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Document 52010AR0405

Stellungnahme des Ausschusses der Regionen: „Erweiterungsstrategie und wichtigste Herausforderungen 2010-2011“

OJ C 259, 2.9.2011, p. 62–69 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

2.9.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 259/62


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen: „Erweiterungsstrategie und wichtigste Herausforderungen 2010-2011“

2011/C 259/11

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

unterstreicht, dass einer der wichtigsten politischen Schwerpunkte des Ausschusses der Regionen darin besteht, den Erfolg des Erweiterungsprozesses der EU sicherzustellen;

sieht in der Visa-Liberalisierung für einige Staaten des Westbalkans ein gutes Beispiel dafür, wie viel erreicht werden kann, wenn eine rigorose Konditionalität mit der Gewährung spezifischer Vorteile kombiniert wird;

übersieht aber nicht, dass in den meisten Ländern eine ganze Reihe von Herausforderungen bestehen bleibt, deren Lösung zum Teil nur sehr langsam und zögerlich vor sich geht, und sieht Reformbedarf insbesondere in den Bereichen Staatsbildung, Rechtstaatlichkeit und Ausbau der Verwaltungskapazität auf allen Ebenen, insbesondere auch der regionalen und lokalen Ebene, in der besseren Regierungsführung, in der Reform des Justizwesens und im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen auf allen staatlichen Ebenen;

betont, dass die Beitrittsländer in ihren Bemühungen durch Zuschüsse aus dem Instrument der Heranführungshilfe (IPA) und Darlehen der Europäischen Investitionsbank und anderer internationaler Finanzinstitutionen weiterhin unterstützt werden müssen;

ist überzeugt, dass ohne ausreichend vorbereitete und ausgebildete, politische und administrative Vertreter auf regionaler und lokaler Ebene die Erweiterungsbestrebungen nicht erfolgreich durchgeführt werden können.

Berichterstatter

Franz SCHAUSBERGER (AT/EVP), Beauftragter des Landes Salzburg für den Ausschuss der Regionen

Referenzdokument

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Erweiterungsstrategie und wichtigste Herausforderungen 2010-2011

KOM(2010) 660 endg.

I.   POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

Bedeutung des Dokuments für die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und den Ausschuss der Regionen

1.

unterstreicht, dass einer der wichtigsten politischen Schwerpunkte des Ausschusses der Regionen darin besteht, den Erfolg des Erweiterungsprozesses der EU sicherzustellen;

2.

betont ausdrücklich, dass die durch den AdR repräsentierten lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eine Schlüsselrolle im Dialog mit den Kandidatenländern und potenziellen Kanndidatenländern innehaben, die alle sehr unterschiedliche, von Geschichte und Kultur geprägte Formen von Dezentralisierung aufweisen;

3.

erkennt die Notwendigkeit des Aufbaus einer dezentralen Informations- und Kommunikationspolitik auf regionaler und lokaler Ebene für den Erweiterungsprozess und erklärt sich bereit, die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in diesem Bereich zu unterstützen, damit sie auf ihre zukünftigen Verantwortlichkeiten vorbereitet werden und die Zusammenarbeit mit ihren europäischen Bezugsinstitutionen gefördert wird;

4.

fördert mit seiner Strategie der auswärtigen Beziehungen den politischen Dialog und die wirtschaftliche sowie kulturelle Kooperation zwischen den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften der Kandidatenländer, der potenziellen Kandidatenländern und denjenigen der EU;

5.

arbeitet intensiv daran, durch direkte interinstitutionelle Kontakte und durch die Organisation von öffentlichen Veranstaltungen, Fachkonferenzen und Arbeitsgruppen die Kapazitäten der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im rechtlichen, finanziellen und verwaltungstechnischen Bereich zu verbessern;

6.

verweist dankend auf die Stellungnahmen und Informationen des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarates und die wichtigen Beiträge der Delegationen der Erweiterungsländer, ihrer Gemeindeverbände und verschiedener NGO;

Allgemeine Anmerkungen und Anregungen

7.

begrüßt es, dass – wie aus der Mitteilung der Kommission hervorgeht – der Erweiterungsprozess der EU seit der Annahme der letzten Fortschrittsberichte trotz zahlreicher anderer Herausforderungen und trotz der Finanz- und Wirtschaftskrise neuen Schwung erhalten hat und damit durch das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags sichergestellt ist, dass die Dynamik des europäischen Integrationsprozesses aufrechterhalten werden kann;

8.

begrüßt, dass durch den Fortschritt der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien und den im Juli 2010 begonnenen Beitrittsverhandlungen mit Island eine sechste Erweiterungsrunde der EU in greifbare Nähe gerückt ist;

9.

betont allerdings die Notwendigkeit, dass neue Beitritte durch die konsequente Erfüllung der Auflagen gut vorbereitet werden müssen;

10.

ist überzeugt, dass der Beitrittsprozess einen einzigartigen Ansatz für politische und wirtschaftliche Reformen in den Erweiterungsländern bietet, um diese auf europäische Standards zu bringen, ihnen bei der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise zu helfen und zur Umsetzung der Reformagenda 2020 beizutragen;

11.

weist darauf hin, dass die Erweiterungsländer, insbesondere die westlichen Balkanstaaten, sehr unterschiedliche politische und administrative Strukturen und Traditionen - zum Teil auch auf regionaler und lokaler Ebene - sowie starke Entwicklungsunterschiede aufweisen, auf die im Erweiterungsprozess ausreichend Rücksicht zu nehmen ist;

12.

