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Document 52005IE1057

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Der Beitrag des Tourismus zur sozialen und wirtschaftlichen Erholung von Gebieten im Niedergang

OJ C 24, 31.1.2006, p. 1–10 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

31.1.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 24/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Der Beitrag des Tourismus zur sozialen und wirtschaftlichen Erholung von Gebieten im Niedergang“

(2006/C 24/01)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 10. Februar 2005 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Der Beitrag des Tourismus zur sozialen und wirtschaftlichen Erholung von Gebieten im Niedergang“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 27. Juli 2005 an. Berichterstatter war Herr MENDOZA.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 420. Plenartagung am 28./29. September 2005 (Sitzung vom 28. September) mit 135 Stimmen gegen 2 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat bereits mehrere Stellungnahmen abgegeben, um einen Beitrag zur Konzipierung einer europäischen Tourismuspolitik zu leisten. Nun möchte er in diesem Zusammenhang eine Stellungnahme erarbeiten, die als Bezugspunkt für die Nutzung bestimmter Tourismusinitiativen im Rahmen der Tätigkeit der europäischen, nationalen, regionalen und lokalen Institutionen, der Sozialpartner, weiterer Einrichtungen der Zivilgesellschaft sowie von im Tourismussektor aktiven Organisationen dienen kann. Zudem sollen dadurch Anstrengungen gebündelt sowie den betreffenden Gebieten — und insbesondere den Bürgern und Unternehmen, die dort ansässig sind und ihr Auskommen finden — eine alternative Erwerbstätigkeit mit den sich daraus ergebenden positiven Konsequenzen geboten werden.

1.2

Das vorliegende Dokument ist als Beitrag zur notwendigen Umstellung verschiedener Gebiete in ganz Europa gedacht, die aus ganz unterschiedlichen Gründen einen wirtschaftlichen und sozialen Niedergang erleben. Der Beitrag konzentriert sich auf die Alternative, die die Tourismusindustrie für diese Gebiete darstellen kann.

1.3

Bei der Erarbeitung der Stellungnahme wurde folgendermaßen vorgegangen:

erste Studiengruppensitzung zur Festlegung des Themenkatalogs für die Stellungnahme;

öffentliche Anhörung in Córdoba (Spanien) und zweite Studiengruppensitzung zur Bestimmung und Darlegung vorbildlicher Verfahrensweisen für Initiativen zur Erholung von Gebieten im Niedergang mit Hilfe touristischer Aktivitäten. Damit wird das Hauptziel dieser Stellungnahme verfolgt, Erfahrungen darzulegen, die sich als nützlich erweisen oder den genannten Aktivitäten Impulse verleihen bzw. weitere in Gebieten anstoßen können, die vor kurzem einen sozialen und wirtschaftlichen Niedergang erlebt haben, ihn gerade erleben oder möglicherweise in Zukunft erleben werden;

dritte und letzte Sitzung zur Formulierung des endgültigen Dokuments für die Aussprache in der Fachgruppe und im Plenum des Ausschusses.

1.4

Zwei Gegebenheiten, zwei sich in positiver Weise ergänzende Aspekte, sind zu berücksichtigen:

Der Tourismus stellt — wie in der gesamten Stellungnahme zu sehen sein wird — für Gebiete im Niedergang als Quelle wirtschaftlicher Aktivität mit einem großen Entwicklungspotenzial für Gesellschaft, Unternehmen und Arbeitsmarkt eine große Chance und Alternative dar. Die Umstellung von Gebieten im Niedergang kann und muss mit einem neuen Produktionssystem einhergehen, das nachhaltig ist und die Lebensqualität verbessern kann.

Einige Gebiete im Niedergang können zu abwechslungsreichen und selbstverständlich nachhaltigen touristischen Zielen für die voraussichtlich weltweit steigende Zahl von Reisenden werden.

2.   Umfang und Aufbau der Stellungnahme

2.1

In der Stellungnahme sollen weder die Prozesse dargelegt werden, die dazu geführt haben, dass sich die betreffenden Gebiete in einer bestimmten Lage befinden, noch soll eine Analyse der für unterschiedliche Umstellungen (z.B. in der Industrie, im Bergbau oder in der Landwirtschaft) getroffenen Maßnahmen vorgenommen werden. Allerdings wird es bei bestimmten Fragen für die Erarbeitung von Vorschlägen für den Tourismus erforderlich sein, auf sich aus diesen Umstellungen ergebende Aspekte einzugehen.

2.2

Bei der Analyse wird als Erstes festgestellt, ob das fragliche Gebiet einen konkreten Umstellungsprozess durchlaufen hat oder ob es sich um ein Gebiet mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten handelt, das noch keine wesentliche Produktionstätigkeit entwickelt hat und in dem der Tourismus zur Ausgangsaktivität und zum Motor für eine weiterreichende Entwicklung werden kann.

2.3

Angesichts dieser Überlegungen wird für die Stellungnahme folgender Aufbau vorgeschlagen:

2.3.1

Analyse der Lage der Gebiete im Niedergang und offenkundigste Feststellungen zu den wichtigsten Aspekten, die bei künftigen Vorschlägen für den Tourismus zu berücksichtigen sind: u.a. Soziales, Beschäftigung, Unternehmertätigkeit und Engagement der Institutionen. Vorrangig ist ganz genau zu definieren, was unter Gebieten im Niedergang zu verstehen ist, da die vielfältigen Umstände und Bedingungen zu verschiedenen Alternativen führen können.

2.3.2

Deshalb werden in der Stellungnahme folgende Aspekte betrachtet:

2.3.2.1

Die Situation von Gebieten im Niedergang: Definition ihrer Defizite ausgehend von den verschiedenen, sie beeinflussenden Aspekten: zuweilen von einer industriellen und unternehmerischen Monokultur herrührende Probleme; ungünstige bzw. sich verschlechternde Umweltfaktoren; fehlende bzw. unzureichende Infrastruktur für den Übergang zu neuen, touristischen Aktivitäten; Arbeitskräfte aus für den Tourismus ungeeigneten Berufssparten; für die Integration neuer Aktivitäten, einschließlich des Tourismus, unzulänglich bekanntes bzw. ungeeignetes soziales Umfeld. Es ist vor allem zu berücksichtigen, dass Industriegebiete im Niedergang grundsätzlich keine natürlichen Tourismusgebiete sind, weshalb es besonders schwierig ist, die passende Art von Tourismus für sie zu finden: Kultur-, Industriekultur-, Sport- oder Bildungstourismus oder eine weitere der zahlreichen alternativen Formen des Tourismus. Insbesondere wird das „positive Erlebnis“ als Grundlage jeglichen Tourismusprodukts angesehen und es gilt, dieses „Erlebnis“ ausfindig zu machen und dafür zu werben.

2.3.2.2

Das Engagement der Institutionen: Diese Stellungnahme stellt einen Aufruf zur und eine Darstellung des Ablaufs der unabdingbaren Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Verwaltungen und Institutionen dar und beschreibt, welche Art, Szenarien und Modelle der Zusammenarbeit und welche öffentlichen Mittel zur Einleitung einer touristischen Aktivität beitragen können. Es wird insbesondere auf die Rolle der Europäischen Strukturfonds für die Erholung von Gebieten im Niedergang abgehoben. Den Institutionen kommt bei der notwendigen Umschulung der Arbeitskräfte aus Industriegebieten im Niedergang auf Stellen im Dienstleistungssektor eine wichtige Funktion zu.

