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Document 52005AE1066

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (KOM(2005) 81 endg. — 2005/0017 (COD))

OJ C 24, 31.1.2006, p. 29–33 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

31.1.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 24/29


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen“

(KOM(2005) 81 endg. — 2005/0017 (COD))

(2006/C 24/10)

Der Europäische Rat beschloss am 22. März 2005, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu der obenerwähnten Vorlage zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 5. September 2005 an. Berichterstatterin war Frau ŠTECHOVÁ.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 420. Plenartagung am 28./29. September 2005 (Sitzung vom 28. September) mit 166 gegen 5 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Ausschusses (1)

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hebt erneut sein großes Interesse an der Förderung der Gleichberechtigung von Mann und Frau hervor. Wie er in seinen jüngsten Stellungnahmen zu diesem Thema (2) wiederholt betont hat, ist es von grundlegender Bedeutung, sehr viel konkretere Fortschritte zu erzielen. Der Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Gleichstellung der Geschlechter) wird in der Politik der Europäischen Union Priorität eingeräumt, und das muss auch so bleiben. Obwohl in den vergangenen Jahren in der EU größere Anstrengungen zur Durchsetzung der Gleichstellung von Mann und Frau unternommen worden sind, bleiben Frauen doch in vielen Bereichen des Arbeitslebens benachteiligt (3) — diesen Zustand gilt es zu ändern. Es gibt andererseits, wenn auch in wesentlich geringerem Maße, auch Situationen, in denen Männer vom Standpunkt der Gleichberechtigung aus gesehen benachteiligt werden — auch dieses Problem gilt es zu lösen. Ferner müssen auch Probleme gelöst werden, die aufgrund von Diskriminierungen entstehen (wegen sexueller Orientierung, Alter, Gesundheit, Behinderung, Volkszugehörigkeit) und die unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellungsproblematik noch schwerer wiegen.

1.1.1

Es gibt also viele verschiedene Arten von Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern. Sie kommen überall in der EU vor, und es ist dringend notwendig, sie zu erkennen, zu dokumentieren, zu sammeln und zu analysieren, um aus ihnen auf gemeinschaftlicher Ebene Lehren zu ziehen und nach entsprechenden Lösungen zu suchen.

1.1.2

Der EWSA begrüßt daher alle Instrumente, die dazu beitragen, die Gleichstellung von Männern und Frauen in der Praxis zu beschleunigen.

1.1.3

Der EWSA unterstützt den Vorschlag zur Einrichtung eines Instituts für Gleichstellungsfragen (4) (im Folgenden „Institut“), das seiner Ansicht nach zu einem wirksamen Instrument mit großem Entwicklungspotenzial werden kann, um die Bemühungen von Seiten der EU sowie der Mitgliedstaaten zu unterstützen, die darauf abzielen, sowohl rechtlich als auch in der Praxis Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter zu erzielen.

1.2

Der EWSA pflichtet den Gründen für die Schaffung eines unabhängigen Instituts bei und begrüßt den Beschluss, dass das Institut weder die bestehenden und bewährten spezialisierten Agenturen noch die, deren Gründung auf gemeinschaftlicher Ebene vorbereitet wird, (5) ersetzen oder beeinträchtigen darf. Die Gründung des Instituts darf auch nicht dazu führen, dass das Prinzip des „Gender-Mainstreaming“ in den Gemeinschaftsorganen und in der gesamten Politik und allen Programmen der EU aufgeweicht wird: Der EWSA ist im Gegenteil der Überzeugung, dass das „Gender-Mainstreaming“ dadurch eine Stärkung erfährt.

1.3

Der EWSA ist der Ansicht, dass das Institut eine auf Objektivität, Neutralität, Unabhängigkeit und Erfahrung beruhende Autorität erlangen sowie durch die Möglichkeit, einschlägige Informationen an einem Ort zu bündeln, zu einem bedeutenden Instrument für ein weites Benutzerspektrum werden kann. Bei einer folgerichtigen Anwendung des Gender-Mainstreaming-Prinzips wird das Institut den unterschiedlichsten „Kunden“ dienen — von den breitesten Schichten der Zivilgesellschaft bis hin zu den Entscheidungsgremien der EU-Organe.

