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Document 52009AE1197

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über den Nutzen der Telemedizin für Patienten, Gesundheitssysteme und die Gesellschaft KOM(2008) 689 endg.

OJ C 317, 23.12.2009, p. 84–88 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

23.12.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 317/84


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über den Nutzen der Telemedizin für Patienten, Gesundheitssysteme und die Gesellschaft“

KOM(2008) 689 endg.

(2009/C 317/15)

Berichterstatter: Lucien BOUIS

Die Europäische Kommission beschloss am 4. November 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über den Nutzen der Telemedizin für Patienten, Gesundheitssysteme und die Gesellschaft

KOM(2008) 689 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 26. Juni 2009 an. Berichterstatter war Lucien BOUIS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 455. Plenartagung am 15./16. Juli 2009 (Sitzung vom 15. Juli) mit 160 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Bemerkungen und Empfehlungen

1.1.   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss nimmt mit Interesse die Kommissionsmitteilung zur Kenntnis, mit der die Mitgliedstaaten zur Aufnahme der Telemedizin in ihre Gesundheitspolitik angehalten und dabei unterstützt werden sollen.

1.2.   Die Europäische Kommission beabsichtigt, im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip Vertrauen in die Telemedizin zu schaffen und deren Akzeptanz sicherzustellen, für mehr Rechtsklarheit in diesem Bereich zu sorgen, die technischen Probleme zu lösen sowie die Marktentwicklung zu erleichtern. Die Mitgliedstaaten sind nach wie vor für ihre Gesundheitspolitik und die Entwicklung der Telemedizin entsprechend ihrer Investitionskapazitäten verantwortlich.

1.3.   Es gilt, die Gesundheitsbehörden, die Angehörigen der Gesundheitsberufe und die Patienten besser zu informieren und sie konsequent und schlüssig über das Kosten-Nutzen-Verhältnis aufzuklären.

1.4.   Der Ausschuss wird aufmerksam verfolgen, ob die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auch wirklich eine sichere Anwendung, ergonomische Verbesserungen sowie eine Senkung der Anschaffungs- und Nutzungskosten garantieren. Er nimmt das Vorhaben der Europäischen Kommission zur Kenntnis, ein großmaßstäbliches Pilotprojekt zum Telemonitoring zu unterstützen.

1.5.   Die Telemedizin kann sich nur schwer durchsetzen, obwohl sie unter bestimmten, klar festgelegten Bedingungen ein Faktor zur Verbesserung der Gesundheitssysteme zum Nutzen der Patienten, der Angehörigen der Gesundheitsberufe und der Sozialversicherungen ist. Daher ist der Ausschuss der Auffassung, dass eine Definition der Anwendungsbereiche und die Schaffung einer soliden Rechtsgrundlage für die Telemedizin erforderlich sind.

1.6.   Der Ausschuss erachtet es als zweckdienlich, eine vereinfachte Definition der medizinischen Handlungen zu wählen, die in den Bereich der Telemedizin fallen, um die Vertraulichkeit der Daten zu gewährleisten und die Patientensicherheit auf höchstmöglichem Niveau sicherzustellen.

1.7.   Der Ausschuss begrüßt die Absicht, 2009 eine europäische Plattform für die Mitgliedstaaten einzurichten, über die sie Informationen über geltende nationale Rechtsvorschriften für die Telemedizin austauschen können.

1.8.   Bei einer medizinischen Handlung, in der die Telemedizin als ergänzendes Verfahren zum Einsatz kommt, müssen einerseits die für jedwede medizinische Handlung geltenden Rechte und Verpflichtungen und andererseits auch die mit den besonderen Wesensmerkmalen der Telemedizin verbundenen Verpflichtungen eingehalten werden, beispielsweise die Bereitstellung von Informationen über die technischen Datenübertragungsmittel und die Sicherung der Daten.

1.9.   Der Ausschuss unterstreicht, dass der Zugang zum Breitbandnetz (1) in gleichem Umfang in allen Mitgliedstaaten und die volle Anschlussfähigkeit Grundvoraussetzungen für die Entwicklung der Telemedizin sind. Die digitale Erschließung insbesondere der ländlichen Gebiete und der Regionen in äußerster Randlage muss vorangebracht werden, um allen Bürgern gleichen Zugang zu den Gesundheitsdiensten zu gewähren.

