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Document 52007AE1449

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Fortschrittsbericht Biokraftstoffe — Bericht über die Fortschritte bei der Verwendung von Biokraftstoffen und anderen erneuerbaren Kraftstoffen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union KOM(2006) 845 endg.

OJ C 44, 16.2.2008, p. 34–43 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

16.2.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 44/34


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Fortschrittsbericht Biokraftstoffe — Bericht über die Fortschritte bei der Verwendung von Biokraftstoffen und anderen erneuerbaren Kraftstoffen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union“

KOM(2006) 845 endg.

(2008/C 44/10)

Die Kommission beschloss am 10. Januar 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 5. September 2007 an. Berichterstatter war Herr IOZIA.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 439. Plenartagung am 24./25. Oktober 2007 (Sitzung vom 24. Oktober) mit 142 gegen 13 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss schenkt den mit der Energieeffizienz, dem Klimawandel und der Reduzierung der Treibhausgase verbundenen Themen größte Beachtung und stimmt generell den Schlussfolgerungen der Frühjahrstagung des Europäischen Rates vom 8./9. März zu, in denen die drei Pfeiler der europäischen Energiepolitik bekräftigt worden sind:

Sicherstellung der Versorgungssicherheit;

Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften und Verfügbarkeit von Energie zu erschwinglichen Preisen;

Förderung der Umweltverträglichkeit und Bekämpfung des Klimawandels.

1.2

In dem Fortschrittsbericht Biokraftstoffe stellt die Kommission fest, dass sich ohne verbindliche Ziele kein zufrieden stellender Anteil von Biokraftstoffen erreichen lässt. Da sich das Ziel eines Marktanteils von 5,75 % bis 2010 als nicht realisierbar erwiesen hat, muss zur Erfüllung der Forderungen des Rates ein erreichbares Ziel gesetzt werden — nach Ansicht der Kommission ein Marktanteil von 10 % bis 2020 —, indem von der in Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 2003/30/EG vorgesehenen Möglichkeit, der so genannten „Überprüfungsklausel“, Gebrauch gemacht wird. Eigenartigerweise hebt die Kommission die Vorteile auf der Grundlage eines Szenarios mit einem Biokraftstoffanteil von 14 % hervor, während das erklärte Ziel 10 % sind, und zeigt unrealistische Ergebnisse auf, die als eine Art „Verschönerung“ der Mitteilung dienen.

1.3

Es spricht Vieles gegen den Einsatz der Biokraftstoffe der ersten Generation, die nicht ganz den europäischen Zielen entsprechen. Ihre Produktions- und Umweltkosten sind nämlich hoch, außerdem geht den Menschen und Tieren dadurch Getreide als Nahrungsmittel verloren und laut der FAO sind sie für den Anstieg der Getreidepreise auf den Weltmärkten mitverantwortlich.

1.4

Der Einsatz der Biokraftstoffe der ersten Generation birgt daher ethische Probleme in sich wie die Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel und Kraftstoff, die die Kommission zu bagatellisieren scheint. Der Ausschuss unterstreicht, dass eine engere Zusammenarbeit mit internationalen Institutionen und Agenturen erforderlich ist, die im Bereich Landwirtschaft und Ernährung tätig sind, z.B. die FAO und das WFP (Welternährungsprogramm).

1.5

Weder in der Mitteilung der Kommission noch in der dazugehörigen Folgenabschätzung sind nennenswerte Hinweise auf Risikofaktoren zu finden.

Was Biodieselkraftstoff anbelangt, so werden insbesondere folgende Probleme betont:

begrenzte Wirtschaftlichkeit,

hohe Kosten (0,4-0,7 EUR/l),

Stabilitätsprobleme (enthält Oxidgruppen) mit entsprechenden Lagerungsproblemen.

Hinsichtlich Bioethanol werden hingegen die nachstehenden Probleme festgestellt:

begrenzte Wirtschaftlichkeit (wenn auch in geringerem Maße als Biodiesel),

erhöhter Wasser- und Düngemittelverbrauch,

nicht für die Beförderung der derzeit für Kraftstoffe auf Erdölbasis verwendeten Pipelines geeignet (Korrosionsgefahr).

1.6

Der Ausschuss betont, dass neben den sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen auch die mit der Entwicklung der Biokraftstoffe verbundenen technischen Probleme sorgfältig geprüft werden müssen. Insbesondere stellt sich die Frage der Ergiebigkeit der für die Gewinnung von Biokraftstoffen verwendeten Rohstoffe: aus einer Tonne Zuckerrüben lassen sich ca. 400 Liter Bioethanol gewinnen (ca. 1 500 Mcal). Dieses Verhältnis erscheint wenig vorteilhaft und die Effizienz ist gering, wenn man die für die Umwandlung der Biomasse in Biokraftstoff erforderliche Energie betrachtet. Es wäre erheblich sinnvoller, die Biomasse direkt für die Erzeugung elektrischer Energie oder von Heizwärme bzw. im Seeverkehr und im ÖPNV einzusetzen.

1.7

Der Ausschuss betont, dass aus streng ökologischer Sicht den mit der Abholzung und der Lagerung der Rohstoffe verbundenen Risiken Rechnung getragen werden muss. Den damit einhergehenden biologischen und biochemischen Risiken muss entschieden und gewissenhaft entgegengewirkt werden.

1.8

Darüber hinaus wirft der Ausschuss die Frage der „wissenschaftlichen Ethik“ auf. Der Planet Erde ist ein offenes System, das sich unaufhaltsam auf einen Gleichgewichtszustand zubewegt, der zugleich sein Ende bedeuten wird. Es ist Aufgabe der Wissenschaft, diesen Niedergang aufzuhalten, und Sache der Politik, die diesbezüglichen Aktivitäten und Studien zu fördern.

1.9

Der Ausschuss empfiehlt, eine Analyse im Bereich der Verbrennungschemie durchzuführen, um zu prüfen, ob bei Verbrennungsvorgängen, an denen andere Moleküle als Kohlenwasserstoff beteiligt sind, freie Radikale entstehen oder freigesetzt werden, die für den oxidativen Stress verantwortlich sind, der als pathologische Vorstufe zu schwereren Erkrankungen gilt. Diese Empfehlung ist deswegen gerechtfertigt, weil nur wenige einschlägige Daten vorliegen.

1.10

Der Ausschuss hält es für unerlässlich, besonderes Augenmerk auf die Pflege und den Schutz der Böden zu richten. Sie müssen geschützt werden, weil sie unser Überleben sichern. Der immer stärker absinkende Grundwasserspiegel und die fortschreitende Verschlechterung der Grundwasserqualität sind auf unvernünftige Flächennutzungsstrategien zurückzuführen, die zu Bodenverarmung führen. Es muss für einen Fruchtwechsel gesorgt werden, um die Revitalisierung der Böden zu fördern.

1.11

Der Ausschuss empfiehlt der Kommission und allen europäischen Institutionen, besonders auf das Problem des Wasserbedarfs für die Biokraftstoffherstellung zu achten. Unter den zahlreichen negativen Folgen des Klimawandels kann der Rückgang der Wasserressourcen dramatische Ausmaße annehmen, vor allem in einigen Regionen. Den Berechnungen neuester Studien des Internationalen Wasserwirtschaftsinstituts (International Water Management Institute — IWMI) zufolge werden je nach Produktart und Produktionsgebiet für die Herstellung von einem Liter Biokraftstoff mindestens 1 000 und bis zu 4 000 Liter Wasser benötigt.

