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Document 52003AE1407

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG in Bezug auf den Anwendungsbereich der ermäßigten Mehrwertsteuersätze" (KOM(2003) 397 endg. — 2003/0169 (CNS))

OJ C 32, 5.2.2004, p. 113–117 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52003AE1407

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG in Bezug auf den Anwendungsbereich der ermäßigten Mehrwertsteuersätze" (KOM(2003) 397 endg. — 2003/0169 (CNS))

Amtsblatt Nr. C 032 vom 05/02/2004 S. 0113 - 0117


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG in Bezug auf den Anwendungsbereich der ermäßigten Mehrwertsteuersätze"

(KOM(2003) 397 endg. - 2003/0169 (CNS))

(2004/C 32/24)

Der Rat beschloss am 1. August 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialusschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten beschloss der Ausschuss auf seiner 403. Plenartagung am 29. und 30. Oktober 2003 (Sitzung vom 30. Oktober), Herrn Bedossa zum Hauptberichterstatter zu bestellen, und verabschiedete mit 66 gegen 3 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Für einen Steuerberater gehört die Problematik der MwSt-Sätze eher in den Bereich des politischen Marketings und der Steuerpolitik als zu den Strukturmaßnahmen, die Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bzw. den Wettbewerb haben. Dennoch hat jede Veränderung der MwSt-Sätze unmittelbare und lang anhaltende wirtschaftliche Auswirkungen auf den Verbrauch. Niedrige Sätze fördern den Verbrauch und haben folglich direkte Auswirkungen auf Produktion und Beschäftigung, vor allem im Falle lokaler Aktivitäten ohne wettbewerbsverzerrende Effekte. Der auf diese MwSt-Ermäßigung zurückzuführende Beschäftigungszuwachs hat ferner bedeutsame indirekte Auswirkungen auf die Einnahmen der öffentlichen Hand durch ein höheres Steueraufkommen bei Unternehmensgewinnen und Einkommen aus Erwerbstätigkeit sowie durch ein Mehr an Sozialabgaben; schließlich verringern sich auch die sozialen Kosten der Arbeitslosigkeit.

1.2. Im Gegensatz zu anderen Abgaben ist die MwSt-Abgabe auf den Endverbrauch eine erkennbare Steuer. Folglich wird sie als Vorwand eingesetzt, um die Senkung anderer Arten von Abgaben zu betreiben (spezifische indirekte Steuern, direkte Steuern, Sozialabgaben und Kommunalsteuern). Für die Erhebung der Mehrwertsteuer muss der Umsatz des Unternehmens genau festgehalten werden, und sobald Mehrwertsteuer einbehalten wurde, ist es sehr viel schwieriger, sich den sonstigen Steuern und parafiskalischen Abgaben zu entziehen.

1.3. Zu den MwSt-Sätzen wird zwar häufig intensive Lobbyarbeit geleistet bzw. schalten sich die Politiker ein, aber es ist zu bezweifeln, ob sie den Unternehmen tatsächlich erhebliche administrative Schwierigkeiten bereiten. Schwierigkeiten könnten sich dann ergeben, wenn es zu einer Vervielfältigung der Steuersätze käme und wenn zwischen der Anwendung des einen oder anderen Satzes nur noch schwerlich entschieden werden könnte. Gleichwohl treten von Zeit zu Zeit Probleme auf.

1.4. Richtig ist, dass die Logik des Systems - wie die Kommission anführt - für die Wirtschaftsbeteiligten völlig unergründbar ist und dass die Anwendung der Vorschriften zuweilen zu unbeschreiblich komplizierten Situationen führt. Aber dies ist bei der Mehrwertsteuer nicht unbedingt eine Frage der Sätze. Es kann sogar behauptet werden, dass beträchtlich weniger Schwierigkeiten auftreten, seit die Anzahl der MwSt-Sätze im Jahr 1993 verringert und die erhöhten Sätze eingeschränkt wurden. Eine sehr große Zahl von Unternehmen arbeitet nur mit einem einzigen Steuersatz, und die Probleme, sollten sie denn auftauchen, können zentral und für sehr lange Zeiträume abschließend geregelt werden.

