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Document 52007AE0801

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft KOM(2006) 818 endg. — 2006/0304 (COD)

OJ C 175, 27.7.2007, p. 47–52 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

27.7.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 175/47


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft“

KOM(2006) 818 endg. — 2006/0304 (COD)

(2007/C 175/13)

Der Rat beschloss am 8. Februar 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175, Absatz 1 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 8. Mai 2007 an. Berichterstatter war Herr ADAMS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 436. Plenartagung am 30./31.Mai 2007 (Sitzung vom 31. Mai) mit 50 gegen 8 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss begrüßt die vorgeschlagene Richtlinie, die einen sorgfältig abgewogenen und pragmatischen Ansatz zur Abmilderung und Kompensierung der rasch an Umfang zunehmenden Treibhausgasemissionen durch den Luftverkehrssektor bietet.

1.2

Durch die Einbeziehung des Luftverkehrs in das europäische Emissionshandelssystem (ETS) erfährt das System selbst eine potenzielle Stärkung und wird als das herausragende Modell zur Bewältigung der CO2-Emissionen auf globaler Ebene gefestigt.

1.3

Der Vorschlag ist realistisch; er berücksichtigt den starken Druck von Seiten der Politik, der Wirtschaft und der Verbraucher für einen weiteren Ausbau des Personen- und Güterluftverkehrs und nutzt zugleich die Marktmechanismen des Emissionshandelssystems, um einen der wichtigsten, durch den Luftverkehrssektor verursachten externen Schadensfaktoren auszugleichen.

1.4

Der Vorschlag hat dennoch seine Schwächen. Er steht und fällt mit dem Emissionshandelssystem — einem System, das von vielen betroffenen Kreisen kritisiert wurde, das sich erst noch bewähren muss und das seinerseits abhängig ist von der gerechten Zuteilung der CO2-Emissionszertifikate, erfindungsreichen und innovativen Investitionen in CO2-Reduzierung sowie der Durchführung der nationalen Zuteilungspläne der Mitgliedstaaten.

1.5

Der EWSA begrüßt, dass ab 2012 alle Flüge von und nach Europa in das System einbezogen werden sollen, ist jedoch der Ansicht, dass für europäische Betreiber dies ab 2011 gelten sollte.

1.6

Mit der Richtlinie wird es möglich, „externe“ flexible Gutschriften aus Projekten im Rahmen des Joint Implementation oder Clean Development Mechanism (JI/CDM) einzubeziehen. Die Unterstützung der Kohlendioxid-Reduzierung sowie zertifizierter Systeme für erneuerbare Energie/Energieeffizienz in Entwicklungsländern ist — unter der Bedingung, dass eine strenge Prüfung beibehalten wird — positiv zu bewerten.

1.7

Der Ausschuss erkennt an, dass es sich um ein komplexes Thema handelt, ist jedoch der Meinung, dass der Vorschlag etwas vage ausfällt und seine Vorzüge nicht deutlich genug herausgestellt werden. In dem Vorschlag wird in unterschiedlicher Weise und auf verschiedenen Ebenen auf die EU als Ganzes, die einzelnen Mitgliedstaaten, die verschiedenen Industriesektoren und die Öffentlichkeit Bezug genommen. Insbesondere sollte das positive Potenzial der Richtlinie zur Unterstützung und Stärkung des Emissionshandelssystems hervorgehoben werden. Ebenfalls ist darauf hinzuweisen, dass eine aktive und ergänzende Unterstützung durch andere Stellen der Kommission, insbesondere die Generaldirektionen Verkehr und Energie sowie Forschung erforderlich sein wird.

1.8

Der EWSA schlägt deshalb folgende Schritte vor:

1.8.1

Die Einbeziehung des Luftverkehrs in das Emissionshandelssystem wird dazu genutzt, das System einer Prüfung zu unterziehen, bestehende Fehler zu korrigieren und Schwachstellen abzuschaffen, damit ein echter und wirksamer Markt für den Kohlendioxid-Handel entstehen kann — ein kritischer Punkt in Zusammenhang mit der Verpflichtung der EU zu einer 20-prozentigen Reduzierung bis 2020.