1.3.1

Überdies wird das Institut nicht nur innerhalb der EU seine Wirkung entfalten, sondern auch im weiteren europäischen Kontext, einschließlich der Vorbereitung auf zukünftige Erweiterungen der EU, und ebenso auf internationaler Ebene. Das Institut wird demnach auch zur Pflege multikultureller Beziehungen und als Stätte des Austausches dienen.

1.4

Der EWSA ist der Ansicht, dass es wegen des ambitionierten Vorhabens und der Aufgaben, vor denen das Institut steht, notwendig wäre, Zuständigkeiten und Pflichten mit Blick auf seine Funktionen in der Forschung, Verbreitung von Information, Öffentlichkeitsarbeit usw. genauer zu definieren, als es der Kommissionsvorschlag vorsieht. Es ist unerlässlich, genau zu präzisieren, zu welchem Zwecke die Daten gesammelt und verarbeitet werden, so dass das Institut seiner Rolle im europäischen Entscheidungsprozess in vollem Umfang gerecht werden kann. In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass sich alle Gemeinschaftseinrichtungen auf die statistischen Instrumente der einzelnen Mitgliedstaaten verlassen müssen. Das Institut sollte die Möglichkeit haben, die geplanten Projekte aus seiner Sicht zu erläutern. Das Institut müsste ebenso eine Vermittlerrolle in Fragen des „Gender-Mainstreaming“ übernehmen sowie die Möglichkeit erhalten, seine Ansichten zu den Gemeinschaftsinitiativen und gemeinschaftlichen Aktivitäten im Bereich der Gleichstellung der Geschlechter darzulegen.

1.4.1

Der EWSA ist der Auffassung, dass eine genauere Definition der Zielsetzungen und Funktionen des Instituts seine Bedeutung unterstreichen und deutlich machen wird, dass zur Verwirklichung dieser Zielsetzungen die entsprechenden Mittel zur Verfügung stehen müssen.

1.5

Das Institut muss über eine starke moralische Autorität verfügen; es ist von grundlegender Bedeutung, seine Funktion transparent zu gestalten und wirklich effiziente Verbindungen zu den betroffenen, in Kapitel10 Absatz 1 Buchstaben a-c aufgeführten Kreisen der Zivilgesellschaft zu unterhalten, die im Hinblick auf die Gleichstellung von Männern und Frauen über große Erfahrungen bei der Analyse und Sachverstand verfügen und zugleich die Bedürfnisse der EU-Bürger unmittelbarer darstellen können. Der EWSA empfiehlt deshalb mit Nachdruck, dass die Vertreter dieser zivilgesellschaftlichen Kreise über eine höhere Anzahl an Sitzen im Verwaltungsrat des Instituts verfügen sollten (s.u. Ziffer 3.7.2 und 3.7.3). Der EWSA macht in diesem Zusammenhang erneut darauf aufmerksam, dass die Sozialpartner auf verschiedenen Ebenen eine maßgebliche Rolle bei der Lösung der Probleme der Gleichstellung zwischen Mann und Frau auf dem Arbeitsmarkt spielen.

1.6

Der EWSA besteht außerdem darauf, dass die Vertreter der europäischen Sozialpartner sowie der entsprechenden repräsentativen NRO im Verwaltungsrat den gleichen Status wie die anderen Mitglieder erhalten — also stimmberechtigt sein müssen (s.u. Ziffer 3.7.4).

1.7

Der EWSA hält es für grundlegend erforderlich, dass das Institut durch die Mittelzuweisungen in die Lage versetzt wird, seine Aufgaben in vollem Maße zu erfüllen, und zwar Seite an Seite mit den bestehenden Einrichtungen oder Gemeinschaftsprogrammen, die ebenso die Problematik der Gleichstellung von Mann und Frau zum Gegenstand haben, keinesfalls aber zu ihren Lasten.

1.8

Der Vorschlag für eine Verordnung legt den Sitz des Instituts nicht genauer fest; der EWSA spricht sich indes dafür aus, dass es in einem der Länder, die 2004 der EU beigetreten sind, eingerichtet werden müsste. Gründe dafür sind das diesbezügliche Interesse, das einige dieser Länder bereits bekundet haben, die Notwendigkeit einer ausgewogenen Dezentralisierung der EU-Einrichtungen wie auch die Möglichkeit, einen unmittelbaren Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern eines dieser Länder aufzubauen und sich stärker mit ihren Erfahrungen auf dem Gebiet der Chancengleichheit von Männern und Frauen vertraut zu machen.