1.12

Ungeachtet dieser Probleme, die durch die Ergreifung von Maßnahmen zur Überwachung und Zertifizierung der Verfahren zur Herstellung von Biokraftstoffen abgemildert werden könnten, eventuell mit Hilfe von Systemen zur Rückverfolgbarkeit der Produkte, ist der Ausschuss der Auffassung, dass Forschung und Entwicklung im Bereich der Biokraftstoffe der zweiten und auch der dritten Generation, wie Biobutanol, weiter vorangetrieben werden müssen. Der niedrige Dampfdruck des Biobutanols und seine hohe Toleranz gegenüber Wasserverunreinigungen in Ottokraftstoffgemischen ermöglichen seinen Einsatz in bestehenden Kraftstoffliefer- und -vertriebskanälen. Biobutanol kann Benzin in höheren Konzentrationen als bisherige Biokraftstoffe beigemischt werden, ohne dass die Fahrzeuge nachgerüstet werden müssen. Darüber hinaus bietet es einen günstigeren Kraftstoffverbrauch als Benzin-Ethanol-Gemische und verbessert so die Energieeffizienz und den Kraftstoffverbrauch pro Liter. Dank der Nutzung von Abfällen und biochemischen Prozessen, um die natürlichen Verfahren zum Zelluloseabbau zu fördern, die komplex und kostenintensiv sind, sind die Kraftstoffe der neuen Generation energieeffizient und umweltfreundlich.

1.13

Der Ausschuss prüft auch die Möglichkeiten, die die Entwicklung der Biokraftstoffe der europäischen Wirtschaft bieten könnte, indem sie zur Verwirklichung der Ziele der Lissabon-Agenda beiträgt. Zwar ist dieser Maßnahmenbereich ausdrücklich im 7. Rahmenprogramm vorgesehen, doch sollte für ein besseres Zusammenspiel der verschiedenen betroffenen Akteure gesorgt werden: Landwirte, Verarbeitungsindustrie, aber auch Umwelt- und Landschaftsschutzorganisationen und Arbeitnehmerverbände, die immer größeres Interesse daran zeigen, die Fragen der nachhaltigen Entwicklung mit immer fortschrittlicheren Modellen der sozialen Verantwortung von Unternehmen zu verbinden.

1.14

Die Möglichkeiten, die die Landwirtschaft in der Entwicklung der Biokraftstoffe sieht, müssen gefördert werden, vorausgesetzt die Landwirte setzen sich dafür ein, unsere Naturschätze zu schützen und unsere gemeinsamen Ressourcen wie das Wasser und die Nahrungsmittel für Mensch und Tier zu schonen. Es ist Aufgabe der Landwirtschaftsverbände, für die Verbreitung der von der internationalen Gemeinschaft für die Produktion von und den Handel mit Biokraftstoff aufgestellten Regeln in der Landwirtschaft zu sorgen. Die Verbreitung der Praktiken der Zertifizierung und der Rückverfolgbarkeit sowie die Konformitätskontrolle sind Themen, bei denen ein entscheidender Beitrag von den verschiedenen Landwirtschaftsorganisationen erwartet wird, sowohl auf europäischer als auch auf einzelstaatlicher und lokaler Ebene. Der Ausschuss ist bereit, in dieser Frage und anderen mit der Energieeffizienz, der Reduzierung der Treibhausgase und dem Klimawandel zusammenhängenden Fragen mit den nationalen WSR zusammenzuarbeiten: Letztere haben bereits mehrfach starkes Interesse gezeigt und sind aktiv an der Erarbeitung einiger EWSA-Stellungnahmen beteiligt.

1.15

Was die steuerliche Behandlung anbelangt, insbesondere die Verbrauchsteuern für Biokraftstoffe und die Vergünstigungen, die den Landwirten, der Autoindustrie zur Finanzierung der erforderlichen Forschungsarbeiten, den Verbrauchern für die bei nicht für Biokraftstoff ausgelegten Fahrzeugen notwendigen Umbaumaßnahmen und den Biokraftstofferzeugern selbst gewährt werden, so liegt auf der Hand, dass die Liste der Kandidaten für staatliche Förderung endlos ist. In Deutschland, wo vor kurzem die Steuervergünstigungen deutlich reduziert worden sind, ist es zu einem sofortigen Rückgang des Verbrauchs und ebenso prompten Protesten seitens der Industrie gekommen. Für die Tätigung von Investitionen sind Sicherheit und Stabilität vonnöten, im Biokraftstoffbereich gibt es aber noch so gut wie keine Märkte. Es bleibt jedoch eine Tatsache, dass etwaige Fördermaßnahmen keine Wettbewerbsverzerrungen bewirken dürfen.

1.16

Der Verkehrssektor unterliegt nicht dem Emissionshandelssystem. Der Ausschuss empfiehlt der Kommission, die Möglichkeit zu prüfen, das System der Emissionszertifikate auf diesen Sektor auszudehnen, da sie einen weiteren Anreiz dafür bieten können, die Suche nach neuen Lösungen zur Reduzierung schädlicher Emissionen effizienter zu gestalten. In einer auf Ersuchen von Vizepräsident Jacques Barrot erarbeiteten einschlägigen Sondierungsstellungnahme will der Ausschuss eine Arbeitshypothese aufstellen.

1.17

Der Ausschuss stimmt der Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Strategie für Biomasse und Biokraftstoffe zu. Darin fordert das Parlament die Kommission auf, eine obligatorische und umfassende Zertifizierung einzuführen, die eine in allen Phasen nachhaltige Erzeugung von Biokraftstoffen erlaubt, und die Entwicklung und den Einsatz des GMES-Systems der globalen Umwelt- und Sicherheitsüberwachung zur Überwachung der Flächennutzung für die Erzeugung von Bioethanol zu unterstützen, um die Vernichtung der Regenwälder und andere negative Umweltfolgen zu verhindern.

1.18

In Anbetracht der in dieser Stellungnahme beschriebenen Probleme legt der Ausschuss der Kommission dringend nahe, das 10 %-Ziel immer wieder auf den Prüfstand zu stellen und sich nicht zu scheuen, Vorschläge zu seiner Anpassung zu unterbreiten, wenn die Probleme nicht auf zufriedenstellende, nachhaltige Weise gelöst werden können.

2.   Mitteilung der Kommission

2.1

In der Einleitung zu ihrem „Fortschrittsbericht Biokraftstoffe“ unterstreicht die Kommission, dass für den Zeitraum 2005 bis 2020 allein im Verkehrssektor ein Anstieg der jährlichen Treibhausgasemissionen (in diesem Fall ausschließlich CO2) um 77 Mio. Tonnen pro Jahr prognostiziert wird, d.h. sie machen mehr als 60 % des auf 126 Mio. Tonnen pro Jahr geschätzten Gesamtanstiegs der Emissionen aus.

2.2

Als ein weiterer kritischer Faktor wird die nahezu völlige Abhängigkeit des Verkehrssektors von Erdöleinfuhren hervorgehoben. Öl ist die Energiequelle, bei der in puncto Versorgungssicherheit das Risiko am größten ist. Durch einen deutlich höheren Einsatz von Biokraftstoffen dürfte sich diese Abhängigkeit verringern.

2.3

Die Vorteile der Entwicklung der Biokraftstoffe hinsichtlich der Verringerung der Treibhausgase gehen verloren, wenn beispielsweise bereits bestehende Kulturen umgestellt oder für den Anbau Flächen mit einer besonders reichen Artenvielfalt wie Regenwälder genutzt werden.

2.4

Im Jahr 2001 betrug der Marktanteil der Biokraftstoffe lediglich 0,3 % und nur 5 Mitgliedstaaten verfügten über Erfahrungen mit der Nutzung von Biokraftstoffen. In der Richtlinie 2003/30/EG werden diesbezüglich keine Auflagen gemacht, doch wird das Ziel vorgegeben, bis 2010 einen Marktanteil von 5,75 % aller Otto- und Dieselkraftstoffe zu erreichen, und das Zwischenziel eines Marktanteils von 2 % bis 2005 aufgestellt.

2.5

In der besagten Richtlinie wird der Kommission in einer entsprechenden Überprüfungsklausel (Artikel 4 Absatz 2) die Möglichkeit eingeräumt, im Falle einer starken und ungerechtfertigten Abweichung von der Zielvorgabe von 2 % einen Vorschlag mit verbindlichen einzelstaatlichen Zielen zu unterbreiten.

2.6

Die Gemeinsame Agrarpolitik spielt eine wesentliche Rolle, insbesondere seit der Reform von 2003, die dank der Entkoppelung der Zahlungen an Landwirte von den angebauten Kulturen eine Umstellung stillgelegter Flächen auf Non-Food-Pflanzen ermöglichte, die häufig der Erzeugung von Biokraftstoffen dienen.