1.8.2

Die vorgeschlagene Emissionsobergrenze wird herabgesetzt, um den Luftverkehrssektor zu Korrekturen zu verpflichten, die denjenigen anderer Sektoren, die bereits dem Emissionshandelssystem angehören, eher vergleichbar sind.

1.8.3

Die vorgeschlagene kostenlose Zuweisung von Zertifikaten an Betreiber sollte abgeschafft, bzw. deutlich reduziert werden, damit die Zertifikate insgesamt bzw. mehrheitlich in den Handel einbezogen werden.

1.8.4

Für den Zukauf von Zertifikaten aus dem JI/CDM-System sollte eine einheitliche Obergrenze gelten, um zu gewährleisten, dass die Emissionen zu einem hohen Prozentsatz innerhalb der EU reduziert werden.

1.8.5

Eine vorausschauende Planung im Hinblick darauf, wie die Auswirkungen der Richtlinie der Öffentlichkeit nahe zu bringen sind, sollte in Betracht gezogen werden. Hierdurch würde nicht nur das Bewusstsein für die Folgen des Luftverkehrs auf den Klimawandel geschärft, sondern auch die finanziellen Auswirkungen des Systems auf die Luftverkehrskunden und -betreiber transparenter und die Gefahr des Mitnahmegewinns reduziert werden.

1.8.6

Um mit gutem Beispiel voranzugehen, sollten die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert werden, die aus administrativen Gründen derzeit geltende Ausnahmeregelung für Reisen von Staats- und Regierungschefs oder Staatsministern (überwiegend von Militäreinheiten durchgeführte Flüge) freiwillig aufzuheben.

1.8.7

Ergänzenden Maßnahmen zur Reduzierung von CO2 außerhalb des Emissionshandelssystems sollte ebenfalls sehr große Bedeutung beigemessen werden. Hierzu gehört die Abschaffung von rechtlichen Hindernissen für steuerliche und gesetzliche Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf Flugzeugtreibstoff, die Begrenzung von Stickstoffoxidemissionen, die Verbesserung des Flugverkehrsmanagements und die Forschung im Hinblick auf größere Triebwerks- und Flugwerkeffizienz.

2.   Einleitung

2.1

Der Luftverkehr war und ist ein integraler und wichtiger Bestandteil der expandierenden Weltwirtschaft. In mehrfacher Hinsicht ist der Luftverkehr als Erfolgsgeschichte zu bezeichnen. Er verzeichnet seit 1960 ein jährliches Wachstum von durchschnittlich 9 % und somit eine 2,4-fach höhere Wachstumsrate als das globale BSP. Dieses Wachstum hält an, und wenn der gegenwärtige Trend anhält, wird sich das Luftverkehrsaufkommen bis 2020 verdoppeln.

2.2

Mit diesem Erfolg unvermeidlich verbunden waren Probleme, wie der Ausbau von Flughäfen und deren Auswirkungen auf die örtliche Umgebung; in Zusammenhang mit dem Klimawandel jedoch konzentriert sich das Dokument immer stärker auf die Frage, inwiefern die durch den Luftverkehr verursachten Treibhausgas- und andere Emissionen zur globalen Erwärmung beitragen. Die Luftfahrtindustrie trägt als Dienstleistungsbranche ca. 0,6 % zur Wertschöpfung der EU bei, verursacht aber 3,4 % ihrer Treibhausgasemissionen. Seit 1990 sind die durch den Flugverkehr in der EU verursachten Emissionen um 85 % gestiegen, während die Treibhausgasemissionen der EU aus allen Quellen zusammengenommen im gleichen Zeitraum um 3 % gesunken sind.