1.9

Der EWSA ist davon überzeugt, dass eine enge Zusammenarbeit mit dem zukünftigen Institut für beide Seiten von Nutzen sein wird, und erklärt, dass er bereit ist, mit ihm im Rahmen der Gemeinschaftsregelungen zusammenzuarbeiten.

2.   Einführung — allgemeine Bemerkungen

2.1

Am 8. März 2005, hat die Europäische Kommission den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen veröffentlicht (6) und in ihrer Presseerklärung unter anderem ausgeführt: (7)

„Das Institut wird ein unabhängiges Exzellenzzentrum auf europäischer Ebene sein. Es wird zuverlässige und vergleichbare Forschungsdaten und Informationen, die von den politischen Entscheidern in Brüssel und in den Mitgliedstaaten benötigt werden, zusammentragen, analysieren und verbreiten. Ihm angeschlossen sein werden ein Dokumentationszentrum und eine Bibliothek — beide für die Öffentlichkeit zugänglich.

Das Institut wird die Forschung und den Erfahrungsaustausch fördern durch Organisation von Sitzungen mit Politikern, Experten und Stakeholdern, und es wird mit Hilfe von Veranstaltungen wie Konferenzen, Informationskampagnen und Seminaren die Öffentlichkeit für Gleichstellungsfragen sensibilisieren. Eine weitere wichtige Aufgabe wird darin bestehen, Instrumentarien für das Gender-Mainstreaming in allen Politikbereichen der Gemeinschaft zu entwickeln.“

2.2

Die lange Zeitspanne, die zwischen der ersten Initiative zur Schaffung des europäischen Instituts 1995 (8) und der Veröffentlichung des Vorschlags für eine Verordnung im März 2005 liegt, diente der Durchführung fachlicher und politischer Forschungen, die es nun erlauben, die Verwirklichung des Projekts besonnen anzugehen.

2.3

Auf seiner Sitzung vom 1./2. Juni 2004 hat der Rat „Wettbewerb sowie Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ einstimmig seine Unterstützung für die Schaffung eines europäischen Instituts erklärt: (9)

„Die Delegationen stimmten vom Grundsatz her der Einrichtung eines solchen Instituts voll und ganz zu und hoben gleichzeitig hervor, dass es einer Einrichtung bedürfe, die einen Mehrwert habe, aber keine Doppelarbeit zu bereits vorhandenen Tätigkeiten auf diesem Gebiet leiste. Es wurde ebenfalls darauf verwiesen, dass Haushaltsneutralität gegeben sein müsse.“

Der Rat hat das Institut mit folgenden Aufgaben betraut:

Koordinationsfragen;

Bündelung und Verbreitung von Informationen;

Steigerung des Bekanntheitsgrades der mit der Gleichstellung von Mann und Frau verbundenen Probleme;

Bereitstellung von Instrumenten für eine Einbeziehung der Gleichstellungsfrage in die Politik.

2.3.1

Der Rat hat daraufhin die Kommission aufgefordert, einen Vorschlag auszuarbeiten. (10)

2.4

Die Schaffung des Instituts wurde nach dem Beitritt der zehn neuen Staaten zur EU beschlossen. Der EWSA hält es für wichtig, dass die Tätigkeit des Instituts von Anfang an auf die erweiterte Union ausgerichtet ist, damit in größerem Rahmen die vielfältigen Erfahrungen, Situationen und Sachkenntnisse berücksichtigt werden können.

2.5

Der EWSA hat jüngst in seiner Stellungnahme „Peking +10: Bewertung der erzielten Fortschritte auf dem Gebiet der Gleichstellung von Mann und Frau“ (11) die Entwicklung und die Bandbreite der Aktivitäten der EU im Bereich der Gleichstellung von Mann und Frau noch einmal zusammengefasst. Der Ausschuss bezieht sich auf diese Stellungnahme und betont, dass ein Anstieg beim Bedarf an Gutachten, Analysen und Informationen zu verzeichnen ist und dabei höhere Qualitätsansprüche gestellt werden. Der EWSA zeigt sich darüber erfreut, da diese Entwicklung von einer umfassenderen Umsetzung des Prinzips des „Gender-Mainstreaming“ ausgeht.

