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Document 52002AE0686

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Denkbare Optionen der Rentenreform"

OJ C 221, 17.9.2002, p. 58–64 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52002AE0686

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Denkbare Optionen der Rentenreform"

Amtsblatt Nr. C 221 vom 17/09/2002 S. 0058 - 0064


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Denkbare Optionen der Rentenreform"

(2002/C 221/14)

Am 10. Januar 2002 ersuchte die Kommission mit Schreiben von Kommissionspräsident PRODI den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, eine Sondierungsstellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu erarbeiten.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe "Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft" nahm ihre Stellungnahme am 13. Mai 2002 an. Berichterstatterin war Frau Cassina, Mitberichterstatter war Herr Byrne.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 391. Plenartagung am 29. und 30. Mai 2002 (Sitzung vom 29. Mai) mit 102 gegen 2 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

1. Vorbemerkung

1.1. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat auf seiner Plenartagung am 29. November 2001 zwei Stellungnahmen zur Rentenproblematik verabschiedet, um einen umfassenden Beitrag zu den Diskussionen des Europäischen Rates von Laeken über dieses Thema zu leisten(1). Verschiedene Passagen dieser Stellungnahme nehmen auf den Inhalt dieser Dokumente Bezug, ohne sie ausführlich zu nennen.

1.2. Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung in Laeken den gemeinsamen Bericht des Ausschusses für Sozialschutz und des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über die Renten zur Kenntnis genommen, die Einführung einer Methode zur offenen Koordinierung im Rentenbereich beschlossen und erklärt, "der Angemessenheit der Renten, der langfristigen Tragfähigkeit der Rentensysteme und ihrer Modernisierung (...) kommt angesichts der sich wandelnden Bedürfnisse besondere Bedeutung zu"(2).

1.3. Am 24. Januar 2002 hat die Kommission den vom Europäischen Rat in Stockholm angeforderten Bericht "Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und Förderung des aktiven Alterns"(3) veröffentlicht.

1.4. Am 10. Januar 2002 ersuchte der Präsident der Kommission Romano Prodi in einem Schreiben an den Präsidenten des EWSA Göke Frerichs den Ausschuss um eine eingehende Untersuchung der denkbaren Optionen der Rentenreform und eine Bewertung dieser Optionen im Hinblick auf die Tragfähigkeit des Sozialschutzes, der öffentlichen Finanzen und des Wirtschaftswachstums.

1.5. Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung in Barcelona die Bedeutung eines "aktiven Alterns" und die Notwendigkeit von Maßnahmen zur freiwilligen Verlängerung des Erwerbslebens bis zum tatsächlichen Eintritt in den Ruhestand hervorgehoben.

1.6. Der Ausschuss bekräftigt die Aussagen, die er in den genannten Stellungnahmen und in anderen Stellungnahmen, die direkt oder indirekt auf die mit den Rentensystemen verknüpften Probleme Bezug nehmen, gemacht hat, und möchte einige dieser Themen unter vier Aspekten eingehender behandeln: Sozialverträglichkeit der Rentensysteme angesichts der neuen Bedürfnisse einer im Wandel befindlichen Arbeitswelt; Maßnahmen, die zur Verlängerung des Erwerbslebens beitragen; Maßnahmen, die zur finanziellen Nachhaltigkeit beitragen sowie Anregungen in der Einführungsphase der "offenen Methode" in diesem Bereich.

1.7. Der EWSA bekräftigt zunächst seine tiefe Überzeugung, dass jegliche Anpassung, Modernisierung oder Reform der Rentensysteme der aktiven, bewussten und informierten Mitwirkung der sozialen Akteure bedarf, weil nur so die Voraussetzungen für einen substantiellen Konsens über die auf nationaler Ebene erforderlichen Entscheidungen geschaffen werden.

2. Sozialverträglichkeit angesichts der neuen Bedürfnisse der sich wandelnden Arbeitswelt

2.1. Der Ausschuss hat mehrfach auf die Notwendigkeit verwiesen, die Nachhaltigkeit der Rentensysteme zu garantieren, die sowohl dem Ziel der sozialen Kohäsion als auch dem der Stabilität der öffentlichen Haushalte entspricht. Erforderlich ist, beide Ziele entschlossen zu verfolgen und dabei auf einzelstaatlicher Ebene einen Ausgleich zwischen Wirtschafts-, Steuer-, Beschäftigungs- und Vorsorgepolitik anzustreben. Auf diese Weise dürfte ebenfalls eine zufriedenstellende Aufteilung zwischen den verschiedenen Rentensystemen (1., 2. und 3. Pfeiler) erreicht und ihnen eine stärkere Dynamik verliehen werden, wobei gleichzeitig ihr Auftrag - die Erreichung grundlegender sozialer Ziele - zu wahren ist. Unter voller Achtung dieses Subsidiaritätsrahmens, der durch die Teilhabe der Sozialpartner und der einzelstaatlichen Einrichtungen garantiert wird, schlägt der Ausschuss eine Reihe von Überlegungen in der Hoffnung vor, zu einer transparenten und realistischen Debatte zwischen den betreffenden Akteuren beizutragen.

