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Document 52009AE0631

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, und zur Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG

OJ C 228, 22.9.2009, p. 107–112 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

22.9.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 228/107


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, und zur Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG“

KOM(2008) 636 endg. — 2008/0192 (COD)

2009/C 228/21

Der Rat beschloss am 24. November 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, und zur Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 10. März 2009 an. Berichterstatterin war Frau SHARMA.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 452. Plenartagung am 24./25. März 2009 (Sitzung vom 24. März) mit 101 gegen 29 Stimmen bei 26 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Empfehlungen

1.1   Allgemeine Empfehlungen

1.1.1

Jede Bemühung der Europäischen Kommission, die Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und mehr Möglichkeiten für Frauen zu schaffen, die unselbstständig, selbstständig oder unternehmerisch tätig werden wollen, ist zu begrüßen. Aus Sicht der Zivilgesellschaft ist der Titel dieser überarbeiteten Richtlinie (1) jedoch insofern irreführend, als es in dem Legislativvorschlag nicht um die Gleichbehandlung von Frauen und Männern bei der Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit geht, sondern vor allem um Sozialversicherungsleistungen für selbstständig erwerbstätige Frauen während des Mutterschutzes, Sozialversicherungsleistungen für mitarbeitende Ehepartner und die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit zur Pflege von Familienangehörigen. Die Gleichstellung muss im Rahmen eines ganzheitlichen Konzepts betrachtet werden, bei dem ihre Auswirkungen auf andere Bereiche wie soziale Rechte, Chancengleichheit sowie Kinder- und Familienrechte berücksichtigt werden.

1.1.2

Die Kommission sollte jeden der drei in der Richtlinie genannten Einzelbereiche gesondert prüfen, um zu gewährleisten, dass sie im Gleichstellungskontext gebührend berücksichtigt werden. Auch wenn dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss klar ist, dass der Sozialschutz in den Aufgabenbereich der GD Beschäftigung fällt, möchte er betonen, dass die selbstständige Erwerbstätigkeit und die abhängige Beschäftigung nicht über einen Leisten geschlagen werden sollten.

1.1.3

Wenn tatsächlich etwas für die Rechte getan werden soll, müssen die vorgeschlagenen Maßnahmen bzw. Instrumente praxisorientiert und durchsetzbar sein. Unzweifelhaft stellen die vorgeschlagenen Änderungen der Richtlinie eine Verbesserung der Situation selbstständig erwerbstätiger Frauen und mitarbeitender Ehepartnerinnen, die ein Kind bekommen, auf europarechtlicher Ebene dar, und werden sich folglich positiv auf ihre Kinder auswirken. Der EWSA ist der Ansicht, dass die Neufassung der Richtlinie notwendig ist.

1.1.4

Eine konsequentere und durchgängigere Durchsetzung des geltenden Gleichstellungsrechts würde wirksamer zur Beseitigung von Ungleichheiten beitragen. Die Kommission sollte daher die Gründe für die unzureichende Umsetzung ermitteln.

1.1.5

Bei ihren Bemühungen zur Steigerung der Zahl der Unternehmer und insbesondere der Unternehmerinnen muss die EU den Werten Rechnung tragen, die für potenziell selbstständig Erwerbstätige wichtig sind. In Verbindung mit einem allgemeinen Mentalitätswandel in Bezug auf das Unternehmertum in Europa würde ein solcher Ansatz deutlich machen, wo die Direktionen der Kommission bei ihrer Arbeit vor allem ansetzen sollten.

1.1.6

Jegliche Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge bzw. der Verwaltungslasten allgemein - sei es für den Staat oder für die Unternehmen - müssen sorgfältig abgewogen werden.

1.1.7

Es stellt sich die Frage nach den Kosten, die eine Neufassung dieser Richtlinie für die EU mit sich bringt. Aus der von der Kommission vorgelegten Folgenabschätzung geht deutlich hervor, dass der Nutzen für die Mitgliedstaaten gering ist.

1.2   Empfehlungen in Bezug auf selbstständig Erwerbstätige und Unternehmer

1.2.1

Die selbstständige Erwerbstätigkeit zeichnet sich per se durch viele eigene Merkmale aus, und selbstständig Erwerbstätige können nicht in derselben Weise betrachtet werden wie abhängig Beschäftigte, ebenso wenig wie der Begriff „selbstständig Erwerbstätige“ als Oberbegriff für Unternehmer verwendet werden kann.