2. Allgemeine Bemerkungen

2.1. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG in Bezug auf den Anwendungsbereich der ermäßigten Mehrwertsteuer", den die Kommission am 16. Juli 2003 angenommen hat.

2.2. Der Ausschuss verweist darauf, dass er in seiner Stellungnahme vom 26. Mai 1999 im Einklang mit dem Wunsch des Europäischen Rates über die Beschäftigung darauf gedrungen hat, die Mehrwertsteuer als Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und als Instrument zur Bekämpfung der Schwarzarbeit einzusetzen, auch wenn gegen diesen Vorschlag alle möglichen Bedenken geltend gemacht werden können.

2.3. Der Ausschuss versteht diesen Vorschlag als Initiative, nicht zuletzt auch angesichts der bevorstehenden Erweiterung jedem Mitgliedstaat dieselben Möglichkeiten zur Anwendung ermäßigter Sätze in ganz bestimmten Bereichen zu bieten, die genau definiert und aufgelistet sind.

2.4. Er stellt fest, dass mit diesem Richtlinienentwurf die zahlreichen Ausnahmeregelungen gestrafft werden sollen, die sich in bestimmten - nicht in allen - Mitgliedstaaten entwickelt haben und derzeit bei den Steuersätzen angewandt werden.

2.5. Der Ausschuss stellt fest, dass die Richtlinie 1999/85/EG des Rates Erwägungsgründe enthielt, in denen die Ziele für diese Versuchsmaßnahmen festgelegt wurden, d. h. mehr Beschäftigung und das Zurückdrängen der Schattenwirtschaft, wobei dazu eine Gesamtbewertung vorgenommen werden sollte. Neun Mitgliedstaaten haben sich dafür entschieden, an dieser Bewertung teilzunehmen. Im Ergebnis fand im Juli 2002 ein Erfahrungsaustausch zu den Methoden der Bewertung und den bei der Erstellung der Bewertungsberichte aufgetretenen Schwierigkeiten statt.

2.6. Der zu Grunde liegende wirtschaftliche Mechanismus war eine Ankurbelung der Beschäftigung und die Eindämmung der Schattenwirtschaft.

2.6.1. Eine Ermäßigung des MwSt-Satzes soll über die Preise der jeweiligen Dienstleistungen weitergegeben werden, was zu einer Stärkung der Nachfrage führen müsste. Dabei sollte die Zunahme der Produktion jedoch zu Einstellungen und nicht zu einer Zunahme der Produktivität führen. Und in der Richtlinie 1999/85/EG wurde sehr wohl festgelegt, dass eine direkte Verbindung zwischen einer Ermäßigung der Mehrwertsteuer und einer absehbaren Zunahme der Beschäftigung bestehen müsse.

2.6.2. Mit Blick auf die Schattenwirtschaft kann ein Ansteigen der Mehrwertsteuer nur Auswirkungen auf jene Unternehmen haben, die legal bestehen, einen Teil ihrer Geschäftstätigkeit aber im Rahmen der Schattenwirtschaft durchführen. Die Schwierigkeit bei der Bewertung liegt darin, dass es um eine Tätigkeit geht, die von Natur aus "unbeobachtet" bleibt.

2.7. Der Ausschuss stellt zudem fest, dass der Bewertungszeitraum von großer Bedeutung ist: die Situation ist nicht dieselbe, wenn die Beschäftigungsentwicklung in einem Zeitraum starken Wachstums oder aber in einem Zeitraum einer starken Rezession beobachtet wird, wie es derzeit der Fall ist, denn das wirtschaftliche Umfeld muss ebenfalls berücksichtigt werden.