2.6

In der Praxis treten fortbestehende und neue Probleme zu Tage, mit denen die EU und ihre Mitgliedstaaten konfrontiert sind und die dringend gelöst werden müssen. Sie stehen in direktem Zusammenhang mit der Problematik der Gleichstellung von Mann und Frau, und das Institut wird sich damit beschäftigen müssen:

Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt, besonders berufliche Segregation, Unterschiede in der Vergütung, Risiken auf dem Arbeitsmarkt;

Karriereverlauf der Frauen und ihr Zugang zu Positionen als Führungskräfte bzw. leitende Angestellte, Untersuchungen über die Situation von Frauen in Führungs- und Leitungspositionen;

Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben;

Zugang zu lebenslangem Lernen, Untersuchungen, auf welche Weise die berufliche Qualifikation von Frauen verbessert wird;

die demografische Entwicklung in der EU;

Frauen- (und Kinder-)handel und ihre sexuelle Ausbeutung;

jegliche Art von Gewalt gegenüber dem anderen Geschlecht;

Defizit hinsichtlich der Beteiligung von Frauen am Entscheidungsfindungsprozess;

ein allgemein unzureichendes Bewusstsein über die mit der Gleichstellung von Mann und Frau verbundenen Probleme und fortwährende unzureichende Durchsetzung des „Gender-Mainstreaming“-Prinzips;

die stereotype Darstellung der Frauen- bzw. Männerrolle (im Bildungswesen, in den Medien, im öffentlichen Leben, im Arbeitsleben);

ein „unzureichendes Bewusstsein“ bei den Frauen selbst, welchen Platz sie in der Gesellschaft einnehmen können;

interkulturelle Probleme;

Gleichstellung der Geschlechter innerhalb der verschiedenen Organe, Einrichtungen und Organisationen, einschließlich der Organisationen der organisierten Zivilgesellschaft;

usw.

2.6.1

Der EWSA verweist auf seine Stellungnahme „Peking +10: ...“, in der er bereits detailliert eine Vielzahl von Bereichen genannt hat, in denen gehandelt werden muss. (12)

2.7

Der EWSA ist sich — wie bereits betont wurde — bewusst, dass die Umsetzung des „Gender-Mainstreaming“-Prinzips sich ausweitet und weiter entwickelt. Aus diesem Grunde stimmt er zu, dass eine unabhängige Institution mit der Aufgabe betraut wird, die Bemühungen der Mitgliedstaaten und der interessierten Kreise der Zivilgesellschaft zu bündeln, um die gemeinschaftlichen Institutionen in diesem Bereich zu unterstützen; auf diese Weise wird auch der Synergieeffekt verstärkt. Zudem ist der EWSA der Ansicht, dass sich das Institut und die gemeinschaftlichen Agenturen gegenseitig ergänzen sollten und dass die Entwicklung des „Gender-Mainstreaming“-Prinzips im Rahmen der Agenturen und in reibungsloser Zusammenarbeit mit dem zukünftigen Institut fortgesetzt wird. Ebenso muss die Zusammenarbeit mit den institutionellen Mechanismen für die Gleichstellung von Männern und Frauen die Regel sein.

2.8

Der EWSA erinnert daran, dass die Schaffung des Instituts ein Fortschritt ist. Die Notwendigkeit, Initiativen zur Durchsetzung der Chancengleichheit in der Praxis zu ergreifen, bleibt jedoch bestehen — auch im Hinblick auf die Erreichung aller in den Gemeinschaftsdokumenten festgeschriebenen Ziele. Es wird von außerordentlicher Bedeutung sein, dass sich das Institut aktiv für die Verwirklichung der Zielsetzungen von Lissabon einsetzt, die vor allen Dingen auf Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen ausgerichtet sind.