regt gerade für die Staaten des Westbalkans gezielte Maßnahmen zur Stärkung der KMU auf der regionalen und lokalen Ebene zur Schaffung von Arbeitsplätzen und damit zur Reduzierung der Anreize für die Migration vor allem junger Menschen aus den unterentwickelten Randregionen an;

13.

sieht in der Visa-Liberalisierung für einige Staaten des Westbalkans ein gutes Beispiel dafür, wie viel erreicht werden kann, wenn eine rigorose Konditionalität mit der Gewährung spezifischer Vorteile kombiniert wird;

14.

begrüßt es, dass es seit dem letzten Fortschrittsbericht bei lange bestehenden bilateralen Streitigkeiten Durchbrüche gegeben hat bzw. dass Dialoge eingeleitet werden konnten, indem die Beitrittsländer begonnen haben, selbst mehr Verantwortung für die regionale Zusammenarbeit zu übernehmen;

15.

übersieht aber nicht, dass in den meisten Ländern eine ganze Reihe von Herausforderungen bestehen bleibt, deren Lösung zum Teil nur sehr langsam und zögerlich vor sich geht, und sieht Reformbedarf insbesondere in den Bereichen Staatsbildung, Rechtstaatlichkeit und Ausbau der Verwaltungskapazität auf allen Ebenen, insbesondere auch der regionalen und lokalen Ebene, in der besseren Regierungsführung, in der Reform des Justizwesens und im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen auf allen staatlichen Ebenen;

16.

betont, dass die Beitrittsländer in ihren Bemühungen durch Zuschüsse aus dem Instrument der Heranführungshilfe (IPA) und Darlehen der Europäischen Investitionsbank und anderer internationaler Finanzinstitutionen weiterhin unterstützt werden müssen;

17.

sieht in den meisten Staaten des Westbalkans und der Türkei die Notwendigkeit der Ergreifung konkreter Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung jeder Art von Diskriminierung und zur Stärkung des Schutzes der Menschenrechte, insbesondere der Rechte von Frauen und Kindern sowie der Roma, und konkret in Bezug auf die Türkei der Wiederherstellung der Menschenrechte aller Zyprer, eines Stopps der Besiedlung, der unverzüglichen Rückgabe von Famagusta an seine rechtmäßigen Eigentümer gemäß den Resolutionen des UN-Sicherheitsrates sowie dem Protokoll von Ankara, dessen Umsetzung eine Bedingung der EU darstellt;

18.

ist überzeugt, dass ohne ausreichend vorbereitete und ausgebildete, politische und administrative Vertreter auf regionaler und lokaler Ebene die Erweiterungsbestrebungen nicht erfolgreich durchgeführt werden können;

19.

ermutigt die Beitrittsländer, in ihren Bemühungen zur Dezentralisierung und zur Regionalisierung fortzufahren, was auch die notwendige dezentralisierte Informations- und Kommunikationspolitik sowie den zivilen und politischen Dialog zwischen der Europäischen Union und den Bürgern der Erweiterungsländer erleichtert;

20.

weist auf die Notwendigkeit hin, die Kapazitäten lokaler und regionaler Institutionen im gesetzlichen, finanziellen und administrativen Bereich zu verbessern und im Sinne des Subsidiaritätsprinzips so viele Zuständigkeiten wie möglich auf die regionale und lokale Ebene zu übertragen und deren Finanzierung sicherzustellen;

21.

begrüßt die europäischen makroregionalen Strategien als wichtige Instrumente, durch die der Integrationsprozess auch über die Aufwertung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften beschleunigt werden kann und sieht in der EU-Strategie für den Donauraum sowie in der künftigen Strategie der EU für die Makroregion Adria-Ionisches Meer, neue Möglichkeiten für die regionale Zusammenarbeit auch mit den Erweiterungsländern;

22.

nimmt zur Kenntnis, dass die seit dem Jahre 2000 bestehende Adriatisch-Ionische Initiative (AII) das Ziel verfolgt, den Frieden, die Sicherheit sowie Entwicklung und Zusammenarbeit im Raum EU/westliche Balkanstaaten zu gewährleisten, und dass sich der Adriatisch-Ionische Rat dazu verpflichtet hat, die Strategie der EU für die Region Adria/Ionisches Meer bei den europäischen Institutionen und durch die Einbindung der nationalen, regionalen und lokalen Gebietskörperschaften zu unterstützen;

23.

ersucht die betroffenen Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission, zu prüfen, inwieweit sich zwischen den verschiedenen EU-Strategien für Makroregionen Interaktionen und Synergien herstellen lassen;

24.

fordert die Europäische Kommission auf, zu prüfen, ob das Potenzial der auf dem westlichen Balkan und im Mittelmeerraum existierenden Europäischen Verbünde für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) genutzt werden könnte, um die Anpassung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften der westlichen Balkanstaaten und der Türkei an den gemeinschaftlichen Besitzstand zu fördern;

25.

schlägt vor allem den Ländern des Westbalkans und der Türkei vor, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Zahl der Frauen in den regionalen und lokalen Vertretungskörpern signifikant zu erhöhen;

26.

empfiehlt der Kommission, in ihren künftigen Berichten über die Erweiterungsstrategie ausführlicher auf die jeweilige Situation und den Standard der regionalen und lokalen Selbstverwaltung im Hinblick auf deren wichtige Rolle bei der Umsetzung der EU-Politiken einzugehen und damit auch die Erweiterungsländer auf ihren Reformbedarf im Bereich von Regionalisierung und Dezentralisierung stärker hinzuweisen;

Länderspezifische Empfehlungen

A)   Kandidatenländer

Kroatien

27.