2.3

Internationale Flüge sind traditionell von der Mineralölsteuer ausgenommen und sind nicht betroffen von den Zielvorgaben des Kyoto-Protokolls. Berücksichtigt man die lange Einsatzfähigkeit von Flugzeugen und die Möglichkeiten noch größerer technischer und operationeller Effizienz, so bedeutet die Ausweitung des Flugverkehrs, dass die durch diesen Sektor verursachten Treibhausgasemissionen weiterhin ansteigen und somit die Bemühungen um Reduzierungen in anderen Bereichen zunichte gemacht werden. Obwohl generell im Luftverkehr große Verbesserungen bei der Regulierung, Koordinierung und der Einhaltung der Regeln in den Bereichen Schutz und Sicherheit zu verzeichnen sind, erwies sich eine Einigung auf internationaler Ebene zu Umweltthemen, die sich eventuell auch auf wirtschaftliche Interessen auswirken könnte, als schwierig.

2.4

Die Kommission sucht seit einiger Zeit nach Möglichkeiten, wie die Reduzierung der durch den Luftverkehr verursachten Treibhausgasemissionen gefördert bzw. durchgesetzt werden kann. 2005 nahm sie eine Mitteilung zur „Verringerung der Klimaauswirkungen des Luftverkehrs“  (1) an. Im April 2006 stellte der EWSA in seiner Stellungnahme (2) zu dieser Mitteilung fest, dass weitere politische Maßnahmen getroffen werden müssten, um die Auswirkungen des Luftverkehrs auf den Klimawandel unter Kontrolle zu bringen, und empfahl unter anderem, die Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten der Gemeinschaft. Auch der Rat der Umweltminister, der Europäische Rat und das Europäische Parlament vertraten eine ähnliche Position. Mit der von der Kommission nun vorgeschlagenen Richtlinie, die Gegenstand dieser Stellungnahme ist, soll der Luftverkehr in das gemeinschaftliche System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten einbezogen werden.

3.   Zusammenfassung der vorgeschlagenen Richtlinie

3.1

In der Einleitung zu dem Richtlinienvorschlag wird darauf hingewiesen, dass die Zunahme der Emissionen durch den Luftverkehr bis 2012 mehr als ein Viertel des im Rahmen des Kyoto-Protokolls erzielten Umweltschutzbeitrags der EU wieder zunichte machen könnten. Eine Einigung über Maßnahmen auf internationaler Ebene erweist sich als schwierig; die vorgeschlagene Richtlinie soll jedoch als Modell für Maßnahmen auf globaler Ebene dienen und sie stellt die einzige Initiative dar, die diese Möglichkeit eröffnet.

3.2

Mit diesem Vorschlag soll die Richtlinie 2003/87/EG zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft geändert werden. Eine den Vorschlag begleitende Folgenabschätzung kommt zu dem Schluss, dass zwar der Emissionshandel die wirksamste Lösung zur Verringerung der Klimaauswirkungen der Luftfahrt ist, die Wirkung der Maßnahmen auf das „prognostizierte Nachfragewachstum“ und somit auf den Umfang der Emissionen aber „gering wäre“ (3). Aus diesem Grund muss gesehen werden, dass dieser Vorschlag nicht darauf ausgerichtet ist, die Zunahme des Luftverkehrs per se zu begrenzen, sondern gewährleisten soll, dass seine schädlichen Umweltfolgen zum Teil durch Maßnahmen meist in anderen Wirtschaftszweigen ausgeglichen werden.

3.3

In das gegenwärtige Emissionshandelssystem der EU (4) sind etwa 12 000 energieintensive Industrieanlagen einbezogen, die für 50 % des gesamten CO2-Ausstoßes der EU verantwortlich sind. Mit dem Vorschlag werden Fluglinien verhandelbare Emissionsrechte für eine bestimmte CO2-Menge jährlich zugeteilt, das Gesamtemissionslimit wird dabei anhand der Jahresdurchschnittsmenge der im Zeitraum 2004-2006 von der Luftverkehrindustrie verursachten Emissionen festgelegt. Die Betreiber können auf dem Markt des Emissionshandelssystems überzählige Emissionsrechte verkaufen oder weitere Emissionsrechte hinzukaufen — zum Beispiel von Industrieanlagen, die ihre Emissionen reduziert haben oder im Rahmen der Kyoto-Protokoll-Mechanismen von Projekten für umweltfreundliche Energie in Drittstaaten.