1.10.   Der Ausschuss unterstützt die Europäische Kommission in ihrem Vorhaben, ausgehend von bestehenden oder neuen Normen ein politisches Strategiepapier auszuarbeiten, um die Interoperabilität, Qualität und Sicherheit der Systeme zu gewährleisten.

1.11.   Nach Meinung des Ausschusses muss neben dem Austausch über die technischen und organisatorischen Aspekte der Telemedizin auch ein Austausch über klinisch erprobte telemedizinische Verfahren entwickelt werden.

1.12.   Der Ausschuss begrüßt den Vorschlag, in den kommenden Jahren auf drei Ebenen Maßnahmen durchzuführen.

1.13.   Auf Ebene der Mitgliedstaaten muss der Klassifizierung der medizinischen Handlungen, ihrer Kosten und der Kostenerstattung für diese Handlungen besonderes Augenmerk gewidmet werden.

1.14.   Außerdem sollten auf Ebene der Mitgliedstaaten, denen Finanzhilfen der EU gewährt werden, Steuerungs- und Bewertungsmechanismen für die technischen Aspekte und die Effizienz der Telemedizin konzipiert werden.

1.15.   In Bezug auf die von der Europäischen Kommission durchzuführenden Maßnahmen ist der Ausschuss der Auffassung, dass die Europäische Kommission Informations- und Schulungsprogramme im Hinblick auf die Nutzung dieser neuen Technologien sowohl für die Angehörigen der Gesundheitsberufe wie auch die Bürger ganz allgemein fördern sollte, um die Bedenken der Anwender auszuräumen und ihr Vertrauen zu stärken.

1.16.   Der Ausschuss bedauert, dass der Frage der ärztlichen Ausbildung kein besonderer Stellenwert eingeräumt wurde. Ein strukturiertes Projekt für die ärztliche Aus-, Fort- und Weiterbildung ist unerlässlich. Ziel darf jedoch nicht die Ausbildung von reinen „Telemedizinern“ sein, sondern die Schulung der gesamten Ärzteschaft in Telemedizin.

1.17.   Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die in der Kommissionsmitteilung empfohlenen Maßnahmen konsequent umzusetzen sowie den Zeitplan für ihre Durchführung strikt einzuhalten.

1.18.   Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass die Vertretungsorganisationen der Patienten, Verbraucher und Angehörigen der Gesundheitsberufe in die Festlegung der Modalitäten für die Entwicklung dieser neuen Technologien eingebunden werden müssen. Seiner Meinung nach wäre es wichtig, dass er selbst an der Bewertung der bei der Verwirklichung der Maßnahmen erzielten Fortschritte teilhat.

1.19.   Die Entwicklung der Telemedizin zum Vorteil der Patienten, der Sozialversicherungssysteme und der Bürger ganz allgemein muss im Rahmen der allgemeinen Weiterentwicklung der Gesundheitssysteme und -politiken erfolgen.

2.   Zusammenfassung der Mitteilung

2.1.   Hintergrund

2.1.1.   Die Telemedizin (2), d.h. die Erbringung von medizinischen Diensten über größere Entfernungen hinweg, kann dazu beitragen, die Lebensqualität der Patienten wie auch der Angehörigen von Gesundheitsberufen zu verbessern und die sich in den Gesundheitssystemen stellenden Probleme zu lösen (Überalterung der Bevölkerung, Entwicklung chronischer Krankheiten, häusliche Pflege, isolierte oder in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkte Patienten, medizinische Demografie, keine flächendeckende medizinische Versorgung usw.).

2.1.2.   Über eine bessere Patientenversorgung und eine höhere Effizienz im Gesundheitswesen hinaus kann die Telemedizin angesichts der Dynamik dieses Wirtschaftssektors (in dem vor allem KMU tätig sind) auch einen Beitrag zur Wirtschaft der EU leisten. Die Telemedizin wird jedoch nur wenig in Anspruch genommen und der Markt ist nach wie vor fragmentiert.