2.3.2.3

Soziale Verwurzelung als Ziel: Die im Niedergang begriffenen Sektoren und die Gebiete, in denen sie sich zuerst entwickelten und dann ihren Niedergang erlebten, sind seit vielen Jahren miteinander verwachsen. Dies ermöglichte es den Einwohnern der dortigen Ortschaften (unterschiedlicher Größe), im Laufe der Jahre und seit Generationen über das Leben und die Arbeit eine Verbindung zu ihrer Umgebung aufzubauen. Die geplanten Tourismusinitiativen müssen durch die Schaffung entsprechender Bedingungen — wie Wohnraum, Dienstleistungen und Verkehrswege — weitgehend dazu beitragen, dass diese Verwurzelung erhalten bleibt. Eine weitere Möglichkeit hierfür ist die Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze, denn der Tourismus ist zwar eine bedeutende Beschäftigungsquelle, aber das große Problem der Saisonalität kann die soziale Verwurzelung behindern und während bestimmter Teile des Jahres zu einer unerwünschten Migration führen.

2.3.2.4

Der soziale DialogSchlüssel für die Analyse und Entwicklung von Alternativen: Gespräche und sozialer Dialog sollten den Dreh- und Angelpunkt für ein über ihre jeweiligen Organisationen zu erreichendes Engagement von Arbeitnehmern und Arbeitgebern darstellen, um Projekte und Initiativen in Angriff zu nehmen. Aus diesem zweiseitigen Dialog sollte durch die Einbindung der Behörden bei der Suche nach machbaren Alternativen ein dreiseitiger werden. Außerdem sollten von weiteren Organisationen der Zivilgesellschaft und des Tourismussektors Impulse zur Umsetzung der Projekte ausgehen.

2.3.2.5

Impulse für nachhaltige Tourismusinitiativen: Trotz des sozialen Dramas, das der soziale und wirtschaftliche Niedergang für große Gebiete bedeutete, soll dargelegt werden, dass es möglich ist, die bei der Konzipierung früherer Aktivitäten begangenen Fehler durch neue Entwicklungsalternativen nicht nur zu korrigieren, sondern auf die neuen Aktivitäten auch die vom Ausschuss verfochtenen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Parameter eines nachhaltigen Tourismus anzuwenden.

2.3.2.6

Die Umwelt als Schwerpunkt für die Erholung und für die Planung touristischer Aktivitäten:

Auch wenn es nicht Ziel dieser Stellungnahme ist, die Entstehung des sozialen und wirtschaftlichen Niedergangs eines Gebiets zu analysieren, so ist doch festzustellen, dass sich in vielen Gebieten im Niedergang aufgrund natürlicher, geografischer oder geologischer Gegebenheiten praktisch eine industrielle Monokultur entwickelt hat. Bei einer solchen Entwicklung wurde die Umwelt häufig nicht nur nicht berücksichtigt, sondern effektiv geschädigt. Die neuen ökologischen Anforderungen und Verpflichtungen ermöglichen die Erholung dieser Gebiete und erhöhen das touristische Potenzial der Projekte.

In der Stellungnahme werden die Prioritäten für ökologische Initiativen festgelegt, die mit der Planung von Tourismusprojekten einhergehen sollen.

2.3.2.7

Erhaltung und Stärkung der Unternehmertätigkeit und Förderung produktiver Investitionen: Es soll ein möglichst konkreter Katalog von Initiativen zur Unterstützung der Unternehmertätigkeit erstellt werden. Das Unternehmertum in diesen Gebieten im Niedergang beruht auf einer Spezialisierung auf die ursprüngliche Wirtschaftsaktivität, entweder durch die direkte Beteiligung an den früheren Unternehmen oder den entsprechenden Zulieferbetrieben. Insofern werden in der Stellungnahme verschiedene Initiativen für die Erhaltung und Gründung von Unternehmen, für Ausbildung und Schulung von Unternehmern sowie für die Entwicklung von Kriterien für Wettbewerbsfähigkeit, Forschung und Entwicklung, Design, Vermarktung usw. betrachtet. Zudem sollten Konzepte wie Werbung, Partnerschaften und Zusammenarbeit zwischen Unternehmen sowie zwischen diesen und den Behörden gefördert und Netzwerke zwischen Unternehmen, Gebieten und Sektoren aufgebaut werden. Dabei ist den Mikrounternehmen sowie den kleinen und mittleren Unternehmen besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

2.3.2.8

Der Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen als Priorität: Die größten sozialen Kosten des sozialen und wirtschaftlichen Niedergangs von Unternehmen und Sektoren entstehen durch den Verlust von Arbeitsplätzen, weshalb das wichtigste Ziel der Initiativen für die Erholung dieser Gebiete der Erhalt und wenn möglich die Erhöhung der Beschäftigung sein muss. Deshalb wird — abgesehen von den vorübergehenden Sozialschutzmechanismen — vorgeschlagen, bei der Entwicklung von Tourismusinitiativen arbeitsplatzschaffende Investitionen, Ausbildung und Umschulung sowie eine Kultur der beruflichen Selbstständigkeit und der Sozialwirtschaft zu fördern.

2.3.2.9

Einbeziehung aller Aspekte einer Tourismuspolitik: Die Tourismusprojekte für die soziale und wirtschaftliche Erholung von Gebieten im Niedergang müssen allen Aspekten, die — außer den bereits genannten — Teil einer Tourismuspolitik sind, den optimalen Impuls geben. Deshalb ist festzustellen, inwiefern Aspekte aus Bereichen wie Kultur, Geschichte, Kulturerbe, Natur und Sport in diese Politik hineinspielen.

2.3.2.10

Eine wichtige Aufgabe, die in bestimmten Gebieten bereits mit positiven Ergebnissen bewältigt wurde, besteht darin, Elemente früherer Aktivitäten bei der Planung neuer Tourismusalternativen einzubeziehen.

2.3.3

Es ist wichtig, die in verschiedenen Staaten der Europäischen Union erfolgreich durchgeführten Projekte genau zu analysieren, und zwar nicht nur um sie in an ein anderes Umfeld angepasster Form zu wiederholen, sondern um sie zu unterstützen und zu stärken. Die positiv verlaufenden Projekte scheinen jedoch nicht sehr zahlreich zu sein, weshalb es nicht einfach ist, eine möglichst breite und vielfältige Palette erfolgreicher Projekte zu finden.

2.3.4

Insbesondere ist die — sinnvolle — Möglichkeit zu berücksichtigen, dass sich die verschiedenen touristischen Ziele in Gebieten im Niedergang in Netzwerken organisieren, die eine starke Basis für Werbung und gegenseitige Unterstützung bilden würden.

2.3.5

Die Stärkung und Förderung der beruflichen Selbstständigkeit ist zweifellos ein sehr wichtiger Faktor, um die Bedingungen für die Anpassung der Arbeitskräfte an neue Gegebenheiten zu verbessern. Die Untersuchung dieses Beitrags wird den Gebieten im Niedergang bei ihrer Umwandlung in Tourismusgebiete, vor allem in Gebiete für ländlichen Tourismus, sicher von großem Nutzen sein. Es ist zu untersuchen, welche Art von Unterstützung diese Beschäftigungsform benötigt, um in diesem schwierigen Anpassungsprozess ein wirksames Instrument zu sein.

2.3.5.1

Einige in diesem Bereich zu entwickelnde Initiativen:

2.3.5.1.1

In der Europäischen Union ist unter beruflicher Selbstständigkeit die Fähigkeit und die Entscheidung von Arbeitskräften zu verstehen, allein oder zusammen mit anderen eine selbstständige Tätigkeit auszuüben. Der Selbstständige ist in erster Linie eine Arbeitskraft, die durch die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit mit Lieferanten und Kunden kommerzielle und soziale Kontakte pflegt.

2.3.5.1.2

Jahrelang stellte die Selbstständigkeit eine wirksame Art und Weise dar, Wirtschaftskrisen in der Industrie zu begegnen, da sie den Erhalt von Arbeitsplätzen ermöglichte und den neuen Erfordernissen der Schaffung von Arbeitsplätzen gerecht wurde.