3.4

Die vorgeschlagene Richtlinie wird ab 2011 für die Emissionen von Flügen innerhalb der EU und ab 2012 für die Emissionen von Flügen mit Quelle oder Ziel an EU-Flughäfen gelten und sowohl die EU- als auch Drittstaaten-Flugzeugbetreiber erfassen. Schätzungen zufolge dürfte durch den Vorschlag ein Hin- und Rückflug innerhalb Europas bis 2020 um 1,8 bis 9 EUR teurer werden, ein Langstreckenflug um entsprechend mehr, z.B. 8 bis 40 EUR für einen Flug nach und von New York. Wegen der geringfügigen Folgen eines solchen Aufschlags innerhalb des preislich flexiblen Luftfahrtsektors dürfte dieses System sich kaum auf das Wachstum auswirken.

3.5

Die Kommission erkennt an, dass die Einbeziehung des Luftverkehrs in das Emissionshandelssystem nur eine der möglichen Maßnahmen darstellt, die auf internationaler Ebene getroffen werden müssen, um die immer stärkeren Auswirkungen der flugverkehrsbedingten Emissionen auf das Klima zu bewältigen. Nach einer Folgenabschätzung will sie 2008 Vorschläge zu Stickoxid-Emissionen vorlegen. Ebenso beabsichtigt die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation bei ihrer Versammlung im September 2007, weitere Vorschläge zu unterbreiten, obwohl es Anzeichen dafür gibt, dass sich Widerstand formiert, der auf eine Schwächung und Unterminierung der EU-Initiative abzielt.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Der EWSA begrüßt den Umstand, dass durch die Einbeziehung des Luftverkehrs in das Emissionshandelssystem auf internationaler Ebene ein erster Schritt dahingehend getan wird, dass der Luftverkehr einen Teil der Umweltkosten trägt, die er bislang stets externalisiert hat. Die Einbeziehung von Betreibern aus Drittländern wird ebenfalls begrüßt. Zudem werden infolge des vorgeschlagenen Systems weniger treibstoffsparende Flugzeuge einen größeren Teil der Emissionsrechte nutzen müssen und somit — wenn auch in bescheidenem Maße — ein Anreiz zu größerer technischer und operationeller Effizienz geschaffen werden. Da die Auslastung bei Billigfluglinien im Durchschnitt um 10 % höher ist als bei traditionellen Fluggesellschaften, wird dieser Vorschlag sich auch etwas weniger auf die Billigfluglinien auswirken und zugleich alle Fluggesellschaften zum Verkauf von freien Plätzen zu günstigen Tarifen ermutigen.

4.2

Die Kommission erkennt an, dass Maßnahmen bezüglich der Effizienz der Flugrouten, Alternativtreibstoffe, verbesserter Konstruktion und höherer Auslastungsfaktoren dazu beitragen, den Anstieg von Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Obwohl jedoch die meisten dieser Maßnahmen seit 1990 in der Luftfahrt in die Praxis umgesetzt wurden, haben die Emissionen in diesem Zeitraum um mehr als 85 % zugenommen und steigen aufgrund des deutlich gewachsenen Flugpassagier- und Luftfrachtaufkommens weiterhin an.