2.7

Neben Maßnahmen zur Förderung der Holzenergie und den im Rahmen der Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums vorgesehenen Maßnahmen zur Förderung erneuerbarer Energien wird im Jahr 2007 eine Prämie für so genannte „Energiepflanzen“ vergeben (1).

2.8

Zwar wurden beim Einsatz von Biokraftstoff erhebliche Fortschritte erzielt, doch haben lediglich zwei Länder die Zielvorgaben erfüllt, woraus sich ein Gesamtergebnis von 1 % im Jahr 2005 mit einem Marktanteil von jeweils 1,6 % und 0,4 % bei Biodiesel und Bioethanol ergibt. Auf dieser Grundlage gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass das Ziel von 5,75 % bis 2010 nicht erreicht werden wird.

2.9

Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich konkrete Ergebnisse entweder durch Steueranreize ohne mengenmäßige Beschränkung erreichen lassen oder dadurch, dass den Lieferanten die Verpflichtung auferlegt wird, einen bestimmten Prozentsatz von Biokraftstoffen zu vermarkten. Die Kommission hält die Verpflichtungen für die wirkungsvollste Lösung.

2.10

Die Kommission erklärt in ihrer Mitteilung Folgendes: „Es bedarf dringend eines klaren Signals seitens der Union, dass sie fest entschlossen ist, ihre Abhängigkeit vom Öl im Verkehrsbereich zu reduzieren.“ Sie sieht die Nutzung der Biokraftstoffe als einzig gangbaren Weg; sie sind eine Absicherung gegen hohe Ölpreise.

2.11

Dieses Signal muss die Form rechtsverbindlicher Zielvorgaben annehmen, damit in glaubhafter Weise Druck auf die Erdölerzeuger ausgeübt wird, die allein im Verkehrssektor auf dem EU-Markt 300 Mio. Tonnen absetzen.

2.12

Die Strategie, in den 27 Mitgliedstaaten die gemeinsame Forschung und die technologische Entwicklung zu fördern, hat die größten Aussichten auf Erfolg. Ein Marktanteil von 10 % bis 2020 ist ein realistisches Ziel.

2.13

Ein sicherer Rechtsrahmen mit geringerem administrativem Aufwand, der Zwischenziele — beispielsweise für 2015 — vorgibt, ist erforderlich, damit die Kraftfahrzeughersteller ihre Konstruktionsprozesse anpassen können.

2.14

Bei der Analyse der wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen werden verschiedene Szenarien aufgestellt, die einerseits von der Entwicklung der Ölpreise, den Einfuhren und der Wettbewerbsfähigkeit der Agrarpreise abhängen und andererseits von der Entwicklung neuer Technologien, dank derer die Biokraftstoffe der „zweiten Generation“ gefördert werden könnten, die zu einer Senkung der Umweltkosten beitragen würden.

2.15

Hinsichtlich der Kosten dürfte ein hypothetischer Anstieg in der Biokraftstoffnutzung auf 14 % bei einem Ölpreis von 48 USD pro Barrel zu einem zusätzlichen Kostenaufwand von 11,7 bis 17,2 Mrd. EUR im Jahr 2020 führen; bei einem Ölpreis von 70 USD pro Barrel beliefen sich die Kosten auf 5,2 bis 11,4 Mrd. EUR. Die Neutralitätsschwelle für Biodiesel und Bioethanol liegt bei 69 bis 76 EUR bzw. 63 bis 85 EUR pro Barrel (Anm. d. Verf.: 92,76-102,18 und 84,76-114,28 USD/Barrel, Wechselkurs vom 25.5.2007 von 1,3444 USD für 1 EUR).

2.16

Die Reduzierung der Kosten für die Lagerung von Vorräten bringt bei einem Szenario von 14 % bis 2020 Einsparungen von bis zu 1 Mrd. EUR (Anm. d. Verf.: bei einem Szenario von 10 % 720 Mio.). Neben der angestrebten Vermarktung von Biokraftstoffen der zweiten Generation stellt ein Mix aus Versorgungsquellen in Drittländern und in EU-Mitgliedstaaten die beste Lösung dar.

2.17

Das vorgenannte Szenario hätte positive Auswirkungen auf die Beschäftigung (im Falle einer vorwiegend heimischen Produktion des Bioethanols würden 144 000 neue Arbeitsplätze geschaffen (Anm. d. Verf.: 100 000 Arbeitsplätze bei einem Szenario von 10 %) und das BIP der EU (Anstieg um 0,23 %). Durch den positiven Effekt der Forschungsergebnisse, insbesondere im Bereich der Biokraftstoffe der zweiten Generation, könnte schließlich bei erneuerbaren Energien eine Wettbewerbsfähigkeit auf hohem Niveau gesichert werden.

2.18

Auf der Basis der „Well-to-wheel“-Berechnungsmethode geht die Kommission davon aus, dass dank der heute verwendeten besseren und wirtschaftlich rentableren Techniken die Treibhausgasemissionen um etwa 35 bis 50 % zurückgehen werden. Die Gewinnung von Ethanol aus Zuckerrohr in Brasilien ermöglicht eine Verringerung dieser Emissionen um 90 %. Die Biodieselproduktion aus Palmöl und Soja bringt Treibhausgaseinsparungen von 50 bzw. 30 %. Die Biokraftstoffproduktion der zweiten Generation dürfte Einsparungen von 90 % bringen. Dem 14 %-Szenario zufolge dürfte die Treibhausgasreduzierung etwa 101 bis 103 Mio. Tonnen CO2eq ausmachen (Anm. d. Verf.: 71-75 Mio. Tonnen CO2eq bei einem Szenario von 10 %).

2.19

Was die ökologischen Auswirkungen anbelangt, wird in der Mitteilung davon ausgegangen, dass ein Biokraftstoffanteil von 14 % beherrschbar ist, sofern für den Anbau keine unangemessenen Flächen wie etwa Regenwald oder Habitate mit hohem Naturwert genutzt werden.

2.20

Die Kommission schließt ihren Bericht mit der Feststellung, dass die Entwicklung der Biokraftstoffe erhebliche Vorteile in Bezug auf die Treibhausgasemissionen und eine höhere Versorgungssicherheit bringen wird. Mit Hilfe einer gezielten Anreiz-/Förderpolitik dürfte dem Risiko der Umwandlung von Flächen mit großer biologischer Vielfalt oder der Anwendung ungeeigneter Systeme für die Herstellung von Biokraftstoffen begegnet und die Entwicklung der Biokraftstoffe der zweiten Generation gefördert werden können.

2.21

Zur Verwirklichung der vorgesehenen Ziele muss Folgendes geschehen:

Überarbeitung der Dieselnorm (EN590) und voraussichtlich der Benzinnorm (EN228), um die Möglichkeit der Beimischung von Biokraftstoff zu fossilen Kraftstoffen zu verbessern;

Durchführung (preiswerter) Anpassungen bei Neufahrzeugen;

Entwicklung der BtL-Technik (Biomass to liquid — Umwandlung von Biomasse in flüssige Biokraftstoffe);

Einführung des Holz- und Rapsanbaus;

kontinuierliche Überwachung der Umweltauswirkungen.

2.22

Schließlich schlägt die Kommission vor, die Biokraftstoffrichtlinie zu überarbeiten, die Mindeststandards für den Biokraftstoffanteil im Jahr 2020 auf 10 % festzusetzen und die Verwendung umweltverträglicher Biokraftstoffe mit einer guten Wirkungsbilanz sicherzustellen.

3.   Biokraftstoffe — einige technische Details

3.1

Die Herstellung von Biodiesel erfolgt durch die Pressung ölhaltiger Raps-, Soja- und Sonnenblumensamen und eine chemische Reaktion, die so genannte Umesterung, bei der die ursprünglichen alkoholischen Bestandteile (Glycerin) durch Methylalkohol (Methanol) substituiert werden. Bioethanol ist ein Alkohol (Ethanol oder Ethylalkohol), der durch die Gärung verschiedener Agrarprodukte mit hohem Kohlenhydrat- und Zuckergehalt wie Getreide (Mais, Hirse, Weizen, Gerste), zuckerhaltige Pflanzen (Mangold und Zuckerrohr), Obst, Kartoffeln und Trester gewonnen wird. Auch durch die chemische Synthese von Molekülen biologischen und fossilen Ursprungs gewonnene Erzeugnisse fallen in die Kategorie Biokraftstoffe. Das wichtigste Beispiel hierfür ist Ethyltertiärbutylether (ETBE), der durch eine Reaktion von Bioethanol und Isobuten entsteht.