2.9

Der EWSA steht der Schaffung des Instituts positiv gegenüber, hält es allerdings für notwendig, dass es auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene durch die Zivilgesellschaft möglichst positiv aufgenommen wird, denn ohne deren Unterstützung könnte das Institut seine Arbeiten nicht ordentlich aufnehmen. Daher braucht es die nötigen Mittel, die ihm Glaubwürdigkeit verleihen und es zu einer vertrauenswürdigen Einrichtung machen. Auf diese Weise kann das Institut erfolgreich alle Arten von Aktivitäten entfalten und das Interesse hervorrufen, das es verdient.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1

Der EWSA erkennt die Rechtsgrundlage an, auf die sich die Schaffung des Instituts gründet: Artikel 141 Absatz 3 und Artikel 13 Absatz 2 des EG-Vertrags. Er erkennt gleichermaßen die in den Erwägungsgründen dargelegten Motive an, aus denen hervorgeht, warum auch Artikel 5 des Vertrags anwendbar ist.

3.2

Der EWSA ist ebenso der Meinung, dass die Zusammenarbeit mit den vorhandenen Strukturen, Stiftungen und anderen Einrichtungen dem Wunsch des Rates entspricht, jede Art von Doppelarbeit zu vermeiden. Er stellt fest, dass sich der 12. Erwägungsgrund ausdrücklich auf die anderen europäischen Einrichtungen und Programminstanzen, wie z.B. Eurostat, bezieht. Der Ausschuss verweist auf die Mitteilungen der Kommission „Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen“ (13) und „Entwurf für eine Interinstitutionelle Vereinbarung zur Festlegung von Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen“ (14) und nimmt zur Kenntnis, dass in diesem Rahmen auch dem Institut unter den bisherigen Einrichtungen sein Platz zugewiesen wird.

3.3

Der EWSA weist darauf hin, dass der englische Name des Instituts (Artikel 1) „European Institute for Gender Equality“ seinen Aufgabenbereich genau umreißt und darüber hinaus deutlich macht, dass weitere Dimensionen (ethische, moralische, ästhetische, sexuelle etc.) berücksichtigt werden. Es hat sich herausgestellt, dass das Wort „gender“ in einer ganzen Reihe von EU-Sprachen keine genaue Entsprechung hat. Deswegen müsste bei der Übersetzung dieses Namens auf eine der Originalversion möglichst nahe Formulierung zurückgegriffen werden.

3.4

Bezüglich der Zielsetzungen für das Institut ist der EWSA der Ansicht, dass Artikel 2 einen deutlichen Hinweis auf die Durchsetzung des „Gender-Mainstreaming“-Prinzips enthalten sollte.

3.4.1

Der EWSA ist ferner der Meinung, dass dem Institut die Aufgabe übertragen werden sollte, Arbeitgeberverbände und Arbeitnehmerorganisationen sowie die anderen Teile der organisierten Zivilgesellschaft in ihrer Arbeit auf dem Gebiet der Gleichstellung von Mann und Frau zu unterstützen. Dieses Ziel müsste deutlich herausgestellt und in Erwägung gezogen werden.

3.5

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Aufgaben des Instituts, wie in Artikel 3 beschrieben, genauso wichtig sind wie seine Ziele. Sie müssten demnach, wie in Ziffer 1.4 dieser Stellungnahme dargelegt, ergänzt werden.

3.5.1

Der EWSA fordert, dass in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a die Sozialpartner ausdrücklich erwähnt werden. In diesem Zusammenhang erinnert er daran, dass die europäischen Sozialpartner vor kurzem einen Aktionsrahmen für die Gleichstellung von Mann und Frau angenommen haben.

3.5.2

Der EWSA hebt hervor, dass das Institut, das durch seine Aktivitäten einen Beitrag zur Erfüllung der beispielsweise aus der Rahmenstrategie hinsichtlich der Gleichstellung von Mann und Frau hervorgehenden Aufgaben leistet, seinen Mehrwert auch dadurch unter Beweis stellt, dass es mit seinen Arbeiten auch über den Rahmen des Jahresberichts hinaus regelmäßig an die Öffentlichkeit tritt. Neben seinem Jahresbericht sollte das Institut unter anderem auch sein Arbeitsprogramm veröffentlichen (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe e).