2.3.5.1.3

Derzeit vollziehen vor allem jüngere Erwerbspersonen und Frauen den Schritt in die Selbstständigkeit.

2.3.5.1.4

Ein touristisches Angebot auf der Grundlage der Selbstständigkeit muss, um erfolgreich zu sein, Anreize für den Erwerb neuer beruflicher Qualifikationen bieten. Zu den neuen ländlichen Berufen können u.a. folgende gehören:

auf lokale Erzeugnisse spezialisierter Handel;

traditionelle Handwerks- und Lebensmittelprodukte;

Sport- und Ökotourismusangebote;

audiovisuelle und virtuelle Einrichtungen;

Kulturförderung;

Kinderkrippen, Campingplätze und Herbergen;

Naturmedizin;

Schönheitspflege;

traditionelle Baukunst und Wiederbelebung von Handwerken;

Internetcafés;

Förderung des örtlichen Immobilienwesens;

Beratung zu den neuen Aktivitäten;

Herstellung der Güter und Erbringung der Dienstleistungen, die üblicherweise in touristischen Unterkünften benötigt werden;

auf ältere Menschen ausgerichtete Betreuung.

2.3.6

Ebensoviel ließe sich über den Sozialtourismus sagen, der sicherlich künftig eine Alternative für viele Gebiete im Niedergang darstellen wird, die im Tourismus eine neue Wirtschaftstätigkeit suchen. Aufgrund seiner unterschiedlichen Merkmale ist der Sozialtourismus ein besonders geeignetes Instrument zur Bekämpfung der Saisonalität und zur Staffelung der Ferien.

2.3.7

Das neue europäische Szenario für den Anstoß von Tourismusalternativen in Gebieten im Niedergang: In der Stellungnahme wird auf die Chance abgehoben, die das erweiterte Europa bietet, um für diese Problematik umfassende Bezugsrahmen z.B. für Maßnahmen, Informationsaustausch, Projektpartnerschaften, den Anstoß vorbildlicher Verfahrensweisen oder die Entwicklung der öffentlich-privaten Zusammenarbeit zu erstellen.

2.3.8

Zudem ermöglicht es der Verfassungsvertrag mit seinen Verpflichtungen gegenüber den Bürgern, ihren Rechten sowie den am stärksten benachteiligten Regionen, in der Stellungnahme — neben den im Verfassungsvertrag enthaltenen Aussagen zum Tourismus — eine auf die nationalen, regionalen und lokalen Gegebenheiten abgestimmte europäische Antwort zu geben.

2.4

Berücksichtigung der Aktionslinien, die zu einer Alternative beitragen können: In der Stellungnahme werden die früheren Stellungnahmen des EWSA, die Initiativen der Kommission und des Europäischen Parlaments sowie die Erfahrungen von Institutionen wie der Welttourismusorganisation und des Internationalen Büros für Sozialtourismus betrachtet.

2.5

Erfahrungen als grundlegende Achse: Diese Stellungnahme ist auf Praxisnähe und Nutzen angelegt, insbesondere für die Gebiete, zu deren Erholung sie beitragen soll. Deshalb wird darin eine Liste vorbildlicher Verfahrensweisen für die Entwicklung dieser Art von Initiativen aufgeführt.

3.   Die Gebiete im sozialen und wirtschaftlichen Niedergang

3.1

Es ist nicht einfach, genau zu definieren, was unter den im Titel dieser Stellungnahme genannten „Gebieten im Niedergang“ zu verstehen ist. Und zwar nicht nur wegen ihrer vielfältigen Merkmale, der Ursache und der Gründe für einen solchen Niedergang, der Reichweite und des Ausmaßes seiner Folgen oder der geografischen Streuung dieser Gebiete, sondern vor allem wegen der tiefgreifenden Konsequenzen für die dort lebenden Menschen und die dort ansässigen Unternehmen.

3.2

Vielleicht sollte zur Charakterisierung und Unterscheidung der Typologie der verschiedenen Gebiete im Niedergang als Erstes die Wirtschaftsgeschichte des entsprechenden Gebiets anhand verschiedener Indikatoren analysiert werden, die deutlich zeigen müsste, ob die derzeitige Situation erst vor kurzem und aufgrund äußerer technologischer, sozialer oder wirtschaftlicher Veränderungen entstanden ist oder ob es sich um eine ständige Situation handelt und das Gebiet zu keinem Zeitpunkt seiner Geschichte eine Wirtschaftsentwicklung gekannt hat, die seinen Einwohnern Reichtum und Wohlstand ermöglicht hätte. Zweifellos wirkt sich dieser Unterschied entscheidend darauf aus, wie das Problem des Niedergangs optimal zu lösen ist und wie am besten geeignete Alternativen zu finden sind. Die unternehmerische Erfahrung, die Ausbildung der Einwohner und schließlich die Möglichkeit, eine Ersatztätigkeit oder eine neue Tätigkeit zu finden, sind je nach Fall ganz unterschiedlich.

3.3

Im Fall der Gebiete, die noch keinen angemessenen wirtschaftlichen Entwicklungsstand erreicht haben, können die Gründe für die aktuelle Situation sehr vielfältig sein: geografische Randlage, extreme Umweltbedingungen, unzureichende Infrastruktur, geringer Unternehmergeist der örtlichen Bevölkerung und schließlich zahlreiche Gründe, die zur Abwanderung der örtlichen Bevölkerung in Gebiete mit besseren wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten sowohl im Landesinneren als auch in anderen Ländern führten und führen. Schließlich sind die allmähliche Entvölkerung und die sich daraus ergebende soziale Entwurzelung von Menschen aus großen, hauptsächlich ländlichen Gebieten Europas ein Problem, das die EU mit politischen Maßnahmen und Instrumenten für die regionale Entwicklung entschieden angeht. Der Tourismus und die mit ihm einhergehende Entwicklung sind Ziel verschiedener, wertvoller Aktionen in diese Richtung.

3.4

Im Falle der Gebiete, die zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Geschichte von einer starken Wirtschaftsaktivität auf der Grundlage verschiedener Tätigkeiten profitierten — Landwirtschaft, Bergbau oder ganz unterschiedlicher Industrien (wie Textil-, Metall- oder chemischer Industrie) — und die diese Tätigkeiten aus verschiedenen Gründen aufgeben mussten, besteht das Problem hauptsächlich im Bankrott des Gesellschaftsmodells mit allen Folgen für die Bevölkerung und die Unternehmensstruktur des Gebiets. In diesen Fällen erschweren es die wirtschaftliche Monokultur bzw. die geringe Diversifizierung der Wirtschaft zusätzlich, eine Alternative für den durch den wirtschaftlichen Niedergang bedingten Verlust von Arbeitsplätzen zu finden.

3.5

Die Gründe, die den Niedergang eines vormalig aktiven, rentablen und wettbewerbsfähigen Gebiets, das Arbeitsplätze und Wohlstand schuf, beeinflussen können und in der Tat beeinflussen sind sehr vielfältig, aber wahrscheinlich liegen insgesamt gesehen alle in der Globalisierung der Wirtschaftstätigkeit und den technologischen Veränderungen. Die Märkte entwickeln sich schnell, häufig unerwartet, und die Stabilität, die die Industrie denjenigen Nationen bot, die die industriellen Prinzipien in den vergangenen Jahrhunderten richtig anzuwenden wussten, ist verschwunden. An ihre Stelle sind der technologische und soziale Wandel, die Ausdehnung der Märkte, die weltweiten Echtzeitinformationen, der globale Wettbewerb sowie die Auslagerung der Produktion von Gütern und der Erbringung von Dienstleistungen getreten. Die Kosten des Faktors Arbeit wurden als ausschlaggebender Faktor für den Standort von Industrien dargestellt, aber es sind die Forschungskapazitäten, Entwicklung und Innovation, Nähe und Qualität von Dienstleistungen sowie Qualifikation der Führungskräfte und Professionalität des Personals, die zusammen mit dem Zugang zur Technologie die Wettbewerbsfähigkeit einer wirtschaftlichen Aktivität ausmachen. Die Bewältigung des Deindustrialisierungsprozesses in Europa und die erfolgreiche Suche nach arbeitsplatzschaffenden Alternativen ist vermutlich die größte Herausforderung, vor der Europa steht, was auch das Ziel der Lissabon-Strategie zeigt.