3. Besondere Bemerkungen

3.1. Der Kommissionsvorschlag betrifft vier Bereiche.

3.1.1. Straffung des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen, bei denen die Mitgliedstaaten ermäßigte Sätze anwenden können. Dabei gelten vier Schwerpunkte:

- die Möglichkeit der Anwendung ermäßigter Steuersätze wird nicht auf neue Kategorien ausgeweitet, in denen bisher keiner der Mitgliedstaaten ermäßigte Sätze anwendet;

- die Möglichkeit, ermäßigte Sätze anzuwenden, wird auf diejenigen Kategorien von Waren und Dienstleistungen ausgedehnt, für die die Mitgliedstaaten schon jetzt im Rahmen spezifischer Ausnahmeregelungen ermäßigte Sätze anwenden dürfen, ohne dass dies das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigt hat: Restaurantdienstleistungen, Arbeiten an Wohnungen, Lieferungen von Gas und Elektrizität;

- die künftige Möglichkeit, ermäßigte Sätze auf Pflanzen und Erzeugnisse der Blumenzucht anzuwenden;

- es werden Präzisierungen vorgenommen, vor allem für die Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen, für die Leistungen der Abwasserableitung, der Straßenreinigung und der Abfallverwertung.

3.1.2. Straffung der sonstigen ermäßigten Sätze:

- Abschaffung der Ausnahmeregelungen, die es den Mitgliedstaaten gestatteten, weiterhin ermäßigte Sätze für andere als die in dem erschöpfenden Verzeichnis aufgeführten Waren und Dienstleistungen anwenden;

- Beschränkung des Nullsatzes und der stark ermäßigten Sätze auf die in Anhang H aufgeführten Waren und Dienstleistungen;

3.1.3. Straffung der in bestimmten Gebieten geltenden niedrigeren Sätze, um für jede Ausnahme eine klare Grundlage zu schaffen und den Anwendungsbereich zu beschränken, um so Missbrauch zu vermeiden;

3.1.4. MwSt-Satz auf bestimmte arbeitsintensive Dienstleistungen: die Kommission führt an, dass die Weitergabe der MwSt-Ermäßigung über die Preise bzw. deren Auswirkungen auf die Schaffung von Arbeitsplätzen häufig nur sehr gering bzw. nicht vorhanden ist. Daher ist die Kommission der Meinung, dass sich dies als Verschwendung von Haushaltsmitteln erweisen könnte, die besser eingesetzt werden und somit bessere Ergebnisse bewirken könnten. Allerdings stellt die Kommission die Freiwilligkeit der Anwendung ermäßigter MwSt-Sätze nicht in Frage.

3.2. Ziele und Zwänge

3.2.1. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss nimmt zur Kenntnis, dass mit der Richtlinie folgende Ziele erreicht werden sollen:

- Umsetzung der neuen MwSt-Strategie zur Verbesserung der Funktionsweise des gemeinsamen MwSt-Systems im Binnenmarkt;

- Schutz des gemeinschaftlichen Besitzstands im Bereich der Steuersätze und Vermeidung einer Situation, in der die Disparitäten zunehmen würden;

- Abbau der derzeitigen Inkohärenzen, vor allem bei den vielen Ausnahmeregelungen, die manchen Mitgliedstaaten gewährt wurden.

3.2.2. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss stellt fest, dass in dem Richtlinienentwurf folgende Punkte besonders berücksichtigt werden:

- im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip wird die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten nicht stärker angetastet, als für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts unbedingt notwendig ist;

- der Anwendungsbereich der ermäßigten MwSt-Sätze soll sehr sorgfältig abgegrenzt werden, damit dieses Funktionieren des Binnenmarktes nicht beeinträchtigt wird;

- die Ausnahmeregelungen sollten nur für eine stark beschränkte Zeit beibehalten werden;

- die in Göteborg erweiterte Lissabon-Strategie darf nicht außer Acht gelassen werden, denn es geht darum, die nachhaltige Entwicklung zu fördern und Beschäftigung, Wirtschaftsreform und sozialen Zusammenhalt als Bestandteile einer wissensbasierten Wirtschaft zu stärken.