2.2.   Das Konzept der Europäischen Kommission

2.2.1.   Die Kommission möchte die Mitgliedstaaten zur Aufnahme der Telemedizin in ihre Gesundheitspolitik anhalten; sie listet zu diesem Zweck die Hindernisse für den breiten Einsatz der Telemedizin auf, bietet Unterstützung für deren Abbau an und zeigt auf, wie das Interesse an diesen Diensten geweckt und ihre Akzeptanz bei Ärzten wie Patienten erhöht werden kann.

2.2.2.   Da es - ganz im Sinne des Subsidiaritätsprinzips - nach wie vor bei den Gesundheitsbehörden der Mitgliedstaaten liegt, die die Hauptverantwortung für die Organisation, Finanzierung und Erbringung von Gesundheitsdiensten tragen, die Telemedizin für die europäischen Patienten Wirklichkeit werden zu lassen, legt die Europäische Kommission Maßnahmen fest, die sie selbst, die Mitgliedstaaten und die Interessenträger durchführen müssen.

Allgemeine Bemerkungen

3.1.   Der Ausschuss nimmt das von der Kommissionsmitteilung abgedeckte Spektrum zur Kenntnis, möchte jedoch darauf hinweisen, dass auch die Digitalisierung der Patientenakte und der enge Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Telemedizin wichtig sind.

Der Ausschuss spricht sich für den Ausbau der Telemedizin aus, bei dem es vor allem darum geht, allen Bürgern gleichen Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsdiensten zu gewähren. Er betont die absehbaren Auswirkungen auf das Gesundheitssystem und die Arbeitsweise der Angehörigen der Gesundheitsberufe und hält es für erforderlich, in Bezug auf die mit der Vermarktlichung verbundenen Risiken besondere Vorsicht walten zu lassen.

3.2.1.   Der Ausbau der Telemedizin ist zwar ein Impulsgeber für die Verallgemeinerung der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und die Vernetzung der Gesundheitsversorgungsdienste und trägt zur Verbesserung der Qualität und der Verfügbarkeit der Gesundheitsdienste bei, doch müssen im Vorfeld und im Zuge dieser Änderungen auch die Organisation, die Rangfolge und die Verteilung der Aufgaben sowie die Protokollierung der telemedizinischen Praktiken geklärt werden.

Der Ausschuss begrüßt die drei vorgeschlagenen Handlungsebenen und bringt diesbezüglich einige Anmerkungen vor.

3.3.1.   Schaffung von Vertrauen in die Dienste der Telemedizin und Aufbau von Akzeptanz

3.3.1.1.   Es gilt, die Gesundheitsbehörden, die Angehörigen der Gesundheitsberufe und die Patienten sowie deren Vertretungsorganisationen durch die Einrichtung von Diskussionsforen besser zu informieren und in diesem Zusammenhang erfolgreiche Anwendungen der Telemedizin hervorzuheben. Dazu bedarf es aussagekräftiger Informationen über das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Der Ausbau und die Tragfähigkeit der Telemedizin hängen von der Höhe der Kostenerstattung und der Patientenzuzahlung für telemedizinische Leistungen ab.

3.3.1.2.   Der Ausschuss betont, dass die in diesem Sektor tätigen KMU nicht über ausreichende Finanzkapazitäten für Forschung und Entwicklung verfügen. Der Beitrag des öffentlichen Sektors sowie öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) sind daher eine Möglichkeit zur flächendeckenden Verbreitung von Telemonitoring. In Bezug auf die Ausrüstung wird der Ausschuss aufmerksam verfolgen, ob ihre Weiterentwicklung auch wirklich eine sichere Anwendung, ergonomische Verbesserungen sowie eine Senkung der Anschaffungs- und Nutzungskosten garantiert. Die Entwicklung kann nicht nur Sache der Unternehmen sein.

