellschaft Konkurs anmeldet, gemäß dem Grundsatz der „gesamtschuldnerischen Haftung“ für die Repatriierung durch andere Luftfahrtunternehmen, und einen Fonds zur Entschädigung von Fluggästen einzurichten;

die Möglichkeit einzuführen, den Reisevertrag kostenlos an einen Dritten abzutreten.

Sämtliche Bestimmungen sollten auch auf alle anderen Verkehrsträger Anwendung finden, sofern sie dort noch nicht bestehen.

4.7   Die in der Mitteilung aufgelisteten zehn spezifischen Passagierrechte sind eine zweckdienliche Grundlage, um zum einen die Passagiere besser darüber zu informieren, welche Mindestdienstleistungsqualität sie seitens der Beförderungsunternehmen erwarten können, und zum anderen die Beförderungsunternehmen bei einer kohärenteren und wirksameren Anwendung der EU-Rechtsvorschriften zu unterstützen.

4.8   Der Ausschuss ist jedoch der Ansicht, dass diese zehn Rechte um drei weitere Rechte ergänzt werden sollten, namentlich:

1)

das Recht auf Sicherheit und Gefahrenabwehr, das sowohl die technische Sicherheit des Transportmaterials als auch die physische Sicherheit der Fluggäste umfasst;

2)

das Recht auf Mindestqualitätsstandards für Dienstleistungen, Komfort und Barrierefreiheit sowie im Überbuchungsfalle Anspruch auf vorherige Unterrichtung durch den Verkehrsdienstleister. Der Ausschuss verweist auf die Mitteilung „Aktionsplan urbane Mobilität“ (COM(2009) 490 final), in der die Europäische Kommission ihre Absicht angekündigt hat, den regulatorischen Ansatz um gemeinsame Qualitätsstandards zum Schutz der Fahrgastrechte und der Personen mit eingeschränkter Mobilität zu ergänzen;

3)

das Recht auf die Achtung des Grundsatzes der Erhaltung und des Schutzes der Umwelt sowie der Verbesserung ihrer Qualität gemäß den Vertragsbestimmungen seitens der Verkehrsdienstleister.

4.9   Ausgehend von diesen 13 Rechten sollten die geltenden einschlägigen Rechtsvorschriften einer Überprüfung unterzogen werden. Dabei sollten bekannte Probleme wie Hindernisse für Menschen mit Behinderungen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität, fehlende Preistransparenz, unzureichende oder unverständliche Informationen, unklare und komplizierte Rechtsmittel, unangemessene finanzielle Entschädigungen, zu lange Bearbeitungszeiten für Beschwerden usw. analysiert und gelöst werden.

4.10   Wie die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung selbst anerkennt, würde die Veröffentlichung der Ergebnisse von Leistungsüberprüfungen der Beförderungsunternehmen und Befragungen zur Kundenzufriedenheit die einheitliche Überwachung und Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften durch die nationalen Durchsetzungsstellen erleichtern. Der Ausschuss spricht sich für derartige Überprüfungen aus und ist der Meinung, dass Vertreter aller Interessenträger in eine Bedarfsanalyse sowie eine Leistungsüberprüfung und eine Untersuchung der Einhaltung der Fahrgastrechte eingebunden werden sollten.

4.11   Der Ausschuss schlägt daher vor, ein System zur regelmäßigen Bewertung einzurichten, um Effizienz und Effektivität der Verkehrsdienste zu erhöhen und sie besser an die sich wandelnden Bedürfnisse der Bürger anzupassen sowie die Einhaltung der Passagierrechte zu überprüfen. Auf Gemeinschaftsebene sollten mit Hilfe gemeinsamer Indikatoren die Modalitäten für Austausch, Vergleich und Koordinierung festgelegt und unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips die Dynamik der unabhängigen Bewertung angestoßen werden, indem im Dialog mit den betroffenen Akteuren, insbesondere den Organisationen, die die Passagiere vertreten (einschl. Menschen mit Behinderungen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität), eine europaweit harmonisierte Bewertungsmethodik erarbeitet wird.