2.2. Die Notwendigkeit, dass die einzelstaatlichen Rentensysteme dem legitimen Anspruch der Arbeitnehmer entsprechen, ihren letzten Lebensabschnitt in Sicherheit und Würde zu verbringen, wird in praktisch allen Dokumenten der Gemeinschaft bekräftigt. Diese Aussage darf jedoch nicht als unverbindliches Prinzip, sondern muss als grundlegendes Ziel verstanden werden, das verfolgt werden muss, indem die verschiedenen nationalen Rentensysteme angepasst und die aufgrund der Bevölkerungsentwicklung, der sozialen Lage und der Haushaltssituation jetzt und in Zukunft erforderlichen Reformen durchgeführt werden.

2.3. Der Ausschuss hebt hervor, dass bei einer sozialverträglichen Lösung sowohl die Struktur des Arbeitsmarktes als auch die Arbeitsbedingungen und die absehbaren künftigen Entwicklungen berücksichtigt werden müssen: denn heute ist es angesichts der ständigen Neuheiten bei den Vertragsverhältnissen mehr denn je erforderlich zu verstehen, welche Entwicklungen mittelfristig eintreten werden. Die Strategie von Lissabon hat die Notwendigkeit aufgezeigt, das europäische Modell der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung neu zu beleben und dabei das Ziel der Vollbeschäftigung auf hohem beruflichem Niveau sowie einer höheren Erwerbsquote zu verfolgen. Der Ausschuss bekräftigt die Notwendigkeit, diese Ziele mit der größten Entschlossenheit zu verfolgen: Nur ein entscheidender Fortschritt in Richtung auf mehr und bessere Beschäftigung kann die Finanzmittel stabilisieren, die erforderlich sind, um die Solidarfunktion der Sozialschutzsysteme zu gewährleisten, die unbedingt notwendig ist, will man vermeiden, dass sich Armut und Marginalisierung in unserer Gesellschaft ausbreiten, die ja gerade durch die Beschlüsse von Lissabon engagiert bekämpft und mittelfristig überwunden werden sollen.

2.4. Die Beschäftigungsentwicklung in den Mitgliedstaaten zeigt, dass die Schaffung neuer Arbeitsplätze aufgrund des schwachen Wirtschaftswachstums, der Auswirkungen einer Verlangsamung der Weltwirtschaft insbesondere nach dem 11. September 2001 sowie der abwartenden Haltung der Investoren weiterhin unzureichend ist. Zum Verhältnis zwischen Beschäftigungs- und Rentenpolitiken ist der Ausschuss der Auffassung, dass die EU neue Entwicklungsziele und wachstumsfördernde Maßnahmen einführen sollte, die der Wirtschaft einen Impuls verleihen und ein günstiges Umfeld für die Lösung des Beschäftigungsproblems schaffen. Wie schon in anderen Stellungnahmen ausgeführt, verfügen die öffentlichen Haushalte nur über geringe Spielräume, weil der Stabilitätspakt, der eine ordnungsgemäße Verwaltung der Wirtschafts- und Währungsunion gewährleisten soll, uneingeschränkt eingehalten werden muss. Daraus folgt, dass die geringen Interventionsmöglichkeiten der öffentlichen Finanzen gewissenhaft aufzuteilen sind, wobei hinsichtlich der Sozialausgaben die Entwicklung einer aktiven Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik Vorrang genießen muss.

2.5. In fast allen Mitgliedstaaten hat die Beschäftigung - ungeachtet der Wachstumsschwierigkeiten - zugenommen, insbesondere durch Einstellungen im Rahmen neuartiger Vertragsverhältnisse (vor allem befristete Arbeitsverträge, Teilzeitarbeit, Interimsarbeit und Formen der Zusammenarbeit als Subunternehmer). Solche Vertragsarten kommen in der Altersgruppe der 15- bis 25-Jährigen und insbesondere bei qualifizierten Arbeitnehmern zwischen 20 und 25 Jahren verhältnismäßig häufig vor, und es kann zu Recht festgestellt werden, dass ein nicht unerheblicher Anteil dieser Einstellungen zu einem späteren Zeitpunkt zu unbefristeten Vollzeit-Arbeitsverträgen führt. Der Ausschuss begrüßt daher die Schaffung neuer Arbeitsplätze sowie die Weiterentwicklung und Diversifizierung der Vertragsarten, teilt jedoch die Anliegen der Kommission und des Rates von Barcelona hinsichtlich der Qualität der Beschäftigungsverhältnisse und der Ausgewogenheit zwischen Flexibilität und Sicherheit.

2.5.1. Die Tendenz zur Zunahme neuartiger Vertragsformen wird sich weiter verstärken und Arbeitsplätze schaffen; daher ist nach den Wechselwirkungen mit der sozialen und finanziellen Nachhaltigkeit der Rentensysteme, ob umlagefinanziert oder kapitalgedeckt, zu fragen: Die Beitragszahlungen der Arbeitnehmer mit neuartigen Arbeitsverträgen führen gewöhnlich nicht zu einem ständigen und gleichmäßigen Aufkommen, was sich zum einen auf die Ressourcen der Rentensysteme und andererseits auf die betreffenden Arbeitnehmer auswirkt, denen es größere Schwierigkeiten bereiten wird, ihr Leben, ihre Berufslaufbahn und ihre Altersversorgung angemessen und verantwortungsbewusst zu planen.