3.6

Die Auswirkungen des Niedergangs eines Gebiets auf seine Bevölkerung und seine Unternehmen sind vielfältig: Arbeitsplatzverluste, allgemeine Verarmung, demografische Veränderungen und Abwanderung der Bevölkerung, Verlust der Industriestruktur u.a.m. Es ist jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich diese Auswirkungen mehrere Generationen lang und in sehr unterschiedlicher Form fortsetzen. Für die Generation, die den wirtschaftlichen Niedergang direkt erlebt, stellen häufig die Sozialschutzmechanismen eine unerwünschte, aber notwendige Form des Ersatzes dar, insofern als sie über die Sozialleistungen das nötige Einkommen bezieht. Dies ist bei der Schließung der großen Industrie- und Bergbauunternehmen der Fall, in denen junge und jüngere potenziell arbeitsfähige Menschen gezwungen sind, untätig zu sein und ihr Leben über Sozialleistungen zu fristen. Auch wenn dies keine wünschenswerte Situation ist, so ist das Problem der nachfolgenden Generation, die weder über Arbeit noch über Unterstützung verfügt, vielleicht noch beängstigender. In solchen Situationen sind Unternehmergeist, Diversifizierung der Aktivitäten sowie Aus- und Weiterbildung nicht nur Behelf, sondern unabdingbar.

3.7

Letzten Endes kann der Tourismus für diese Gebiete im Niedergang, in denen es bisher noch keine Wirtschaftsentwicklung gab bzw. in denen sie ins Stocken geraten ist, eine machbare Alternative darstellen, um ihre Wirtschaft über eine Industrie wie die des Tourismus, die sich als stark und stabil erwiesen hat, gute Zukunftsaussichten und Wachstumschancen bietet, Arbeitsplätze schafft sowie für ein nachhaltiges wirtschaftliches, soziales und ökologisches Gleichgewicht sorgen kann, anzukurbeln. Natürlich sind die kulturellen und wirtschaftlichen Veränderungen, die das zweifellos mit sich bringt, nicht einfach und nicht immer erfolgreich zu bewältigen, aber die Gebiete im Niedergang haben nur wenige Alternativen, für die die Bedingungen möglicherweise noch schwerer zu schaffen sind.

3.8

Es darf auch nicht vergessen werden, dass zuweilen im nahen Umland großer Städte — auch in Städten mit florierender Wirtschaft — verwahrloste Randgebiete mit wenig oder gar keiner Wirtschaftstätigkeit entstehen. In solchen Fällen können verschiedene internationale Veranstaltungen zur Aufwertung und Wiederankurbelung der Wirtschaft beitragen. Beispiele hierfür sind die Weltausstellungen in Sevilla und Lissabon, die Olympischen Spiele in Barcelona oder vor kurzem in Athen, die sich als grundlegendes Element für eine Sanierung der Infrastruktur und einen neuen Impuls erwiesen haben — häufig mit den Merkmalen und unter den Bedingungen eines neuen Tourismusgebiets.

4.   Ziele und Vorgehensweisen

4.1

Nach der Analyse der Lage, der Entstehung und der grundlegenden Merkmale von Gebieten im Niedergang ist es sinnvoll festzustellen, mit Hilfe welcher Ziele und Vorgehensweisen der — im Titel dieser Stellungnahme angekündigte — Beitrag des Tourismus zur wirtschaftlichen Erholung dieser im sozialen und wirtschaftlichen Niedergang befindlichen Gebiete ermittelt werden kann.

4.1.1

Als Erstes und grundsätzlich ist anzumerken, dass das elementare Ziel jeglicher Maßnahme für die wirtschaftliche Entwicklung nur darin bestehen kann, für die örtliche Bevölkerung geeignete Bedingungen für ihre persönliche und soziale Entwicklung zu schaffen, damit sie nicht gezwungen ist auszuwandern oder wegzuziehen, kurz, um die seit Generationen bestehende soziale Verwurzelung in ihrem unmittelbaren Umfeld zu erhalten. Deshalb müssen die als Alternative vorgeschlagenen Tourismusinitiativen nicht nur wirksam die erforderlichen Infrastrukturbedingungen, sondern auch die dauerhafte Beschäftigung der Menschen sichern, die im Tourismus im weitesten Sinne tätig sind. Die Einführung nachhaltiger und langfristig rentabler Tourismusprodukte ist ein entscheidendes Ziel, um eine Alternative zu der durch den sozialen und wirtschaftlichen Niedergang entstandenen Arbeitslosigkeit zu bieten, wenn die als grundlegendes Ziel angesehene soziale Verwurzelung erhalten bleiben soll.

4.2

Auch die Diversifizierung der Wirtschaftstätigkeit gehört zu den Zielen jeder Maßnahme für die wirtschaftliche Entwicklung in Gebieten im Niedergang. Wenn einer der Gründe für den Niedergang von durch die Monokultur einer Industrie gekennzeichneten Gebieten möglicherweise in technologischen Veränderungen oder Veränderungen des Marktes besteht, so scheint es auf der Hand zu liegen, dass eine ganze Palette sich ergänzender und verschiedenartiger Aktivitäten, die künftig das wirtschaftliche Fundament der Region bilden können, erforderlich ist, damit sich diese Situation nicht wiederholt. Der Tourismus ist als bereichsübergreifende Tätigkeit, an der zahlreiche Akteure, Unternehmen unterschiedlicher Größe, Familienunternehmen und multinationale Konzerne, Unternehmen mit ganz unterschiedlichen sozialen Zielen und verschiedenen geschäftlichen Schwerpunkten beteiligt sind, gut geeignet, das Produktionssystem eines Gebiets zu diversifizieren.

4.3

Ein weiteres Ziel jeder Entwicklungsmaßnahme für Gebiete im Niedergang ist das nachhaltige Gleichgewicht der dort ausgeübten Tätigkeiten in wirtschaftlicher, sozialer und insbesondere ökologischer Hinsicht. Sehr oft haben die im Niedergang begriffene Industrie- bzw. Bergbautätigkeit in dem betreffenden Gebiet großen Schaden angerichtet: baufällige und verlassene Gebäude, giftige Industrieabfälle, physischer Verfall und verseuchte Böden sind häufig das Ergebnis einer veralteten Industrietätigkeit und natürlich sind dies im Prinzip keine idealen Voraussetzungen für den Aufbau einer touristischen Aktivität, für die normalerweise Bedingungen gesucht werden, die die Natur von ihrer schönsten Seite zeigen.

4.3.1

Eigentlich obliegt es den in einem Gebiet ansässigen Industrieunternehmen, die ursprünglichen natürlichen Gegebenheiten wieder herzustellen oder das Gebiet zumindest so weit wie möglich zu sanieren. Natürlich ist es nicht einfach, diesen Grundsatz in der Praxis umzusetzen, da gerade der Niedergang der Unternehmen dem entgegensteht, und es ist Aufgabe der öffentlichen Hand an ihrer Stelle zu handeln, damit die Umgebung in ordentlichem Zustand bleibt. Eine Sanierung durch die Unternehmen ist besonders wichtig, wenn Unternehmen, die ihren Standort verlagern, bei ihrer Niederlassung öffentliche Beihilfen erhalten haben. Aufgrund ihrer sozialen Verantwortung sollten die Unternehmen diese zusätzlichen Kosten ihrer Aktivität tragen.