3.2

Ethanol besitzt hervorragende Kraftstoffeigenschaften: es hat eine hohe Oktanzahl und kann ohne größere bauliche Veränderungen am Motor anderen Kraftstoffen beigemischt werden (E5, E10), während bei einem höheren Ethanolanteil (E85) speziell dafür ausgelegte Motoren erforderlich sind.

3.3

Die größten Risiken treten bei der Beimischung von Ethanol zu Benzin auf. Schon ein geringer Ethanolanteil lässt die Dampfspannung (ca. 10 kPa) und somit die Verdunstungsemissionen deutlich ansteigen. Aufgrund der Affinität von Ethanol zu Wasser kann die Qualität des Endprodukts beeinträchtigt werden. Eine Vermischung von herkömmlichem, aus Kohlenwasserstoff gewonnenem Benzin und ethanolhaltigem Benzin ist zu vermeiden. Bei ethanolhaltigem Benzin sollte auf eine gesonderte Logistik- und Lieferkette zurückgegriffen werden.

3.4

Biodiesel kann im Gemisch mit Dieselkraftstoff bei Dieselmotoren eingesetzt werden. In den europäischen Ländern wird es in einem Verhältnis von bis zu 5 % (B5) Diesel in handelsüblicher Qualität zugesetzt und die Mischung bringt keinerlei Kompatibilitätsprobleme. Dieselkraftstoff mit einem hohen Biodieselanteil (über 8-10 %) kann bei Fahrzeugen mit Dichtungen aus nicht geeigneten Kunststoffen zu Problemen führen. Die größten Probleme treten bei den Ruß- und Feinstaubfiltern auf, die umfangreichen und kostspieligen Umbaumaßnahmen unterzogen werden müssten. Aus diesem Grunde haben einige Fahrzeughersteller bereits die Fahrzeugeigenschaften angepasst und andere die Fahrzeuggarantie auf B5-Mischungen beschränkt. Da Biodiesel hygroskopisch ist, sich wie ein Lösungsmittel verhält und eine geringe Lagerungsstabilität aufweist, können bei Mischungen mit hohem Biodieselanteil besondere Vorsichtsmaßnahmen bei Fahrzeug und Vertriebssystem erforderlich sein.

3.5

Die Kommission trägt schlagkräftige Argumente für die Notwendigkeit vor, sich entschlossener für die Entwicklung der Biokraftstoffe einzusetzen. Realistischerweise zieht sie nicht die Möglichkeit in Betracht, dass die derzeitige Benzinproduktion (weltweit 1,2 Mrd. Tonnen 2004) durch Biobrennstoffe (46 Mio. Tonnen 2005, davon 3 Mio. in der EU, wie aus der nachstehenden Tabelle hervorgeht) ersetzt werden könnte, sondern verfolgt das Ziel, innerhalb von wenig mehr als 13 Jahren im Wege einer Richtlinie und der Festlegung von Zielen für die einzelnen Mitgliedstaaten einen Biokraftstoffanteil an den heutigen Kraftstoffen von mindestens 10 % zu erreichen.

2005

Mio. Liter

USA

16 130

Brasilien

15 990

China

3 800

Indien

1 700

Europäische Union

2 900

Sonstige

5 480

3.6

Wasserstoff, der bereits von einigen europäischen Fahrzeugherstellern zumindest versuchsweise als Energieträger eingesetzt wird, wird noch immer meistens unter hohem Energieaufwand durch Elektrolyse gewonnen — vor allem wird hier unter dem vorwiegenden Einsatz fossiler Brennstoffe erzeugte elektrische Energie verwendet — oder aus Erdgas oder anderen fossilen Brennstoffen isoliert. Hier kommt es zu keiner Verringerung der Treibhausgasemissionen. Zwar wurden in der Forschung im Bereich der Gewinnung von Wasserstoff aus Biomasse — auch auf biotechnologischem Wege — oder aus erneuerbaren Energien Fortschritte erzielt, doch hängt die Möglichkeit, wasserstoffbetriebene Fahrzeuge zu vertreiben und zu vermarkten auch von den hohen Kosten für die Anschaffung der Brennstoffzellen ab. Damit sich der Wasserstoff zu einer wirtschaftlich tragbaren alternativen Energie entwickelt, müssen aber die Herstellungskosten gesenkt werden. Ein derzeit an der University of New South Wales durchgeführtes Forschungsprojekt hofft, dieses Ziel dank des Einsatzes besonderer Sonnenkollektoren mit einer Titanoxidkeramik-Beschichtung erreichen zu können. Titan ist im Bereich Solarwasserstoff weit verbreitet: es besitzt die richtigen Halbleitereigenschaften und ist wasserbeständig. Ohne entsprechende Aufbereitung ist es allerdings in natürlichem Zustand noch nicht effizient genug.

4.   Allgemeine Bemerkungen

Einige Schwachstellen

4.1

Die Kommission legt zwar die möglichen Vorteile dar, lässt aber die mit der Entwicklung von Biokraftstoffen verbundenen Probleme und Risiken außer Acht, auch wenn sie hier und da gewisse Andeutungen macht. Der Ausschuss ist hingegen der Auffassung, dass der Vorschlag der Kommission sorgfältig und aufmerksam analysiert werden sollte, um zu vermeiden, dass zur Lösung eines Problems andere schwerwiegendere geschaffen werden bzw. nur die Vorteile, aber nicht auch die Nachteile aufgezeigt werden. Es ist eigenartig, dass von dem irrealistischen Szenario ausgegangen wird, bis 2020 einen Anteil von 14 % zu erreichen, um den Nutzen des Vorschlags zu belegen! Der Nutzen nimmt sich im Falle der Verwirklichung des Ziels von 10 % objektiv gesehen bescheidener aus.

4.2

Weder in der Mitteilung der Kommission noch in der dazugehörigen Folgenabschätzung sind nennenswerte Hinweise auf Problempunkte auszumachen. So sollte die Frage der Entsorgung der bei der Herstellung von Biokraftstoffen anfallenden Abfallprodukte im Allgemeinen auf den neuesten Stand gebracht und vor dem Hintergrund der modernen Biobrennstoffzellensysteme und der bei der Herstellung eingesetzten elektronischen Technologien überprüft werden.

4.3

Was Biodieselkraftstoff anbelangt, so wird insbesondere Folgendes betont:

begrenzte Wirtschaftlichkeit;

hohe Kosten (0,4-0,7 EUR/l);

Stabilitätsprobleme (enthält Oxidgruppen) mit entsprechenden Lagerungsproblemen.

4.4

Hinsichtlich Bioethanol wird hingegen Folgendes festgestellt:

begrenzte Wirtschaftlichkeit (wenn auch in geringerem Maße als Biodiesel);

erhöhter Wasser- und Düngemittelverbrauch;

nicht für die Beförderung der derzeit für Kraftstoffe auf Erdölbasis verwendeten Pipelines geeignet (Korrosionsgefahr).

Die Vorteile indessen liegen in der Möglichkeit, den Fruchtwechsel zu erweitern, indem die traditionellen Lebens- und Futtermittelkulturen abwechselnd mit anderen spezifischen Kulturen angebaut werden, die für die Biomasseherstellung zur Energieerzeugung bestimmt sind. Bei dieser Entwicklung muss besonderes Augenmerk auf den regionalen Anbau gerichtet werden. In jedem Fall unterliegt der europäische Anbau Vorschriften über Bodenschutz und die Verwendung von Düngemitteln.