4.3

Mit der vorliegenden Richtlinie soll durch die Einbeziehung in das Europäische Emissionshandelssystem dem wachsenden Beitrag des Luftverkehrssektors zum Klimawandel Rechnung getragen werden. Dieses Emissionshandelssystem ist der einzige internationale, marktbezogene, groß angelegte Regulierungs- und Ausgleichsmechanismus auf dem Gebiet der CO2-Emissionen, der allerdings in seiner 2007 auslaufenden Testphase erhebliche Anlaufschwierigkeiten zeigte. Dies war weitgehend auf die allzu großzügige Zuteilung von Zertifikaten durch die Mitgliedsländer zurückzuführen. Damit das EU-Emissionshandelssystem seinen Zweck als Marktinstrument für eine Reduzierung der CO2-Emissionen wirklich erfüllen kann, muss die Kommission mit der Unterstützung aller Mitgliedstaaten bei der Festlegung und Anwendung der CO2-Quoten sowie der Gewährleistung ihrer Einhaltung Standfestigkeit zeigen.

4.4

In der Praxis könnte sich die Einbeziehung des Luftverkehrs für das Emissionshandelssystem als sehr nützlich erweisen. Der Luftverkehr reagiert weniger deutlich auf Preisschwankungen als die meisten industriellen Verarbeitungs- und Energiegewinnungssektoren, die derzeit für den größten Teil der CO2-Emissionen verantwortlich sind. Wenn der durch den Luftverkehr verursachte CO2-Anteil (zwangsläufig) ansteigt, werden dem Emissionshandelssystem beträchtliche zusätzliche finanzielle Mittel zufließen, die für Investitionen zur weiteren CO2-Reduzierung in anderen Bereichen genutzt werden können. Während der Luftverkehrssektor selbst nur eingeschränkt zu solchen Reduzierungen imstande ist, kann er als Zuführungskanal von Finanzmitteln fungieren, mit denen anderen Sektoren dieses sehr wohl ermöglicht wird.

4.5

Die Kommission ist der Auffassung, dass zum Beispiel bis 2020 mit der Richtlinie gegenüber dem bisherigen Verfahren eine Netto-Reduzierung von Treibhausgasen im Umfang von 183 Mio. Tonnen CO2 erreicht werden kann. Zwar kann der CO2-Preis für diesen Zeitraum nicht genau vorausberechnet werden und hängt von einem strengen Zuteilungssystem ab, wenn aber der Luftfahrtsektor in diesem Zeitraum 100 Mio. Tonnen zu einem Durchschnittspreis von 30 EUR kaufen würde, stünden im Prinzip 3 Mrd. EUR zur Reduzierung von CO2 zur Verfügung.

4.6

Der EWSA hat 2007 ein umfassendes Programm ins Leben gerufen, mit dem innerhalb der Zivilgesellschaft Maßnahmen und bewährte Verfahren in Zusammenhang mit dem Klimawandel gefördert werden sollen und bei dem es im Wesentlichen darum geht, weitere Beiträge zu den Treibhausgasemissionen möglichst gering zu halten. Der Ausschuss erkennt zwar an, dass dieser Vorschlag pragmatisch gesehen, den besten Ansatz zur Einbeziehung des Luftverkehrssektors in eine Strategie zur CO2-Reduzierung darstellt, muss aber darauf hinweisen, dass die vorgeschlagene Richtlinie für die Begrenzung der stetig anwachsenden Treibhausgasemissionen durch den Luftfahrtsektor so gut wie nichts bringen wird. Hierdurch entsteht ein erhebliches Präsentationsproblem: Die Luftverkehrsbranche ist bereits der Treibhausgasemittent mit der höchsten Zuwachsrate in Europa, und mit dieser Richtlinie wird dem Wachstumsbestreben der Industrie nachgegeben, ohne dass eine Begrenzung der Emissionen verlangt würde. Der Öffentlichkeit muss begreiflich gemacht werden, dass die Richtlinie beträchtliche finanzielle Mittel abwerfen kann, die ausgleichend zur Reduzierung von CO2 eingesetzt werden.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Im Hinblick auf die Erreichung des gesteckten Ziels, die von der Luftfahrtindustrie ausgehenden Emissionen deutlich zu reduzieren, ist die vorgeschlagene Richtlinie terminologisch ungenau. Da die Fluggesellschaften zur Abdeckung ihrer Emissionen oberhalb des zugeteilten Limits zu „Markt“-Preisen Emissionsrechte zukaufen können, wird die durch die Richtlinie bewirkte Senkung der Treibhausgasemissionen des Luftfahrtsektors minimal ausfallen: sie wird geschätzt auf einen eventuellen 3 %-igen Nettorückgang bis 2020 und ist somit geringer als der Anstieg der Treibhausgasemissionen durch die Luftfahrt in nur einem Jahr. Aus den Zahlen der Kommission selbst geht hervor, dass der minimale Anstieg der Preise für Flugtickets auf die Nachfrage nach Flügen nur geringe Auswirkungen haben wird.