3.3.1.3.   Der Ausschuss unterstreicht, dass der breite Einsatz der Telemedizin und insbesondere des Telemonitorings vor allem aufgrund der veränderten Beziehung zwischen Arzt und Patient neue ethische Fragen aufwirft, und erachtet es daher als unerlässlich, patientenfreundliche Leitlinien für diese Beziehung aufzustellen, um dem Wunsch nach menschlichem Kontakt sowie verständlichen, genauen und ermutigenden Erklärungen gerecht zu werden und so die Akzeptanz dieser Techniken sicherzustellen, die keinesfalls an die Stelle des menschlichen Kontakts treten können.

3.3.1.4.   Der Ausschuss betont, dass die Nutzung dieser Technik demokratisiert werden muss, damit die Patienten auch weiterhin die Kontrolle über ihr Leben und ihre Entscheidungen behalten.

3.3.1.5.   Außerdem muss das medizinische Personal, das per Telefon oder Bildschirm mit den Patienten kommuniziert, psychologisch geschult werden, um die Entfernung und das Fehlen physischer Anwesenheit, auf der das persönliche Gespräch zwischen Arzt und Patienten bisher beruhte, menschlich zu überbrücken.

3.3.1.6.   Der Ausschuss nimmt mit Interesse das Vorhaben der Europäischen Kommission zur Kenntnis, über ihr Programm „Wettbewerbsfähigkeit und Innovation“ ein großmaßstäbliches Pilotprojekt zum Telemonitoring zu unterstützen, und hebt hervor, dass die Mitgliedstaaten ihre Erfordernisse und Prioritäten im Bereich der Telemedizin bis Ende 2009 bewerten müssen.

3.3.1.7.   Der Ausschuss heißt die Finanzierung von Programmen wie „Umgebungsunterstütztes Leben (AAL)“ (3) gut, die gemäß Artikel 169 EG-Vertrag durchgeführt werden, und ermutigt die Mitgliedstaaten, an derartigen Initiativen teilzunehmen.

3.3.2.   Erhöhung der Rechtsklarheit

3.3.2.1.   Die Telemedizin kann sich nur schwer durchsetzen, obwohl sie unter einigen klar festgelegten Bedingungen ein Faktor zur Verbesserung der Gesundheitssysteme zum Nutzen der Patienten, der Angehörigen der Gesundheitsberufe und der Sozialversicherungen ist, da sie aufgrund der Schnelligkeit der Kommunikation ein wirksames Mittel zur Optimierung der Behandlungsqualität ist und zu einem effizienteren Zeitmanagement für die Angehörigen der Gesundheitsberufe beiträgt. Daher ist der Ausschuss der Auffassung, dass eine Definition der Anwendungsbereiche und die Schaffung einer ausreichenden Rechtsgrundlage für die Telemedizin erforderlich sind.

3.3.2.2.   Der Ausschuss erachtet es als zweckdienlich, eine vereinfachte Definition der medizinischen Handlungen zu wählen, die in den Bereich der Telemedizin fallen:

Televisite: medizinische Handlung im Kontakt mit dem Patienten, der über eine Entfernung mit dem Arzt kommuniziert. Aus der Diagnose kann sich die Verordnung einer Behandlung oder von Medikamenten ergeben.

Telekonsil: Diagnose und/oder Therapiewahl ohne physische Anwesenheit des Patienten. Es handelt sich um einen Austausch zwischen mehreren Ärzten, die ihre Diagnose auf der Grundlage der in der Patientenakte enthaltenen Daten stellen.

Teleassistenz: Handlung zur fernmedizinischen Unterstützung eines Arztes seitens eines Facharztes bei der Durchführung einer medizinischen oder chirurgischen Handlung. Unter diese telemedizinische fachliche Beratung fällt ebenfalls die Unterstützung von Rettungskräften bei Einsätzen.

Es gilt, die Rechtsklarheit in Bezug auf die Durchführung dieser Handlungen zu erhöhen, die Datensicherheitssysteme zu verbessern und die Patientensicherheit bei der Datenerfassung, -speicherung und -verarbeitung auf höchstmöglichem Niveau sicherzustellen.