4.5

Für die Herstellung von Biokraftstoffen sind geeignete Kulturpflanzen erforderlich, die in großen Mengen angebaut werden müssen. Ihnen fallen daher andere Nutzpflanzen zum Opfer, die wichtiger sind, um den Bedarf der ärmsten Länder an Nahrungsmitteln zu möglichst niedrigen Preisen zu decken. Die Hypothese, auf die Zellulose als Ausgangsbasis für die Herstellung von Biokraftstoff zurückzugreifen, ist sicher interessant, aber es ist zu bedenken, dass der Produktion eine chemische und physische Vorbehandlung vorangehen muss (eine Art Zerlegung der Zellulosemasse), um die Zellulose für die biologische Umwandlung reaktionsfähig zu machen. Schließlich ist auf die bei diesen Verfahren anfallenden Abfälle und die Altkatalysatoren zu verweisen, durch die das Problem der anschließenden Abfallentsorgung verstärkt wird.

4.6

Für einen Einsatz im großen Maßstab könnte die Verwendung von Glyzerin als Brennstoff in Betracht gezogen werden, entweder im Roh- oder Reinzustand oder mit anderen Brennstoffen vermischt. Zu den Nachteilen dieser Alternative gehören jedoch die Kosten für das Glyzerin bei Verwendung im Reinzustand, die Kosten für die Umwandlung bei Verwendung im Rohzustand, der niedrige Heizwert und in jedem Fall die Notwendigkeit, die giftigen Substanzen unschädlich zu machen, die bei der Verbrennung entstehen (in erster Linie Acrolein, auch als Acrylaldehyd bekannt).

4.7

Eine andere Lösungsmöglichkeit bestünde darin, Organismen genetisch zu verändern, die bestimmte Nutzpflanzen besonders für die biologische Umwandlung geeignet machen, wodurch die Ergiebigkeit erhöht und somit der Energiebedarf bei der Herstellung gesenkt wird. Die Gentechnik könnte auch herangezogen werden, um Organismen genetisch zu verändern, die den Einsatz von Zellulose vereinfachen.

4.8

Vom technischen Standpunkt aus stellt sich auch die Frage der Ergiebigkeit der für die Gewinnung von Biokraftstoffen verwendeten Rohstoffe. So wird beispielsweise darauf verwiesen, dass sich aus einer Tonne Zuckerrüben ca. 400 Liter Bioethanol (ca. 1 500 Mcal) gewinnen lassen. Kann ein solches Verhältnis als ausreichend für eine insgesamt positive Bilanz erachtet werden, wenn man die möglichen Risiken und Nachteile bedenkt, die sich aus dieser Energieform für die Umwelt ergeben?

4.9

Ein weiterer Aspekt, der nicht unterschätzt werden darf, betrifft einerseits die Gewinnungsverfahren und deren Selektivität und andererseits die Gärungsverfahren, die relativ kostspielig sind, wenn sie auf ein qualitativ hochwertiges Endprodukt ausgerichtet werden. Andererseits könnten eventuelle Verunreinigungen des Brennstoffs bei dessen Verwendung infolge von Sekundärreaktionen und Qualitätsverlusten sowie im Hinblick auf die Eigenschaften der Abfälle und Rückstände zu wirtschaftlichen Schäden führen, die seine Vorteile bei weitem überwiegen.

Der Umweltschutz

4.10

Aus streng ökologischer Sicht muss außerdem den mit der Abholzung (wie in Malaysia und Indonesien zur Herstellung von Palmöl oder in Malawi und Uganda zum Anbau des Jatrophastrauches in für die Nahrungsmittelsproduktion bestimmten Gebieten oder in besonders schützenswerten Regenwaldgebieten) und der Lagerung der Rohstoffe verbundenen Risiken Rechnung getragen werden. Den damit einhergehenden biologischen und biochemischen Risiken muss äußerst gewissenhaft und entschieden entgegengewirkt werden.

4.11

Auch ein „ethischer“ Aspekt kommt ins Spiel, der genauer evaluiert werden müsste: die Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel und Kraftstoff. Der Preis für Edelrohstoffe wie Weizen, Mais, und Reis steigt aufgrund der wachsenden Nachfrage seitens der „Biokraftstoffdestillerien“ unaufhaltsam (Bericht von FAO und WFP 2007). Der Preis der „Tortillas“ in Mexiko ist um 60 % gestiegen, was zu beträchtlichen Unruhen und Protestdemonstrationen geführt hat. Die steigenden Sojapreise treiben in China den Fleischpreis in die Höhe, der seit Jahresbeginn um 43 % gestiegen ist, sowie den Preis für Eier, der sich um 16 % erhöht hat. Mais ist um 40 % teurer geworden, Hafer um 20 %. In Indien haben sich Getreide um 10 % und Weizen um 11 % verteuert. Auch in den USA wird es Preissteigerungen geben: dem amerikanischen Landwirtschaftsministerium zufolge wird Geflügel um 10 % teurer, bei den Eiern werden die Preise um 21 % zulegen und Milch wird 14 % mehr kosten. Wenn in der Zukunft der Wert von Getreide als Brennstoff über dem von Getreide als Nahrungsmittel liegt, wird sich der Markt der Energiewirtschaft zuwenden. Die Nahrungsmittelpreise werden weiterhin mit dem Erdölpreis steigen, wodurch auch in Europa die Gefahr einer Lebensmittelknappheit zunimmt.

4.12

Da es immer mehr Produktionsanlagen gibt (allein in den USA befinden sich weitere 79 Werke im Bau, die zu den 116 gegenwärtig in Betrieb befindlichen hinzukommen), wird es zu einem exponentiellen Wachstum des Getreidekonsums kommen, der vom EPI (Earth Policy Institute) auf ca. 139 Mio. Tonnen geschätzt wird, doppelt so hoch wie vom amerikanischen Landwirtschaftsministerium. Wenn man bedenkt, dass eine Tonne Mais 110 Gallonen Ethanol (416,19 Liter) ergibt (wenig mehr als vier Tankfüllungen eines SUV), so nimmt das Problem wirklich beunruhigende Formen an.

4.13

Der Ausschuss hat in einer unlängst verabschiedeten Stellungnahme (2) ferner die Notwendigkeit unterstrichen, die biologische Vielfalt zu schützen, insbesondere die Regenwälder, die nicht nur ansonsten unweigerlich zum Aussterben verurteilten Tieren Lebensraum bieten, sondern auch die einzige und letzte grüne Lunge der Erde sind. Dem Intensivanbau von Zuckerrohr in Brasilien und von Palmen in Malaysia und Indonesien, für den täglich Hunderte Hektar Wald geopfert werden, um Monokulturen anbauen zu können, muss Einhalt geboten werden.

4.14

Darüber hinaus stellt sich die Frage der „wissenschaftlichen Ethik“. Der Planet Erde ist ein offenes System, das sich unaufhaltsam auf einen Gleichgewichtszustand zubewegt, der zugleich sein Ende bedeuten wird. Es ist Aufgabe der Wissenschaft, diesen Niedergang aufzuhalten, und Sache der Politik, die diesbezüglichen Aktivitäten und Studien zu fördern.

4.15

Die entstehenden Kosten müssen genau ermittelt werden, nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die Umwelt- und Gesundheitskosten. Es müssen bedeutende Anstrengungen unternommen werden, um die Auswirkungen möglichst gründlich zu evaluieren und zu untersuchen.

4.16

Hinsichtlich der Verbrennungschemie muss genau untersucht werden, ob bei Verbrennungsvorgängen, an denen andere Moleküle als Kohlenwasserstoff beteiligt sind, aufgrund des oxidativen Stresses der Prozesse freie Radikale entstehen oder freigesetzt werden (d.h. eine der Hauptursachen von Krebserkrankungen). Es gibt bis heute keine eindeutigen Belege für einen Zusammenhang zwischen deren Zunahme und der Biokraftstoffherstellung.

4.17

Grundlegende Bedeutung kommt der Pflege und dem Schutz der Böden zu. Sie müssen geschützt werden, weil sie unser Überleben sichern. Der immer stärker absinkende Grundwasserspiegel und die fortschreitende Verschlechterung der Grundwasserqualität sind auf unvernünftige Flächennutzungsstrategien zurückzuführen, die zu Bodenverarmung führen. Es sollte für einen Fruchtwechsel gesorgt werden, um die Revitalisierung der Böden zu fördern.