2.5.2. Insbesondere stellt sich das Problem des Beitragsaufkommens in Zeiten der Nichtbeschäftigung oder der Weiterbildung zwischen dem Ende eines alten und dem Beginn eines neuen Arbeitsvertrags. Ohne sich für die eine oder andere der erörterten Lösungen auszusprechen, betont der Ausschuss, dass Lösungen angestrebt werden müssen, die dem doppelten Erfordernis der Sicherheit und Transparenz entsprechen. Er ist der Ansicht, dass jede Option Gegenstand einer transparenten, vorurteilsfreien Debatte sein muss. Die Lösungen müssen auf einzelstaatlicher Ebene unter sämtlichen möglichen Lösungen gefunden werden, im Rahmen derer die Belange aller Betroffenen und die Herausforderungen der Rentensysteme berücksichtigt werden können.

2.5.2.1. Eine Abdeckung der Zeiten ungewollter Nichtbeschäftigung aus Steuermitteln scheint zwar die nahe liegende Lösung zu sein, würde das Problem jedoch nicht lösen, weil die Staatsausgaben dadurch zunähmen; ein hinreichender Ausgleich erscheint unmöglich - auch bei einer durch die neuartigen Vertragsarten erleichterten Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlage (direkte und indirekte Besteuerung).

2.5.2.2. Auch eine Stärkung und Erweiterung der Zusatz- und Privatrentenversicherungen kann zwar ein besseres Gleichgewicht zwischen öffentlichen und privaten Systemen herbeiführen, verlagert das Problem jedoch lediglich, ohne es für den Arbeitnehmer zu lösen: denn der vorübergehend Arbeitslose, der kein Einkommen generiert, hat ein Problem mehr, wenn er gleichzeitig Beiträge zu den Systemen des zweiten und dritten Pfeilers zahlen soll, sofern er zu diesen überhaupt Zugang hat, denn wie in der genannten Stellungnahme(4) bereits hervorgehoben wurde, sind diese Systeme recht unflexibel und für Arbeitnehmer mit neuartigen Arbeitsverträgen nicht immer vorteilhaft.

2.5.2.3. Der Einsatz spezieller Reservefonds, den der Ausschuss bereits in einer früheren Stellungnahme als positiv erachtet hatte(5), kann eine sehr nützliche Möglichkeit darstellen, stößt jedoch auf verschiedene Probleme in einigen Mitgliedstaaten, in denen es schwierig ist, Mittel aus den öffentlichen Haushalten freizusetzen, die Besteuerung zwecks Alimentierung des Fonds zu erhöhen und neue Finanzierungsquellen für die Staatshaushalte zu finden.

2.5.2.4. Der Ausschuss stellt mit Besorgnis fest, dass in der Kommissionsmitteilung "Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und Verlängerung des Erwerbslebens" bei Arbeitnehmern mit Verträgen über ein befristetes Arbeitsverhältnis oder eine Teilzeittätigkeit eine recht hohe Abbruchquote hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit (15 % zugunsten der Arbeitslosigkeit, 10 % zugunsten der Nichterwerbstätigkeit) konstatiert wird. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass diese Zahlen nicht zu voreiligen Urteilen über die fraglichen Vertragspartner führen sollten; vielmehr sollte die Notwendigkeit berücksichtigt werden, die Maßnahmen zur Verkürzung der Arbeitslosigkeits- oder Nichterwerbstätigkeitszeiten zu verstärken, indem aktives Arbeitsmarktmanagement, Weiterbildung und leistungsfähige Arbeitsberatung angemessen kombiniert werden. Werden für die genannten Beschäftigungsformen adäquate Weiterbildungsbemühungen unternommen, dann wird auch die Motivation der Arbeitnehmer steigen.

2.5.2.5. Der Ausschuss stellt auch fest, dass in einigen Kreisen eine leichte Erhöhung der Arbeitgeberbeiträge für zeitlich befristete, Teilzeit- und Interim-Arbeitsverträge erwogen wird, also die Möglichkeit eines gewissen Ausgleichs zwischen den Flexibilitätsvorteilen, welche diese Vertragsart den Unternehmen bietet, und einer geringfügig höheren Beitragsbelastung im Rahmen der gesellschaftlichen Solidarität. In anderen Kreisen wird diese Möglichkeit stark bekämpft und angeführt, dies wäre eine Diskriminierung zwischen verschiedenen Vertragsarten, die lediglich die Nutzung der neuen Vertragsarten behindere.

2.5.2.6. In der Debatte wird häufig auch die Möglichkeit einer allgemeinen Beitragserhöhung (also der Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerbeiträge) genannt, um die Interventionskapazitäten der Sozial- und Rentensysteme auch in Zukunft zu erhalten oder noch zu stärken. Auch diese Idee kann erwogen werden; gleichwohl bringt der Ausschuss seine Sorge über eine etwaige Tendenz zur Erhöhung der Beitragsbelastung zum Ausdruck, denn diese ist in fast allen Mitgliedstaaten schon ziemlich hoch; und der Ausschuss ist der Ansicht, dass alle Vorschläge zur Beitragserhöhung angesichts ihrer zu erwartenden Auswirkung auf die Beschäftigung bewertet werden müssen. Der Ausschuss verweist nebenbei (auch um auf einen wichtigen methodologischen Aspekt des Problems aufmerksam zu machen) auf die Ergebnisse einer unlängst von Eurobarometer durchgeführten Erhebung, in der eine Stichprobe europäischer Bürger nach dem Grad der Zustimmung zu folgender Aussage gefragt wurde: "Das derzeitige Rentenniveau soll beibehalten werden, auch wenn dies eine Steuer- oder Beitragserhöhung bedeutet". Es ist beeindruckend festzustellen, dass sich über 77 % der Befragten "völlig" oder "ziemlich" einverstanden zeigten. Daraus lässt sich zwar keine inhaltliche Schlussfolgerung über diese Art von Maßnahmen ableiten, aber es soll aufgezeigt werden, dass sich die europäischen Bürger eine Reihe von Fragen stellen und bereit sind, für deren Lösung unmittelbar Verantwortung zu übernehmen. Der Ausschuss hofft, dass diese Einstellung von allen sozialen Akteuren geteilt wird, und vor allem, wie bereits mehrfach erwähnt, dass die Arbeitnehmer und Bürger der Mitgliedstaaten auf eine ernsthafte und verantwortungsvolle Weise in diese Entscheidungen einbezogen werden.