1.2.2

Der Ausschuss ist sich bewusst, dass es schwer vorstellbar ist, wie Mutterschutzbestimmungen für selbstständig erwerbstätige Frauen funktionieren könnten. Aufgrund der mit einer selbstständigen Erwerbstätigkeit verbundenen Geschäftsverbindungen und Verantwortlichkeiten sind lange Abwesenheitszeiten nur dann möglich, wenn sie umfassend geplant werden, finanzielle Sicherheiten verfügbar sind oder geeignetes Personal zur Bewältigung der Arbeitslast bereitsteht. Wenn sie nicht angemessen geplant werden, können solche Abwesenheitszeiten zur Beendigung von Verträgen oder zur Geschäftsaufgabe führen, was insbesondere für sehr kleine Unternehmen gilt.

1.2.3

Bei allen vorgeschlagenen Maßnahmen muss die Zeit berücksichtigt werden, die erforderlich ist, um einen normalen Schwangerschaftsverlauf, die körperliche Erholung der Mutter nach der Entbindung, den Aufbau einer Bindung zwischen Mutter und Kind sowie das Wohlergehen des Babys zu gewährleisten.

1.2.4

Bedauerlicherweise zeigt die Kommission für die oben genannten Probleme keine Lösungen auf und überlässt entsprechende Überlegungen den einzelnen Mitgliedstaaten. Die meisten selbstständig erwerbstätigen Frauen müssten eine Person anlernen, die sie ersetzt, ihre berufliche Tätigkeit aufgeben oder während des gesamten Mutterschutzes weiterarbeiten - so stellt sich nach dem geltenden Recht die Lage aller selbstständig erwerbstätigen Frauen dar.

1.3   Empfehlungen in Bezug auf mitarbeitende Ehepartner

1.3.1

Allgemein wird in der Richtlinie nicht auf die mangelnde Anerkennung „mitarbeitender Ehepartner“, die Qualität und Quantität ihrer Beiträge zur Unternehmenstätigkeit oder politische Maßnahmen zur Unterstützung dieser Frauen eingegangen. In der Richtlinie werden keine Maßnahmen vorgeschlagen, die zu einer Verbesserung der sozialen oder finanziellen Stellung bzw. des sozialen Schutzes mitarbeitender Ehepartner führen.

1.3.2

Die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in diesem Bereich muss gewahrt werden, und es sollte ihnen überlassen werden, Möglichkeiten zur Einbindung dieser „Arbeitskräfte“ in ihre bestehenden Beschäftigungs- und Versicherungsmodelle und somit in ihre Sozialversicherungssysteme zu entwickeln. Die EU kann diesbezüglich am besten einen Mehrwert erbringen, indem sie den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren im Rahmen der Methode der offenen Koordinierung unterstützt (2).

1.3.3

Die Kommission sollte sich darum bemühen, die Gründe für die mangelnde Beteiligung mitarbeitender Ehepartner an der formellen Wirtschaft und im Rahmen freiwilliger Sozialversicherungsregelungen zu untersuchen, und sich auch mit den Problemen befassen, die entstehen, wenn Partner sich im Privatleben trennen, doch die geschäftliche Partnerschaft fortsetzen.

2.   Hintergrund

2.1

Frauen spielen in der Gesellschaft sowohl in sozialer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine aktive Rolle - häufig ohne Anerkennung, Vergütung oder rechtlichen Status. Die EU muss ihre Anstrengungen besonders auf die Umsetzung der Lissabon-Strategie ausrichten, und dazu wird u.a. empfohlen, die Frauenerwerbstätigkeit und die Zahl der Unternehmer sowie insbesondere der Unternehmerinnen zu steigern.

2.2

Mit der vorgeschlagenen neuen Richtlinie zur Ersetzung der Richtlinie 86/613/EWG sollen bestehende Lücken in den Bereichen selbstständige Erwerbstätigkeit und mitarbeitende Ehepartner in Familienunternehmen durch folgende Maßnahmen geschlossen werden:

Verbesserung des Mutterschutzes durch die Festlegung von Mutterschutzbestimmungen für selbstständig erwerbstätige Frauen;

Ermöglichung einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit zur Pflege von Familienangehörigen;

Anerkennung des Beitrags mitarbeitender Ehepartner durch die Schaffung der Möglichkeit, das gleiche Maß an sozialem Schutz in Anspruch zu nehmen wie ihr selbstständig erwerbstätiger Partner;

Festschreibung der Zuständigkeit nationaler Gleichbehandlungsstellen in diesem Bereich.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Jede Bemühung der Europäischen Kommission, die Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und mehr Möglichkeiten für Frauen zu schaffen, die unselbstständig, selbstständig oder unternehmerisch tätig werden wollen, ist zu begrüßen. Dort, wo Änderungen vorgenommen werden, sollte jedoch abgewogen werden, welche Auswirkungen sie in Bezug auf Kosten, Zeit und Ressourcen für alle Betroffenen haben.