3.2.3. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat die Ergebnisse der informellen Ratstagung vom 13. September 2003 in Stresa zur Kenntnis genommen, auf der die zahlreichen Meinungsverschiedenheiten zu dem Verzeichnis mit Dienstleistungen, für die ermäßigte MwSt-Sätze in Anwendung kommen sollen, bestätigt wurden.

3.2.3.1. In Bezug auf diese zahlreichen Meinungsverschiedenheiten schließt sich der Ausschuss der Auffassung der Kommission an, insbesondere wenn sie feststellt, dass sich eine Ermäßigung der Mehrwertsteuer häufig nur sehr gering und vorübergehend auf die Endverbraucherpreise auswirkt. Und dies wäre zweifellos wegen der gravierenden Auswirkungen einer solchen Maßnahme in Bezug auf die verfügbaren Haushaltsmittel ein Rückschritt für den Binnenmarkt.

3.2.3.2. Das MwSt-System soll einfacher und einheitlicher werden - die Beibehaltung dieser zahlreichen Ausnahmeregelungen hingegen kann zu Wettbewerbsverzerrungen führen.

3.2.4. Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, unter anderem in den Urteilen vom 18. Januar 2001, vom 8. März 2001, vom 3. Mai 2001 und vom 8. Mai 2001, große Bedeutung für die Bewertung der einzelnen Maßnahmen erlangt hat, die die Mitgliedstaaten zur Festlegung des Anwendungsbereichs der ermäßigten Sätze getroffen haben, und dass diese Rechtsprechung nunmehr als Leitlinie für die Überarbeitung und Straffung von Anhang H gilt.

3.3. Die in Anhang K aufgeführten Tätigkeiten, auf die ein ermäßigter MwSt-Satz angewandt werden kann, unterscheiden sich durch ihre Charakteristika von den Waren und Dienstleistungen im verarbeitenden Gewerbe: sie werden zumeist von kleinen und Kleinstunternehmen und zudem auch auf lokaler Ebene ausgeführt. Diese kleinen und Kleinstunternehmen sind lebenswichtig für die Wirtschaft, vor allem für die lokale Wirtschaft, und jedes Wachstum ihrer Geschäftstätigkeit führt unmittelbar zu einer Zunahme der Beschäftigung vor Ort und nicht durch eine Verlagerung der Tätigkeiten.

3.3.1. In ihren Schlussfolgerungen zu dem Versuch, eine ermäßigte Mehrwertsteuer anzuwenden, unterstreicht die Kommission, dass die teilnehmenden Mitgliedstaaten keinen Nachweis dafür erbringen konnten, dass sich die Maßnahme in Bezug auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Eindämmung der Schwarzarbeit positiv ausgewirkt hätte. Richtig ist zwar, dass die von einigen Mitgliedstaaten bereitgestellten Informationen nicht ausreichend sind, der von Frankreich eingereichte Bericht enthält jedoch den Beleg für die sehr große Zahl neu geschaffener Arbeitsplätze im Baugewerbe - gleiches gilt für die Berichte Luxemburgs und der Niederlande zum Friseurhandwerk. Die Tendenz in den von den Verbänden der begünstigten Unternehmen vorgelegten Berichten geht allgemein dahin, dass die positive Wirkung dieser Maßnahme nachgewiesen wird. Im Übrigen sind die nachgewiesenen positiven Wirkungen unterschiedlich stark je nach Branche und Mitgliedstaat. Die Schlussfolgerungen wären erst vollständig, wären auch die Wirkungen der Schaffung neuer Arbeitsplätze auf die Einnahmen der öffentlichen Hand untersucht worden (Steuern und Sozialabgaben).