2.5.2.7. Der Ausschuss bekräftigt seine Besorgnis über die Lage jener Arbeitnehmer, die aus verschiedenen Gründen (darunter auch Gründe im Zusammenhang mit der tendenziellen Zunahme von Verträgen neuen Typs) im Rahmen der derzeitigen Systeme keine ausreichenden Rentenansprüche erwerben, weil ihre Berufstätigkeit unterbrochen wurde und damit auch ihre Beitragszahlung. Da der Ausschuss keine Lösungsvorschläge unterbreitet hat, sondern nur den Wunsch nach einer eingehenden Prüfung auf einzelstaatlicher Ebene zum Ausdruck gebracht hat, erinnert er insbesondere an die Voraussetzungen, die im schwedischen und irischen Rentensystem vorgesehen sind, um dieser Realität Rechnung zu tragen, und fordert die Mitgliedstaaten auf, der Lösung dieses Problems Priorität einzuräumen(6).

2.5.3. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Entscheidungen zwischen den Maßnahmen, deren Erörterung in den obigen Ziffern vorgeschlagen wird, und etwaigen anderen vorgeschlagenen Maßnahmen nach eingehender und offener Erörterung mit den Sozialpartnern im Rahmen einzelstaatlicher Vorschriften festgelegt werden könnten.

2.5.4. Auf jeden Fall müssen diese Bestimmungen über den Rentenbeitrag vollständig und transparent in den Einstellungsverträgen - welcher Art auch immer - berücksichtigt und klare Informationen über die verschiedenen Möglichkeiten gegeben werden, damit die Arbeitnehmer ihr Berufsleben und ihren Ruhestand verantwortungsvoll planen können.

2.5.5. Erforderlich ist in jedem Fall auch ein europäischer Rahmen, der einige Garantien für eine ordnungsgemäße Verwaltung der Rentenfonds des 2. Pfeilers festlegt, die Übertragbarkeit der Beiträge zwischen den verschiedenen Rentenfonds gewährleistet und auf diese Weise Vertrauen und Mobilität der Arbeitnehmer fördert(7). Diese Notwendigkeit ist umso offensichtlicher, seit einige schwerwiegende Vorfälle eingetreten sind, die das langjährige Rentensparen von Arbeitnehmern zunichte gemacht haben, die in Unternehmen beschäftigt waren, welche die Mittel des zweiten Pfeilers durch verantwortungslose Finanzstrategien schlecht verwaltet haben. Zwar handelt es sich um Einzelfälle, doch im Zuge der Alarmstimmung, die diese Vorfälle in der öffentlichen Meinung ausgelöst haben, werden die Arbeitnehmer dieser Art des Rentensparens oder den neuartigen Vertragsformen keineswegs aufgeschlossen gegenüberstehen.

3. Maßnahmen zur Verlängerung des Erwerbslebens

3.1. Der Ausschuss hat dieses Thema schon in früheren Stellungnahmen ausführlich behandelt(8) und dabei u. a. bekräftigt, dass die Heraufsetzung des offiziellen Rentenalters eine Reaktion auf die höhere Lebenserwartung darstellt, nie jedoch die einzige Antwort auf die durch die Erhöhung der Quote von Versorgungsberechtigten und die Schwierigkeiten der öffentlichen Haushalte verursachten Probleme darstellen darf. Auch ist es nicht ausreichend, den Arbeitnehmern lediglich Steuer- oder sonstige Geldanreize zu bieten, damit sie weiterarbeiten(9). Vor allem wer sein ganzes Leben lang eine verschleißende, oft gering qualifizierte und noch weniger erfuellende Arbeit geleistet hat, kann zu Recht für sich in Anspruch nehmen, die von den gesetzlichen Regelungen gebotenen Möglichkeiten zu nutzen, und auch andere Arbeitnehmer könnten ihre Berufstätigkeit aus vielfältigen Gründen früher aufgeben wollen. In diesem Zusammenhang weist der Ausschuss auch darauf hin, dass eine Lösung für den zunehmenden Ausschluss aus dem Erwerbsleben aufgrund gesundheitlicher Probleme gefunden werden muss. Das Freiwilligkeitsprinzip muss bekräftigt und immer gewahrt werden, aber es können Anreize und eine angemessene Motivierung entwickelt werden. Der Ausschuss billigt den Vorschlag des Gipfels von Barcelona, bis 2010 das effektive durchschnittliche Rentenalter um ca. fünf Jahre zu erhöhen. Der EWSA unterstützt dieses Ziel, weil die Auswirkung auf die finanzielle Nachhaltigkeit der öffentlichen Rentensysteme sehr positiv sein könnte: eine Studie der GD ECFIN zeigt, dass die Verlängerung des Erwerbslebens um ein Jahr eine Ausgabenersparnis in Höhe von 0,84 % des BIP erzeugen würde. Das in Barcelona angegebene Ziel, das tatsächliche Rentenalter zu erhöhen, könnte erreicht werden durch eine Kombination von Maßnahmen zur Eindämmung der derzeitigen Tendenz zum vorzeitigen Ruhestand und Anreizen für Arbeitnehmer, die das gesetzliche Rentenalter erreichen, aber freiwillig weiterarbeiten (wenn auch nicht unbedingt an demselben Arbeitsplatz und mit derselben Arbeit).