3.2

Wenn tatsächlich etwas für die Rechte getan werden soll, müssen die vorgeschlagenen Maßnahmen eindeutig, praxisorientiert und durchsetzbar sein. Leider scheint die vorgeschlagene Richtlinie diesbezüglich keinen wesentlichen Nutzen für die Beseitigung bestehender Ungleichheiten zu erbringen. Überdies ist der Vorschlag insofern verwirrend, als in ein und demselben Dokument neben drei verschiedenen Themen auch die Gleichbehandlungsstellen behandelt werden sollen.

3.3

Der Rechtsrahmen der EU verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts durch eine Reihe legislativer Maßnahmen. Alle europäischen Statistiken belegen jedoch, dass Frauen nach wie vor schlechter bezahlt werden als Männer und in der Politik, auf dem Arbeitsmarkt, in Führungspositionen und als Unternehmer unterrepräsentiert sind. In all diesen Bereichen ist eine konsequentere Durchsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften vonnöten, und die Kommission sollte sich zunächst mit der unzureichenden Umsetzung des geltenden Gleichstellungsrechts beschäftigen.

3.4

Bei ihren Bemühungen zur Steigerung der Zahl der Unternehmer und insbesondere der Unternehmerinnen muss die EU den Werten Rechnung tragen, die für potenziell selbstständig Erwerbstätige wichtig sind (3). Möglicherweise hat die Festlegung von Mutterschutzbestimmungen keinerlei Einfluss darauf, wie viele Frauen eine unternehmerische Tätigkeit in Erwägung ziehen. Aus eigenen Daten der Kommission geht hervor, dass die Zahl der Unternehmensneugründungen, sei es durch Männer oder Frauen, rückläufig ist, was auf die negative Einstellung zur selbstständigen Erwerbstätigkeit in Europa zurückzuführen ist. Um entscheidende Veränderungen zu bewirken, ist ein Mentalitätswandel erforderlich. Beispielsweise im Rahmen des „Small Business Act“ (4) könnten umfassendere Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmerinnen vorgesehen werden.

3.5

Der Sozialschutz fällt in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. Die Überarbeitung der Richtlinie wird derzeit nicht von allen Mitgliedstaaten befürwortet, so dass die Gefahr besteht, dass sie auf europäischer Ebene wirkungslos bleibt und somit sinnlos ist. Um tatsächlich etwas zu bewirken, müsste die vorgeschlagene Richtlinie grundlegend verbessert werden, Mindestschutznormen umfassen und in allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Allgemein sind die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zu einengend und werden der Bandbreite der Sozialschutzsysteme der Mitgliedstaaten ebenso wenig gerecht wie den Grundsätzen einer besseren Rechtsetzung.

3.6

In der Regel unterliegen kleine Unternehmen und selbstständig Erwerbstätige, insbesondere im Agrar- und Handwerkssektor sowie im Bereich der KMU, finanziellen Einschränkungen und könnten zusätzliche Belastungen jeglicher Art negativ aufnehmen, auch wenn durch Sozialschutzbestimmungen ein Sicherheitsnetz für potenzielle Mütter bzw. mitarbeitende Ehepartner geschaffen werden könnte. Jegliche Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge bzw. der Verwaltungslasten allgemein - sei es für den Staat oder für die Unternehmen - müssen sorgfältig abgewogen werden.

3.7

Die neue Richtlinie zielt mit den vorgeschlagenen Änderungen darauf ab, die Gleichstellungsagenda voranzubringen, jedoch wird darin wenig auf Elternurlaub bzw. auf Vaterschaftsurlaub selbstständig erwerbstätiger Männer Bezug genommen.

3.8

Im Einklang mit dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes  (5) sollte die Kommission in einem parallelen Verfahren die Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen auf die Kinder analysieren. Es muss gewährleistet sein, dass Kinder gut betreut aufwachsen können und ihr persönliches Wohlergehen gesichert ist.