4.4

Zur Verwirklichung dieser — schwierigen — Ziele sind erfolgversprechende Methoden anzuwenden und dabei ist natürlich der soziale Dialog als wichtigste Arbeitsbedingung ein Schlüsselelement für die Entwicklung von Alternativen. Dieser soziale Dialog zwischen den wirtschaftlichen und sozialen Akteuren, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern mittels Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ist Dreh- und Angelpunkt für die Planung von Projekten und Initiativen. Auch die Zivilgesellschaft kann und muss in ihren verschiedenen Ausprägungen von Verbänden — wie Verbraucherverbände oder Bürgervereine — an diesem Prozess mitwirken.

4.4.1

Insbesondere sind jedoch die öffentliche Verwaltung und ihr Engagement zu betrachten und ihre aktive Mitwirkung an der Förderung von Alternativen in Gebieten im Niedergang anzustreben, seien es die besagten Alternativen im Tourismus, in anderen Industrien oder im Dienstleistungsbereich. Über die Zusammenarbeit der verschiedenen Ebenen von Verwaltung und Behörden sind die allgemeinen Bedingungen für den Erfolg der Initiativen zu gewährleisten und erforderlichenfalls die wirtschaftliche Rentabilität der Projekte zu unterstützen. Die Strukturfonds der EU sind bevorzugte Instrumente für dieses koordinierte Vorgehen der europäischen, nationalen, regionalen und lokalen Ebene bei der Suche nach für die Neubelebung von Gebieten im Niedergang geeigneten regionalen Entwicklungsprojekten und -initiativen und ihrer Umsetzung.

4.5

Die Aus- und Weiterbildung der Menschen in Gebieten im Niedergang ist eines der Schlüsselelemente im Umstellungsprozess dieser Gebiete. Zum einen ist die Umschulung der Arbeitslosen mit dem Ziel sicherzustellen, sie im Rahmen der alternativen Aktivitäten beschäftigen zu können, für die in der Regel ganz andere Fähigkeiten erforderlich sind als für die früheren Aktivitäten. Die Praxis zeigt, dass diese Umschulung eine große Herausforderung darstellt und es nur über umfassende und fortgesetzte Ausbildungsmaßnahmen möglich ist, Arbeitskräfte aus der Industrie für den Dienstleistungssektor umzuschulen. Dasselbe gilt für die nachfolgende Generation, die den Arbeitsplatzverlust nicht direkt erlebt hat, die jedoch in ihrer Umgebung keine Aussicht auf einen Arbeitsplatz in der traditionellen örtlichen Industrie hat. Die Ausbildung ist die einzige Möglichkeit, dieser mangelnden Aussicht auf einen Arbeitsplatz abzuhelfen.

4.6

Der derzeitige europäische Erweiterungsprozess kann einerseits große Schwierigkeiten mit sich bringen, da die entwicklungsbedürftigen Gebiete zahlreicher sind und ihre Vergangenheit in Industrie, Bergbau und Landwirtschaft nur schwer zu bewältigen ist; andererseits ist es jedoch offensichtlich, dass die Nachfrage nach Mobilität zu Freizeit- und Tourismuszwecken beträchtlich ansteigen kann, was eine Stärkung der Tourismusindustrie bedeuten würde. Für einige Regionen im Niedergang können Maßnahmen zur Förderung eines nachhaltigen Tourismus in ganz Europa nach den Kriterien eines europäischen Tourismusmodells ein wirkungsvolles Instrument für die Entwicklung ihrer Wirtschaft sein.

5.   Vorbildliche Verfahrensweisen rund um den Tourismus für die soziale und wirtschaftliche Umstellung von Gebieten im Niedergang

5.1

Eines der grundlegenden Ziele dieser Stellungnahme besteht darin, verschiedene vorbildliche Verfahrensweisen, mit deren Hilfe Gebiete im Niedergang erfolgreich auf den Tourismus umgestellt wurden, zu sammeln, zusammenzufassen und auszuwerten.

5.1.1

Dazu wurden neben den Erfahrungen, die der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss in der von ihm zusammen mit der Regierung der Provinz in Córdoba veranstalteten Anhörung zusammengetragen hat, weitere Initiativen gesammelt, die aufgrund ihres pädagogischen Werts untersucht und analysiert werden sollten, um möglicherweise als Beispiel zu dienen.

5.2

Das Projekt von Asturien (Spanien): Hier handelt es sich um einen erfolgreichen Fall, in dem eine ganze, in der Vergangenheit stark durch Bergbau und Industrie geprägte Region angesichts des Niedergangs und der Arbeitsplatzverluste in den genannten Sektoren reagiert und sich entschließt, intensiv Tourismus zu betreiben. Dazu entwickelt sie verschiedene Tourismuslabel und -produkte, die eng mit dem Konzept Asturien und Natur verknüpft sind:

Tourismus und Natur: Naturparadies Asturien

Tourismus und Kultur: Kulturschatz Asturien

Tourismus und Gastronomie: Asturien genießen

Tourismus und Städte: Asturiens Städte

Tourismus und Qualität: Asturiens Herrenhäuser

Mesas de Asturias (Asturische Restaurants)

Aldeas Asturias Calidad Rural (Asturische Dörfer mit ländlicher Lebensqualität)

Asturias por la Excelencia Turística (Asturien für touristische Spitzenqualität)

5.2.1

Diese neue Strategie für die lokale Entwicklung ist sehr erfolgreich: Die Beschäftigungsquote in der Region ist in den letzten Jahren um 8 % gestiegen. Selbstverständlich stand in diesem Fall die ökologische Nachhaltigkeit im Mittelpunkt eines mit der Natur in Einklang stehenden Qualitätstourismus und sowohl die wirtschaftlichen als auch die sozialen Akteure und die öffentlichen Einrichtungen unterstützen diesen strategischen Wandel und dieses neue regionale Modell aktiv.

5.3

Das Projekt von Zabrze (Polen): In der gesamten Region Schlesien führten die Umgestaltung der Wirtschaft und Marktveränderungen zur Schließung zahlreicher Unternehmen, was den Verlust zehntausender von Arbeitsplätzen und die Verödung einer Landschaft mit zahlreichen verlassenen Industrieanlagen nach sich zog. Es wurden zahlreiche Anstrengungen zur Förderung des Tourismus unternommen, aber der Region haftet nach wie vor ihr traditionelles Image einer Industrieregion mit grauen Landschaften und einer zerstörten Umwelt an. Allerdings könnte dieses für Touristen wenig attraktive Bild zu einem positiven Element für das soziale und wirtschaftliche Leben der Region werden, wenn das Industrieerbe des Gebiets, wie von den Behörden gewünscht und geplant, touristisch genutzt würde. Es geht darum, industrielle Altstandorte umzugestalten, indem ihnen neue, insbesondere touristische Funktionen zugewiesen werden, die nicht saisonabhängig sind. So wird das Industrieerbe erhalten und der ursprüngliche Charakter der Städte und Regionen gewahrt.

5.3.1

Allerdings stößt dieses Vorhaben auf zahlreiche Schwierigkeiten. Zum schlechten technischen Zustand und der Verwahrlosung der Anlagen kommen Eigentumsprobleme, das Fehlen von Finanzmitteln, qualifiziertem Personal und touristischer Infrastruktur sowie weitere Faktoren, aufgrund derer nur eine begrenzte Zahl der Industriekulturstandorte die zur Umstellung auf rentable Tourismusprodukte erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Die europäischen Strukturfonds wie der EFRE und der ESF können bei der Überwindung der Hindernisse bei der Finanzierung von Kapital und der Ausbildung der Bevölkerung eine entscheidende Rolle spielen.