begrüßt, dass Kroatien in den Beitrittsverhandlungen in den Jahren 2010 und 2011 so gute Fortschritte gemacht hat, dass die Beitrittsverhandlungen mit der EU am 30. Juni 2011 offiziell beendet werden konnten und das Land somit voraussichtlich zum 1. Juli 2013 als 28. Mitglied der EU beitreten kann;

28.

hält aber auch für dringend erforderlich, dass Kroatien sich jetzt nunmehr die erforderliche Zeit nimmt, die noch offenen Benchmarks im Kapitel 23 zu erfüllen; dazu gehört insbesondere die uneingeschränkte Zusammenarbeit mit dem IStGHJ, konsequente Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität auf oberster staatlicher Ebene, Unabhängigkeit und Effizienz des Gerichtswesens sowie Achtung und Schutz von Minderheiten einschließlich der Flüchtlingsrückkehr;

29.

verweist darauf, dass es bei der Reform der öffentlichen Verwaltung noch weiterer Anstrengungen bedarf und dabei auch die Verwaltungen auf der regionalen und lokalen Ebene unbedingt einbezogen werden müssen, um die bestehenden schwerfälligen Verwaltungsverfahren sowie die übermäßige Politisierung zu beseitigen und den Kompetenzaufbau, die Effizienz, die Unabhängigkeit und die Verlässlichkeit der Verwaltung auf allen Ebenen zu stärken;

30.

ermutigt zur raschen Umsetzung des neuen Gesetzes über die Entlohnung der Bediensteten der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und der „Nationalen Strategie für die Fortbildung der Beamten und Bediensteten der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung 2009-2013“ zur Verbesserung der Erbringung dezentraler Dienste für die Bürger und für den Aufbau einer modernen und leistungsfähigen öffentlichen Verwaltung;

31.

regt an, dass trotz der Fortschritte im Bereich der Regionalpolitik und der Koordination der Strukturfonds noch weitere Maßnahmen gesetzt werden müssen, die die regionale und lokale Ebene stärker in die Umsetzung der EU-Kohäsionspolitik einbeziehen und den Regionen und Gemeinden durch gut ausgebildete und gut vorbereitete Verwaltungsmitarbeiter und regionale und lokale Politiker die Möglichkeit bieten, geeignete Projekte für die Förderung aus EU-Fonds auszuarbeiten. Dies wäre eine Möglichkeit zur Einebnung der Entwicklungsunterschiede, die zwischen den einzelnen Regionen Kroatiens bestehen, und würde zur Stärkung des territorialen Zusammenhalts beitragen;

32.

empfiehlt die Umsetzung einer Dezentralisierungsstrategie, die u.a. eine Verbesserung der finanziellen Situation der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften bringt und es den Vertretern der regionalen und lokalen Ebene auch ermöglicht, am Gesetzgebungsprozess teilzunehmen, sowie die Umsetzung der im Juli 2010 beschlossenen „Guidelines for Functional Decentralisation and Territorial Organisation“;

33.

begrüßt die zahlreichen eigenständigen Initiativen der Regionen und Kommunen im Bereich der Standortpolitik durch attraktive Anreize für Investoren wie etwa bürokratische Erleichterungen und Hilfestellungen, wodurch Betriebe verstärkt angesiedelt und Arbeitsplätze geschaffen werden können, und hofft, dass rechtliche Unsicherheiten in der Frage des Eigentums durch neue gesetzliche Bestimmungen beseitigt werden konnten;

34.

weist darauf hin, dass die in letzter Zeit verbesserten bilateralen Beziehungen Kroatiens zu den anderen Erweiterungsländern, wie Serbien, und zu benachbarten EU-Mitgliedstaaten, wie Slowenien, durch grenzüberschreitende regionale und lokale Kooperationen wesentlich gefestigt werden können;

35.

regt an, die Fortschritte im Bereich der Minderheitenrechte, der kulturellen Rechte, des Minderheitenschutzes und der Rückkehr von Flüchtlingen durch die verstärkte Einbeziehung der Verantwortlichen auf der regionalen und lokalen Ebene zu vertiefen und durch gezielte regionale Förderungen die Rückkehr von Flüchtlingen vor allem in jene Regionen zu intensivieren, die seit den Vertreibungen durch den Krieg im früheren Jugoslawien heute noch weitgehend entleert sind und begrüßt in diesem Zusammenhang die verstärkte Zusammenarbeit mit Serbien und dem UNHCR;

Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien

36.

stellt mit Genugtuung fest, dass die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien die politischen Kriterien nach wie vor erfüllt und auch im Jahr 2010 weitere Fortschritte erzielt hat, sieht allerdings auch, dass es in den meisten Bereichen der politischen Kriterien, wie etwa der Unabhängigkeit der Justiz, der Reform der öffentlichen Verwaltung sowie der freien Meinungsäußerung in den Medien notwendig ist, weitere Anstrengungen zu unternehmen und die Reformbereitschaft zu erhöhen; ist ferner der Auffassung, dass ein wesentliches Element für die Annäherung der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien an die EU auch die Wahrung gutnachbarlicher, vor allem auch grenzüberschreitender regionaler und lokaler Beziehungen ist. Dazu gehört auch eine auf dem Verhandlungsweg herbeigeführte, von beiden Seiten akzeptierte Lösung der Namensfrage unter der Schirmherrschaft der VN;

37.

drängt auf einen verstärkten Dialog über Fragen der interethnischen Beziehungen und drängt auf regelmäßige Tagungen des dafür zuständigen Parlamentsausschusses, um die Ziele des Abkommens von Ohrid umzusetzen;