3.3.1.1. Die Kommission ist der Auffassung, die MwSt-Ermäßigung sei nicht in ausreichendem Maße den Endverbrauchern in Form einer Preissenkung zugute gekommen. Die von der Kommission vorgebrachten Argumente sind nicht stichhaltig: dem Bericht der französischen Regierung zufolge wurden die MwSt-Ermäßigungen in Höhe von 75 % auf den Endverbraucherpreis im Baugewerbe umgelegt, sodass die Verbraucher mehr Aufträge vergeben haben, wodurch zusätzliche Umsätze für die Unternehmen entstanden und Arbeitsplätze geschaffen wurden.

3.3.1.2. Die Auswirkungen auf die Schwarzarbeit lassen sich von Natur aus nur schwer belegen, weil der Umfang der Schwarzarbeit selbst nicht genau bekannt ist: Derzeit müssen Stichprobenverfahren mit nicht quantifizierbaren Ergebnissen genügen, und in mehreren Berichten sind die Eindrücke der Unternehmer vor Ort - vor allem aus dem Baugewerbe - festgehalten, die eine Abnahme der Schwarzarbeit sowohl intern als auch außerhalb der Unternehmen hervorheben.

3.3.2. Unter diesen Umständen ist der Ausschuss der Auffassung, dass es möglich wäre, objektiv zu den positiven Wirkungen der MwSt-Ermäßigung in bestimmten Branchen Stellung zu beziehen, in denen der Versuch durchgeführt wurde, denn die Ergebnisse aus mehreren nationalen Berichten liegen vor.

3.3.2.1. Er verweist zudem die Kommission, das Parlament, den Rat und die Mitgliedstaaten auf die schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen - auch in Form der Vernichtung von Arbeitsplätzen -, die eine Aufhebung der Versuchsregelung nach sich ziehen würde. Der Ausschuss ist folglich der Auffassung, dass dieser Versuch in eine endgültige Maßnahme überführt werden sollte.

3.3.3. Bezug nehmend auf die in dem neuen Anhang H aufgeführten Tätigkeiten begrüßt der Ausschuss den Vorschlag der Kommission zur Einführung neuer Wirtschaftszweige bzw. neuer Tätigkeiten wie des Gaststättengewerbes. Allerdings gibt es für den Ausschluss zweier Branchen (Friseurdienstleistungen und kleine Reparaturarbeiten) aus dem alten Anhang K keine stichhaltige Erklärung:

- es ist nicht sachdienlich, Tätigkeiten endgültig auszuschließen und sich dabei auf im Übrigen nicht stichhaltige und in Frage gezogene Schlussfolgerungen kurzfristiger Studien zu stützen;

- der Gefahr der Vernichtung neuer, in diesen beiden Branchen geschaffener Arbeitsplätze sollte Rechnung getragen werden;

- die Anhebung der ermäßigten Sätze auf normale MwSt-Sätze in diesen Branchen hätte negative wirtschaftliche Folgen.

3.3.4. Da der Anhang H den Mitgliedstaaten lediglich Möglichkeiten eröffnet, aber für diese nicht bindend ist, ersucht der Ausschuss darum:

- die 20 Kategorien von Tätigkeiten des neuen Anhangs H zu bestätigen;

- die im alten Anhang K aufgeführten Friseurdienstleistungen und kleinen Reparaturarbeiten hinzuzufügen;

- zur Kategorie 10 die historischen Gebäude, Sakralbauten sowie die zum kulturellen und architektonischen Erbe gehörigen Privatbauten und Nutzbauten und die industrielle Architektur hinzuzufügen.

4. Fazit

4.1. Die Festsetzung der Sätze ist zweifelsohne insoweit Teil der Steuerpolitik, als sich deren Höhe beim Endverbrauch auf die finanziellen Einnahmen der Staaten auswirkt.

4.1.1. Die Problematik der Steuersätze hätte große Bedeutung haben können für die Entwürfe der Europäischen Kommission, die gegen Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre diskutiert wurden: damals ging es darum, die MwSt-Befreiungen in den innergemeinschaftlichen Handelsbeziehungen zu streichen und ein MwSt-System mit Besteuerung im Herkunftsland einzuführen. Mit Blick darauf war es wichtig, die Steuersätze anzugleichen.