5.2

Durch die mehrheitlich kostenlose Ausgabe der ersten Emissionsrechte an Fluglinienbetreiber und die Möglichkeit des Zukaufs innerhalb des allgemeinen Emissionshandelssystems (es handelt sich um ein offenes System anstatt eines geschlossenen Systems für den Luftverkehr oder gar für den Verkehr insgesamt) akzeptiert die Kommission den Status quo und tut wenig, um auf das kontinuierliche und rasche Wachstum des Luftfahrtsektors einzuwirken. Das zentrale Problem ist jedoch, dass eine Beschränkung dieser Art politisch und wirtschaftlich nicht akzeptabel ist. Um hier überhaupt Fortschritte verbuchen zu können, geht die Kommission davon aus, dass nicht nur die Einbeziehung des Luftverkehrssektors in das Emissionshandelssystem zu einer gewissen internen CO2-Reduktionseffizienz führen wird, sondern dass über den Ausgleich der stärkeren CO2-Emissionen der Luftfahrt durch Reduzierungen in anderen Sektoren auch echte Marktanreize geschaffen und finanzielle Mittel für neue Forschungen und Anwendungen für anderweitige CO2-Reduzierungen verfügbar werden.

5.3

Die Kommission weist darauf hin, dass in einem „geschlossenen“ System von Handelszertifikaten, d.h. innerhalb lediglich des Luftfahrtsektors, der Preis für ein Emissionsrecht zwischen 114 und 325 EUR betragen würde — der angenommene Preis beträgt im Vergleich dazu 30 EUR. Durch ein solches geschlossenes System werden die Preise für einen Kurzstreckenflug um 8 bis 30 EUR ansteigen. Obwohl dies ein realistischerer Weg sein könnte, um sowohl auf die Nachfrage einzuwirken als auch die Treibstoffeffizienz und die Forschung hinsichtlich Emissionsreduzierung zu unterstützen, ist es unwahrscheinlich, dass ein solches System auf EU-Ebene Rückhalt fände, da die Prioritäten für den Verkehr unterschiedlich gesetzt werden. Durch ein geschlossenes System, das nur den Verkehr berücksichtigt, würde eine Vereinbarung auf weltweiter Ebene noch unwahrscheinlicher.

5.4

In der vorgeschlagenen Richtlinie würdigte die Kommission zwar die fundierte Untersuchung, die besagt, dass die durch den Luftverkehr verursachten Emissionen das Klima um das zwei- bis vierfache stärker belasten als Emissionen aus anderen Sektoren, berücksichtigte diese Untersuchung jedoch nicht (5). (Diese stärkere Belastung ist weitgehend darauf zurückzuführen, dass die meisten Emissionen in der oberen Atmosphäre stattfinden und ist auch bedingt durch die Auswirkungen von Nicht-CO2-Emissionen wie Kondensstreifen und Stickstoffoxiden.) Es müssen ergänzende Maßnahmen zur Reduzierung bzw. zum Ausgleich von Stickstoffoxiden getroffen werden.