3.2. Der Ausschuss hat nicht die Absicht, die einzelstaatlichen Vorschriften zu kritisieren, die es dem Arbeitnehmer in einigen Mitgliedstaaten ermöglichen, die Berufstätigkeit vor Erreichen des Rentenalters aufzugeben, regt jedoch an, dass die Mitgliedstaaten eine Gesamtbewertung der Regelungen zur Beendigung des Erwerbslebens vornehmen, wobei die Frühverrentungen nur ein Bestandteil sind, und dabei insbesondere die möglichen negativen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte, die möglichen Alternativen zur Frühverrentung(10), die Auswirkungen auf die Arbeitsbeziehungen, das Verhältnis zur gesetzlichen Regelung des Rentenalters und die Motivation der Arbeitnehmer berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist der Ausschuss der Auffassung, dass die Frühverrentung, außer bei verschleißenden Berufstätigkeiten, auf Dauer möglichst eingestellt und unterdessen auf Fälle beschränkt werden sollten, in denen es keine praktikable Alternative gibt: Der Ausschuss hebt besonders die Notwendigkeit hervor, alle Anstrengungen zu unternehmen, um bei einem Überschuss von Arbeitskräften geeignete Alternativen zu Frühverrentungen zu finden wie Mobilität in Richtung anderer Unternehmen oder Branchen, Weiterbildung zwecks Anpassung an neue Produktionserfordernisse oder Auslagerung von Betriebsfunktionen - ein äußerst interessantes und kreatives, doch bislang zu wenig verbreitetes Verfahren.

3.2.1. Der Ausschuss bekräftigt darüber hinaus die Notwendigkeit der Erhöhung der Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer und v. a. die Ergreifung aller erforderlichen Maßnahmen zur Förderung der Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser in ein Arbeitsverhältnis durch die Verbesserung ihrer Beschäftigungsfähigkeit (Fortbildungsmaßnahmen, Anerkennung von Kenntnissen, Erfahrungen und Kompetenzen, auch wenn diese nicht bescheinigt sind, Berufsberatung usw.).

3.3. In ihrer unlängst veröffentlichten Mitteilung "Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und Förderung des aktiven Alterns" untersucht die Kommission detailliert die Bedeutung der Motive, welche Arbeitnehmer veranlassen können, ihr Erwerbsleben fortzusetzen. Insbesondere sollte die Verlängerung des Erwerbslebens mit spezifischen Weiterbildungsmaßnahmen und einer deutlichen Arbeitszeitflexibilität einhergehen, wie von zahlreichen älteren Arbeitnehmern gefordert wird. Außerdem wird ein Arbeitnehmer angesichts der steigenden Lebenserwartung wohl eher aus sozialen Gründen und zur Selbstverwirklichung als allein aus finanziellen Gründen nach Erreichen des Rentenalters noch weiter arbeiten. Nach Ansicht des Ausschusses sollten daher auch die Arbeitsbedingungen und die berufliche Eingliederung in das Unternehmen Gegenstand von Ad-hoc-Maßnahmen sein und so geplant werden, dass die Erfordernisse und Potenziale der betreffenden Arbeitnehmer berücksichtigt und neue Einbeziehungs- und Beteiligungsmaßnahmen ergriffen werden (Gewinnbeteiligung, Mitentscheidung, Teilnahme an Nebenaktivitäten usw.). Ein Arbeitnehmer, der sich für sein Unternehmen und seine Kollegen noch von Nutzen fühlt, der feststellt, dass er noch relevantes Know-how und Potenzial besitzt, behält nicht nur freiwillig seinen Arbeitsplatz, sondern wird am Ende seiner beruflichen Laufbahn auch als Rentner weiterhin aktiv und verantwortungsbewusst sein. Selbstverständlich erfordert die Erreichung des Ziels Verlängerung der Erwerbstätigkeit ausgefeiltere und gezieltere Personalmanagement- und Personalentwicklungsstrategien, die eine stärkere Teilhabe der Arbeitnehmer bereits ab Beginn ihrer Berufslaufbahn vorsehen.

3.4. Da die Maßnahmen zur Förderung der Verlängerung der Erwerbstätigkeit den Erfordernissen aller Akteure im Unternehmen entsprechen müssen, ist schwer vorstellbar, dass sie im Einzelnen in innerstaatlichen Gesetzen geregelt werden können. Wenn jedoch das Unternehmen durch einen ausgewogenen gesetzlichen und steuerlichen Rahmen angemessen unterstützt wird, könnten die einzelstaatlichen Rahmenvorschriften auf die Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern auf Branchen-, Gebiets- oder Betriebsebene verweisen, was die genauere Festlegung der zu treffenden Maßnahmen anbelangt.