38.

begrüßt, dass die Dezentralisierung, die ein Grundprinzip der Rahmenvereinbarungen von Ohrid ist, fortgesetzt wurde und die Interministerielle Arbeitsgruppe für Dezentralisierung regelmäßig getagt hat und das Programm und der Aktionsplan zur Umsetzung der Dezentralisierung 2008-2010 auf den neuesten Stand gebracht wurden;

39.

begrüßt, dass weitere Gemeinden in die letzte Phase des finanziellen Dezentralisierungsprozesses eingetreten sind, womit nun 77 von 85 Gemeinden in dieser Phase sind;

40.

begrüßt ebenso, dass das Gesetz zur Finanzierung der lokalen Selbstverwaltungen dahingehend geändert wurde, dass der Anteil der Gemeinden an der Mehrwertsteuer bis zum Jahr 2013 von 3 % auf 4,5 % erhöht wird, was allerdings immer noch nicht ausreichen wird, dass die Gemeinden die ihnen übertragenen Aufgaben zufriedenstellend erfüllen können;

41.

erachtet es für positiv, dass die Strategie zur Übertragung der Verwaltung von im Staatseigentum befindlichen Grundstücken an die Gemeinden ab 2011 fertig ausgearbeitet wurde und erwartet nun, dass diese Strategie möglichst rasch umgesetzt wird;

42.

stellt fest, dass trotz der Tatsache, dass mehrere Gemeinden die Kontrolle ihrer finanziellen Angelegenheiten ausgebaut haben, weitere Capacity-Building-Programme notwendig sind, um die Kapazität der Gemeinden im Bereich der Steueradministration, der Personalentwicklung und der finanziellen Kontrolle zu stärken, und bedauert, dass die im monatlich tagenden Hohen Ausschuss für öffentliche Verwaltung vereinbarten Reformen nicht systematisch und wirkungsvoll umgesetzt werden;

43.

regt an, dass die Angelegenheiten der Dezentralisierung und der Stärkung der Kapazität im Bereich der Finanz- und Budgetpolitik auf lokaler Ebene durch den besonderen Einsatz der zuständigen Ministerien beschleunigt wird, und bedauert, dass der interministerielle Ausschuss zur Überwachung der Finanzierung der Gemeinden nur einmal getagt hat und dass bei der Finanzierung von Gemeindeprojekten durch die nationale Regierung keine ausreichende Transparenz und keine ausreichende Koordination im Sinne einer ausgeglichenen regionalen Entwicklung gegeben ist;

44.

bedauert die gravierenden Verzögerungen bei der Umsetzung der Arbeitsprogramme für Regionalentwicklung sowie das andauernde Fehlen technischer Kapazitäten in den Ministerien und in den Lokalverwaltungen bei der Vorbereitung und Umsetzung von Projekten;

45.

regt die Schaffung gerechter Kriterien zur Verteilung der Mittel aus den staatlichen Investmentfonds an die Gemeinden an, damit nicht der Anschein der parteipolitischen bzw. ethnischen Vergabe entsteht und Diskriminierungen von ethnischen Minderheiten verhindert werden können;

46.

unterstreicht die Notwendigkeit der vollen Gewährleistung der gesetzlichen Garantien für Minderheiten auf allen Ebenen und der Verbesserung der Integration ethnischer Gemeinschaften, vor allem der Roma, und fordert die Regierung auf, die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitssprachen zu ratifizieren und den Status der Ausschüsse für die Beziehungen unter den ethnischen Gemeinschaften zu stärken;

47.

stellt fest, dass das Gesetz über die lokale Selbstverwaltung zwar entscheidende Kompetenzen an die lokalen Verwaltungen abtritt, dass es allerdings durch andere Rechtsnormen in seiner Wirkung eingeschränkt wird und finanzielle Ressourcen zu dessen Umsetzung nicht ausreichend bereitgestellt werden;

Island

48.

begrüßt, dass der Europäische Rat im Juni 2010 beschlossen hat, die Beitrittsverhandlungen mit Island zu eröffnen, und stellt mit Genugtuung fest, dass Island die politischen Kriterien erfüllt, dass es eine funktionierende parlamentarische Demokratie mit starken Institutionen, mit einem stabilen konstitutionellen und gesetzlichen System, mit einem fest etablierten Justizsystem und einer effizienten öffentlichen Verwaltung ist;

49.

begrüßt, dass Island über leistungsfähige kommunale Selbstverwaltungen verfügt, empfiehlt aber, im Sinne des Subsidiaritätsprinzips weitere Dezentralisierungen und Aufgabenübertragungen an die Gemeinden durchzuführen;

50.

sieht in der Ausarbeitung gezielter Projekte zur Regionalförderung mit Unterstützung aus den EU-Fonds die Möglichkeit, der Landflucht aus den entlegenen kleinen Gemeinden entgegenzuwirken und die Zusammenlegung von Gemeinden zu vermeiden;

51.

begrüßt die Einsetzung von Arbeitsgruppen zum Thema Regionalpolitik innerhalb des Beitrittsverhandlungsteams und empfiehlt die starke Einbeziehung von Vertretern der lokalen Ebene;

52.

weist darauf hin, dass gemäß den EU-Verträgen alle EU-Bürger in ihrem Wohnsitzland bei den Kommunalwahlen unter denselben Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Landes das aktive und passive Wahlrecht ausüben dürfen [Art. 40 der Grundrechtecharta]; ermuntert Island daher, sein Kommunalwahlrecht an diese Bestimmungen anzupassen;

53.