Die Ernährungssicherheit

4.18

Dieser Frage hat der Ausschuss für Welternährungssicherheit (CFS) der FAO auf seiner 33. Tagung in Rom vom 7. bis 10. Mai 2007 ein wichtiges Kapitel gewidmet. In Ziffer 45 seines Berichts heißt es: Die Bioenergie bringt sowohl Chancen als auch Risiken im Hinblick auf die vier Dimensionen der Ernährungssicherheit Verfügbarkeit, Zugang, Stabilität und Verwendung mit sich. Die Auswirkungen der Bioenergie auf die Ernährungssicherheit werden von der Größenordnung und der Art des in Erwägung gezogenen Systems, der Struktur der Rohstoff- und Energiemärkte und den agrar-, energie-, umwelt- und handelspolitischen Entscheidungen abhängen. Der technologische Wandel im Bioenergiesektor geht schnell voran und stellt eine weitere große Quelle der Ungewissheit in Bezug auf die Ernährungssicherheit dar.

4.19

In diesem Bericht unterstreicht die FAO außerdem, dass im Jahr 2006 die Getreidepreise sprunghaft gestiegen sind, insbesondere die Weizen- und Maispreise, die im November den höchsten Stand der letzten zehn Jahre erreicht haben. Schlechte Ernteerträge in den Haupterzeugerländern in Verbindung mit einer rasch steigenden Nachfrage nach Biokraftstoff waren die wichtigsten Einflussfaktoren der Getreidemärkte. Auch die Reisbranche war von Versorgungsengpässen geprägt.

4.20

Auch China hat in jüngster Zeit Maßnahmen zur Reduzierung der Ethanolproduktion aus Mais ergriffen wie Asia Times Online am 21. Dezember 2006 berichtet. „Das vorrangige Interesse Chinas ist es, die 1,3 Mrd. Einwohner des Landes zu ernähren; erst nachdem wir dieses Ziel erreicht haben, werden wir die Herstellung von Biokraftstoff unterstützen“, erklärte Wang Xiaobing, Leiter des Landwirtschaftsministeriums.

4.21

In Italien erschien am 20. Juli 2007 in der Zeitung La Repubblica ein Artikel mit der Überschrift „Krieg zwischen Biokraftstoff und Spaghetti. Preissteigerung beim Mais für Biokraftstoff verteuert Teigwaren um 20 %“. Der Preis für Hartweizen, Hauptzutat für italienische Teigwaren, hat um mehr als 30 % zugenommen, nachdem die Landwirte diese Kulturpflanze aufgegeben haben und auf den Anbau von Mais zur Bioethanolerzeugung umgestiegen sind. Der Preis für ein Scheffel (27 kg) Weizen ist an der Börse von Chicago zwischen dem 3. April 2007 und dem 14. Juni 2007 von 3,6404 USD auf 5,64 USD gestiegen. Als größte Verbraucher (28 kg pro Kopf pro Jahr) und Erzeuger (3,2 Mio. Tonnen) der Welt reagieren die Italiener sehr sensibel auf derartige Preisschwankungen.

Das Wasser

4.22

Auch das Problem des Bedarfs an Wasser für die Herstellung von Biokraftstoffen ist vernachlässigt worden. Jüngsten Studien des IWMI zufolge, die am 10. Mai 2007 veröffentlich wurden, werden beispielsweise in Sri Lanka je nach Pflanzenart und der eingesetzten Produktionstechnik zur Herstellung von einem Liter Ethanol 1 000 bis 4 000 Liter Wasser benötigt. In Brasilien wird die für einen Liter Ethanol erforderliche Wassermenge auf 2 200 Liter geschätzt, während es in Indien, wo es im Gegensatz zu Brasilien an reichlichen Niederschlägen mangelt und auf künstliche Bewässerung zurückgegriffen werden muss, für denselben Liter Ethanol 3 500 Liter Wasser für die Bewässerung bedarf! Diese Zahlen werden von dem 2003 in Delft gegründeten internationalen Institut „UNESCO-IHE Institute for Water Education“, das mit der örtlichen Universität zusammenarbeitet, bestätigt sowie durch jüngste Studien der landwirtschaftlichen Fakultät der Universität von Colorado, die derzeit eine besondere Maissorte mit einem geringeren Wasserbedarf entwickelt. Die hier aufgeführten Daten können auch auf der Website www.waterfootprint.org eingesehen werden.

4.23

In Europa sind vor allem die südlichen Regionen von Wasserproblemen betroffen, wo bereits seit vielen Jahren Wasserknappheit herrscht und aufgrund der steigenden Temperaturen und der dadurch zunehmenden Verdunstung die Probleme künftig noch verschärft werden, während zumindest vorerst die nördlichen Regionen nicht hiervon betroffen zu sein scheinen.

Die Kosten

4.24

Die nachfolgende Tabelle (die von Dipl.-Ing. Mario Marchionna von ENI auf einer kürzlich vom italienischen Verband für Verfahrenstechnik AIDIC organisierten Tagung vorgelegt wurde) zeigt einen Vergleich der Kosten zwischen fossilen Kraftstoffen und Biokraftstoffen bei gleichem Energiewert.

Kostenvergleich zwischen Biokraftstoffkomponenten

(bei gleichem Energiewert)

Bezugspreis: Brent = 70 (56) USD/Barrel

Kraftstoff

€c/l Äquivalent

Benzin (3)

39 (31)

Bioethanol

EU

75

Brasilien

39

USA

47

Italien

(Val Padana)

70-75

Diesel (4)

46 (37)

Biodiesel

EU

78

Malaysia

48

USA

60

Italien

78

4.25

Um in der EU ausreichend Biokraftstoffe zur Erreichung des Ziels von 10 % bis 2020 erzeugen zu können, müssten Schätzungen der Kommission zufolge 18 Mio. Hektar Anbaufläche bereitgestellt werden, und zwar

7 Mio. Hektar nicht bewirtschafteter Flächen,

7 Mio. Hektar durch die Umstellung von bislang für den Getreideanbau genutzten Flächen und die Zahlung von Exportsubventionen,

4 Mio. Hektar, die der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden müssten.

Vorteile für die armen Länder?

4.26

Die Kommission erklärt, dass ein verstärkter Einsatz von Biokraftstoffen große Vorteile bringen könnte, insbesondere den Entwicklungsländern, die ihre für den Export bestimmte Produktion steigern können. Die afrikanischen Landwirte zeigen sich jedoch über die wirtschaftliche Rentabilität der bisher getätigten Investitionen besorgt. Die Zeitung African Agriculture veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom Mai 2007 einen Artikel über Jatropha (hierbei handelt es sich um ein pflegeleichtes Strauchgewächs mit ölhaltigen Samen, die auf den Menschen toxisch wirken, aus denen sich aber ein Biodiesel von annehmbarer Qualität herstellen lässt). In dem Artikel, der passenderweise die Überschrift „Ist die Aufregung um Jatropha eine Fata Morgana?“ trägt, werden kritische Fragen vorgetragen.

4.27

Auch die afrikanischen Umweltorganisationen melden sich zu Wort, wie die Wochenzeitung The East African Business (eine vom größten kenianischen Verlag, Nation media group, veröffentlichte Online-Zeitung) in ihrer Ausgabe vom 7. Mai 2007 berichtet. In Uganda nimmt die Abholzung jährlich um 2,2 % zu, gegenüber einem weltweiten Durchschnitt von 0,2 % pro Jahr. Bei diesem Tempo besteht das Risiko, dass das Land bis 2040 vollkommen entwaldet ist. Daher hat eine Gruppe von Aktivisten der Zivilgesellschaft die Koalition „Save Mabira“ gebildet, die nach dem Wald benannt wurde, den die Regierung Ugandas der Sugar Corporation of Uganda Ltd. zu überlassen gedenkt, um über mehr Flächen für den Anbau von Zuckerrohr für die Bioethanolerzeugung zu verfügen. Ein Viertel des größten Urwaldes des Landes, d.h. 7 100 Hektar, werden der Produktion von ein paar Tonnen Bioethanol geopfert, die vielleicht ausgerechnet für die europäischen umweltfreundlichen Busse bestimmt sind!