4.1.2. Dieses Projekt der MwSt-Erhebung im Herkunftsland ist glücklicherweise aufgeschoben worden. Damals wurde häufig der Egoismus der Mitgliedstaaten kritisiert. Man sah dies als deren Weigerung an, auf ihre Besteuerungsrechte zu verzichten, als Angst vor einer allmächtigen Europäischen Kommission usw.

4.1.3. Die Pläne der Kommission erlaubten es nicht, jeden MwSt-Betrag auf den Endverbrauch auf einem bestimmten Gebiet genau zuzuweisen. Das soll jedoch nicht heißen, dass das von der Kommission verfochtene Ziel einer im Herkunftsland erhobenen Mehrwertsteuer ein Irrtum war. Es soll lediglich bedeuten, dass die zur Verwirklichung dieses Ziels eingesetzten Instrumente diesem nicht angemessen waren.

4.1.4. Das Gegenteil ist der Fall: Die Streichung der Befreiungen im innergemeinschaftlichen Handel könnte in erheblichem Maße dazu beitragen, den "Karussellbetrug" einzudämmen, den kriminelle Organisationen zu Lasten der Staatshaushalte und vor allem zu Lasten der Unternehmen begehen. Es geht dabei um ein schwerwiegendes Problem, dem zahlreiche Unternehmen zum Opfer fallen.

4.2. Der Ausschuss begrüßt die Anstrengungen zur Erstellung eines neuen Anhangs H mit dem Ziel, diesen zu straffen und zu vereinfachen, denn dieser Anhang wird ipso facto zur einzigen Referenz für die Festlegung des Anwendungsbereichs der ermäßigten Steuersätze wie auch der stark ermäßigten Sätze und des Nullsatzes.

4.2.1. Die Hinzufügung neuer Kategorien geschieht auf den starken Druck von Staaten hin, die keine Genehmigung erhalten hatten, insbesondere nicht zur Kategorie 14 "Restaurantdienstleistungen". Auf diese Weise könnten mehr Mitgliedstaaten auf Restaurantdienstleistungen den ermäßigten Satz anwenden, was ein entscheidender Schritt in Richtung einer einheitlicheren Anwendung der ermäßigten Steuersätze sein könnte.

4.3. Der Ausschuss kann sich nicht gänzlich dem Standpunkt der Kommission in Bezug auf die Bewertung der Wirksamkeit der Regelung anschließen, insbesondere was die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Effizienz betrifft.

4.3.1. Zwar weisen alle durchgeführten Studien in dieselbe Richtung, aber für zumindest eine Kategorie (Kategorie 10 - Wohnungen) wurden in einem Mitgliedstaat, der die Regelung anwendet, für die kleinen und mittleren Unternehmen der Branche überzeugende Ergebnisse erzielt. Mit der Senkung des Steuersatzes wurde die Nachfrage gesteigert und es kam zu Einstellungen bei den Gewerken in dieser Branche.

4.4. Der Ausschuss begrüßt nichtsdestotrotz die vorgeschlagene Überprüfung, die ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Verbesserung des gemeinsamen MwSt-Systems im Hinblick auf ein reibungsloseres Funktionieren des Binnenmarkts ist.

4.4.1. Diese erhebliche, EU-weite Vereinfachung der Struktur der MwSt-Sätze wahrt zugleich das Recht der Mitgliedstaaten, die in ihrem Gebiet anzuwendenden MwSt-Sätze selbst festzusetzen.

4.5. Der Ausschuss spricht sich für die 2004 geplante Überprüfung aus, in deren Rahmen die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Folgen dieses Vorschlags analysiert werden sollen.