3.5.3

Die vom Institut zu bearbeitenden Themen werden entsprechende Arbeitsmethoden erforderlich machen. Sie sollten auf die unterschiedlichen Arten von Ungleichheiten und Diskriminierungen zwischen den Geschlechtern abgestimmt werden, daher müssten u.a. vergleichende Methoden (Benchmarking), Fallstudien, vertikale (branchenspezifische) Erhebungen von Daten, Veranschlagung von Haushaltsmitteln für die Gleichstellung der Geschlechter, Monitoring u.ä. zur Anwendung kommen. Die Zusammenarbeit des Instituts mit den eigenständigen Agenturen und Einrichtungen muss auch in dieser Hinsicht eine Selbstverständlichkeit sein.

3.5.4

Der EWSA stellt fest, dass Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe d vorsieht, dass das Institut in „Europa“ Erhebungen durchführt, wodurch auf sein Tätigwerden im breiteren Rahmen des EWR, im Hinblick auf die nächste Erweiterung sowie in den Mitgliedstaaten des Europarates hingewiesen wird.

3.5.5

Der EWSA möchte zu Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g die nationale und regionale Ebene hinzufügen, wodurch eine Öffnung für weitere Beteiligte erfolgen könnte, beispielsweise für Gebietskörperschaften, die dazu beitragen, in der breiten Öffentlichkeit Fragen der Gleichstellung von Mann und Frau zu thematisieren, was den in Artikel 2 aufgeführten Zielen entspricht und im Einklang mit der Präambel steht.

3.6

Der EWSA begrüßt, dass das Institut von nationalen Behörden und der Zivilgesellschaft unabhängig sein wird (Artikel 5). Der Ausschuss ist gleichwohl der Auffassung, dass es auch von den Gemeinschaftsinstitutionen unabhängig sein sollte, um auch ihnen gegenüber eine objektivere Haltung vertreten zu können. Der EWSA schlägt ferner vor, die Zahl der Vertreter aus der Zivilgesellschaft im Verwaltungsrat zu erhöhen, um eine stärkere Unabhängigkeit des Instituts zu gewährleisten.

3.6.1

Der EWSA befürwortet und unterstützt das Prinzip, dass das Institut den Behörden der Mitgliedstaaten gegenüber frei und unabhängig agieren wird. Er ist der Ansicht, dass es vorteilhaft wäre, den Mitgliedern des Beirats die Verantwortung dafür zu übertragen, Informationen rechtzeitig zu sammeln und weiterzugeben (s.u. Ziffer 3.8.2). In diesem Zusammenhang könnten die Einrichtungen eine wichtige Rolle übernehmen, die in den Mitgliedstaaten im Rahmen der Richtlinie zur Neufassung der Richtlinien zur Chancengleichheit ihre Tätigkeit ausüben (15).

3.7

Bezüglich der Verwaltungsstruktur des Instituts schätzt der EWSA die Bemühungen, den Verwaltungsrat zur operativen Zentrale zu machen, die in der Lage ist, das Institut so effizient zu leiten, dass dieses auf Veränderungen und Nachfragen flexibel reagieren kann.

3.7.1

Der EWSA geht gleichwohl von dem Grundsatz aus, dass die Kommission nur auf Vorschlag der erwähnten Organisationen Mitglieder des Verwaltungsrats als Vertreter der genannten Kreise ernennen kann. Dieser Grundsatz sollte in Artikel 10 Erwähnung finden.

3.7.2

Der EWSA betont, dass dazu auf gemeinschaftlicher Ebene eine wirksame und deutliche Vertretung der europäischen Sozialpartner und der entsprechenden NRO, die nach dem Wortlaut der Verordnung „ein legitimes Interesse daran hat, zur Bekämpfung der Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts und zur Förderung der Geschlechtergleichstellung beizutragen“, erforderlich ist, damit der Verwaltungsrat in der Lage ist, in angemessener Weise auf die an ihn gestellten Anforderungen zu reagieren, d.h. seinen Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten nachzukommen und gleichzeitig eine entsprechende Rückkopplung mit der Zivilgesellschaft zu gewährleisten. Außerdem gibt es keinen Grund, warum nicht Vertreter der Zivilgesellschaft für einen Sitz vorgeschlagen werden sollten. Im Gegensatz zum Usus in den dreiseitigen Gemeinschaftseinrichtungen wird die nationale Ebene der Sozialpartner nicht im Verwaltungsrat vertreten sein. Daher muss, und sei es über diesen Umweg, die aktive Beteiligung der Sozialpartner und der entsprechenden NRO gewährleistet werden.