stellt fest, dass es in der Bevölkerung Islands und bei verschiedenen politischen Gruppen beträchtliche Skepsis bzw. Gegnerschaft gegenüber einem EU-Beitritt gibt und dass noch erhebliche Anstrengungen erforderlich sind, um eine umfassende Information der isländischen Bürger über die Auswirkungen der EU-Mitgliedschaft zu gewährleisten, und empfiehlt, dazu unbedingt die lokale Ebene intensiv einzubeziehen:

54.

empfiehlt, durch entsprechende gesetzliche Maßnahmen im Sinne des Subsidiaritätsprinzips eine klare Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Zentralregierung und den lokalen Einheiten vorzunehmen und ein gesetzliches Instrument zu schaffen, das es den lokalen Behörden erlaubt, Entscheidungen anzufechten, wenn diese gegen die Prinzipien der lokalen Selbstverwaltung verstoßen;

55.

sieht das Problem, dass 26 der 76 isländischen Gemeinden weniger als 500 Einwohner haben, die Gemeinden allerdings zum Teil sehr weit voneinander entfernt sind, sodass eine weitere Verringerung ihrer Zahl dazu führen würde, dass die Einwohner weite Wege zu ihren kommunalen Einrichtungen und Vertretungen zurückzulegen hätten; empfiehlt daher, die Kooperationen der Kleingemeinden intensiv zu fördern, um ihren Bestand zu sichern und sie auch in die Lage zu versetzen, gemeinsame, von der EU geförderte Projekte auszuarbeiten und durchzuführen;

Türkei

56.

hofft, dass die aktuelle Verfassung durch eine Bürgerverfassung ersetzt werden kann, die sich auf eine möglichst breit angelegte Konsultation verschiedener Bevölkerungsgruppen und -teile, einschließlich der lokalen und regionalen Ebene und ethnischer Minderheiten und Religionsgemeinschaften, stützt; begrüßt in diesem Zusammenhang die Annahme des Verfassungsreformpaketes und die damit verbundenen Bestrebungen zur Demokratisierung und Liberalisierung und hofft, dass auf dessen Basis das politische Klima verbessert sowie die Bereitschaft zum Dialog und zum Kompromiss unter den politischen Parteien und den politischen Institutionen verstärkt wird; fordert daher, die Verfassungsreform nunmehr zügig umzusetzen und dazu die breite Unterstützung der politischen Parteien und der Zivilgesellschaft zu gewinnen;

57.

anerkennt die eingeleiteten Reformen und den Willen zu weiteren Reformen, die sich auch positiv auf die regionalen und lokalen Verwaltungen auswirken sollen;

58.

ermuntert die türkische Regierung trotz erfreulicher Fortschritte in diesen Bereichen, die Bemühungen zur Achtung der Religionsfreiheit, bei den Frauenrechten, den Grundrechten der freien Meinungsäußerung und der Freiheit der Medien fortzusetzen; fordert die Türkei auf, weitere Maßnahmen zu ergreifen und erforderlichenfalls neue Rechtsvorschriften zu erlassen, damit die ungehinderte Wahrnehmung der Rechte der nichtislamischen religiösen Minderheiten gewahrt ist und diese ihre Tätigkeiten ohne Beschränkungen ausüben können;

59.

stellt erfreut fest, dass im Bereich Regionalpolitik und Koordinierung der strukturpolitischen Instrumente Fortschritte zu verzeichnen sind und dass subnationale Akteure stärker in die Vorbereitung einbezogen wurden, verweist aber darauf, dass auf nationaler Ebene die Leistungsfähigkeit der mit diesen Fragen befassten Verwaltung verbessert werden sollte, damit die Mittel effizienter eingesetzt werden können und die Türkei auf allen Ebenen auf die Nutzung der Strukturfonds gut vorbereitet ist;

60.

ist überzeugt, dass eine Lösung der bisher weitgehend ungelöste Kurdenfrage, insbesondere im Osten und Südosten des Landes, durch eine Stärkung der regionalen und lokalen Selbstverwaltung erleichtert werden kann, und empfiehlt den türkischen Behörden weitere Bemühungen zur Stärkung der regionalen und lokalen Selbstverwaltung im Wege einer langfristig angelegten Dezentralisierungsstrategie; ermutigt ferner die türkischen Behörden, mehr Ressourcen für die lokale Selbstverwaltung bereitzustellen;

61.

schlägt vor, zu prüfen, inwieweit die vorhandenen bewährten Verfahrensweisen und guten Beispiele für regionale und föderalistische Machtteilungsstrukturen innerhalb der EU und die Anwendung der Prinzipien der Subsidiarität und der Dezentralisierung bei der Suche nach einer Lösung des Problems hilfreich sein könnten;

62.

fordert die Türkei auf, in den laufenden Verhandlungen die Bereitschaft zur Lösung der Zypern-Frage erkennen zu lassen und die Zypern betreffenden Resolutionen des UN-Sicherheitsrates umzusetzen;

63.

bedauert die fehlenden Fortschritte bei der Umsetzung des zweiten Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen (s.g. „Ankara-Protokoll“), mit dem die seit 1996 bestehende Zollunion mit der Türkei auf zehn neue Mitgliedstaaten, darunter die Republik Zypern, ausgedehnt wurde;

64.

unterstützt die im Jahr 2010 begonnenen Bemühungen der EU-Kommission zur Bildung von Projektpartnerschaften zwischen Kommunen der EU-Mitgliedstaaten und der Türkei, um die türkischen Kommunen bei der Entwicklung bzw. dem Auf- und Ausbau im Bereich von Abfallwirtschaft, Umweltschutz, Transport und Verkehr, sozialen Diensten, Energie, Tourismus oder Kultur zu unterstützen;