4.   Bemerkungen

4.1

Die Kommission hat mit der Anhörung zahlreicher interessierter Kreise eine umfangreiche Folgenabschätzung zu der vorgeschlagenen Richtlinie durchgeführt. Nach der Prüfung der Folgenabschätzung ist der EWSA der Ansicht, dass allzu viele Fragen unbeantwortet geblieben sind, insbesondere was die tatsächliche Wirksamkeit, die Verständlichkeit und die Umsetzung der vorgeschlagenen überarbeiteten Fassung angeht.

4.2

Die selbstständige Erwerbstätigkeit lässt sich in verschiedene Kategorien unterteilen: Unternehmer, Firmeninhaber, Freiberufler, Heimarbeiter und die so genannten Scheinselbstständigen, die als Subunternehmer ihres früheren Arbeitgebers nunmehr eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben. Selbstständig Erwerbstätige und mitarbeitende Ehepartner müssen jedoch frei über die Art des gewünschten Mutterschutzes entscheiden können, da so ihre Entscheidung für Eigenständigkeit und Unabhängigkeit - per definitionem kennzeichnend für den Status Selbstständiger - respektiert wird. Die Verpflichtung selbstständig erwerbstätiger Frauen zu einem längeren Mutterschutz wäre nicht mit einer reibungslosen Geschäftstätigkeit vereinbar und würde oftmals das Überleben ihres Unternehmens gefährden. Folglich sollte in der vorgeschlagenen Richtlinie jeder direkte Bezug auf die Mutterschutz-Richtlinie 92/85/EG vermieden werden. Es wäre daher unangemessen, eine Anpassung der Mutterschutzregelung für selbstständig Erwerbstätige und mitarbeitende Ehepartner an die für abhängig Beschäftigte geltende Regelung anzustreben.

4.3

Es muss verdeutlicht werden, wie die Mitgliedstaaten den in Artikel 7 Absatz 1 beschriebenen Mutterschaftsurlaub für nicht abhängig beschäftigte Frauen regeln würden. Die selbstständig erwerbstätigen und mitarbeitenden Frauen bestimmen selbst ihre Arbeitszeiten und können selbst entscheiden, wann sie ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen wollen. Es muss ihnen darauf nicht erst ein Anspruch eingeräumt werden.

4.4

Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten nicht nur die Zahlung einer Geldleistung, sondern auch eine Unterstützung in Form einer zeitlich befristeten Vertretung erwägen. Für selbstständig erwerbstätige Frauen und mitarbeitende Ehepartnerinnen sind unterstützende Vertretungsregelungen ebenso wichtig wie Geldleistungen. In der Richtlinie sollte jede Prioritätenfolge für diese Leistungen vermieden werden. Des Weiteren sollte die Höhe der angemessenen Geldleistung auf nationaler Ebene unter Berücksichtigung des objektiven Unterschieds zwischen selbstständig Erwerbstätigen und mitarbeitenden Ehepartnern festgelegt werden.

4.5

Es ist zu prüfen, wie sich Artikel 7 Absatz 4 - er sieht eine besondere Unterstützung bei der Suche nach einer Mutterschaftsvertretung vor - auf mitarbeitende Ehepartnerinnen auswirkt. Diese Verpflichtung gibt es nicht für abhängig Beschäftigte in einem Unternehmen und sie wäre im Fall von mitarbeitenden Ehepartnerinnen mit einem hohen Finanz- und Verwaltungsaufwand - insbesondere für kleine Unternehmen, aber auch den Staat - verbunden.

4.6

Klärungsbedürftig ist Artikel 7 Absatz 2, wonach eine angemessene Sozialleistung während des Mutterschutzes bedingungslos gezahlt wird. Dahingegen sollen laut Artikel 6 mitarbeitende Ehepartner „unter den gleichen Bedingungen, die für selbstständige Erwerbstätige gelten“ sozialen Schutz erhalten und laut Artikel 11 Absatz 4 der Richtlinie über schwangere Arbeitnehmerinnen die Mitgliedstaaten die Gewährung von Mutterschutzleistungen an bestimmte Bedingungen knüpfen können.