3.3.2.3.   Die Festlegung der medizinischen Handlungen und ihrer Auswirkungen in rechtlicher und juristischer Hinsicht sowie in Bezug auf die Kostenerstattung sind in den einzelnen Ländern unterschiedlich. Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Empfänger von medizinischen Leistungen die Möglichkeit haben, sich in einem anderen Mitgliedstaat behandeln zu lassen, unabhängig davon, wie die Dienstleistung erbracht wird, was also auch die Telemedizin (4) mit einschließt.

3.3.2.4.   Der Ausschuss bekräftigt seine Forderung nach der Festlegung von Beschwerdemechanismen und Rechtsmitteln bei einer Schädigung sowie klarer Modalitäten für die Streitbeilegung, auch auf grenzüberschreitender Ebene; in diesem Zusammenhang muss allgemein ein System der Pflichtversicherung für alle Angehörigen der Gesundheitsberufe eingerichtet werden.

3.3.2.5.   Der Ausschuss begrüßt die Absicht der Europäischen Kommission, 2009 eine europäische Plattform für die Mitgliedstaaten einzurichten, über die sie Informationen über geltende nationale Rechtsvorschriften für die Telemedizin und Vorschläge für deren Überarbeitung austauschen können.

3.3.2.6.   Nach Meinung des Ausschusses kann und darf die Telemedizin die medizinische Handlung nicht ersetzen, sie ist ein ergänzendes Verfahren, das angesichts der fehlenden klinischen Untersuchungsmöglichkeiten Grenzen hat. Die für jedwede medizinische Handlung geltenden Rechte und Verpflichtungen finden auch auf die Telemedizin Anwendung. Außerdem muss folgenden Aspekten besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden:

Es müssen klare Informationen über die Kompetenz des behandelnden Arztes erteilt werden;

ungeachtet seines Alters, seiner finanziellen Situation oder seines Krankheitsbildes muss der Patient von den aktuellsten medizinischen Erkenntnissen profitieren können;

der Patient muss über die Zweckmäßigkeit und die Tragweite der medizinischen Handlung sowie die eingesetzten Mittel unterrichtet werden;

der Patient muss seine Einwilligung aus freien Stücken geben;

die ärztliche Schweigepflicht muss gewährleistet sein;

die per Telemedizin erfolgte ärztliche Verschreibung muss anerkannt werden;

die Fragen und Antworten des Arztes müssen für den Patienten verständlich sein;

die erstellten Dokumente müssen gespeichert und in der Patientenakte abgelegt werden;

die Kontinuität der Gesundheitsversorgung muss sichergestellt sein;

die telemedizinische Behandlung muss der entsprechenden herkömmlichen Behandlung qualitativ mindestens ebenbürtig sein;

das Fehlen klinischer Untersuchungen darf nicht durch eine Vervielfachung radiologischer oder biologischer Untersuchungen kompensiert werden;

die Vertraulichkeit der Daten in Bezug auf die technischen Bedingungen der Datenübertragung und bei ihrer Bearbeitung durch die Angehörigen der Gesundheitsberufe muss voll gewährleistet sein.

Im Besonderen müssen bei der Durchführung einer telemedizinischen Handlung auch Informationen über die technischen Datenübertragungsmittel bereitgestellt werden.

3.3.3.   Klärung technischer Fragen und Erleichterung der Marktentwicklung

Der Ausschuss unterstreicht, dass der Zugang zum Breitbandnetz (1), der zur Gewährleistung der höchsten Sicherheit erforderlich ist, und die volle Anschlussfähigkeit eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung der Telemedizin sind. Das Vertrauen der Ärzte wie auch der Patienten in die Telemedizin setzt die Sicherheit der eingesetzten Technologie und ihre Benutzerfreundlichkeit voraus.

3.3.3.1.1.   Die digitale Erschließung insbesondere der ländlichen Gebiete und der Regionen in äußerster Randlage muss vorangebracht werden, da für die Telemedizin eine wirksame Vernetzung erforderlich ist, zumal die Bevölkerung in solchen Gebieten besonders betroffen ist.

3.3.3.1.2.   Aufgrund mangelnder Breitbandverbindungen haben die Angehörigen der Gesundheitsberufe mit unannehmbaren Reaktionszeiten zu kämpfen, große Datenmengen können nicht übertragen werden, und die Beschädigung von Informationen kann enorme medizinische Risiken bergen.