65.

würde es begrüßen, wenn die Gemeinden und Provinzen die Möglichkeit erhalten würden, ohne vorherige Genehmigung durch das Innenministerium Beziehungen zu Regionen und Kommunen anderer Länder aufzunehmen, und ermutigt regionale und lokale Institutionen von EU-Staaten zur verstärkten Kooperation mit türkischen Regionen und Kommunen;

66.

hebt die Notwendigkeit hervor, die regionale und lokale Ebene frühzeitig in den Beitrittsprozess einzubinden, da ein großer Teil der EU-Rechtsvorschriften auf der lokalen und regionalen Ebene umgesetzt werden müssen und sieht daher die Stärkung der Verwaltungskapazität auf lokaler und regionaler Ebene als besonders wichtig an;

67.

ist bereit, mit den Vertretern der regionalen und lokalen Ebene der Türkei einen Gemischten Beratenden Ausschuss zu bilden, um den Dezentralisierungsprozess in der Türkei noch stärker zu unterstützen und konkrete Beiträge zum Aufbau von Institutionen und zur Stärkung der Verwaltungskapazitäten auf regionaler und lokaler Ebene zu leisten;

68.

empfiehlt eine schrittweise Reduktion des Einflusses der Gouverneure auf die Arbeit der regionalen Selbstverwaltung;

69.

regt an, eine rechtliche Struktur zu schaffen, die eine Konsultation der regionalen und lokalen Verwaltungen verpflichtend macht, wenn deren Interessen und Kompetenzen berührt werden;

70.

weist darauf hin, dass die Türkei nach wie vor ein Land mit großen regionalen Unterschieden ist, woraus sich große Herausforderungen für die Regionalpolitik und die Strukturförderung ergeben, um diese Disparitäten schrittweise auszugleichen, und regt daher die Ausarbeitung einer umfassenden Strategie zur Minderung des Entwicklungsgefälles zwischen ländlichen und städtischen Gebieten an;

71.

empfiehlt, im Rahmen des Acquis communautaire vor allem die Öffnung des Kapitels 22 – Regionalpolitik und Koordinierung der strukturpolitischen Instrumente – sobald wie möglich vorzunehmen;

72.

empfiehlt, ein Gesetz über die finanzielle Ausstattung von Provinzen und Kommunen möglichst rasch zu beschließen, damit den subnationalen Gebietskörperschaften ausreichend Finanzmittel zur Erfüllung ihrer Pflichten und Aufgaben zur Verfügung stehen;

73.

verweist auf die wichtige Rolle der Türkei als regionaler Akteur im Zusammenhang mit der EU-Schwarzmeerstrategie und empfiehlt der Türkei ein starkes Engagement in dieser Frage unter Einbeziehung der direkt betroffenen, am Schwarzen Meer gelegenen Regionen;

B)   Potenzielle Kandidatenländer

Albanien

74.

begrüßt die Anstrengungen Albaniens, den politischen Kriterien der Europäischen Union gerecht zu werden, insbesondere durch die Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen;

75.

stellt fest, dass Albanien im Bereich der Regionalpolitik noch signifikante Maßnahmen setzen muss, um sich an die europäischen Maßstäbe anzugleichen, davon betroffen sind insbesondere das Fehlen von NUTS-2 entsprechenden Gebietseinheiten und eine einheitliche, koordinierte Gesetzgebung zur Umsetzung von Projekten zur regionalen Entwicklung;

76.

bedauert die noch unzureichende Ausgestaltung des Finanzgebarens der lokalen Gebietskörperschaften, besonders in Hinblick auf die Möglichkeit zur Einhebung finanzieller Ressourcen wie auch der beschränkten Ausgabemöglichkeiten, sowie die nur schleppende Umsetzung von Dezentralisierungsmaßnahmen und Verwaltungsautonomie und des damit verbundenen Transfers von Kompetenzen auf die subnationale Ebene;

77.

merkt an, dass für einen effizienten Umgang mit EU-Programmen noch zu wenig geschultes Personal auf allen Ebenen verfügbar ist;

78.

drängt zu einer Stärkung der demokratischen Ordnung Albaniens, insbesondere in Hinblick auf die politischen Institutionen und einen parteiübergreifenden Dialog, damit sich die politische Stabilität des Landes verbessert und die Regierung ihre Verwaltungstätigkeit effizienter gestalten kann, ohne die die erforderlichen Reformen nicht möglich sind, und verweist in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit der Teilnahme der Opposition an der parlamentarischen Arbeit;

79.

regt die Einführung von Direktwahlen für Regionalräte und die Schaffung eines neuen Gesetzes zur lokalen Selbstverwaltung an;

80.

gibt zu überlegen, im Sinne der Stärkung der lokalen und regionalen Ebene die Rolle der Präfekten zu reformieren und damit eine Einschränkung ihrer Kontrollrechte und eine klare Definition ihrer Verantwortung gegenüber den Regionalräten zu erreichen;

81.

drängt auf die Verabschiedung der seitens der OSZE empfohlenen Wahlrechtsreform, um die Durchführung von Wahlen auf allen Ebenen nach europäischen und internationalen Standards sicherzustellen, und nimmt den Bericht der OSZE und des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarates zur Kenntnis, wonach die Kommunalwahlen vom 8. Mai 2011 im Wesentlichen transparent, fair und ruhig durchgeführt wurden, und regt vor allem an, klare Regelungen für die Gültigkeit abgegebener Stimmzettel zu schaffen, und hofft, dass die politischen Parteien zu einem geordneten parteipolitischen Leben zurückkehren;