5.5

Flugzeugbetreiber profitieren bereits davon, dass Flugtreibstoff von der Besteuerung ausgenommen ist. Durch die kostenlose erstmalige Zuteilung von Kohlenstoffdioxid-Zertifikaten wird ihr staatlich geförderter Vorteil gegenüber anderen Verkehrsbranchen noch weiter gesteigert. Es besteht die Gefahr, dass die Betreiber die Einführung des Emissionshandelssystems zur pauschalen Preisanhebung nutzen. Wenn die Kommission die Öffentlichkeit deutlich darüber aufklärt, wie sich das System tatsächlich finanziell auf die Kosten des Sektors auswirkt, kann einer unberechtigten Gewinnmitnahme entgegengewirkt werden.

5.6

Die Darstellung der in der Richtlinie vorgeschlagenen „Ausnahmen“ sollten noch einmal überdacht werden. So ist zum Beispiel die Ausnahmeregelung für Staats- und Regierungschefs oder Staatsminister besonders unangemessen, da diese Personengruppe doch mit gutem Beispiel vorangehen sollte. Ungeachtet der administrativen Gründe für diese Ausnahmeregelung (überwiegend von Militäreinheiten durchgeführte Flüge), sollten die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert werden, diese Ausnahmeregelung freiwillig aufzuheben. Einige Mitgliedstaaten haben diesen Schritt bereits getan.

5.7

Da die Kommission sich für ein offenes Zukauf-System entschieden hat, ist es kaum zu rechtfertigen, dass das Bezugsjahr des Systems nicht stärker auf die gegenwärtige Verpflichtung der EU für die erste Phase des Kyoto-Protokolls (zwischen 2008 und 2012 eine Reduzierung um 8 % gegenüber 1990) sowie künftige Verpflichtungen (zum Beispiel eine Reduzierung um 30 % gegenüber 1990 bis 2020) ausgerichtet wird. Durch die Wahl des Bezugsjahrs 2005 wird dem Sektor bereits eine Ausgangsposition geboten, die um etwa 100 % höher liegt als die von Kyoto. Da der Luftverkehr aber der erste Verkehrssektor ist, der in das EU-Emissionshandelssystem einbezogen wird, ist es nur recht und billig, wenn die anfängliche Zuteilung nach den im EU-Emissionshandelssystem festgelegten Grundsätzen erfolgt.

5.8

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die vorliegende Richtlinie eine Verlangsamung der Zunahme der Emissionen des Luftverkehrs insgesamt wenig bringen wird. Der Umstand jedoch, dass sie über das Emissionshandelssystem die CO2-Emissionen stabilisieren kann und damit zugleich finanzielle Mittel für weitere Reduzierungen bereitstellt, ist bereits ein guter Grund, um die Kosten und den administrativen Aufwand ihrer Umsetzung zu rechtfertigen. Die vorgeschlagene Richtlinie bewirkt mehr, als dem Luftfahrtsektor ein umweltpolitisches Feigenblatt zu bieten, sie wird möglicherweise das Bewusstsein der Öffentlichkeit schärfen, weitere finanzielle Mittel für die CO2-Reduzierung bereitstellen und eine Maßnahme darstellen zur Internalisierung der externen Umweltkosten, die der Luftverkehrssektor bislang ignorieren konnte.

Brüssel, den 31. Mai 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  KOM(2005) 459 endg. vom 27.9.2005.

(2)  NAT/299 „Klimaauswirkungen des Luftverkehrs“.

(3)  Zusammenfassung der Folgenabschätzung — Abschnitt 5.3.1.

(4)  Siehe die kurze Beschreibung des Emissionshandelssystems in Anhang I.

(5)  IPCC Zusammenfassung für Entscheidungsträger 2007, Die Wissenschaft der Klimaänderung,

http://www.ipcc.ch/pub/sarsum1.htm.