4.12   Der Ausschuss begrüßt die Absicht der Europäischen Kommission, sich nicht wie bislang auf sektorspezifische Maßnahmen zu beschränken, sondern ein intermodales Konzept zu entwickeln, in dem die Anforderungen an Mobilität und Beförderung der Reisenden ungeachtet des Verkehrsträgers, den sie einzeln oder im Verbund benutzen, zur Sicherstellung einer intermodalen Kontinuität berücksichtigt werden. Wettbewerbsverzerrungen zwischen den einzelnen Verkehrsträgern können nur durch eine stärkere Harmonisierung der Passagierrechte verhindert werden.

4.13   In Bezug auf den Großteil der in der Mitteilung erwähnten Missstände und Lücken wird entweder auf die Folgenabschätzung im Hinblick auf die Überarbeitung der Verordnung zum Luftverkehr, in der etwaige verpflichtende Maßnahmen in Betracht gezogen werden, oder Vereinbarungen auf freiwilliger Basis seitens der Beförderungsunternehmen hingewiesen. Der Ausschuss hätte sich ein entschlosseneres Vorgehen mit verbindlichen Maßnahmen gewünscht.

4.14   Der Ausschuss bedauert, dass die Rechte und Befugnisse der Organisationen, die die Passagiere vertreten (einschl. Menschen mit Behinderungen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität), in der Mitteilung unerwähnt bleiben, zumal diese am besten in der Lage sind, den Bürger bei der Ausübung ihrer Rechte mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

4.15   In Bezug auf Beschwerden müssen die Passagiere in verständlicher Sprache über die einschlägigen Kontaktmöglichkeiten und -stellen für die Einreichung ihrer Beschwerden und die Rechtsmittel informiert werden. Der Ausschuss empfiehlt, dass sämtliche Verkehrsunternehmen eine Standard-E-Mail-Adresse für alle Beschwerden einrichten (Beschwerde@…), wobei natürlich jedwede andere Möglichkeit zur Einreichung von Beschwerden (auf dem Postweg, bei einer Verkaufsstelle usw.) gewährleistet sein muss. Außerdem müssen verbindliche Mindestfristen für die Beantwortung der Beschwerden festgelegt werden.

4.16   Der Ausschuss fordert, dass nähere Ausführungen zu den Rechtsmitteln in die Mitteilung aufgenommen werden, die die Passagiere im Falle der Ablehnung ihrer Beschwerden und Forderungen bei den nationalen und europäischen Stellen, die über Entscheidungs- und Zwangsbefugnisse verfügen, einlegen können. Das Beschwerderecht darf keinesfalls an den Beförderungspreis gebunden sein.

4.17   Der Ausschuss betont, dass das Recht auf Schadensersatz aufgrund der praktischen Schwierigkeiten bei der Ausübung dieses Rechts oftmals nur auf dem Papier besteht, insbesondere wenn es zwar zahlreiche Geschädigte gibt, diesen jedoch jeweils nur geringfügige Ansprüche zustehen. Da bei der Einlegung von Rechtsmitteln weder Probleme noch Kosten entstehen dürfen, die die Beschwerdeführer von dem Erheben einer Beschwerde abhalten würden, spricht sich der Ausschuss für die allgemeine Anwendung von Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung (AS) aus, ohne jedoch die Passagiere um ihr Recht zu bringen, vor Gericht zu gehen.

4.18   In seiner Stellungnahme CESE 803/2012 nimmt der Ausschuss zur Kenntnis, dass AS-Systeme nunmehr auch auf kollektive Streitigkeiten Anwendung finden können, als ersten Schritt zur konkreten Ausgestaltung eines Rechtsinstruments für Sammelklagen in der EU, empfiehlt jedoch, diese Möglichkeit in einem Rechtsakt klar zu erläutern und ihre Funktionsweise entsprechend festzulegen.

Brüssel, den 23. Mai 2012

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 125.


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