4.7

Selbstständig Erwerbstätige arbeiten in der Regel mehr Stunden als abhängig Beschäftigte, so dass bei selbstständig erwerbstätigen Frauen zusätzlich noch der Aspekt der Kinderbetreuung zu berücksichtigen ist. Die Kommission empfiehlt jedoch keine Vorkehrungen für Kinderbetreuung und geht auch nicht auf die Betreuungsverpflichtungen selbstständig Erwerbstätiger ein. Alle Mitgliedstaaten sollten für eine allgemein zugängliche, erschwingliche, hochwertige Kinderbetreuung sorgen, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für selbstständig Erwerbstätige und mitarbeitende Ehepartner ebenso zu fördern wie für Arbeitnehmer.

4.8

Generell soll die Richtlinie die Gleichstellung von selbstständig Erwerbstätigen und mitarbeitenden Ehepartnern verbessern. Des Weiteren hofft die Kommission, dass durch die vorgeschlagene Richtlinie die Zahl der selbstständig erwerbstätigen Frauen zunimmt, mitarbeitende Ehepartner einen anerkannten Status erhalten, mehr mitarbeitende Ehepartner Sozialschutz erhalten und selbstständig Erwerbstätigen und mitarbeitenden Ehepartnern wirksame Rechtsmittel an die Hand gegeben werden. Allerdings ist Folgendes anzumerken:

Die Gleichstellung wird durch das geltende gemeinschaftliche Gleichstellungsrecht geregelt;

die Zahl der selbstständig erwerbstätigen Frauen dürfte kaum aufgrund geringfügiger Sozialschutzmaßnahmen steigen, da sie bereits in fast jedem Mitgliedstaat freiwillige Sozialversicherungsbeiträge zahlen können;

trotz der Zahlung freiwilliger Sozialversicherungsbeiträge würden mitarbeitende Ehepartner keinen rechtlichen Status und keine wirksamen Rechtsmittel erhalten.

4.9

In 18 von 27 Mitgliedstaaten können mitarbeitende Ehepartnerinnen und selbstständig erwerbstätige Frauen bereits freiwillige Beiträge im Hinblick auf Mutterschaftsleistungen zahlen. Diese Maßnahme muss auf alle Mitgliedstaaten ausgedehnt werden, damit die Betroffene auf Wunsch Sozialversicherungsbeiträge zahlen und Sozialleistungen erhalten kann. Es ist inakzeptabel, dass ein Mitgliedstaat diejenigen diskriminieren kann, die Beiträge zum nationalen Sozialversicherungssystem zahlen, seien es Arbeitnehmer, selbstständig Erwerbstätige oder - der gegenwärtige Status mitarbeitender Ehepartner - nicht Erwerbstätige.

4.10

In Artikel 6 der vorliegenden Richtlinie würde eine völlig neue Kategorie Sozialversicherter eingeführt (weder Arbeitnehmer, selbstständig Erwerbstätige noch freiwillig Versicherte). Der Ausschuss hält diese komplett neuartigen Sozialversicherungs- und Mutterschaftsleistungen jedoch nicht für gerechtfertigt.

4.11

Mitarbeitende Ehepartner sind Teil einer „unsichtbaren“ Wirtschaft, die zu Europa beiträgt und dabei versteckt bleibt. Ihr rechtlicher Status - als selbstständig Erwerbstätige oder als Arbeitnehmer - muss erörtert werden. In der geltenden, seit 1986 nicht überarbeiteten Richtlinie heißt es: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen die Anerkennung der Arbeit, die von den in Artikel 2 Buchstabe b) genannten Ehegatten geleistet wird, gefördert werden kann, und im Lichte dieser Prüfung alle Maßnahmen zu untersuchen, die geeignet sind, diese Anerkennung zu erleichtern“. Nur wenige Länder (6) sind dieser Verpflichtung nachgekommen, da der Rechtsstatus nicht eindeutig ist, und die Richtlinie sollte daher erst dann überarbeitet werden, wenn ein anerkannter Status definiert wurde. Sobald der Rechtsstatus festgelegt ist, müssen die mitarbeitenden Ehepartner durch geeignete Informationskanäle über ihre legalen Rechte unterrichtet werden.

4.12

Der Ausschuss kann nachvollziehen, dass einige Mitgliedstaaten die gewählte Rechtsgrundlage - insbesondere den Anwendungsbereich und die Angemessenheit des alleinigen Artikels 141 des EG-Vertrags, vor allem hinsichtlich Artikel 6 der vorgeschlagenen Richtlinie - in Frage stellen. Der Ausschuss fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Stellungnahme der rechtlichen Dienste des Rates vor der Umsetzung der vorgeschlagenen Richtlinie zu berücksichtigen.