3.5. Des Weiteren ist der Ausschuss der Ansicht, dass es im Rahmen des sozialen Dialogs auf europäischer Ebene und der "sozialen Verantwortung der Unternehmen" möglich ist, Strategien zur Förderung einer Verlängerung des Erwerbslebens zu entwickeln, die später von den Sozialpartnern auf Landesebene eigenständig angewandt werden, wodurch auch das Benchmarking der bewährten Praktiken deutlich bereichert würde, die bei der "offenen Koordinierungsmethode" zu prüfen sind.

4. Maßnahmen zur Stärkung der finanziellen Nachhaltigkeit

4.1. Die finanzielle Nachhaltigkeit der Rentenversicherungssysteme ist ein unumgängliches Ziel zur Gewährleistung der Sozialverträglichkeit, das folglich mit einem geeigneten Mix aus Politiken und Maßnahmen auf ausgewogene Weise verfolgt werden muss. Der Ausschuss ist sich sehr wohl der Bedeutung der Herausforderung bewusst und unterschätzt keineswegs die Auswirkung des Bevölkerungsrückgangs in den Mitgliedstaaten - aber auch in den Beitrittsländern -, der die Rentnerquote erhöht. Europa ist ein alternder Kontinent(11), und die Kosten dieser Alterung drohen die künftigen Generationen stark zu belasten. Die kumulierte Auswirkung der Renten- und Gesundheitsausgaben wird die öffentlichen Haushalte künftig vor ernste Probleme stellen, weil sich die Bevölkerungsentwicklungstendenzen innerhalb weniger Jahrzehnte nicht ins Gegenteil verkehren. Für unsinnig, mitunter gar schädlich hält der Ausschuss allerdings die von den Massenmedien, dem öffentlichen Sektor und Regierungskreisen geschürte Katastrophenstimmung in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Wirtschafts- oder Bevölkerungsanalysen, die lediglich die Gefahr der Instabilität hervorheben, welche eine unkontrollierte Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherungssysteme für die Staatshaushalte darstellen würde. Der EWSA kritisiert jedoch auch die Beschwichtigungsversuche, bei denen trotz der offensichtlichen Problematik geleugnet wird, dass die finanzielle Nachhaltigkeit der Rentensysteme eine Herausforderung darstellt, die sehr ernsthaft angegangen werden muss. Nebenbei erinnert der Ausschuss an seine Aussagen in früheren Stellungnahmen(12) zu dem schon heute offensichtlichen (das Problem allein jedoch nicht lösenden) Beitrag der Wanderarbeitnehmer zur finanziellen Nachhaltigkeit der Rentensysteme, sofern diese Arbeitnehmer legal beschäftigt und mit den einheimischen Arbeitnehmern gleichberechtigt sind. Daher betont der Ausschuss, dass die Entwicklung einer ausgewogenen und weitsichtigen europäischen Einwanderungspolitik nunmehr entschlossen vorangetrieben werden muss, und merkt an, dass von vier Personen, die in den letzten zwei Jahren in Spanien erstmals Beiträge zur Sozialversicherung zahlten, eine Person aus einem Drittland eingewandert war.

4.1.1. Die zwar nicht allgemein verbreitete, aber leider ziemlich häufige Beitragshinterziehung schadet sowohl den Arbeitnehmern (mangelnde Deckung) als auch den ehrlichen Unternehmern (unlauterer Wettbewerb) und den öffentlichen Haushalten (mangelndes Steueraufkommen): Nach Ansicht des Ausschusses sollten die Mitgliedstaaten viel entschlossener vorgehen, um hier Abhilfe zu schaffen.

4.2. Nach Ansicht des Ausschusses ist es geboten, alle diese Probleme weiterhin mit großer Ausgewogenheit anzugehen und zu verhindern, dass Misstrauen und Ängste geschürt oder die Öffentlichkeit eingelullt wird. Der europäischen Gesellschaft gehören mündige Bürger an, die vor den Schwierigkeiten der Lage nicht die Augen verschließen, sondern an der Debatte auch über wichtige Themen teilhaben und bei ihrer legitimen Suche nach Perspektiven für ihr Alter unterstützt werden müssen. Aufschlussreich ist die bereits erwähnte Erhebung von Eurobarometer, zeigt sie doch, dass die große Mehrheit der Bürger aller Mitgliedstaaten Realismus und Verantwortungsbewusstsein an den Tag legt und ihre künftige Rentenlage klarsichtig und überlegt einschätzt.

4.3. Wichtig ist, die Probleme stets in einer dynamischen Perspektive anzugehen: Der Ausschuss erinnert daran, dass viele Mitgliedstaaten bereits Reformen zur Verbesserung der finanziellen Tragfähigkeit ihrer Rentensysteme durchgeführt oder in die Wege geleitet haben, und dass daher übereilte oder einseitige Analysen, welche die erst allmählich eintretenden Wirkungen dieser Reformen nicht berücksichtigen, zu erheblichen Fehlern bei den Hochrechnungen führen können.

4.3.1. In fast allen Mitgliedstaaten, die Rentenreformen bereits durchgeführt haben, wurden die Voraussetzungen für den Rentenanspruch erschwert, und in einigen Fällen wurden die Leistungen herabgesetzt. Diese Maßnahmen müssen der notwendigen Sparpolitik entsprechen, wobei jedoch das Ziel der Solidarität der öffentlichen Rentensysteme nicht aus den Augen verloren werden darf. Auch dürfen nicht ständig unvorhergesehene Anpassungen vorgenommen werden, ohne dass eine angemessene Überprüfungsfrist zur Verfügung steht: Der Ausschuss betont die Notwendigkeit, auch die Arbeitnehmer in die Verantwortung für den Aufbau ihrer Berufslaufbahn und ihrer Rentenerwartungen einzubeziehen, aber diese Verantwortung wird man nie erreichen, wenn weiterhin Änderungen (d. h. Kürzungen) der Leistungen vorgenommen werden oder die Voraussetzungen für die Rentenansprüche einseitig verschärft werden.