5.3.2

Auf regionaler Ebene wurde ein Projekt zur touristischen Nutzung industrieller Altstandorte erarbeitet: „Route der Industriekultur“, in der 30 nach unterschiedlichen Kriterien — wie Zugänglichkeit, Attraktivität, Aufnahmekapazität und Sicherheit der Besucher — ausgewählte Standorte zusammengefasst sind.

5.3.3

Im besonderen Fall der Gemeinde Zabrze, einer Stadt mittlerer Größe im Süden Polens, wussten die Kommunalbehörden die Bedeutung des Industrietourismus zu schätzen und seit 2003 gilt Zabrze als anerkanntes Modell des Industrietourismus, das bereits verschiedene wichtige Tourismuspreise erhalten hat. Zabrze ist es nicht nur gelungen, seine Alternative zum industriellen Niedergang seiner Bergbauindustrie umzusetzen, sondern auch zu einem Zentrum der Reflexion und Inspiration für künftige Projekte zur Entwicklung des Industrietourismus in Polen und ganz Europa zu werden. So veranstaltet die Stadt internationale Konferenzen zur Untersuchung der „Schätze des Industrieerbes für Tourismus und Freizeit“, beispielsweise im September 2004 und im Mai 2005. Ergebnis dieser Konferenzen sind die Entschließungen von Zabrze, die sehr wertvolle Einsichten zur Nutzung des Industrieerbes für Tourismus und Freizeit bieten. Hier ist auf die Bereitschaft der Welttourismusorganisation hinzuweisen, sich am Aufbau eines Netzwerks für Industrietourismus zu beteiligen, das zur Förderung des Produkts beitragen würde.

5.3.4

Insgesamt bietet das Projekt von Zabrze eine sehr wertvolle Palette an Erkenntnissen und Erfahrungen, die zweifellos an anderen, über vergleichbare Merkmalen verfügenden Orten, die touristisch aufgewertet werden sollen, von Nutzen sein können. Der Ausschuss erkennt den Wert dieser Erkenntnisse und Erfahrungen ausdrücklich an, unterstützt sie und wird sie bei entsprechender Gelegenheit verbreiten.

5.4

Das Projekt des Bergbaumuseums von Río Tinto in Huelva (Spanien): Das Bergwerk in Río Tinto war in der Antike eine reichhaltige Quelle für Edelmetalle, die bereits in der Zeit der Römer für Reichtum sorgten. 1982 wurde das Bergwerk geschlossen und das Gebiet lag wirtschaftlich darnieder. Im Bergbaumuseum von Río Tinto werden heute die Hinterlassenschaften all dieser Wechselfälle verwahrt. Das Museum ist ein Informationszentrum des Bergbauparks von Río Tinto, ein Themenpark, der die Dörfer und die Landschaft des Bergbaureviers mit einschließt. Im dem 900 Hektar großen Bergbaupark können die Besucher eine Zugfahrt entlang der alten Bahnstrecke machen, über die das Erz nach Huelva transportiert wurde, sowie alte Stollen, einen römischen Friedhof und das von der englischen Kompanie, der das Bergwerk Ende des 19. Jahrhunderts gehörte, erbaute Bergarbeiterviertel besichtigen. Kurz, ein zuvor nicht mehr genutzter Ort hat sich in eine Freizeitstätte verwandelt und wurde als Kulturgut zurückgewonnen. Das „Erlebnis“ als Grundlage jeder touristischen Attraktivität ermöglicht es den Betreibern in diesem Fall, wie in anderen auch, Gebiete, die sonst aufgegeben werden müssten, rentabel zu nutzen.

5.5

Das Bergbau- und Industriegebiet Peñarroya-Pueblonuevo (Spanien) verfügt über ein wertvolles Industrieerbe, Überrest eines Industriezentrums aus dem 20. Jahrhundert, das derzeit saniert wird, um es der örtlichen Bevölkerung und den Besuchern für verschiedene Freizeitaktivitäten zur Verfügung zu stellen. Es ist darauf hinzuweisen, dass mehrere Dörfer des Valle del Alto Guadiato in der Provinz Córdoba ein gemeinsames Projekt in Angriff genommen haben, um verschiedene Attraktionen, wie das Bergbaugeologiemuseum von Peñarroya-Pueblonuevo, aufzuwerten. Sie suchen nach einem Weg, den Tourismus anzuziehen, der für die wirtschaftliche Erholung einiger Dörfer sorgen könnte, in denen die Menschen durch die Schließung der Bergwerke ihre Arbeit verloren haben. Dieses Projekt fließt in ein koordiniertes Gesamtangebot ein, das ehemalige industrielle und geologische Zentren, ein gastronomisches, ein Sport- sowie ein Kulturangebot umfasst und an dem die Einwohner verschiedener Orte des Gebiets, wie Fuenteovejuna, Bélmez und anderen, mitwirken.

5.6

Der Verbund des Museums für Wissenschaft und Technik in Katalonien (Spanien) umfasst an die 20 Punkte, die für die Industriekultur der Region Katalonien von Interesse sind und verschiedene Bereiche, wie die Textil-, Papier-, Gerberei- und Verkehrsindustrie, betreffen. Zweifellos war die katalanische Industrie in den vergangenen Jahrhunderten nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell, architektonisch und gesellschaftlich außerordentlich präsent und bedeutsam und ist Teil der kollektiven Identität Kataloniens. Der Verbund des Museums für Wissenschaft und Technik ist so konzipiert, dass der Tourismus an allen 20 Punkten gefördert wird, und funktioniert letztlich wie ein aus verschiedenen Orten von touristischem und kulturellem Interesse bestehendes Netzwerk. Diese Vorgehensweise ist auch für andere Projekte mit vergleichbaren Merkmalen geeignet.

5.7

Ein weiteres interessantes Projekt wurde unter der Schirmherrschaft des Internationalen Büros für Sozialtourismus durchgeführt und hat zur alternativen Entwicklung eines im Niedergang begriffenen Kohlereviers in La Roche-en-Ardenne (Belgien) beigetragen: Dort wurde ein Ferienzentrum für Sozialtourismus eingerichtet, das in erheblichem Maß zur Beschäftigung in der Region beiträgt.

5.8

In ganz Europa werden verschiedene innovative Tourismusprojekte durchgeführt, mit deren Hilfe zumindest Teillösungen für Situationen des wirtschaftlichen Niedergangs gesucht werden. Als Beispiel ist das Projekt jener traditionellen Fischer zu nennen, die Touristen anbieten, aktiv an einem Arbeitstag an Bord ihres Schiffes teilzunehmen. Die Touristen erleben eine touristisch sehr attraktive berufliche und kulturelle Wirklichkeit und gleichzeitig lässt sich so das mit einer im Niedergang begriffenen Aktivität erzielte Einkommen aufbessern.

5.9

Der EWSA unterstützt die gemeinsame Erklärung der Europäischen Föderation der Gewerkschaften des Lebens-, Genussmittel-, Landwirtschafts- und Tourismussektors und verwandter Branchen (EFFAT) und des Verbands Hotels, Restaurants und Cafés in Europa (HOTREC) über Aktionslinien zum Erhalt und zur Entwicklung der Beschäftigung im Tourismussektor in ländlichen Gebieten.

6.   Schlussfolgerungen

6.1

In den verschiedenen Sitzungen der mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme beauftragten Studiengruppe sowie in der fruchtbaren Anhörung in Córdoba konnten nicht nur Meinungen eingeholt werden, die im vorausgehenden Text zusammengefasst wurden, sondern auch sehr wertvolle Schlussfolgerungen und Empfehlungen.