4.13

Andernfalls wird gewiss eine ähnliche Situation eintreten wie 1994, als die Kommission in dem Bericht (7) über die Umsetzung der Richtlinie 86/613/EWG zu folgendem Schluss kam: „Aus rein rechtlicher Sicht hat es den Anschein, als sei die Richtlinie 86/613/EWG in den Mitgliedstaaten umgesetzt worden. Das Ergebnis in der Praxis ist jedoch nicht ganz zufrieden stellend, gemessen an den wichtigsten Zielsetzungen der Richtlinie, die eine allgemeine Verbesserung der Stellung mithelfender Ehegatten anstrebten“. Ferner wird in dem Bericht bemängelt, dass es keine Globalpolitik zur Behandlung der Situation mitarbeitender Ehepartner gebe, und es wird unterstrichen, dass „im Hinblick auf das Ziel der Anerkennung der vom Ehegatten geleisteten Arbeit […] die Auffassung vertretbar ist, wonach diese Anerkennung nur durch die Erlangung eigener Sozialversicherungsansprüche erreicht werden kann.“

4.14

Artikel 2 der vorgeschlagenen Neufassung enthält sämtliche Definitionen für die in der Richtlinie verwendeten Begriffe. Die Definitionen für „selbstständige Erwerbstätige“ und „mitarbeitende Ehepartner“ stammen aus Artikel 2 der Richtlinie 86/613/EWG. Die Definition für „mitarbeitende Ehepartner“ wurde abgeändert: Die Wörter „mitarbeitend“ und „bzw. […] Lebenspartner“ wurden hinzugefügt. Hiermit sollen - unabhängig vom Familienstand - sämtliche nach innerstaatlichem Recht als „Lebenspartner“ anerkannte Personen, die sich regelmäßig an der Tätigkeit des Familienunternehmens beteiligen, in den Geltungsbereich der Richtlinie aufgenommen werden. Zur Beseitigung der Mehrdeutigkeit wurde in der englischen Fassung „partner“ durch „business partner“ ersetzt (in der deutschen Fassung steht weiterhin „Gesellschafter“) (8). Ohne einen eigenen Rechtsstatus werden mitarbeitende Ehe- bzw. Lebenspartner aber auch künftig ihre Unternehmensbeteiligung nur schlecht vor Gericht nachweisen können, und sie haben im Todes-, Trennungs- oder Streitfall keinen Schutz.

4.15

In der Neufassung wird der Urlaub zur Pflege von Familienangehörigen erwähnt, ohne dass auf praktische Maßnahmen eingegangen würde. Dies ist in einem Europa mit einer alternden Bevölkerung inakzeptabel. Es werden Maßnahmen benötigt, damit Männer und Frauen ihre älteren Familienangehörigen pflegen und ihre kleinen Kinder (insbesondere behinderte Kinder) betreuen können.

4.16

Die Kommission muss diese Thematik unabhängig von der Neufassung der Richtlinie erörtern, da sie angesichts der demografischen Entwicklung in Europa immer wichtiger wird. Ohne ernsthafte Debatte über die Pflege älterer Menschen und über die Betreuung kleiner Kinder werden der Wirtschaft in den kommenden Generationen immer mehr Arbeitstage von abhängig Beschäftigten und selbstständig Erwerbstätigen verloren gehen.

4.17

Während der Anhörung der Zivilgesellschaft im Ausschuss wurde der Begriff Scheinselbstständigkeit hervorgehoben. Angesichts der besorgniserregenden Entwicklung sollten die zuständigen Gremien der EU diese Thematik vertiefen. Der Ausschuss ist bereit, die Kommission dabei zu unterstützen.

Brüssel, den 24. März 2009.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, und zur Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG“, KOM(2008) 636 endg. - 2008/0192 (COD).

(2)  In Belgien, Luxemburg und Frankreich bestehen gute Modelle für die Einbeziehung mitarbeitender Ehepartner.