4.3.2. Einige dieser Reformen werden bereits überprüft, wobei sich gezeigt hat, dass die Gefahr negativer Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen erheblich reduziert werden kann. Die Reform des italienischen Rentensystems von 1997 kann zwar noch verbessert werden, lässt jedoch bereits vorhersehen, dass Italien eines der europäischen Länder ist, die am wenigsten von den Ausgabenschwankungen betroffen sein werden (nur 1,7 % zwischen 2000 und 2050). Schweden wird ebenfalls in den Prognosen der Kommission - sowie in denen einiger privater Forschungszentren - als ein Land genannt, dessen Ausgabenanstieg sehr gering sein wird: Schweden wie im Übrigen auch die Niederlande sind interessante Beispiele dafür, wie ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Systemen auch für die Nachhaltigkeit der öffentlichen Systeme lohnend ist und die Ausgaben in absoluten Zahlen besser zügeln kann. Das Problem des "steilen Ausgabenanstiegs" darf nicht unterschätzt werden, muss aber unter verschiedenen Aspekten und in Verbindung mit dem Problem der Höhe der Rentenausgaben im Verhältnis zu den Sozialausgaben allgemein und zum PIB betrachtet werden: Den Prognosen der Kommission zufolge müssen die Mitgliedstaaten u. U. mit einer Erhöhung der Rentenausgaben um durchschnittlich 3 bis 4 Prozentpunkte des BIP, in einigen Staaten sogar bis zu 6 oder 7 % des BIP rechnen - Prozentsätze, die eindeutig schwer zu Buche schlagen und besorgniserregend sind. Der Ausschuss hebt jedoch hervor, dass dieser "steile Anstieg" von Land zu Land unterschiedlich stark ins Gewicht fällt und je nach den jeweiligen einzelstaatlichen Gegebenheiten aufmerksam untersucht werden sollte. Beispielsweise sollte man in einem Land, in dem eine erhebliche Ausgabensteigerung zu erwarten ist, auch den Gesundheitszustand der Staatsfinanzen, die Entwicklungsmöglichkeiten des Steueraufkommens, die Konsistenz und Proaktivität der Sozialpolitik, die Lebensqualität der Rentner im Vergleich zu jener der Erwerbstätigen, das allgemeine Entwicklungsniveau, die Fähigkeit zur Überwindung des sozialen und territorialen Gefälles sowie die voraussichtliche Dauer des "steilen Anstiegs" berücksichtigen. In diesem Zusammenhang scheinen die Fähigkeit, diesen "steilen Anstieg" wieder zu überwinden, und die dazu erforderliche Frist ebenso wichtig wie das Ausmaß desselben(13).

4.3.3. Der Ausschuss bekräftigt seine begründete Überzeugung, dass die fortgeschrittensten, ausgewogensten und akzeptabelsten Reformen jene sind, die aus einer Konzertierung zwischen den Sozialpartnern und den Regierungen hervorgehen, und verweist auf seine unlängst verabschiedete Stellungnahme "Unterstützung nationaler Strategien für zukunftssichere Renten durch eine integrierte Vorgehensweise"(14).

4.3.4. Aus einer eingehenden Analyse der bereits heute verfügbaren Dokumentation gehen interessante Daten hervor, die innovative, flexible und wirksame Lösungen aufzeigen können. Eine Studie der GD ECFIN(15) zeigt beispielsweise, dass eine allmähliche Steigerung der Erwerbsquote um 5 % eine Einsparung von 0,5 % des BIP ermöglichen könnte und die Verlängerung des Erwerbslebens um ein Jahr einer Einsparung von 0,84 % des BIP entspräche. Wie unter Ziffer 3.1 ausgeführt, muss die Freiwilligkeit bei den Maßnahmen zur Verlängerung des Erwerbslebens erhalten bleiben, aber wenn ein erheblicher Prozentsatz der Arbeitnehmer durch entsprechende Anreize bewogen werden könnte, nach Erreichen des Rentenalters noch zwei, drei Jahre erwerbstätig zu bleiben, könnten sich die Vorteile kumulieren.

5. Anregungen für die Einführung der "offenen Methode" in diesem Bereich

5.1. Die in den obigen Punkten dargelegten Elemente, welche die politischen Optionen im Bereich der Rentenreformen ergänzen können, lassen fast alle(16) den Schluss zu, dass Initiativen auf einzelstaatlicher Ebene zu ergreifen sind, deren Wirksamkeit jedoch durch einen Vergleich und eine Untersuchung nach der "offenen Methode" gesteigert wird. Der Ausschuss hebt die Potentiale dieser Methode hervor, wenn es darum geht, innovative Lösungen zu finden, die Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten zwischen den Mitgliedstaaten zu verfeinern und ein gemeinsames Streben nach sozialer und finanzieller Tragfähigkeit der Rentensysteme zu gewährleisten. Des Weiteren betont der Ausschuss die Notwendigkeit einer wesentlichen und kontinuierlichen Einbeziehung der Sozialpartner (vor allem auf einzelstaatlicher Ebene) einerseits und der Bewerberländer andererseits, wie bereits in den genannten Stellungnahmen erwähnt.