4.28

Die Kommission äußert sich diesbezüglich so gut wie gar nicht; sie erwähnt nur kurz, dass die Nutzung von für die Nahrungsmittelherstellung bestimmten Kulturen und von Flächen mit hohem Naturwert auf irgendeine Weise verhindert werden muss, und sieht in Maßnahmen zur Bildung wirtschaftlicher Negativanreize die Lösung. Offen gesagt ist in diesem Zusammenhang der Optimismus der Kommission schwer nachzuvollziehen. Der Ausschuss ist über diese Umweltrisiken sehr besorgt, die mit einer Verbreitung von GVO-Kulturen einhergehen, die akzeptabler erscheinen könnten, wenn sie zu diesem Zweck eingesetzt würden. Es besteht die echte Gefahr einer Verbreitung der GVO und erst nach Abschluss sämtlicher wissenschaftlicher Untersuchungen zu ihrer Gefährlichkeit, kann über ihren Einsatz nachgedacht werden, wobei die in der EU noch verbleibende biologische Vielfalt geschützt werden muss.

4.29

Der Ausschuss hält eine engere Zusammenarbeit mit den internationalen Organisationen, die sich weltweit für den Kampf gegen den Hunger einsetzen, insbesondere der FAO und dem WFP (Welternährungsprogramm) für unerlässlich. Er bedauert, dass es die Kommission nicht für zweckmäßig erachtet, zu diesen internationalen Einrichtungen, die sich ernsthaft mit diesem Thema befassen, ohne all die mit der Entwicklung von Biokraftstoffen verbundenen Probleme und Risiken, insbesondere in Bezug auf den Wasserverbrauch zu verschweigen, Kontakt aufzunehmen, als sie die Folgenabschätzung in die Wege geleitet hat.

Der Europäische Rat

4.30

Der Ausschuss nimmt die Schlussfolgerungen der Frühjahrstagung des Europäischen Rates vom 8./9. März 2007 zur Kenntnis, in denen der Energiepolitik für Europa große Beachtung geschenkt wird, die die folgenden drei Hauptziele verfolgt:

Gewährleistung der Versorgungssicherheit;

Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften und Verfügbarkeit von Energie zu erschwinglichen Preisen;

Förderung der Umweltverträglichkeit und Bekämpfung des Klimawandels.

4.31

Der Europäische Rat pflichtet den Vorschlägen der Kommission im Energiebereich im Allgemeinen und in Bezug auf die Biokraftstoffe im Besonderen bei und greift sie auf, auch wenn die Formulierung in Bezug auf die Verpflichtung, ein Ziel von 10 % zu erreichen, durchaus Zweifel aufkommen lässt: „Der verbindliche Charakter dieses Ziels ist angemessen, vorausgesetzt, die Erzeugung ist nachhaltig, Biokraftstoffe der zweiten Generation stehen kommerziell zur Verfügung und die Richtlinie über die Kraftstoffqualität wird entsprechend geändert, damit geeignete Mischungsverhältnisse möglich werden.“

4.32

Es ist von äußerster Wichtigkeit zu verstehen, inwiefern sich die Mitgliedstaaten diese an die Verbindlichkeit geknüpften Bedingungen tatsächlich zunutze machen können. Besonders der Verweis auf die Verfügbarkeit von Biokraftstoffen der zweiten Generation erweist sich derzeit als wirklich problematisch. Die Umstellung der vorhandenen, der im fortgeschrittenen Baustadium befindlichen und der für die nächsten Jahre geplanten Industrieanlagen, die mit Verfahren Biokraftstoffe der ersten Generation herstellen, die sich von den für die Biokraftstoffe der zweiten Generation erforderlichen Verfahren stark unterscheiden, ist äußerst kostspielig. Wenn keine Biokraftstoffe der zweiten Generation verfügbar sind, bedeutet dies, dass der Beschluss des Rates nicht bindend ist. Hinsichtlich der Nachhaltigkeit müssten neben den vorhandenen Richtlinien weitere europäische Rechtsvorschriften erlassen werden, um sicherzustellen, dass bei der Biomasseerzeugung die festgelegten Anforderungen genau erfüllt werden und der den Biokraftstoffen vorbehaltene Anbau nicht in Wettbewerb mit dem Anbau von Lebens- und Futtermittelpflanzen tritt. Was die erforderlichen Änderungen der Richtlinie über die Kraftstoffqualität anbelangt, ist das Verfahren ziemlich komplex, und es obliegt den Normungsinstituten, sich darum zu kümmern, insbesondere dem CEN, der die mit den spezifischen Techniken verbundenen Probleme analysieren muss.

Die Biokraftstoffe der zweiten Generation

4.33

Was die Biokraftstoffe der zweiten Generation angeht, so bieten sich bereits mehrere Möglichkeiten zur Ethanolherstellung: ein biologisches Gärungs- und Destillationsverfahren oder die thermochemische Vergasung von Biomasse zur Gewinnung von Synthesegas (H2 und CO), aus dem sich durch Fermentation Ethanol und über einen kombinierten Kreislauf oder Kraft-Wärme-Kopplung Energie gewinnen lässt. Eine erste Anlage mit einer Kapazität von 180 000 t/Jahr wird noch dieses Jahr in Porvoo in Finnland in Betrieb genommen und eine andere ist am selben Standort für Ende 2008 vorgesehen. Diese Verfahren weisen jedoch eine sehr geringe Energieeffizienz auf, wenn sie nicht gar negativ ist, wie es in manchen Fällen vorkommt. Daher wurde die Möglichkeit erforscht, auf fotochemische Prozesse unter Nutzung des Sonnenlichts als Energiequelle und unter Einsatz geeigneter Katalysatoren zur Verstärkung seiner Eigenschaften zurückzugreifen. Biobutanol ist eine mögliche Lösung für die Biokraftstoffe der neuen Generation. Der niedrige Dampfdruck des Biobutanols und seine hohe Toleranz gegenüber Wasserverunreinigungen in Ottokraftstoffgemischen ermöglichen seinen Einsatz in bestehenden Kraftstoffliefer- und -vertriebskanälen. Biobutanol kann Benzin in höheren Konzentrationen als bisherige Biokraftstoffe beigemischt werden, ohne dass die Fahrzeuge nachgerüstet werden müssen. Darüber hinaus bietet es einen günstigeren Kraftstoffverbrauch als Benzin-Ethanol-Gemische und verbessert so die Energieeffizienz und den Kraftstoffverbrauch pro Liter. Für seine Erzeugung können die Infrastruktur und die Produktionsanlagen für die Bioethanolherstellung genutzt werden.

4.34

Im 7. Rahmenprogramm sind umfangreiche Mittel für die Entwicklung dieser Technologien bereitgestellt, die sehr interessante Wesensmerkmale aufweisen und die Herstellung „sauberer“ Biokraftstoffe ermöglichen:

Diese enthalten weder Schwefel noch Aromate oder polyzyklische Kohlenwasserstoffe;

sie sind stabil;

sie verursachen sehr wenig Emissionen;

sie haben eine äußerst hohe Cetanzahl (85-100);

sie haben einen höheren Grenzwert in Bezug auf den Einsatz bei niedrigen Temperaturen als einige andere Biokraftstoffarten;

sie können dem handelsüblichen Dieselkraftstoff in einem sehr hohen Mischungsverhältnis (bis zu 60 %) zugesetzt werden;

sie besitzen bereits definierte technische Eigenschaften und sind in der Liste der Biokraftstoffe unter Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2003/30/EG aufgeführt.

Nach Ansicht des EWSA müsste Europa mehr Finanzmittel für Forschungsanstrengungen im Bereich Biokraftstoffe der zweiten Generation bereitstellen.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Der Ausschuss stimmt den Zielen der Energiepolitik für Europa zu. Um sie zu verwirklichen, müssen die für die Investitionen erforderlichen finanziellen Mittel beschafft werden, wobei die europäischen Finanzinstitute einzubeziehen sind.