3.7.3

Der EWSA fordert deshalb dringend eine Erhöhung der Mitgliederzahl im Verwaltungsrat. Seines Erachtens wäre es angemessen, ihre Anzahl auf jeweils sechs Vertreter jeder Seite (Rat, Kommission, Sozialpartner und entsprechende NRO auf Gemeinschaftsebene) zu erhöhen. Jede in Artikel 10 Absatz 1 Buchstaben a-c genannte Organisation könnte dann seine Kandidaten so auswählen, dass eine ausgewogene Vertretung von Männern und Frauen gewährleistet ist. Die erwähnten drei Organisationen sollten somit über je zwei Sitze verfügen.

3.7.4

Ebenso gibt es keinen Grund dafür, dass die Vertreter der Sozialpartner und der NRO nicht stimmberechtigt sein sollen. Um eine größere Unabhängigkeit des Instituts sowie die Autonomie und Objektivität seiner Aktivitäten zu gewährleisten, ersucht der EWSA die Kommission, jeder Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisation und den betreffenden NRO volles Stimmrecht zu gewähren. Dies steht im Einklang mit Absatz 4, in dem es heißt, dass „jedes Mitglied des Verwaltungsrats bzw., in dessen Abwesenheit, dessen Stellvertreter … über eine Stimme“ verfügt.

3.7.5

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Direktoren der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung sowie der Europäischen Grundrechteagentur unter Umständen die Möglichkeit haben sollten, direkt als Beobachter an den Sitzungen des Verwaltungsrats teilzunehmen (Artikel 10 Absatz 11); der Institutsdirektor sollte ebenfalls die Möglichkeit haben, im Namen des Verwaltungsrats oder aufgrund einer Übereinkunft im gegenseitigen Einvernehmen an den Sitzungen dieser Institutionen teilzunehmen.

3.8

Der EWSA respektiert, dass die Funktion des Beirats darin besteht, den Mitgliedstaaten die Hinzuziehung kompetenter Einrichtungen und den Aufbau eines Sachverständigennetzes zu ermöglichen. Dieses Organ verfügt nach Artikel 12 über keinerlei Entscheidungsbefugnis innerhalb des Instituts. Es ist daher unnötig hervorzuheben, dass die drei Mitglieder, die die interessierten Kreise auf europäischer Ebene vertreten, kein Stimmrecht haben. Es stellt sich ebenso die Frage, warum diese Vertreter von der Kommission ernannt werden. Es wäre eher angezeigt, dass sie direkt von den in Artikel 10 Absatz 1 Buchstaben a-c erwähnten Organisationen ernannt werden.

3.8.1

Es muss ein Weg gefunden werden, eine ausgewogene Verteilung von Männern und Frauen im Beirat zu gewährleisten.

3.8.2

Wie in Ziffer 3.6.1 beschrieben, sollten die Mitglieder des Beirates die Verantwortung bei der Realisierung der Zusammenarbeit zwischen den Behörden ihrer Länder und dem Institut tragen (Artikel 12 Absatz 4).

3.9

Der EWSA hat Vorbehalte bezüglich der finanziellen Ausstattung des Instituts. In der Erklärung des Rates, die unter Ziffer 2.3 der vorliegenden Stellungnahme erwähnt wurde, gibt es Anzeichen für Widersprüche: Das Bemühen um die Erbringung eines Mehrwerts bedeutet, anspruchsvolle Aufgaben bei Einhaltung der Haushaltsneutralität zu erfüllen.

3.9.1

Es ist vorgesehen, dass die Finanzierung des Instituts teilweise aus den Finanzmitteln des Programms PROGRESS erfolgt. In Absatz 3.6 der Begründung des Verordnungsentwurfs heißt es: „Die Tätigkeit des Instituts wird sich unterscheiden von der im Rahmen der Geschlechtergleichstellungskomponente des Programms PROGRESS (2007-2013) geplanten Tätigkeit …“ Der EWSA erkennt darin ein Argument, das seine in der Stellungnahme zum Programm PROGRESS vertretene Position stützt:

„Der EWSA regt in diesem Zusammenhang an, die für das Gender Institut veranschlagten Mittel bei der Erstellung des globalen PROGRESS-Finanzrahmens nichtwie allem Anschein nach beim vorliegenden Entwurf geschehenbudgetmindernd in Rechnung zu stellen, sondern eine eigenständige Finanzierung vorzusehen.“  (16)