(3)  Siehe z.B. folgende Stellungnahmen des EWSA zur Förderung des Unternehmergeistes in Bildung und Ausbildung:

„Beschäftigungsfähigkeit und Unternehmergeist - die Rolle der Zivilgesellschaft, der Sozialpartner und der regionalen und lokalen Einrichtungen unter Berücksichtigung des Gender Mainstreamings“, verabschiedet, Berichterstatter: Herr PARIZA CASTAÑOS (ABl. C 256 vom 27.10.2007);

„Unternehmergeist und Lissabon-Agenda“, verabschiedet, Berichterstatterin: Frau SHARMA, Mitberichterstatter: Herr OLSSON (ABl. C 44 vom 15.1.2008);

„Förderung des Unternehmergeistes der Frauen im Europa-Mittelmeerraum“, verabschiedet, Berichterstatter: Herr ATTARD (ABl. C 256 vom 27.10.2007);

„Förderung des Unternehmergeistes in Unterricht und Bildung“, verabschiedet, Berichterstatterin: Frau JERNECK (ABl. C 309 vom 16.12.2006).

(4)  „Vorfahrt für KMU in Europa - Der ‚Small Business Act‘ für Europa“, KOM(2008) 394 endg. vom 25.6.2008.

(5)  Übereinkommen über die Rechte des Kindes, am 20. November 1989 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet (Resolution 44/25) und im Einklang mit Artikel 49 am 2. September 1990 in Kraft getreten. Der Wortlaut ist u.a. abrufbar unter: http://www.unicef.de/fileadmin/content_media/projekte/themen/PDF/UN-Kinderrechtskonvention.pdf.

(6)  Namentlich Belgien, Luxemburg und Frankreich.

(7)  Bericht der Kommission über die Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 11. Dezember 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbstständige Erwerbstätigkeit - auch in der Landwirtschaft - ausüben, sowie über den Mutterschutz - KOM(94) 163 (Teil II: Schlussfolgerungen, Ziffern 1 und 4).

(8)  KOM(2008) 636 endg., Begründung, Ziffer 5.


ANHANG

zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Die folgenden Änderungsanträge, auf die mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen entfiel, wurden im Verlauf der Beratungen abgelehnt (Artikel 54 Absatz 3 der Geschäftsordnung):

Ziffer 1.1.2

Ändern wie folgt:

Die Kommission sollte jeden der drei in der Richtlinie genannten Einzelbereiche gesondert prüfen, um zu gewährleisten, dass sie im Gleichstellungskontext gebührend berücksichtigt werden. Auch wenn dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss klar ist, dass der Sozialschutz in den Aufgabenbereich der GD Beschäftigung fällt, möchte er betonen, dass die selbstständige Erwerbstätigkeit und die abhängige Beschäftigung nicht über einen Leisten geschlagen werden sollte. Auf diesen Unterschied nimmt der Kommissionsvorschlag auch Rücksicht, da selbstständig erwerbstätige Frauen nur auf Antrag einen Mutterschutzurlaub in der selben Länge wie in der Mutterschutz-Richtlini 92/85/EG haben und somit kein grundsätzliches Beschäftigungsverbot besteht und die oben angesprochene Personengruppe ein Wahlrecht zwischen einer Vertretung oder einer Sozialleistung haben soll.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 72 Nein-Stimmen: 73 Stimmenthaltungen: 8

Ziffer 4.11

Streichen wie folgt:

Mitarbeitende Ehepartner sind Teil einer ‚unsichtbaren‘ Wirtschaft, die zu Europa beiträgt und dabei versteckt bleibt. Ihr rechtlicher Status - als selbstständig Erwerbstätige oder als Arbeitnehmer - muss erörtert werden. In der geltenden, seit 1986 nicht überarbeiteten Richtlinie heißt es: ‚Die Mitgliedstaaten verpflichten sich zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen die Anerkennung der Arbeit, die von den in Artikel 2 Buchstabe b) genannten Ehegatten geleistet wird, gefördert werden kann, und im Lichte dieser Prüfung alle Maßnahmen zu untersuchen, die geeignet sind, diese Anerkennung zu erleichtern‘. Nur wenige Länder  (1) sind dieser Verpflichtung nachgekommen, da der Rechtsstatus nicht eindeutig ist, und die Richtlinie sollte daher erst dann überarbeitet werden, wenn ein anerkannter Status definiert wurde. Sobald der Rechtsstatus festgelegt ist, müssen die mitarbeitenden Ehepartner durch geeignete Informationskanäle über ihre legalen Rechte unterrichtet werden.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 68 Nein-Stimmen: 73 Stimmenthaltungen: 11


(1)  Namentlich Belgien, Luxemburg und Frankreich.


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