5.2

Nach Meinung des Ausschusses muss besonderes Augenmerk auf die Forschung im Bereich Biokraftstoffe, insbesondere Biokraftstoffe der zweiten Generation gerichtet werden, ohne andere Möglichkeiten wie die Entwicklung des Solarwasserstoffs oder die Aufbereitung von Biomasse außer Acht zu lassen.

5.3

Der Ausschuss empfiehlt, besonders darauf zu achten, dass die biologische Vielfalt gewahrt wird und ausschließlich Non-food-Kulturen für die Herstellung von Biokraftstoffen genutzt werden, um angesichts der Millionen von Menschen, denen es an Nahrungsmitteln fehlt und die verhungern müssen, die Gefahr eines Wettbewerbs zwischen Nahrungsmitteln und Brennstoffen auszuräumen. In den Schlussfolgerungen des weiter oben genannten Berichts der FAO wird Folgendes festgestellt: Die Tatsache, dass weltweit nicht weniger als 854 Mio. Menschen an Unterernährung leiden, zeugt davon, dass die bislang bei der Verwirklichung der Ziele des Welternährungsgipfels und der Millenniumsentwicklungsziele erzielten Fortschritte nicht ausreichen. Zwar wären zahlreiche Länder, insbesondere in Subsahara-Afrika, in der Lage, die Zahl der hungernden Menschen zu senken, doch wird diese Möglichkeit durch steigende Lebensmittelpreise, eine mögliche Verknappung des Angebots auf den Getreidemärkten, Konflikte, Krankheiten und den Klimawandel bedroht. Die amerikanischen Forscher Ford Runge und Benjamin Senauer von der Universität von Minnesota rechnen angesichts der Entwicklung der Preise von Getreide für Nahrungsmittelzwecke damit, dass die Zahl der weltweit hungernden Menschen nicht wie erwartet bis 2025 auf 600 Millionen zurückgehen, sondern sich auf 1,2 Milliarden verdoppeln wird!

5.4

Der Ausschuss schlägt zur Verwirklichung der Ziele Umweltschutz und Verringerung der Treibhausgase, Optimierung des Energieverbrauchs und Nutzung alternativer Energieträger sowie Unabhängigkeit und Sicherheit bei der Energieversorgung eine differenzierte Behandlung (Steueranreize, administrative Anreize usw.) der Produkte vor, die mehr als andere und in erheblichem Maße dazu beitragen, diese Ziele zu erreichen.

5.5

Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die heute verfügbaren Technologien bislang einen sehr hohen Energie-, Wasser- und Flächenbedarf haben (der Anbau von Raps auf einem Drittel der Gesamtfläche Italiens würde pro Hektar eine Biodieselmenge ergeben, die lediglich ausreichen würde, um 10 % des Gesamtverbrauchs des Landes an Erdölprodukten und 40 % des Dieselkraftstoffverbrauchs zu ersetzen).

5.6

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass der Vorschlag für eine neue Richtlinie mit einer gründlichen und umfassenden wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Bewertung einhergehen sollte, die zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht so strukturiert zu sein scheint wie es das Thema verdiente.

5.7

Um die bei der Bekämpfung der Umweltverschmutzung erzielten Erfolge nicht zunichte zu machen, ist es von grundlegender Bedeutung, die Biokraftstoffe aus nationalen „Null-Kilometer“-Agrarerzeugnissen herzustellen. Sie dürfen nicht über lange Entfernungen von einem Land zum andern transportiert werden, womit ein entsprechender Verbrauch an fossilen Brennstoffen einherginge. Die Energieerzeugung aus Agrarabfällen ist problematisch, weil die Abfälle an weit auseinander liegenden Orten anfallen, was einen kostspieligen Transport zu den Verarbeitungsanlagen notwendig macht, und weil sie einen hohen Wassergehalt aufweisen, der die Verarbeitung großer Volumen mit sich bringt. Aus diesen Gründen sollte diese Art von Biomasse vorzugsweise vor Ort verarbeitet werden.

5.8

Der Ausschuss hält es für erforderlich, die Forschung im Bereich der Biobrennstoffzellen-Technologien zu fördern, bei denen Biokatalysatoren eingesetzt werden, um chemische Energie in elektrische Energie umzuwandeln. Dieses Verfahren zur Erzeugung von Energie ermöglicht es, alle Elektronen zurückzugewinnen, die die Pflanze, aus der die Biomasse gewonnen wird, während der Photosynthese aufgenommen hat (24 Elektronen pro zu CO2 und Wasser oxidiertem Glukosemolekül).

5.9

Der Ausschuss pflichtet den Überlegungen des Europäischen Parlaments bei, das in der am 14. Dezember 2006 verabschiedeten Entschließung zu der Strategie für Biomasse und Biokraftstoffe in den Erwägungsgründen hervorhebt, dass „der Verkehrssektor für mehr als 20 % der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich ist, obgleich dieser Sektor nicht in den Mechanismus für den Emissionshandel einbezogen ist“. In diesem Zusammenhang empfiehlt der Ausschuss, die Möglichkeit zu prüfen, das Modell der weißen Zertifikate auf die Autoindustrie auszudehnen.

5.10

In dieser Entschließung ersucht das Europäische Parlament die Kommission, „eine obligatorische und umfassende Zertifizierung einzuführen, die eine in allen Phasen nachhaltige Erzeugung von Biokraftstoffen erlaubt und Standards für den Anbau und die Verarbeitung sowie für die Bilanz der Treibhausgase während des gesamten Lebenszyklus umfasst und die für die innerhalb der Europäischen Union erzeugten als auch eingeführten Biokraftstoffe gilt“, und „die Entwicklung und den Einsatz des GMES-Systems der globalen Umwelt- und Sicherheitsüberwachung zur Überwachung der Flächennutzung für die Erzeugung von Bioethanol zu unterstützen, um die Vernichtung der Regenwälder und andere negative Umweltfolgen zu verhindern“. Der Ausschuss befürwortet und unterstützt die Vorschläge des Europäischen Parlaments.

5.11

Der Ausschuss betont, dass in einigen erst kürzlich der EU beigetretenen Mitgliedstaaten der Fahrzeugbestand besonders stark überaltert ist und sich aus technisch veralteten Gebrauchtfahrzeugen der reichen Märkte zusammensetzt. Das Pro-Kopf-Einkommen ist in diesen Ländern recht niedrig, was auch auf große Bevölkerungsteile der Länder mit höherem Pro-Kopf-Einkommen zutrifft. Daher ist es überhaupt nicht denkbar, diesen EU-Bürgern, für die das Auto ein unentbehrliches Arbeitsinstrument ist, Verpflichtungen und Kosten aufzuerlegen.

5.12

Nach Meinung des Ausschusses könnten Biokraftstoffe derzeit zwar den Kraftstoffmarkt stützen, aber keine strukturierte Antwort auf dessen Erfordernisse bieten. In jedem Fall muss ihre Produktion streng überwacht werden, um den in der vorliegenden Stellungnahme dargelegten ökologischen und sozialen Risiken vorzubeugen. In Anbetracht der in dieser Stellungnahme beschriebenen Probleme sollte die Kommission das 10 %-Ziel nach Ansicht des Ausschusses immer wieder auf den Prüfstand stellen und sich nicht scheuen, Vorschläge zu seiner Anpassung zu unterbreiten, wenn die Probleme nicht nachhaltig auf zufriedenstellende Weise gelöst werden können.

Brüssel, den 24. Oktober 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Bislang scheinen die Zahlen dieselben wie im vergangenen Jahr zu sein, ohne jeglichen Anstieg, und die Kommission hat vor kurzem Zweifel geäußert, dass diese Prämie im Jahr 2008 beibehalten wird.

(2)  Stellungnahme zu der „Mitteilung der Kommission: Eindämmung des Verlusts der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010und darüber hinausErhalt der Ökosystemleistungen zum Wohl der Menschen“, ABl. C 97 vom 28.4.2007.

(3)  = Für Benzin wird der Indikator Platts CIF High für den Mittelmeerraum herangezogen

(4)  = Für Dieselkraftstoff wird der Indikator Platts CIF High für den Mittelmeerraum herangezogen


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