3.3.3.2.   Der Ausschuss unterstützt die Europäische Kommission in ihrem Vorhaben, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten ein politisches Strategiepapier auszuarbeiten, wie Interoperabilität, Qualität und Sicherheit der sich auf bestehende oder neue Normen stützenden Telemonitoringsysteme auf europäischer Ebene gewährleistet werden können. Nach Meinung des Ausschusses kann das Vertrauen in diese Technologien, die einer ständigen Weiterentwicklung unterworfen sind, nur durch eine regelmäßige Bewertung der Zuverlässigkeit der Ausrüstung gestärkt werden.

3.4.   Der Ausschuss hebt hervor, dass die Entwicklung dieser Technologien sicherlich eine Chance für die Wirtschaft ganz allgemein ist. Es gilt jedoch, ihre Auswirkungen auf die gefährdete Finanzierung der Gesundheitssysteme zu bewerten. Außerdem wäre die Bereitstellung von Finanzhilfen der EU für Forschung und Entwicklung zweckdienlich. Die speziellen Aspekte der Telemedizin sollten in Zukunft auch im Programm „IKT für ein wohltuendes Altern“ (5) berücksichtigt werden.

4.   Besondere Bemerkungen

Da die Telemedizin keinesfalls einzig und allein unter dem Aspekt des elektronischen Geschäftsverkehrs gesehen werden kann (bleibt sie doch eine eigenständige medizinische Handlung), begrüßt der Ausschuss den Vorschlag, in den kommenden Jahren Maßnahmen auf drei Ebenen durchzuführen.

Auf Ebene der Mitgliedstaaten muss der Klassifizierung der medizinischen Handlungen und der entsprechenden Kostenerstattung das notwendige Augenmerk gewidmet werden, haben doch noch nicht alle Versicherungssysteme die Telemedizin als eigenständige medizinische Handlung anerkannt; einige stehen ärztlichen Verordnungen per Telemedizin skeptisch gegenüber.

4.1.1.1.   Angesichts der Kosten der erforderlichen Investitionen ist es unabdingbar, dass die für die Gesundheitspolitik zuständigen öffentlichen Einrichtungen und/oder Behörden im Rahmen des Austausches mit den zahlreichen Interessenträgern Möglichkeiten zur Finanzierung ermitteln und die Finanzierungsquellen festlegen. Der Ausschuss bringt jedoch seine Sorge zum Ausdruck, dass der Beitrag der Patienten zur Finanzierung der von ihnen in Anspruch genommenen Gesundheitsdienste unter dem Vorwand dieser neuen Vorschriften erheblich steigen könnte.

Auf Ebene der Mitgliedstaaten, denen Finanzhilfen der EU gewährt werden, sollte angesichts der Unterschiede betreffend die gesetzlichen Bestimmungen in den einzelnen Mitgliedstaaten und die Durchsatzrate der Telemedizin 2009 eine Auswertung der für die telemedizinischen Dienste in Betracht kommenden EU-Rechtsvorschriften vorgenommen werden.

4.1.2.1.   Nach Meinung des Ausschusses wäre es sinnvoll, neben dieser Auswertung auch Steuerungs- und Bewertungsmechanismen mit Unterstützung der EU zu konzipieren sowie kohärente strategische Ziele festzulegen, nach denen die Entscheidungsträger sich richten können. Hierfür muss eine medizinisch-wirtschaftliche Bewertung durchgeführt werden, die den demografischen Herausforderungen und der Aufgabe der Entwicklung der Gesundheitssysteme zugunsten der Patienten Rechnung trägt.

In Bezug auf die von der Europäischen Kommission durchzuführenden Maßnahmen ist der Ausschuss der Auffassung, dass die Europäische Kommission pädagogische Programme fördern sollte, mit denen die Patienten mit diesen neuen Praktiken und Instrumenten vertraut gemacht werden, zumal diese Patienten oftmals ältere Menschen sind, um die Bedenken der Anwender auszuräumen und ihrem Vertrauensmangel abzuhelfen.