3.9.2

Der EWSA empfiehlt deshalb, dass die für die Tätigkeiten und das reibungslose Funktionieren des Instituts erforderlichen Finanzmittel bei den Verhandlungen über die Finanzielle Vorausschau der Europäischen Union berücksichtigt werden und dass diese Mittel zumindest schrittweise zugeteilt werden, so dass das Institut in der Lage ist, die ihm übertragenen Aufgaben in rechtlicher und finanzieller Sicherheit zu erfüllen.

3.9.3

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Konzentration der Arbeiten zur Gleichstellung von Mann und Frau an einer Stelle sowohl auf nationaler als auch auf Gemeinschaftsebene zu Einsparungen führt. Die für das Programm PROGRESS veranschlagten Haushaltsmittel sollten demnach nicht um diese Beträge gekürzt werden, sondern im Gegenteil, falls keine Entscheidung über eine eigenständige Finanzierung des Instituts zustande kommt, angehoben werden.

3.9.4

Die Schaffung dieses Instituts darf keinesfalls als Vorwand dienen, Mittel für andere Institutionen, insbesondere für die Stiftung in Dublin zu kürzen, die sich unter anderem auch mit den Problemen der Chancengleichheit auseinandersetzt.

Brüssel, den 28. September 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Alle in diesem Dokument enthaltenen Bezeichnungen von Positionen und Funktionen beziehen sich gleichermaßen auf Männer und Frauen.

(2)  Stellungnahme des EWSA vom 10.12.2003: „Gleichstellung von Frauen und Männern - Förderprogramm europäischer Organisationen“, Berichterstatterin: Frau WAHROLIN; ABl. C 80 vom 30.3.2004;

Stellungnahme des EWSA vom 3.6.2004: „Gleichbehandlung von Frauen und Männern/Zugang zu Gütern und Dienstleistungen“, Berichterstatterin: Frau CAROLL; ABl. C 241 vom 28.9.2004;

Stellungnahme des EWSA vom 15.12.2004: „Neufassung Gemeinschaftsrecht Gleichbehandlung“, Berichterstatterin: Frau SHARMA (CESE 1641/2004);

Stellungnahme des EWSA vom 9.2.2005: „10 Jahre nach Peking: Fortschritte bei der Gleichstellung von Mann und Frau“, Berichterstatterin: Frau FLORIO; ABl. C 221 vom 8.9.2005.

(3)  KOM(2005) 44.

(4)  Die Benennung stimmt nicht mit der offiziellen tschechischen Übersetzung überein - siehe den Kommentar über den Institutsnamen unter Ziffer 3.4.

(5)  Dubliner Stiftung, die Agentur in Bilbao, CEDEFOP, die Agentur für Grundrechte.

(6)  Vgl. Fußnote 3, die sich auf Ziffer 3.4 bezieht.

(7)  Pressemitteilung der Europäischen Kommission IP/05/266 vom 8.3.2005, veröffentlicht lediglich in englischer, französischer und deutscher Sprache.

(8)  „Rôle dun futur Institut européen du genre“ (Die Rolle eines zukünftigen europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen), Studie für das Europäische Parlament, endgültiger Bericht vom 15.6.2004.

(9)  Rat der EU, Pressemitteilung 9507/04 vom 1./2.6.2004.

(10)  Schlussfolgerungen des Ratsvorsitzes des Europäischen Rates vom 17./18. Juni 2004, Artikel 45 Absatz 11.

(11)  Berichterstatterin: Frau FLORIO, Ziffer 4; ABl. C 221 vom 8.9.2005.

(12)  Ebd., Ziffer 6, Schlussfolgerungen und Arbeitsvorschläge.

(13)  KOM(2002) 718 vom 11.12.2002.

(14)  KOM(2005) 59 vom 25.2.2005.

(15)  KOM(2004) 279 vom 21.4.2004.

(16)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 6.4.2005 zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinschaftsprogramm für Beschäftigung und soziale Solidarität - PROGRESS“, Berichterstatter: Herr GREIF ABl. C 255 vom 14.10.2005, S. 39.


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