6.2

Wie durch verschiedene Dokumente der Kommission und des EWSA selbst sowie durch zahlreiche Forschungsquellen belegt, ist der Tourismus eine Wirtschaftsaktivität, die nicht nur rein wirtschaftlich, sondern auch sozial und ökologisch von großer Bedeutung ist. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der Tourismus eine leistungsstarke, stabile und zukunftsträchtige Industrie ist, die hochwertige Arbeitsplätze schafft, wenn sie sich kurz-, mittel- und langfristig an Nachhaltigkeitskriterien orientiert.

6.3

Die Gründe für den sozialen und wirtschaftlichen Niedergang von Gebieten in verschiedenen Ländern Europas und seine Ausprägungen sind unterschiedlich, aber in allen Gebieten ist der Beschäftigungsrückgang und das Fehlen wirtschaftlicher Alternativen die offensichtlichste Ausprägung und die schmerzlichste Folge für die örtliche Bevölkerung, die auf der Suche nach Alternativen zu den traditionellen Aktivitäten des Gebiets häufig gezwungen ist auszuwandern. Die Entvölkerung großer Agrar-, Industrie- oder Bergbaugebiete ist das unerwünschte Ergebnis der veränderten Wirtschaftsstruktur.

6.4

Die soziale Verwurzelung der örtlichen Bevölkerung ist das grundlegende Ziel jeder Politik, die darauf ausgerichtet ist, ein regionales Gleichgewicht zu schaffen, und diesen Gebieten im Niedergang daher gangbare Alternativen aufzeigen muss. Insofern spielen die Europäischen Strukturfonds als Instrumente dieser Politik der sozialen Verwurzelung eine entscheidende Rolle. Die Erhaltung oder Schaffung von Arbeitsplätzen als Instrument der sozialen Eingliederung muss höchste Priorität haben.

6.5

Der Tourismus stellt möglicherweise in ganz unterschiedlichen Situationen des Niedergangs als Quelle einer Wirtschaftstätigkeit mit großem sozialem, unternehmerischem und beschäftigungspolitischem Entwicklungspotenzial eine gute Alternative dar. Verschiedene Erfahrungen auf allen Ebenen bestätigen dies.

6.6

Aber die Gebiete im Niedergang, die im Tourismus eine Alternative suchen, müssen große Schwierigkeiten und Hindernisse jeglicher Art überwinden. Insbesondere ist anzumerken, dass die Gebiete im Niedergang eigentlich keine „natürlichen“ Tourismusgebiete sind, sondern eher das Gegenteil, da es ihnen manchmal an touristischer Attraktivität mangelt: Es ist schwierig, die verwahrloste Umgebung zu sanieren und Bereiche zu schaffen, in denen sich der Tourismus in tragfähiger Form entwickeln kann. Dafür ist es wichtig, Produkte und Angebote zu schaffen, die Nachfrage generieren.

6.7

Die Hindernisse, die dem Tourismus als Alternative in den Gebieten im Niedergang — abgesehen von der schlechten Ausgangslage — im Weg stehen, sind ganz unterschiedlich und betreffen:

die Finanzen, insofern als für die Schaffung von Produkten und einer Infrastruktur für den Tourismus Kapital erforderlich ist;

die Bildung, da die örtliche Bevölkerung für touristische Dienstleistungen normalerweise nicht entsprechend ausgebildet ist;

die Zugänglichkeit der Örtlichkeiten und die Mobilität der potenziellen Touristen, damit diese sicher zu den geschaffenen oder beworbenen touristischen Zielen gelangen können;

die Sicherheit von Personen und Sachen;

die fehlende Werbung bzw. mangelnde Koordinierung der Werbung für das touristische Ziel;

die fehlende fachliche Beratung, die zur Festlegung der Parameter beiträgt, die die neuen Unternehmen überlebensfähig machen können.

6.8

Aber gerade die Möglichkeit, im Tourismus eine Alternative zu finden, und die dem Prozess innewohnenden Schwierigkeiten sollten sowohl die öffentlichen Einrichtungen als auch die sozialen Akteure sowie die Bürger im Allgemeinen mobilisieren und zur Annahme der Herausforderung bewegen, dieses Potenzial umzusetzen. Die europäische Regionalpolitik und auch die übrigen europäischen Politikbereiche — wie Tourismus, Kultur, Beschäftigung, Verkehr und Infrastruktur — sind die politischen Handlungsfelder, die die Bewältigung dieser Herausforderungen ermöglichen und dazu beitragen müssen. Die Situation der Gebiete im Niedergang zu ignorieren oder sich den Risiken und Hindernissen der im Tourismus bestehenden Alternative nicht zu stellen scheint keine sinnvolle Strategie zu sein. Andere Alternativen für die Gebiete im Niedergang als der Tourismus sind weder zahlreich noch unproblematisch.

6.9

Damit der Tourismus für die Gebiete im Niedergang eine gangbare Alternative ist, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein:

Aufwertung der Kultur, des Kulturerbes und der Natur des Gebiets. Häufig sind die örtlichen Bevölkerungen auch in Gebieten im Niedergang Hüter eines unersetzlichen kulturellen Reichtums.

Reaktion auf umfassende Problemstellungen, in deren Rahmen über ganzheitliche Entwicklungspläne die Vielfalt an Produkten und Dienstleistungen geschaffen wird, die der Tourismus benötigt.

Förderung touristischer Produkte, die Unterbringungskapazitäten in der Nähe der verschiedenen touristischen Attraktionen umfassen. Die Unterbringung der Touristen ist derjenige Bestandteil der Ausgaben, der für Stabilität im Tourismusgeschäft und eine ergänzende Unternehmensstruktur in der Umgebung sorgt. Um eine langfristige Tragfähigkeit zu gewährleisten, sind der Hoteltourismus oder die zeitweilige Unterbringung dem Residenztourismus vorzuziehen.

Entwicklung unter wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltigen Bedingungen, so dass der Tourismus selbst Fundament für zahlreiche Unternehmen ist und damit Arbeit für Angestellte und Selbstständige schafft.

Aufbau einer wettbewerbsfähigen und vielfältigen Unternehmensstruktur, damit die wechselnden Marktbedingungen, die Globalisierung der Wirtschaft und Unternehmensverlagerungen das Gebiet künftig nicht mehr beeinträchtigen.

Förderung der Qualität jedweder Art mittels Berufsbildung: beim Dienst am Kunden, bei den Arbeitsbedingungen, beim Erhalt der Natur.

Zusammenschlüsse mit touristischen Zielen mit vergleichbaren Merkmalen, um Netzwerke zur verstärkten gemeinsamen Werbung für das Produkt, Label oder Reiseziel aufzubauen.

Angebot innovativer Produkte und Dienstleistungen. Die allgemeine und intensive Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) ist zweifellos ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Die Nutzung des Internet durch große, mittlere und kleine Touristikunternehmen, insbesondere jedoch durch letztere, ist für Werbung und Positionierung am Markt von entscheidender Bedeutung.

Gewährleistung der Verbraucherrechte im Rahmen einer Aktivität wie dem Tourismus, die sektorenübergreifend ist und bei der die Dienstleistungen von kleineren Unternehmen erbracht werden.

6.10

Selbstverständlich weichen die für jedes Gebiet ausgewählten touristischen Produkte in Abhängigkeit zahlreicher Faktoren voneinander ab, und es ist schwer zu sagen, was im einzelnen Fall das Beste ist. Als Beispiel sind jedoch einige direkt oder indirekt mit dem Tourismus verknüpfte Aktivitäten zu nennen, die einen alternativen Tourismusbereich bilden können: der Agrartourismus und der ländliche Tourismus, die durch Handwerk sowie die Herstellung und den Vertrieb örtlicher Lebensmittel ergänzt werden, der Industrietourismus, für den verschiedene vorbildliche Verfahrensweisen dargelegt wurden, sowie der Gesundheitstourismus. Die Unterstützung des ländlichen Tourismus durch die Institutionen ist für seine langfristige Überlebensfähigkeit unabdingbar.