Der Ausschuss bedauert, dass die Europäische Kommission der Frage der ärztlichen Ausbildung keinen besonderen Stellenwert eingeräumt hat, um die Ärzte mit den neuen Bedingungen, unter denen sie ihren Beruf ausüben, vertraut zu machen. Zur Gewährleistung der Kontinuität und der Koordinierung der Behandlung müssen sie die neuen Kommunikationsmittel für den Dialog mit den Patienten auch zu nutzen wissen.

4.1.3.1.1.   Der Ausschuss betont, dass in der Telemedizin wie in zahlreichen anderen Bereichen auch spezifische Bildungsmaßnahmen für die einzelnen Gesundheitsberufe als wichtigstes Werkzeug des Wandels anzusehen sind. Ein strukturiertes Projekt für die Aus-, Fort- und Weiterbildung zur Optimierung der Nutzung der Telemedizin im Hinblick auf die Verbesserung der Behandlungsqualität ist unerlässlich. Dies beinhaltet auch eine konsequente Information der breiten Öffentlichkeit.

4.1.3.1.2.   Der Ausschuss hält ferner fest, dass die interaktive und berufsgruppenübergreifende Nutzung dieser neuen Technologien selbst wiederum ein geeignetes und um sich greifendes pädagogisches Mittel zur Förderung des Selbstlernens im Rahmen einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit ist.

4.1.4.   Der Ausschuss erachtet es als unerlässlich, dass die Telemedizin sowohl in Bezug auf die technologische Forschung als auch die Entwicklung der Ausrüstungen und Softwareprogramme, die wirtschaftlichen Aspekte der Bereitstellung der Geräte, die Kostenerstattung der Leistungen sowie die Akzeptanz und das in sie gesetzte Vertrauen als eigenständige medizinische Handlung und nicht als Modeerscheinung oder Ersatzhandlung angesehen wird. Außerdem sollten für telemedizinische Handlungen eine Harmonisierung und Zulassungsvorschriften vorgesehen werden, um den Austausch zwischen den Leistungserbringern und die Einbindung der Patienten in einem für alle Beteiligten angenehmen Umfeld zu erleichtern.

5.   Schlussfolgerungen

5.1.   Die kulturelle Revolution, die der Einsatz der Telemedizin bedeutet, erfordert eine entsprechende Kommunikation. Im Zuge dieser Entwicklungen können auch neue Berufsbilder entstehen.

5.2.   Die Entwicklung der Telemedizin muss nach Meinung des Ausschusses im Rahmen der Weiterentwicklung der Gesundheitssysteme und -politiken erfolgen.

5.3.   Die Nutzer der Gesundheitssysteme sind angehalten, verstärkt gesundheitliche Selbstkompetenz zu entwickeln. Daher ist die Einbindung ihrer Vertretungsorganisationen sowie derjenigen der Angehörigen der Gesundheitsberufe in die Festlegung der Modalitäten für die Entwicklung und Finanzierung dieser neuen Technologien unerlässlich.

5.4.   Der Ausschuss erachtet es als wichtig, in die Bewertung der bei der Verwirklichung der Maßnahmen erzielten Fortschritte eingebunden zu sein, denn über die operationelle Entwicklung der Telemedizin und der verfügbaren Mittel hinaus geht es um die Gleichstellung aller Bürger beim Zugang zu Gesundheitsdiensten.

Brüssel, den 15. Juli 2009

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 8.

(2)  Die Telemedizin umfasst eine Reihe von Diensten, u.a. Teleradiologie, Telepathologie, Teledermatologie, Telekonsultation, Telemonitoring, Tele-Ophthalmologie, mit Ausnahme der Telechirurgie. In der Mitteilung werden jedoch Portale mit Gesundheitsinformationen, elektronische Patientendatensysteme, die elektronische Übertragung von Verschreibungen oder Überweisungen an den Facharzt aus den telemedizinischen Diensten ausgeklammert.

(3)  ABl. C 224 vom 20.8.2008, S. 8.

(4)  ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 116.

(5)  Im Rahmen des Siebten Forschungsrahmenprogramms.


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