4.6. Der Vorschlag der Kommission ist insofern nützlich, als er darauf abzielt, wieder ein rationaleres Vorgehen einzuführen und die Unterschiede bei der Anwendung der gemeinschaftlichen MwSt-Regelung abzubauen. Allerdings ist diese Situation nicht nur den MwSt-Sätzen eigen, und die Annahme der Richtlinie kann nicht als Rechtfertigung dafür dienen, dass andere Prioritäten aufgegeben werden. Dies sind unter anderem die Abschaffung von Ungleichbehandlungen und schwerwiegenden Inkohärenzen, die die Wirtschaftszweige betreffen, bei denen Mehrwertsteuerbefreiungen zur Anwendung kommen. Angesichts dessen sollten die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, die Anwendung des Nullsatzes auf alle unter Art. 13 der sechsten MwSt-Richtlinie fallende Geschäftstätigkeiten auszuweiten.

4.6.1. Daher ersucht der Ausschuss die Kommission darum, Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a) zweiter Unterabsatz des Vorschlags wie folgt zu ändern:

"Die Ausnahmeregelung im Sinne von Unterabsatz 1 gilt nur für Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die in einer der Kategorien des Anhangs H oder in Artikel 13 aufgeführt sind."

4.6.2. In Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c) sollten die Worte "die in den betreffenden Gebieten verbraucht bzw. in Anspruch genommen werden" gestrichen werden.

4.7. Der Ausschuss widerspricht den Schlussfolgerungen der Kommission, dass die MwSt-Ermäßigung niemals die wirksamste Maßnahme sei, und im Verhältnis zu ihrem wirtschaftlichen Nutzen eine hohe haushaltsmäßige Belastung verursache, so dass es besser sei, die Lohnnebenkosten zu senken. Die Senkung der Lohnnebenkosten und die MwSt-Ermäßigung sind sich gegenseitig ergänzende Maßnahmen, und die Kommission muss es gemäß dem Subsidiaritätsprinzip den Mitgliedstaaten überlassen, sich für die Maßnahmen zu entscheiden, die ihnen zur Umsetzung ihrer Politik jeweils am geeignetsten erscheinen.

4.7.1. Der Ausschuss erinnert daran, dass der Richtlinienvorschlag der Kommission nicht bindend ist und lediglich Empfehlungscharakter besitzt. Da die in Anhang H aufgeführten Kategorien lokaler Aktivitäten aller Voraussicht nach nicht zu grenzüberschreitenden Wettbewerbsverzerrungen führen, ist es von grundlegender Bedeutung, dass sich ein Mitgliedstaat nicht allein deshalb gegen den Vorschlag ausspricht, weil er bestimmte Bereiche aus der Richtlinie ausgeklammert sehen möchte. Der Ausschuss fordert die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, den Richtlinienvorschlag unter Berücksichtigung vorstehender Vorschläge anzunehmen, damit die Entwicklung dynamischer Maßnahmen zugunsten der betroffenen Branchen gestärkt und die Gefahr einer tiefen wirtschaftlichen und sozialen Rezession, welche eine Rückkehr zum normalen MwSt-Satz birgt, gebannt wird.

4.7.1.1. Der Ausschuss stellt fest, dass lokale Kleinst- und Kleinunternehmen wichtige Nutznießer der Maßnahme sind, die zu den Prioritäten der Europäischen Charta für Kleinunternehmen zählt und die deshalb gestärkt werden muss. Der Ausschuss spricht wie das Europäische Parlament den Wunsch aus, die MwSt-Ermäßigung auf den gesamten Bereich arbeitsintensiver Tätigkeiten auszudehnen.

4.7.1.2. Der Ausschuss wurde von den Schwierigkeiten in Kenntnis gesetzt, die die betroffenen Unternehmen - insbesondere in der Baubranche - aufgrund des Fehlens einer klaren Entscheidung bei der Planung ihrer Geschäftstätigkeit für 2004 haben. Er fordert die Regierungen auf, den Richtlinienvorschlag so bald wie möglich zu verabschieden, um die Geschäftsentwicklung der Unternehmen in den kommenden Monaten nicht zu beeinträchtigen.

Brüssel, den 30. Oktober 2003.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger Briesch

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