6.11

Die Typologie von Unternehmen, über die sich in Gebieten im Niedergang touristische Produkte und Aktivitäten entwickeln lassen, ist nicht anders als anderswo, dennoch ist Folgendes ausdrücklich hervorzuheben:

Die berufliche Selbstständigkeit, mit der Wirtschaftskrisen in der Industrie wirksam begegnet werden konnte, und die — wenn es wieder darum geht, Arbeitsplätze zu schaffen — für diejenigen jungen Menschen mit dem meisten Unternehmergeist geeignete Unternehmensformen bieten kann. Im ländlichen Tourismus sind die verschiedenen Formen der Selbstständigkeit und des Familienbetriebs stärker vertreten als in anderen Sektoren.

Die Genossenschaften (sowohl Produktiv-, als auch Produktions-, Förder- und Verbrauchergenossenschaften), die sich um Unterkunftsmöglichkeiten — kleine Herbergen, Campingplätze, Hütten -, verschiedene touristische Dienstleistungen oder die Organisation von Reisen kümmern. Die Möglichkeit ein Netzwerk aufzubauen und in dessen Rahmen zu arbeiten stellt einen wichtigen Mehrwert dar, den verschiedene Länder — darunter Italien über Legacoop — zu nutzen wussten, um die Präsenz von Genossenschaften im Tourismus zu stärken.

Für die Mikrounternehmen müsste in den Tarifverträgen eine Einzelfallregelung vorgesehen sein, um einerseits die Arbeitsplatzqualität, andererseits jedoch auch die Anpassung an eine vielfältige, veränderliche und vielschichtige Realität sicherzustellen.

Die Organisationen, die in verschiedenen Ländern den Sozialtourismus verwalten, können sehr wirksam dazu beitragen, dass der Tourismus für die Gebiete im wirtschaftlichen Niedergang zu einer Alternative wird. Die Zahl der von ihnen jährlich betreuten Reisenden kann ein Anreiz dafür sein, in den genannten Gebieten touristische Routen und Produkte einzuführen. Die entsprechenden Erfahrungen des Internationalen Büros für Sozialtourismus — beispielsweise mit dem Ferienzentrum von Liguerre de Cinca in Spanien, das der Region einen sehr starken wirtschaftlichen Impuls verleiht — sind hier äußerst wertvoll. Auch in Portugal entfalten verschiedene von INATEL verwaltete Ferienanlagen in der gesamten Region eine beträchtliche Wirtschaftsaktivität.

6.12

Zur Gewährleistung der Überlebensfähigkeit der in den Gebieten im Niedergang als Alternative gegründeten Touristikunternehmen ist es von entscheidender Bedeutung, dass in der Umgebung verschiedene ergänzende Aktivitäten entstehen, die einen Beitrag zu dem gemeinsamen Ziel leisten können, einen echten „Tourismusverbund“ aufzubauen, in dem sich jedes Unternehmen als Teil eines touristischen Gesamtangebots verstehen muss. Dieser Verbund von Kultur, Gastronomie, Natur, Unterkünften und letztlich allen wirtschaftlichen Tätigkeiten, die die „touristische Attraktivität“ ausmachen, muss unter öffentlichen wie unter privaten Aspekten koordiniert werden. Im Fall der neuen Entwicklungen in Gebieten im Niedergang ist ein solcher Verbund, der teilweise auch im traditionellen Tourismus besteht, aufgrund der extremen Schwierigkeiten und der Schwäche der Unternehmen unabdingbar. Eine „Touristikroute“, an der zahlreiche Wirtschaftsakteure beteiligt sind, wäre eine konkrete Form eines solchen Verbunds. Auf jeden Fall muss die Unternehmenskooperation durch alle wirtschaftlichen und sozialen Akteure unterstützt werden.

7.   Schlussbemerkungen

7.1

Die soziale und wirtschaftliche Erholung der europäischen Gebiete im Niedergang ist eine große und schwierige Herausforderung für alle Ebenen der öffentlichen Einrichtungen, für die wirtschaftlichen und sozialen Akteure sowie für die Bürger, aber die Bewältigung dieser Herausforderung ist unabdingbar, um die Entvölkerung einiger Regionen und ein Leben in Artmut oder die Auswanderung der Bevölkerung dieser Regionen zu verhindern. Der Tourismus ist eine von mehreren Alternativen, aber aufgrund seines Mehrwerts, seines Beschäftigungspotenzials und seiner Zukunftsperspektiven ist er den anderen vorzuziehen.

7.2

Sowohl in der EU-Politik als auch in den Dokumenten der EU-Institutionen wird diese Lösung verfochten: Die Europäische Kommission, das Parlament und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss befürworten und fördern diese Alternative, aber die finanzielle Unterstützung über die Strukturfonds für Maßnahmen in diese Richtung ist noch unzureichend, und es wird immer schwieriger, diese Fonds zur Verleihung neuer wirtschaftlicher Impulse einzusetzen. Der Ausschuss schlägt der Kommission vor, auf der Grundlage erfolgreicher Projekte ein Pilotprojekt durchzuführen, um in der Praxis zu prüfen, wie die Strukturfonds am besten zur Förderung des Tourismus in Gebieten im sozialen und wirtschaftlichen Niedergang eingesetzt werden können.

7.3

Andere Einrichtungen, wie die Welttourismusorganisation und das Internationale Büro für Sozialtourismus, führen Maßnahmen von großem strategischem Wert durch, insofern als sie die für die Überlebensfähigkeit von Tourismusprojekten in Gebieten im Niedergang unabdingbaren Netzwerke für Werbung und wechselseitige Kommunikation ausbauen und fördern.

7.4

In den Mitgliedstaaten sollte die Koordinierung von Maßnahmen der verschiedenen — nationalen, regionalen und lokalen — Verwaltungsebenen angestoßen werden. Tourismusbeobachtungsstellen, die die Möglichkeiten des Sektors analysieren sowie die verschiedenen integrierten Strategien und politischen Maßnahmen für die Entwicklung des Tourismus planen, sind ein gutes Diagnose- und Handlungsinstrument.

7.5

Der Ausschuss setzt sich im Rahmen verschiedener Stellungnahmen zum Tourismus für die Konzipierung einer europäischen Politik ein, in deren Mittelpunkt die Gestaltung eines Europäischen Tourismusmodells stehen soll. Dieses Modell soll nicht notwendigerweise auf Normen, sondern auf Werten und Prinzipien wie Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Qualität von Dienstleistungen, Produkten und Arbeitsplätzen, öffentlich-privater Zusammenarbeit, Zugänglichkeit für alle, Aufwertung des lokalen Kulturerbes und der lokalen Kultur sowie auf weiteren Werten beruhen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Tourismus innerhalb und außerhalb Europas kurz-, mittel- und langfristig die Grundsätze der Nachhaltigkeit wahrt. Diese Stellungnahme fließt in diese strategische und politische Dokumentation ein. In ihr wird der positive Beitrag des Tourismus zur sozialen und wirtschaftlichen Erholung von Gebieten im Niedergang als wesentlicher Bestandteil dieses Europäischen Tourismusmodells dargelegt.

8.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss wird diese Stellungnahme veröffentlichen und unter dem Titel „Erklärung von Córdoba zum Beitrag des Tourismus zur sozialen und wirtschaftlichen Erholung von Gebieten im Niedergang“ als Beitrag auf dem Europäischen Tourismusforum 2005, das im Oktober diesen Jahres auf Malta stattfindet, einbringen.

Brüssel, den 28. September 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


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