ANHANG I

zu der Stellungnahme des Ausschusses

Die folgenden Änderungsanträge, die mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen auf sich vereinigen konnten, wurden abgelehnt:

Ziffer 1.8.2

Wie folgt ändern:

1.8.1

Die vorgeschlagene Emissionsobergrenze wird herabgesetzt, um den Luftverkehrssektor zu Korrekturen zu verpflichten, die denjenigen auf einem anderenr Sektoren, die bereits dem EU- Emissionshandelssystem angehören, eher vergleichbaren Niveau festgelegt. sind .“

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 18

Nein-Stimmen: 33

Stimmenthaltungen: 9

Ziffer 1.8.3

Wie folgt ändern:

„1.8.3

Die vorgeschlagene kostenlose Zuweisung von Zertifikaten an Betreiber sollte im Rahmen der Vorschriften und Leitlinien für das Emissionshandelssystem der EU festgelegt werden abgeschafft, bzw. deutlich reduziert werden, damit die Zertifikate insgesamt bzw. mehrheitlich in den Handel einbezogen werden.“

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 13

Nein-Stimmen: 24

Stimmenthaltungen: 6


ANHANG II

2005 führte die Europäische Union für die Industriesektoren mit den höchsten Treibhausgasemissionen einen europaweiten Kohlendioxid-Emissionshandel ein. Dieses System ist Vorläufer eines ähnlichen Systems, das die Unterzeichnerstaaten des Kyoto-Protokolls von 2008 an betreiben werden. Das Emissionshandelsystem der EU soll die europäischen Staaten auf das Kyoto-Protokoll vorbereiten.

Das System beruht darauf, dass — unter Aufsicht der Europäischen Kommission — einzelnen Industriesektoren im Rahmen von nationalen Zuteilungsplänen Treibhausgasemissionszertifikate, so genannte EU-Berechtigungen, zugeteilt werden. Diese Zertifikate können gehandelt werden. Die erste Phase des Emissionshandelssystems der EU deckt den Zeitraum 2005-2007 ab, die zweite Phase umfasst zeitgleich mit der ersten Phase des Kyoto-Protokolls den Zeitraum von 2008 bis 2012.

In der ersten Phase des EU-Emissionshandelssystems sind 7 300 Unternehmen und 12 000 Anlagen in Schwerindustriesektoren der EU betroffen. Hierzu gehören: Energieunternehmen, Ölraffinerien, Eisen- und Stahlwerke, die Zellstoff- und Papierindustrie sowie Zement-, Glas-, Kalk-, Ziegel- und Keramikhersteller.

Für jeden EU-Mitgliedstaat werden im Rahmen des Emissionshandelssystems jährliche Zielvorgaben für den CO2-Ausstoß festgelegt. Jedes Land teilt dann seine Zertifikate unter den Unternehmen auf, deren Fabriken und Anlagen zu den größten Kohlendioxidemittenten gehören — Energieunternehmen, Baustoffproduzenten und anderen Unternehmen der Schwerindustrie.

Jede EU-Berechtigung berechtigt seinen Inhaber zum Ausstoß von einer Tonne Kohlendioxid. Unternehmen, die ihre Zertifikate nicht alle nutzen, deren Emissionen also unterhalb der ihnen erlaubten Menge liegen, können diese Zertifikate verkaufen. Unternehmen, die ihre Emissionsvorgaben überschreiten, müssen die überzähligen Emissionen durch den Zukauf von Berechtigungen ausgleichen oder eine Geldbuße von 40 EUR pro Tonne zahlen.

Für die Verwaltung des Zertifikatshandels und zur Überprüfung des Zertifikatsbesitzes sind alle EU-Mitgliedstaaten durch das Emissionshandelssystem dazu verpflichtet, ein Register der nationalen Emissionszertifikate anzulegen, in dem für alle an dem System beteiligten Unternehmen Konten geführt werden.

Der Markt läuft über Makler und den täglichen elektronischen Transfer von EU-Berechtigungen. Hauptsächlich gehandelt werden Forwards, d.h. EU-Berechtigungen, die für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen sind. Dieser spätere Zeitpunkt entspricht dem Ende des Kalenderjahrs, auf das sich die Berechtigungen beziehen.


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