82.

verweist auf die jüngsten gewaltsamen Auseinandersetzungen und erwartet, dass Albanien dringend alle Maßnahmen ergreift, um auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene politische Stabilität zu gewährleisten;

83.

empfiehlt dringend, Vertreter der Kommunen in alle Verhandlungsprozesse mit der EU einzubinden;

Bosnien und Herzegowina

84.

bedauert, dass Bosnien und Herzegowina bei der Durchführung wichtiger Reformen auch im Jahr 2010 nur geringe Fortschritte erzielt hat und die Unstimmigkeiten zwischen der Verfassung und der europäischen Menschenrechtskonvention trotz des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht beseitigt wurden;

85.

drängt daher auf eine dringende Überarbeitung der Verfassung und die Verbesserung der Effizienz und Funktionsweise der gesamtstaatlichen Institutionen, damit das Land in der Lage ist, die Rechtsvorschriften und Regeln der EU zu übernehmen, umzusetzen und durchzusetzen;

86.

sieht es als unerträglich an, dass die Verfassung von Bosnien und Herzegowina nach wie vor vorsieht, dass Bürger, die sich selbst nicht als Angehörige einer der drei Volksgruppen (Bosnier, Kroaten oder Serben) bezeichnen, von der Kandidatur für die Präsidentschaft und das nationale Parlament ausgeschlossen sind; unterstreicht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass diese Bestimmungen unvereinbar mit den generellen Grundsätzen der Menschenrechte sind;

87.

hält es für wichtig, dass der Ministerrat im März 2010 einen Aktionsplan zur Umsetzung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte angenommen und eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, bedauert aber, dass diese Arbeitsgruppe bisher noch keinerlei Einigung erzielt hat;

88.

bedauert, dass auch die letzten Wahlen im Jahr 2010 wieder ethnischen und wohnortbezogenen Wahlrechtsbeschränkungen unterlagen, die den demokratischen Grundsätzen und dem Recht auf Gleichbehandlung ohne Diskriminierung eklatant widersprechen;

89.

stellt mit Bedauern fest, dass nach wie vor die Voraussetzungen für eine Auflösung des Amtes des hohen Repräsentanten bei weitem nicht erfüllt wurden, wie etwa die Vermögensaufteilung zwischen der gesamtstaatlichen und den substaatlichen Verwaltungsebenen, und dass die Arbeit der exekutiven und legislativen Gremien auf allen staatlichen Ebenen weiterhin praktisch ausschließlich durch ethnische Orientierung und durch grob mangelnde Koordinierung geprägt ist;

90.

bedauert, dass Bosnien und Herzegowina als einziges Land im Jahr 2011 nicht an der Volkszählung teilnimmt, weil bisher kein Volkszählungsgesetz angenommen wurde;

91.

stellt fest, dass im Bereich des Justizsystems begrenzte Fortschritte vorzuweisen sind, allerdings auf der Ebene der Entitäten und Kantone noch Verbesserungen notwendig sind;

92.

bedauert, dass bei der Korruptionsbekämpfung nur begrenzte Fortschritte erzielt wurden, die gerichtliche Verfolgung von Korruptionsfällen nur langsam voranschreitet und nur eine kleine Zahl hochrangiger Fälle strafrechtlich verfolgt wurde, was unter anderem auch in der mangelhaften Umsetzung der Rechtsvorschriften sowie in Koordinierungsproblemen zwischen den Entitäten liegt;

93.

begrüßt, dass die Zahl der ethnisch geteilten Schulen abgenommen hat und in den meisten Schulen eine gemeinsame neunjährige Schullaufbahn eingeführt wurde, kritisiert aber, dass die ethnische Trennung von Schülern innerhalb der Schulen nach wie vor besteht;

94.

bedauert, dass Bosnien und Herzegowina, obwohl es finanzielle Unterstützung aus dem IPA erhält, bisher nicht in der Lage war, die notwendigen Strukturen für eine dezentralisierte Verwaltung der EU-Fonds im notwendigen Ausmaß aufzubauen;

95.

weist auf die speziellen Probleme in der Föderation Bosnien und Herzegowinas hin, wo sich die Zuständigkeiten der Entitäten, Kantone und Gemeinden überschneiden, weil es bisher verabsäumt wurde, die Gesetzgebung auf den verschiedenen Ebenen zu harmonisieren;

96.

weist entschieden die vor allem von der Republika Srpska immer wieder vorgenommene Infragestellung der territorialen Einheit des Staates, seiner Institutionen und Zuständigkeiten zurück, kritisiert entschieden die jüngsten Versuche der Republika Srpska durch ein Referendum die Legitimität des Hohen Vertreters und der gesamtstaatlichen Gerichtsbarkeit in Frage zu stellen, tritt im Fall von Bosnien und Herzegowina für eine Stärkung der Zuständigkeiten des Gesamtstaates in bestimmten Bereichen und für die Herstellung eines einheitlichen Wirtschaftsraumes ein und fordert dazu auch die Bereitschaft der Politiker auf der Ebene der Entitäten und Kantone im Sinne der Interimsvereinbarung (IA);

97.

stellt fest, dass die Ressourcen der lokalen Selbstverwaltung derzeit äußerst beschränkt sind, die Frage des öffentlichen Eigentums nicht ausreichend geklärt ist und die ethnischen Kriterien für die Ausübung der politischen Rechte auf regionaler und lokaler Ebene dringend einer Reform bedürfen;

98.