5.2. In diesem Rahmen ist es unerlässlich, Zukunftsindikatoren zu entwickeln, die es ermöglichen, unter schrittweiser Einbeziehung der Ergebnisse der bereits durchgeführten Reformen, die tatsächliche Angemessenheit der Rentensysteme an die sozialen Erfordernisse, die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern, die Arbeitsmarktentwicklung, die volkswirtschaftlichen Gegebenheiten und die Haushaltslage der Mitgliedstaaten zu messen. Neben den Daten und Analysen der Länderberichte ließe sich auf diese Weise ein von den Mitgliedstaaten akzeptierter Rahmen von Indikatoren entwickeln, um eine regelmäßige Überprüfung nicht nur der Auswirkungen auf den Haushalt, sondern auch der dadurch verursachten sozialen Entwicklungen vorzunehmen.

5.3. Hinsichtlich der zu erörternden Themen regt der Ausschuss an, vorrangig die Frage der Anreize und der Motivierung zur Verlängerung des Erwerbslebens in Angriff zu nehmen und ein sorgfältiges Benchmarking der diesbezüglichen vorbildlichen Verfahren zu entwickeln.

5.4. Und schließlich erinnert der EWSA an die Notwendigkeit, die Bewerberländer baldmöglichst in die Entwicklung der offenen Koordinierungsmethode im Bereich der Rentensysteme zu integrieren, und hebt hervor, dass die erheblichen Unterschiede der Systeme der künftigen Mitgliedstaaten ebenso wie die Unterschiedlichkeit der volkswirtschaftlichen Gegebenheiten und des Einkommensniveaus zwar neue Probleme aufwerfen, aber auch große Chancen zur Zusammenarbeit mit diesen Ländern und zu ihrer Integration in das europäische Modell der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung bieten werden.

Brüssel, den 29. Mai 2002.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) Stellungnahme zum Thema "Wirtschaftswachstum, Besteuerung und Nachhaltigkeit der Rentensysteme in der EU" (ABl. C 48 vom 21.2.2002) und zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss: Unterstützung nationaler Strategien für zukünftige Renten durch eine integrierte Vorgehensweise" (ABl. C 48 vom 21.2.2002).

(2) Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Ziffer 30.

(3) KOM(2002) 9 endg. vom 24.1.2002.

(4) Zum Thema "Wirtschaftswachstum, Besteuerung und Nachhaltigkeit der Rentensysteme in der EU", in ABl. C 48 vom 21.2.2002.

(5) Zum Thema "Wirtschaftswachstum, Besteuerung und Nachhaltigkeit der Rentensysteme in der EU", in ABl. C 48 vom 21.2.2002.

(6) Im schwedischen Rentensystem entstehen durch die Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und Studium Rentenansprüche. Der rentenwirksame Anteil der staatlichen Ausbildungsförderung entspricht ca. 20 % eines Durchschnittseinkommens. Bei der 1. Säule der Renten ist im irischen System seit langem dafür gesorgt, dass die Rentenansprüche berechnet werden durch eine Mischung aus den tatsächlich geleisteten Beiträgen und theoretischen Beiträgen, die Empfängern gesetzlicher Sozialleistungen gutgeschrieben werden.

(7) Zum Thema "Wirtschaftswachstum, Besteuerung und Nachhaltigkeit der Rentensysteme in der EU", in ABl. C 48 vom 21.2.2002.

(8) "Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss: Unterstützung nationaler Strategien für zukunftssichere Renten durch eine integrierte Vorgehensweise" (ABl. C 48 vom 21.2.2002), "Wirtschaftswachstum, Besteuerung und Nachhaltigkeit der Rentensysteme in der EU" (ABl. C 48 vom 21.2.2002) und "Ältere Arbeitnehmer" (ABl. C 14 vom 16.1.2001).

(9) Siehe vor allem die Mitteilung der Kommission "Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und Förderung des aktiven Alterns", KOM(2002) 9 endg.

(10) Bekanntlich wirken sich die Frühverrentungen nach wie vor stark auf die Haushalte der öffentlichen Rentenversicherungssysteme aus, vor allem weil in den Jahren, in denen die Aussicht auf die Vollendung des Binnenmarktes Unternehmensumstrukturierungen begünstigte, mehr Arbeitsplätze abgebaut wurden, als den Erwartungen des Marktes entsprechend geschaffen wurden (in der EU wurden in diesem Zeitraum zwischen 15 und 20 Millionen Frühverrentungen vorgenommen).

(11) Informationsbericht "Demographische Lage und Perspektiven der Europäischen Union" - CES 930/1999 fin.

(12) Informationsbericht "Demographische Lage und Perspektiven der Europäischen Union" (CES 930/1999 fin) und Stellungnahme zur "Mitteilung der Kommission: Eine konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes" (in ABl. C 117 vom 26.4.2000).

(13) Siehe hierzu die in der Studie von Merril Lynch zur Bewertung der Tragfähigkeit der Rentenreformen in Europa angewandten Kriterien.

(14) ABl. C 48 vom 21.2.2002.

(15) "Reforms of the pension systems in the EU: an analysis of the policy options", Kapitel 5.

(16) Mit Ausnahme des unter Ziffer 2.5.5 angesprochenen gemeinschaftlichen Rahmens zur Erleichterung der Übertragbarkeit der Renten des zweiten und dritten Pfeilers.

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