hält besonders eine Reform des öffentlichen Eigentums auf allen Ebenen für dringend erforderlich;

99.

fordert die Verantwortlichen auf allen staatlichen Ebenen zu einer stärkeren grenzüberschreitenden Kooperation mit den Nachbarländern auf;

Serbien

100.

stellt mit Genugtuung fest, dass Serbien seine politische Reformagenda weiter vorangebracht und bei der Erfüllung der Anforderungen im Rahmen des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens weitere merkbare Fortschritte gemacht hat; weist allerdings darauf hin, dass weitere Anstrengungen erforderlich sind;

101.

stellt ebenfalls mit Genugtuung fest, dass Serbien wichtige Schritte zur Aussöhnung in der gesamten Region des Westbalkans gesetzt hat und weiter mit dem internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien konstruktiv zusammenarbeitet;

102.

begrüßt ausdrücklich den Beginn der direkten Gespräche zwischen Serbien und Kosovo und die Tatsache, dass bereits kleine Annäherungen erzielt werden konnten, und ermuntert beide Seiten, diese Gespräche in konstruktiver Weise fortzuführen;

103.

begrüßt, dass das neue Statut der Autonomen Provinz Vojvodina am 1. Januar 2010 in Kraft getreten ist, fordert die serbische Regierung allerdings auf, einige offene Bestimmungen des Statuts, wie etwa die Übertragung von öffentlichen Eigentum an die Autonome Provinz Vojvodina, raschest umzusetzen;

104.

begrüßt besonders die im Jahr 2010 intensivierten Bemühungen und Initiativen zur Dezentralisierung in Serbien;

105.

empfiehlt dringend, in das Verhandlungskomitee Serbiens mit der EU Vertreter der Autonomen Provinz Vojvodina und der Versammlung der Städte und Gemeinden Serbiens aufzunehmen;

106.

regt die Schaffung gesetzlicher Bestimmungen an, wonach die regionalen und lokalen Institutionen verpflichtend von der nationalen Regierung konsultiert werden müssen, wenn ihre Interessen und Kompetenzen berührt werden;

107.

empfiehlt die Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen und von Anreizen zur stärkeren innerkommunalen Kommunikation, um die Effizienz der öffentlichen Leistungen zu steigern und den sparsamen Umgang mit den verfügbaren Ressourcen zu verbessern;

108.

stellt fest, dass Serbien nach wie vor eine überaus hohe Zahl von Flüchtlingen aufweist, deren Schicksal einer Lösung harrt, was vor allem umfangreicher Maßnahmen auf der Ebene der Gemeinden bedarf;

Montenegro

109.

begrüßt, dass Montenegro bei der Erfüllung der politischen Kriterien sowie der Bedingungen des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses gute Fortschritte erzielt hat, weist aber darauf hin, dass weitere Anstrengungen erforderlich sind;

110.

betont die Wichtigkeit einer transparenten und verlässlichen Verwaltung auf der lokalen Ebene und der weiteren Dezentralisierung von Zuständigkeiten und finanziellen Ressourcen;

111.

fordert die Annahme des Gesetzes der regionalen Organisation und Ergänzungen zum Gesetz für die lokalen Finanzen;

112.

drängt auf die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen der Regierung und den Minderheitenräten, um die Vertretung der Minderheiten in der öffentlichen Verwaltung, staatlichen Organisationen und lokalen Selbstverwaltungskörpern zu garantieren;

113.

ermutigt Montenegro, den Ausbau seiner Verwaltungskapazitäten in allen Bereichen, insbesondere auf der lokalen Ebene fortzusetzen und die Professionalität des öffentlichen Dienstes zu steigern und die öffentliche Verwaltung zu entpolitisieren;

Kosovo

114.

stellt mit Genugtuung fest, dass der Dezentralisierungsprozess im Kosovo offensichtlich vorangekommen ist und die Zusammenarbeit mit EULEX intensiviert wurde und auch gewisse Fortschritte in der Umsetzung der europäischen Agenda und Reformpolitik erzielt wurden;

115.

drängt auf eine lückenlose und rasche Aufklärung der in der Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates auf Grund des Marty-Berichtes erhobenen Vorwürfe gegen hohe Repräsentanten des Kosovo;

116.

stellt mit Sorge fest, dass es am Dialog und an der Aussöhnung zwischen den Volksgruppen sowie am Schutz und der Integration der Minderheiten, insbesondere Kosovoserben, weitgehend mangelt;

117.

beobachtet mit großer Sorge die Unregelmäßigkeiten, Gesetzwidrigkeiten und Wahlfälschungen bei der letzten Wahl sowie erneut bei den dadurch notwendig gewordenen Nachwahlen und sieht darin leider ein deutliches Zeichen mangelnder demokratischer Reife des Staates;

118.

ermuntert Kosovo, den Dezentralisierungsprozess und die Gemeindereform fortzuführen und abzuschließen, begrüßt die Einsetzung einer eigenen Arbeitsgruppe im Ministerium für lokale Selbstverwaltung für den Norden des Kosovo und verweist darauf, dass die Dezentralisierung nur unter Mitwirkung der örtlichen Bevölkerung abgeschlossen werden kann;

119.

sieht mit Sorge, dass es im Norden des Kosovo im Gebiet von Mitrovica gerade auch im Zusammenhang mit Wahlen immer wieder gewalttätige Zwischenfälle gab und dass es bisher nicht gelungen ist, eine Befriedung der Bevölkerung dieser Region herzustellen.

Brüssel, den 1. Juli 2011

Die Präsidentin des Ausschusses der Regionen

Mercedes BRESSO


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